Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die 179. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Kalbfell, Hoecker, Gockeln, Dr. Wahl, Dr. Jaeger, Reimann, Agatz und Vesper.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung habe ich folgendes bekanntzugeben. Gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung erweitert um die erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung vom 22. Februar 1951, Nr. 2867 der Drucksachen.
Weiter soll im Zusammenhang mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler - Drucksache Nr. 2714 ({0}), Tagesordnungspunkt 19 - der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler - Nr. 2897 der Drucksachen - behandelt werden.
Außerdem ist vereinbart worden, daß heute nur die zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft stattfinden soll.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit diesen Änderungen einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln ({1}).
Ich darf annehmen, daß das Ministerium auf eine Begründung verzichtet, Herr Staatssekretär? - Das ist offenbar der Fall. Nach den Vereinbarungen im Ältestenrat ist keine Aussprachezeit vorgesehen. Ich darf Ihnen also vorschlagen, diese Frage - welchen Ausschüssen zu überweisen?
({2})
- Dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung federführend und dem Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens? Federführend soll der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung sein. Ist das Haus damit einverstanden? - Herr Abgeordneter Dr. Hammer, ich unterstelle, daß Sie den Ausschuß für Gesundheitswesen als federführenden Ausschuß wünschen. Die übrigen Mediziner des Hauses auch?
({3})
Darf ich mich nach der Meinung des Hauses erkundigen, meine Damen und Herren: wer ist dafür, daß der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens hierbei federführend ist? - Das scheint mir die Mehrheit zu sein. Es ist auch besser, sich mit den Medizinern gut zu stellen.
({4})
Also Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens
federführend, Ausschuß für Angelegenheiten der
inneren Verwaltung als mitberatender Ausschuß.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Arnholz.
Arnholz ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Begründung des Ihnen in Drucksache Nr. 2832 vorliegenden Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes kann ich mich kurz fassen, da dieser Antrag nach meiner Meinung für sich selbst spricht. Ich darf aber auf einige Tatsachen aufmerksam machen bzw. Sie daran erinnern. Die Antragsfrist nach § 24 Abs. 2 des Gesetzes läuft vom Zeitpunkt des Inkrafttretens, also vom 1. April dieses Jahres, ab. Da das Gesetz aber erst Mitte Mai verkündet worden ist - das betreffende Bundesgesetzblatt ist am 12. Mai dieses Jahres ausgegeben -, ist schon dadurch die Frist sehr wesentlich verkürzt worden. Wenn man ferner berücksichtigt, daß antragsberechtigt nach dem Gesetz nicht nur Beamte sind, sondern auch deren gesetzliche Vertreter oder versorgungsberechtigte Hinterbliebene, dann. muß anerkannt werden, daß diese Fristverkürzung nicht tragbar ist und daß sie zu Härten führen muß. Hinzu kommt. weiter, daß die erste Veröffentlichung von Anordnungen und Verordnungen zu diesem Gesetz erst Ende Juni, also fast ein ganzes Vierteljahr nach dem Inkrafttreten des Gesetzes, erfolgte und daß fernerhin die Verwaltungsvorschriften erst am 2. November im Gemeinsamen Ministerialblatt veröffentlicht worden sind, also fünf Wochen nach Ablauf der Frist. Die Landesbehörden, die in weitem Maße als Anmeldebehör({7})
den für die Annahme und für die Bearbeitung von Anträgen zuständig sind, haben auf diese Verwaltungsvorschriften gewartet, und sie haben die weitverbreitete Auffassung, daß man die Verwaltungsvorschriften erst abwarten müsse, bestärkt und in starkem Maße gefördert. Die Landesvorschriften zu dem Gesetz sind daher auch erfahrungsgemäß erst sehr spät herausgekommen.
Durch alle diese Umstände sind Unsicherheit und Verwirrung in die Antragsberechtigten gebracht worden, vergrößert noch dadurch, daß das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen eine Frist, wie sie das Wiedergutmachungsgesetz vorsieht, nicht kennt. Wenn in dem einen Falle eine Frist nicht gesetzt ist, im andern Falle aber der Anspruch wegen einer Fristversäumnis verloren geht, dann erweckt das das Gefühl einer Benachteiligung und erregt Verbitterung. Das will die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag verhindern; und ich hoffe, daß auch Sie alle das verhindern wollen. Ich bitte Sie daher, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, wie er Ihnen in der Drucksache Nr. 2832 vorliegt, zuzustimmen.
({8})
Meine Damen und Herren, eine Redezeit ist nicht vorgesehen. Eine Zustimmung ist auch nicht ohne weiteres möglich, da wir den Gesetzentwurf ja zunächst dem Ausschuß überweisen müssen.
({0})
- Meine Damen und Herren, auf unserer Tagesordnung steht zunächst nur die erste Beratung.
({1})
- Wünscht das Haus, diesen Gesetzentwurf in albdrei Lesungen sofort zu erledigen?
({2})
- Ist das die gemeinsame Überzeugung? ({3})
- Das fördert unseren Geschäftsgang. - Herr Staatssekretär, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch zur Erwägung anheimgeben, ob es nicht zweckmäßig ist, eine Ausschußberatung vorzunehmen. Es ist immerhin nicht ganz unüblich, eine bereits abgelaufene Frist durch Gesetz noch nachträglich zu verlängern. Hinzu kommt, daß das Gesetz selbst - ich glaube, in seinem § 24 - die Möglichkeit gibt, bei unverschuldeter Versäumnis der Frist Anträge nachzuholen. Auf der andern Seite sei offen zugegeben, daß sich unter Umständen aus der jetzigen Rechtslage gewisse Härten ergeben können. Ich bitte deshalb, das Für und Wider einer Verlängerung der Frist erst noch einmal im zuständigen Ausschuß zu überlegen.
Herr Abgeordneter Arnholz, wünschen Sie dazu das Wort? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär weist darauf hin, daß das Gesetz eine Bestimmung enthält, wonach bei unverschuldeter Fristversäumnis Anträge noch nachträglich gestellt werden können. Meine Damen und Herren, wer die Verwaltungspraxis kennt, weiß, daß eine unverschuldete Fristversäumnis fast nie anerkannt wird und daß es außerordentlich schwer ist, nachzuweisen, daß wirklich eine unverschuldete Fristversäumnis vorliegt. Ich glaube also, wir sollten uns darauf nicht berufen.
Ich bitte ferner zu beachten - was ich schon in meiner Begründung gesagt habe und auch dem entgegensteht, was der Herr Staatssekretär hier sagt -, daß ja auch das Gesetz, welches grundsätzlich eine Sechsmonatsfrist vorsah, erst sechs Wochen später verkündet worden ist. Also auch da ist eine Frist nachträglich rückwirkend in Kraft gesetzt worden. Da das Hohe Haus, wie ich annehme, der Überzeugung war, daß wir über diese Dinge nicht erst noch lange im Ausschuß zu beraten brauchen, und mit Rücksicht darauf, daß der Aufwand an Zeit wesentlich verringert würde, wenn wir die Sache heute in drei Lesungen erledigen, bitte ich, doch dementsprechend zu verfahren.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Situation ist für uns alle so klar, daß wir eine Ausschußüberweisung nicht vorzunehmen brauchen.
({0})
Es handelt sich um ein Gesetz zugunsten der naziverfolgten öffentlichen Bediensteten. Da soll man die Dinge jetzt nicht allzu diffizil noch einmal im einzelnen behandeln. Es ist eine kleine Vergünstigung, die den Naziverfolgten hier zusätzlich gewährt wird, indem diese Frist verlängert wird. Daraus kann niemandem ein Schaden entstehen. Aber den Naziverfolgten wird gezeigt, daß wir diesem Personenkreis besonders gern und schnell zu helfen gewillt sind.
({1})
Meine Damen und Herren, ich kann drei Lesungen eines Gesetzes an einem Tage nur vornehmen, wenn kein Mitglied des Hauses widerspricht. Ich stelle fest, - ({0})'
- Herr Abgeordneter Euler widerspricht. ({1})
- Meine Damen und Herren, wenn ein Abgeordneter Rechte der Geschäftsordnung wahrnimmt, hat es doch keinen Zweck, darüber große Debatten zu führen.
({2})
- Meine Damen und Herren, es passiert soviel Interessantes in diesem Hause, daß wir es doch nicht im einzelnen festzustellen brauchen.
({3})
Herr Abgeordneter Euler, wollen Sie noch das Wort nehmen? - Bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was ich eben durch meinen Widerspruch zum Ausdruck gebracht habe, bedeutet keinerlei sachliche Entscheidung, sondern bedeutet nur das eine: daß, wenn die Regierung hier darum bittet,
({0})
eine Sachlage möge nochmals im Ausschuß überprüft werden, man dem nachkommen sollte. Es tritt ja auch keine nennenswerte sachliche Verzögerung ein. Denn unzweifelhaft kann in der nächsten Woche nach inzwischen vollzogener Ausschußberatung das Gesetz in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden.
({1}) - Das kann es gewiß.
Das hat auch niemand in Zweifel gezogen, Herr Horlacher!
({0})
Ich stelle das ausdrücklich fest.
Meine Damen und Herren, es besteht also nicht die Möglichkeit, das Gesetz heute in allen drei Lesungen zu erledigen. Wünscht das Haus eine Ausschußüberweisung?
({1}) Sie wird beantragt. Ich lasse darüber abstimmen. Ich nehme an, daß der Ausschuß für Beamtenrecht in Frage kommt.
({2}) Darf ich fragen, wer für die Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht ist? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Die Überweisung ist abgelehnt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({3}).
Den Gesetzentwurf wünscht Herr Abgeordneter Sabel zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Dringlichkeit der Errichtung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ist in diesem Hause wiederholt gesprochen worden. Ich brauche deshalb diese Dringlichkeit nicht erneut zu begründen. Sie kennen die Umstände, die dazu führten, daß das bereits einmal behandelte Gesetz hier keine Mehrheit gefunden hat.
Der vorliegende Entwurf lehnt sich sehr eng an die früheren Beschlüsse des Ausschusses für Arbeit an. Dabei wurden weitgehend die Wünsche des Bundesrats mit berücksichtigt. Auch die Vorschläge, die der Vermittlungsausschuß in dieser Angelegenheit einmal gemacht hat, wurden weitgehend akzeptiert. Ich darf auf einige wesentliche Dinge kurz hinweisen.
Bei der Zusammensetzung des Vorstandes ist dem Wunsche des Bundesrats Rechnung getragen worden, der dahin geht, daß die Länder mit fünf Mitgliedern im Vorstand vertreten sein sollen. Das entspricht dem früheren Regierungsvorschlag. Auf Wunsch der kommunalen Spitzenorganisationen war hier eine Änderung erfolgt, um eine Ausweitung der Vertretung der kommunalen Spitzenorganisationen zu ermöglichen. Man kann aber dem Wunsch der Länder nur entsprechen, wenn eben diese Ausweitung vermieden wird.
In § 24 Abs. 2 ist die auch hier wiederholt vertretene Auffassung entscheidend beachtet worden, daß man sich bei der Schaffung von Beamtenstellen in der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auf das Notwendigste beschränken soll.
Ich darf dann darauf hinweisen, daß im § 37 die I Übernahme des Personals geregelt ist und daß auch hier die Wünsche des Bundesrats weitgehend beachtet wurden, obschon dieserhalb ja bestimmte Bedenken bestehen.
Zuletzt ist auch in bezug auf die Vermögensanlage dem Wunsche des Bundesrats Rechnung getragen worden, der dahin geht, daß die Vermögensanlage möglichst dort erfolgen soll, wo die Mittel aufgebracht wurden.
Den Vorschlägen, die im Vermittlungsausschuß gemacht worden sind und die auf Anregungen des Bundesrats in bezug auf die Bestellung der Präsidenten der Bundesanstalt und der Landesarbeitsämter beruhen, konnten wir nicht entsprechen. Die Tatsache, daß weitgehend Hoheitsaufgaben durch die Arbeitsverwaltung übernommen werden, muß nach unserer Auffassung ein Anlaß sein, der Bundesregierung einen beachtlichen Einfluß bei der Besetzung gewisser Spitzenfunktionen zu geben. Außerdem ist hierfür - das ist auch bereits früher zum Vortrag gekommen - die Tatsache ausschlaggebend, daß der Bund hier weitgehende finanzielle Verpflichtungen übernommen hat. Im Augenblick gehen die materiellen Verpflichtungen, die durch die Bundesanstalt zu übernehmen sind, zu mindestens drei Fünfteln zu Lasten des Bundes bzw. zu Lasten der Steuerzahler. Wir sind daher der Auffassung, daß sich hier die komplette Selbstverwaltung, wie sie von manchen gewünscht wurde, nicht ermöglichen läßt und daß hier ein wesentlicher Einfluß der Bundesregierung auf die Besetzung der Spitzenfunktionen notwendig ist.
Ich möchte mich auf diese Hinweise beschränken und möchte nochmals betonen, daß dieser Entwurf weitgehend den Wünschen des Bundesrats Rechnung trägt. Ich bitte, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit überweisen zu wollen.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der ersten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Odenthal.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 hat sich - das muß schon wiederholt werden - die Arbeitsverwaltung in den einzelnen Ländern unter den verschiedenen Rechtsnormen alten Rechts und neuen Besatzungsrechts so mannigfaltig entwickelt, daß die einheitliche Zusammenfassung in Aufbau, Verfahren und auch in der Gliederung dringendst erforderlich ist.
Nachdem der Bundestag in der dritten Lesung das Gesetz beschlossen . hatte, hat daraufhin der Bundesrat, aus den verschiedensten Gründen zwar, den Vermittlungsausschuß angerufen, der nun eine Lösung fand, die für alle wahrscheinlich tragbar gewesen wäre. Die Regierungsparteien haben allerdings diesen Beschluß nicht angenommen, und damit lag der Gesetzentwurf wieder in der Fassung der dritten Lesung zur Entscheidung vor, der dann der Bundesrat die Zustimmung versagt hat. Damit fiel das Gesetz, und es konnte geschehen, daß die Mannigfaltigkeit in den einzelnen Ländern und Arbeitsverwaltungen nun lustig weitergehen würde. Der Bundesrat hat zwar aus den verschiedensten Gründen die Zustimmung zu diesem Gesetz verweigert. Er war sich aber einig in der Auffassung, daß dieses Gesetz in der Fassung der dritten Lesung nicht einen Fortschritt, sondern einen Rückschritt in der Selbstverwaltung bedeuten würde.
({0})
({1})
Nun hat aber Freund Adebar in den Kasernen zu Duisdorf ein neues Kind auf die Welt gebracht.
({2})
Dieses Kind erscheint in der Form dieses Gesetzes als Findelkind auf dem Tische unseres Hauses. Wir werden dieses Kind nicht adoptieren. Das ist auch nicht notwendig, weil es unverkennbar die Züge seiner Eltern trägt. Der Entwurf bringt nicht mehr und nicht weniger als die Wiederherstellung der Fassung des Gesetzes in dritter Lesung. Wenn einzelne Bestimmungen geändert sind, wenn z. B. in den Bestimmungen über den Haushalt und über die Personalübernahme kleine Zugeständnisse gemacht werden, so ändert das gar nichts an der Natur eines Gesetzes, das in § 27 die Selbstverwaltung nur zu einer Art Mitverwaltung macht.
Wenn in den Bestimmungen des § 30 den Verwaltungsorganen im Haushaltsrecht mehr zugestanden wird, dann ist das nur ein Scheinhaushaltsrecht. Das Gesetz spricht davon, daß der Haushalt von den Arbeitsämtern ausgehend über die Landesarbeitsämter zum Vorstand beschlossen und dort zusammengestellt wird, daß er dann vom Verwaltungsrat festgestellt wird, aber doch der Genehmigung der Bundesregierung unterliegt. So sieht es in der Theorie aus. In der Praxis aber ist es in der Arbeitsverwaltung so, daß nicht die unteren und mittleren Organe den Haushalt aufstellen, sondern daß der Haushalt von oben her verteilt wird, daß also die Haushaltsmittel, soweit sie nicht zwangsläufig durch Ausgaben der unterstützenden Fürsorge erforderlich sind, für die Verwaltungsausgaben den Landesarbeitsämtern und von diesen den Arbeitsämtern zugeteilt werden. Wenn dann noch die Bundesregierung über die Aufgabe der allgemeinen Staatsaufsicht hinaus die Genehmigung erteilen muß, dann können wir nur von einer Selbstverwaltung in Anführungszeichen reden. Mehr ist davon nicht übrig.
Ob das Personal, ob die Beamten mit dem Tage der Eingliederung, mit dem Tage des Inkrafttretens oder zu einem anderen Zeitpunkt, der zu bestimmen wäre, übernommen werden oder ob sie nach einer gewissen Erprobung unter Umständen zu ihrer Mutterbehörde zurückgehen müssen, ob sich also die Bundesanstalt das Recht vorbehalten sollte, abgeordnete Beamte wieder zu ihrer Mutterbehörde zurückzuschicken, darüber ließe sich reden.
Das Gesetz aber steht und fällt für uns mit dem § 27; es steht und fällt für uns mit dem Recht der wirklichen, der echten Selbstverwaltung.
Herr Kollege Sabel, ganz unter uns - sagen Sie es keinem weiter:
({3})
Wenn wir an die Zukunft denken, dann könnten wir, wenn wir nur parteipolitisch denken, auch diesem Entwurf zustimmen. Ich glaube, Sie verstehen mich. Wir denken aber nicht daran, über diese Dinge mit uns handeln zu lassen. Die Frage der echten demokratischen Selbstverwaltung in der Sozialversicherung und in der Arbeitsverwaltung ist eine Frage, über die sich mit uns nicht handeln läßt.
({4})
Lassen Sie sich dazu eines sagen: die Arbeitnehmer haben lange Jahre hindurch mit Selbstenthaltung und Selbstverleugnung darauf gewartet, daß die Bundesregierung ihren berechtigten Forderungen
sowohl auf soziale Sicherung wie auf Hebung ihrer Lebenshaltung entspricht; sie haben vergeblich gewartet.
({5}) - Das hat damit sehr viel zu tun! - Der Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat am 3. Dezember dieses Jahres ganz deutlich erklärt, daß er sich leider außerstande sieht, in den Wirtschaftsorganisationen der Bundesrepublik weiter mitzuarbeiten, weil er den guten Willen der Bundesregierung zur Mitarbeit vermißt. Wir sind der Auffassung - das darf ich sehr deutlich sagen -, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen langen schweren gemeinsamen Weg zum deutschen Wiederaufbau zu gehen haben. Wir sind aber auch der Meinung, daß wir diesen Weg gemeinsam gehen müssen und daß man sich nicht nur auseinandersetzen, sondern vielmehr zusammensetzen soll.
({6})
Dieses Bewußtsein aber ist Gemeingut aller Arbeitnehmer, nicht nur der organisierten Arbeitnehmer. Ich weiß aber, daß dieser Auffassung auch sehr viele deutsche Arbeitgeber sind, die mit den Arbeitnehmern gemeinsam hinter diesem Beschluß des Deutschen Gewerkschaftsbundes stehen. Ich lese aber aus dem Beschluß des Gewerkschaftsbundes, daß er bereit ist, auch fernerhin mit der Bundesregierung zusammenzuarbeiten, weil es ohne diese Zusammenarbeit einfach nicht geht. Das aber setzt den guten Willen der Bundesregierung voraus, den bisherigen Weg, den Unternehmern alle Freiheit zu lassen und den Arbeitern alle Unfreiheit zuzubilligen, nicht mehr weiterzugehen. Darauf kommt es doch entscheidend an.
Nun liegt uns dieser Gesetzentwurf vor. Er ist die Antwort auf die Bereitwilligkeit der Gewerkschaften. Aber er ist nicht mehr und nicht weniger als eine glatte Absage. Dieser Entwurf des Gesetzes schlagt die angebotene Hand zur Verständigung und zur Weiterarbeit aus. Glauben Sie, meine Damen und Herren, daß man so den Wiederautbau des deutschen Lebens, an dem doch alle gleichen Anteil nehmen sollten, fördern kann? Der gute Freiherr vom Stein, der Schöpfer der gemeindlichen Selbstverwaitung, wurde in seinem Grabe wahrscheinlich herumwirbein - nicht nur drehen -, wenn er ertuhre, was die Urenkel heute aus der Selbstverwaltung zu machen versuchen.
({7}) Unsere deutschen Gemeinden verdanken doch - das weiß jeder Bürgermeister - ihre Entwicklung und ihre stellung in der deutschen Landschaft der Mitwirkung aller Bürger, die an der Gemeinde teilnehmen. Die Entwicklung der deutschen Gemeinden zeigt doch gerade im Gegensatz zu den Gemeinden in anderen Ländern, daß aus dem Recht der Burger, sich ohne staatliche Bevormundung ihre verantwortlichen Leiter selbst zu wählen, die Vielgestaltigkeit und die Blüte des gemeindlichen Lebens entstanden sind. Wir wissen, daß die Entwicklung in anderen Ländern, dort, wo staatliche Präfekten oder Beauftragte das Gemeindeleben regeln, nicht so vor sich gegangen ist, sondern daß das Leben in diesen Gemeinden stagniert. Darum wünschen wir ja auch die Mitarbeit der Gemeindevertreter in allen Stufen der Arbeitsverwaltung, sowohl in der Arbeitslosenfürsorge wie in der wertschaffenden Arbeitslosenfürsorge, in der Arbeitsvermittlung und vor allen Dingen auch in der Berufsberatung, weil wir die Mitarbeit der Gemeinden gar nicht entbehren wollen.
({8})
Dazu kommt aber noch ein anderes. Wir haben die Arbeitsämter als Bezirkskommandos der Arbeitseinsatzverwaltung kennengelernt. Der arbeitende Mensch wurde eingesetzt, wie man etwa eine Lokomotive einsetzt, wie man ein Montageteil in einen Hochbau einsetzt. Er wurde praktisch als Sache behandelt. Wir können heute aber sagen, daß die Beamten, Arbeiter und Angestellten der Arbeitsverwaltung seit dem Zusammenbruch ein Maß an Arbeit geleistet haben, das über alles Lob erhaben ist. Wir wünschen auch, daß, wenn der Geist einer Vergangenheit noch in Teilen besteht, er in Bälde verschwindet. Ich entsinne mich der Reden, die der Herr Bundesarbeitsminister aus verschiedenen Anlässen an verschiedenen Orten gehalten hat, und ich entsinne mich, daß die Arbeitsämter dabei sehr schlecht weggekommen sind. Man sagt, daß der Herr Bundesarbeitsminister zur Zeit des „Tausendjährigen Reiches" einmal von einem sehr bösen Arbeitseinsatzamt zur Feuerwehr verpflichtet worden sei. Das war wirklich nicht nett von diesem Arbeitsamt, und ich verstehe durchaus den Groll, den er noch heute gegen Leute empfindet, die hinter dem Schalter stehen. Aber der Herr Bundesarbeitsminister steht ja heute selbst hinter dem Schalter und in der Verantwortung.
({9})
Er wird wahrscheinlich heute selbst einsehen, daß er manches revidieren muß, was er in der Vergangenheit gegen die Beamten und Angestellten der Arbeitsverwaltung gesagt hat. Wir fürchten, daß der Ungeist in der Arbeitsverwaltung, den wir nach 1933 erlebt haben, fröhliche Auferstehung feiern kann, wenn heute wiederum von oben nach der Ochsentour die leitenden Beamten eingesetzt werden und wenn nicht die Leute, die aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkreisen sowie aus den öffentlichen Körperschaften kommen, an der Auswahl entschieden beteiligt sind.
Wenn und solange die Organe nur beratende Funktion ausüben, wenn die leitenden Beamten bestellt und ernannt werden und die Organe nur mitberatende Funktion haben, dann kann die Arbeitsverwaltung ihren Aufgaben nicht gerecht werden.
({10})
- Den habe ich gelesen. Ich sehe aber den Kern in § 27. Auch der § 25 ändert nichts an diesen Dingen. Im wesentlichen bestimmt doch der leitende Mann oder die leitende Frau in der Arbeitsverwaltung den Geist dieses Amtes oder dieser Behörde.
Der aus der Schule entlassene Jugendliche legt doch sein Berufsschicksal in die Hand des Berufsberaters, und er muß das Vertrauen zu diesem Amt mitbringen. Das ist entscheidend. Der Kriegsbeschädigte, der kaum eine Möglichkeit sieht, einen Arbeitsplatz zu besetzen, will richtig beraten sein. Der Heimatvertriebene, der von Haus und Hof vertrieben ist, der im Westen eine neue Heimat, eine neue Arbeit sucht, muß das Vertrauen zu diesem Arbeitsamt haben. Sonst gehen die Dinge nicht. So sieht es für die Arbeitslosen im ganzen aus.
In der unterstützenden Fürsorge soll dem Mann so lange geholfen werden, wie keine Arbeit für ihn vorhanden ist. Aber auch hier geht es nicht mit der Schaltertätigkeit. Wir wollen nicht, daß der Mann abgefertigt wird. Wir wünschen, daß er richtig behandelt, richtig betreut und richtig beraten wird. Daß aber die Bediensteten des Arbeitsamtes in all ihren Tätigkeitsgebieten den an sie gestellten Anforderungen entsprechen, das sicherzustellen ist doch die Aufgabe des Amtsleiters, der den Geist dieses Amtes bestimmt. Mit Dienstanweisungen ist es hier wirklich nicht getan. Darum muß in dauernder Arbeit in den Arbeitsämtern das Wissen um das Arbeits- und Berufsleben vertieft werden, damit die Leute ihren Aufgaben gerecht werden können. Das sind aber Aufgaben, die einen Menschen fordern, der nicht nur von der Ochsentour kommt, sondern der die Liebe zum Beruf, der eine Berufung mitbringt. Wer das ist, das weiß man oben am grünen Tisch nicht, das wissen aber die Arbeitgeber und Arbeitnehmer und die Gemeindevertreter, die in den Verwaltungsorganen arbeiten und sich diese Leute ansehen können.
({11})
- Das ist nach § 25 nicht möglich, mein verehrter Herr Abgeordneter! - Liegen aber die großen Aufgaben einer kommenden Bundesanstalt nicht auch auf arbeitsmarktpolitischem Gebiet? Sollen denn wie bisher die Länder in der engen Begrenzung ihrer Sicht Arbeitsmarktpolitik betreiben?
Eine andere Frage: Ist der Bund denn bei seiner Auffassung von der freien Wirtschaft wirklich in der Lage, Arbeitsmarktpolitik zu treiben angesichts der Probleme, die vor uns liegen? Wir haben doch deutlich am Vertriebenenproblem gesehen', was dort vor sich ging; weil das Vertriebenenproblem nur aus der Wohnungsschau gesehen wurde und nicht unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsorientierung. Da mußte .es ja fehlschlagen.
({12})
Meine Damen und Herren, diese Aufgabe einer richtigen Arbeitsmarktpolitik ist eine Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung. Sie allein hat den Überblick über den Arbeitsmarkt in der Vergangenheit und in der Zukunft. Sie kann diese Dinge auswerten. Sie hat die Ergebnisse einer arbeitsorientierten Flüchtlingspolitik im Rahmen der Bundeswirtschaftspolitik der Zukunft nutzbar zu machen. In den Organen der Arbeitsverwaltung wirken aber doch Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie öffentliche Körperschaften, die an dieser Frage, die ja das Problem Nr. 1 unserer Tage ist, äußerst stark interessiert sind. Es kommt darauf an, daß diese Fragen nicht in der Schau der einzelnen Länder, sondern im Bundeswirtschaftsraum richtig gesehen und gelöst werden.
({13})
Es besteht deshalb kein Zweifel, daß ein gedeihliches Arbeiten der Bundesarbeitsverwaltung nur in einer echten Selbstverwaltung möglich ist. Wir vertreten deshalb die Auffassung, daß der § 27 eine Änderung erfahren muß, wie sie seinerzeit vom Vermittlungsausschuß gerade in dieser Frage vorgeschlagen wurde. Sonst würden wir mit Bedauern feststellen, daß wir dieses Gesetz als ein 'Gesetz gegen die Arbeitnehmer ansehen müssen.
({14})
Wir weisen diesmal noch mit allem Ernst darauf hin, daß auch in der Wirtschaftsgesetzgebung sozialpolitische Gesetze nur dann Wirkung von Dauer haben werden, wenn sie mit großer Mehrheit dieses Hauses beschlossen worden sind.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Nachdem seinerzeit bei der Beratung des entsprechenden Gesetzentwurfs mein Parteifreund Renner bereits auf einige wichtige Fragen der damaligen Vorlage eingegangen ist und meine Fraktion in der entscheidenden Beurteilung zur Ablehnung der Vorlage kam, möchte ich heute nur auf einzelne Punkte eingehen - wie z. B. die Frage, inwieweit überhaupt von einer Selbstverwaltung gesprochen werden kann; ich spreche hier nur die Frage der Drittelung in den Organen an und die Tatsache, daß damit die Arbeiterschaft, die ja die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung aufbringt, absolut nicht entsprechend ihrem Anteil, d. h. mehrheitsmäßig in den Organen vertreten ist -, außerdem noch diejenigen Bestimmungen dieses Gesetzes, in denen gesagt wird, daß besondere Verwaltungsvorschriften oder Vorschriften für die Ausbildung und Anstellung von Beamten in der Arbeitsverwaltung erlassen werden können. Ich glaube jedoch, daß die entscheidende Beurteilung dieses Gesetzes von einer anderen Ebene aus erfolgen muß.
({0})
Die Äußerungen - ich habe bei der Beratung der Steuer- und Finanzgesetze bereits darauf hingewiesen -, die sowohl von dem Herrn Bundesfinanzminister als auch von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister immer und immer wieder gemacht wurden, nämlich alles, was nur irgendwie erreichbar ist, der Finanzpolitik der Bundesregierung dienstbar zu machen, beweisen, daß für die Regierung diese Absichten der maßgebende Gesichtspunkt bei der Beurteilung auch dieses Gesetzes sind.
Im § 42 dieser Vorlage kommt zum Ausdruck, daß das Vermögen des Reichsstocks sowie das entsprechende seit dem 8. Mai 1945 aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gebildete Vermögen auf die Bundesanstalt übergehen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als daß über 700 Millionen DM damit der Bundesregierung praktisch zur Verfügung gestellt werden; und wir dürften ja weder den Herrn Bundesfinanzminister noch den Herrn Bundeswirtschaftsminister kennen, wenn er nicht darauf abzielen würde, dieses Objekt von 700 Millionen und das sich noch ansammelnde Vermögen und die Einnahmen, soweit sie nicht sonst verbraucht werden müssen, für die Zwecke der Bundespolitik zur Verfügung zu stellen bzw. zu verwenden.
({1})
Herr Professor Erhard hat sich ja - das dürfte Ihnen bekannt sein - vor längerer Zeit schon in der Richtung geäußert, daß es zweckmäßig wäre, Mittel der Bundesanstalt für die Beschaffung von Arbeitsplätzen in der Grundstoffindustrie zu verwenden. Unter diesem Vorwand verbirgt sich eben nichts anderes, als daß Mittel aus der Arbeitslosenversicherung für die Grundstoffindustrien, für Investitionen der Rüstungsindustrie eingesetzt werden sollen.
({2})
- Herr Mayer, daß Ihnen eine solche Feststellung nicht paßt, ist mir absolut verständlich. Die Tatsachen sprechen aber ihre eigene Sprache.
({3})
Ich denke, daß die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften von dieser Ebene aus den Zweck des Gesetzes bei der Bildung der Bundesanstalt und der Verwendung dieser Mittel der Arbeitslosenversicherung ganz klar begreifen und sich dagegen zur Wehr setzen.
Ich möchte aber in diesem Zusammenhang noch eine andere Frage aufwerfen. Das Ziel der Bundesregierung - auch des Herrn Storch - ist, eine Beschneidung der Ausgabe der von der Arbeiterschaft aufgebrachten Mittel hinsichtlich ihrer Wiederverwendung für die Arbeiterschaft selbst herbeizuführen. Das hat der Herr Bundesarbeitsminister vor kurzem erst sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Kollege der sozialdemokratischen Fraktion, der vor mir gesprochen hat, hat die Frage nur in etwa angeschnitten, als er die Genehmigung des Haushalts durch die Bundesregierung behandelte. Der Zweck, den die Bundesregierung mit diesem Gesetz verfolgt, ist - das hat ja Herr Storch sehr eindeutig gesagt -, immer weniger für die Arbeiterschaft, für die Arbeitslosen auszugeben, um dafür um so mehr Mittel für die Finanz-, Investitions- und damit Aufrüstungspolitik der Adenauer-Regierung bereitzustellen. Herr Bundesarbeitsminister, nach Pressemeldungen haben Sie vor kurzem erklärt, daß es notwendig sei, sowohl eine Beschränkung des Kreises der Fmpfangsberechtigten herbeizuführen als auch die Dauer des Empfangs für den in Frage kommenden Personenkreis von 26 auf 13 Wochen herabzusetzen. Es handelt sich um einen Personenkreis, von dem Sie in Pressemeldungen behauptet haben, daß bei diesen Reduzierungen diejenigen in Frage kommen sollten, die im Familienhaushalt ausreichend unterstützt würden
({4})
und dort ihren Lebensunterhalt hätten. Das bedeutet nicht nur, daß die gesetzlichen Ansprüche der Arbeiterschaft aus diesem Gesetz nach Ihrer Absicht beschnitten werden sollen, sondern bedeutet darüber hinaus eine weitere Belastung des in Frage kommenden- Personenkreises, eine Einschränkung der Existenzmöglichkeiten dieser Menschen, und es bedeutet, was ich schon gesagt habe, daß damit entsprechend mehr Mittel für die Finanzpolitik der Herren Schäffer und Erhard zur Verfügung stehen. Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit gegen diese Versuche, die ja der gesamten Linie der Bundesregierung entsprechen, die Massen weiter zu belasten, die Reichen zu schonen und die Mittel, die aus den Massen herausgeholt werden, für die Politik der Remilitarisierung und Aufrüstung zur Verfügung zu stellen. Das ist der wirkliche Sinn dieses Gesetzes und der Politik dieser Regierung, und das lehnen wir mit aller Entschiedenheit ab.
({5})
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herrera Der Herr Abgeordnete Müller hat Ihnen schon ge({0})
sagt, welche „bösen Absichten" wir haben. Aber Sie werden gut tun, wenn Sie noch einige Zeit warten, um sich dann den Gesetzentwurf über die Neuordnung des AVAVG anzusehen, der bei uns ausgearbeitet worden ist. Danach können wir uns dann über alle diese Fragen unterhalten.
({1})
- Ich sage Ihnen nicht ja, und ich sage Ihnen nicht nein. Wenn Sie von den Dingen etwas verstehen, dann warten Sie, bis die Vorlage vorliegt, und zeigen Sie mir dann, wo sich irgendein rückschrittlicher Geist geltend macht.
({2})
- Ja sicher, das ist ein Ausweichen, und zwar ein sehr deutliches!
({3})
Was mich veranlaßt hat, mich hier zum Wort zu melden, sind die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Odenthal. Er hat gesagt, ich sei verärgert, weil ich einmal von einem Arbeitsamt zur Feuerwehr vermittelt worden sei.
({4})
Ich darf Herrn Odenthal sagen: ich habe niemals,
auch nicht im „Dritten Reich", vor dem Schalter
eines Arbeitsamtes gestanden, weil ich der Meinung war, daß Männer, die aus dem sozialistischen
oder aus dem christlichen Gewerkschaftslager
stammten, dort mehr als hundsmiserabel behandelt
wurden. Deshalb bin ich nicht hingegangen, und
ich habe es Gott sei Dank auch nicht nötig gehabt.
({5})
Aber in dem Moment, in dem man die Einmannbetriebe geschlossen und versucht hat, die freiwerdenden Leute zwangsweise in die Industrie zu schicken - im Jahre 1939 -, da habe ich lieber als gewöhnlicher Güterbodenarbeiter die schmutzigste Arbeit verrichtet, als mich vom Arbeitsamt der damaligen Zeit in die Rüstungsindustrie vermitteln zu lassen.
({6})
Das will ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen!
({7})
Es gibt Leute, die es viel einfacher gehabt haben;
({8})
die haben einen „braunen Laden" aufgemacht und waren damit wunderbar abgedeckt!
({9})
- Sie brauchen mir keine guten Ratschläge zu geben! Ich habe in meinem Leben immer gewußt, was ich zu tun und zu lassen habe.
({10})
Nun aber noch eins, was der Herr Abgeordnete Odenthal hier vorgetragen hat. Er hat von einer Verwässerung oder von einer Beseitigung der Selbstverwaltung gesprochen. Das, was in dem Gesetzentwurf vorgelegt ist, ist ganz bestimmt nicht schlechter, sondern besser als das, was im Jahre 1927 festgelegt worden ist, und damals hat die Sozialdemokratie zugestimmt. Wenn Sie den Antrag stellen wollen, die echte Selbstverwaltung herzustellen, dann müssen Sie sagen, daß die Versicherten und ihre Arbeitgeber durch eine Wahl zu diesen Selbstverwaltungskörperschaften ihren Willen zum Ausdruck bringen sollen. Wir gehen in diesem Gesetz einen ganz anderen Weg. Wir geben den vorhandenen Organisationen in Verbindung mit der Regierung bzw. den öffentlichen Körperschaften das Recht, für einen ganzen Stand aufzutreten. Das sollte man doch voneinander unterscheiden können. Wenn ich das Recht einer Organisation gebe, die nicht die Gesamtzahl der Versicherten umschließt, dann sehen die Dinge eben anders aus. Wir können uns ja über die Zweckmäßigkeit einer derartigen Regelung noch im Ausschuß unterhalten; ich wäre auch bereit, in aller öffentlichkeit eine Diskussion darüber zu führen. Ich will, daß in der kommenden Bundesanstalt die Gewerkschaften , die Arbeitgeberverbände und darüber hinaus die Vertreter der öffentlichen Körperschaften aus der Verantwortung der einzelnen Organisation heraus an der Neugestaltung und Bessergestaltung der Dinge mitarbeiten sollen. Irgendeine Absicht, diese Aufgabe auch nur in etwa zu schmälern, besteht bei mir ganz und gar nicht. Das wissen diejenigen, die mich aus meiner Vergangenheit kennen, sehr gut, und Herr Odenthal hat nicht das Recht, hier im Bundestag in Verbindung mit der Besprechung der Vorlage Glossen über meine Person zu machen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie dem vorhin zitierten, leider längst verstorbenen Reichsfreiherrn vom und zum Stein Wirbelt es auch mir im Kopf herum, wenn ich mir überlege, was die beiden Vorredner Odenthal und Müller zur Verwirrung der Situation hier gesagt haben. Offenbar ist den beiden Herren gar nicht bekannt - Herrn Odenthal kann es in dem Umfang nicht bekannt sein, weil wir erst seit kurzem die Ehre haben, ihn in unseren Reihen zu sehen -, in wieviel Ausschußsitzungen-diese Dinge schon behandelt worden sind, sachlich und ruhig, und wie weitgehend die Einigung zwischen rechts und links war, die wir schon einmal erreicht hatten, - nicht ganz so weitgehend, wie sie die oft geschmähten Sozialpartner schon erreicht hatten. Ich meine, wir haben wirklich keine Veranlassung mehr, Exkurse in die Zoologie, in das Familienrecht - mit den Adoptivkindern, die ihren Eltern ähnlich sind; die kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, denn dann wären es ja keine Adoptivkinder ({0})
zu machen, sondern wir sollten uns schleunigst in die Ausschußberatungen begeben und uns über die §§ 27 und 37 verständigen. Anderes steht nicht mehr zur Erörterung, nachdem die Panne mit dem Vermittlungsausschuß passiert ist. Diese Verständigung ist nicht schwer.
Der größere Teil meiner Freunde ist mit mir der Auffassung, daß der Selbstverwaltung in § 27 größere Rechte zugebilligt werden sollten, als sie in dem Enwurf, der uns heute neu vorgelegt worden ist, stehen. Wir werden darüber meines Erachtens zu einer Einigung kommen; ich zweifle nicht daran.
Was die Angelegenheit der Beamten - § 37 - angeht, so ist das in Wirklichkeit ein Streit um das Portemonnaie der Länder einerseits, Herr Minister a. D. Odenthal, und das Portemonnaie des Bundes
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andererseits, also eine Zweckmäßigkeitsfrage, und wir sollten uns von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht weiterhin, womöglich noch ein halbes Jahr den Vorwurf machen lassen, daß wir es nicht fertig bekommen, diese Angelegenheit sechs Jahre nach dem Zusammenbruch endlich wieder in Ordnung zu bringen und die Bundesanstalt zu schaffen. Dann müßten wir uns schämen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
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Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist wirklich eine Freude, hier so lebhaft begrüßt zu werden.
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Die Notwendigkeit der Errichtung der Bundesanstalt ist hier so oft und so gründlich diskutiert worden, daß dem nichts hinzuzufügen ist.
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Wegen der Unübersichtlichkeit der Rechtsmaterie, wegen der Rechtszersplitterung und der Tatsache, daß wir 24 verschiedene Ländergesetze für die Fürsorge- und Kurzarbeiterunterstützung haben, wünscht auch meine Fraktion, daß endlich die Bundesanstalt errichtet wird, wennschon wir meinen, daß die wesentlichen Probleme, die zur Diskussion stehen sollten, erst in dem Gesetz geregelt werden können, das der Herr Bundesminister für Arbeit hier angekündigt hat. Diese Probleme sind es, die uns am meisten interessieren.
Zu dem hier vorliegenden Entwurf haben wir noch einige Wünsche, auf die wir in der Ausschußarbeit besonders eingehen werden. Wir wünschen, daß neben den Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen in § 9 auch die Frauen genügend berücksichtigt werden. Diese Vorschrift war in § 14 des alten AVAVG von 1927 verankert. Wir meinen auch, daß die in § 10 vorgesehene Amtsperiode des Vorsitzenden und der Stellvertreter reichlich kurz bemessen ist. Man sollte im Ausschuß erwägen, ob sie nicht mindestens drei Jahre betragen sollte, damit die notwendige Kontinuität und Übersicht im Amt gewährleistet ist. Bezüglich des § 12 hoffen wir, daß der Schutz der Minderheiten bei der Vertretung in den Verwaltungsausschüssen eingebaut wird. Zusätzlich müßte gefordert werden, daß die Minderheiten auch im Vorstand und im Verwaltungsrat angemessen vertreten sind.
Nun zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Odenthal. Ich hoffe, daß die Gewerkschaften mit vielen seiner Ausführungen in diesem Falle einmal nicht einiggehen werden. Ich habe vor mir einen Kommentar zum AVAVG liegen, den der Bundesverlag des DGB herausgegeben hat. Er schließt im Vorwort:
Unter Mitwirkung des DGB ist aus diesen Erwägungen heraus bereits seit langem auf die
Errichtung der Anstalt hingearbeitet worden.
Ich hoffe, daß der Deutsche Gewerkschaftsbund auch bei diesem Gesetz weiter mitarbeiten wird und daß er aus seiner großen Erfahrung in der Vergangenheit in den Vorgängerverbänden diese Mitarbeit als vornehmstes Recht der Gewerkschaften nicht versagen wird, selbst dann nicht, wenn
seine Meinung sich nicht hundertprozentig durchsetzen sollte. Es ist die Tugend der Demokratie, sich auch der Meinung der Mehrheit zu fügen.
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Ich hoffe, daß die Freunde in der SPD und im DGB sich diese Tugend aneignen werden.
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- Ich meinte mit dieser Freundschaft, Herr Preller, nicht Sie als meine Freunde, sondern die Freundschaft zwischen DGB und SPD.
Das Spaßige - ich habe sehr viel Sinn für Humor -, was der Herr Kollege hier von dem kaum geborenen Kind des Herrn Arbeitsministers gesagt hat, veranlaßt mich doch, ihn darauf hinzuweisen, daß er nicht mit den zehn Geboten und mit dem Strafgesetzbuch in Konflikt kommen sollte. Man sollte ein Kind, wenn es schon geboren ist, nicht töten, besonders nicht dann abwürgen wollen, wenn man noch gar nicht weiß, welche guten Anlagen sich in ihm entwickeln könnten.
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Ich meine, wir sollten vielmehr gemeinsam dafür sorgen, daß sich dieses Kind gesund und kräftig entwickelt, und gemeinsam an seiner Erziehung und Förderung arbeiten.
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In der vorigen Woche ist soviel von sozialem Frieden gesprochen worden. Wir sollten gerade bei der Arbeit an solchen Gesetzen Wert darauf legen, daß die Worte vom sozialen Frieden und von der Zusammenarbeit nicht Schlagworte sind, sondern ihre Verwirklichung dann finden, wenn es darauf ankommt, zum Ausdruck zu bringen, daß man es ernst mit dieser Zusammenarbeit meint.
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Ferner hat Herr Kollege Odenthal etwas von den Leuten vor dem Schalter gesagt, die von denen hinter dem Schalter so behandelt zu werden wünschten, wie diese wünschten, daß es ihnen erginge, wenn sie selber- vor dem Schalter stünden. Ich glaube, daß Sie die allergrößte Möglichkeit haben, auf Ihre Freunde in der Arbeitsverwaltung Einfluß zu gewinnen, damit der gute Geist der Ämter, von dem Sie sprachen und den auch wir meinen, von Ihren Freunden in dieser Beziehung besonders gefördert wird.
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Ich möchte weiterhin sagen, daß die Situation der Arbeitslosenversicherung innerhalb der Sozialversicherung, insbesondere hinsichtlich der Selbstverwaltung, die umstrittenste von allen ist. Wir wissen alle, daß die Arbeitslosenversicherung keine echte Versicherung ist. Ich hoffe, daß wir bei der Novelle diesen großen neuralgischen Punkt - ob man gegen Arbeitslosigkeit überhaupt versichern kann, wie die Fürsorge aussehen muß und wo ihre Grenze sein muß - behandeln werden. Wir sollten dieses Gesetz damit jetzt nicht belasten.
Bei der Arbeitsmarktpolitik der Anstalt haben wir den Wunsch, daß die Mittel, die im Wohnungsbau angelegt werden, auch den berufstätigen Frauen mehr als bisher zugute kommen und daß nun endlich ernsthaft dafür gesorgt wird, daß mit diesen Mitteln auch Dauerarbeitsplätze für die älteren, notleidenden Angestellten - unter denen besonders die Vertriebenen hart betroffen sind -geschaffen werden.
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Schließlich möchte ich noch auf die Schlußworte des Herrn Kollegen Odenthal eingehen. Er sprach davon, daß es nicht gut sei, sozialpolitische Gesetze gegen die Stimmen einer großen Fraktion oder mit der Minderheit zu schaffen. Nun, meine Herren und Damen, die Sozialversicherung, die ihr siebzigjähriges Bestehen in diesen Wochen gefeiert hat, ist, wenn ich mich recht erinnere, auch im Reichstag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet worden.
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Ich freue mich, daß aber gerade diese Opposition und ihre Vorgänger es damals begriffen haben, wie wichtig es war, die Sozialversicherung nicht nur mit dem Geist der Selbstverwaltung und der Mitarbeit zu erfüllen, sondern daß es ihnen gelungen ist, sie geradezu zu erobern!
Auf die Ausführungen des Kollegen von der KPD möchte ich nicht eingehen. Ich möchte Ihnen nur empfehlen, sich mit der Frage zu befassen, was der FDGB aus den Mitteln der Sozialversicherung in der Ostzone gemacht hat.
({10}).
Schließlich darf ich zum Schluß noch sagen, daß wir hoffen, daß die Beratungen im Ausschuß - wir stimmen der Ausschußüberweisung zu - nicht wieder ins Endlose verzögert werden, sondern daß wir wirklich sehr bald das Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt zu verabschieden in der Lage sind.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Besprechung der ersten Beratung.
Ich schlage Ihnen vor, daß Gesetz an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
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- Nur an den Ausschuß für Arbeit, wie das letztemal. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, jetzt den zur Ergänzung der Tagesordnung eingesetzten Punkt
Erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Gesetzes über die Selbtsverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung vom 22. Februar 1951 ({1})
zu behandeln.
Die Regierung verzichtet auf eine Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Gesetz ohne Aussprache zu überweisen. Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs erledigt.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ({2}).
Die Regierung bezieht sich auf die schriftliche Begründung des Gesetzes und verzichtet auf eine mündliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen ebenfalls Verzicht auf eine Aussprache vor.
- Das Haus ist damit einverstanden. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Investitionshilfe der deutschen gewerblichen Wirtschaft ({3}).
({4})
Dazu liegt eine große Zahl von Änderungsanträgen vor.
Der § 1 dieses Gesetzes ist bereits zu Beginn der zweiten Beratung behandelt worden.
Wir beginnen also mit den Anträgen auf Einfügung eines § 1 a. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 379 Ziffer 1 vor. - Herr Abgeordneter Etzel, bitte!
({5})
- Der Antrag auf Einfügung eines § 1 a gemäß Umdruck Nr. 379 Ziffer 1 wird zurückgezogen.
Dann liegt auf Umdruck Nr. 387 Ziffer 1 ein Antrag der Fraktion der SPD vor. Wünscht jemand, den Antrag zu begründen? - Offenbar nicht.
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- Herr Abgeordneter Koch, wünschen Sie, das Wort zu nehmen?
({7})
Ihr Sprecher wird noch geholt! - Meine Damen und Herren, sind Sie einverstanden, daß wir diesen Antrag zu § 1 a einen Augenblick zurückstellen, mit § 2 beginnen und dann zu § 1 a zurückkehren, um keine Verzögerung eintreten zu lassen?
({0})
- Herr Abgeordneter Kurlbaum ist bereits im Kommen.
({1})
- Der Antrag der SPD Umdruck Nr. 387 Ziffer 1 betreffend § 1 a ist nicht zurückgezogen worden. Herr Abgeordneter Kurlbaum, wünschen Sie, den Antrag zu begründen?
Ich höre soeben, daß der Antrag der CDU/CSU betreffend § 1 a auch zurückgezogen worden ist.
D er ist zurückgezogen Wollen Sie Ihren Antrag auch zurückziehen?
({0})
({1})
- Dann haben Sie kein Interesse mehr daran. Ich habe den Eindruck, daß diese Dinge der dritten Beratung vorbehalten bleiben. - Also auch dieser Antrag ist zurückgezogen worden.
Ich rufe § 2 auf. Zu § 2 liegt ein Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 367 Ziffer 2 vor, womit die Ersetzung der Worte „des Kalenderjahres 1951" durch die Worte „der Kalenderjahre 1951 bis 1953" verlangt wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge unter den Nummern 2, 4 bis 9 auf Umdruck Nr. 367 sind ja nun dadurch hinfällig, daß die von uns für § 1 beantragte Fassung abgelehnt worden ist.
Also ich stelle fest, daß die Anträge unter Ziffern 2, 4 bis 9 des Umdrucks Nr. 367 erledigt sind. Weitere Abänderungsanträge liegen zu § 2 nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über § 2 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist § 2 angenommen worden.
Ich rufe § 3 auf. Dazu liegen zwei Abänderungsanträge vor. Das ist zunächst der der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck Nr. 366 Ziffer 3. Wünscht ihn jemand zu begründen? - Offenbar nicht. Soll der Antrag des Herrn Abgeordneten Degener Umdruck Nr. 369 begründet werden? Meine Damen und Herren, ich weise darauf hin, daß ein weiterer Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zu Ziffer 2 des § 3 im Umdruck Nr. 366 Ziffer 2 vorliegt.
Eben wird mir ein Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rademacher zu § 3 betreffend Befreiungen überreicht. Danach soll Ziffer 1 folgenden Wortlaut erhalten:
1. Unternehmen, die sich mit der Beförderung und Beförderungsvermittlung von Gütern und Personen befassen; Lagerei- und Umschlagsbetriebe;
Ziffer 2 soll heißen:
2. See- und Binnenschiffahrtswerften;
Die Ziffern 3 bis 8 sollen unverändert bleiben. Die Ziffer 9 soll folgenden Wortlaut haben:
9. Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei;
Der Antrag zur letzten Ziffer deckt sich mit dem Antrag der Deutschen Partei auf Umdruck Nr. 366 Ziffer 3.
Die Ziffer 10 soll nach dem Antrag des Abgeordneten Rademacher unverändert bleiben. Soll der Antrag begründet werden, Herr Abgeordneter Rademacher? - Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur ein Teilgebiet des § 3 zu behandeln, nämlich die Frage der Befreiung von Verkehrsträgern von der Aufbringungspflicht, was aber nicht bedeuten soll, daß ich den anderen Paragraphen dieses Gesetzentwurfes zustimme, wenn § 3 in dieser Fassung angenommen werden sollte. Es liegt mir aber besonders daran, auch die Anträge aufzufangen, die hinsichtlich des Verkehrs von anderer Seite gestellt worden sind.
Der Sinn dieses Gesetzes ist doch zweifelsohne, falsche, verkehrte Investitionen zu verhindern. Es ist die entscheidende Frage: Ist es notwendig, den
deutschen Verkehr von der Aufbringungspflicht auszunehmen, um ihm die Möglichkeit zu geben, mit jedem Pfennig und mit jeder Mark den Substanzverlust auszugleichen, den er durch den Krieg und die nachfolgende Zeit erlitten hat? Zur Begründung meiner Auffassung brauche ich nicht die genauen Untersuchungen der Verkehrsträger selbst anzuführen. Ich bin in der glücklichen Lage, hinsichtlich des deutschen Verkehrs die Ansicht des Bundesverbandes der deutschen Industrie zu zitieren, an dessen Spitze ja bekanntlich Herr Berg steht, der auch der Hauptinitiator dieses Gesetzentwurfes ist.
({0})
Durch einen besonders dafür eingesetzten Ausschuß hat er in einer Denkschrift die in die Milliarden gehenden Substanzverluste der verschiedenen deutschen Verkehrsträger zusammengestellt und ist zu der klaren Erkenntnis gekommen, daß dem Verkehr die Möglichkeit gegeben werden muß, die nötigen Mittel zu erhalten, um den Nachholebedarf zu befriedigen, die Leistungsfähigkeit wiederherzustellen und der deutschen Wirtschaft dienen zu können.
Meine Damen und Herren, es ist weder im Gemeinschaftsausschuß, dem ich angehöre, noch offenbar bei der Beratung im Kabinett noch leider im Wirtschaftspolitischen Ausschuß möglich gewesen, diese Erkenntnis durchzusetzen und zu erreichen, daß diese Grundsätze einen entsprechenden Niederschlag im Gesetz finden. Erfreulicherweise hat der Bundesrat wenigstens eine teilweise Ausdehnung auf den deutschen Verkehr vorgesehen, nämlich die Ausdehnung auf die deutsche Seeschiffahrt. Der Ausschuß für Verkehrswesen konnte sich noch dazu entschließen, zusätzlich die Binnenschiffahrt aufzunehmen. Was hat es für einen Sinn, wenn wir für die deutsche Seeschiffahrt ein Darlehensgesetz machen, ihr aber auf der anderen Seite nicht gleichzeitig die Möglichkeit geben, die Darlehen so schnell wie möglich abzudecken und selbst Mittel zu sammeln, um den wichtigen Aufbau der deutschen Seeschiffahrt aus eigenen Kräften zu bewerkstelligen? Was hat es für einen Sinn, wenn wir die deutsche Binnenschiffahrt nicht klar und deutlich von diesen Sonderbelastungen ausnehmen, die sich in der schwierigen Situation befindet, angesichts der modernen ausländischen Konkurrenz ihr Schiffsmaterial erneuern zu müssen. das ein Durchschnittsalter von 37 Jahren hat? Ich könnte diese Beispiele auf alle Verkehrsträger ausdehnen, die sich mehr oder weniger in derselben Situation befinden. Denken Sie an die Tagung der öffentlichen Verkehrsbetriebe, die kürzlich in Hamburg stattgefunden hat. In der bisherigen Fassung des Gesetzes war vorgesehen. daß die öffentlichen Verkehrsbetriebe nur dann nicht aufbringungspflichtig sind. wenn sie im Sinne des Gesetzes investieren. Vielleicht ist jemand von den Damen und Herren in der Lage, mir zu sagen, wie eine Straßenbahn oder eine Hochbahn im Sinne dieses Gesetzes investieren kann. Ich weiß es nicht.
Wir sind bei den internen Beratungen immer wieder auf die §§ 10, 20 und 21 verwiesen worden, d. h. auf die Paragraphen, die Bestimmungen über Ermäßigung, Stundung und Erlaß enthalten. Ich darf hier ganz offen sagen, daß wir zu solchen Billigkeits-Paragraphen, auch wenn sie durch Rechtsverordnungen und ähnliche Dinge untermauert werden, kein Vertrauen haben, ganz abgesehen davon, daß es einer unendlichen Bürokratie bedürfte, um diese Paragraphen überhaupt schnell und entscheidend zum Zuge zu bringen.
({1})
Was hat mich bewogen, diesen Antrag in der zweiten Lesung einzubringen? Ich glaube, ich habe es mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, nicht nur heute im Zusammenhang mit diesem Gesetz, sondern im Zusammenhang mit Verkehrsfragen überhaupt. Es ist bisher nicht gelungen, auf entscheidenden Gebieten des deutschen Verkehrs Mittel zu mobilisieren, mit der einzigen Ausnahme des Seeverkehrs. Immer wieder sind die Dinge gescheitert, einmal an dem knappen Etat, den wir alle kennen, an den geringen Mitteln, die im Einzelplan XII ausgesetzt sind, zum anderen daran, daß auch der Versuch nicht gelungen ist, ECA-Mittel für den deutschen Verkehr - wie andere Länder sie zur Verfügung haben - zu beschaffen. Ich will auf die Frage der Gründe hierfür nicht weiter eingehen. Ebensowenig ist das zustande gekommen, was immer als letzter Ausweg für die Gesundung und den Aufbau des deutschen Verkehrs bezeichnet worden ist, nämlich ein zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm. Immer wieder ist, wenn der Etat für den Verkehr zu knapp ausfiel, gesagt worden: Warten Sie, wir werden ein entsprechendes zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm bringen, um endlich die Mittel für den deutschen Verkehr zu beschaffen. Wenn ich recht unterrichtet bin, besteht hierüber sogar ein sehr positiver Schriftwechsel zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und dem Herrn Bundesverkehrsminister. Aber dann ist aus den Dingen nichts weiter geworden.
Ich komme zum Schluß. Ich bitte noch einmal, zu verstehen und zu begreifen, worum es geht. Es geht - da es bisher nicht möglich war, entsprechende Mittel für den Verkehr zu schaffen - darum, wenigstens in einem gewissen negativen Sinne etwas für den deutschen Verkehr zu tun, indem wir ihn von vornherein von einer Belastung ausnehmen und ihm die Möglichkeit geben, allmählich aus eigenen Mitteln den Substanzverzehr auszugleichen und das zu tun, was wir alle von ihm erwarten, nämlich ein leistungsfähiger Diener der deutschen Wirtschaft zu sein.
Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht begründet Antrag 367 Ziffer 3 der SPD betreffend Einfügung einer Ziffer 11. Herr Abgeordneter Kurlbaum, wollen Sie den Antrag begründen? .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gegen dieses Gesetz im ganzen der richtige Einwand erhoben worden, daß dadurch eine Abziehung von Betriebsmitteln in die Gebiete erfolgt, die an sich schon mit finanziellen Mitteln reichlich versorgt sind. Wenn man dagegen geltend macht, daß das Gesetz durch Erhöhung der Kohle-, Eisen-, Stahl- und Energieproduktion auch den Notstandsgebieten zustatten kommt, so ist das meiner Ansicht nach nicht ausschlaggebend. Es reicht nicht aus, wenn man die Notstandsgebiete reichlicher mit Grundstoffen versorgt; es ist zusätzlich notwendig, daß die Notstandsgebiete gegen den weiteren Entzug von Betriebsmitteln geschützt werden.
Im Ausschuß hat man in diesem Zusammenhang auf die §§ 20 und 21 hingewiesen und sie in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt. Ich bin der Meinung, daß diese Paragraphen für unsere Zwecke unzureichend sind, weil die örtlichen Finanzämter und die Bezirksausschüsse, die auf Grund der genannten Paragraphen gebildet werden sollen, für die Abgrenzung dieser Gebiete nach allgemein volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und auch nach politischen Gesichtspunkten eben nicht geeignet sind. Ein Mißbrauch dieser Befreiung, wie wir sie für die Notstandsgebiete vorsehen wollen, ist dadurch ausgeschlossen, daß die Obersten Landesbehörden bescheinigen müssen, daß die Voraussetzungen gegeben sind.
Wir wollen aber, daß für diese hochpolitische und volkswirtschaftlich hochbedeutsame Frage der Bundeswirtschaftsminister die volle Verantwortung trägt. Das ist deshalb notwendig, weil bisher für die Notstandsgebiete etwas Ausreichendes überhaupt noch nicht geschehen ist. Nachgewiesenermaßen ist die Arbeitslosigkeit dort nach wie vor sehr groß. Auch statistisch ist nachgewiesen, daß die Gebiete mit struktureller Arbeitslosigkeit an der Zunahme der Beschäftigtenzahlen überhaupt nicht beteiligt sind. Es ist ferner klar, daß man das Problem der Notstandsgebiete nicht allein durch Förderung der Abwanderung in die Zentren der Wirtschaftstätigkeit lösen kann.
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Sie müssen auch daran denken, daß es eine Reihe von Notstandsgebieten gibt, die nicht nur durch Überbesetzung mit Heimatvertriebenen zu Notstandsgebieten geworden sind; es gibt eine Reihe von Notstandsgebieten, die erst seit dem Bestehen des Eisernen Vorhangs zum Notstandsgebiet geworden sind und die sehr gesunde und normal funktionsfähige Wirtschaftsgebiete wären, wenn es keinen Eisernen Vorhang gäbe.
Wir wollen also, daß die Bundesregierung, insbesondere der Bundeswirtschaftsminister, die volle Verantwortung dafür übernimmt, daß die Notstandsgebiete gegen die Wirkungen der Aufbringung der Investitionsmittel angemessen geschützt werden. Das ist vor allem notwendig angesichts der spärlichen 25 Millionen DM, die der Bundesfinanzminister für sämtliche Notstandsgebiete der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt hat. Um eine wie kümmerliche Summe es sich dabei handelt, wird Ihnen klar, wenn Sie sich vor Augen .führen, was der Bundesfinanzminister z. B. durch die Tarifermäßigung für die hohen Einkommen im vorigen Jahr gelegentlich der sogenannten Einkommensteuerreform verschenkt hat. Ich verweise weiter auf die Milliardenbeträge, die der Bundesfinanzminister sich durch die Fassung des § 32 a des Einkommensteuergesetzes hat entgehen lassen. Ich verweise schließlich auf den § 36 des uns vorliegenden Gesetzes. Die Beträge, die nach dieser Bestimmung der Bundeskasse und den anderen öffentlichen Haushalten entgehen, sind um ein Vielfaches größer - sie sind demgegenüber riesengroß - als die bescheidenen, kümmerlichen Beträge, die bisher für die Notstandsgebiete vom Bund zur Verfügung gestellt wurden. Es kommt darauf an, daß endlich einmal eine spürbare Maßnahme zur Erleichterung der Lage, der Notstandsgebiete und zur Abschirmung der Notstandsgebiete gegen weitere finanzielle Belastungen getroffen wird. Es kommt darauf an, daß endlich einmal eine Bresche in die Mauer der Tatenlosigkeit der Bundesregierung auf dem Gebiete der Sanierung der Notstandsgebiete geschlagen wird.
Daher möchte ich Sie alle bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einen besonderen Appell an die Abgeordneten auch der Koalitionsparteien richten, die in den hier in Frage kommenden Gebieten gewählt worden sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das der Herr Kollege Kurlbaum für die Fraktion der SPD hier vorgebracht hat, hat uns in den Beratungen stark bewegt. Wir sind aber der Meinung, daß in den §§ 20 und 21 in Verbindung mit dem § 10 wirklich berechtigten Anliegen in dieser Richtung in vollem Umfange Rechnung getragen worden ist. Wir waren zum zweiten der Meinung, die allerwirksamste Hilfe zur Belebung der Notstandsgebiete ist, daß die Betriebe dort endlich wieder mit genügend Eisen und Kohle versorgt werden, damit die Arbeitslosigkeit überwunden werden kann. Wir meinen also, daß das in dem Antrag der Fraktion der SPD enthaltene Anliegen durch das Gesetz bereits genügend berücksichtigt wird, und empfehlen seitens der Koalition die Ablehnung des Antrages.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 368 hat das Wort Herr Abgeordneter Paul.
Meine Damen und Herren! Wir haben unseren Standpunkt zu diesem Gesetz schon bei der früheren Behandlung dieses Gesetzes dargelegt. Unser jetziger Abänderungsbzw. Ergänzungsantrag hat den Sinn, daß vor allen Dingen die Kommunalbetriebe, jene Betriebe, die für die gesamte Bevölkerung von großem Wert sind, aus der Leistung der Zwangssteuer ausgenommen werden sollen. Jeder weiß, daß die Auferlegung einer solchen Zwangssteuer auf die Kommunalbetriebe zwangsläufig weitere Erhöhungen der Tarife der Straßenbahn und der Preise für Wasser und Elektrizität mit sich bringen würde. In zahlreichen Städten wurden die Tarife der Straßenbahnen und die Preise für Wasser und Strom bereits erhöht. Die Belastung der Kommunalbetriebe mit der im Gesetz vorgesehenen Zwangssteuer würde eine neue Massenbelastung mit sich bringen. Aus diesem Grunde. sind wir der Meinung, daß man die Kommunalbetriebe aus der Verpflichtung herausnehmen und sie von der Leistung dieser Steuer freistellen sollte.
Das Geld, welches durch dieses Gesetz aufgebracht werden soll, soll in die Grundstoffindustrie, d. h. in die Rüstungsindustrie, gehen, und zwar auf Kosten der verarbeitenden Industrie und des größten Teiles der Klein- und Mittelbetriebe. Wir sind der Meinung - und deswegen haben wir diesen Antrag auch in diesem Sinne erweitert -, daß die Klein- und Mittelbetriebe von der Leistung der Steuer ausgenommen werden sollten. Diese Betriebe haben durch die Zwangsverpflichtungen während des Hitler-Krreges gelitten. Es ist nicht tragbar, daß man den Klein- und Mittelbetrieben jetzt eine Steuer auferlegt, die sie veranlassen würde, einen verstärkten Druck auf die Löhne und die Arbeitsbedingungen ihrer Arbeiter und Angestellten auszuüben und andererseits die Preise für ihre Erzeugnisse zu erhöhen, die dann wiederum von den breiten Massen zu zahlen sein würden.
Wir möchten Sie im Interesse der werktätigen Bevölkerung und des Mittelstandes, der Klein- und Mittelbetriebe, ersuchen, unseren Antrag anzunehmen und so zu verhindern, daß diese Kreise, vor allem das werktätige Volk, weiter belastet werden.
Herr Abgeordneter Ewers, bitte schön, zur Begründung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei.
Meine Damen und Herren, Sie dienen der Erledigung der Tagesordnung, wenn Sie sich einer etwas größeren Zugehörigkeit zu Ihren Sitzen befleißigen und nicht zu sehr im Hause unterwegs sind.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte, zunächst unseren Antrag in Ziffer 2 zu berichtigen und den in Ziffer 3 im wesentlichen zu streichen. In Ziffer 9 - nicht in Ziffer 2! - ist hinter dem Wort „Küstenfischerei" einzufügen „die Binnenschifffahrt, die Seeschiffahrt, die nicht bundeseigenen Eisenbahnen und die öffentlichen Verkehrsbetriebe". Dieser Antrag, meine sehr geehrten Herren, bezweckt in erster Linie, denjenigen Unternehmungen, die wir auf Grund eines besonderen Bundesgesetzes auf Kosten des Bundes zum Wiederaufbau der Handelsflotte, die bekanntlich zu 100 % sozusagen verloren war, mit Investitionsmitteln ausstatten, nämlich der Schiffahrt zur See, nicht aufzugeben, andererseits Abgaben zu leisten für andere, ebenfalls aufbaubedürftige Unternehmungen. Die Schiffahrt bekommt auf Grund des Gesetzes, das wir im September vorigen Jahres verabschiedet haben, vom Bunde Darlehen zum Aufbau der Seeschiffahrt. Es ist sinnlos, Unternehmungen, die in dieser Weise auf öffentliche Mittel angewiesen sind, die Auflage zu machen, ihrerseits nun wiederum etwas abzugeben, damit andere Betriebe aufgebaut werden können.
({0})
Hinzu kommen weiter die Verkehrsunternehmungen. Sie wissen alle, daß es nichtbundeseigenen Eisenbahnen - das sind im wesentlichen die Kreisbahnen - genau so schlecht geht wie der Bundesbahn und daß diese Bahnen ebenfalls eigentlich darauf angewiesen sind, durch öffentliche Investitionsmittel ihren Stand vom Jahre 1938 endlich wiederherzustellen. Dasselbe gilt für die öffentlichen Verkehrsbetriebe in den Städten, die ebenfalls ungeheueren Nachholbedarf haben. Diese Unternehmungen des Verkehrs sind unseres Erachtens unter allen Umständen ebenso schutzbedürftig wie die übrigen in den Ziffern 1 bis 8 oder 10 genannten Unternehmungen.
Was den SPD-Antrag zu Ziffer 11 anlangt, so habe ich für meine Fraktion keine Erklärung abzugeben. Als Abgeordneter aus der Stadt Lübeck, die allein immer noch 23 000 Arbeitslose bei rund 80 000 Beschäftigten hat, bin ich nicht in der Lage, ihm zu widersprechen, sondern muß als Vertreter der Großstadt des Bundes mit der größten Arbeitslosigkeit erklären, daß man dafür von diesen Gebieten aus vollstes Verständnis hat. Dies nur für meine Person und meinen Wahlkreis.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich habe Herrn Abgeordneten Ewers richtig verstanden, daß es in dem Antrag Umdruck Nr. 366 Ziffer 2 heißen muß: „die Binnenschiffahrt, die Seeschifffahrt,
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die nicht bundeseigenen Eisenbahnen". Es fällt also bei Ihnen „Küstenschiffahrt" weg.
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- Also wir sind bei Ziffer 2, Herr Abgeordneter.
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- Also die Binnenschiffahrt und die Seeschiffahrt, schön!
Meine Damen 'und Herren, ich weise darauf hin, daß der Antrag Umdruck Nr. 369 der Abgeordneten Degener und Genossen die Hochsee- und Küstenschiffahrt zu der Fischerei zu nehmen beabsichtigt. Bei dieser Frage müssen Sie sich für die Einfügung bei Ziffer 2 oder bei Ziffer 9 entscheiden.
({4})
- Sie wollen das zu Ziffer 9 haben.
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Ich weiß nicht, ob Sie mit der Fraktion der Deutschen Partei ein Einvernehmen herbeiführen. Aber dann ist die Eisenbahn wieder nicht richtig untergebracht. Es wird ein bißchen schwierig. Na, überlassen wir es der Abstimmung!
Also, meine Damen und Herren, Sie haben die Anträge vor sich. Es scheint langsam auch in der Wanderungsbewegung im Hause eine gewisse Stille einzutreten.
Zunächst hat Herr Abgeordneter Rademacher beantragt, gemäß Umdruck Nr. 388 die Ziffer 1 anders zu fassen. Ich lasse zunächst über diesen Abänderungsantrag zu Ziffer 1 abstimmen.
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- Worin sind alle anderen Anträge enthalten, Herr Abgeordneter?
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Also, meine Damen und Herren, der Abgeordnete Rademacher vertritt den Standpunkt, daß sein Antrag alle anderen Anträge bezüglich des Verkehrs - offenbar zu Lande, zu Wasser und auch in der Luft - einschließt.
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Es würde dann also einschließlich der Weltraumschiffahrt sein.
({9})
Meine Damen und Herren, darf ich also zunächst über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rademacher zu § 3 Ziffer 1 abstimmen lassen? - Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Also sind die anderen nicht eingeschlossen.
Dann komme ich zu dem Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, Umdruck Nr. 366 Ziffer 2, wie ihn Herr Abgeordneter Ewers in abgeänderter Form begründet hat. Es soll heißen: „die Binnenschiffahrt, die Seeschiffahrt, die nicht bundeseigenen Eisenbahnen und die öffentlichen Verkehrsbetriebe".
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mühlenfeld.
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- Ich wurde gerade darüber belehrt, daß es keine Küstenschiffahrt gebe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es handelt sich hier fachtechnisch gesehen um ein Mißverständnis.
Es gibt eine Küstenschiffahrt, die technisch ganz anders geartet ist als die Hochseeschiffahrt. Das ist ein großer Unterschied.
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Deswegen bitte ich, diese Formulierung so bestehen zu lassen, also „Binnenschiffahrt, Küstenschifffahrt", und dann muß es heißen „Hochseeschifffahrt". In der Drucksache ist die Silbe „see" ausgefallen. Es muß „Hochseeschiffahrt" heißen. Weiter müssen „die nicht bundeseigenen Eisenbahnen und die öffentlichen Verkehrsbetriebe" folgen. Ich darf noch hinzufügen, meine Damen und Herren, daß gerade die Küstenschiffahrt, die in der Hand kleinerer Unternehmungen ist, diese Vergünstigung der Befreiung sehr wohl verdient.
Meine Damen und Herren, die Fraktion der Deutschen Partei hat ihren Abänderungsantrag wiederum abgeändert. Es wird somit jetzt „Küstenschiffahrt, Hochseeschiffahrt" usw. heißen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war unzweifelhaft die Mehrheit. Dieser Abänderungsantrag ist angenommen.
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Dann liegt zu Ziffer 2 der Antrag des Herrn Abgeordneten Rademacher vor, „See und Binnenschiffahrtswerften" einzufügen bzw. diese Worte offenbar an die Stelle der Ziffer 2 zu setzen, Herr Abgeordneter Rademacher?
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Der Antrag ist technisch noch möglich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rademacher zu Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Zu den Ziffern 3 bis 8 liegen keine Abänderungsanträge vor.
Zu Ziffer 9 liegt der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, die Worte „Hochsee- und Küstenfischerei" durch die Worte „Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei" zu ersetzen.
({2})
- Ja, meine Damen und Herren, der Antrag ist zu Ziffer 9 gestellt. Also, meine Damen und Herren, die Sache ist doch verhältnismäßig eindeutig: in Ziffer 2 steht von Küstenfischerei nicht das geringste drin! Es dreht sich um die Fischerei und nicht um die Schiffahrt,
({3})
die ja letzthin einmal als „Schifferei" bezeichnet wurde.
({4})
Herr Abgeordneter Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind im Augenblick dabei, uns zu verwirren. Soviel ich mich erinnere, hatte Herr Kollege Ewers selbst die Streichung der Ziffer 3 seines Antrags, d. h. also zu § 3 Ziffer 9, beantragt. Zum zweiten: In § 3 Ziffer 9 der Ausschußfassung ist doch die Hochsee- und Küstenfischerei enthalten. Das einzige, was also
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nach dem Antrag der Deutschen Partei über das hinaus, was bereits im Gesetz steht, zusätzlich hinzukommen soll, wäre die Binnenfischerei. Aber wie ich Herrn Abgeordneten Ewers vorhin verstanden habe, wollte er die Ziffer 3 seines Antrages ganz gestrichen haben.
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Ich hatte Herrn' Abgeordneten Ewers nicht so verstanden. Aber es liegt hier offenbar ein Mißverständnis vor. Herr Abgeordneter Ewers, vielleicht klären Sie das freundlichst auf.
Der schriftlich vorliegende Antrag der Deutschen Partei zu Ziffer 2 will die Änderung in § 3 Ziffer 2 eingefügt haben. In Ziffer 2 handelt es sich aber um die Monopolverwaltungen des Bundes, den Bundesschleppbetrieb und die in der Regie des Bundes betriebenen Werften. Dort können wir die freien Handelsbetriebe nicht einfügen, wir wir es wollten. Deswegen habe ich beantragt, unsere Ziffer 2 dahin zu fassen, daß in § 3 Ziffer 9 hinter „Küstenfischerei" all das eingefügt wird, was mit dem Verkehr zu tun hat, und das ist angenommen worden. Wenn Sie es in Ziffer 2 einfügen, dann kann es bestimmt nicht hinter „Werften" stehen; denn dann wären ja nur Regiebetriebe betroffen. Deswegen muß es in Ziffer 9 eingefügt werden. Daher mein Antrag, es hinter dem Wort „Küstenfischerei" einzufügen. Von dem Antrag, den wir zu § 3 gestellt haben, bleibt nur noch übrig die Binnenfischerei, die steht noch nicht drin, nur die Hochsee- und Küstenfischerei stehen in der Vorlage. Also müssen wir in Ziffer 9 noch die Binnenfischerei einfügen.
Nun noch ein Wort, meine Herren: „Fischerei" und „Schifferei" sind unangenehme Worte.
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Fischerei ist der 'Fang von Fischen, Schifferei ist der Verkehr zu Wasser.
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Meine Damen und Herren, ich darf zunächst feststellen, daß der Antrag der Deutschen Partei beabsichtigt, die Einfügung nicht in Ziffer 2 des § 3, wie zunächst beantragt war, sondern in Ziffer 9 vorzunehmen. Ich darf unterstellen, daß sich die Entscheidung des Hauses damit deckt, daß wir also die Einfügung nicht bei Ziffer 2, sondern bei Ziffer 9 vornehmen. Ist das gemeinsame Überzeugung? - Das ist der Fall., Es dreht sich also, da wir alle gemerkt haben, daß die Hochsee- und Küstenfischerei hier bereits stehen, nur noch um die Binnenfischerei. Ich bitte die Damen und Herren, die der Hinzusetzung des Wortes „Binnenfischerei" zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; damit ist also die Binnenfischerei da eingefügt.
Der Antrag der Herren Abgeordneten Degener und Genossen, Umdruck Nr. 369, ist jetzt sachlich erledigt durch die Abstimmung über den Antrag der Deutschen Partei.
Zu Ziffer 10 liegen keine Abänderungsanträge vor.
Von der Fraktion der SPD ist sodann unter Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 367 beantragt, in § 3 eine Ziffer 11 hinzuzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen bitte? - Meine
Damen und Herren, darf ich einmal den Versuch machen, durch Ihr Aufstehen klären zu lassen, welches die Mehrheit ist. Es war nicht ganz klar zu übersehen. Ich bitte also diejenigen, die für den Antrag sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
Da sich der Sitzungsvorstand nicht einig ist, muß ich doch bitten, im Wege des Hammelsprungs über die Frage zu entscheiden. Wer für den SPD-Antrag ist, muß durch die Ja-Tür gehen. Darf ich bitten, den Saal möglichst schnell zu räumen.
({1}) Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen. ({2})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. - Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen.
Die Abstimmung ist geschlossen; ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag der Fraktion der SPD haben gestimmt 153, dagegen 131 Abgeordnete, bei 9 Stimmenthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der KPD, eine Ziffer 11 - wir würden sagen: Ziffer 12 - einzufügen; Umdruck Nr. 368. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 3 in der Gesamtheit unter Berücksichtigung dieser eben angenommenen Abänderungsanträge. Ich bitte diejenigen, die § 3 unter Berücksichtigung der beschlossenen Abänderungen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen ist § 3 angenommen.
Zu § 4 und zu § 5 liegen keine Abänderungsanträge vor, auch keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 4 und dem § 5 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Zu § 6 sind die von der Fraktion der SPD gestellten Abänderungsanträge Umdruck Nr. 367 Ziffern 4 und 5 erledigt. Ich weise darauf hin, daß es in Abs. 3 b) heißen muß: „mit drei oder mehr Mitunternehmern"; „mehreren" ist sprachlich falsch und verdruckt.
Zu § 6 Abs. 1 liegt ein Antrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 365 vor. Wer wünscht, ihn zu begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag soll eine Verbesserung der Bemessungsgrundlage bringen. Bei der Bemessungsgrundlage ist grundsätzlich der Gewinn zusätzlich der Umsätze als maßgebend angenommen worden. In § 10 des Gesetzes sind Ausnahmen vorgesehen, um für bestimmte Gewerbezweige auch in denjenigen Fällen Erleichterungen zu ermöglichen, in denen dies auf Grund des § 6 nicht möglich ist. Dieses Kriterium, diese Unterscheidung nach be({0})
stimmten Gewerbezweigen, stimmt aber nicht für diejenigen Fälle, in denen in den Umsätzen Finanzzölle, Verbrauchsteuern oder Umsatzausgleichsteuern vorhanden sind. Das geht quer durch alle Gewerbezweige hindurch und kann bei Zugehörigkeit zu an sich völlig gleichen Gewerben ganz unterschiedlich sein. Es handelt sich da um Tee-, Kaffee-, Tabak-, Zucker-, Zündholz-, Branntwein-und Süßstoffbelastungen. Unter diesen Umständen ist die von uns beantragte Abänderung des § 6 notwendig, um die sonst durch § 10 meines Erachtens nicht mögliche Korrektur im Gesetz selbst vorzunehmen.
Herr Abgeordneter Etzel, bitte!
Meine Damen und Herren! Daß Herr Kollege Dr. Bertram diese Begründung vorgetragen hat, liegt vielleicht daran, daß er der Beratung dieser Frage im Ausschuß nicht beigewohnt hat. Wir haben den § 10 ausdrücklich geschaffen, um für Fälle, in denen die Bemessungsgrundlage des § 6 nicht paßt, und zwar totaliter nicht paßt, durch eine Rechtsverordnung die Anwendung einer anderen zu ermöglichen. Das, was Herr Kollege Bertram gemeint hat, ist dasselbe, was in § 10 zum Ausdruck kommt. Der Zusatz ist also überflüssig. Ich bitte, ihn abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion des Zentrums, Umdruck Nr. 365. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Änderungsantrag ist. gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 6. Ich bitte die Damen und Herren, die § 6 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 7. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 387 Ziffer 2, vor.
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- Der Antrag ist sachlich erledigt und damit im Augenblick auch der Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 387.
Es liegt weiter der Antrag der Fraktion der CDU/CSU zu § 7 Abs. 3 vor. Wünscht dazu jemand das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Etzel, wünschen Sie das Wort dazu zu nehmen?
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- Das ist nicht der Fall. Der Antrag wird aber aufrechterhalten? Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 379 Ziffer 2 betreffend Neufassung des § 7 Absatz 3.
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- Auch die Ziffern 3 und 4 des Antrags?
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- Ich habe versucht, das eben zu extrahieren; aber es gelang mir nicht ganz.
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- Der ganze Antrag Umdruck Nr. 379 ist also zurückgezogen.
Ich komme zur Abstimmung über § 7 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Zu § 8 liegen keine Änderungsanträge mehr vor. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 8 sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 9. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 10 liegt ein Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Horlacher auf Umdruck Nr. 371 vor. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Horlacher!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über Sinn und Zweck des § 10 ist hier während der Begründung zu anderen Paragraphen schon gesprochen worden. Ich kann mir ersparen, näher darauf einzugehen. Der Unterschied dieser Neufassung des § 10 entsprechend Umdruck Nr. 371 gegenüber der Ausschußfassung ist der, daß hier die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. In zwei Fällen soll eine Änderung eintreten, einmal bezüglich der Anwendung der allgemeinen Bemessungsgrundlage und dann bezüglich der Anwendung des allgemeinen Aufbringungssatzes nach § 7. Ich bitte, der Abänderung zuzustimmen.
Wünscht jemand dazu das Wort? - Das ist nicht der Fall.
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- Herr Abgeordneter Etzel, bitte!
Ich würde meinen Freunden die Annahme dieses Antrages empfehlen, Herr Kollege Horlacher, wenn die Worte „übermäßige Beanspruchung" abgewandelt würden in - so, wie wir es in der Ausschußfassung haben -„übermäßigen und unangemessenen Belastung".
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Ich stelle fest, daß der Antrag des Herrn Abgeordneten Horlacher abgeändert worden ist. Es muß heißen: „zu einer übermäßigen und unangemessenen Belastung führen würde", also nicht „übermäßigen Beanspruchung der Liquidität". Damit ist die Formulierung der Ausschußvorlage gewählt worden. Ist das klar?
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- Nur in diesem Punkt, ja!
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- Die Worte „der Liquidität" fallen auch weg? ({3})
- Genau das hatte ich eben festgestellt.
Also, meine Damen und Herren, der Antrag des Herrn Abgeordneten Horlacher wird in folgender Form zur Abstimmung gestellt. Es heißt in der fünften Zeile:
.. offensichtlich zu einer übermäßigen und unangemessenen Belastung führen würde.
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Das ist jetzt hoffentlich klar.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten Horlacher in dieser abgeänderten Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?- Der Antrag des Herrn Abgeordneten Horlacher ist angenommen; damit hat der § 10 diese Fassung erhalten.
Ich rufe auf die §§ 11, - 12, - 13, - 14, -15, - 16, - 17, - 18, - 19. -Nachdem niemand das Wort wünscht, bitte ich, die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 20. Zu Abs. 2 liegt ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck Nr. 367 Ziffer 10 vor. - Herr Abgeordneter Kurlbaum, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bezirksausschüsse sind bekanntlich für Stundung und Erlaß zuständig. Das Kuratorium ist zuständig für die Bewilligung und Verteilung der Mittel. Das Kuratorium setzt sich zusammen aus dem Gemeinschaftsausschuß, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Bundesregierung und dem Bundesrat. Nach unserer Auffassung ist es ein unmöglicher Zustand, daß, während das Kuratorium in der eben geschilderten Weise zusammengesetzt ist, diese Ausschüsse ausschließlich vom Gemeinschaftsausschuß gebildet werden, insbesondere deshalb, weil diese bezirklichen Ausschüsse ja auch über Fragen allgemeiner Politik und über Fragen von volkswirtschaftlicher Bedeutung zu entscheiden haben. Ich weise nur auf die Heimatvertriebenen und die politisch Verfolgten hin. Der im Ausschuß erhobene Einwand, nur der Gemeinschaftsausschuß der gewerblichen Wirtschaft habe den notwendigen bezirklichen Unterbau, ist nicht stichhaltig; denn der Deutsche Gewerkschaftsbund hat selbstverständlich genau so einen bezirklichen Unterbau und kann sich infolgedessen an diesen Ausschüssen ebenfalls beteiligen. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD, den der Herr Abgeordnete Kurlbaum eben begründet hat, also den Antrag auf Umdruck Nr. 367 Ziffer 10. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, ich bitte, daß wir versuchen, einem Hammelsprung zu entgehen, und schlage vor, noch einmal durch Aufstehen abzustimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag sind, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Geschäftsordnung die Abstimmung durch Erheben von den Plätzen vorsieht. Der Eindruck, den man von dem Stimmenverhältnis hat, ist dabei wesentlich klarer als beim Handerheben. Ich darf also öfter davon Gebrauch machen.
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Nachdem dieser Abänderungsantrag abgelehnt ist, komme ich zur Abstimmung über § 20 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 20 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zu den §§ 21, - 22, - der Überschrift des Teiles II und den §§ 23, - 24, - 25. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 26. Dazu liegt vor ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck Nr. 367 Ziffer 11. Herr Abgeordneter Kurlbaum, wollen Sie begründen? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausschußfassung geht offensichtlich von der Fiktion einer freiwilligen Hilfe aus. Lassen Sie mich etwas zu der Frage der Freiwilligkeit sagen. Wir hatten nicht den Eindruck, daß es sich wirklich um eine Angelegenheit der Freiwilligkeit handelte, nachdem sich der Gemeinschaftsausschuß der gewerblichen Industrie monatelang nicht über die Aufbringung einigen konnte. Wir sind vielmehr der Auffassung - das habe ich ja schön bei der ersten Verhandlung hier gesagt -, daß der wesentliche Grund, warum man diesen Entwurf des Gemeinschaftsausschusses hier vorgelegt hat, die Tatsache ist, daß man sich offenbar im Bundeskabinett über eine eigene Vorlage nicht einigen konnte, und die zweite noch bedauernswertere Tatsache, daß man sich von diesen sehr finanzstarken Gruppen abhängig. fühlte.
Was nun die Hilfe betrifft, so kann man darüber, glaube ich, auch sehr verschiedener Meinung sein. Ich verweise nur auf den § 30, auf den wir nachher noch zu sprechen kommen, in dem ein Aktienerwerb an der Grundstoffindustrie vorgesehen ist. Dabei kann man, wie ich glaube, nicht mehr von einer Hilfeleistung sprechen. Für uns ist das jedenfalls ein Kardinalpunkt. Für uns handelt es sich darum, ob diese Aktion entsprechend ihrer volkswirtschaftlichen Bedeutung durchgeführt werden soll oder ob es sich um ein Privatgeschäft handelt, das eine Interessentengruppe machen kann. Wir möchten ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Konstruktion und die Zusammensetzung des Kuratoriums ein entscheidender Punkt für die Stellungnahme unserer Fraktion sein wird. Eben wegen der großen volkswirtschaftlichen Bedeutung dieses Gesetzes halten wir es für unbedingt notwendig, daß Legislative und Exekutive gemäß unserem Vorschlag maßgebend an dem Kuratorium beteiligt sind. Dabei geht es uns keineswegs darum, daß etwa einzelne Personen aus dem Bundestag in diesem Gremium vertreten sind, sondern ich möchte ausdrücklich betonen: es geht uns nur darum, daß der Bundestag bei der Bestimmung der Vertreter, die in das Kuratorium entsandt werden sollen, mitbestimmend mitwirken kann.
Ich bitte Sie also, unserem Antrag zuzustimmen.
Die Fraktion der FDP hat auf Umdruck Nr. 370 Änderungsanträge gestellt. Wünschen Sie, sie zu begründen, Herr Abgeordneter Euler? - Bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der FDP erklärt sich daraus, daß der Gewerkschaftsbund an der Aufbringung der einen Milliarde nicht teilnimmt; infolgedessen ist nicht einzusehen, daß die Gewerkschaftsvertreter im Kuratorium für das Sondervermögen vertreten sein sollen.
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Meine Damen und Herren, damit sind die Änderungsanträge zu § 26 begründet. - Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich lasse zunächst abstimmen über Ziffer 11 des Antrags der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 367, wonach eine Neufassung der Absätze 1 und 2 des § 26 gewünscht wird. Ich bitte die Damen und Herren, die für den SPD-Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die Ziffern 1 und 2 des Antrags der Fraktion der FDP, Umdruck Nr. 370. Soll zusammen oder einzeln abgestimmt werden?
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- Ich bitte die Damen und Herren, die für diese beiden Anträge sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 26 in der Fassung des Ausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem § 26 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 26 ist angenommen.
Ich rufe auf § 27. Soll Ziffer 3 des Änderungsantrags der Fraktion der FDP, Umdruck 370, noch begründet werden? - Offenbar nicht.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 3 des Änderungsantrags der FDP, Umdruck Nr. 370, zu § 27 Abs. 2 Satz 2. Ich bitte die Damen und Herren, die an die Stelle des Wortes „fünf" das Wort „drei" setzen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 27. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -§ 27 ist angenommen.
Ich rufe auf § 28 und § 29. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 30. Dazu ist in Umdruck Nr. 367 Ziffer 12 ein Änderungsantrag gestellt. - Sie wollen den Antrag begründen, Herr Abgeordneter Seuffert? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf unseren Antrag zu § 30 und gleichzeitig unsere Anträge zu den §§ 31, 32, 33, 34 und 35 begründen - das sind also die Ziffern
12 bis 16 des Umdrucks Nr. 367 -; denn die dort behandelten Fragen stehen in unmittelbarem Zusammenhang.
Zunächst handelt es sich bei § 30 um die Frage, was die Kreditnehmer der Investitionshilfe als Gegenleistung für diesen Kredit an Titeln, Sicherheiten usw. anzubieten haben, was sie dafür zu geben haben. In § 30 ist vorgesehen, daß sie außer den bankmäßigen Sicherungen in kleinen Fällen, daß sie außer Obligationen, Schuldverschreibungen usw. auch Aktien und Wandelschuldverschreibungen geben dürfen. Ein solches Vorgehen ist wirklich sehr ungewöhnlich; es kommt praktisch überhaupt nicht vor, daß bei einem Kredit aus öffentlichen Mitteln Aktien oder Wandelschuldverschreibungen angenommen werden.
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- Sie sagen, es handelt sich nicht um öffentliche Mittel. Wir wollen über die Fiktion der Freiwilligkeit hier nicht noch einmal sprechen. Einwandfrei festzustellen ist jedenfalls, daß jeder einzelnen Kreditbewilligung der Bundesminister für Wirtschaft zustimmen muß. Es sind klar von der öffentlichen Hand gelenkte Mittel, für die die öffentliche Hand verantwortlich ist.
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Ich glaube nicht, daß das bestritten werden kann. Für die Verteilung dieser Mittel, für die Ausgabe der Kredite ist in letzter Instanz die Bundesregierung, der Bundesminister für Wirtschaft verantwortlich. Das steht doch wohl klar im Gesetz. Das ist der eine Grund, warum wir beantragen, hier die Worte „Aktien" und „Wandelschuldverschreibungen" zu streichen. Der zweite Grund ist, daß im Gesetz j a die Weitergabe dieser Aktien und Wandelschuldverschreibungen an die Auf bringungspflichtigen vorgesehen ist, eine Bestimmung, die angesichts der bekanntlich besonders strittigen und besonders ungeklärten Eigentumsverhältnisse bei vielen der hier als Kreditnehmer in Betracht kommenden Unternehmungen keine präjudizielle Entscheidung bringen sollte. Aber auch ohne diese Weitergabe der Titel halten wir es nicht für möglich, daß einer öffentlichen Hand, sei es dem Sondervermögen, sei es letzten Endes einer öffentlichen Kasse, die Aktien und Schuldverschreibungen für den Kredit verbleiben.
Die zweite Frage ist, was die Aufbringungspflichtigen erhalten sollen. Ich darf daraut aufmerksam machen, daß dies für uns eine sehr entscheidende Frage ist. Im Gesetz ist vorgesehen, daß die Originaltitel, seien es Aktien, seien es Wandelschuldverschreibungen, seien es sonstige Schuldverschreibungen der Kreditnehmer, im Wege sukzessiver Ausschreibungen auf die Auf bringungspflichtigen verteilt werden sollen. Das macht es notwendig, daß, soweit solche Titel nicht vorliegen, das Kreditinstitut, d. h. die Industriekreditbank, mit eigenen Schuldverschreibungen eintritt, also nicht das Sondervermögen. Das macht es weiter notwendig, daß für einen großen Teil der Bewilligungen dieser Kredite die Zustimmung des Kreditinstituts erforderlich wird. Das heißt, daß in den Fällen, die in § 30 gesondert genannt sind - das sind die Fälle, in denen wegen kleinen Bedarfs oder aus anderen Gründen, die in der Rechtsform des Unternehmens usw. liegen, keine Obligationen ausgegeben werden sollen -, das Kreditinstitut entscheidet, ob und wieviel bewilligt wird. Das gilt z. B. für die kommunalen Kredite. Das bedeutet,
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daß die Industriekreditbank praktisch über eine ganze Reihe von kommunalen Krediten und von Kleinkrediten entscheiden soll, als notwendige Folge des in der Vorlage vorgesehenen Systems.
Es ist sicher, daß das, was hier in § 31 vorgesehen ist, maßgebend von der Vorstellung getragen ist, daß die ganze Aktion einmalig und nur vorübergehend sein und sich so schnell wie möglich wieder in nichts auflösen soll, eine Vorstellung, die wir bekanntlich nicht teilen. Auf der anderen Seite ist klar, daß auf diese Art und Weise eine Aushöhlung des gesamten Risikos des Sondervermögens in einer Form durchgeführt werden würde, die eigentlich überhaupt kaum denkbar ist. Es würden hier die besten Titel aus der Gesamtmasse des Sondervermögens herausgeholt werden; denn jeder braucht ja nur diejenigen Titel zu nehmen, _um die er sich bewirbt, während die schlechten Titel und der Rest des Risikos dem Sondervermögen verbleiben würden. Daß es außerdem ganz ungewöhnlich ist, ja geradezu zu Mißtrauen Anlaß gibt, wenn sich die sogenannten freiwilligen Aufbringungspflichtigen um Titel bewerben, um Gegenleistungen für einen Kredit, wie sie bei einem Bankkredit und selbst bei dem gefördertsten Bankkredit heute nicht üblich sind, das möchte ich nur am Rande bemerken. Denjenigen, die sich mit den Dingen näher beschäftigt haben, ist auch sehr wohl bekannt, daß z. B. der Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau die jetzt vorgesehene Begebungsweise als schwierig, zeitraubend und kreditmarktpolitisch äußerst bedenklich bezeichnet und aus diesem Grunde abgelehnt hat. Das ist das Votum desjenigen Instituts, das in Finanzierungen von öffentlichem Interesse wohl die größte Erfahrung hat und auch auf eine wirklich erfolgreiche, wenig kritisierte Arbeit zurückblicken kann. Hinzu kommt das, worauf auch die Kreditanstalt aufmerksam gemacht hat, daß es sich hier ja um langfristige Emissionen handelt und daß es unmöglich ist, die Gegentitel für die für langfristige Emissionen benötigten Mittel auf eine Art und Weise weiterzureichen, die eine alsbaldige Liquidierung ermöglicht.
Deswegen unsere miteinander in Zusammenhang stehenden Anträge: erstens die Ausstellung von Aktien und Wandelschuldverschreibungen durch die Kreditnehmer nicht vorzusehen und zweitens den Aufbringungspflichtigen nicht Titel der Kreditnehmer, sondern Titel des Sondervermögens zu überreichen, die das gemeinsame Risiko tragen und vom Sondervermögen oder letzten Endes vom Bund garantiert sind, wodurch eine Vorwegnahme der Regelung der Eigentumsverhältnisse, wodurch eine Aushöhlung des Risikos, wodurch die sehr gefährlichen Auswirkungen auf den Emissionskredit der Kreditnehmer und anderes mehr, alles das, was die Kreditanstalt als äußerst bedenkliche Folgen des hier vorgesehenen Verfahrens gekennzeichnet hat, wegfallen und wodurch weiter wegfällt, daß die Industriekreditbank - „das Kreditinstitut", wie sie hier genannt ist - über einen großen und nicht unwichtigen Teil der Kredite selbst entscheiden müßte, weil sie zur Ausfüllung mit eigenen Titeln hier ja selbst einspringen müßte. Deshalb weiter der Antrag, die Sperrfrist, die in § 33 der Vorlage vorgesehen ist, von drei Jahren auf fünf Jahre zu erstrecken. Wir wissen, daß fünf Jahre wahrscheinlich auch noch nicht ausreichen, um dem langfristigen Charakter der hier notwendigen Investitionen gerecht zu werden. Wir glauben Aber, daß es immerhin eine Zeit ist, die ausreicht,
um die Folgen erkennen zu lassen. Wir weisen auch hier darauf hin, daß eine Frist von mindestens fünf Jahren das ist, was die Sachverständigen, Kreditanstalt und andere, verlangt haben.
Ich bitte Sie also, unseren Anträgen unter den Ziffern 12 bis 16 des Umdrucks Nr. 367 zuzustimmen. Was ich hier nicht eigens erwähnt habe, sind redaktionelle Änderungen. Die §§ 34 und 35 entfallen von diesem Standpunkt aus als unnötig.
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Wünscht jemand dazu noch das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über die Anträge der Fraktion der SPD - Umdruck Nr. 367 Ziffer 12 - betreffend § 30. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Letzteres war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 30 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die ihr zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Zu § 31 weise ich darauf hin, daß beim Umdruck versäumt worden ist, einen Satz 2 zu drucken folgenden Wortlauts:
Diese Verpflichtung entfällt, soweit Erwerbsberechtigte von einem Angebot des Kreditinstituts zur Übernahme anderer, neu auszugebender Wertpapiere gemäß § 32 Abs. 4 Gebrauch machen.
Der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD o Umdruck Nr. 367 Ziffer 13 ist begründet worden. Wünscht jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der Fraktion der SPD sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 31 unter Berücksichtigung der Ergänzung, die ich verlesen habe. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 31 ist angenommen.
Zu § 32 sind Änderungsanträge der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 367 Ziffer 14 schon begründet worden. Wünscht jemand das Wort dazu? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Abänderungsanträge der Fraktion der SPD - Umdruck Nr. 367 Ziffer 14 - sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Die Anträge sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 32. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 32 in der Ausschußfassung sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 32 ist angenommen.
Der Abänderungsantrag zu § 33 ist auch schon begründet worden. Wünscht jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall.
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
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Ich komme zur Abstimmung über § 33 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Paragraphen sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Zu den §§ 34 und 35 liegt der Streichungsantrag der Fraktion der SPD vor. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Streichung dieser Paragraphen sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Streichungsantrag ist abgelehnt.
Darf ich unterstellen, daß das Haus mit der Ablehnung der Streichung seinen Willen, die §§ 34 und 35 anzunehmen, zum Ausdruck gebracht hat?
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- Die §§ 34 und 35 sind damit angenommen.
Zu Teil III: Überschrift; § 36. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 367 unter Ziffer 17 vor. Wer wünscht ihn zu begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Koch!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich bezweifeln, ob wir heute über den § 36 überhaupt abstimmen können, weil der Abs. 1 dieses Paragraphen mit seinen ersten Worten „Unternehmen des Kohle-und Eisenerzbergbaus, der eisenschaffenden Industrie und der Energiewirtschaft" so deutlich auf die Formulierung des § 1 Bezug nimmt, daß wir meines Erachtens über diesen Paragraphen gar nicht beraten oder abstimmen sollten, solange wir nicht wissen, wie der § 1 aussieht. Denn ich könnte mir denken, daß gerade in dem § 1 bei der dritten Lesung noch wesentliche Änderungen vorgenommen werden.
Aber das soll uns nicht hindern, auch etwas Grundsätzliches zu § 36 zu sagen. Der § 36 ist ein Steuerparagraph und verfälscht, weil er ein Steuerparagraph ist, das ganze Gesetz. Man möchte über den Teil III dieses Gesetzes die Worte schreiben: „Investitionshilfe unzulänglich, Steuerzahler an die Front!" Zehn Monate lang hat man den Staatsbürgern Sand in die Augen gestreut, hat von einer Selbsthilfe der gewerblichen Wirtschaft gesprochen, hat sogar von Opfern gesprochen; und jetzt, nachdem es nicht gelungen ist, ein einigermaßen passables Gesetz zustande zu bringen, hilft man sich damit, daß man die fehlenden Mittel den Steuerzahlern aus der Tasche holt. Denn es ist gar keine Frage, daß der § 36 den Bundeshaushalt Hunderte von Millionen kostet. Im Ausschuß wurden Ziffern von 200 Millionen genannt; wir beziffern die Steuerausfälle auf Grund des § 36 auf mindestens 500 Millionen DM im Jahre. Es ist gar keine Frage, daß diese Beträge an anderer Stelle aufgebracht werden müssen, da wir ja sehr wohl die ständigen Ermahnungen des Herrn Bundesfinanzministers kennen, irgendwelche Gesetze, die Steuerausfälle zur Folge haben, nicht zu beschließen.
Ich darf Sie in diesem Zusammenhang - und das ist unbedingt notwendig - an die Geschichte dieses Investitionshilfegesetzes erinnern: das Investitionshilfegesetz sollte ein Wirtschaftsgesetz und kein Steuergesetz sein. Ich darf Sie daran erinnern, daß zum ersten Male in diesem Hohen Hause ein Abgeordneter meiner Fraktion, Dr. Veit, eine Investitionspolitik der Bundesregierung verlangt hat. Dasselbe tat dann wenige Monate später - schon im Frühjahr 1950 war dies alles - der Abgeordnete Dr. Nölting, und zwar am 15. Februar 1950 in seinen Ausführungen zur Arbeitslosigkeit. Ich darf weiter daran erinnern, daß wir im Frühjahr des vergangenen Jahres, als wir über die Steuerpolitik und über die sogenannte Steuerreform sprachen, ebenfalls verlangten, daß man Investitionspolitik betreiben und nicht versuchen solle, nur über die Steuerpolitik die Investitionen zu lenken. Dasselbe haben wir noch einmal wiederholt, als wir uns über die Hausbrandversorgung des vergangenen Jahres unterhielten und zum Ausdruck bringen durften, daß die ganze Hausbrandversorgung eigentlich daran scheitere oder unzulänglich sei, weil die Bundesregierung sich nicht zu einer vernünftigen und anständigen Investitionspolitik entschließen könne. Aus dieser Sorge heraus - daß wir diese Investitionshilfe unbedingt brauchten - haben wir im Frühjahr in diesem Hohen Hause zum ersten Male von Investitionsanleihe oder Investitionshilfe gesprochen. Bedauerlicherweise ist die Anregung damals, nämlich im Februar/März, nicht sofort aufgegriffen worden, sondern der Herr Bundeswirtschaftsminister hat bei seiner bekannten Initiativlosigkeit zwei Monate gebraucht,
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bis er diese Anregung nun nicht etwa selber befolgt, sondern an die gewerbliche Wirtschaft weitergegeben hat, die dann weitere drei Monate gebraucht hat, um diese „spontane" Selbsthilfe zu zerreden und zu zerraufen.
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Meine Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner wirtschaftspolitischen Rede am 11. Oktober zur Investitionspolitik in diesem Hause gesagt:
Zu der Investitionspolitik. Ich darf darauf verweisen, daß ich es gewesen bin, der zunächst den von Ihnen
- zur SPD gewandt -- das ist Ihr gutes Recht - abgelehnten Spar-markenplan entwickelt hat.
Meine Damen und Herren, den Sparmarkenplan haben nicht wir abgelehnt; sondern er wurde bereits im Bundeskanzleramt und dann auch von der Koalition abgelehnt und zunächst gar nicht so sehr von uns! - Weiter sagte der Herr Bundeswirtschaftsminister:
Ich war es auch wieder, der dann im Einvernehmen und in Besprechungen mit der gewerblichen Wirtschaft die Investitionshilfe zur Diskussion gestellt hat, mit der wir uns noch zu befassen haben.
Das war Monate, nachdem der Abs-Plan bekannt war, das war Monate, nachdem die sozialdemokratische Fraktion in diesem Hause die Anregung gegeben hatte, das war Monate, nachdem der Deutsche Gewerkschaftsbund - bereits Anfang März dieses Jahres - die Anregung zu einer Investitionspolitik gegeben hatte. Ich darf die Bemerkung unseres Kollegen Wellhausen aufgreifen, der das Aufwandsteuergesetz seinerzeit als einen Wechselbalg bezeichnete. Das vorliegende Gesetz, meine Damen und Herren, ist auch ein Wechselbalg; aber er hat dazu noch zwei kurze Beine!
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Es war ein sehr großer Fehler, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht selbst die Initiative ergriffen, sondern sie den Spitzenverbänden überlassen hat und daß dann - „leider" müssen wir sagen; Herr Etzel hat diese Worte gebraucht - „das Angebot der gewerblichen Wirtschaft die
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Grundlage für dieses Gesetz" war. Auch diese Bemerkung geht also von der Fiktion aus, als ginge
diese Beratung über die Investitionshilfe auf ein
Angebot der gewerblichen Wirtschaft zurück. Dabei
handelt es sich nicht um ein Opfer der gewerblichen Wirtschaft, sondern - das muß einmal ganz
klar ausgesprochen werden - um ein Geschäft der.
gewerblichen Wirtschaft mit den Engpaßindustrien.
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Aber, meine Damen und Herren, jetzt wird es noch schlimmer! Ich habe schon gesagt: Investitionshilfe unzulänglich, Steuerzahler an die Front! - Jetzt müssen die Steuerzahler dafür büßen, daß wir jahrelang keine vernünftige Investitionspolitik gehabt- haben. Sie müssen wieder in die Bresche springen.
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Der § 36 läßt die Bestimmungen über die Selbstfinanzierung, nämlich die aufgehobenen Bestimmungen der §§ 7 a und 7 e, des Einkommensteuergesetzes wieder aufleben. Da dürfte es ganz interessant sein, zu hören, was der Herr Bundesfinanzminister in diesem Frühjahr, als er seine Steuerreform, seine sogenannte Steuerreform begründete, erklärt hat. Er sagte in der 123. Sitzung des Bundestages am 7. März 1951:
Infolgedessen muß heute, genau wie es bei allen Reformen der Steuergesetze in allen anderen Ländern geschieht, von dem Gedanken, die Eigenfinanzierung besonders zu begünstigen, abgegangen werden.
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„Abgegangen werden", meine Damen und Herren von der Koalition! Jetzt aber sind Sie dabei, den Herrn Bundesfinanzminister mit diesem § 36 zu desavouieren!
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Der Steuerausfall, das sagte ich schon, wurde im Finanzausschuß, in dem wir nur sehr kümmerliche Ausführungen und Begründungen der Verwaltung hörten, auf etwa 500 Millionen DM geschätzt. Ich bin gespannt, von dieser Stelle aus eine andere Berechnung zu hören, nachdem wir eine Berechnung im Finanzausschuß des Bundestages nicht haben erhalten können.
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Wir fragen den Herrn Bundesfinanzminister von dieser Stelle aus: Wie will er. diesen Ausfall decken? - Es ist nur wenige Wochen her, da kannte der Herr Bundesfinanzminister nur eine einzige primitive Alternative: Entweder ihr nehmt die Aufwandsteuer an, oder ihr müßt die Umsatzsteuer erhöhen, - denn den Ausfall der geplanten Aufwandsteuer mit 100 Millionen DM konnte er sich nicht leisten. Wir fragen also: wie wollen wir diesen Ausfall von einigen 100 Millionen DM decken?
Auf einem Parteitag der CDU hat der Herr Bundesfinanzminister davon gesprochen, er werde „erbarmungslos" - und ein anderes Mal hat er gesagt, er werde „rücksichtslos" - alle Vorlagen des Bundestags ablehnen, die irgendwie das Finanzaufkommen des Bundes schmälerten.
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Wir haben unsere Anträge bisher immer nur dann gestellt, wenn es darum ging, irgendwelchen bedrängten Volksgruppen in dieser Bundesrepublik zu helfen.
({10}) - Jawohl! - Wir haben immer nur Anträge gestellt, wenn wir einen sozialen Beweggrund hatten.
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Jetzt fragen wir den Herrn Bundesfinanzminister: soll die Erbarmungslosigkeit und die Rücksichtslosigkeit, die er angedroht hat, sich immer nur gegen solche Anträge richten, oder wird er auch heute „erbarmungslos und rücksichtslos" gegen diesen § 36, der ihn einige 100 Millionen kostet, Stellung nehmen?
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Meine Damen und Herren, was ist die Folge der Bestimmung des § 36? Ich möchte sagen: Koalition und Regierung bereichern auf Kosten der Steuerzahler die Unternehmen, an denen man die privaten Geldgeber beteiligt; der Steuerzahler zahlt drauf; der private Darlehnsgeber segnet sich mit Beteiligungen, und das Ganze nennt man dann, eine „Selbsthilfe" der gewerblichen Wirtschaft.
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Dieses ganze Investitionshilfegesetz, das nicht die Regierung, sondern das diejenigen gemacht haben, die aus den „Opfern" Geschäfte machen, ist nichts weniger als eine Bankrotterklärung der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.
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Dieser § 36 bedeutet nicht etwa nur, wie ich schon sagte, eine Desavouierung der Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers vom März dieses Jahres,
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sondern die öffentliche Aufforderung an die
Steuerzahler, für die verfehlte Investitionspolitik
jährlich erneut Hunderte von Millionen zu zahlen.
Die Steuerzahler sollen dafür bezahlen, daß der
Herr Bundeswirtschaftsminister es jahrelang abgelehnt hat, eine Investitionspolitik zu betreiben.
Wenn Steuermittel übrig sind, warum, so frage ich gerade Sie von der Koalition-und dazu wird vielleicht der Herr Bundesfinanzminister noch einiges zu sagen haben -, behandelt man denn dann den Steuerzahler oder in diesem Fall die Bundesrepublik, die ja etwas geben soll, schlechter als die privaten Geldgeber? Wie wäre es, wenn man gerade diese Hunderte von Millionen, die an Steuern ausfallen, als Kredite gegen Beteiligungen in den Industrien gäbe? Ich glaube, auch zu dieser Frage wäre einiges zu sagen.
Wir lehnen den § 36 ab.
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- Es dürfte nach meinen Ausführungen kein Zweifel mehr darüber bestehen, Herr Kollege!
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Wir lehnen diesen § 36 ab, weil er keine Umlenkung der Investitionen bringt. Ich darf Sie alle daran erinnern, daß das der Grundgedanke dieses Gesetzes sein sollte. Wir wollten Investitionen aus einem Zweig der Wirtschaft in den anderen Wirtschaftszweig umlenken und nicht zusätzliche Investitionen schaffen, zumal wir bedenken müssen, daß die Volkswirtschaft die zusätzlichen Investitionen möglicherweise gar nicht zu tragen in der Lage ist. Wir lehnen also diesen § 36 ab, weil er gegen diesen Grundgedanken des Gesetzes verstößt.
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Wir lehnen ihn außerdem deshalb ab, weil wir - das habe ich schon gesagt - dem Steuerzahler keine neuen Opfer im Zusammenhang mit dieser sogenannten „Selbsthilfe der Wirtschaft" zumuten wollen. Wir haben nicht die Absicht, den Steuerzahler durch diese Hintertür, auf der zu lesen ist „Selbsthilfe und Opfer" zu führen und ihn dann hinter dieser Türe um weitere Hunderte von Millionen zu erleichtern. Das müssen wir der Koalition und der Bundesregierung überlassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich möchte doch etwas zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Koch sagen, insoweit er hier von den Opfern für die Steuerzahler gesprochen hat. Wir wissen alle, daß sich unsere gesamte Volkswirtschaft nun einmal nicht weiter entwickeln kann und daß es nicht möglich ist, weitere Verbesserungen sozialer Leistungen in dem Maße vorzunehmen, wie wir es tun möchten, weil uns überall die Engpässe bei Kohle, Stahl und Eisen drücken und deswegen die Beschäftigung in den weiterverarbeitenden Wirtschaftszweigen sich nicht so entfalten kann, wie wir es alle wünschen. Von daher kommt - ich will jetzt nicht darüber streiten, mit welcher Geschwindigkeit oder mit welcher Verzögerung - überhaupt erst der Gedanke einer zusätzlichen Investitionshilfe. Sicherlich ist es richtig: die Koalition war damit einverstanden, daß auch im Hinblick auf diese Engpässe die allgemeine steuerliche Selbstfinanzierung eingeschränkt worden ist. Es ist aber ebenso richtig, daß gerade die Wirtschaftszweige Kohle, Eisen und Stahl von der in den vergangenen Jahren bestehenden steuerlichen Erleichterung der Selbstfinanzierung so gut wie gar keinen Gebrauch machen konnten, weil nämlich auf diesen Gebieten Preisbindungen bestanden, die überhaupt keine größere Wirtschaftlichkeit zuließen. Zum Teil war es auch infolge der bekannten Tatsache, daß die deutsche Zuständigkeit auf diesem Gebiet fehlte - ich nenne das Alliierte Sicherheitsamt und erinnere an alle diese Ihnen bekannten Zustände -, gar nicht möglich, das Notwendige an Erweiterungen in unseren Grundstoffindustrien vorzunehmen.
Wir haben uns nicht nur entschlossen, diese eine Milliarde zu geben, die für die Aufbringungspflichtigen wirklich kein Geschäft, sondern ein effektives Aufbringungsopfer darstellt, das ihnen Liquidität entzieht, wir wünschen auch, daß durch die nachträgliche befristete Gewährung der gleichen Vergünstigungen, die die übrige Wirtschaft besessen hat, nun mit der allergrößten Beschleunigung diese Anstrengungen erheblich verstärkt werden. Es mag zutreffen, daß dadurch im ersten Jahr ein gewisser Steuerausfall entsteht; dieser ist aber niemals so groß, wie er eben vom Herrn Kollegen Koch dargestellt wurde. Dem Ausfall, der durch unmittelbare zusätzliche Investitionen in der Grundstoffindustrie entstehen könnte, entspricht sofort ein Mehr an Steueraufkommen aller Art aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer, der Umsatzsteuer, - der Gewerbesteuer und obendrein Lohnsteuer in den Lieferindustrien, in denen die Maschinen für die. Erweiterung der Kohleförderung und der Eisen- und Stahlerzeugung hergestellt und die Gebäude errichtet werden, die im andern Falle nicht hergestellt oder errichtet würden.
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Das muß man zum mindesten erst einmal saldieren.
Zweitens ist wohl klar, daß als Folge einer Mehrerzeugung von Stahl und Eisen, die durch die Zusammenfassung aller dieser Möglichkeiten der Begünstigung entsteht, im zweiten, im dritten, im vierten und fünften Jahr eine erhebliche Ausweitung des Steueraufkommens eintritt und daß Erleichterungen herbeigeführt oder aber zum mindesten, wenn erweiterte Aufgaben an uns herantreten, zusätzliche Beanspruchungen unserer Volkswirtschaft und unserer Verbraucherschaft vermieden werden können.
Dann noch etwas zum Schluß. Herr Kollege Koch, Sie wissen doch genau, daß es sich hier nicht um ein Steuergeschenk handelt, sondern daß die Eisen- und Stahlindustrie und der Kohlenbergbau von der steuerlichen Begünstigung der Investitionen nur Gebrauch machen können, wenn sie diese Investitionen nachweisen. In dem Augenblick, in dem die betreffenden Werte vorzeitig stärker abgeschrieben worden sind, als an und für sich ihrer Abnutzung entspricht, sind von einem wesentlich höheren steuerpflichtigen Betrage Steuern zu zahlen. Im äußersten Falle kann man also sagen: es ist eine Art Staatskredit,
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der auf eine Zeit von drei Jahren an die Eisen-und Stahlindustrie und den Kohlenbergbau für Investitionszwecke gegeben wird, genau so, wie die ganze private Wirtschaft ihrerseits diesen Kredit von einer Milliarde D-Mark an die Eisen- und Stahlindustrie gibt. Und wir sind schon der Meinung, daß das gemeinsame Interesse der gesamten deutschen Volkswirtschaft eine solche Ausschöpfung aller überhaupt denkbaren Kreditmöglichkeiten zugunsten der Grundstoffindustrien in vollem Umfange rechtfertigt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Koch hat erklärt, daß es sich hier um eine steuerpolitische Maßnahme handele, das Gesetz im übrigen aber Investitionshilfe sei. Dieser Einwand ist meiner Ansicht nach nicht zutreffend. Denn daß die Steuerpolitik eines der vornehmsten Mittel jeder Wirtschaftspolitik, insbesondere auch der Investitionspolitik ist, ist meines Ei achtens nicht nur nicht bestritten, sondern von allen Seiten dieses Hauses wiederholt akzeptiert Worden. Es ist mir nicht bekannt, daß etwa von seiten der SPD gegen die Vorschriften des § 7 c oder des § 7 d bisher wesentliche Einwände vorgebracht worden wären. Das sind ja doch auch ganz wesentliche Mittel der Steuerpolitik zu Zwecken der Investition. Man kann also nicht im Prinzip etwas dagegen sagen, daß die Steuerpolitik als Mittel der Investitionspolitik verwandt wird. Im Prinzip wird man dieses Mittel anwenden, und man hat es in der Vergangenheit oft und oft angewandt, nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern der Welt.
Es ist also nur die Frage, ob das hier vorgeschlagene Mittel unseren Zeitläuften angemessen ist, ob insbesondere der Steuerzahler zusätzlich
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belastet werden muß. Diese Gefahr könnte zweifellos dann vorhanden sein, wenn der Paragraph so bestehen bliebe, wie er jetzt in der Vorlage enthalten ist, nämlich ohne eine Begrenzungsmöglichkeit. Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, daß ja auch in § 7 a des Einkommensteuergesetzes eine Grenze von 100 000 DM vorgesehen ist, wohl um Mißbräuche von vornherein zu verhindern. Eine solche Grenze hier einzuführen, scheint mir unbedingt geboten, um die Vorteile, die von Herrn Preusker eben mit beredten Worten geschildert worden sind, und die Nachteile, die Herr Kollege Koch befürchtet, in der Hand zu behalten. Nach den uns gegebenen Zahlen kann eine Gesamtinvestition von 1 1/2 bis 2 Milliarden DM jährlich; also rund 6 Milliarden DM in drei Jahren, erwartet werden. Dieser Gesamtbetrag ist nach der Gesetzesvorlage abschreibungsfähig, und zwar deshalb, weil auch Ersatzmaschinen infolge der höheren Leistung, die sie im allgemeinen gegenüber den alten Anlagen haben, unter die Bestimmungen des § 36 fallen würden. Sie gestatten nämlich, die Erzeugung zu steigern, wenn sie auch an sich nur unter Ersatzanlagen figurieren. Man muß also von einer Investitionssumme von 6 Milliarden DM, pro Jahr also 2 Milliarden DM, ausgehen. Bei einer durchschnittlichen Abschreibung von 35 % würde das jährlich 700 Millionen DM, bei einem Steuersatz von 60 % 420 Millionen DM Steuerausfall jährlich machen. Daß ein solcher Steuerausfall durch die möglichen wohltätigen Wirkungen einer Steigerung der Kohle- und Eisenerzeugung nicht abgedeckt werden kann, liegt auf der Hand. Man kann sich darüber unterhalten, in welcher Höhe eine solche wohltätige Wirkung erwartet wird. Wenn man aber daran erinnert, daß seitens des Bundeswirtschaftsministeriums selbst nur ein Betrag in der Größenordnung von 200 Millionen DM als durch diese Bestimmung gedeckt angegeben worden ist, dann wird man auch davon ausgehen können, daß ein höherer Steuerausfall nicht zugelassen werden sollte.
Wir haben deshalb beantragt, daß in einem § 37 unter den Ermächtigungsbestimmungen der § 36 insofern ergänzt wird, als die Bundesregierung ermächtigt wird, Höchstsummen für alle in Betracht kommenden Wirtschaftsgüter eines jeden Unternehmens festzusetzen. Mit dieser Bestimmung verhindern Sie, daß die Abschreibungsfreiheit sich auf alles und jedes und über die Grenze hinaus auswirken könnte, die unser gequälter Bundesfinanzminister unbarmherzig einzuhalten versprochen hat. Was wir vorschlagen, ist keine Bestimmung, die selbst bereits eine Grenze festsetzt; wir schlagen nur eine Bestimmung vor, die die Berechtigung gibt, Grenzen festzusetzen. Mit dieser Berechtigung kommen wir auch weit genug. Wir werden es der Zukunft überlassen müssen, wieweit sich Abschreibungsinanspruchnahmen, also Steuerausfall, einerseits und volkswirtschaftliche Vorteile andererseits saldieren. Genaue Berechnungen darüber kann heute niemand anstellen. Ich bitte Sie also, insofern unserer Ermächtigungsvorschrift zuzustimmen, um die Gefahren, die Herr Kollege Koch hier geschildert hat, von vornherein begrenzen zu können.
Wir haben ferner als § 36 a eine Vorschrift vorgeschlagen, die nicht die Selbstfinanzierung, sondern die Fremdfinanzierung begünstigt. In der Regierungsvorlage ist als wirtschaftspolitisches Mittel nur die Selbstfinanzierung begünstigt worden, nicht dagegen die Fremdfinanzierung. Es ist uns oft und
oft gesagt worden, daß das Fehlen eines Kapitalmarktes bisher schon eines der Grundübel gewesen ist, die den Ausbau der Grundstoffindustrien verlangsamt haben. Durch die steuerliche Begünstigung der Fremdfinanzierung konnte sich beispielsweise der Schiffsbau in außerordentlich schneller Weise entwickeln. Die Vorschrift, die den Schiffsbau begünstigt, ist jedoch in zweierlei Hinsicht sehr mangelhaft, einmal insofern, als die Darlehen an den Schiffsbau von den Darlehensnehmern nicht verzinst zu werden brauchen. Diese nicht berechneten Zinsen werden praktisch von dem Staat noch dazugegeben, indem nämlich derartige Darlehen zu 100 % als Betriebsausgaben usw. abzugsfähig sind. Wir haben deshalb vorgeschlagen, die Abzugsfähigkeit nicht zu 100 % zu gewähren, sondern zu bestimmen, daß die Darlehen der Grundstoffindustrie als normal verzinsliche Darlehen gewährt werden können, daß die Abzugsfähigkeit aber nur 30 % beträgt. Damit würde eine durchaus ausreichende Verzinsung geboten werden. Die öffentliche Hand brauchte nur einen kleinen Teil der Beträge aufzuwenden, die sie bei einer anderen Lösung aufzuwenden hätte. Dabei ist vor allem zu bedenken, daß gerade bei dem Hervorlocken von Kapital günstige Wirkungen erzielt werden, jedenfalls günstigere Wirkungen, als wenn durch Steuern das Geld da gesucht wird, wo es nicht ist, während es bei Begünstigung da gesucht und gefunden wird, wo es wirklich ist. Es ist eine alte Erfahrung, daß es für die öffentliche Hand besser ist, dem Geld dort nachzugehen, wo es ist, als es durch Steuern - die man noch so gerecht zu gestalten versuchen mag - dort zu suchen, wo es in Wirklichkeit nicht ist. Wir haben ja heute die Debatte um den Befreiungskatalog gehabt und haben in dieser Debatte erleben müssen, daß tatsächlich überall da, wo man zupacken wollte, sich Ungerechtigkeiten zeigen. Diese Ungerechtigkeiten werden aber vermieden, wenn Fremdfinanzierung steuerlich begünstigt wird.
Ein weiterer Unterschied zu der Begünstigungsvorschrift des § 7 ci ist in unserem Antrag insofern enthaiten, ais die Begünstigung nicht nur die Voilkautieute, die buchtuhrenden Kautleute, sondern jeden bteuerzahier trifft, gieichgültig ob er Einkommensteuer, Korperschattsteuer oder Lohnsteuer zahlt, und zwar dadaurch, daß er berechtigt ist, von seinen für die Zwecke der Grundstoffindustrie hergegebenen Beträgen 30 % von seiner Steuerschurd abzuziehen. Die Begünstigung trifft so jeden gieichmaßig, unabhängig davon, zu welcher Steuer er herangezogen wird oder in welcher Steuerklasse er ist. Durch den Weg der Fremdfinanzierung wird die Belastung für die öffentliche Hand nicht erheblich sein. Denn in dem von uns eingebrachten Vorschlag ist die gleiche Einschränkung wie in § 36 des Gesetzes vorgesehen. Das bedeutet, es darf sich nur um Darlehen für solche Anlagen handeln, die zuvor von den Landeswirtschattsministern als volkswirtschaftlich notwendig und als für die Steigerung der Kohle- und Eisenerzeugung erforderlich bezeichnet worden sind. Man hat es daher völlig in der Hand, in welchem Maße derartige Darlehen begeben werden können, und kann jede Überinanspruchnahme etwa des Kapitalmarktes und dadurch bedingt des Finanzministers wirksam beschränken, indem die Genehmigung nur für solche Dinge gegeben wird, die volkswirtschaftlich als förderungswürdig angesehen werden. Wir sind der Ansicht, im Hinblick darauf, daß vor allem der Wiederaufbau der Grundstoffindustrien nicht in einem Jahre, auch nicht in drei Jahren, sondern in
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viel längeren. Zeiträumen vor sich gehen wird, daß noch politische Hindernisse allerschwierigster Art zu beseitigen sind, daß wir noch die Genehmigung haben müssen, eine ganze Reihe von demontierten Betrieben wieder zu remontieren, im Hinblick auf diese Gründe ist eine langfristige Wirtschaftspolitik mit den Mitteln der Steuerpolitik das gegebene, um die hohen Beträge zu beschaffen, die langfristig notwendig sind.
Ich bitte Sie deshalb, unseren Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Koch hat die Frage aufgeworfen, ob die Bestimmung des § 36 nicht eine steuerliche Begünstigung der Eigenfinanzierung darstelle, die mit der Finanzpolitik, die die Bundesregierung seit dem Beginn dieses Jahres betreiben muß, in einem unvereinbaren Widerspruch stehe. Ich möchte die Frage des Herrn Abgeordneten Koch aus folgenden Gründen verneinen. Erstens: der § 36 findet sich in diesem Gesetz, weil man in dem ganzen Gedankengang zunächst von der einen Milliarde ausgeht, die nach diesem Gesetz von der Konsumgüterindustrie - durch einen Verzicht auf die Eigenfinanzierung innerhalb der Konsumgüterindustrie - der Grundstoffindustrie allgemein volkswirtschaftlich zur Verfügung gestellt werden soll. Der Grundgedanke ist also, daß der Verzicht eines großen Teils unserer Industrie auf die eigenen Finanzierungsmöglichkeiten möglichst unterstützt werden soll.
Es ist zweitens der Grundgedanke - und das entspricht hier auch dem § 36 Abs. 2 Ziffer 3 ganz besonders -, diese Investierung, die durch das
Opfer der Konsumgüterindustrie mitaufgebracht wird, möglichst wirksam zu gestalten, indem man sie sich immer wieder regenerieren, immer wieder fortsetzen läßt. In diesem Gesetz ist der Anreiz gegeben, daß die Mittel, die hier gewonnen werden, nicht irgendwie verschwinden, sondern sich immer wieder neu in Investition umsetzen. Die Wirkung dieses Gesetzes soll also durch die Bestimmung des § 36 möglichst unterstrichen und ausgedehnt werden.
Drittens: die Frage, ob ein untragbarer steuerlicher Nachteil entstünde, würde ja zum großen Teil von den Länderfinanzministern zu entscheiden sein.
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Aber ich glaube, sagen zu können, daß die Länderfinanzminister bei ruhiger Überlegung dem § 36 zustimmen werden, nicht nur deswegen, weil es sich praktisch ja um eine zeitliche Verschiebung handelt, sondern deshalb hauptsächlich, weil durch diese Bestimmung dem einzelnen Lande auch augenblicklich eine solche Stärkung seiner Wirtschafts- und Steuerkraft erwachsen wird, daß der augenblickliche Nachteil auch steuerlich wohl ausgeglichen wird. Das wird die Überlegung des Länderfinanzministers sein, der in erster Linie zu sprechen hat.
Die Zahlen, Herr Kollege Koch, die Sie gegeben haben; scheinen mir wesentlich zu hoch. Ich rechne, daß jährlich höchstens 150 und nicht etwa 500 Millionen anzusetzen sind.
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Zu § 36 liegen weitere Wortmeldungen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 367 Ziffer 17. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letzte war die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über § 36 in der Fassung der Vorlage ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der § 36 ist angenommen.
Wir kommen zu den Anträgen auf Einführung eines § 36 a. Dazu liegen vor der Antrag des Zentrums auf Umdruck Nr. 364 Ziffer 2 und der Antrag der FDP, CDU/CSU, DP auf Umdruck Nr. 389.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Herr Präsident! Ich bitte, da die beiden Dinge ganz verschiedenen Inhalts sind, erst einmal den bereits begründeten Antrag des Zentrums gesondert zu behandeln.
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Ich kann nichts verstehen. Sie müssen schon von hier oben sprechen. Ohne Lautsprecher ist auch im Saal nichts zu verstehen.
Ich bitte den Herrn Präsidenten, die beiden Anträge getrennt zu behandeln - da sie zwar einen § 36 a, aber vollkommen verschiedene Materien betreffen -, also über den bereits begründeten Antrag des Zentrums zuerst entscheiden zu lassen und dann erst den Antrag Umdruck Nr. 389 begründen und darüber abstimmen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, diesem Verlangen kann stattgegeben werden; es ist eigentlich selbstverständlich. Wir stimmen also zunächst über den Antrag des Zentrums ab; er ist vorhin schon von Herrn Abgeordneten Dr. Bertram begründet worden. Das Wort wird dazu weiter nicht gewünscht.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Umdruck Nr. 364 Ziffer 2 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die übergroße Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Antrag Umdruck Nr. 389. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden sich erinnern, daß wir bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder die leidige Streitfrage zu prüfen hatten, ob bei dem noch vom Wirtschaftsrat geschaffenen Preisrecht - wir haben es im Bundestag leider nicht zu einem neuen Preisgesetz bringen können - an die Stelle des Wirtschaftsrates bei Preisänderungen nicht nur der Bundesrat gemäß Art. 80 des Grundgesetzes, sondern unter ganz bestimmten Voraussetzungen auch der Bundestag zustimmen müsse. Wir haben immer auf dem Standpunkt, gestanden, hier könne gemäß Art. 80 des Grundgesetzes nur die Zustimmung des Bundesrates gemeint sein. Um aber alle Zweifelsfragen auszuschließen, möchten wir mit diesem Antrag, der eine Ergänzung des alten Wirtschaftsratsgesetzes vorsieht, gewisse Vorgänge, die
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im Laufe des letzten Jahres auf dem Gebiet der
Preisfestsetzungen für Grundstoffe eingetreten
sind, wieder in eine vernünftige Ordnung bringen.
Nehmen wir zwei Beispiele: Wir haben infolge der notwendigen zusätzlichen Einfuhr von US-Kohle einen bestimmten Anteilsausgleich der verarbeitenden Industrie an zusätzlichen Kosten der eisenschaffenden Industrie. Wir haben weiter, damit die Kosten der Lohnerhöhung im Kohlenbergbau vom Mai dieses Jahres bestritten werden können, eine Preisdifferenzierung zwischen Spitzenkohle für die Industrie und Normalkohle für die Industrie. Auch das hat sehr unerfreuliche Entwicklungen ausgelöst. Manchmal ist schon strittig geworden, was denn nun Spitzenkohle ist und was nicht. Wir möchten in den Fällen, von denen es hier ausdrücklich heißt:
um auf dem Markt bestehende offensichtliche Mißstände zu beseitigen, ohne daß dadurch der gesamte Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung ungünstig beeinflußt wird,
eine vereinfachte Möglichkeit für die Bundesregierung schaffen, mit Zustimmung des Bundesrates schnell die erforderlichen Vereinheitlichungen vorzunehmen und Ordnungsmaßnahmen zu treffen, ehe eine wochenlange Diskussion im Bundestag, in dem die Dinge hin und her gezerrt werden, statt zu einer besseren Ordnung unter Umständen zu einer Zurückhaltung am Markt, einer spekulativen Ausnutzung oder sonst etwas Ähnlichem zu Lasten und zum Schaden der Verbraucher führt. Wir bitten Sie, diesem Antrag auf Einfügung eines § 36 a, der die Überschrift „Wiederherstellung geordneter Preisverhältnisse" trägt, zuzustimmen, damit derartige Sicherungs- und Ordnungsmaßnahmen schnell ermöglicht werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat ein ungewöhnlicher Vorgang, daß man einen Paragraphen wie diesen § 36 a in letzter Minute, während der Verhandlungen im Plenum einbringt, ohne daß vorher Gelegenheit war, über diesen Paragraphen in den Ausschüssen zu diskutieren, insbesondere nachdem es sich jetzt um einen zweiten Bestandteil dieses Gesetzes handelt, der dort überhaupt nicht hineingehört.
Der Überschrift dieses neuen § 36a stimmen wir zu. Auch wir sind für „Wiederherstellung geordneter Preisverhältnisse". Aber wir sind nicht für die Wiederherstellung mit den Mitteln, mit denen sie hier angestrebt wird. Wir sind nicht dafür, die Ordnung dadurch herzustellen, daß. man denen gegenüber nachgibt, die die Ordnung beseitigt, also die Unordnung hervorgebracht haben. Wir wenden uns insbesondere dagegen - und da setzt auch unsere Hauptkritik ein -, daß die Regierung Maßnahmen wie die der Freigabe der wichtigsten Preise psychologisch vorbereitet, indem sie zunächst einmal eine Zweigleisigkeit von Preisen schafft und dann, von dieser Zweigleisigkeit ausgehend, einen zweiten Grund findet, die Preise endgültig auf das höhere Niveau zu bringen. Mit einem derartigen Verfahren, mit einer derartigen Preispolitik wird die Bundesregierung die Öffentlichkeit auf die Dauer nicht von der Redlichkeit ihrer Absichten überzeugen können, insbesondere nicht von der Redlichkeit ihrer Absicht, den Verbraucher zu schützen.
Die Vorgänge, die dazu geführt haben, daß nun im letzten Augenblick noch dieser § 36 a eingefügt werden muß, sind praktisch genau dieselben wie bei der Schaffung des § 36. Nach dem Abstimmungsergebnis in der letzten Lesung dieses Gesetzes hat man es also offenbar für notwendig gehalten, noch ein weiteres Zugeständnis an die Rechte zu machen, um das Gesetz endgültig sicherzustellen.
Nun zum Inhalt dieses Paragraphen. Wir lehnen den § 36 a unter allen Umständen ab, weil auch er unnötige Investitionen in keiner Weise einschränkt. Wie der § 36 soll auch der § 36 a nur eine wirkliche Investitionslenkung unnötig machen, und zwar dadurch, daß er nun die Last auf den Verbraucher abschiebt. Wenn mein Fraktionskollege Harald Koch vorhin gesagt hat, der § 36 bedeute die Einstellung der Investitionshilfe nach einem kümmerlichen Jahr, und nunmehr sei die Parole „Die Steuerzahler an die Front!", so kann man, glaube ich, bei diesem § 36 a jetzt sagen: außer den Steuerzahlern auch noch die Verbraucher an die Front! Mit anderen Worten, das, was die Bundesregierung mangels einer planmäßigen und gerechten Investitionspolitik nicht erreicht hat, sollen nun die Verbraucher durch die Bezahlung höherer Preise ausgleichen.
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- Meine Herren, es ist selbstverständlich, daß diese Maßnahmen in irgendeiner Form zu Preissteigerungen führen müssen; denn die Beseitigung dieser offensichtlichen „Mißstände", wie Sie es nennen, bedeutet doch die Beseitigung dieser Widersprüche in den Preisen. Das bedeutet doch das Freigeben der Preise nach oben, d. h. also Preissteigerungen mit allen Folgen.
Ich habe Ihnen gelegentlich der Beratung des § 1 ein Beispiel genannt für die unseligen Einflüsse, die solche allgemeinen Preissteigerungen auf die Verteilung des Sozialproduktes haben. Ich habe Ihnen damals nachgewiesen, daß im Zuge der allgemeinen Preissteigerungen nach dem Korea-Konflikt eine wesentliche Schmälerung des Anteils der Lohn- und Gehaltsempfänger in der Industrie am Sozialprodukt eingetreten ist. Dieser Vorgang wird sich mit jeder Preissteigerung wiederholen. Aus diesem Grunde sind wir so entschieden dagegen, daß durch neue Preissteigerungen, wie sie mit dieser Ermächtigung zwangsläufig verbunden sind, die Stabilität des deutschen Preisniveaus von neuem gefährdet, die Stabilität der ganzen Wirtschaft von neuem in Frage gestellt wird und als Folge davon wiederum eine Benachteiligung der Lohn-, Gehalts- und Rentenempfänger sowie eine noch unsozialere Verteilung des Sozialprodukts zu verzeichnen sein werden. Das ist der Grund, warum wir alles ablehnen, was irgendwie zu Preissteigerungen führen kann.
Sie haben mit Recht auf die Notwendigkeit hingewiesen, daß infolge der Begrenzung, mit der nun einmal die Investitionshilfe von Ihnen beschlossen werden soll, etwas anderes geschehen muß. Aber, meine Damen und Herren, so, wie Sie es hier machen, geht es wirklich nicht. Erst verhandeln Sie monatelang über die Investitionshilfe, und nachdem die Ausschußverhandlungen abgeschlossen sind, bringen Sie einen § 36 ein. Von diesem § 36 mußte der Kollege Preusker in der letzten Diskussion schon zugeben, daß man es damit allein nicht schaffen kann. Nun aber bringen Sie im letz({1})
ten Augenblick einen neuen § 36 a ein. Der soll es nun schaffen!
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Ich glaube, die Öffentlichkeit wird sich schon aus der Art der überhasteten Einbringung dieser Anträge ein zutreffendes Bild darüber machen können, mit welcher Sachlichkeit und Gründlichkeit die Probleme hier von den Koalitionsparteien behandelt werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 36 a soll auf dem Gebiet der Investitionen überhaupt nichts schaffen, Herr Kollege Kurlbaum. Vielmehr soll er - ich möchte noch einmal dasselbe betonen, was ich vorhin schon gesagt habe - die Verbraucher vor Mißständen schützen, die im Augenblick wegen gewisser Doppelpreise, wie sie für Kohle gefordert werden, vorhanden sind, wodurch gerade in den Bereichen des kleinen Handwerks, des mittelständischen Gewerbes kein Mensch die Möglichkeit einer Kontrolle hat,
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ob er nun zu Recht mit Spitzenkohle beliefert worden ist, die er teuer bezahlen muß, oder ob sich
irgend jemand den Mangel der Kontrollmöglichkeit
zunutze gemacht hat. Wenn wir hier wieder einen
der ganzen Förderung angemessenen einheitlichen
Preis herstellen, dann schaffen wir damit nicht
etwa eine Mehrbelastung der Verbraucher, sondern
im Gegenteil eine bestimmt bei sehr vielen Kreisen
zu Buch schlagende Entlastung des Verbrauchers,
und wir schaffen auch eine Möglichkeit, die Transaktionen, die sich hier vollziehen, zu kontrollieren.
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Ich muß deshalb schon grundsätzlich darauf hinweisen - wie in diesem Antrag immer wieder hervorgehoben wird -, daß dadurch der gesamte Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, in keiner Weise ungünstig beeinflußt wird.
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Das ist der entscheidende Punkt, und daß, wie Sie sagten, die Investitionshilfe über § 36, den wir vorhin beschlossen haben, allein nicht geleistet werden kann, auch nicht über die eine Milliarde allein, wissen wir ohnehin. Wir wollen ja auch auf dem Kapitalmarkt die notwendigen Maßnahmen mit der größten Beschleunigung - mit Ihnen gemeinsam, wenn es irgend geht - dahin entwickeln, alles noch übrige Sparkapital auf diese Engpässe hinzuleiten.
({3})
Das Ziel, um das es uns auch hier geht, ist selbstverständlich, durch Mehrproduktion wieder zu einer erheblichen Senkung der Preise sowohl bei Kohle wie bei Eisen und Stahl unter den derzeitigen Stand zu kommen, der teilweise durch die teure US-Kohle zu 110 DM je Tonne verursacht ist. Wir werden das dort genau so schaffen, wie wir es auf allen übrigen Gebieten - wenn Sie einmal von den Erscheinungen auf dem Weltmarkt und den Einflüssen des Koreakonflikts absehen - auch in dieser internationalen Verzahnung erlebt haben. Auf den Märkten, auf denen sich die Produktion frei entfalten kann, sind wir entweder zu Preissenkungen gekommen oder aber, zumindest im Vergleich zu den übrigen Ländern, erheblich unter den vom Weltmarkt aufgezwungenen Preissteigerungen geblieben. Deshalb soll der Antrag auch nur wieder ein Steinchen auf diesem Wege sein, auf dem wir Ordnung in unserer Wirtschaft schaffen können, um den Verbraucher zu schützen, eine gesunde Entwicklung einzuleiten und nicht das Gegenteil zu tun. Wir haben in den Grundstoffindustrien Bereiche, in denen die Zwangswirtschaft der vergangenen Jahre alles vergiftet, verzerrt und gehemmt hat, und wir wollen auch hier wieder zu der freien Entfaltung kommen, die in der gesamten übrigen Wirtschaft die Produktion und in den letzten Jahren auch die Beschäftigung so erheblich befruchtet hat.
({4})
Damit ist die Rednerliste erschöpft. Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um den Antrag auf Umdruck Nr. 389. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, im Augenblick ist die Abstimmung zweifelhaft. Es bleibt nichts anderes übrig als Auszählung durch Hammelsprung. Ich bitte um beschleunigte Räumung des Saales.
({0})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. Die Abstimmung beginnt.
({1})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Plätze einzunehmen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 158 Abgeordnete, mit Nein 131; eine Enthaltung. Damit ist der Antrag angenommen.
Ich rufe § 37 auf. Dazu liegen vor Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 367 Ziffer 17 und Änderungsantrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 364 Ziffer 3. Werden noch Ausführungen zur Begründung gemacht? - Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Koch.
Meine Damen und Herren! Nachdem Sie den § 36 angenommen haben, entfällt unser Änderungsantrag zu § 37 Ziffer 3. Wir ziehen ihn zurück.
Der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 367 Ziffer 17 ist also zurückgezogen und braucht nicht zur Abstimmung gestellt zu werden. Es bleibt nur noch der Änderungsantrag des Zentrums. Zur weiteren Begründung wird das Wort nicht verlangt. Wir können also sofort über den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 364 Ziffer 3 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den § 37 in der Ausschußfassung und bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 37 ist angenommen.
Ich rufe nun auf § 38, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Meine Damen und Herren! Zur Überschrift möchte ich auf einen doppelten Widerspruch aufmerksam machen. Zunächst besteht ein formeller Widerspruch. Ich bitte Sie, die Drucksache Nr. 2758 zu vergleichen. Da heißt es auf Seite 1 „der deutschen gewerblichen Wirtschaft" und auf Seite 2 „der gewerblichen Wirtschaft". Ich glaube, die Formulierung „der gewerblichen Wirtschaft" ist richtiger, wenn wir uns für eine dieser beiden Formulierungen entscheiden.
({0})
Dann möchte ich auf einen materiellen Widerspruch aufmerksam machen nämlich auf einen Widerspruch zwischen der machen und dem Inhalt des Gesetzes. Es ist hier die Rede von einer Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft. Wenn wir die reine Wahrheit sagen wollen - und das sollten wir auch in der Überschrift -, dann müßte es eigentlich heißen: „Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft und des Bundeshaushalts", oder wir müßten sagen: „und des ausnahmsweise einmal nicht rücksichtslosen Finanzministers",
({1})
jedenfalls immer, meine Damen und Herren, auch: „und des Steuerzahlers". Wir stellen jedenfalls ganz offiziell den Abänderungsantrag, in der Überschrift zu sagen: „Entwurf eines Gesetzes über eine Investitionshilfe".
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über § 38. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Einleitung und Überschrift. Dazu liegt vor der soeben vorgetragene Abänderungsantrag der SPD, als neue Überschrift zu wählen ,,Gesetz über eine Investitionshilfe". Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, darf ich noch einmal wiederholen. Ich bitte, diesmal aufzustehen. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der SPD zustimmen, aufzustehen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte, jetzt über Einleitung und Überschrift entsprechend der Ausschußvorlage abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit ist die zweite Beratung des Gesetzentwurfs über die Investitionshilfe beendet. Die dritte Beratung findet in einer späteren Sitzung statt.
Ich bin gebeten worden, mit Rücksicht auf Terminverpflichtungen jetzt den Punkt 23 der Tagesordnung aufzurufen:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Wiederaufbau der kriegszerstörten Ortskerne ({0}).
Dazu hat der Ältestenrat 10 Minuten für die Begründung und 60 Minuten für die Aussprache vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Reismann.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Standortverschiebungen nicht mit lauten Gesprächen zu schmücken. - Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Reismann ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anläßlich der Beratung des Etats des Wohnungsbauministeriums habe ich schon zum Ausdruck gebracht, daß wir es für einen Mißstand halten, daß man bei den Neubauten und bei den Siedlungen in so großem Maße neues Bauland in Anspruch nimmt und die zerstörten Ortskerne zerstört liegen läßt. Das ist eine doppelte Vergeudung von Geld. Denn einmal steht das, was wir nötig haben, nämlich mehr oder minder intakte Straßen-diese sind noch vorhanden -, die Versorgungs-, die Kanalisationsanlagen, die Transportleitungen sowie die Transportmittel, in den zerstörten Ortskernen noch zur Verfügung, und draußen muß alles das neu geschaffen werden. Wir haben uns den Kopf darüber zerbrochen, woher man zu möglichst niedrigen Preisen geeignetes Bauland in passender und angemessener Lage kriegt. Es ist eine Vergeudung der Mittel, daß man Ruinen verrotten läßt, so daß sie von Monat zu Monat weniger wert werden, die, wenn man sie heute verwenden würde, noch nützliche Hilfe leisten und uns Geld sparen würden. Auf der einen Seite verschwendet man diese Werte, auf der anderen Seite muß bares Geld aufgewandt werden, um neues Land zu erwerben, um es aufzuschließen, um Straßen anzulegen, Versorgungsleitungen hinzuschaffen und Transportmittel zu beschaffen. Das alles verteuert den Wohnungsbau ungeheuerlich. Zusätzlich hat es noch die böse Folge, daß die Geschädigten, gleichviel ob sie nun Mieter oder Eigentümer sind, nicht zum Wiederaufbau ihrer Häuser kommen und zusehen müssen, daß mit öffentlichen Geldern andere, die keine Verluste gehabt haben, wieder zu Wohnungen und zu Eigentum kommen.
Wenn wir schon für den Lastenausgleich nur wenig und dieses langsam tun können - viel weniger, als Wir es tun möchten-, dann sollten wir doch diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, das ohnehin für den Wiederaufbau des Landes, insbesondere der Wohnungen benötigte Geld dazu zu verwenden, zuerst das Kaputte wiederherzustellen. Wenn wir in der bisherigen Art fortfahren, kommen wir dazu, daß wir auf die Dauer auf den Domplätzen der alten Städte das Vieh weiden können und auf den Viehweiden von heute die Häuser zu bauen haben. Um dagegen etwas zu veranlassen, haben wir den Antrag eingereicht.
In der Debatte über den Haushalt des Wiederaufbauministers habe ich das Thema angeschnitten. Ich bin damals von dem Herrn Minister nicht so recht verstanden worden. In einer sich dann anschließenden Korrespondenz hat er mir zugegeben, daß er diesen Punkt übersehen habe und daß er sich deswegen in seiner Erwiderung konzentriert habe auf die Frage: Große Häuser oder Einzelsiedlungen und Einzelwohnungen, kleine Siedlungshäuser verstreut oder große Wohnblocks. Jetzt werden große Wohnblocks draußen gebaut, aber nicht in der Stadt. Ich will natürlich nicht gegen eine Auflockerung der Städte sprechen. Ich habe nichts dagegen, daß man neue Gebiete in Anspruch nimmt, soweit das notwendig ist. Ich habe auch nichts gegen den Bau von größeren Wohnblocks. Aber in erster Linie müssen wir, soweit möglich
({3})
und soweit es mit einer vernünftigen Planung der Städte verträglich ist, Wert darauf legen, daß die zerstörten Ortsteile wiederhergestellt werden und daß möglichst viele Einzelwohnungen, Einzelhäuser und möglichst viele Einzelheime dort wiederhergestellt werden.
Der Herr Minister hat mir später in einem
Schreiben versichert, daß er durchaus auch dieser Ansicht sei und sie unterstützen wolle. Um ihm die nötige Plattform zu geben für seine Verhandlungen sowohl mit den Ländern, bei denen die Förderung dieses Anliegens zu einem ganz großen Teile liest, als auch bei den Etatsanforderungen, bei den Verhandlungen und bei gesetzgeberischen Vorarbeiten sowie bei Verwaltungsmaßnahmen, die dem Bundesministerium obliegen, reichen wir den Antrag Drucksache Nr. 2835 ein. Ich glaube, daß dieser Antrag im Kern die Zustimmung des ganzen Hauses finden sollte.
({4})
- Wenn Sie anderer Ansicht sind, schön, dann bekennen Sie das bitte hier. Ich glaube kaum, daß Sie es vor der Öffentlichkeit verantworten können, sehr verehrter Herr Kollege!
({5})
Wenn Sie die Ortskerne liegenlassen, werden Sie nach einigen Jahren schließlich dazu kommen, daß kein so großer Wohnbedarf vorhanden ist, wie die Städte im Augenblick noch Trümmer aufweisen.
({6})
- Auch das ist Aufgabe des Bundestags. Der Bundestag hat sich darum zu kümmern, und der Bundesminister ist auch in der Lage dazu.
({7})
- Der Bundesminister ist natürlich dazu in der Lage; seine Behörde kann sich - wozu hätten wir sie denn - darum kümmern und dieses Anliegen fördern.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Es scheint, daß der Herr' Kollege Glasmeyer bei seinem raschen Abschied aus der Zentrumsfraktion dem Herrn Kollegen Reismann nicht mehr über das hat berichten können, was im Wohnungsausschuß vielfach getan und besprochen worden ist. Die Dinge sind sehr bekannt.
({0})
- Ich bin neutral und nicht daran interessiert.
Das Problem ist nicht ganz neu und beschäftigt uns sehr stark; aber erstens muß ich sagen, daß die Durchführung der Planung, des Neubaus und des Wiederaufbaus in erster Linie Ländersache, ja in sehr weitgehendem Umfang Gemeindesache ist.
({1})
Zweitens: Was wir dazu tun konnten, das steht ja schon in § 16 Ziffer 2 des Wohnungsbaugesetzes. Grundsätzlich hat der Wiederaufbau den Vorrang. Ebenso ist es in den Einsatzrichtlinien vom 20. Februar 1951, die für dieses Jahr gelten, festgesetzt.
Drittens: Wir arbeiten im Wohnungsausschuß seit vielen Wochen intensiv am Baulandbeschaffungsgesetz, dessen Kernstück ist, daß in erster
Linie der Wiederaufbau durchgeführt werden kann und daß die sehr komplizierten Voraussetzungen dafür - Zusammenfassung der Grundeigentümer usw. - geschaffen werden. Wir haben uns weiter um den Wiederaufbau bekümmert. Wir haben wissenschaftliche Untersuchungen in verschiedenen Städten angestellt, die nun zum Teil das Ergebnis gehabt haben, daß der direkte Wiederaufbau leider teurer ist als der Neubau. Die Ersparnis liegt natürlich in den Investitionen der öffentlichen Hand, in den schon geleisteten Aufschließungskosten. Wir haben anschließend an die Konstructa mit Bundesmitteln ein Musterstück des Wiederaufbaus gefördert, den Bau rund um die Kreuzkirche.
Draußen könnte vielleicht in manchem etwas mehr geschehen. Es ist wichtig, daß die Gemeinden ihre Planungen beschleunigt verabschieden und daß die Enttrümmerung durchgeführt wird, weiter, daß man draußen aus der Initiative zum Teil der beteiligten Organisationen Beratungsstellen schafft, um den Grundstückseigentümern zu helfen, also Trägergesellschaften gründet.
So kommen wir mit der Frage durch. Aber ich darf dem Herrn Kollegen Reismann versichern, daß hier schon sehr viel geschieht und daß auch, ich glaube, etwa ein Drittel des Wohnungsbaus des letzten Jahres Wiederaufbau gewesen ist. Ich kann mich auf den Prozentsatz im Augenblick nicht genau festlegen; aber es ist ein sehr erheblicher. Mehr können wir, glaube ich, im Augenblick nicht dazu tun.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.
Meine Damen und Herren! Es lohnt nicht, sich sehr lange mit diesem Antrag zu beschäftigen. Er ist vollkommen falsch am Platze. Was wir hier in den Ausschüssen dieses Hauses bezüglich dieser Materie getan haben, das kennen wir alle. Anscheinend kennt es Herr Dr. Reismann nicht. Ich würde ihm aber dringend empfehlen, doch etwa als Gast oder als Mitberater zu den Ausschußsitzungen hinzukommen, damit er im Bilde ist. Man hat manchmal den Eindruck, als ob manche Leute um so sachverständiger sind, je weiter sie von der Materie entfernt sind. Ich würde Herrn Dr. Reismann raten, diesen Antrag durch seine Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen einbringen zu lassen. Hier ist er wirklich fehl am Platz.
Ich beantrage Übergang zur Tagesordnung.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Bertram, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist uns vom Minister vorgetragen worden, welche gründliche Arbeit er geleistet hat, um diesem Anliegen gerecht zu werden. Diese gründliche Arbeit hat sich aber - und darauf kommt es für den Antrag unserer Fraktion an - nicht in den bombengeschädigten Städten ausgewirkt.
({0})
Das Auswirken in der Wirklichkeit ist das Anliegen, das uns zu dem Antrag gebracht hat. Das Auswirken in der Wirklichkeit in den Städten des Ruhrgebiets, in Münster,
({1})
in den verschiedenen Städten, wo die Schäden konzentriert sind, ist das eigentlich Entscheidende. Es
ist keineswegs damit getan, daß man wissenschaft({2})
lich feststellt, daß der Wiederaufbau teilweise teurer ist, daß man Musterbauten errichtet, daß das Baulandbeschaffungsgesetz gefördert wird. Der Krieg ist immerhin seit Mai 1945 zu Ende, und es muß - das ist das Anliegen dieses Antrags - mehr als bisher geschehen. Es muß weniger als bisher geredet, sondern von Sachverständigen und Fachleuten mehr getan werden.
({3})
Es kommt nicht darauf an, daß man sich im Ausschuß als Fachmann hinstellt. Worauf es einzig und allein ankommt, sind Veränderungen in der Wirklichkeit, und diese gehen wahrscheinlich, wenn Sie ehrlich sind, auch Ihnen zu langsam vor sich. Dafür ist nicht nur etwa der Landtag zuständig, sondern ebenso der Bund; denn der Bund ist derjenige, der einen ganz großen Teil der Mittel jetzt schon gibt und auch in Zukunft geben wird. Wer die Mittel gibt, hat letzten Endes auch darüber zu bestimmen, in welcher Weise die Mittel eingesetzt werden. Im Laufe der Verhandlungen über den Schlüssel der Verteilung der Bundesmittel hat man oft genug eine Änderung vorgenommen. Es ist an der Zeit, eine Verbesserung gerade bei der Verteilung der Mittel für die kriegsgeschädigten Gemeinden vorzunehmen.
({4})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Ich bin an sich auch der Meinung des Herrn Kollegen, daß Handeln besser sei als Reden, und ich halte das Reden über diesen Antrag für reichlich zwecklos. Ich möchte nur sagen, wie die Länder die Bundesmittel verteilen, liegt in der Zuständigkeit der Länder. Das ist im Gesetz festgelegt und ist von uns aus nicht zu ändern. Wenn Sie im übrigen vielleicht einmal durch die Städte kommen - gelegentlich kommen Sie wahrscheinlich auch durch eine Stadt - und dann das Bild von 1945 mit dem von heute vergleichen, so sehen Sie, was gebaut worden ist.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifellos die Mehrheit; der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ist angenommen.
Ich rufe nun Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der
CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen unbegründete Nichtausnutzung
von Einfuhrgenehmigungen ({0}).
Der Ältestenrat hat vorgesehen, daß auf eine Begründung durch die Antragsteller und auf eine Aussprache verzichtet wird und sofort die Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen erfolgt. - Da nicht widersprochen wird, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an.
Ich rufe dann Punkt 7 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Frau Dr. Steinbiß ({5}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Regierung über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes ist in der Sitzung des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens am 9. November 1951 beraten worden. In dieser Sitzung ist zuerst von seiten der Regierung begründet worden, warum dem Bundestag ein solcher Gesetzentwurf zur Beschlußfassung vorgelegt wird.
Der Vertreter der Regierung hat ungefähr folgendes ausgeführt: Die öffentliche Verwaltung aller Instanzen braucht Institute und fachliche Hilfsstellen, und zwar sowohl bei der Gesetzgebung wie bei der Verwaltung, bei der Entscheidung und ebenso bei der örtlichen Exekutive. Diese fachtechnische Forschung war schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts so weit spezialisiert, daß neben den vornehmlich der Hygiene zugehörigen ärztlichen Fachkräften für diese Forschung weiter notwendig waren spezialisierte Chemikergruppen, Biologen. Geologen, Botaniker und Zoologen sowie Pharmazeuten, Tierärzte und Lebensmittelchemiker. Während man in Nordamerika für die Exekutive eine eigene Beamtensäule unter dem Titel der Gesundheitsingenieure aufbaute, die den Gesundheitsämtern bis zur USA-Bundesspitze eingegliedert wurden, entschied sich die Bismarcksche Regierung für die differenziertere und objektivere Organisation einer fachlichen Institutssäule. Als Spitze dieses Institutsaufbaus wurde 1876 das Reichsgesundheitsamt errichtet, in dem die wissenschaftlichen Vertreter der genannten Gruppen einschließlich der hauptberuflichen Medizinalbeamten und Medizinaljuristen für folgende Aufgaben zusammenarbeiteten: 1. Forschung auf allen Gebieten des öffentlichen Gesundheitswesens zwecks sachlichen Unterbaus der Medizinalgesetzgebung und Exekutive; Zusammenarbeit mit allen übrigen Forschungsstellen des In- und Auslandes; 2. Vorarbeit für die Legislative sowohl des damaligen Reiches wie der Länder; Beratung der Exekutive in allen schwierigen örtlichen Sonderfällen, insbesondere auf den Gebieten der Seuchenbekämpfung, der Wasserversorgung und der Abwässerbeseitigung.
Aus dem Reichsgesundheitsamt, dessen Wirksamkeit sich weit über die Grenzen des Deutschen Reiches erstreckte und- in dem u. a. die Ursache der Cholera, der Pest, der Tuberkulose, der Syphilis und vieler anderer Krankheiten erstmalig durch Entdeckung ihrer Erreger geklärt wurde, gingen Ende des Jahrhunderts durch Unterspezialisierung als weitere Spitzeninstitute hervor die Preußische und spätere Reichsanstalt für Boden-, Wasser- und Lufthygiene. das Preußische und spätere Reichsinstitut zur Bekämpfung der ansteckenden Krankheiten, das Preußische und spätere Reichsinstitut für Lebensmittel- und Arzneimittelchemie sowie die Preußische Anstalt für Serum({6})
und Arzneimittelforschung, in der seinerzeit das Salvarsan entdeckt wurde. In der Mittelinstanz standen eine Anzahl bedeutsamer Parallelinstitute für die mehr örtlichen Aufgaben zur Verfügung, insbesondere das Hamburger Staatsinstitut für Hygiene, das Gelsenkirchener Institut für Aufgaben des Ruhrgebiets und das Münchner Staatsinstitut. In der Peripherie wurde eine Anzahl von örtlichen Instituten errichtet, die das Reichsgebiet lückenlos erfaßten, und zwar für die Aufgaben der Seuchenbekämpfung und Ortshygiene die staatlichen Medizinaluntersuchungsämter, für die Aufgaben der Überwachung der Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände die Lebensmitteluntersuchungsämter und schließlich für die Veterinärpolizei sowie für die Überwachung der Lebensmittel tierischer Herkunft die Veterinäruntersuchungsämter. Alle diese Institute hatten lediglich Aufgaben der Untersuchung und Begutachtung, also beratende Aufgaben. Sie sind also die neutralen Fachberater der gesundheitlichen Exekutive. Zu ihnen traten in einzelnen Fällen die Hygiene- und sonstigen Universitätsinstitute.
Die grundlegende Maxime bei allem ist die, daß die öffentliche Gesundheitsverwaltung mit ihren beratenden, neutralen und nicht interessengebundenen Fachinstituten zuständig und verantwortlich ist für den Schutz der Bevölkerung gegenüber gesundheitlicher Gefährdung. Demgegenüber hat sich in der Zeit nach 1945, in der die Berliner Institute städtisch weiterbetrieben wurden und in die Ferne gerückt erschienen und in der die Gesundheitsverwaltungen auf der Länderebene gegenüber den Wirtschaftsabteilungen des Direktoriums auf der überzonalen Ebene wirkungslos waren, eine neue Maxime herausgebildet, nach der nicht mehr die Gesundheitsverwaltung mit ihren neutralen und unabhängigen Instituten für die Bekämpfung gesundheitlicher Gefährdungen, sondern die Verwaltung maßgebend ist, in deren Gebiet die gefährdende Materie fällt. Die Bundesverfassung hat sich jedoch für die in der ganzen übrigen Welt seit jeher als selbstverständlich anerkannte Maxime entschieden, daß verantwortlich und zuständig nur eine unabhängige Gesundheitsverwaltung sein kann, die dementsprechend neutrale und unabhängige Hilfsinstitute zur Verfügung haben muß. Damit ist dem Grundsatz nach die Fntscheidung dahin gefallen, daß der alte Bismarcksche Aufbau einer Institutssäule mit einem Bundesgesundheitsamt, und zwar in der der Verfassung entsprechenden Form einer Bundesoberbehörde, wieder errichtet werden muß.
Hierfür ist nun dieses Gesetz erforderlich. Seit der Gründung des früheren Reichsgesundheitsamts hat sich die Forschung auf dem Gebiet des öffentlichen Gesundheitswesens überaus erweitert, sowohl von den Universitäten wie von den besonderen Forschungsgemeinschaften, z. B. der KaiserWilhelm-Gesellschaft - jetzt der Max-Planck-Gesellschaft -, sowie der beteiligten Industrien und Kommunalverwaltungen wurden zahlreiche Sonderforschungsstellen gebildet. Nun kann ein einziges Institut, wenn es auch noch so groß ist, für sich allein die Aufgaben eines Bundesgesundheitsamtes nicht mehr erfüllen. Es würde auch zu kostspielig sein. Der Begriff des Gesundheitsamtes als Bundesoberbehörde muß daher weiter gefaßt werden. Der Präsident dieses Amtes mit seinem kleinen Organisationsstab muß es verstehen, die an der Forschung und technischen Durchbildung beteiligten Forschungsstellen und -gruppen in freiwilliger Gemeinschaftsarbeit zusammenzuschließen. Er muß wissen, wo er besonders schwierige Untersuchungen zu lokalisieren hat. Die Begutachtung der schwierigen Materien muß auf eine variable, unter Umständen breite Basis aufgebaut werden. Andererseits muß ihm für die regelmäßig wiederkehrende Begutachtung und für die legislative Vorarbeit eine eigene Institutsabteilung zur Verfügung gestellt werden. Dieses umfassende, streng wissenschaftliche Fachgremium bedeutet zugleich eine große Entlastung . für den zu bildenden Bundesgesundheitsrat. Der Bundesgesundheitsrat braucht nun nicht mehr zur Mehrheit aus Fachwissenschaftlern zu bestehen, sondern kann die allgemeine Verbindung der Bundesregierung zu allen beteiligten Bevölkerungskreisen weit stärker in den Vordergrund rücken.
Das Bundesgesundheitsamt als Bundesoberbehörde hat noch einige andere Aufgaben durchzuführen. Es gibt Aufgaben, die durch internationale Konvention oder aus sonstigen Gründen zentral durchgeführt werden müssen. Mit diesen Aufgaben. die Ministerialstellen selbst zu betrauen, gibt in einem föderativen Staatswesen leicht Anlaß zu Mißdeutungen: Wenn die internationale Rauschgiftkonvention eine selbständige zentrale Dienststelle vorschreibt, so wird man zweckmäßigerweise diese Stelle nicht beim Bundesministerium des Innern, sondern bei der Bundesoberbehörde, nämlich beim Bundesgesundheitsamt, errichten, wie das übrigens in entsprechender Weise schon die Weimarer Regierung im Reichsopiumgesetz getan hat. In der Ausschußsitzung mußte gerade dieser Punkt eine etwas längere Aussprache erfahren, weil der Bundesrat hier eine entscheidende Änderung gewünscht hat. Der Bundesrat möchte, daß in § 2 Buchstabe c das Wort „zustehen" durch „zustanden" ersetzt wird. Er möchte damit zum Ausdruck bringen, daß die Zuständigkeit nach dem Opiumgesetz von 1929 sich nur auf das Reichsgesundheitsamt bezogen habe und jetzt nicht einfach auf das zu errichtende Bundesgesundheitsamt übertragen werden könne. Mit der Einschiebung eines Nachsatzes will der Bundesrat eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern herbeiführen und in jedem Land eine Opiumstelle errichtet wissen. Der Ausschuß glaubte jedoch, sich dem Bedenken des Bundesrats nicht anschließen zu können. Deutschland ist kein Durchgangsland für Rauschgifte des Orients. Die Rauschgifte gehen auch nicht über Deutschland nach Amerika; zudem hat Deutschland glücklicherweise nicht gegen die Rauschgiftsucht zu kämpfen. Würde dem Vorschlag des Bundesrats stattgegeben, dann - so schien es dem Ausschuß - würde einmal eine Aufsplitterung der Kompetenzen herbeigeführt werden, zum andern aber müßten unnötige Kosten für die Errichtung der verschiedenen Opiumstellen aufgewendet werden. Auch wäre eine Vielzahl von Opiumstellen im Bundesgebiet als Länder- oder Zoneneinrichtungen im Hinblick auf die internationalen Verpflichtungen untragbar. In Verfolg dieser Aussprache wurde der § 3 dahingehend geändert, daß er nunmehr heißt:
Im Bundesgesundheitsamt wird eine Abteilung für Rauschgiftbekämpfung mit der BundesOpiumstelle errichtet.
Das Bundesinnenministerium hat weiterhin im Gegensatz zum Landwirtschaftsministerium auf die Eingliederung einer eigenen medizinal-statistischen Abteilung verzichtet. Legislative und Verwaltung erfordern aber ständig, wenngleich meist nur zeit({7})
weise, statistische Fachuntersuchungen, die von einer wechselnden Gruppe von Fachwissenschaftlern getragen und bearbeitet werden müssen und bei denen die Statistik nur das wechselnde Handwerkszeug für die geistige Arbeit darstellt. Dementsprechend muß beim Bundesgesundheitsamt eine bescheidene statistische Forschung und Arbeitsmöglichkeit erhalten bleiben, wenngleich diese kleine Stelle die laufenden großen Arbeiten der früheren statistischen Abteilung des Reichsgesundheitsamtes nicht durchführen kann.
Dem Ausschuß lag auch ein Antrag von Hamburg vor, der eine sehr einschränkende Fassung des Abs. 2 des § 2 vornehmen wollte. Hamburg sah nur eine Mitwirkung des Bundesinnenministeriums auf dem Gebiete der Statistik vor. Die Ansicht des Ausschusses ging jedoch in voller Einstimmigkeit dahin, daß das Gesundheitsamt auf Kleinstatistiken nicht verzichten kann, zumal aus dem Nebensatz des Abs. 2, welcher heißt „soweit sie nicht dem Statistischen Bundesamt obliegen", hervorgeht, daß die medizinische Statistik des Bundesgesundheitsamts nicht Selbstzweck ist. Der Buchstabe b) des § 2 wurde in vorliegender Fassung einstimmig angenommen.
Ferner hat der Ausschuß bei dem Buchstaben a) des § 2 eine kleine Änderung vorgenommen. Es heißt dort, die medizinische Forschung auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege sei eine Aufgabe des Bundesgesundheitsamts. Wir haben aus dieser Formulierung die Worte .,die medizinische" gestrichen und sagen nur noch
Forschung auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege.
Durch die Streichung soll gezeigt werden. daß das Bundesgesundheitsamt nicht die alleinige Stätte für medizinische Forschung, sein kann und sein will; doch kann eine Veränderung eine Verengerung oder auch eine Erweiterung des Begriffs „Forschung" bedeuten. Der Buchstabe a) wurde so beschlossen.
Daß die Berlin-Klausel einstimmig genehmigt wurde, brauche ich wohl nicht zu erwähnen. Wie ich Ihnen vorgetragen habe, ist der Gesetzentwurf in vorliegender Form im Ausschuß einstimmig angenommen werden. Ich bitte nun das Hohe Haus, dem Gesetz in zweiter und dritter Lesung seine Zustimmung zu geben.
({8})
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 3, - 3 a, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort ist nicht gewünscht. Die Beratung ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort ist nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 3, - 3 a, - 4, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die
Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Schlußabstimmung! Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 ({0}).
({1})
Im Ältestenrat ist davon ausgegangen worden, daß eine allgemeine Aussprache nicht mehr stattfindet und daß infolgedessen die sofortige Verabschiedung des Gesetzes erfolgen kann.
Herr Abgeordneter Dr. Gülich hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe lediglich als Berichterstatter eine Ergänzung zu meinen Ausführungen in der 177. Sitzung vorzunehmen. Der Umdruck Nr. 386, der die Überschrift „Berichtigung" trägt, bedarf insofern der Berichtigung, als nur die Ziffern 1 und 2 tatsächlich redaktionelle Richtigstellungen sind. Ziffer 3 hingegen behandelt den in der vorigen Beratung strittig gebliebenen § 7, der die Frage nach der Erweiterung der Abzugsfähigkeit von Pensionsverpflichtungen zum Gegenstand hat. Ich habe die gesamte Problematik dieses Paragraphen in der 177. Sitzung aufgeworfen und kann mich deshalb auf die Erklärung beschränken, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen heute morgen einstimmig beschlossen hat, Ihnen die Streichung des Abs. 2 des § 7 zu empfehlen. Ich bitte, dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um eine dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen dann zur Abstimmung.
Ich weiß nicht, ob es nicht möglich ist, meine Damen und Herren, die Berichtigungen, die soeben von dem Herrn Abgeordneten Dr. Gülich vorgetragen wurden und auf Umdruck Nr. 386 stehen, insgesamt zu beschließen und zu bestätigen. Dann brauchen wir sie nicht zu jedem einzelnen Paragraphen aufzurufen.
({0})
Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Es ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf die §§ 1, - 1 a, - 2, - 3, -4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11,-12,-13, - 14, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Einstimmig angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf als ganzem zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Die dritte Beratung dieses Gesetzentwurfes ist damit beendet.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP ein({1})
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 ({2}).
({3})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf: Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf als ganzem zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist wieder Einstimmigkeit. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Lesung einstimmig beschlossen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuerrechts ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}).
({7})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Tenhagen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Tenhagen ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, über die ich zu berichten habe, wurde in der 171. Sitzung in erster Beratung behandelt und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen.
Bei der Berichterstattung muß ich teilweise auf die Drucksachen Nr. 2675 und Nr. 2316 Bezug nehmen, da der Ausschuß einige Änderungen beschlossen hat, die sich insbesondere auf die letztgenannte Drucksache beziehen.
Zur Sache selbst. Bei Art. I Ziffern 1 bis 3 ergeben sich in der Bundesratsvorlage gegenüber dem Mündlichen Bericht zur Regierungsvorlage, Drucksache Nr. 2316, keine Änderungen. Insoweit besteht auch keine Änderung in der Ausschußvorlage gegenüber der Vorlage des Bundesrates Drucksache Nr. 2675.
Der Widerspruch des Bundesrats richtete sich gegen die unter Ziffer 4 zu § 6 vorgeschlagene Fassung eines Zusatzes in Abs. 2, insbesondere gegen den Satz 3, also gegen die Bestimmung, die festlegt, wer die für die Lohnsummensteuer anzuwendenden Richtlinien erläßt. Da in dieser Frage keine Einigung erzielt werden konnte und auch das Ergebnis des Vermittlungsausschusses vom Bundesrat nicht anerkannt wurde, kam es zu einer Initiativvorlage des Bundesrates. Der Vorschlag des Bundesrates geht nunmehr dahin, den umstrittenen Satz 3 zu streichen und in Satz 2 festzulegen, daß die Lohnsummensteuer nur mit Zustimmung der Landesregierung erhoben werden darf.
Mit dieser Fassung war der Ausschuß einverstanden, zumal auch die Bundesregierung zugestimmt hatte. Bedenken wurden allerdings dagegen erhoben, daß die Landesregierung nach der vom Bundesrat vorgeschlagenen Fassung für Satz 2 die Zustimmungsbefugnis auf die nach Landesrecht zuständigen Behörden übertragen kann. Diese Bedenken rühren daher, daß der Verwaltungsaufbau in den Ländern der Bundesrepublik nicht einheitlich ist. Der Ausschuß sieht die Gefahr darin, daß in den Ländern, die die Regierungsbezirke nicht haben, die Delegation direkt an die kommunalen Behörden erfolgt, wodurch die Einheitlichkeit der Handhabung des Gesetzes in Frage gestellt würde. Um aber keine neue Verzögerung in der Verabschiedung des Gesetzes herbeizuführen, hat der Ausschuß diese Bedenken zurückgestellt, mich als Berichterstatter jedoch einstimmig beauftragt, dem Bundesrat gegenüber zum Ausdruck zu bringen, daß der Ausschuß nur eine Delegation an die Fachminister - Innen- und Finanzminister - wünscht, um so eine einheitliche Handhabung des Gesetzes sicherzustellen.
Eine weitere Änderung sowohl gegenüber dem Mündlichen Bericht zur Regierungsvorlage, Drucksache Nr. 2316, als auch gegenüber dem Initiativgesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache Nr. 2675, beschloß der Ausschuß bei Ziffer 6 zu § 8, der die Hinzurechnung der Miet- oder Pachtzinsen zum Gewinn regelt. Die bisherige Regelung, die auf die Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen abgestellt war, konnte zu erheblicher Benachteiligung einzelner Gemeinden führen. Der Ausschuß glaubt, mit der jetzt vorliegenden Formulierung, die die Anwendung von Satz 1 der Ziffer 8 auf die Fälle beschränkt, in denen die Mietoder Pachtzinsen den Jahresbetrag von 250 000 DM übersteigen, eine gerechtere Lösung gefunden zu haben.
Des weiteren schlägt der Ausschuß mit Mehrheit vor - ich darf bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß alle anderen Änderungsvorschläge einstimmig gefaßt wurden -, die schon in der Vorlage Drucksache Nr. 2316 beschlossene Ziffer 10 des § 8 so zu ändern, daß auch die Ausgaben zur Förderung wissenschaftlicher Zwecke steuerbegünstigt werden. Die in Ziffer 7 betreffend § 9 unter c) angeführten Bestimmungen der Nummern 4 und 5 ergeben sich aus den in § 8 vorgenommen Änderungen.
Das gleiche gilt für die Änderungen unter Ziffer 11 betreffend § 12 unter a) und b).
In Abschnitt IV c - § 35c - ist der Abs. 2 zu streichen. Diese Streichung ergibt sich aus der Neufassung der Ziffer 6 betreffend § 8.
Die letzten Änderungen befinden sich in Abschnitt VI § 8 Abs. 2. Auch diese Änderungen ergeben sich aus den bereits beschlossenen Änderungen.
Im Namen des Ausschusses bitte ich, der Vorlage zuzustimmen.
Außerhalb der Berichterstattung bitte ich mir die Bemerkung zu erlauben, daß trotz der an dem Entwurf geübten Kritik seitens des Sprechers der KPD bei der ersten Beratung kein Mitglied dieser Fraktion sich an den Beratungen im Ausschuß beteiligt hat.
({9})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesfinanzministerium hat erhebliche Bedenken gegen einen Beschluß des Ausschusses, nämlich gegen die Abzugsfähigkeit der Spenden.
({0})
Es handelt sich hier nicht etwa um die. so manches Mal zitierten fiskalischen Interessen des Bundesfinanzministeriums - die Bundesfinanzen haben ja mit dem Ertrage der Gewerbesteuer überhaupt nichts zu tun -, sondern es handelt sich um systematische Bedenken. Es ist immer daran festgehalten worden, daß der Begriff des. gewerblichen Einkommens bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer derselbe ist. Bei der Einkommensteuer wird zunächst das gewerbliche Einkommen festgestellt. Dann hat der Einkommensteuerpflichtige unter dem Begriff der Sonderausgaben die Abzugsfähigkeit für gewisse persönliche Ausgaben, z. B. für Spenden, für Versicherungsbeiträge oder für andere Dinge. Das kann aber auf die Gewerbesteuer überhaupt nicht zutreffen. Bei der Gewerbesteuer handelt es sich um den gewerblichen Gewinn. Es verstößt also gegen die Systematik des Begriffs des gewerblichen Gewinns, wenn nun der Finanzausschuß beschlossen hat, bei der Gewerbesteuer die Spenden zum Abzug zuzulassen. Ich glaube, man sollte diesen Gesichtspunkt nicht vernachlässigen, auch wenn man weiß, wie wichtig an sich die Möglichkeit des Spendenabzugs ist und wie sehr viel Gutes da in der Unterstützung der Wissenschaft geschieht. Die Antragsteller haben dabei vielleicht auch nicht ganz im Auge gehabt, daß eine Verringerung der Gewerbesteuer zu einer Erhöhung der Einkommensteuer führt. Der größte Teil dessen, was die betreffenden Unternehmer, wenn sie Spenden für die Förderung der Wissenschaft machen, bei der Gewerbesteuer ersparen, wird nachher durch eine Erhöhung der Einkommensteuer wieder wettgemacht. Insofern, könnte man sogar sagen, würden die Länder und in etwa der Bund ein Interesse an der Vorschrift haben. Aber weil dies eine Durchbrechung althergebrachter systematischer Grundsätze ist, möchte ich doch bitten, davon abzusehen. Ich habe auch Bedenken, ob der Bundesrat bei Aufrechterhaltung dieser Vorschrift dem Gesetz zustimmen würde; und wenn er nicht zustimmen würde, müßte man sich unter Umständen zum dritten Mal damit befassen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach. - Meine Damen und Herren, an sich war zu diesem Punkt der Tagesordnung wegen der Übereinstimmung im Ausschuß keine Aussprache vorgesehen. Da sie aber jetzt einsetzt, schlage ich eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
({0})
- Also 40 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Wir waren uns im Ausschuß sehr wohl bewußt, daß hier das System der Objektsteuer verlassen wird. Aber wir haben uns gesagt: Wenn ein so wesentlicher Verband wie der Deutsche Städtetag als Vertretung der Gewerbesteuerberechtigten keine Bedenken erhebt, sondern die Vorlage sogar befürwortet, dann wollen wir nicht päpstlicher sein als der Papst. Wir sind uns bewußt, daß dieses Verlassen des Objektsteuersystems gewisse Gefahren hat. Die Gewerbeertragsteuer wird mehr und mehr zu einer zusätzlichen Einkommensteuer auf das fundierte Einkommen. Aber insgesamt war der Ausschuß doch der Meinung, im Interesse der Dinge, die hier erstrebt werden - der Förderung der wissenschaftlichen
Forschung - sollte man einen formalen Fehler in Kauf nehmen. - Ich möchte jedenfalls für meine politischen Freunde beantragen, daß wir der Ausschußfassung zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen also zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. I, § 1; - Art. II, § 2, - § 3; - Art. III, § 4, - § 5; - Art. IV, § 6; - Art. V, § 7; - Art. VI, § 8, -§9,-§ 10;-Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen. - Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. I, § 1; Art. II, § 2, - § 3; - Art. III, § 4, - § 5; - Art. IV, § 6; - Art. V, § 7; - Art. VI, § 8, - § 9, - § 10; - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist also auch dieser Gesetzentwurf in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe nun auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über die vor dem Bundesverfassungsgericht erhobene Klage des Landes Württemberg-Baden auf Feststellung der Nichtigkeit des Bundesgesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 vom 16. März 1951 ({1}) ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht ist gesetzlich gehalten, in verschiedenen Verfahren dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme oder Äußerung zu geben. Ohne damit der Geschäftsordnung vorgreifen zu wollen, die diesen Fall noch nicht geregelt hat, ist bisher so verfahren worden, daß der Herr Präsident diese Anfragen des Bundesverfassungsgerichts jeweils unmittelbar dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen hat. Der Ausschuß hat dann vorgeprüft, ob er eine Stellungnahme des Bundestages empfiehlt, welche Art von Stellungnahme er empfiehlt oder ob er anrät, von einer Stellungnahme Abstand zu nehmen. In diesem Falle hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht dem Bundestag empfohlen, Stellung zu nehmen, allerdings nicht, wie seinerzeit im Südweststaat-Prozeß, durch Entsendung eines Abgeordneten zur mündlichen Verhandlung, sondern lediglich auf schriftlichem Wege.
({4})
Das Land Württemberg-Baden hat am 10. Oktober 1951 beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag gemäß § 13 Ziffer 6 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht eingebracht. Der Antrag geht dahin, 1. festzustellen, daß das Gesetz über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1950 vom 16. März 1951 mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig sei, und 2. eine einstweilige Anordnung zu erlassen, daß die Leistungen des Landes Württemberg-Baden nach diesem Gesetz zunächst gestundet werden. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung soll bereits abgelehnt worden sein. Zu dem Feststellungsantrag hat die Bundesregierung inzwischen unter dem 29. November 1951 eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, die dahingeht, daß sie eine Verfassungswidrigkeit des Bundesgesetzes nicht anerkennt.
Das Land Württemberg-Baden glaubt die Unvereinbarkeit des Finanzausgleichsgesetzes mit dem Grundgesetz im wesentlichen aus folgenden Beanstandungen herleiten zu können. Erstens: das Volumen des Finanzausgleichs sprenge den Rahmen des Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes. Das Gesetz sei Schrittmacher eines Zentralismus und verletze die Gleichheit vor dem Gesetz, die auch für die Länder gelte. Zweitens: die Mittel für den Finanzausgleich würden nicht einzelnen, sondern sämtlichen den Ländern zufließenden Steuern entnommen. Drittens: Der Finanzausgleich erstrecke sich auch auf die den Gemeinden zufließenden Realsteuern. Viertens: die Beiträge der ausgleichspflichtigen Länder würden nicht bestimmten, den Ländern zufließenden Steuern, sondern dem allgemeinen Landeshaushalt entnommen. Fünftens: aus den Beiträgen der ausgleichspflichtigen Länder werde eine Bundesvermögensmasse gebildet. Sechstens: der bayerische Kreis Lindau werde unzulässigerweise wie ein Land behandelt.
Der Herr Kollege Seuffert hat dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht den Entwurf einer schriftlichen Äußerung vorgelegt, in der er zu dem Ergebnis kommt, daß der Bundestag sich mit dem Finanzausgleichsgesetz im Rahmen des ihm vom Grundgesetz eingeräumten Ermessens gehalten habe, daß also ein Ermessensmißbrauch oder eine Willkür nicht vorliege. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hatte noch nicht die Möglichkeit - und hatte auch nicht die Absicht sich sachlich mit den Behauptungen des Landes Württemberg-Baden und der gutachtlichen Stellungnahme des Herrn Kollegen Seuffert auseinanderzusetzen. Er ist aber wegen der Bedeutung der Angelegenheit der Auffassung, daß der Bundestag zur Verteidigung des von ihm selbst erlassenen Gesetzes hierzu Stellung nehmen sollte. Er empfiehlt daher dem Hohen Hause, das Mitglied dieses Hohen Hauses, Herrn Walter Seuffert, zu beauftragen, im Benehmen mit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und mit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen eine schriftliche Äußerung für den Bundestag abzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Im Ältestenrat ist vorgesehen worden, in eine Aussprache über diese Angelegenheit nicht einzutreten, sondern sofort darüber Beschluß zu fassen. Es liegen auch keine Wortmeldungen vor.
Ich lasse über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2878 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist
zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({0}) über die Wahlanfechtung des Verwaltungsrechtsrats und Fachanwalts für Verwaltungssachen Otto von Werder, Köln, als Vertreter von mehr als 100 Wahlberechtigten aus den Ländern der ehemaligen Britischen Zone und des Landes Bremen gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 in der Britischen Zone und Bremen ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst bitten, über die Punkte 12 bis 16 der Tagesordnung zusammen zu verhandeln, da es sich bei diesen Wahlanfechtungen sachlich um eine Frage handelt.
Ich glaube, wir können so verfahren. Es handelt sich um zusammenhängende Dinge. Ich rufe also in Verbindung mit Punkt 12 die Punkte 13 bis 16 der Tagesordnung auf:
13. Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({0}) über die Wahlanfechtung des Dr. Sperling, Göttingen, als Vertreter des Wahlausschusses für den unabhängigen Kandidaten Curt Steiner, Göttingen, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Wahlkreis 34 des Landes Niedersachsen ({1}) ({2});
14. Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({3}) über die Wahlanfechtung des Oberingenieurs und Stadtrats August Hofmann, Bamberg, als Vertreter der „Notgemeinschaft" gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Lande Bayern ({4});
15. Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({5}) über die Wahlanfechtung der Demokratischen Wirtschafts- und Aufbaugemeinschaft Marburg, vertreten durch den Vorsitzenden Karl Fiege, und der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Kandidaten, Alsfeld ({6}), bzw. der Demokratischen Wirtschafts- und Aufbaugemeinschaft Hessen, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Günther Draub, Hofgeismar, Vor dem Schöneberger Tor 2, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Lande Hessen ({7});
16. Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({8}) über die Wahlanfechtung des „Bundes der Fliegergeschädigten", Ortsgruppe Obersuhl, vertreten durch den ersten Vorsitzenden W. Schützenmeister, Obersuhl, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Lande Hessen ({9}).
Ewers ({10}), Berichterstatter: Ich bin von dem Ausschuß nur deshalb beauftragt, auf die Rednerbühne zu steigen, um einige einleitende Worte zu den ersten Wahlprüfungssachen zu sagen, die der Bundestag verabschiedet. Das geschieht mit einer Verspätung von rund zwei Jahren; denn fast auf den Tag vor 2 1/4 Jahren trat der Bundestag zusammen. Wenn wir erst heute dazu kommen, eine Entscheidung darüber zu treffen, inwieweit der Bundestag auf Grund des Wahlergebnisses richtig zusammengesetzt ist, so ist das ein Zeichen dafür, wie mühselig und wie schwierig der Aufbau unseres neuen demokratischen Staatswesens ist. Vorher mußten das Wahlprüfungsgesetz und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht verabschiedet sein; das Beschwerdegericht mußte errichtet sein.
Bei der Wahlprüfung haben wir es mit einem Verfahren zu tun, das es in der deutschen Staatsrechtsgeschichte noch nicht gegeben hat. Es handelt sich um das einzige Verfahren, in dem der Bundestag in einer einzelnen Verwaltungsstreitigkeit eine Entscheidung trifft, die mit der Beschwerde anfechtbar ist. Hier übt also der Bundestag gerichtsähnliche Funktionen aus, die nicht etwa in seiner alleinigen Zuständigkeit beschlossen sind, sondern worüber das Bundesverfassungsgericht als das höchste Staatsgericht unseres Staatswesens als letzte Instanz zu wachen hat. Dementsprechend ist das Wahlprüfungsgesetz gestaltet, das ja in seinen §§ 11 bis 13 im einzelnen vorschreibt, wie sich der Bundestag, wie sich sein Wahlprüfungsausschuß zu verhalten hat.
Die Entscheidungen, die Ihnen hier auf Grund des Antrags des Wahlprüfungsausschusses angesonnen werden, sind beschwerdefähige Entscheidungen, Beschlüsse in einer einzelnen Verwaltungssache. Nach dem Gesetz müssen sie Ihnen in einer entscheidungsfähigen und beschwerdefähigen Form vorgelegt werden. Diesen Anforderungen suchen die Ihnen vorzulegenden Wahlprüfungsbeschlüsse nebst Anlagen zu entsprechen. Da wir hier eine Entscheidung in einer einzelnen Sache fällen, jedesmal für sich, so ist eine Debatte in dem großen Hause nur dann möglich, wenn sich der eine oder andere Kollege oder die eine oder andere Fraktion über die Materie genauestens unterrichtet hat und die Entscheidung aus tatsächlichen oder Rechtsgründen im einzelnen kritisiert.
Wenn der Bundestag den Ausschußvorschlag ablehnt, so gilt stillschweigend und automatisch die Angelegenheit als an den Ausschuß zurückverwiesen, wobei der Bundestag beschließen kann, der Ausschuß möge in dem oder jenem Sinne seine eigene Entscheidung einer Nachprüfung unterziehen. Wenn dann das zweitemal in derselben Sache hier berichtet wird und der Wahlprüfungsausschuß eine neue Entscheidung zur Verabschiedung vorlegt, dann gibt es nur noch die Möglichkeit, diese Entscheidung dadurch abzulehnen, daß eine andere, ebenfalls den formalen Anforderungen eines solchen Beschlusses entsprechende Entscheidung angenommen wird, wie es im § 13 geregelt ist. Eine lange Debatte hier im Bundestag hat daher grundsätzlich schwerlich einen Sinn. Der Wahlprüfungsausschuß nimmt an, daß, soweit es sich nach seiner Auffassung um Selbstgänger handelt, ohne Debatte in aller Regel hier entschieden wird, auch - wie ich hinzufüge - ohne jede mündliche Berichterstattung.
Nachdem ich heute nun einmal das Wort ergriffen habe, möchte ich darauf hinweisen, daß die in erster Linie Ihnen heute zur Entscheidung vorliegenden Fälle - Drucksachen Nr. 2811 bis 2816 - die wichtigsten Entscheidungen sind, die im Wahlprüfungsverfahren überhaupt abgegeben werden können, die gleich einen neuen Grundsatz betreffen, nämlich die Frage, wieweit im Wahlprüfungsverfahren die Verfassungsmäßigkeit der der Wahl zugrunde liegenden Gesetze nachgeprüft werden kann oder nicht, wieweit also der Bundestag selbst zur Normenkontrolle berufen und in diesem Verfahren befugt ist.
Auf Grund des Antrags derjenigen Mitglieder des Bundestages, die als betroffen im Wahlprüfungsausschuß die eigenen Interessen und die ihrer Fraktion wahrgenommen haben und mit ihnen in Übereinstimmung, aber gegen die Meinung des Innenministeriums, das ja bekanntlich ebenfalls im Wahlprüfungsausschuß seine Meinung zur Geltung bringen kann, hat sich der Wahlprüfungsausschuß in all diesen Fällen und in einer Reihe von Parallelfällen auf den Grundsatzstandpunkt gestellt, daß der Bundestag im Wahlprüfungsverfahren nicht berufen ist, die Normenkontrolle vorzunehmen, sondern daß in diesem Verfahren nur zu prüfen ist, ob bei der Wahlhandlung und ihrer Durchführung - sei es durch die Behörden, sei es durch die Wähler - Verstöße gegen die Wahlordnung vorgekommen sind, die eine Ungültigkeit der vollzogenen Wahl herbeiführen können. Das ist in den Ihnen vorliegenden Entscheidungen begründet. Die Einsprechenden selbst, in verschiedenen Fällen Rechtsanwälte, haben diesem Standpunkt keineswegs widersprochen. Sie haben sich dazu nur in gewissermaßen wohlwollendem Sinne geäußert, daß sie dafür Verständnis hätten.
Die Entscheidung, die wir treffen, beruht auf der einstimmigen Auffassung des Wahlprüfungsausschusses und derjenigen Abgeordneten, die im Verfahren selbst zu der Rechtsfrage das Wort genommen haben. Wir glauben, mit der Entscheidung und ihrer Begründung in der zweiten Instanz nicht schlecht zu fahren. Das Risiko trifft, wie in all diesen Fällen, den Bundestag. Es liegt so, daß die Beschwerdeführer behaupten, das Wahlgesetz sei ungültig, das bekanntlich seinerzeit, im Juni 1949, von den Herren Ministerpräsidenten erlassen und verabschiedet ist, auf Grund eines Entwurfs im übrigen, den der Parlamentarische Rat schon beschlossen hatte, aber nicht verkünden durfte wegen eines die heutige Rechtsfrage gar nicht berührenden Einspruchs der Besatzungsmächte.
Diese Frage, ob dieses Wahlgesetz ungültig sei, wird nachzuprüfen sein auf Betreiben derjenigen, die sich durch diese angebliche Ungültigkeit beschwert fühlen, durch eine Verfassungsbeschwerde, wie sie im allgemeinen Sinne in den entsprechenden Paragraphen des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht vorgesehen ist. Über diese Frage können wir im Wahlprüfungsverfahren nicht entscheiden. Das jedenfalls ist unsere Auffassung, und .zwar ist als entscheidender Grund, der meines Erachtens jedem einleuchtet, dabei hervorzuheben: Die Wahlanfechtung nach dem gültigen Gesetz erfolgt nur auf Einspruch und kann die Wahl nur insoweit berühren, wie der Einspruch reicht. Eine Anfechtung, die die gesamten Wahlkreise des Bundesgebiets umfaßt, liegt nicht vor. Die Ungültigkeit des Wahlgesetzes würde aber selbstverständlich die gesamten am 14. August 1949 vollzogenen Wahlen
({11})
D ungültig machen, und damit würde ein Wirrwarr erster Ordnung herbeigeführt werden. Solche Fragen können nicht in einem einzelnen Wahlprüfungsverfahren, das jeder Wähler in Gang bringen kann, nachgeprüft werden, sondern dafür ist nach unserer Überzeugung allein die allgemeine Verfassungsbeschwerde vorgesehen, wie sich bei richtiger Anwendung des Grundgesetzes und der ihm zugrunde liegenden Gedankengänge und Rechtsauffassungen nach unserer Ansicht mittlerweile von selbst versteht.
Ich schlage dem Bundestag namens des Ausschusses also vor, die Ihnen in den Drucksachen Nrn. 2811, 2812, 2813, 2814 ({12}), 2315 ({13}) und 2816 vorliegenden Entscheidungen anzunehmen und entsprechend zu beschließen. Bei den Drucksachen Nm. 2814 und 2815, die neu gedruckt sind, war ein kleines Versehen passiert. Diese beiden Sachen, bei denen ein gleicher Einspruch für dieselbe Partei, nur von zwei verschiedenen Stellen, eingegangen war, waren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Es darf daher in diesen verbundenen Sachen nur eine Entscheidung gefällt werden. Dadurch unterscheiden sich die Drucksachen Nrn. 2814 ({14}) und 2815 ({15}) von den beiden alten Drucksachen. Ich beantrage also, diese Entscheidungen, die sehr wichtig und von großer Tragweite sind, heute zu treffen.
({16})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Mir ist mitgeteilt worden, daß der Herr Bundesminister des Innern zu dieser Angelegenheit Stellung nehmen will. Ich erteile ihm das Wort. - Herr Minister, darf ich darauf aufmerksam machen: wir haben die Punkte 12 bis 16 zusammen behandelt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Punkte 12 bis 16 sind unter einem rechtlichen Gesichtspunkt zusammen zu behandeln. Insbesondere handelt es sich um die Bestimmungen des Wahlgesetzes in § 14 Abs. 3. Dieser § 14 Abs. 3 sieht vor, daß Landesergänzungsvorschläge nur von den im Landesmaßstab zugelassenen politischen Parteien eingereicht werden können. Es wird in sämtlichen Fällen behauptet, daß dieser § 14 Abs. 3 gegen das Grundgesetz verstoße. Es wird gerügt die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 unserer Verfassung. Es wird gerügt die Verletzung .des Art. 20 Abs. 3 der Verfassung, und es wird gerügt die Verletzung der in Art. 38 unserer Verfassung aufgestellten Wahlgrundsätze.
Das Wahlprüfungsgericht beim Reichstag der Weimarer Zeit hat sich mehrfach mit der Frage befaßt, ob es im Rahmen des Wahlprüfungsverfahrens an die Vorschriften des Wahlgesetzes gebunden oder ob es auch zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen befugt sei. In ständiger Rechtsprechung hat das Wahlprüfungsgericht des verflossenen Reichstags seine Zuständigkeit auch für die Nachprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wahlgesetzes bejaht. Den gleichen Standpunkt hat der Staatsgerichtshof des Deutschen Reiches eingenommen und dabei mit Recht darauf hingewiesen, daß die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von Wahlvorschriften für das Wahlprüfungsgericht nur eine Vorfrage sei; im Tenor des zu erlassenden Erkenntnisses sei nicht über die Verfassungsmäßigkeit des Wahlgesetzes
zu entscheiden, sondern über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl.
Genau derselbe Tatbestand, genau dieselben Rechtsverhältnisse liegen bei Ihrer heutigen Entscheidung vor. Art. 41 des Grundgesetzes legt dem Bundestag die Verpflichtung auf, über die Anfechtung einer Wahl zu entscheiden. Dabei muß man davon ausgehen, daß diese Pflicht zur Entscheidung an keinerlei einschränkende Bestimmungen gebunden ist. Eine Einschränkung, wie sie in den vorliegenden Fällen vom Wahlprüfungsausschuß angenommen worden ist, findet in den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates zur Schaffung des Grundgesetzes keine Stütze. Ich darf darüber hinaus vor Ihnen ausführen, daß es ein seit 1945 wieder allgemein anerkannter Grundsatz der Rechtsprechung ist, daß jedes Gericht, auch jede Instanz, die an Stelle eines Gerichts zur Entscheidung befugt ist, bei Anwendung eines Gesetzes zu prüfen hat, ob dieses Gesetz überhaupt gültig ist oder nicht. Das Gericht muß also auch prüfen, ob ein solches Gesetz verfassungsmäßig ist oder nicht. Erst wenn die Gültigkeit des Gesetzes bejaht ist, darf das Gesetz von der erkennenden Stelle angewandt werden. Das ist die Rechtslage.
Der Bundestag wird daher im Wahlprüfungsverfahren wie jede andere mit der Anwendung eines Rechtes betraute Stelle jeweils die Verfassungsmäßigkeit der von ihm angewandten Vorschriften zu prüfen haben, auch dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit gar nicht bestritten ist.
Ich habe bereits auf die Erkenntnisse des Staatsgerichtshofs des Deutschen Reiches verwiesen, in welchen hervorgehoben wurde, daß es sich bei einer solchen Prüfung der Verfassungsmäßigkeit nur um eine Vorfrage handele, die nicht den förmlichen Gegenstand der Entscheidung im Wahlprüfungsverfahren bilde. Art. 93 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes, wonach bei Meinungsverschiedenheiten über die Vereinbarkeit von Bundesgesetzen mit dem Grundgesetz das Bundesverfassungsgericht allein zur Entscheidung berufen ist, steht einer Inzidententscheidung des Bundestags im Wahlprüfungsverfahren nicht entgegen.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß das Wahlprüfungsverfahren die einzige rechtliche Möglichkeit ist, die Gültigkeit oder die Ungültigkeit der Wahl zum Bundestag festzustellen. Infolgedessen müssen, wenn keine Lücke im Rechtsschutzsystem eintreten soll, im Wahlprüfungsverfahren alle Rechtsgrundlagen vorher für oder gegen die Mitgliedschaft im Parlament, die irgendwie geltend gemacht werden könnten, von dem Hohen Hause geprüft und entschieden werden, also auch die Frage, ob ein Wahlgesetz verfassungswidrig sei. Sie können nicht auf § 90 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht verweisen. Es kann diese Lücke nicht schließen. Die Verfassungsbeschwerde könnte nur zur Feststellung einer Verfassungsverletzung führen - § 95 des Gesetzes -, aber nicht zu einer Entscheidung, welche die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahl selbst betrifft.
Es wäre also mit dem Grundsatz eines Rechtsstaats unvereinbar, wenn es überhaupt kein Mittel gäbe, wegen Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des Wahlgesetzes die Wahl als solche anzufechten. Nur wenn der Bundestag zu der Auffassung kommen sollte, daß die angefochtene Bestimmung des Bundeswahlgesetzes mit den Bestim({0})
mungen des Grundgesetzes nicht vereinbar ist, müßte die weitere Frage geprüft werden, ob etwa nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes zu verfahren und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen ist. Diese sehr komplizierte Rechtsfrage kann aber völlig dahingestellt bleiben, weil die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmung aus folgenden Gründen unbedingt zu bejahen ist. Es tut mir leid, Sie mit so viel Verfassungsrecht behelligen zu müssen. Ich bitte Sie aber, diesen Ausführungen noch Ihre freundliche Aufmerksamkeit zu schenken.
Art. 14 Abs. 3 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag fiel in eine Zeit, in welcher es nur lizenzierte Parteien gab. Nur diese lizenzierten Parteien durften damals eine Landesergänzungsliste einreichen. Deshalb stellt § 14 Abs. 3 dieses Gesetzes nur den Niederschlag des damals geltenden Besatzungsrechts dar. In allen drei damals bestehenden Besatzungszonen bestanden zur Zeit der ersten Bundestagswahl Vorschriften der Besatzungsmächte, die eine Tätigkeit von Parteien nur dann gestatteten, wenn ihnen von der Militärregierung eine ausdrückliche Genehmigung erteilt worden war. Ich will die einzelnen Verordnungen hier nicht aufzählen, um die an sich schon unübersichtliche Materie nicht noch unübersichtlicher zu machen. Jedenfalls waren die entgegenstehenden Bestimmungen des Besatzungsrechts nach der am 20. Juni 1949 verkündeten Charta der Hohen Alliierten Kommission dem deutschen Verfassungsrecht übergelagert. An der Gültigkeit dieser mit den Wahlanfechtungen angegriffenen Bestimmungen des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag kann aus diesen zwingenden Gründen kein Zweifel bestehen.
Ich komme damit zum Schluß. Das Hohe Haus ist zur Entscheidung zuständig. Es kann und es muß die Frage prüfen, ob das Wahlgesetz verfassungsmäßig ist oder nicht. Es muß dazu Stellung nehmen, und es kann meiner Me nung nach nur so entscheiden, wie ich eben dargelegt habe, daß nämlich auf Grund des übergelagerten Verfassungsrechts das Wahlgesetz gültig ist. Nach dieser Vorentscheidung müssen Sie die Entscheidung treffen, die allen im Urteilstenor verkündet werden kann, ob nämlich die angefochtenen Wahlen gültig sind oder nicht. Ich bitte daher das Hohe Haus, entscheiden zu wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie ich einleitend - leider noch nicht in Anwesenheit des Herrn Bundesinnenministers - schon sagte, schienen dem Wahlprüfungsausschuß die Debatten über die Rechtslage hier im Bundestag in hohem Maße unerwünscht. Zu dem, was der Herr Innenminister hier vorgetragen hat, möchte ich nur ganz kurz folgendes sagen.
Wir haben schon bei der Vorbereitung und Verabschiedung des Wahlprüfungsgesetzes gemerkt, daß die Herren Referenten des Innenministeriums sich über die abgrundtief andere Sach- und Rechtslage, die das Grundgesetz dadurch herbeigeführt hat, daß es zum ersten Mal in der Verfassungsgeschichte gegen den Beschluß eines Plenums des Parlaments eine unmittelbare Beschwerde an ein Gericht gegeben hat, keine klare Rechenschaft gegeben haben. Der Unterschied, der dadurch herbeigeführt wurde, ist jedenfalls staats- und verfassungsrechtlich so tiefgehend, daß die uns bekannte Rechtsprechung des Wahlprüfungsgerichts des alten Reichstages uns insofern ebensowenig interessieren kann wie die des Staatsgerichtshofs. Denn nicht nur ist im Wahlprüfungsverfahren ein völliges Novum eingeführt worden, darüber hinaus haben wir in dem Bundesverfassungsgerichtshof ein Gericht, das man bisher in der deutschen Rechtsgeschichte noch nicht gekannt hat, beruhend auf dem sehr stark hervorgehobenen rechtsstaatlichen Grundsatz dieses Staatswesens.
Die Unterschiede gegenüber dem früheren Recht, die sich daraus ergeben, daß in demselben Grundgesetz einmal die Wahlprüfung dem Bundestag als untere, dem Bundesverfassungsgericht als obere Instanz eingeräumt ist, zum anderen in Art. 93 des Grundgesetzes bestimmt ist, daß das Bundesverfassungsgericht ausschließlich und allein berufen ist, darüber zu entscheiden, welche Gesetze mit dem Grundgesetz vereinbar sind, drängen sich auf. Wenn nun hier die Frage nach der Gültigkeit des Wahlgesetzes zur Erörterung steht, so fragt sich, ob - da man heute schon auf den Einspruch eines einzelnen Wählers hin das ganze Wahlprüfungsverfahren und immer nur für einen begrenzten Bezirk in Gang setzen kann - diese für unser ganzes Verfassungsleben grundsätzliche Frage in einem solchen Teilverfahren überhaupt auch nur angesprochen werden darf.
Nun liegen die Dinge doch wie folgt. Selbst wenn die Meinung - die hoffentlich vom Bundestag geteilt wird -, daß wir hier darüber in diesem Verfahren nicht entscheiden können, unrichtig sein sollte, wer nimmt eigentlich dem Herrn Bundesinnenminister das Recht, sich auf Grund des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes hiergegen zu beschweren, die obere Instanz in diesem Verfahren anzurufen und zu sagen: „Bitte, hebt das Urteil auf"? Denn wir haben doch die Grundsatzentscheidung. Diese können Sie selbst herbeiführen, Herr Bundesinnenminister. Wir vom Wahlprüfungsausschuß sind einstimmig der Überzeugung, daß Sie mit der Beschwerde nicht durchdringen werden. Aber versuchen Sie es doch, Sie haben doch das Beschwerderecht! Ich möchte aber glauben, daß hier im Plenum diese Erörterungen höchst unerfreulich sind.
Ich habe bei den Erörterungen im Wahlprüfungsverfahren die Äußerung irgendeines Zweifels daran, daß das Wahlgesetz der Ministerpräsidenten rechtswirksam zustande gekommen ist, nicht gehört. Wir haben es allerdings abgelehnt, diese Frage in dem Wahlprüfungsverfahren auf Antrag des Herrn Otto von Werder auch nur zu erörtern. Wenn Sie aber glauben, daß in diesem Verfahren durch die Antragsteller. - sei es nun Herr Otto von Werder, seien es andere - nur die Ungültigkeit der Wahlen festzustellen gewesen sei, so irren Sie, Herr Minister. Der Antrag in diesem Wahlprüfungsverfahren lautete dahin, daß die Unvereinbarkeit des § 14 und des § 10 des Wahlgesetzes mit den Bestimmungen des Grundgesetzes von uns nicht etwa nur inzidenter, sondern in Worten ausdrücklich festgestellt werden sollte. Solch ein Antrag ist nur als allgemeine Bundesverfassungsbeschwerde zulässig. Dieses Rechtsmittel war ebenfalls nicht vom Innenministerium in der Regierungsvorlage vorgeschlagen; es ist vom Bundestag in die Ordnung für diesen Gerichtshof eingefügt.
Ich würde deshalb meinen, die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers haben ihren recht({0})
lichen Ort in der zweiten Instanz, vor dem Bundesverfassungsgerichtshof, wenn er es auf Grund unserer Entscheidung anrufen will. Wir haben ja ausdrücklich festgestellt, daß dies eine auf Grund Art. 41 des Grundgesetzes anfechtbare Entscheidung ist, und zwar anfechtbar im Wahlprüfungsverfahren. Dort müßten diese Ausführungen gemacht werden. Wir selbst als erste Instanz sind dort nicht ohne weiteres vertreten und brauchen es auch nicht zu sein; denn für uns müssen unsere Gründe sprechen, oder wir unterliegen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst den Antrag des Wahlprüfungsausschusses auf Drucksache Nr. 2811 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur Abstimmung über den Antrag des Wahlprüfungsausschusses auf Drucksache Nr. 2812. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe den Antrag -des Wahlprüfungsausschusses auf Drucksache Nr. 2813 zur Abstimmung auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschußanträge auf den Drucksachen Nr. 2814 [neu] und Nr. 2815 ({0}). Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 2816. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit sind die Punkte bis Punkt 16 einschließlich erledigt.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Beratung des Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({1}) über die Wahlanfechtung der Deutschen Konservativen Partei - Deutschen Rechtspartei, Kreisverband Bielefeld, gegen die Gültigkeit der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag am 14. August 1949 im Wahlkreis 51 ({2}) ({3}).
Herr Kollege Dr. Mommer ist als Berichterstatter vorgesehen. Soviel ich weiß, ist er noch in Straßburg bei der Beratenden Versammlung.
({4})
- Es wird darüber nicht berichtet. Wortmeldungen liegen auch nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über den Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 2843. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Stimmenthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zu Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({5}) über den Entwurf der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ({6}).
*) Schriftliche Berichte siehe Anlagen 1 und 2, S. 7442 und S. 7462.
Das Wort hat zunächst zur allgemeinen Berichterstattung Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Nach der Drucksache, die Ihnen vorliegt und die durch die Bearbeitung der Abänderungsanträge eine Ergänzung erfahren hat, könnten 'Sie befürchten, daß die schriftlich vorliegenden Berichte entsprechend der bisherigen Übung -des Hohen Hauses ebenfalls noch im Wortlaut verlesen werden. Diese Befürchtung entbehrt der Begründung.
({8})
Denn hier soll heute zum erstenmal - Ihre Zustimmung vorausgesetzt - eine Bestimmung der neuen Geschäftsordnung in die Praxis übertragen werden, die dahin geht, daß schriftlich vorliegende Berichte nicht noch überflüssigerweise verlesen werden.
({9})
Vielmehr soll bewirkt werden, daß diese schriftlich vorliegenden Berichte in die stenographische Niederschrift über den Verlauf der Sitzung aufgenommen und damit für immer dem Protokoll einverleibt werden. Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, am Schluß der Abstimmung durch das Hohe Haus bestätigen zu lassen, daß die schriftlich vorliegenden Teilberichte Gegenstand der stenographischen Niederschrift werden.
Zur allgemeinen Berichterstattung habe ich als Vorsitzender des Ausschusses die Aufgabe, möglichst kurz das darzustellen, was grundsätzlich und auch geschichtlich zu der Frage der Schaffung der neuen Geschäftsordnung gesagt werden muß und darf. Ich darf daran erinnern, daß in der fünften Sitzung des Deutschen Bundestages vom 20. September 1949 eine vorläufige Geschäftsordnung, die aus den Bestandteilen der Geschäftsordnung des früheren Deutschen Reichstags zusammengestellt worden war, zur Grundlage unserer Beratungen bis zum heutigen Tag gemacht worden ist. Im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität, dem die Aufgabe gestellt war, eine neue Geschäftsordnung auszuarbeiten, bestand übereinstimmend die Meinung, daß alle Erfahrungen deutscher Länderparlamente und des europäischen Auslands sowie auch überseeischer Parlamente, jedenfalls aber nur solcher Parlamente, die als demokratisch angesprochen werden könnten, mit ihrer Geschäftsordnung mit zu Rate zu ziehen seien bei dem Erlaß einer eigenen Geschäftsordnung des Deutschen , Bundestags. Damit ist, wie ich glaube sagen zu dürfen, im großen und ganzen eine durchaus zeitgemäße Geschäftsordnung entstanden. Der Entwurf dieser Geschäftsordnung liegt Ihnen vor.
Außerdem bestand bei den sehr gründlichen Beratungen des Ausschusses der absolute Wille, die Erfahrungen unserer eigenen parlamentarischen Praxis mit zu Rate zu ziehen und mit zu verwenden. Wir haben in der Tat einen eigenen Stil unserer parlamentarischen Praxis entwickelt und in bestimmten Fragen auch mit ausdrücklicher Zustimmung des Hohen Hauses bestimmte Grundsätze aufgestellt, die wegleitend waren bei der Formulierung der neuen Geschäftsordnung.
Nun ist es selbstverständlich das Recht jedes Bundestages - nicht nur des jetzigen, sondern auch aller künftigen Bundestage -, sich jeweils eine neue, eine eigene Geschäftsordnung zu geben. Gleichwohl lehrt die Erfahrung des früheren Deutschen Reichstags, daß ein einmal vorhandenes und
({10})
im wesentlichen bewährtes Geschäftsordnungsinstrument für die Dauer beibehalten wird, daß zwar hier und da einmal eine Änderung erfolgt, im großen und ganzen aber das Gebäude der Geschäftsordnung erhalten bleibt. Von dieser Überlegung ausgehend war sich der Ausschuß darin einig, daß die neue Geschäftsordnung nach Möglichkeit nicht mit Dingen belastet werden sollte, die dem Wandel der Zeit unterliegen, d. h. beispielsweise der sehr verschiedenartig möglichen Zusammensetzung des Deutschen Bundestages oder auch einer kommenden deutschen Nationalversammlung, der verschiedenartigen Stärke der Fraktionen, dem verschieden gelagerten Bedürfnis nach Zahl und Maß der Ausschüsse des Parlaments. Es bestand mit einem Worte der Wunsch, daß das, was zeitbedingt ist, von den einzelnen Bundestagen beschlossen werden soll. So haben ja auch wir nach Annahme dieser Geschäftsordnung die Verpflichtung, uns nach ihr zu orientieren und einige Beschlüsse zu fassen, die eben die praktische Ausführung dieser Geschäftsordnung bedingt.
Selbstverständlich ist jeder kommende Bundestag frei. Er kann machen, was er will; das liegt in seinem Willen und in seiner Souveränität. Aber wir haben ja selbst die Erfahrung gemacht, daß die alte Geschäftsordnung des früheren Reichstags für uns ein überaus nützliches Intsrument geworden ist. Wir haben versucht, sie unseren heutigen Bedürfnissen anzugleichen. Bei der Beurteilung der Geschäftsordnung anderer Parlamente innerhalb und außerhalb Deutschlands können wir einen Satz Goethes anwenden, der besagt, daß alles Gescheite schon einmal gedacht worden ist und man nur versuchen muß, es noch einmal zu denken und eigenes Denken hinzuzusetzen.
Diese Geschäftsordnung, meine Damen und Herren, ist ein inneres Gesetz, das sich der Deutsche Bundestag gibt. Sie ist in zahlreichen Beratungen unseres Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität zustande gekommen. Ich freue mich, heute beim Abschluß dieser Arbeit an dieser Stelle sagen zu dürfen, daß der dritte Ausschuß des Hohen Hauses sich in vorzüglicher und vorbildlicher Zusammenarbeit bemüht und es erreicht hat, ein Werk zu schaffen, das im großen und ganzen -nehmen Sie alles in allem - eine geschlossene Sache darstellt, die sich sehen lassen kann. Es ist dem Ausschuß in einer ausgezeichneten Zusammenarbeit und in einer schönen Harmonie gelungen, eine nützliche Arbeit zu leisten.
({11})
Dieses innere Gesetz des Deutschen Bundestags ist ein Instrument zur Sicherung der dem Hohen Hause gebührenden Stellung. Der Deutsche Bundestag als der Träger der gesetzgebenden Gewalt hat bei der Verabschiedung einer solchen Ordnung für seine Beziehungen entscheidenden Wert darauf zu legen, daß die Rechte des Parlaments gesichert werden, daß die Geschäfte des Deutschen Bundestags in einer Weise geführt werden, daß auch die Gesichtspunkte - die im übrigen staatsrechtlich von uns in jeder Hinsicht anerkannt werden - der Gewaltenteilung sowohl in bezug auf die Wahrung des Rechts des Parlaments als auch in bezug auf die Wahrung des Rechts der Exekutive, der Bundesregierung, gewahrt werden. Wir wollen mit dem Instrument der Geschäftsordnung den Willen zur Erreichung eines wirklich lebendigen Parlaments stärken.
Wir möchten - und darauf deuten die Bestimmungen der Geschäftsordnung in wichtigen
Punkten hin - vor allem auch einen guten Prozeß, der sich nach Überwindung gewisser Schwierigkeiten in diesem Hohen Hause doch mehr und mehr durchgesetzt hat, nach Kräften weiter gefördert wissen, nämlich jenen Prozeß der Entwicklung eines netten, guten und ausgeglichenen Verhältnisses zwischen dem Bundestag und der Presse. Aus diesem Grunde finden Sie u. a., daß wir - nach dem Satz von Goethe, den ich vorhin zitierte - durch die Einführung der sogenannten Hearings nach dem Muster des amerikanischen Parlaments öffentliche informatorische Ausschußsitzungen unter Zulassung der Presse vorsehen. Nota bene: soweit es unsere beschränkten Raumverhältnisse gestatten; wir können leider keinen Sitzungssaal für Ausschußsitzungen zur Verfügung halten, in den die beim Bundestag akkreditierten 200 Pressevertreter hineinkönnen. Aber immerhin, das ist ja auch nicht nötig.
Wir wünschen auch - und auch das geht aus der neuen Geschäftsordnung klar und deutlich hervor -, daß eine bessere Beziehung - mehr noch als bisher - zwischen dem Parlament und dem Wähler, dem deutschen Volk, hergestellt werden kann, so daß draußen in der Öffentlichkeit für die Arbeiten dieses Hauses mehr als bisher Verständnis und Anerkennung für uns erwachsen können. Sie finden diesen Wunsch beispielsweise bei der Ausdehnung des Begriffs der parlamentarischen Behandlung des Petitionsrechtes zum Ausdruck gebracht.
Sie finden immerhin auch einige verwandte Gesichtspunkte bei der Anwendung des § 21 des neuen Entwurfs. Dieser Paragraph bezieht sich nun auf die Abgeordneten in ihrem Verhältnis zum Deutschen Bundestag. Da darf ich gleich mit Rücksicht auf einen vom Ausschuß nicht weiter behandelten Abänderungsantrag sagen, daß wir in bezug auf die bisher üblichen und durch die neue Geschäftsordnung nach meiner und nach Auffassung der bisherigen Ausschußmehrheit auch künftig zu garantierenden Rechte der Bundestagsabgeordneten auf Akteneinsicht in ihren eigenen Fragen die Abgeordneten dieses Hauses nicht schlechter gestellt wissen wollen als beispielsweise den Beamten, der ja ein gesetzliches Recht auf Einsicht in seine Personalakten hat. Hierbei möchte ich, um Mißverständnisse auszuschließen, gleich betonen, daß es nicht möglich sein dürfte und sollte, daß überhaupt so etwas wie Personalakten über Bundestagsabgeordnete bei einem Präsidenten irgendeines Bundestags entstehen dürften. Wir lieben die Dossiers nach französischer Art durchaus nicht.
({12})
Mehrere wichtige organisatorische und technische Neuerungen beziehen sich beispielsweise auf Fraktionsbildungen. Wir wünschen nach dem Ausschußentwurf nicht, daß da Zweckehen - vielleicht sogar nur auf Zeit bestimmte Zweckehen - geschlossen werden, um eine Fraktionsbildung zwischen heterogenen Elementen zu ermöglichen.
({13})
Aus diesem Grunde sieht die neue Geschäftsordnung vor, daß eine Vereinigung von Mitgliedern, die eine Fraktion bilden wollen, grundsätzlich nur möglich ist, wenn es sich um Abgeordnete handelt, die der gleichen Partei angehören.
({14})
Die Geschäftsordnung unterstellt es einem ausdrücklichen Beschluß des Deutschen Bundestags,
wenn von dieser Norm abgewichen werden soll.
({15})
Daß technisch in der Behandlung der Ausschußberichte eine Änderung eintreten soll, habe ich Ihnen bereits vorhin an unserem heutigen praktischen Beispiel demonstriert. Immerhin wünschen wir aber, daß die schriftlichen Ausschußberichte - wie erwähnt - in die Stenographischen Berichte des Hauses kommen.
Eine besondere Bestimmung der Geschäftsordnung sichert künftig weit mehr als bisher die speditive Arbeit der Ausschüsse.
Wir haben einige andere Dinge, die am Rand erwähnt werden müssen, in die Geschäftsordnung aufgenommen, so beispielsweise auf Antrag eines unserer Kollegen im Ausschuß die ständige Ersetzung des Worts „Besprechung" durch das Won
„Beratung".
Sie finden einen Ansatz in dem Entwurf, um die freiere Rede - ich will mich vorsichtig ausdrücken, nicht die freie Rede, aber wenigstens die freiere Rede - zu sichern, damit sich nicht die Abgeordneten allzusehr auf ihr Manuskript verlassen müssen und damit sie hier etwas mehr Vertrauen zu sich selbst beweisen können,
({16})
als es hie und da doch immerhin in den letzten zwei Jahren zu sehen war.
({17})
- Wir leben in der Hoffnung, daß diese Hoffnung nicht trügt!
({18})
Viel Kopfzerbrechen hat uns die Regelung der Vorschläge hinsichtlich der .Redezeit gemacht. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß bestimmte kleine Fraktionen oder Gruppen in bezug auf die Ausnützung der ihnen zur Verfügung gestellten Redezeit ein weit besseres Echo zu erzielen vermögen als die Angehörigen großer Fraktionen.
({19})
Wir haben es auf der andern Seite auch als einigermaßen peinlich empfunden, daß auf Grund der notwendigen Rationierung der Redezeit Zeiten von zwei oder zweieinhalb Minuten zugemessen worden sind. Das erachten wir als unmöglich, und wir nehmen es lieber in Kauf, daß auch auf diesem Gebiet noch eine weitere kleine Bevorzugung eintritt, als daß wir uns der etwas blamablen Entwicklung aussetzen, daß der Herr Präsident genötigt ist, einem Abgeordneten oder, was noch schlimmer wäre, einer Dame dieses Hauses zu sagen: Sie haben nur zwei Minuten Redezeit. Das könnte unter Umständen als äußerst peinlich empfunden werden.
Ein wichtiges Kapitel ist das Problem der Kontrollrechte des Bundestags gegenüber der Regierung. Ich darf hier darauf hinweisen, daß wir zunächst einmal die Bestimmungen des Grundgesetzes in Art. 43 Abs. 1 und Art. 67 sowie 68 vor uns haben. Wir haben in teilweise völlig neuen Bestimmungen der Geschäftsordnung, insbesondere in den §§ 46, 113 und 114, die Kontrollrechte des Parlaments, - beinahe hätte ich gesagt: besonders verankert; ich will lieber sagen: festgelegt. Die Ausübung dieses Kontrollrechts des Parlaments stellt aber bei der Überlastung des Parlaments auch die Frage nach der Übertragung etwaiger Kontrollrechte des Parlaments auf die Ausschüsse. Hierzu darf ich Ihnen sagen, daß diese Erörterungen noch nicht zum Abschluß kommen konnten; zum Teil liegen hier im Hinblick auf die Ausschußfassung entgegengesetzte Änderungsanträge vor. Im großen und ganzen müssen wir erkennen, daß gerade in einer Zeit, in der, wie neulich eine staatsbürgerliche Tagung bewiesen hat, das Problem der rechtsetzenden Gewalt, d. h. ihrer Übertragung auf eine andere Instanz als die des Vollparlaments eine Rolle spielt, dieses Problem mehr und mehr nach einer Lösung ruft und daß wir uns noch weiter damit auseinanderzusetzen haben. Wir werden prüfen müssen, inwieweit eine Entlastung des Parlaments durch Übertragung von Befugnissen des Parlaments in Form der rechtsetzenden Gewalt auf die Ausschüsse möglich ist. In dem vorliegenden Entwurf finden Sie jedenfalls im Kapitel Ausschüsse die Befugnis, durch ausdrücklichen Beschluß des Deutschen Bundestags eine solche Entwicklung - eine Fortentwicklung im besten Sinne - zu ermöglichen. Wir haben ja auch bereits gewisse praktische Beispiele. Das vornehmste aus der kleinen Zahl ist das Recht und, wenn Sie wollen, die Pflicht, die dem Haushaltsausschuß in der Form der Vorwegbewilligung von Krediten aufgebürdet worden ist, die die Bundesregierung benötigt und die nicht jedesmal das Plenum des Hauses belasten sollen.
Damit hängt natürlich die große Frage der Kompetenzabgrenzung der Ausschüsse zusammen. Es ist keinesfalls möglich, daß ein Ausschuß oder daß mehrere Ausschüsse ganz generell an die Stelle des Bundestags treten können.
({20})
Ausschüsse sind auch keineswegs der Ort für die Entgegennahme von Regierungserklärungen. Diese gehören vor das Plenum des Hauses. Was die Regierung im übrigen zu erklären hat, hat nicht den Charakter einer Regierungserklärung, wenn es im
Ausschuß vorgetragen wird. Die Frage, ob wir die Rechte der Ausschüsse eng oder weit fassen, wird bereits heute in gewissem Umfange Ihrer Abstimmung unterliegen, wenn Sie über das Schicksal des § 60 der neuen Geschäftsordnung entscheiden.
Ich lege besonderes Gewicht darauf, Ihre Aufmerksamkeit auf die Arbeiten des Geschäftsordnungsausschusses zu lenken, die sich auf die Minderheitenrechte im Parlament beziehen und die in der neuen Ordnung ihren Niederschlag gefunden haben. Sie ersehen hier, wenn Sie die Geschäftsordnung prüfen, daß wir eine Fragestunde aufgenommen haben. Die einzige Reise, die sich der Geschäftsordnungsausschuß seit dem Bestehen des Parlaments erlaubt hat, ist eine Reise nach der schönen Hauptstadt des Bayernlandes, nach München, gewesen, und dort haben wir erlebt, wie sich eine Fragestunde abwickelt. Ich glaube, unter den Teilnehmern des Ausschusses gibt es niemanden, der nicht von der Möglichkeit begeistert gewesen ist, in freier Rede und Gegenrede einen nach unserem Wunsch und Willen rechtzeitig vorher informierten Minister in ein Gespräch zu verwickeln, bei dem der Abgeordnete, der - das bitte ich Sie nicht zu übersehen - nach unserm Grundgesetz in der Hauptsache der Träger eines Einerwahlkreises, eines Einzelwahlkreises ist, auch einmal die Möglichkeit hat, ohne Belastung seiner ganzen Fraktion mit wohlformulierten Anträgen und Großen Anfragen - früher Interpellationen genannt - seine Tätigkeit als Abgeordneter auszuüben und über den Bereich seiner Ausschuß- und seiner Fraktionsarbeit hinaus auch als Sachwalter seines Wahlkreises oder darüber hinausgehender Interessen in einer Fragestunde in Erscheinung zu treten.
({21})
Zu dem Minderheitenrecht gehören auch die Großen und die Kleinen Anfragen sowie die namentlichen Abstimmungen. Meine Damen und Herren, hier wird es heute abend vermutlich zu einer Debatte kommen. Ich darf schon jetzt darauf aufmerksam machen, daß die grundsätzlichen Differenzen, die sich im Verlauf unserer Beratungen herausgeschält haben, darin bestehen, daß ein Teil des Ausschusses - und zwar war es ursprünglich eine Mehrheit, die in der Zwischenzeit aber leider entschwunden ist - die Auffassung vertritt - die ich persönlich hier namens des Ausschusses auch noch bekanntzugeben habe -, daß ein Verlangen einer qualifizierten Minderheit den Bundestag dazu veranlassen sollte, die namentliche Abstimmung zuzugestehen, während eine sich anscheinend neubildende Mehrheit die Auffassung vertritt, daß ein solch qualifiziertes Verlangen doch noch nach der bisherigen Praxis der Genehmigung des Bundestags bedürfe. Sie werden darüber, wie gesagt, zu entscheiden haben.
Eine lebhafte Diskussion mit entgegengesetzten Meinungsäußerungen gab es im Verlaufe der Beratungen auch noch zu der Frage des Inhalts einer ersten Beratung, der bisherigen ersten Lesung.
({22})
Hier gibt es eine Strömung, die die Auffassung vertritt, daß die erste Beratung lediglich in der Überweisung des Gegenstandes der Tagesordnung an einen Ausschuß bestehen soll, während eine andere Richtung die Auffassung vertritt - und so sieht es auch der Entwurf der neuen Geschäftsordnung vor -, daß die erste Lesung vor allem dazu bestimmt ist, die grundsätzliche Seite des zu ) erörternden Problems aufzuzeigen.
Eine Neuregelung finden Sie auf dem Gebiet der Immunität. Ich bitte Sie, Ihre Aufmerksamkeit auf den § 112, den ich aus Gründen der Zeitersparnis nicht im Wortlaut zitieren möchte, zu richten. Wir haben in dem gedruckten Bericht, für den Herr Kollege Dr. Mende verantwortlich zeichnet, den gesamten bisherigen Sachverhalt, wie er von dem Hohen Hause auf Grund der Anträge des dritten Ausschusses herausgearbeitet worden ist, niedergelegt. Herr Dr. Mende, der in diesen Fragen neben anderen Mitgliedern bei der bisherigen Bearbeitung maßgeblich wirkte, hat sich die Mühe gemacht, in einer eingehenden Darstellung die bisherige Praxis des Hauses aufzuzeigen. Ich darf Ihnen sagen, daß sich zur Zeit der Unterausschuß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auf Grund einer Vorlage des Herrn Kollegen Ewers damit befaßt - demnächst wird sich auch der Gesamtausschuß damit befassen -, neue Grenzen für die Behandlung der Immunitätsangelegenheiten abzustecken, entsprechende Beschlüsse vorzubereiten und sie dem Hohen Hause bei nächster Gelegenheit Anfang des kommenden Jahres vorzulegen. Wir betrachten die Immunität - das geht klar aus der Geschäftsordnung hervor - als ein Recht des Hauses zur Sicherung seiner Arbeitsfähigkeit. Das finden Sie in der gesamten authentischen Interpretation des Art. 46 des Grundgesetzes. Wir betrachten die Immunität auch als ein Schutzrecht des Abgeordneten, aber als ein Schutzrecht, das oft sehr große Nachteile für den Abgeordneten mit sich bringt. Wir sehen, daß die Entwicklung auf dem Gebiet der Immunität noch nicht zum Abschluß gebracht werden kann. Ich bitte Sie, den schriftlichen Bericht, der eben nur feststellt,
was bisher Praxis des Deutschen Bundestags geworden ist, unter diesem Gesichtspunkt zu werten.
Ein besonderes Kapitel im Bereich der neuen Geschäftsordnung gebührt den Ordnungsmaßnahmen. Hier darf ich Sie besonders auf den § 16 hinweisen, der das unentschuldigte Fernbleiben von Plenarsitzungen behandelt. In dem Entwurf der neuen Geschäftsordnung ist nun zum ersten Male ausgesprochen, daß derjenige, der fernbleibt, ein Dreißigstel seiner Aufwandsentschädigung verliert: Zur Kenntnis der Öffentlichkeit darf gesagt werden, daß ein Abgeordneter pro Monat eine Aufwandsentschädigung von 600 DM erhält. Wenn er einer Sitzung unentschuldigt fernbleibt, dann bekommt er ein Dreißigstel gleich 20 DM abgezogen. Auf Grund einer Anfrage, die aus Kollegenkreisen an mich ergangen ist, möchte ich hier gleich feststellen, daß bei der Berechnung dieses Dreißigstels Fraktionsbeiträge selbstverständlich nicht berücksichtigt werden können. Wenn also jemand statt 600 nur 500 DM bekommt, weil er 100 DM Fraktionsbeitrag treu und brav abliefert, dann wird das Dreißigstel dennoch nicht aus den 500, sondern aus den 600 DM berechnet.
({23})
Eine Ordnungsmaßnahme besonderen Ranges ist der Ausschluß. Meine Damen und Herren, ich bin glücklich - und Sie sicherlich mit mir -, feststellen zu können, daß das Problem des Ausschlusses uns in der letzten Zeit nicht mehr so viel beschäftigt hat wie in früheren, der Geschichte angehörenden Tagen. Damals sind auf Grund der früheren Geschäftsordnung, .wie sie zur Stunde noch gilt, Ausschlußmaßnahmen erfolgt, die der Legalität entbehrten. Die neue Geschäftsordnung sieht eine Regelung vor, die durchaus allen möglichen Tatbeständen, die legalerweise geahndet werden können, gerecht wird. Auch hier spielt der Verlust von Tagegeldern für den Betroffenen eine große Rolle. Die Frage ist, ob das Hohe Haus dem vorliegenden Abänderungsantrag der Regierungskoalition - Umdruck Nr. 385 Ziffer 3 -, der dem Antrag des Ausschusses widerspricht, zustimmen wird oder nicht.
Bisher hat eine Regelung gefehlt, die sich auf die Ordnungsgewalt des Präsidenten gegenüber Sitzungsteilnehmern, die nicht Abgeordnete sind, und gegenüber Zuhörern bezieht. Her stellt der Entwurf ausdrücklich fest, daß die Ordnungsgewalt des Präsidenten sich auch auf die vorübergehend in diesem Saale Anwesenden erstreckt.
Es wird unausbleiblich sein, daß die Bestimmungen der neuen Geschäftsordnung eine Änderung des Diätengesetzes eben zum Nachteil der betroffenen Abgeordneten im Gefolge haben.
Als eine Kann-Bestimmung, nicht als eine Solloder gar Muß-Bestimmung finden Sie in der neuen Geschäftsordnung den Gedanken einer Ehrenordnung für das Parlament.
({24})
Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß sich eine Minderheit gegen diese Ehrenordnung zur Wehr setzt. Die Mehrheit des Ausschusses hat die Ehrenordnung als Kann-Bestimmung vorgesehen.
Recht lebhafte Debatten wird vielleicht der neue § 94 des Entwurfs - vergleichbar dem § 48 a der vorläufigen Geschäftsordnung - hervorrufen. Sie fanden in Ihren Mappen heute einen Entwurf der Regierungsparteien, der den noch in dem Abände({25})
rungsumdruck enthaltenen Entwurf zur Änderung des § 94 aufhebt. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit besonders auf diesen Entwurf lenken.
Meine Damen und Herren, ich sagte Ihnen bereits vorhin, daß die Geschäftsordnung in wichtigen Teilen noch der Fortentwicklung bedarf. In einem bisher als § 130 bezeichneten Paragraphen des Entwurfs finden Sie eine Bestimmung, wonach nach der Annahme der neuen Geschäftsordnung das Parlament innerhalb von sechs Wochen die Beschlüsse zu fassen hat, die der Ausführung dieser neuen Geschäftsordnung gelten. Es kommen hier in Frage Beschlüsse in bezug auf die Stärke der verschiedenen Ausschußarten und ein Beschluß über die Festsetzung der Mindeststärke zur Bildung einer Fraktion.
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß die Geschäftsordnung nicht ein Instrument sein solle, das oftmals abgeändert wird. Aus dem Grunde haben wir uns zu der Auffassung durchgerungen - die dann in der wenig schönen, aber immerhin nützlichen Formulierung von der Zahl, die einer Fraktionsstärke entspricht, da und dort in Erscheinung tritt -, daß die Bestimmung, welche Anzahl von Abgeordneten eine Fraktion zu bilden vermag, aus der Geschäftsordnung fernbleiben soll. Das soll ausdrücklich durch einen einfachen Beschluß des Bundestags bestimmt werden. Dazu arbeitet der Ausschuß für Geschäftsordnung demnächst zu Ihren Händen die erforderlichen Vorschläge ebenso aus wie zu der Frage der Festlegung eines Systems für die Berechnung der Stellenanteile der Fraktionen in den Ausschüssen, wie zur Anzahl und Bezeichnung der ständigen Ausschüsse, wie zur Stärke des Ältestenrats, zur Stärke und Zusammensetzung des Vorstands, zur Frage der Gruppenbildung etc. Das alles befindet sich noch in Vorbereitung und kann unabhängig von der Verabschiedung des Ihnen heute vorliegenden Entwurfs einer neuen Geschäftsordnung behandelt werden.
Zum Schluß darf ich Sie bitten, darauf zu achten, daß nach Anträgen zur Abänderung der Vorlage des Ausschusses in allen Formulierungen das Wort „Besprechung" in „Beratung" geändert werden soll.
Ich darf Sie bitten - wir haben im Ausschuß übersehen, hierzu einen Vorschlag zu machen -, einen Termin für das Inkrafttreten der neuen Geschäftsordnung zu bestimmen.
({26})
- Als Christkindchen? Ich glaube, wir könnten mit derselben Logik, Herr Kollege Mayer, sagen: heute ist Nikolausabend, schenken wir uns die Geschäftsordnung zum Nikolausabend! Aber ich glaube, es wäre vernünftig, unserem amtierenden Herrn Präsidenten die Möglichkeit zu geben. sich mit der - hoffentlich Ihre Gnade findenden - neuen Geschäftsordnung vertraut zu machen und damit festzustellen. daß nach der Annahme der Geschäftsordnung die neue Geschäftsordnung am 1. Januar 1952 in Kraft treten möge.
({27})
Das ist der Bericht, den ich Ihnen zu erstatten hatte. Ich darf darauf verzichten, das zu verlesen, was Sie ohnedies gedruckt vor sich haben. Ich würde mich freuen, wenn Sie dem Entwurf in der Einzelabstimmung Ihre Zustimmung geben wollten.
({28})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß die schriftlich vorgelegten Berichte zum Gegenstand des Stenographischen Protokolls der heutigen Sitzung gemacht werden.
Im übrigen würde ich es begrüßen, wenn, da diese Dinge j a nunmehr nach unserer Vereinbarung in den Fraktionen hinreichend erörtert und die verschiedenen Gesichtspunkte, die für die Stellung von Abänderungsanträgen maßgebend sind, zweifellos hinreichend bekannt sind, auf die umfangreiche Darlegung der gegenteiligen Standpunkte bei der Begründung der Abänderungsanträge verzichtet werden könnte.
({0})
Dann würden wir doch immerhin zeigen, daß wir geschäftsordnungsmäßig sinnvolle Arbeit leisten.
Ich darf sagen, daß ich den Vorschlag, die Geschäftsordnung am 1. Januar in Kraft treten zu lassen, begrüße, wenngleich ich auch meine, daß der Termin meinetwegen nicht hinausgeschoben zu werden braucht.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe zunächst § 1 auf. Ich bitte Sie, falls Sie Wortmeldungen haben, sich jeweils zu melden. Ich frage nicht im einzelnen, ob Wortmeldungen vorliegen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 1 ist angenommen.
Zu § 2 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor. Herr Abgeordneter Renner wünscht, ihn zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da keine Möglichkeit besteht, über diese Geschäftsordnung eine Generaldebatte zu führen,
({0})
will ich mich zur Klärung unseres Standpunktes zu einer Reihe von Fragen auf eine einzige Feststellung nur beschränken.
Im Grundgesetz Art. 40 Abs. 1 Satz 2 heißt es: Der Bundestag gibt sich eine Geschäftsordnung. Ich glaube, diese Formulierung kann nur dann als wahrhaft demokratisch angesehen werden, wenn wir stillschweigend den Zusatz einfügen, den die preußische Verfassung in ihrem Art. 29 gehabt hat: „im Rahmen der Verfassung". Ich will damit sagen, daß wir Kommunisten uns gegen jede Bestimmung der Geschäftsordnung wenden werden, die geeignet oder gar bestimmt ist, das Recht eines Abgeordneten in irgendeiner Form einzuschränken.
Nun zu § 2. Wir beantragen hier eine Streichung. Um unseren Antrag begreiflich zu machen, muß ich leider den ganzen in Frage kommenden Satz vorlesen. Es heißt da, daß der Bundestag den Präsidenten und seine Stellvertreter für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages wählt. Wir sind der Meinung, daß die Worte „für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages" zu streichen sind.
({1})
- Herr Kollege Horlacher, nehmen Sie mal Platz, ich will Ihnen das klarmachen.
({2})
Ich will nicht in die Geschichte dieses Hohen Hauses
zurückgreifen. Ich bin im allgemeinen ein fried({3})
licher Mensch und lasse Totes gerne liegen; aber ich kann mich erinnern, daß es hier im Anschluß an gewisse konkrete Dinge einmal eine Diskussion gegeben hat, deren Extrakt war, daß man den Gedanken sorgfältig erwägen solle, ob nicht etwa der Präsident und selbstverständlich auch seine Stellvertreter zu Beginn eines jeden Jahres neugewählt werden sollten.
({4})
- Ja, Herr Horlacher, daß Sie dagegen sind, ändert meine Meinung zu den Dingen zum Glück nicht.
Wir haben also einen Präsidenten, der mehr Rechte hat als unser Bundeskanzler.
({5})
- Ich kann ja eine Diskussion von zehn Stunden machen, wenn Sie wollen.
({6})
Wir haben einen Bundestagspräsidenten, der fester statuiert ist als der Herr Bundeskanzler selber; der kann nämlich innerhalb der Wahlperiode unter Einhaltung der Bestimmung des Grundgesetzes ersetzt werden, der Bundestagspräsident dagegen nicht. Es könnte meines Erachtens einmal der Fall eintreten, daß im allgemeinen Interesse die Ersetzung eines Bundestagspräsidenten vom gesamten Haus begrüßt wird. Das könnte eintreten. Ich will nicht behaupten, daß das schon einmal der Fall war.
({7})
Wir haben aber darüber hinaus sogar den Zustand, daß irgendeine Kritik an der Geschäftsführung sowohl des Herrn Bundestagspräsidenten als auch an der der Vizepräsidenten, also seiner Kollegen Präsidenten, nicht stattfinden darf.
({8}) Anläßlich eines Antrags, den wir Kommunisten einmal gestellt haben, in dem wir die Mißbilligung irgendeiner Handlung des Herrn Vizepräsidenten verlangt haben, ist hier statuiert worden, daß Kritik an einer Amtshandlung des Präsidenten oder eines Vizepräsidenten nicht gestattet ist.
({9})
- Seien Sie nur friedlich, es ist schon so spät, und es ist ja heute Nikolaus. Machen Sie nicht mehr Unfug als notwendig, sonst kommt der Nikolaus über Sie. Wir sind hier im Rheinland, und da hat er eine Rute. Es wäre manchmal sehr erwünscht, wenn sie für einige Herren von rechts in Tätigkeit wäre.
({10})
Warum nur von rechts, Herr Abgeordneter Renner?
Weil wir uns - gerichtsnotorisch - anständig benehmen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß wir es uns überlegen sollten, ob wir den Herrn Präsidenten und die Vizepräsidenten so außerhalb jeder Möglichkeit einer Kritik stellen sollten. Wir haben allerdings nach einigen Auseinandersetzungen und nach Inbewegungsetzen des Rechtsausschusses erreicht, daß man sogar einem Minister die Mißbilligung für eine bestimmte, eng umschriebene Amtshandlung aussprechen darf.
({1})
- Wenn Sie, Herr Kollege Horlacher, sagen „sehr gut", dann bitte ich Sie, Ihre Gedanken noch ein bißchen weiter anzubauen und auch zu unserer Auffassung „sehr gut" zu sagen, daß man auch einmal einem Präsidenten des Hohen Hauses für eine bestimmte Handlung die Mißbilligung ausdrücken darf.
({2})
- Schriftlich darf man das auch nicht; das wird bestenfalls im Ältestenrat begraben, Herr Dr. Horlacher. Sie haben doch Praxis, genau wie ich.
Wir haben hier also ein Präsidium, daß eherner statuiert ist als selbst der Herr Bundeskanzler und seine Minister,
({3})
ein Präsidium, das aber leider auch nur aus Menschen besteht
({4})
mit ihren oft sehr menschlichen Eigenschaften, die hier gelegentlich schon einmal sehr heftig kritisiert worden sind.
({5})
Ich bin also der Meinung, daß wir die Dinge sehr ernst nehmen sollten. Man sollte unserer Anregung stattgeben. Wir bitten Sie, damit einverstanden zu sein, daß die Worte „für die Dauer der Wahlperiode des Bundestages" gestrichen werden.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Die Position, die Achtung, die das Hohe Haus einem Präsidenten schuldig ist, ist keineswegs davon abhängig, für welche Dauer er gewählt wird. Die Achtung erwirbt sich der Präsident durch seine Amtsführung. Es ist meines Erachtens undenkbar, daß an der Amtsführung eines Präsidenten Kritik geübt wird, wenn die Amtsführung über jede Kritik erhaben ist, wenn sie also objektiv, überparteilich und sachlich ausgeübt wird.
Mit dieser Einschränkung sollte man sich begnügen und hier nicht einen Zustand statuieren, der vielleicht in einem halben Jahr von anderer Seite des Hohen Hauses als sehr unliebsam empfunden wird. Auch Präsidenten pflegen einmal einen natürlichen Abgang zu nehmen. Wollen wir unserem Präsidenten nicht zumuten, vier Jahre diese hohe Würde ausüben zu müssen, erhaben über jede Kritik, ich möchte beinahe sagen, gottähnlich.
({6})
Also dann schreiben Sie das hinein: Im nächsten Jahr treten sie ab.
Es wünscht offenbar weiter niemand, das Wort zu diesem Thema zu nehmen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der KPD zur Abänderung des Abs. 1 des § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben. - Zwei Stimmen der Fraktion der Deutschen Partei und im übrigen die Antragsteller. - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieser Antrag abgelehnt.
Meine Damen und Herren, da von der Fraktion der Deutschen Partei die Rede war, darf ich ein Schreiben bekanntgeben, das die Fraktion der Deutschen Partei mir eben zugeleitet hat:
. Ich bitte um sofortige Bekanntgabe in der heutigen Vollversammlung. Die 7 Abgeordneten der Gruppe der WAV im Bundestag haben mit dem heutigen Tage im Bundeshaus eine
({0})
Gruppe der Deutschen Partei Bayern gegründet. Diese Gruppe bedient sich der abkürzenden Bezeichnung DPB.
({1})
Die Gruppe Deutsche Partei Bayern ({2}) schließt sich in ihrer Gesamtheit der Fraktion der Deutschen Partei ({3}) an. Sie behält ihre Selbständigkeit als Gruppe.
Für die Fraktion der Deutschen Partei: Dr. Mühlenfeld.
Für die Gruppe der DeutschenPartei Bayern: Reindl.
({4})
Ich rufe auf die §§ 3, - 4, - 5 - und 6. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen §§ 3 bis 6 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 7. - Abänderungsantrag der Fraktion der KPD. - Offenbar wird keine besondere Begründung gewünscht. - Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! § 7 umreißt die Aufgaben des Präsidenten. Gegen die Absätze 1 bis 3 haben wir nichts einzuwenden. Wir sind also der Auffassung, daß dem Präsidenten die ihm darin zugestandenen Funktionen zustehen. Aber ich bitte eins zu bedenken. Neben dem Recht auf Wahl des Präsidiums und neben dem einzigen Recht des Bundestages, den Etat des Bundestages und damit auch den Personaletat aufzustellen, hat der Bundestag in dieser Frage keinerlei Rechte. Die Ernennung, die Abberufung und die Pensionierung der Beamten und Angestellten des Bundestages ist ausschließlich Sache des Bundestagspräsidenten bzw. seiner engeren Kollegen Präsidenten. Hier haben wir einen relativ großen Beamten- und Verwaltungsapparat vor uns. Wir sind der Meinung, daß es auch im Interesse des Präsidenten selber liegt, wenn er diese außerordentlich wichtigen Funktionen, die über die Unterfertigung des Aktes der Ernennung, des Aktes der Einstellung und des Aktes der Versetzung in den Ruhestand hinausgehen, einer größeren Körperschaft überträgt. Demzufolge schlagen wir vor, § 7 den Zusatz zu geben:
Die Ernennung, die Einstellung und die Versetzung in den Ruhestand von Bundestagsbeamten und nichtbeamteten Bediensteten des Bundestages bedarf der vorherigen Genehmigung durch den Vorstand des Bundestages.
Wir wollen also die Ernennung an und für sich, die Vollziehung des Aktes, nach wie vor selbstverständlich in der Hand des Präsidenten lassen; aber wir sind der Meinung, daß Ernennung, Versetzung und Entlassung selbst der vorherigen Genehmigung des Vorstandes des Bundestags bedarf, weil es doch untragbar ist, daß einer einzigen Person das Verfügungsrecht in diesen Fragen über einen relativ so großen Verwaltungskörper, eine relativ so hohe Anzahl von Beamter und Angestellten ohne jede Einschränkung vorbehalten bleibt. Oder wollen Sie den Zustand hinnehmen, daß nach jeder Änderung im Präsidium, die gleichzeitig eine Änderung der Parteizugehörigkeit des Präsidenten ist, hier im Beamtenkörper, im Verwaltungskörper eine Umschichtung auch der Beamten nach den Gesichtspunkten vorgenommen wird, die eben aus
der politischen oder parteimäßigen Einstellung des Präsidenten resultiert? Wenn man die Dinge nüchtern ansieht, muß man im Interesse des Präsidenten selber diese Einschränkung wünschen.
({0})
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 7 Abs. 4. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 7 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 7 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
§ 8, - § 9. Ich bitte die Damen und Herren, die beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Die beiden Paragraphen sind angenommen.
Überschrift des IV. Abschnitts: Fraktionen.
Zu § 10 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Wer wünscht, ihn zu begründen; oder soll er nicht begründet werden?
({0})
- Der Antrag wird zurückgezogen.
Antrag der Fraktion der KPD. - Keine Begründung, Herr Abgeordneter Renner?
({1})
- Ja eben; ich bin bei § 10, Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen unsere Meinung bekundet, daß die Geschäftsordnung keine Bestimmungen enthalten darf, die das Recht irgendeines Abgeordneten, insbesondere das ihm zustehende Initiativrecht, irgendwie beschränken oder gar aufheben.
({0})
Wir sind der Auffassung - und ich bin gehalten, diese Auffassung hier zum Ausdruck zu bringen -, daß die einzige Bindung sozusagen, die wir an den Begriff Fraktion angelegt wissen wollen, darin besteht, daß von der Zugehörigkeit zu einer Fraktion und von der Stärke dieser Fraktion die Vertretung der betreffenden Fraktion in den Ausschüssen abhängig ist. Irgendwelche andere Rechte wie etwa das Recht, Anträge zu stellen, oder das Recht der Festlegung oder der Einengung der Redezeit möchten wir mit dem Begriff Fraktion nicht in Verbindung gebracht wissen. Fraktion hat also für uns nur den einen Sinn, daß von der Stärke der Fraktion der Prozentsatz der Sitze, der der Fraktion in den Ausschüssen zusteht, abhängig ist. Alles, was darüber hinaus in Zusammenhang mit dem Begriff Fraktion in dieser Geschäftsordnung enthalten ist, lehnen wir ab.
Herr Abgeordneter Reismann wünscht, den Abänderungsantrag des Zentrums zu begründen, der wörtlich mit dem Antrag der kommunistischen Fraktion übereinstimmt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zentrum ist der Ansicht, daß § 10 sich mit dem Grundsatz der Gleichheit der Rechte der Abgeordneten nicht verträgt. Eine ungleichmäßige Behandlung, je nachdem, ob Abgeordnete zu dieser oder einer anderen Partei - zur gleichen Partei oder nicht - gehören, ist nicht zulässig. Wir müssen darauf aufmerksam machen, daß mit der Ungültigerklärung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof zu rechnen ist. Deswegen haben wir vorgeschlagen, die alte Fassung der vorläufigen Geschäftsordnung, die auch in der Geschäftsordnung des Reichstags gegolten hat, wiederherzustellen. Unser Antrag geht also dahin, im ersten Satz den letzten Halbsatz, nämlich die Worte „die der gleichen Partei angehören", und vom ersten Absatz den dritten und den letzten Satz zu streichen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend die Fassung des § 10 Abs. 1 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist ,abgelehnt.
Damit erledigt sich der wörtlich übereinstimmende Antrag des Zentrums.
Ich lasse dann über den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD zu Abs. 3 und zu Abs. 4 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag der Fraktion der KPD zu Abs. 3 und zu Abs. 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Anträge sind mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 10 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe § 11 und § 12 auf. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; die beiden Paragraphen sind angenommen.
Zu § 13 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor.
({0})
- Ohne Begründung! Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 13 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich darf dann gleich Überschrift Abschnitt V, -§ 13, - § 14, - § 15 -, Überschrift Abschnitt VI - und § 16 aufrufen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen und Überschriften der Abschnitte zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; die Paragraphen und die Überschriften sind angenommen.
Zu § 17 hat die Fraktion der SPD beantragt, das Wort „anwesenden" zu streichen.
({1})
- Es liegt ein neuer Ausschußantrag vor, der Antrag der SPD ist praktisch erledigt.
({2})
Ich rufe also auf § 17, - § 18, - § 19 - dazu liegt
der Ausschußantrag vor, § 19 Abs. 2 zu streichen -, - § 20. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 21 liegen zwei Abänderungsanträge vor; zunächst der Antrag der Fraktion der KPD zu Abs. 1. Soll er begründet werden?
({3})
- Bitte, Herr Abgeordneter Renner!
Wir haben in unserem Antrag verlangt, in § 21 den Satz zu streichen:
Jedoch ist die Einsichtnahme in persönliche Akten, die beim Bundestag über Abgeordnete geführt werden, nur mit Genehmigung des Präsidenten zulässig.
Der Herr Vorsitzende des Ausschusses hat selber eine sehr bezeichnende Einschränkung gemacht. Er hat nämlich gesagt, er könnte sich nicht gut vorstellen, daß derartige persönliche Akten bei dem Herrn Präsidenten überhaupt vorlägen. Er hat an einen Begriff des vorrevolutionären und späteren kaiserlichen Frankreichs, an die berüchtigten Dossiers erinnert. Ich frage Sie in allem Ernst: Können Sie sich vorstellen, daß unser Präsident über Bundestagsabgeordnete Akten führt? Können Sie sich das vorstellen? Was bei dem Herrn Bundestagspräsidenten vorliegen darf - normalerweise -, sind Quittungen Ober verrechnete Diäten oder Entschuldigungen im Fall von Erkrankungen oder Anträge auf Beurlaubung.
({0})
- Diese Anträge können auch bei ihm eingehen.
Das sind aber Kassenangelegenheiten, Herr Kunze.
({1})
Was ich mit meinen Diäten mache, Herr Kunze, das ist meine ureigenste Angelegenheit.
({2})
Wenn ich mit meinen Diäten - hören Sie gut zu, Herr Kunze - z. B. meine legitimen oder illegitimen, ehelichen oder außerehelichen Bedürfnisse, falls vorhanden, finanziere,
({3})
geht das Sie nichts an, auch keinen Minister.
({4})
Und wenn ich - doch, Herr Kunze! - mit meinen Diäten mir etwa in Südwestfalen zu meiner Wohnung in Essen noch eine Sommerwohnung baue,
({5})
und wenn ich diese Sommerwohnung, mit reichlich Zimmern ausgestattet, gegen das zuständige Wohnungsamt, das mir da Ostflüchtlinge hineinsetzen will, verteidige mit der Begründung, ich brauche diese zusätzlichen Wohnräume, um gelegentlich höhere englische Offiziere zu empfangen,
({6})
falls ich das für mich geltend machen würde, wäre das in dem Fall meine Angelegenheit
({7})
und nicht die Angelegenheit des Herrn Kunze oder irgendeines Herrn Innenministers.
({8})
So liegen die Dinge.
Also, Herr Kunze, was wir übrigens mit unseren Fraktionsgeldern machen; ist gar kein
({9})
Staatsgeheimnis. Das weiß ja der Herr Lehr, das weiß das Hohe Haus. Hier hat der Herr Berichterstatter, nicht ohne Absicht, wie ich meine, auch von einer Abgabe von Teilbeträgen der Diäten gesprochen; er hat die Summe von 100 DM genannt.
({10})
Wenn ich von meinen Diäten 90 % an meine Partei gebe, geht das auch keinen einen Dreck an.
Doch zurück zum Thema! Sind Sie wirklich der Auffassung, Herr Kunze, daß der Herr Präsident über irgendeinen Abgeordneten Akten zu führen berechtigt oder überhaupt verpflichtet ist? Worüber hat er denn Akten zu führen, etwa über unser gutes Benehmen, etwa außerhalb des Hauses, in unserer Parteiarbeit? Diese Akten liegen ja beim Herrn Innenminister.
({11})
Hat der Herr Präsident des Bundestages, der doch keine andere Aufgabe hat als die, die Rechte der Abgeordneten, auch gegen die Regierung, zu verteidigen, eine Veranlassung, auch derartige Akten anzulegen oder sie gar mit dem Herrn Innenminister auszutauschen? Ich unterstelle ihm das gar nicht einmal. Warum also muß dieser Satz in der Geschäftsordnung stehen?
({12})
- Ja, ich habe Ihre Erklärung im Ausschuß gehört, und diese Erklärung ist nicht befriedigend. Wenn dahinter nicht mehr steckt, als was Sie im Ausschuß gesagt haben, dann streichen Sie doch diesen Satz! Dann ist damit klargestellt, daß bei unserem Präsidenten keine persönlichen Akten eines Abgeordneten liegen dürfen.
Meine Damen und Herren, gehen Sie ruhig und nüchtern an die Dinge heran. Die derzeitige Entwicklung kennen Sie. Was kommen kann, kennen Sie nicht.
({13})
Bei diesem Innenminister ist eine Entwicklung über den derzeitigen Stand in absolut faschistische Zustände durchaus möglich.
({14})
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben mich eben dauernd angesprochen. Ich muß natürlich irgendwelche Akten haben, wo ich die Schriftstücke, die unter der Verantwortung von Bundestagsabgeordneten verschickt werden, unterbringe.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer.
Mayer -({1}) ({2}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde sind im Gegensatz zu Herrn Renner über den Inhalt der etwa vorhandenen persönlichen Akten nicht besorgt. Aber deswegen komme ich nicht hierauf. Ich will
Ihnen begründen, warum wir einen Abänderungsantrag zu § 21 gestellt haben.
({3})
- Möchten Sie zur Abwechslung nicht mal ein bißchen still sein?
Unser Abänderungsantrag bezweckt nichts anderes als die Wiederherstellung der ersten Ausschußvorlage, und zwar nicht deswegen, weil wir möchten, wie der Herr Vorsitzende Ritzel vermutet hat, daß der Abgeordnete schlechter gestellt wird als der andere Staatsbürger, sondern weil wir verhindern möchten, Herr Kollege Ritzel, daß der Abgeordnete besser gestellt wird. Wir wollen nämlich, indem wir den vom Ausschuß angefügten Satz gestrichen haben möchten, verhindern, daß etwa ein Abgeordneter in die Möglichkeit versetzt werden könnte, in Ermittlungsakten in Immunitätsangelegenheiten, die hier an das Hohe Haus kommen und die hier lagern, Einsicht zu nehmen. Diese Möglichkeit hat nämlich kein anderer Staatsbürger; die hat auch kein Verteidiger.
Herr Abgeordneter Sassnick wünscht als Berichterstatter das Wort zu nehmen.
Sassnick ({0}), Mitberichterstatter*): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter habe ich zu § 21 der Geschäftsordnung das Hohe Haus zu bitten, die Ausschußfassung beizubehalten. In der Ausschußfassung heißt es:
In Akten, die ihn also den Abgeordneten persönlich betreffen, hat jeder Abgeordnete jederzeit das Recht zur Einsicht.
Der Ihnen vorgelegte Antrag der Regierungskoalition eröffnet gewisse gefährliche Aussichten. Es wäre interessant festzustellen. seit wann überhaupt beim Deutschen Bundestag Akten über Abgeordnete geführt werden,
({1})
und warum sollen in diesem Falle Abgeordnete
ein minderes Recht haben als Beamte einer Behörde, die jederzeit die Möglichkeit haben, ihre
Personalakten einzusehen! Das Hohe Haus sollte
sich entschieden dagegen verwahren, daß hier Angebereien von draußen Tür und Tor geöffnet wird
({2})
und daß dem Abgeordneten dann, wenn er sich zur Wehr setzen will, versagt werden kann, das gegen ihn angesammeltes Material kennenzulernen. Soweit kann die Macht keines Präsidenten eines Parlamentes gehen,
({3})
und man sollte ihn nicht durch Annahme des Antrages der Regierungskoalition in die Gefahr von Gewissenskonflikten bringen.
({4})
Meine Damen und Herren, es lag noch eine Wortmeldung dazwischen; ich weiß nicht, wer es war. Herr Abgeordneter Dr. Reismann, dann Herr Abgeordneter Ewers. - Verzeihung, Herr Abgeordneter Arnholz hatte sich schon vorher gemeldet. Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte das in diesem Augenblick übersehen.
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage 1 S. 7442 A und Anlage 2 S. 7462 A.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist das verbriefte Recht jedes Beamten, in seine Personalakten und Nachweisungen Einsicht zu nehmen.
({0})
- Wenn Sie das wissen, ist es ja gut. Dann hoffe ich, daß Sie nachher entsprechend abstimmen werden. - Dieses Recht ist in der Weimarer Verfassung zum erstenmal ausdrücklich festgelegt worden. Wenn wir dem Abgeordneten dieses Recht nicht zubilligen wollen, fallen wir in die Verhältnisse der Zeit vor 1918 zurück, d. h. in den Zustand des Obrigkeitsstaates. Es würde nach meiner Meinung unmöglich sein, den Abgeordneten in seinen Rechten schlechter zu stellen als jeden Beamten, und ich bin darüber hinaus der Meinung, daß das vor allem auch nicht der Würde dieses Hauses entsprechen würde.
Ich bitte daher, entsprechend dem Antrag des Ausschusses zu beschließen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers. Nein, Verzeihung, jetzt Herr Abgeordneter Dr. Reismann! Ich bitte um Entschuldigung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war etwas überrascht, soeben zu hören, daß der Gedanke auftaucht, man könne den Präsidenten und den Deutschen Bundestag als Instrument in einem Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete benutzen.
({0})
So ungefähr wäre das denn doch, wenn hier solche Akten geführt würden, und wenn irgendwo etwas vorliegt, was einen Abgeordneten betrifft, was dieser selber aber nicht erfahren darf. Dann mag man die Akten gefälligst nicht hierherschicken und im Bundestag nicht davon reden!
Ich mache aber darauf aufmerksam, daß man auch von einer falschen Grundlage ausgeht, wenn man glaubt, der Abgeordnete sei besser gestellt als jeder andere Beschuldigte. In jedem Strafverfahren, in jedem Ermittlungsverfahren hat der Angeklagte, soweit er dadurch nicht die Ermittlungen stört, das Recht, sich durch seinen Verteidiger über den Inhalt der Akten zu orientieren. Man könnte also höchstens sagen, daß der Abgeordnete hier einem Verteidiger gleichgestellt würde, wenn er in seine Akten einzusehen und sich darüber zu orientieren wünscht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn mit dem von der SPD im Ausschuß gestellten Antrag, in welchem es heißt:
In Akten, die ihn persönlich betreffen, hat jeder Abgeordnete jederzeit das Recht der Einsicht
- nebenbei bemerkt, kein mustergültiges Deutsch -, die vom Bundestag geführten Akten gemeint sind, so ist dagegen meines Erachtens überhaupt nichts einzuwenden. Dann möchte ich aber bitten, zu sagen: in Akten des Bundestages, die über ihn persönlich geführt werden. Dann ist es klar.
Der Verdacht besteht, daß damit die Ermittlungsakten gemeint sein sollen, die natürlich den Abgeordneten persönlich „betreffen", dessen Immunität aufgehoben werden soll. Diese Akten sind solche, wie sie im ersten Satz von § 21 erwähnt sind, nämlich Akten, die sich in Verwahrung des Bundestages oder eines seiner Ausschüsse befinden, die also nicht vom Bundestag geführt werden, sondern die nur vorübergehend, d. h. bis zur Regelung der Immunitätsfrage, hier im Bundestag liegen. Bei diesen Akten handelt es sich in der überwiegenden Zahl der Fälle um Verkehrsdelikte. Es ist nicht wichtig, ob der Abgeordnete darin Einsicht bekommt; die Sachlage wird ihm meistens von A bis Z bekannt sein.
Aber es gibt auch andere Akten. Es gibt schwerwiegende Akten, die normalerweise in einem ganz besonders frühen Stadium hierherkommen, nämlich ehe die Ermittlungen aufgenommen worden sind, weil die Ermittlungen ja nicht ohne die Immunitätsaufhebung aufgenommen werden dürfen. In solche Akten aber, Herr Dr. Reismann, hat kein Beschuldigter und hat kein Anwalt auf der ganzen Welt Einsicht!
({0})
Der Anwalt hat das Recht auf Akteneinsicht erst, wenn die Anklage erhoben ist, keinen Tag früher. Vielleicht kann ein freundlicher Staatsanwalt ihm in einer Privatunterhaltung einmal eine Mitteilung machen, soweit er das mit seiner beruflichen Verpflichtung vereinbaren kann. Aber der Beschuldigte selbst hat auch nach der Anklageerhebung, auch in der Hauptverhandlung niemals das Recht auf Akteneinsicht.
({1})
- Das haben Sie gesagt, wörtlich! Da es sich hier bei dem Beschuldigten in der Regel nicht um einen Anwalt handelt, würde also, wenn Akten gemeint sein sollten, die einen Abgeordneten betreffen, damit eine Prärogative des Abgeordneten geschaffen werden, die mit einer geordneten Rechtspflege schlechthin unvereinbar ist. Wir brauchen diese Frage heute nicht erschöpfend zu behandeln, aber ich sage ganz offen: ich werde im Geschäftsordnungsausschuß den Antrag stellen, der Bundestag solle gemäß § 130 der Geschäftsordnung einen Beschluß fassen, wonach alle Ermittlungs- und Immunitätsakten, die von Staatsanwaltschaften zum Bundestag gelangen, als vertraulich bezeichnet werden. Damit ist diese Frage dann erledigt.
Ich bitte nur, daß die Herren in ihren Antrag hineinschreiben - das beantrage ich vorsorglich ausdrücklich-: in Akten „des Bundestages". Denn darin gebe ich Ihnen völlig recht: daß hier irgendwelche Akten, z. B. die Akten wegen der Aufwandsentschädigung, geführt werden, in die der Abgeordnete nicht ohne weiteres selbst Einsicht nehmen kann, halte auch ich für schlechterdings unmöglich. Deshalb bitte ich, die Worte „des Bundestags" hineinzusetzen. Dann ist gegen den Zusatz überhaupt nichts mehr einzuwenden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich darauf hinweisen, daß offensichtlich auch Irrtümer im Hohen Hause in bezug auf die Einsichtnahme in persönliche
({0})
Akten über andere Abgeordnete bestehen. Es heißt hier im vorletzten Absatz der Drucksache zu der Hauptdrucksache Nr. 2550:
Jedoch ist die Einsichtnahme in persönliche Akten, die beim Bundestag über Abgeordnete geführt werden, nur mit Genehmigung des Präsidenten zulässig.
Damit ist gemeint, daß also nicht der Abgeordnete X zu einem Büro des Bundestages gehen und von ihm verlangen kann, daß ihm Einblick in irgendwelche Schriftstücke über den Abgeordneten Y gegeben wird. Ich glaube, das ist an sich klar.
Nun sieht der Antrag der drei antragstellenden Fraktionen vor, den letzten Satz, der hier umkämpft ist, zu streichen:
In Akten, die ihn persönlich betreffen, hat jeder Abgeordnete jederzeit das Recht der Einsicht.
Es ist selbstverständlich durchaus möglich, so zu verfahren, wie Herr Kollege Ewers meint, daß in Ausführung des § 130 des vorliegenden Entwurfs eine Vorlage an das Hohe Haus gelangt, in der gesagt wird, daß die Einsicht in die Immunitätsakten damit verwehrt wird. Dazu ist lediglich festzustellen, daß das dann ein neuer Rechtszustand wäre, der bisher nicht bestanden hat.
({1})
Ehe man nun das Kind mit dem Bade ausschüttet, darf ich unter Bezugnahme auf das, was ich vorhin schon gesagt habe, doch ergebenst darauf aufmerksam machen, daß der Abgeordnete in bezug auf die Aufführung des Tagesordnungspunktes „Freigabe der Strafverfolgung", „Aufhebung der Immunität des Abgeordneten XY", oder wie immer man es nennen mag, schlechter gestellt ist als jeder andere Staatsbürger. Ich könnte Ihnen Namen von Kollegen aus diesem Hohen Hause und auch aus den Kreisen der Antragsteller nennen, die wegen der Wirkung auf die Öffentlichkeit durchaus mit Recht besorgt darum waren, daß man auf Grund einer Anschuldigung, die nicht verfolgt werden kann, solange die Immunität nicht aufgehoben wird, auf der Tagesordnung des Bundestags plötzlich der Punkt erscheint: „Aufhebung der Immunität des Abgeordneten XY". Wenn der Abgeordnete nicht wie bisher, wie wohl auch im alten Reichstag und auch in anderen Landesparlamenten, die Möglichkeit hat, einigermaßen informiert zu werden, dann steht er auch in diesem Fall erheblich schlechter als andere gewöhnliche Staatsbürger, die nicht so sehr der Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht werden, weil sie keine Immunität, auch im Interesse des Hauses, dem sie angehören, zu beachten haben. Ich glaube, es wird gut sein, diese Dinge in aller Ruhe zu überdenken und in der Zwischenzeit zu verabschieden; sie können dann ja auf Grund des § 130 nach dem Vorschlag des Herrn Kollegen Ewers eingeschränkt werden. Ich schlage also vor, in der Zwischenzeit die Fassung zu verabschieden, die hier in der Abänderungsdrucksache vorliegt.
Das Wort hat der Abgeordnete Mayer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für uns ist das Recht der Abgeordneten, in die hier über ihn geführten Akten, Diätenabrechnungen usw. Einblick zu nehmen, genau so selbstverständlich wie für Sie. Wir sind deshalb damit einverstanden, daß der Satz stehenbleibt, wenn er gemäß dem Vorschlag unseres Kollegen Ewers ergänzt wird:
In Akten des Bundestags, die ihn persönlich betreffen, hat jeder Abgeordnete jederzeit das Recht der Einsicht.
({0})
Aber vielleicht ermächtigen Sie uns, in der Schlußfassung das schlechte Deutsch zu ändern.
Das Wort hat der Abgeordnete Gengler.
Ich möchte nur bemerken, daß die Bestimmung, wie sie in der ersten Ausschußberatung festgestellt worden ist und wie wir sie in unserem Antrag zu § 21 Abs. 1 wiedergegeben haben, im Kern nichts anderes ist als die Bestimmung des alten Deutschen Reichstags, und zwar in ihrem Wortlaut. Diese Bestimmung hat, wie Herr Präsident Löbe wohl bezeugen kann, im alten Deutschen Reichstag niemals zu irgendeiner Beanstandung geführt. Im übrigen bin ich der Meinung, daß ein Vergleich der Bundestagsabgeordneten mit den Beamten völlig unmöglich ist.
({0})
Personalakten im Sinne des Beamtengesetzes werden meines Erachtens beim Bundestag überhaupt nicht geführt, und deswegen ist eine Bestimmung über die Einsichtnahme in Personalakten überhaupt nicht erforderlich.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte feststellen, daß Herr Kollege Gengler im Irrtum ist. Jedes Schriftstück, das der Abgeordnete selber an den Herrn Präsidenten schickt, wird ein Teil der Akten des Bundestags und betrifft den betreffenden Abgeordneten persönlich. Wenn z. B. die Immunität eines Abgeordneten wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung aufgehoben und die Strafverfolgung durchgeführt wird und er dem Herrn Präsidenten nachher mitteilt, daß das Gericht das Verfahren eingestellt habe, dann ist diese Mitteilung ein Teil der Akten des Bundestags, die ihn persönlich betreffen, und gehört damit zu den Personalakten - oder man sagt hier wohl besser: Personalnachweisungen. Auch die Kassenabrechnungen sind Teil der Personalnachweisungen; man bezeichnet sie in der Verwaltung als Kassenakten. Aber sie gehören zu dem, was der Abgeordnete einsehen darf. Infolgedessen sind Sie im Irrtum.
Ich will auch gar nicht verlangen, daß Sie das mit den Akten der Beamten gleichstellen. Aber warum soll man es nicht vergleichen? Wenn Sie das nicht wollen, - schön! Daß aber der Abgeordnete nicht schlechter gestellt wird als der Beamte, darauf kommt es uns an; darauf hat der Abgeordnete einen Anspruch. Sonst wäre es ein Rückfall in den Obrigkeitsstaat. - - Na selbstverständlich, Herr Kollege! Schütteln Sie nicht den Kopf! Es ist tatsächlich so. Erst 1919 ist den Beamten dieses Recht zugebilligt worden. Früher hatten sie es nicht. Es ist ausdrücklich festgelegt worden, weil wir jene obrigkeitsstaatliche Regelung nicht mehr haben wollten. Ich sehe nicht ein,
({0})
warum wir nun in die Zeit vor 1918 zurückgehen sollten. Es müßte also so beschlossen werden, wie es der Ausschuß vorschlägt. - Außerdem wird noch ein weiterer Antrag zu stellen sein. Ich hoffe, daß er inzwischen zu dem vorletzten Satz formuliert worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich finde in § 21 Abs. 1 eine gewisse Schwäche, und zwar in dem vorletzten Satz:
Jedoch ist die Einsichtnahme in persönliche Akten, die beim Bundestag über Abgeordnete geführt werden, nur mit Genehmigung des Präsidenten zulässig.
Es scheint mir, daß keiner von uns in diesem Saal sich etwa zum Präsidenten des Hauses in einem Verhältnis befindet wie der Beamte zu dem Leiter seiner Dienststelle.
({0})
Ich glaube, das sollten wir doch einmal klarstellen. Es ist also nicht möglich, daß der Herr Präsident, ohne den Abgeordneten vorher gefragt zu haben, jemand anderem Einsicht in die Akten des Bundestags gibt, die den Abgeordneten betreffen. Es ist ein ganz anderes Verhältnis als das des Beamten zum Leiter seiner Dienststelle. Auch hier besteht, glaube ich, die Übung - ich weiß es nicht gewiß -, daß der Beamte immerhin gefragt wird. Denn es ist schließlich nicht eine leichte Sache, jemandem Einsicht in Akten zu geben, die einen anderen betreffen. Hier sollten wir uns als Abgeordnete gegen Verfügungen des Präsidenten sichern - wer immer er sein mag -, die nicht im Einverständnis mit dem Abgeordneten, den es angeht, getroffen werden. Ich glaube, man könnte es folgendermaßen fassen:
Jedoch ist die Einsichtnahme in persönliche Akten, die beim Bundestag über Abgeordnete geführt werden, nur mit Genehmigung des Präsidenten und nach vorheriger Zustimmung des betroffenen Abgeordneten
- oder in einer ähnlichen Formulierung - zulässig.
Meine Damen und Herren, es scheinen mir einige neue Gesichtspunkte aufgetaucht zu sein. Darf ich Ihnen den Vorschlag machen, die Beschlußfassung über § 21 zurückzustellen. Vielleicht gibt es inzwischen eine Möglichkeit, eine Formulierung zu finden, die den verschiedenen Ansichten Rechnung trägt. Ist das eine Möglichkeit, Herr Abgeordneter Ritzel?
({0})
Ich glaube, die Standpunkte haben sich inzwischen so genähert, daß man das vielleicht zustande bringt. Ich darf also zunächst die Beschlußfassung über diesen Paragraphen aussetzen und § 22 aufrufen.
Meine Damen und Herren, es war im Ältestenrat vorgesehen, daß eine Debatte über die Anträge zu diesem Paragraphen nicht stattfinden sollte. Ist das die gemeinsame Überzeugung des Hauses? - Offenbar! Ich komme also zur Abstimmung über die Anträge der SPD und der KPD, die gemeinsam lauten:
§ 22 ist zu streichen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
Enthaltungen? ({2})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner! Wir sind zwar in der Abstimmung, Aber wir wollen es uns erleichtern, wenn wir über die Geschäftsordnung reden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte jedenfalls aus der Einigung, zu der man im Ältestenrat gekommen ist, den Eindruck, daß über die Sache selber heute nicht entschieden werden soll. Denn wie kann man auf eine Begründung verzichten, wenn nachher doch abgestimmt werden soll, nachdem der Herr Berichterstatter selber die Schwierigkeiten, die im Zusammenhang mit diesem Paragraphen bestehen, angedeutet hat! Ich bitte also, nachdem jetzt abgestimmt wurde, entweder zu genehmigen, daß zur Sache diskutiert wird, oder ich bitte, diese Abstimmung als nicht geschehen anzusehen. Sonst muß man diskutieren; denn man muß Ihnen doch etwas sagen, wenn Sie etwas wie eine Ehrenordnung schiffen wollen, zumal man ja über den Begriff der Ehre sehr differenzierte Auffassungen haben kann!
({0})
Ich bin dieser Meinung und stelle deshalb den Antrag. Aus der Absprache im Ältestenrat konnte man nicht entnehmen, daß heute abgestimmt werden soll.
Präsident. Dr. Ehlers: Meine Damen und Herren, es ist im Ältestenrat nicht vereinbart worden, daß nicht abgestimmt werden soll. Es ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß eine Debatte über diese Frage nicht stattfinden sollte. Es liegen ein Ausschußantrag und Änderungsanträge, nämlich Streichungsanträge, vor. Darüber muß abgestimmt werden.
Herr Abgeordneter Renner hat entgegen der Geschäftsordnung während der Abstimmung das Wort zur Geschäftsordnung bekommen. Das Ergebnis der Abstimmung war zweifelhaft. Ich darf die Abstimmung daher wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Anträge der SPD und der KPD, die übereinstimmen, sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Sitzungsvorstand ist übereinstimmend der Auffassung, daß das zweite die Mehrheit war. Der Streichungsantrag ist ab. gelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 22 - eine formelle Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 22 in der Ausschußfassung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist die gleiche Mehrheit.
({1})
Damit ist § 22 angenommen.
Ich rufe § 23 auf sowie die Überschrift des Abschnitts VII. Ich bitte die Damen und Herren, die § 23 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
({2})
Zu § 24 liegt ein Antrag der Fraktion der SPD vor. Soll er begründet werden?
({3})
- Das ist die wörtlich als Ausschußbeschluß vorgelegte letzte Fassung. Ich kann also gleichzeitig § 25 und § 26 aufrufen.
({4})
Zu § 26 liegen Änderungsanträge vor. Ich rufe
also zunächst nur § 25 auf und bringe die §§ 24 und 25 zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Die beiden Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe § 26 auf. Dazu liegen Änderungsanträge vor. Ich bitte Herrn Abgeordneten Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Verständigung mit verschiedenen Mitgliedern unseres Ausschusses möchte ich - vor allem auch für das Protokoll der Sitzung - hier eine kurze Feststellung zu dem § 26 Abs. 4 und entsprechend auch in einer vergleichenden und kritischen Weise zu dem § 30 Abs: 2 und dem § 75 Abs. 3 treffen. Die Dinge stehen in einem gewissen inneren Zusammenhang. Ich bitte Sie, mir zu gestatten, daß ich dazu kurz folgendes sage: Ich betrachte die Dinge zunächst einmal vom Standpunkt der Wahrung der Minderheitenrechte und dann vom Standpunkt der Mehrheit, die dieser Minderheit gegenübersteht.
§ 26 Abs. 4. Steht ein Gegenstand auf der beschlossenen Tagesordnung, so kann der Bundestag nach dem jetzt vorliegenden Entwurf die Absetzung des Punktes von der Tagesordnung nur dann beschließen, wenn nicht 30 Abgeordnete widersprechen. Ursprünglich lag hierzu ein sozialdemokratischer Antrag vor: ,,... wenn nicht der Antragsteller widerspricht." Dieser Antrag wurde zurückgezogen zugunsten des Antrages: ,,... wenn nicht 30 anwesende Mitglieder widersprechen." Das Recht der Minderheit ist somit einmal dadurch gegeben, daß jeder Abgeordnete den Antrag auf Absetzung stellen kann, und zum anderen dadurch, daß 30 Ab, geordnete durch ihren Widerspruch eine Absetzung von der Tagesordnung verhindern können. Das bezieht sich auf einen Punkt, der auf der Tagesordnung steht.
Nun kommt die Regelung, die im § 30 enthalten ist. Ich greife hier zwangsläufig etwas vor, das vereinfacht aber nachher die Abstimmung. Nach dieser Vorschrift können 30 Abgeordnete nach Eintritt in die Beratung eines Gegenstandes den Antrag auf Vertagung oder Schluß der Besprechung stellen. Die Vertagung selbst bedarf dann jedoch eines Beschlusses, d. h. die Mehrheit des Bundestages muß ihr zustimmen.
Zu § 75 Abs. 3 ist festzustellen: so viel Abgeordnete, wie einer Fraktionsstärke entspricht, können einen selbständigen Antrag auf Vertagung der Beratung einbringen - vergleiche § 95 -, der zugleich mit dem Gegenstand, zu dem die Vertagung beantragt wird, gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen muß. In diesem Fall muß zunächst in die Beratung über den Vertagungsantrag eingetreten und über diesen Antrag abgestimmt werden. Erst wenn der Antrag auf Vertagung abgelehnt worden ist, kann in die Beratung ' des Gegenstandes, zu dem die Vertagung beantragt worden war, eingetreten werden.
Das ist jener Teil, der sich auf die Wahrung der Rechte der Minderheiten bei Behandlung von Tagesordnungspunkten bezieht.
Vom Standpunkt der Mehrheit aus ist dazu folgendes zu sagen. Zunächst zu § 26 Abs. 4. Jeder Gegenstand wird vom Präsidenten in der Regel im Einvernehmen mit dem Ältestenrat auf den Entwurf der Tagesordnung gesetzt. Wenn von einem Abgeordneten nach Festsetzung der Tagesordnung die Absetzung eines Gegenstandes beantragt wird, dann kann eine Minderheit von 30 Abgeordneten diese Absetzung von der Tagesordnung verhindern.
Zu § 30 Abs. 2. Die Mehrheit des Bundestages kann. nach Eintritt in die Beratung eines Gegenstandes, nachdem von 30 Mitgliedern unterstützt der geschäftsordnungsmäßige Antrag eingebracht ist, die Vertagung der Beratung dieses Gegenstandes beschließen.
Zu § 75 Abs. 3. Wird zu einem Gegenstand der Tagesordnung durch selbständigen Antrag die Vertagung der Beratung beantragt, so ist die Behandlung dieses Vertagungsantrages nur möglich, wenn er gedruckt vorliegt und auf der Tagesordnung steht. Wird dieser Vertagungsantrag abgelehnt, dann ist in die Beratung des Hauptgegenstandes einzutreten.
Zu § 26 ist jetzt also die Frage zu entscheiden: Soll ein auf der Tagesordnung stehender Antrag nur abgesetzt werden können, wenn eine Mehrheit es kurzerhand beschließt, oder soll die Absetzung verhindert werden, wenn 30 Mitglieder widersprechen? Das letztere ist der Ausdruck des Minderheitenrechts, das sich wie ein roter Faden durch unsere Geschäftsordnung hindurchzieht.
Das Wort hat der Abgeordnete Gengler.
Der Antrag zu § 26 Abs. 4, der seitens der Regierungsparteien gestellt worden ist, will im wesentlichen das festhalten, was bisher Übung in diesem Hause gewesen ist. Es hat sich in diesen mehr als zwei Jahren kein Fall zugetragen, in dem die bisherige Praxis zu einer Mißachtung - kann man sagen - der Minderheit geführt hat.
({0})
Wir sind der Meinung, daß die Einschaltung, wie sie in der letzten Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses, in der Nachberatung gefaßt worden ist, nicht zweckentsprechend ist. Dadurch ist die Angelegenheit auch sehr kompliziert geworden. Die Darlegungen, die eben der Herr Abgeordnete Ritzel gemacht hat, zeigen Ihnen schon den Unterschied, nämlich einmal die Frage: vor Genehmigung der Tagesordnung, dann die Frage: nach Genehmigung der Tagesordnung. Hier ist ein wesentlicher Unterschied gemacht worden. Unser Antrag will also lediglich eine Vereinfachung und Klarheit, eine einheitliche Fassung im Rahmen der bisherigen Praxis.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat hängen die Paragraphen, zu denen Herr Kollege Ritzel gesprochen hat, miteinander zusammen. Das Problem zieht sich durch alle drei hindurch. Aber im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Ritzel, bin ich der Auffassung, daß man das, was darin gesagt ist, nicht als einen echten
({0})
Minderheitsschutz betrachten kann. Wir sind der Auffassung, daß ein fristgerecht eingereichter Antrag, dessen Aufnahme in die Tagesordnung im Ältestenrat beschlossen ist und der dem Bundestag auf der gedruckten Tagesordnung vorgelegt wird, unter allen Umständen behandelt werden muß. In der Aussprache im zuständigen Ausschuß ging ja der Streit mehr nach der Richtung, ob eine Absetzung möglich sein soll, bevor man dem Antragsteller das Wort gibt, oder, nachdem der Antragsteller das Wort zur Begründung gehabt hat. Darum geht es uns mit unserem Antrag.
Wir wollen von vornherein verhindern, daß ein ordnungsmäßig auf die Tagesordnung gesetzter Punkt durch irgendeine Manipulation eines einzelnen, einer. Minderheit oder der Mehrheit des Bundestags abgesetzt werden kann. Wir wollen in der Hauptsache sichern, daß ein auf der Tagesordnung stehender Punkt vom Präsidenten aufgerufen werden muß und daß man dem Vertreter der Fraktion oder dem Abgeordneten, der den Antrag stellt, zumindest Gelegenheit geben muß, seinen Antrag oder den Antrag seiner Gruppe oder seiner Fraktion zu begründen. Darum bin ich auch der Meinung, daß die Bestimmung in § 30 Abs. 2, daß der Bundestag, falls 30 anwesende Abgeordnete es fordern, die Besprechung abbrechen oder schließen kann, gestrichen werden muß.
Und nun zum § 75. - Sie erlauben, daß ich auch dazu das Wort nehme.
Er ist zwar noch nicht aufgerufen - Renner ({0}): Ja, aber der Herr Kollege hat auch dazu Stellung genommen. Die Dinge hängen zusammen.
Es ist mir klar, daß sie zusammenhängen.
Ich fange jetzt damit an und will mir nachher ersparen, noch einmal dazu zu sprechen. - Im § 75 geht es uns darum, daß folgendes beseitigt wird. Es heißt dort in Abs. 3:
Der Bundestag kann beschließen, die Beratung eines Gegenstandes bis zu vier Wochen auszusetzen. Eine weitere Aussetzung der Beratung ist nur mit Zustimmung der Antragsteller möglich.
Daß der Antrag gedruckt vorliegen muß usw., hat ja der Herr Kollege Ritzel schon vorgetragen; das wurde uns im zuständigen Ausschuß sogar schon als Minderheitsschutz präsentiert. Ich bin der Meinung, daß das das Gegenteil eines Minderheitsschutzes ist. Ein auf der Tagesordnung stehender regulärer Antrag muß an dem Tag behandelt werden, an dem er auf der Tagesordnung steht. Auch schon nur die Möglichkeit zu eröffnen, daß durch einen Beschluß die Beratung oder gar die Entscheidung über den Antrag auf die Dauer von 4 Wochen sogar hinausgezögert werden kann, das hat doch mit Demokratie nichts mehr zu tun. Das muß man mir doch zugeben! Darum haben wir beantragt, diesen Absatz in § 75 zu streichen. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Anträgen stattzugeben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, der weitestgehende Antrag ist der der Fraktion der KPD, im Abs. 4 die Worte: „Der Bundestag kann
einen Gegenstand von der Tagesordnung absetzen" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der Antragsteller ist dieser Antrag abgelehnt worden.
Nun lasse ich über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, FDP und DP: „Der Bundestag kann einen Gegenstand von der Tagesordnung absetzen" usw. abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. - Damit ist Ihr Antrag sachlich erledigt, Herr Abgeordneter Ritzel.
({0})
- Ja sicher! Es dreht sich hier zunächst um den Abänderungsantrag. Es ist selbstverständlich, daß dann noch die Abstimmung über § 26 insgesamt stattfinden muß.
({1})
- Bitte, Herr Abgeordneter!
Ich wollte noch darauf aufmerksam machen, daß die Ausschußfassung auf Seite 12 der Abänderungsdrucksache zu Drucksache Nr. 2550 weitergehend ist. Da ist gesagt, daß der Bundestag einen Gegenstand von der Tagesordnung absetzen kann, wenn nicht dreißig Anwesende widersprechen. Ich glaube, es ist richtiger, diese Ausschußfassung ebenfalls zur Abstimmung zu stellen.
Ich bin der Auffassung, daß, wenn ein Abänderungsantrag zur Ausschußfassung gestellt wird, dann zuerst darüber abgestimmt werden muß und daß mit diesem Abänderungsantrag, der eine Neufassung des Abs. 4 zur Folge hat, der Ausschußantrag sachlich erledigt ist.
({0})
Ich glaube, man kann nicht anders entscheiden, Herr Abgeordneter Ritzel.
Nachdem also dieser Abänderungsantrag angenommen ist, bitte ich, unter Berücksichtigung der angenommenen Abänderungsanträge über § 26 in seiner Gesamtheit abstimmen lassen zu dürfen. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 26 sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Paragraph ist mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 27. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor.
({1})
- Sie wollen also nicht das Wort dazu nehmen. - Ich bitte die Damen und Herren, die für den Änderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 27 sind, eine Hand zu erheben. - Das war außer den Antragstellern niemand. Der Antrag ist abgelehnt.
§ 28. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 28 sind, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit. § 28 ist angenommen.
({2})
- Ich bitte um Entschuldigung; bei den. vielen Paragraphen geht es manchmal durcheinander. Ich
({3})
lasse abstimmen, damit es eindeutig ist: Wer für § 27 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. § 27 ist angenommen.
Zu § 29 liegt der Antrag der Fraktion der KPD auf Streichung vor. Soll er begründet werden? - Offenbar nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die der Streichung zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Das ist außer den Antragstellern niemand. Darf ich unterstellen, daß mit der Ablehnung des Streichungsantrags der KPD § 29 angenommen ist.
({4})
- Offenbar.
§ 30. Die Fraktion der KPD beantragt Streichung des Abs. 2. Die Streichung soll nicht begründet werden. Ich bitte die Damen und Herren, die der Streichung des Abs. 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist außer den Antragstellern niemand. Damit ist der Streichungsantrag abgelehnt.
Ich lasse über § 30.- Absätze 1 und 2 - der Ausschußfassung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 31, - § 32. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Angenommen.
Zu § 33 liegt ein Antrag der Fraktion der KPD zu Abs. 1 und Abs. 2 vor. Soll er begründet werden? - Herr Abgeordneter Renner, bitte!
Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die Reihenfolge, in der die Worterteilungen erfolgen. Wir haben beantragt, diese Worterteilung von dem Zeitpunkt des Eingangs der Wortmeldung abhängig zu machen. Ich brauche nicht zu erklären, was wir damit erreichen wollen. Wir wollen die bisherige Praxis ausschalten, daß der Herr Präsident der Regulator der Wortmeldungen ist.
({0})
- Nein, normalerweise ist es in der ganzen Welt so, daß der Zeitpunkt der Wortmeldung entscheidend ist.
({1})
- Jawohl! So ist es in allen vernünftigen - verzeihen Sie, das ist ja ein Werturteil, das Sie mir nicht abnehmen werden - Parlamenten. Ich wollte sagen: so sollte es in einem vernünftigen Parlament zugehen. Sie können davon abgehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, daß mit der bisherigen Methode erreicht werden kann, daß eine Fraktion, die sich zuerst gemeldet hat, am Schluß zu Wort kommt. Diese Willkür wollen wir beseitigt wissen.
({2})
- Der Weg zu gewissen Denkapparaten ist manchmal auch sehr weit!
Dann haben wir einen zweiten Zusatz beantragt: Antragsteller und Berichterstatter können sowohl zu Beginn wie nach Schluß der Beratung das Wort verlangen. Der Berichterstatter hat das Recht, jederzeit das Wort zu ergreifen.
Wir wollen erreichen, daß der Berichterstatter,
aber auch der Antragsteller zumindest Gelegenheit
hat, beim Abschluß der allgemeinen Beratung
noch einmal zu einem Antrag zu sprechen.
({3})
Herr Abgeordneter Kahn, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, beide Änderungsanträge der Kommunistischen Partei abzulehnen und § 33 in der Fassung des letzten Ausschußberichts zu beschließen. Wir haben genau gewußt, warum wir alle, von der SPD bis hinüber zur Deutschen Partei, diese Fassung genommen haben. Wir wollen gewissen Leuten ein Mundschloß anhängen. Der Präsident muß wissen, wer zuerst spricht, und man muß die Größe der Parteien und die Parteirichtungen respektieren, Herr Kollege Renner!
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ritzel, bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Gang der Geschäftsordnung erlaube ich mir, auf folgende Tatsache aufmerksam zu machen. Wir haben die Vorlage Nr. 2550 gehabt. Sie ist das Kernstück unserer heutigen Beratung und Entscheidung. Zu dieser Vorlage des Ausschusses kamen Änderungsanträge der KPD, der SPD und der Regierungsparteien. Diese Änderungsanträge waren Gegenstand neuer Beratungen. Das Ergebnis dieser Beratungen liegt in der Drucksache zu Drucksache Nr. 2550 vor. Nun ist eine kleine Zahl von neuen Änderungsanträgen, unterzeichnet von den Abgeordneten Gengler, Mayer ({0}), Ewers und Genossen, gekommen. Ich bin der Auffassung, daß wir uns die Geschäfte erleichtern sollten. Die Anträge, die vom Ausschuß behandelt worden sind, sind an sich durch Ausschußbeschluß zunächst einmal so lange erledigt, als sie nicht hier noch einmal ausdrücklich aufgenommen werden.
({1})
Man kann dem Ausschußantrag zustimmen; man kann ihn ablehnen, wenn man auf seinem alten Antrag bestehen bleiben will. Aber wir brauchen nicht ausdrücklich in jedem einzelnen Fall über nicht neu gestellte Anträge abzustimmen. Ich glaube, wir kämen mit diesem System etwas rascher vom Fleck.
({2})
Meine Damen und Herren, wünscht das Haus so zu verfahren, daß es nur neue Abänderungsanträge zur Erörterung stellt?
({0})
Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß es nach meiner Auslegung der Geschäftsordnung niemandem im Hause verwehrt werden kann, zu jeder Zeit neue oder auch erneut alte Änderungsanträge zu stellen.
({1})
- Also stellt sich das Haus auf den Standpunkt, daß lediglich Änderungsanträge, die zu der Drucksache Nr. 2550 neu gestellt werden, hier erneut zur Abstimmung gestellt werden sollen? Darf ich fragen, ob das Haus dieser Auffassung ist? - Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir kommen hier in ein etwas unglückseliges Verfahren hinein. So können wir wohl die Dinge nicht handhaben, und ich möchte doch dringend darum bitten, daß die Änderungsanträge, die gestellt und auch in der Zusatzdrucksache enthalten sind, weiterhin als gestellt gelten, wenn die Antragsteller nicht von vornherein darauf verzichten, daß sie noch als besondere Anträge gelten und noch einmal besonders begründet werden müssen. So werden wir wahrscheinlich am schnellsten über die Dinge hinwegkommen.
Meine Damen und Herren, ich begrüße diese Anregung. Ich glaube, die Debatte über dieses Verfahren hält uns mehr auf als die Erledigung der Anträge,
({0})
und ich meine, daß wir gerade bei der Beratung der Geschäftsordnung die geltende Geschäftsordnung peinlichst beachten sollten.
({1})
Ich habe wie Sie alle jedes Interesse an der Beschleunigung der Dinge; das ist selbstverständlich.
Also ich darf vorschlagen, daß wir, nachdem Herr Abgeordneter Renner seine Abänderungsanträge begründet hat, über die beiden Änderungsanträge der Fraktion der KPD abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Das ist außer den Antragstellern niemand; ich befrachte sie als abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 33 in der Ausschußfassung und darf gleichzeitig die §§ 34 und 35 aufrufen. - Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 36. Da liegt der damals gestellte Antrag der Fraktion der SPD vor, hinter „ihm" einzufügen „auf Verlangen". Soll das noch begründet werden?
({2})
- Ich bitte um Entschuldigung; es steht bereits drin. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 36 ist angenommen.
Zu § 37 liegt der Streichungsantrag vor, der offenbar nicht erledigt ist. Soll er begründet werden?
({3})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Streichung des § 37 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Streichungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 37 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({4})
- Ich halte mich versichert, daß alle Damen und Herren, die diesem Paragraphen zugestimmt haben, ihn auch beherzigen werden.
({5})
Ich rufe § 38 auf.
({6})
- Das ist mir klar. - Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 39 wünscht Herr Abgeordneter Renner das Wort.
({7})
Herr Kahn, wenn ich Staatsanwalt wäre, würde ich gelegentlich für Sie oder einen der änderen hier für mildernde Umstände plädieren.
({0})
- Ich bin auch nur hier aufs Rednerpult heraufgekommen, um Ihnen das zu sagen, damit Sie Bescheid wissen.
Wir beantragen, die Mindestredezeit auf 10 Minuten festzulegen. Nur um Ihnen klarzumachen, worüber abgestimmt werden soll, habe ich mich überhaupt zu Wort gemeldet. Wir sind der Meinung, daß eine Redezeit von 10 Minuten das mindeste ist, was man einem Abgeordneten geben muß, damit er das, was er zu begründen hat, in sachlicher und ordentlicher Form begründen kann. Daß Sie auf längere Redezeit für uns keinen Wert legen, versteht sich von selber. Aber ich möchte Ihnen den einen guten Rat geben: auch einmal zu überlegen, ob Sie nicht sowieso darauf verzichten können, als Redner aufzutreten, nachdem ja die Regierung alles das redet und tut, was Sie wollen.
({1})
Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich zunächst einmal klären: der Antrag der SPD, „darf" durch „soll" zu ersetzen, ist vom Ausschuß erledigt. Ferner hat die Fraktion der FDP beantragt, in § 39 Abs. 1 Satz 1 die Worte „in der Regel nach Vorschlag des Ältestenrates" in Kommata einzuschließen. Im Beschluß des Ausschusses stehen aber Gedankenstriche statt der Kommata.
({0})
- Ja, meine Damen und Herren, ich muß klären: sollen die Gedankenstriche gelten?
({1})
- Also die Gedankenstriche sollen gelten.
({2})
Der Antrag der SPD zu Abs. 2 ist ebenfalls erledigt. Ich habe also lediglich über den Antrag der Fraktion der KPD abstimmen zu lassen:
Die Mindestredezeit beträgt 10 Minuten.
Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die für § 39 in der Ausschußfassung sind, eine Hand zu erheben. ({3})
- Absätze 1 und 2, Herr Abgeordneter Ritzel! Ich lasse über den ganzen Paragraphen abstimmen.
({4})
({5})
- Ich bitte um Entschuldigung. Es handelt sich hier wieder darum, ob „kann" oder „darf". Ich weiß nicht, ob es Ihnen auffällt, meine Damen und Herren. Damit es deutlich wird, weise ich darauf hin: im Ausschußbericht heißt es:
Spricht ein Abgeordneter über die Redezeit hinaus, so kann ihm der Präsident nach einmaliger Mahnung das Wort entziehen.
Und im Antrag der Fraktion der SPD heißt es:
so darf ihm der Präsident nach einmaliger Mahnung das Wort entziehen.
Ich vermag zwar nicht einzusehen, daß das ein so
enormer Unterschied ist. Legen Sie Wert darauf?
({6})
- Es ist kein großer Unterschied. Also ich glaube, wir dürfen zu dem zurückkehren, was ich bereits angekündigt hatte, nämlich zur Abstimmung über § 39 Abs. 1 und Abs. 2, da weitere Abänderungsanträge nicht vorliegen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist § 39 angenommen.
Ich rufe auf § 40, - § 41.
({7})
- Ich habe von Ihnen keinen Streichungsantrag, Herr Abgeordneter Renner.
({8})
- Ich bin ja noch bei den §§ 40 und 41! - Ihr stürmisches Tempo kann ich nicht ganz mithalten, Herr Abgeordneter Renner.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 40 und 41 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich versuche eben zu klären, ob die Anträge zu § 42 auch durch den Ausschuß erledigt sind.
({9})
- Sie verzichten auf die Begründung Ihres Antrages zu § 42 und § 43 auf Streichung dieser beiden Paragraphen. Darf ich fragen: ist der Antrag der SPD zu Abs. 1 durch die Fassung des Ausschusses erledigt?
({10})
- Herr Abgeordneter Ritzel, bitte.
Ich habe namens meiner Fraktion dazu folgendes zu erklären. Wir haben in unserem Abänderungsantrag, der nicht die Billigung der Ausschußmehrheit gefunden hat, den Versuch gemacht, in Neuregelung des § 42 für den Ausschluß von Abgeordneten, die sich einer gröblichen Verletzung der Ordnung des Hauses schuldig machen, eine Bestimmung aufzunehmen, die besagt, daß der Präsident sich bei seinen Maßnahmen mit den anwesenden Vizepräsidenten beraten möchte. Das muß nicht eine Unterbrechung der Sitzung bedeuten, es ist auch kein Zusammentreten eines Konsiliums beabsichtigt, sondern eine Verständigung. Wir haben Erfahrung genug auf diesem Gebiet - bittere Erfahrung! - gesammelt, so daß
wir wissen, daß Entscheidungen, die wie aus der Pistole geschossen erfolgen, nicht immer glücklich sind.
({0})
- Das ist schon lange her, richtig, aber immerhin
- ich zitiere ein Wort, das einmal Jacob Burckhardt gesagt hat -: Man soll aus Erfahrung klüger werden für das nächste Mal. Wenn wir schon Gelegenheit haben, diese Erfahrung einmal schriftlich zu fixieren, dann sollten wir die Gelegenheit auch benützen. Wir haben sie insofern in voller Übereinstimmung benützt, als wir in dem neuen § 42 sagen, daß der Präsident den Delinquenten zunächst einmal für die Dauer der Sitzung aus dem Saal verweist und bis zum Schluß der Sitzung sagt, für wieviel Sitzungstage er ihn - angemessen der Größe des Verschuldens - ausschließt. Aber unser Wunsch geht dahin - das finden Sie in dem Abänderungsantrag - zu Drucksache Nr. 2550, Seite 15 -, daß der Präsident das tun möge im Benehmen mit den anwesenden Vizepräsidenten. Die stärkste Begründung dafür - neben dem Bestreben, eine 'ausgewogene Entscheidung im Einzelfall zu erreichen, die der Präsident nicht allein auf seine Verantwortung zu nehmen brauchte, wenn unser Antrag akzeptiert würde - liegt in der Feststellung, daß damit auch eine gewisse Gleichmäßigkeit in der Handhabung der Geschäftsordnung durch den Herrn Präsidenten und die beiden jeweils amtierenden Vizepräsidenten, eventuell auch durch einen Alterspräsidenten gewährleistet wäre. Ich glaube, es ist nur richtig, so zu verfahren, zumal wir nicht den Präsidenten als Person, sondern den Präsidenten als ein Instrument unseres Hauses betrachten müssen und betrachten dürfen und großes Gewicht darauf legen, eine Einheitlichkeit in der Handhabung der Ordnung des Hohen Hauses gesichert zu wissen.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen: soll der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP Umdruck Nr. 385 Ziffer 3 begründet werden?
({0})
- Darauf wird verzichtet. - Darf ich fragen, wie er nun heißt; er ist hier in einem etwas unklaren Wortlaut vorgelegt: „aus diesem Anlaß nur", heißt es, „in jeder zweiten Sitzungswoche".
({1})
- Also zum Unterschied von der Bestimmung „nur einmal in jeder Woche".
({2})
- Herr Abgeordneter Mellies!
Ich würde es sehr begrüßen, wenn die Antragsteller sich entschließen könnten, diesen Antrag zurückzuziehen.
({0})
Ich glaube, es wirkt doch so etwas wie eine Schikane, wenn diese Bestimmung in die Geschäftsordnung aufgenommen wird. Wenn man schon einmal den Grundsatz bejaht, daß der von den Plenarsitzungen ausgeschlossene Abgeordnete an den Fraktionssitzungen beteiligt sein soll - und wir werden alle Wert darauf legen, daß dieser Abgeordnete sich auch an der weiteren Fraktionsarbeit beteiligt -, dann darf man ihn nicht in dieser Weise noch besonders bestrafen, indem man ihm nur für jede zweite Woche Tagegeld gewährt.
({1})
Denn in der Regel ist es doch so, daß, wenn wir hier Plenarsitzungen haben, auch Fraktionssitzungen stattfinden.
Meine Damen und Herren, man sollte sich nicht in den Zustand hineinreden, daß man sagt: „So etwas wird uns schließlich nicht passieren; wir sind so tugendhaft, daß wir nie so stark die Herrschaft über uns verlieren, auch nicht einmal Dinge zu begehen, die unter Umständen den Ausschluß zur Folge haben könnten."
({2}) Gewiß, es gibt einen Abgeordneten in diesem Hohen Hause, der so tugendhaft ist, daß er bei jeder Gelegenheit erzählt, er habe noch nie einen Ordnungsruf bekommen. Ich weiß nicht, ob das die beste Eigenschaft bei diesem Abgeordneten ist; aber nach den Vorgängen, die sich in den letzten Wochen hier abgespielt haben,
({3})
sind wir doch alle der Überzeugung: es könnte wirklich auch dem ruhigsten Abgeordneten einmal passieren, daß er etwas tut, was ihm einen Ausschluß eintragen könnte.
Ich habe den Eindruck, daß der Antrag zurückgezogen wird.
({0})
- Der Antrag ist zurückgezogen.
Herr Abgeordneter Renner, wünschen Sie das Wort?
({1})
- Jetzt nicht mehr! Aber Sie wollen doch den Antrag, § 42 zu streichen, begründen, Herr Abgeordneter Renner?
({2})
- Aha! Also zunächst: Antrag der Fraktion der KPD, § 42 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Das ist offenbar außer den Antragstellern niemand. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann der Antrag der Fraktion der SPD. Er bezieht sich im wesentlichen auf das Benehmen mit den anwesenden Vizepräsidenten in Abs. 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit können wir über § 42 in der Ausschußfassung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 42 in der Ausschußfassung, d. h. ohne den inzwischen gestrichenen Abs. 6 anzunehmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 42 ist angenommen.
Wünscht das Zentrum, seinen Antrag zu § 43 noch zu begründen? - Bitte Herr Abgeordneter Reismann!
Meine Damen und Herren! Das, was Herr Kollege Ritzel soeben zu § 42 ausgeführt hat, gilt cum grano salis auch für den Ordnungsruf. Nun darf man nicht von dem Idealbild eines Präsidenten ausgehen. Wir wissen nicht, ob wir immer so vorbildlich unparteiische Präsidenten, wie wir sie bisher gehabt haben, weiter behalten werden. Stellt man sich nun vor, daß einem Präsidenten etwa die Zunge ausrutscht, daß er voreilig wird oder gar, daß er sich in einen Disput mit einem Abgeordneten einläßt, daß er ihn persönlich glossiert, daß er sich über ihn lustig macht
- das wäre denkbar -, dann sollte man weder eine Möglichkeit der Beratung mit den Vizepräsidenten noch auch nur die Möglichkeit einer Diskussion vor dem Plenum haben? Das würde ich für bedauerlich halten.
Deshalb bittet das Zentrum, den vorletzten Satz des § 43 zu streichen, wo es heißt: „Der Bundestag entscheidet ohne Besprechung." Dieser Satz soll gestrichen werden.
- „Ohne Beratung"! Die Vorlage des Ausschusses lautet an dieser Stelle: „Der Bundestag entscheidet ohne Beratung."
({0})
Ich bitte also die Damen und Herren, die für den Streichungsantrag der KPD sind, eine Hand zu erheben.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, ich muß schon sagen, daß der Antrag, den § 43 überhaupt zu streichen, unweigerlich der weitestgehende ist.
({2})
- Ziehen Sie Ihren Antrag zurück?
({3})
- Ihr Antrag ist also zurückgezogen.
Ich lasse abstimmen über den Antrag der Gruppe
des Zentrums, den Satz „Der Bundestag entscheidet
ohne Beratung" zu streichen. Ich bitte die Damen
und Herren, die dieser Streichung zuzustimmen
wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist außer
dem Antragsteller und der kommunistischen Fraktion niemand. Der Streichungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 43 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 44!
({4})
- Jawohl, ich sehe es. - Ich bitte die Damen und Herren, die § 44 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 44 ist angenommen.
§ 45. Ist der Antrag der SPD ebenfalls eingearbeitet?
({5})
Zu § 46 liegt kein Abänderungsantrag vor, zu § 47 ebenfalls nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die den drei Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu § 48 liegt ein Antrag der Fraktion der KPD vor. Wird er begründet? - Herr Abgeordneter Renner, bitte schön!
Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, § 48 Abs. 1 folgende Fassung zu geben:
Ergreift während der Beratung eines Tagesordnungspunktes oder nach Ablauf der beschlossenen Redezeit ein Mitglied oder Beauftragter der Bundesregierung oder des Bundesrates zu dem Gegenstand das Wort, so ist die
Besprechung wieder neu eröffnet.
Was wollen wir? Wir wollen zwei Dinge sicherstellen, und zwar einmal, daß nach der Wortergrei({0})
fung eines Ministers oder eines Mitgliedes des Bundesrates sich der Bundestag bzw. nach Belieben jede Fraktion noch einmal äußern darf. Wir wollen weiter vor allen Dingen gesichert wissen, daß nicht die Fraktion, die ihre vorher bereits festgelegte Redezeit verbraucht hat, daran gehindert wird, zu den Äußerungen des Ministers oder des Bundesratsmitglieds Stellung zu nehmen.
Wir schlagen für Abs. 2 folgende Formulierung vor:
Ergreift ein Mitglied der Bundesregierung oder des Bundesrates das Wort außerhalb der Tagesordnung, so wird sofort daran anschließend die Besprechung über seine Ausführungen eröffnet.
Wir wollen damit dem Plenum das Recht sichern, sobald ein Vertreter der Bundesregierung oder des Bundesrates außerhalb der Tagesordnung spricht, zu dieser Erklärung Stellung zu nehmen. Das ist der Inhalt unseres Antrags.
Im übrigen bitte ich, bei der Feststellung des Ergebnisses der Abstimmung heute und in Zukunft solche bestimmt nicht unabsichtlich getroffenen Feststellungen „gegen einen Abgeordneten der Gruppe des Zentrums und gegen die Kommunisten, gegen die fünf oder drei Kommunisten" zu vermeiden. Das gehört nicht zur Sache Festzustellen ist meines Erachtens nur das Ergebnis der Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich will auf die Begründung unseres Antrags verzichten, sehe mich aber doch genötigt, für den Fall der Ablehnung unseres Antrages einen Eventualantrag zu dem Ausschußantrag zu stellen, nämlich dann den letzten Satz des Ausschußantrags zu streichen. Es wird davon gesprochen, daß die Redezeit für die einzelnen Fraktionen, die nach der Rede des Ministers wieder auflebt, die Redezeit nicht übersteigen darf, die der Minister in Anspruch genommen hat. Stellen Sie sich bitte einmal vor, ein Minister steht von der Ministerbank auf und schleudert von dieser Stelle aus einen einzigen Satz in den Saal, der entweder das ganze Haus oder wenigstens Teile dieses Hauses provozieren müßte. Dann würde nur die Möglichkeit bestehen, mit einem einzigen Satz darauf zu antworten. Ich glaube, so kann man die Dinge nicht machen. Es muß wenigstens die Möglichkeit gegeben werden, daß, wie es in der Kompromißlösung vorgesehen ist, die Fraktionen ein Viertel ihrer früheren Redezeit in Anspruch nehmen.
Herr Abgeordneter Ritzel zur Geschäftsordnung.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Text, gleichgültig in welcher Fassung er angenommen wird, eine Berichtigung erfahren muß. Es muß heißen: Erhält während der Beratung ein Mitglied oder Beauftragter der Bundesregierung oder des Bundesrates ... Diese Worte fehlen.
Ich halte das für einen Schreibfehler, Herr Abgeordneter Ritzel. Darf ich vorschlagen, daß das allgemein ergänzt wird. Sinngemäß muß es ja so sein, also „oder des Bundesrates".
Ich komme also zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der KPD zu Abs. 1 des § 48. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Abänderungsantrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zum Antrag der Fraktion der SPD, einen Absatz 1 a zum Unterschied von der Fassung des Ausschusses einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Der Abgeordnete Mellies hatte für den Fall der Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD den Antrag gestellt, den letzten Satz: „Diese Redezeit darf jedoch die Dauer der Redezeit des Mitglieds oder Beauftragten der Bundesregierung . . . nicht übersteigen" zu streichen.
({0}) Darf ich vorschlagen, daß zunächst über diesen Antrag abgestimmt wird. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Streichung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit.
Zu Abs. 2 liegt der Antrag der Fraktion der KPD vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der KPD zuzustimmen wünschen. eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 48 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderungen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 48 z, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf: § 49 - der Abänderungsantrag der SPD ist erledigt -, § 50, - § 51, - § 52, § 53, - § 54. - Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe § 55 auf. Der Abänderungsantrag der SPD zu Abs. 2 ist erledigt; der zu Abs. 4 ebenfalls. Keine weiteren Abänderungsanträge. Ich bitte die Damen und Herren, die § 55 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
§ 56. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen
und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand
zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Zu § 57 hat das Wort Herr Abgeordneter Löbe.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß wir heute eine Geschäftsordnung für längere Dauer beschließen. Allein dieser Umstand ermutigt mich, trotz wachsender Teilnahmslosigkeit des Hauses und vorrückender Uhr Ihre Aufmerksamkeit auf den Paragraphen zu lenken, der jetzt aufgerufen worden ist, nämlich auf die namentlichen Abstimmungen. Ich bin dem Bundestage bisher nicht lästig geworden mit Empfehlungen, Gebräuche des alten Reichstags zu übernehmen. In diesem Falle möchte ich davon eine Ausnahme machen und für das Gewicht der namentlichen Abstimmung und für ihre zweckdienliche Anordnung einige Worte sagen. Sie werden nicht lang, aber umso friedlicher sein, im Gegensatz zu manchem, was wir heute schon gehört haben.
({0})
Der alte Reichstag nahm bei drei Gelegenheiten namentliche Abstimmungen vor. Einmal trat sie ein, wenn qualifizierte Mehrheiten für einen Gesetzentwurf nötig waren; also etwa der Vorgang von gestern, daß ein Gesetz nur dann als beschlossen gelten kann, wenn gewisse Voraussetzungen der Mehrheit hergestellt sind. In einem solchen Falle empfahl der Präsident des Reichstags immer, eine namentliche Abstimmung vorzunehmen. An ihrem Ergebnis teilte er dann mit, daß die erforderlichen zwei Drittel der gewählten Abgeordneten anwesend waren und daß von diesen Anwesenden zwei Drittel dem Gesetz zugestimmt hatten. Nachdem er das vor versammeltem Hause festgestellt hatte, fügte er es dem Briefe bei, mit dem der Reichstag die Reichsregierung von seinen Beschlüssen unterrichtete.
Der zweite Fall war die Wichtigkeit gewisser Abstimmungen. Regelmäßig bei der Endabstimmung über den Haushalt, aber auch bei sonstigen Abstimmungen, etwa über sehr wichtige Änderungen der Rechtsordnung, beim Bürgerlichen Gesetzbuch oder bei Abstimmungen über Youngplan und Dawesplan, wurde immer Wert darauf gelegt, vor dem ganzen Lande festzustellen, welche Parteien, welche Abgeordneten sich so oder so zu diesen strittigen Fragen offen geäußert hatten.
({1})
Ich glaube, so gut wie wir die Abstimmungsergebnisse der englischen, französischen oder italienischen Kammer verfolgen, können wir auch für unsere eigenen Beschlüsse eine stärkeze Beachtung und eine größere Aufmerksamhelt erreichen, wenn wir sie nicht, sagen wir, knit dem Mantel der Anonymität umgeben sondern offen und frei durch die namentlich Abstimmung vor dem Lande für sie eintreteln
({2})
Der dritte Fall betrifft etwas, was bei der leider hier nach und nach eintretenden Verhärtung der Fronten ein bißchen als „Trutzabstimmung" angesehen worden ist. Um die Abstimmung des anderen festzulegen, beantragte man eine namentliche Abstimmung, die dann abgelehnt wurde. Im Reichstag ging das wie folgt vor sich. Ein Abgeordneter stellte das Verlangen: „Ich beantrage namentliche Abstimmung." Darauf der Präsident: „Wird dieser Antrag unterstützt?" Wenn 50 anwesende Abgeordnete ihn unterstützten, sagte der Präsident: „Wir schreiten zur namentlichen Abstimmung. Ich bitte die Schriftführer, die Karten einzusammeln."
Wie verfahren wir demgegenüber seit zwei Jahren? Es wird hier ein Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Dann stellt der Präsident die Frage, ob der Antrag unterstützt wird. Er stellt fest: „Es haben über 50 Abgeordnete dafür gestimmt." Nun läßt er das ganze Plenum abstimmen, ob eine Mehrheit für eine namentliche Abstimmung ist. In der Regel werden dabei die Mehrheitsverhältnisse vom Präsidententisch aus nicht gut zu übersehen sein. Das war auch früher der Fall. Dann ist durch eine zweite Abstimmung, nämlich durch den Hammelsprung, darüber entschieden worden, ob die nachher stattfindende Abstimmung zur Sache eine namentliche sein sollte. Der Antrag ist dann gewöhnlich abgelehnt worden. Aber auch wenn er abgelehnt wird, kann der Präsident oder der Sitzungsvorstand nur unsicher das Abstimmungsergebnis feststellen und sagen: „Weil vorhin bei der Frage der namentlichen Abstimmung die Mehrheitsverhältnisse so
und so waren, werde ich nach dem Augenschein urteilen müssen und auch für die sachliche Abstimmung diese Mehrheit gelten lassen." Denn sonst müßte er in einer weiteren, vierten Abstimmung noch einmal durch Hammelsprung auszählen. Bis zu 1, 2, 3 haben wir die Prozedur öfter durchgeübt. Aber sie erscheint eigentlich allen denen komisch, die an einer sachlichen und genauen Erledigung materieller Fragen ein Interesse haben.
Deshalb möchte ich mich dafür einsetzen, daß wir in diesem Falle ruhig die alte Form wieder einführen, also im zweiten Satz von § 57 sagen:
Sie findet statt,
- nämlich die namentliche Abstimmung - wenn der Antrag von mindestens 50 anwesenden Mitgliedern unterstützt wird.
Der Ausschuß hat einen Mittelweg zu gehen versucht und eine Mehrheit für die Bestimmung gebildet, daß namentliche Abstimmung stattfinden muß, wenn ein Viertel des Bundestages den Beschluß faßt. Ich finde das nicht ganz gerecht. Dann ist doch nur den beiden größten Parteien die Möglichkeit gegeben, eine namentliche Abstimmung herbeizuführen. Das widerspricht ihrem Sinn. Deshalb bitte ich Sie, § 57 entsprechend zu ändern. Ich glaube, es dient der Klarheit und der Wahrheit der Feststellung unserer Resultate.
({3})
Ich wäre dankbar, wenn der Antrag schriftlich hergegeben werden könnte, Herr Kollege Löbe. - Bitte, Herr Abgeordneter Mayer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich bedauern, in diesem Falle dem Vorschlag unseres verehrten Herrn Alterspräsidenten nicht folgen zu können.
({0})
Ich will jetzt nicht darüber streiten, ob das Recht, namentliche Abstimmung zu verlangen, ein echtes Minderheitsrecht ist oder nicht.
({1})
Wir sind sehr bereit, alles an Minderheitsrecht und
an Schutz dieses Minderheitsrechtes zuzugestehen.
({2})
Aber wenn wir bisher in diesem Hause namentliche Abstimmung exerziert haben, dann war es
doch sehr selten die Nutzung eines echten Minderheitsrechtes, sondern es war der Versuch, der
Minderheit ein Recht über die Mehrheit zu geben.
({3})
Wir haben trotzdem im Verlauf der Verhandlungen - der Herr Ausschußvorsitzende Ritzel hat das mit Recht festgestellt - zunächst der Erleichterung der namentlichen Abstimmung das Wort geredet. Dann haben wir einige Artikel lesen müssen, in denen angekündigt war, wie man von diesem Minderheitsrecht in Zukunft Gebrauch zu machen gedenkt. Da stand etwa, daß man mit Hilfe der namentlichen Abstimmung Kollegen dieses Hauses, die einer bestimmten Organisation angehören oder deren wirtschaftliches Schicksal gar von dieser Organisation abhängig ist, kontrollieren werde.
({4})
({5})
Wir wollen die namentliche Abstimmung nicht erschweren, weil w i r Angst hätten, uns zu bekennen. Die meisten meiner Freunde sind wirtschaftlich so unabhängig, daß sie sich keiner Gefahr für ihre Existenz aussetzen, wenn sie sich bekennen. Wir wollen aber neben dem bekenntnisfreudigen Abgeordneten auch den freien Abgeordneten, den Abgeordneten, der in seiner Entscheidung frei bleibt und nicht unter Druck abstimmen muß.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine verehrten Damen und Herren! Auf den Moment habe ich gewartet, um dem Parlament auch einmal meine Meinung über demokratische Zustände zu sagen. Wir dürfen bei der Beratung einer Geschäftsordnung - das war der Sinn der Ausführungen des Herrn Alterspräsidenten Löbe - nicht von dem jeweiligen Spiel zwischen Opposition und Regierung ausgehen,
({0})
sondern wir müssen eine Geschäftsordnung schaffen, mit der unter der weiten Sicht der parlamentarischen Erfordernisse alles zufrieden ist.
({1})
Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, bei wichtigen Abstimmungen, wenn ein gewisser Prozentsatz des Parlaments das verlangt, zu erfahren, wie der Abgeordnete abgestimmt hat.
({2})
Das ist mit eine der Grundlagen der Demokratie.
({3})
- Das habe ich im bayerischen Landtag auch durchexerziert. Dort hat ein Abklatsch der Geschäftsordnung des Reichstags gegolten, die ausgelegt wurde. Darin hat es geheißen: Auf Antrag von soundsoviel Abgeordneten muß eine namentliche Abstimmung stattfinden. Das Gewohnheitsrecht des Reichstags war so, daß man die Worte „auf Antrag"- als „auf Verlangen" ausgelegt hat. In der neuen Geschäftsordnung des bayerischen Landtages ist das ganz naturgemäß so geändert worden, daß auf Verlangen einer bestimmten qualifizierten Minderheit eine namentliche Abstimmung stattzufinden hat. Warum sollen wir unsere Ansichten vor der Öffentlichkeit verstecken?
({4})
Wir müssen den Mut haben, das, wofür wir stimmen, auch zu bekennen. Manchmal gehen die Berufsinteressen quer durch die Parteien hindurch. Die einzelnen Berufsschichten haben ein Interesse daran, wie die einzelnen Abgeordneten hier abgestimmt haben. Ihre Wähler verlangen bei wichtigen Abstimmungen ein öffentliches Bekenntnis der Abgeordneten.
({5})
Erschweren Sie die Sache nicht! Herr Kollege Dehler, Sie sind doch auch so ein alter Demokrat. Im bayerischen Landtag haben Sie das doch mitgemacht. Wir waren sehr gute Demokraten, und Sie haben sich auch durch Ordnungsrufe von meiner Seite nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir haben da sehr gut zusammengearbeitet. Die namentlichen Abstimmungen, die wir durchgeführt N haben, haben dem bayerischen Parlament gar nichts geschadet.
({6})
- Ach, machen Sie keine weißen Mäuse! - Wenn ich mir heute in den Protokollen des Bundestages die wichtigen Abstimmungen ansehe, gehen sie bloß so im Hammelsprung dahin, wobei niemand weiß, wo der Hammel hingesprungen ist,
({7})
der sich nämlich hinter einer anonymen Abstimmung verbergen kann. Nein, meine verehrten Damen und Herren, eine qualifizierte Minderheit muß es bewerkstelligen können, daß hier ein öffentliches Bekenntnis der Abgeordneten zu wichtigen Abstimmungen abgelegt wird.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel. - Oder wollen Sie nicht mehr sprechen?
({0})
Bitte, Herr Abgeordneter Schröter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, dem Hause mitteilen zu müssen, daß der Kollege Horlacher seine persönliche Überzeugung, nicht die der Fraktion, zum Ausdruck gebracht hat.
({0})
Meine Damen und Herren wird weiter das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Horlacher hat Worte gesprochen, die in ein goldenes Buch des Bundestages eingetragen zu werden verdienen. Ich selbst habe in einer emotionalen Anwandlung Lust verspürt, ihn ob dieses Bekenntnisses zu umarmen.
({0})
Ich habe davon Abstand genommen, weil ich die voluminösen Eigenschaften des Herrn Kollegen Dr. Horlacher als im Wege stehend angesehen habe. Ich möchte jedoch der Meinung Ausdruck geben, daß Herr Kollege Dr. Horlacher, den ich sehr verehre, seinerzeit bei der Abstimmung über Frankfurt-Bonn die gleiche Auffassung vertreten und seinerseits sicher gegen die ad hoc eingeführte geheime Abstimmung Stellung genommen und gestimmt hat.
({1})
Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich darf zunächst mal klären, wie der Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Löbe aussieht. Er hat gesagt, lediglich der zweite Satz solle geändert werden. Ich glaube, das ist unmöglich, Herr Abgeordneter Löbe. Sie haben Ihren Antrag mit folgendem Wortlaut hergegeben:
({0})
Namentliche Abstimmung kann bis zur Eröffnung der Abstimmung beantragt werden. Sie findet statt, wenn der Antrag von mindestens 50 anwesenden Mitgliedern unterstützt wird. Schriftführer sammeln in Urnen die Abstimmungskarten, die die Namen der Abstimmenden - -,
und dann geht es weiter wie bisher. Ich glaube, daß das Ihrem Willen gemäß und der Antrag in dieser Form von Ihnen gestellt ist.
({1})
Das besagt also, § 57 würde durch diese Fassung ersetzt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Ich möchte nur zum Sprachgebrauch das Wort nehmen. Was der Herr Alterspräsident Löbe meint, muß heißen „kann verlangt werden", nicht „beantragt". Überall, wo Minderheitsrechte sind, steht im Entwurf der neuen Geschäftsordnung „verlangt". Beantragt kann nur werden, worüber dann abgestimmt wird. Um einen Irrtum zu vermeiden, bitte ich, den Antrag entsprechend zu ändern. Nicht daß ich für oder gegen den Antrag spreche, der Verdacht sei ferne von mir; ich will nur eine Klarstellung erreichen.
Also ich nehme an, daß der Antrag in dieser Form abgeändert wird, so daß es „verlangt" statt „beantragt" heißt. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, darf ich zunachst über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Löbe, den ich eben vorlesen habe, abstimmen lassen. - Ich bitte die Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
- Meine Damen und Herren, es ist zwar keine namentliche Abstimmung, aber ich muß diese Frage im Wege des Hammelsprungs klären. Ich bitte darum: Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Löbe ist, muß durch die Ja-Tür gehen. Darf ich bitten, den Saal möglichst schnell zu räumen.
({2})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({3})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. - Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag des Herrn Abgeordneten Löbe haben gestimmt 115 Abgeordnete, dagegen 104 bei 2 Enthaltungen. Der Antrag ist angenommen.
({4})
- Frau Abgeordnete Korspeter, ich freue mich
über diese Verbrüderung von Berlin und Bayern.
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Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf § 58. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der KPD vor, in § 58 den Buchstaben g) zu streichen.
({6})
- Auf die Begründung wird verzichtet. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist ab-. gelehnt.
Ich lasse nun. abstimmen über die §§ 58 und 59. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
({7})
Meine Damen und Herren, darf ich vorschlagen, daß wir die Verhandlungen etwas ruhiger weiterführen. Zu § 60 liegt ein Antrag der Fraktion der SPD vor. - Bitte, Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Fraktion bitte ich das Hohe Haus, dem Abänderungsantrag zuzustimmen, den Sie auf der Abänderungsdrucksache Seite 18 unten links finden. Ich darf Bezug nehmen auf das, was ich vorhin über die Fortentwicklung der Tätigkeit der Ausschüsse gesagt habe. Sie wissen alle, daß das Parlament selbst sehr überlastet ist und daß in der praktischen Handhabung der Aufgaben des Parlaments manche Möglichkeit durch das Hohe Haus selbst nicht ausgenutzt werden kann, die aber gesetzlich von dem Haus wahrgenommen werden sollte, und daß damit das Schwergewicht der Erledigung vieler Aufgaben automatisch mehr als bisher auf die Ausschüsse verlegt wird.
Wir kennen alle die Gründe, die dazu geführt haben, daß ein wesentlicher Teil des Hohen Hauses eine ablehnende Haltung gegenüber einer anderen Formulierung, als sie bisher üblich und vorgesehen war, eingenommen hat. Wir wissen aber ebensosehr, daß nicht nur die Bestimmungen der bisherigen, vorläufigen Geschäftsordnung in der Praxis in den Ausschüssen oder in dem einen oder anderen Ausschuß, der, vielleicht verständlicherweise, Kritik erregt hat, nicht beachtet und nicht gehandhabt worden sind, sondern daß es sich in der praktischen Durchführung der Ausschußaufgaben zwangsläufig auch als unabwendbar erwiesen hat, daß diese Ausschüsse Aufgaben erledigen mußten, die ihnen nicht vom Plenum zugewiesen worden waren. Es sind eine Reihe von Fällen dieser Art vorgekommen. Wir wollen aber doch bei der Neuschöpfung unseres Hausgesetzes der Realität Rechnung tragen.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, in Vorbereitung der zukünftigen Entwicklung, die ohne jeden Zweifel kommen wird und die auch ihren Ausdruck finden wird in einer Verlagerung von Kompetenzen des Plenums an die Ausschüsse, dem Antrag, den wir unter Ziffer 29 auf Seite 18 zu § 60 Abs. 3 gestellt haben, Ihre Zustimmung zu erteilen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gengler.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie dringend, den Antrag der SPD abzulehnen und es bei dem Ausschußantrag zu § 60 Abs. 3 zu belassen. Wenn wir dem Antrag der SPD statt({0})
geben, bekommen verschiedene Ausschüsse sicherlich ein Tätigkeitsgebiet, das über die Beschlüsse des Bundestages hinausgehen und sich in vielen Fällen vielleicht sogar gegen dessen Willen ausdehnen würde.
({1})
Auch die Ausschüsse müssen eine Disziplin, ein festes Aufgabengebiet haben,
({2})
insbesondere in den Fällen, in denen die Ausschüsse in vielfacher Beziehung miteinander konkurrieren. Bei Annahme des SPD- Antrages könnten wir erleben, daß eine ganze Reihe von Ausschüssen gegeneinander, nebeneinander ohne Auftrag arbeiten würden, was weder im Interesse unserer Arbeit noch um der sachlichen Notwendigkeit willen angezeigt ist.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arnholz.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gengler hat gefordert, daß die Ausschüsse Disziplin halten. Gerade wenn sie Disziplin haben, dann werden sie das halten, was die Mehrheit des Bundestags von ihnen erwartet. Außerdem verstehe ich nicht, daß man auf den Bänken der Regierungskoalition vor unserem Antrag Angst hat. Sie haben doch in allen Ausschüssen die Mehrheit und können verhindern, daß mit unserem Antrag irgendein „Mißbrauch" - in Ihrem Sinne! - betrieben wird. Und nun darf ich Ihnen ein Beispiel sagen.
Bevor das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen dem Bundestag vorlag und dem Ausschuß für Beamtenrecht überwiesen werden konnte, hat der Ausschuß für Beamtenrecht aus seiner Pflicht gegenüber diesem Personenkreis heraus diese Dinge behandelt. Warum? - Die Vorlegung des Gesetzes hatte sehr lange Zeit auf sich warten lassen; wir waren aber im Ausschuß einstimmig der Auffassung, daß wir den Erlaß des Gesetzes so sehr wie nur irgend möglich fördern sollten. Deswegen haben wir uns vor der Überweisung der Vorlage an den Ausschuß mit den grundsätzlichen Fragen befaßt, die das Gesetz regeln mußte, und haben darüber hinaus auch vorher bereits Sachverständige gehört und dadurch in nicht unerheblichem Maße die späteren Beratungen abgekürzt. Wir haben dadurch erreicht, daß dieses Gesetz mindestens zwei, wenn nicht drei Monate früher erlassen werden konnte, als es sonst der Fall gewesen wäre.
Ich glaube, Sie sollten nicht noch nachträglich den Ausschuß dafür zur Ordnung rufen, indem Sie hinterher dieses Verfahren beanstanden. Sie sollten unserem Antrag gerade aus dem Interesse, das hier nachgewiesen ist, zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mende, dann der Abgeordnete Gengler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, mich ebenfalls melden zu müssen, gerade weil der Herr Vorredner dazu gesprochen hat. Seine Argumente sprechen gegen seinen eigenen Antrag. Denn wenn in der Vergangenheit die Ausschüsse Dinge an sich gezogen haben, um die Arbeit hier rationell zu gestalten, so bedeutet das nicht, daß wir aus dieser Durchbrechung der Regel nunmehr die Regel machen sollten.
({0})
Es gibt auch Ausschüsse, die Dinge an sich gezogen haben, von denen das Haus überhaupt nichts wußte, die ihre Kompetenzen wesentlich überschritten und dadurch in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt haben, als wenn von ihnen die Sanierung z. B. des deutschen Filmschaftens abhinge. Wir haben schon mehrfach Gelegenheit gehabt, dagegen zu protestieren.
({1})
Ich weiß, wir haben auch im Ausschuß genügend dagegen protestiert; es ist nicht das erstemal. Wenn wir einmal § 120 der bisherigen Geschäftsordnung betrachten, so ergibt sich: es ist doch kein Zufall, daß das Haus lediglich einem einzigen Ausschuß - und so war es auch schon im alten Reichstag - das Recht zugebilligt hat, auch ohne besonderen Auftrag Gegenstände an sich zu ziehen. Der Ausschuß für innere Verwaltung, der Ausschuß zum Schutze der Verfassung haben sich darum bemüht, und wir haben es im Ausschuß einstimmig abgelehnt, jenen beiden Ausschüssen noch das Recht zu geben, das bisher nur der Geschäftsordnungsausschuß hatte. Also mit Rücksicht auf § 120 und die bisherige Praxis und nach dem, was der Herr Kollege Arnholz eben sagte, bitte ich Sie, diesen Antrag abzulehnen, wenn anders Sie nicht wollen, daß hier zweigleisig gearbeitet wird, auf der einen Seite in den Ausschüssen unter Ausschaltung der Mehrheit des Plenums und auf der anderen Seite im Plenum. Ich bitte daher, gegen diesen Antrag zu stimmen und die Ausschußfassung anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Was Herr Kollege Mende befürchtet, kann nicht eintreten, weil es in unserem Antrag ausdrücklich heißt: „Gegenstände, die ihrem Aufgabenbereich entsprechen". Es ist also gar kein Mißbrauch möglich.
Im übrigen haben ja in dem Fall, den ich eben angeführt habe, die Kollegen Ihrer Fraktion sehr nachdrücklich mitgearbeitet und sich dafür eingesetzt.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films kann ich die Behauptung des Herrn Kollegen Dr. Mende nicht unwidersprochen hinnehmen. Er hat die Behauptung, daß sich der Ausschuß die Behandlung von Dingen angemaßt habe, die ihm nicht durch eine ordentliche Überweisung vom Hohen Hause zugestanden habe, schon einmal vor diesem Hause aufgestellt. Ich widerspreche dem aufs schärfste. Der Nachweis Ihrer Behauptung, Herr Kollege Mende, wird Ihnen nicht gelingen.
Weitere Wortmeldungen liegen nun aber nicht var. Persönliche Bemerkungen sind auch nicht mehr zu machen,
({0})
Ich komme also zur Abstimmung über § 60 Abs. 3 mit dem Abänderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 60. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 61, - § 62, - § 63, - § 64. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Die vom Ausschuß vorgeschlagene Fassung des § 64 a entspricht dem hier gestellten Antrag, bei § 64 b und § 65 ebenfalls. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen drei aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Ich rufe auf § 66.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um eine Frage von wirklich großer Bedeutung, nämlich darum, ob die Zahl der Ausschußmitglieder so festgelegt werden soll, daß bei voller Wahrung des Kräfteverhältnisses der verschiedenen Parteien, also des gegenseitigen Stärkeverhältnisses, ein Vertreter jeder einzelnen Fraktion oder Gruppe in diesen Ausschuß als gleichberechtigtes, also stimmberechtigtes Mitglied hineinkommen kann. Das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Die Mitarbeit aller Bundestagsabgeordneten dieses Hauses im Ausschuß ist ein. demokratisches Recht. Nach unserer Auffassung kann man das Argument - das auch im Ausschuß gebracht worden ist -, die großen Fraktionen würden durch eine derartige Festlegung der Zahl der Ausschußmitglieder allzusehr beansprucht, dadurch aus der Welt schaffen, daß man bei Abstimmungen dem Führer dieser. jeweiligen Gruppe das Recht konzediert, so viel Stimmen: in die Waagschale zu werfen, wie sie der jeweiligen Fraktion tatsächlich zukommen, auch wenn ihre Vertreter nicht sämtlich an der Ausschußberatung teilnehmen.
({0})
- Aber lachen Sie doch nicht, Herr Doktor! Das ist doch des öfteren exerziert worden! Bei wirklich entscheidenden Abstimmungen hat man, unbeschadet der Zahl der anwesenden Mitglieder der jeweils teilnahmeberechtigten Fraktionen, gesagt, daß das Abstimmungsergebnis tatsächlich so oder so ist, je nach der Stärke der Fraktionen. Also hat man nicht immer das Abstimmungsergebnis nur von der Zahl der jeweils abgegebenen Ja- oder NeinStimmen abhängig gemacht.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Das Drängen der kommunistischen Fraktion, in allen Ausschüssen vertreten zu sein, ist mir nicht ganz verständlich. Denn wir machen doch die Feststellung, daß die Kommunisten selbst in den Ausschüssen, in die sie ordentliche Mitglieder entsenden können, kaum mitarbeiten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Mellies hat hier eine Feststellung getroffen, die an den Tatsachen vorbeigeht.
({0})
- Wir sind im Haushaltsausschuß, sobald dort eine Sache ansteht, die für uns und für das Volk von Interesse ist.
({1})
Wir haben ja neben dieser parlamentarischen Arbeit auch noch einiges andere zu erledigen, Herr Mellies!
({2})
Wir fassen unsere parlamentarische Arbeit auch von der Seite auf, daß wir uns verpflichtet fühlen, unseren Wählern Rechenschaft abzulegen.
Wir sind tatsächlich daran interessiert, an allen Ausschüssen teilnehmen zu dürfen, vor allen Dingen, Herr Mellies, an den Ausschüssen, aus denen wir durch Ihr positives Mitarbeiten bewußt ausgeschaltet worden sind! An diesen Ausschüssen insbesondere möchten wir teilnehmen. Sie wissen ganz genau, worum es uns bei unserem Antrage geht, Herr Mellies!
({3})
Ich sage Ihnen, es kommt nicht immer auf die Quantität an;
({4})
es kommt auch manchmal auf die Qualität der Arbeit an. Und da Sie ja gelegentlich auch die Persönlichkeitsbegriffe herausstellen: 15 Personen machen zwar nach Ihrer Konzeption eine Fraktion, aber sie schaffen noch lange keine Persönlichkeit!
({5})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Änderungsantrag der Fraktion der KPD sind, die Hand zu erheben. ({0})
Das ist offenbar nicht die Mehrheit des Hauses. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 66 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 66 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. - Angenommen.
({1})
- Selbstverständlich!
Zu § 67 mache ich darauf aufmerksam, daß die Worte „und Obmann" in der Überschrift gestrichen werden müssen, da Abs. 3, die Bestimmung über den Obmann, weggefallen ist. Ist das auch die Auffassung des Geschäftsordnungsausschusses?
({2})
Ich brauche wohl nicht besonders darüber abstimmen zu lassen.
({3})
Der Änderungsantrag der SPD zu § 68 ist auch erledigt. Ich kann also über die §§ 67 und 68 abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese beiden Paragraphen in der Ausschußfassung sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Der Änderungsantrag zu § 69 ist ebenfalls erledigt. Dazu kommt § 70. Ich bitte die Damen und Herren, die den beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu § 71. liegen Änderungsanträge der Fraktion der KPD vor. Sollen sie begründet werden, Herr Abgeordneter Renner?
({4})
Es liegt also zunächst der Änderungsantrag der Fraktion der KPD zu Abs. 1 vor:
Die Beratung und Beschlußfassung der Ausschüsse erfolgt in öffentlicher Sitzung.
Zu Abs. 2 wird Streichung des Absatzes sowie Ersetzung durch folgenden Satz beantragt:
Zu den Sitzungen können auf Beschluß des Ausschusses nach Bedarf Interessenvertreter, Auskunftspersonen, Sachverständige sowie die Presse geladen werden.
Sodann wird Streichung des Abs. 4 beantragt. Das sind die Änderungsanträge zu § 71.
({5})
- Sind erledigt! Ihr Antrag ist eingearbeitet.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Änderungsanträge der KPD sind, die Hand zu erheben. - Dagegen? - Die Anträge sind abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 71 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Der Abänderungsantrag zu § 72 Abs. 1 ist eingearbeitet.
({6})
Zu Abs. 3 liegt der Streichungsantrag vor. Soll er begründet werden?
({7})
- Wird nicht wiederholt. - Ich komme also zur Abstimmung über § 72 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die Überschrift des Abschnitts IX und § 73. Wird der Antrag erneut aufgenommen, Herr Abgeordneter?
({8})
- Nicht! - Aber Ihr Antrag zu den Absätzen 3 und 4 wird aufrechterhalten, Herr Abgeordneter Renner. Soll er begründet werden?
({9})
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag der Fraktion der KPD betreffend § 73 Absatz 3 und 4 sind, eine Hand zu erheben. - Das ist nicht die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 73 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 74. Darf ich fragen, wie es mit dem Antrag der CDU/CSU, FDP und DP ist?
({10})
- Wird nicht erneut gestellt, ist erledigt. Ich bitte die Damen und Herren, die § 74 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 75. Hier liegt ein Antrag der Fraktion der KPD vor, den Abs. 3 des § 75 zu streichen.
({11})
- Ist bereits vorhin begründet. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 75. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 76. Hier liegt einmal vor der Antrag der Fraktion der KPD. Wie ist es mit dem Antrag der SPD-Fraktion, Herr Abgeordneter Ritzel?
({12})
- Ist eingearbeitet. Der Antrag der CDU/CSU ebenfalls?
({13})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 76 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 77. - Ist der Antrag eingearbeitet?
({14})
Die Unterscheidung liegt in dem Hinweis auf mehrere Ausschüsse,
({15})
wobei der federführende Ausschuß zu bestimmen ist. Soll der Antrag begründet werden?
({16})
Wird auf diesen Antrag verzichtet?
({17})
Dann der Antrag der KPD auf Streichung des Abs. 2.
({18})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 77 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 78.
({19})
- Der Antrag zu Abs. 1 ist eingearbeitet. Wie ist es mit Abs. 2, Herr Abgeordneter Gengler? Gilt das auch dort?
({20})
Ich rufe gleichzeitig auf die §§ 79 und 80. - Ich bitte die Damen und Herren, die allen drei Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheft; angenommen.
({21})
Zu § 81 beantragt die KPD die Streichung des zweiten Satzes. Wer ist für den Antrag der KPD?
- Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 81 und § 82. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 83 Abs. 2 liegt ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP vor. Bitte, Herr Abgeordneter Gengler!
Ich glaube, daß dieser Antrag wohl allseitige Zustimmung finden wird, da er lediglich das festhalten will, was wir in der letzten Zeit erarbeitet haben. Er hat insbesondere den Zweck, uns in der dritten Beratung vor unnötigen Wiederholungen zu bewahren.
Soll dazu gesprochen werden, meine Damen und Herren?
({0})
- Das ist nicht der Fall. - Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP zu § 83 Sätzen 1 und 2 zustimmen wollen, eine Hand zu erheben.
- Das ist die Mehrheit; es ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 83, gleichzeitig über § 84 und § 85. Ich bitte die Damen und Herren, die den drei Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 86 liegt der Antrag der Fraktion der KPD vor, den letzten Satz zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 86, gleichzeitig über die §§ 87, - 88, - 89, - 90, - 91, -92, - 93. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 94. Dazu liegt vor ein Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 385 Ziffer 5. Soll er noch besonders begründet werden?
({1})
- Herr Abgeordneter Gengler!
Der § 94 - Finanzvorlage - ist im Kern eine Weiterentwicklung des § 48 a unserer Geschäftsordnung. Wir wissen, daß dieser § 48 a im alten Deutschen Reichstag in einer Zeit entstanden ist,
({0})
da es galt, die parlamentarischen Einrichtungen und den demokratischen Staat gegen den Ansturm der Feinde der Demokratie zu schützen.
({1})
Darüber hinaus sollte die Krise des Parlaments verhütet werden. Der Paragraph sollte ein Instrument sein zur Abwehr gegen diejenigen, die den Staat nur von der Seite des Forderns und des Nehmens kennen. Die rein materielle Nur-Interessenvertretung sollte nach Möglichkeit ausgeschaltet werden, und an deren Stelle sollte der Grundsatz der Demokratie, d. h. die Verantwortung des Parlaments treten. Wir wissen, daß es sehr leicht ist, Ausgabenanträge zu stellen, ohne sich um die erforderliche Deckung, um die Schaffung der notwendigen Einnahmen zu bekümmern. Wir haben es ja erlebt, daß Parteien auf der einen Seite ungehemmt Ausgabenanträge gestellt, aber auf der anderen Seite die Mittel zur Deckung verweigert haben.
Wir wissen, daß der § 48 a seinerzeit im Reichstag zu spät gekommen ist. Wir wollen hier die Verantwortlichkeit des Parlaments, die Selbstdisziplin aufrichten, ehe es wieder zu spät ist. Das ist der Sinn unseres Antrags zu § 94. Wir wissen, daß im Grundgesetz in Art. 110 - Haushaltsplan - der Bundesregierung feste Verpflichtungen zur Ausgleichung von Einnahmen und. Ausgaben auferlegt sind, daß ferner zur Wahrung des Ausgleichs in Art. 113 - Erhöhung der Ausgaben - bestimmte Rechte des Einspruchs gegen finanzielle Beschlüsse gegeben sind. Wir sind der Auffassung, daß wir diese Verantwortung nicht lediglich der Bundesregierung zuzuschieben haben, sondern daß das Parlament für sich selbst die Konsequenzen ziehen und das. moralische Gesetz der Verantwortung im § 94 nach der bedeutsamen finanziellen Seite verankern soll.
Herr Abgeordneter Dr. Mende wünscht als Berichterstatter zu sprechen.
Dr. Mende ({0}), Mitberichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erlaube mir, als Mitberichterstatter zu versuchen, heute eine lange Grundsatzdebatte über den § 94 zu vermeiden. Wir haben schon in der 35. Plenarsitzung am 7. Februar 1950 die verschiedenen Auffassungen bei der damaligen Debatte zu § 48 a gehört. Damals sprach Herr Kollege Dr. Arndt von der SPD die Befürchtung aus, daß die Fassung des § 48 a das Initiativrecht der Abgeordneten einschränke und somit verfassungswidrig sei. Trotzdem ist damals der § 48 a im Wege des Hammelsprungs mit 176 Ja-Stimmen gegen 159 NeinStimmen angenommen worden.
Inzwischen haben Beratungen im Ältestenrat stattgefunden. Man hat Schwierigkeiten in der Auslegung des § 48 a feststellen müssen. Daraufhin hat der Ausschuß versucht, die Erfahrungen aus der Praxis der letzten zwei Jahre zu verarbeiten und den Bedenken der SPD-Fraktion in der neuen Ausschußfassung zu § 94 Rechnung zu tragen. Ich darf auf den Bericht in Drucksache Nr. 2550 Seite 10 und auf den Bericht zu Drucksache Nr. 2550 verweisen. Ich hoffe, daß Sie das gelesen haben. Ich brauche es nicht zu wiederholen.
Ich glaube, wir kommen nicht zu einer Vertiefung der Grundsätze, wenn wir jetzt die Debatte des 7. Februar 1950 wiederholen. Ich darf außerdem bemerken, daß dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsklage der SPD-Fraktion vorliegt. In jedem Fall wird eines Tages die Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht gesprochen sein und uns wahrscheinlich erneut beschäftigen. Ich schlage daher vor, ohne eine Wiederholung der Grundsatzdebatten bald in die Abstimmung über die verschiedenen Anträge einzutreten.
Herr Abgeordneter Renner, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt mir fern, eine Diskussion über diese Streitfrage heraufzubeschwören; aber ich möchte hier erklären, daß wir unseren Antrag auf Streichung dieses Paragraphen aufrecht({0})
erhalten. Wenn hier angedeutet worden ist, daß diese Verfassungsklage schwebt, ist dazu zu bemerken, daß es dann eigentlich nur eine Lösung, eine richtige Haltung für den Bundestag gäbe, nämlich das Ergebnis dieser Verfassungsklage abzuwarten. Wenn Sie hier ein Faktum statuieren, dann darf ich Sie auf einen am Ende Ihrer Geschäftsordnung stehenden Paragraphen aufmerksam machen, in dem es heißt, daß Änderungen dieser Geschäftsordnung bzw. Abweichungen nur mit einer Zweidrittel- oder sogar Dreiviertelmehrheit beschlossen werden können! Dann haben Sie also durch diesen Schlußparagraphen erneut die Möglichkeit der Anstrengung einer Verfassungsklage. Das steht in Ihrer eigenen Geschäftsordnung drin!
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Mende und das Hohe Haus brauchen nicht zu befürchten, daß wir die Absicht haben, hier die Grundsatzdebatte nochmals aufleben zu lassen und insbesondere Ausführungen nach der rechtlichen Seite hin zu machen. Dazu genügt die kurze Feststellung, daß für uns der § 94 in jeder Fassung verfassungswidrig ist. Wir sind überzeugt, daß das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit demnächst feststellen wird. Ob Sie sich das vom Bundesverfassungsgericht bescheinigen lassen wollen, müssen wir Ihnen überlassen.
Aber darüber hinaus ist doch in wenigen Worten noch etwas mehr zu sagen. Hierbei handelt es sich ja nicht allein um die verfassungsrechtliche Frage, sondern auch darum, wie das Hohe Haus und vor allen Dingen wie jeder einzelne Abgeordnete sich selbst einschätzt. Der Herr Kollege Gengler hat gesagt, es sei erforderlich, hier das moralische Gesetz der Verantwortung in der Geschäftsordnung zu verankern. Herr Kollege Gengler, dem Abgeordneten, der das moralische Gesetz der Verantwortung nicht in sich trägt, werden Sie es auch mit keiner Geschäftsordnung beibringen!
({0})
Wenn Sie aber in die Geschäftsordnung Sicherungen vor sich selbst einbauen wollen, so ist das ein Armutszeugnis, das Sie damit dem Hohen Haus ausstellen.
({1})
Auch hier ist es eine Frage der Demokratie, wie wir uns dazu verhalten. Das Hohe Haus verdankt heute insbesondere dem verehrten Altpräsidenten des Deutschen Reichstages und dem verehrten Altpräsidenten des Bayerischen Landtages einen Sieg für die Demokratie.
({2})
- Ich glaube, Sie können über Demokratie insbesondere von dem verehrten Herrn Kollegen Horlacher noch einiges lernen!
({3})
Wenn hier von Moral gesprochen wird, so wäre es erforderlich, gerade in diesem Fall die Moral der Demokratie ernster zu nehmen, als es bisher leider geschehen ist. Diesen Appell möchte ich an Sie richten; denn Sie werden danach gewertet werden, wie Sie heute hierüber abstimmen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende zu einer Richtigstellung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Herrn Kollegen Renner berichtigen, der hier den Eindruck hervorgerufen hat, Änderungen unserer Geschäftsordnung müßten mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden. Das ist nicht wahr. Es heißt in § 125 lediglich:
Abweichungen von den Vorschriften der Geschäftsordnung können im einzelnen Fall mit Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden ...
Die Änderung der Geschäftsordnung steht dem Hause jederzeit mit einfacher Mehrheit zu.
({0})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD - der Antrag der Fraktion der KPD ist gleichlautend -, den § 94 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Streichungsanträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich im Augenblick nicht völlig einig, obwohl der Eindruck besteht, daß das letztere die Mehrheit war. Ich bitte zunächst, es durch Aufstehen zu klären. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, zweifellos ist das letztere die Mehrheit; der Antrag auf Streichung ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP, § 94 Abs. 3 und 4 in der neuen Fassung anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; dieser Abänderungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 94 in seiner Gesamtheit. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 94 ist angenommen.
Ich rufe § 95 auf. Dazu ist von der KPD der Antrag gestellt, § 95 überhaupt zu streichen, während die SPD beantragt, § 95 Abs. 3 zu streichen. Sollen die Anträge begründet werden? - Das ist nicht der Fall.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Streichung überhaupt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wer dem Antrag auf Streichung von § 95 Abs. 3 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Streichung des Abs. 3 ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 95 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei Enthaltungen angenommen.
Zu § 96 liegt ein Antrag der Fraktion der KPD vor, einen Zusatz aufzunehmen. Soll das begründet werden? - Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, daß § 96 folgenden Zusatz erhält:
Der Bundestag kann dem Bundeskanzler sowie jedem einzelnen Bundesminister die Mißbilligung bestimmter, einzelner Maßnahmen und Anordnungen zum Ausdruck bringen. Der Bundestag hat zudem das Recht, dem Bundeskanzler sowie jedem einzelnen Bundesminister die Mißbilligung seiner gesamten Amtsführung durch die Streichung des Haushaltsplans des jeweiligen Ministeriums zum Ausdruck zu bringen.
Eine Begründung ist nach den mehrfachen Diskussionen, die um dieses Problem hier geführt worden sind, überflüssig. Ich bitte den Herrn Präsidenten, über unseren Antrag abstimmen zu lassen.
Dies tue ich, Herr Abgeordneter. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der KPD sind, die Hand zu erheben.-Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 96. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 97. Wird der Antrag wiederholt, Herr Abgeordneter Gengler?
({0})
- Nicht! Ich bitte also die Damen und Herren, die für § 97 sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 98 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der KPD vor. Herr Abgeordneter Renner!
Ein einziger Satz zu der voraufgegangenen Abstimmung: Durch diese Abstimmung ist die Entscheidung des Rechtsausschusses desavouiert worden, die im Sinne unseres Antrages, wenigstens des ersten Teiles des Antrages, ergangen ist.
Nun zu dem neuen Antrag. Wir sind der Auffassung, daß nicht nur die Fraktionen, also Gruppen, die eine Stärke haben, welche in einer späteren Entscheidung noch festgelegt werden soll, das Recht haben sollen, Änderungsanträge zu Anträgen zu stellen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, sondern daß jedes Mitglied des Bundestages berechtigt ist, derartige Anträge zu stellen. Eine Begründung erscheint mir überflüssig.
Keine weiteren Wortmeldungen. Meine Damen und Herren, ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der KPD zu § 98 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Das ist nicht die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 98. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 99. Soll die Abwandlung von „grundsätzlich" in „stets" noch erörtert werden, Herr Abgeordneter Ritzel?
({0})
- Ist erledigt. Der Antrag zu § 100 ebenfalls, Herr Abgeordneter Gengler?
({1})
Ich rufe also auf die §§ 99, - 100, - 101, - 102.-Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 103 liegt ein Antrag der Fraktion der KPD vor. Keine Begründung?
({2})
Das andere ist eingearbeitet. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der KPD, Neufassung von § 103; zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die für § 103 in der Ausschußfassung sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 104. Dazu Ergänzungsantrag der Fraktion der KPD. Keine Begründung? - Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 104 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 105 auch keine Begründung des Änderungsantrages der KPD? - Ich bitte die Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
§ 105 in der Ausschußfässung! Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 106. Dazu ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich rufe auf die §§ 106, - 107. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 108. Ihr Antrag ist eingearbeitet, Herr Abgeordneter Ritzel?
({3})
Ich sehe keinen Unterschied. Ferner liegt ein Antrag der Fraktion der KPD zu Abs. 1 vor. Keine Begründung? - Ich bitte die Damon und Herren, die dem Antrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist keine Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über § 108 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 109.
({4})
- Ist alles eingearbeitet, auch die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und SPD?
({5})
§ 109, - § 110, - § 111. - Ich bitte die Damen
und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein
Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
§ 112. Dazu ein Antrag der KPD. Keine Begründung, Herr Abgeordneter Renner?
({6})
- Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will keine Diskussion auslösen über die Praxis, die sich hier in dem Hohen Hause bei der Behandlung der Anträge auf Aufhebung der Immunität herausgebildet hat. Uns kam es mit unserem Antrag auf folgendes an. Wir wollten in der Geschäftsordnung festgelegt haben, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität,
({0})
nachdem ihm ein Antrag auf Aufhebung der Immunität zugeleitet worden ist, seine Prüfungen sowohl wie seine Stellungnahme allein auf die in dem Ersuchen vorgebrachten Angaben zu beschränken hat. Wir wollten damit verhindern, daß der Ausschuß selber in seiner Gesamtheit es unternimmt oder daß einzelne Abgeordnete des Ausschusses der sogar, wie das in einem Fall - beweisbar - geschehen ist, Außenstehende, Minister, unter Umgehung des Plenums den Ausschuß anregen - und in der Vergangenheit haben sie es auch erreicht -, sich bei der Behandlung gewisser Anträge auf Immunitätsaufhebung auch mit Komplexen zu befassen, die in der Anfrage überhaupt nicht zur Entscheidung gestellt sind.
({1})
- Fall Reimann zum Beispiel.
Weitere Wortmeldungen liegen offenbar nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der KPD zu § 112 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 112 und 113 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Die Paragraphen sind angenommen.
§ 114. Dazu ein Antrag der KPD auf Neufassung der Sätze 2 und 3 des Abs. 3. - Offenbar keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der KPD auf Abänderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über die §§ 114 und 115. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Angenommen. Damit ist gleichzeitig die Überschrift des Abschnitts XI beschlossen.
§ 116. Dazu kein besonderer Antrag.
({0})
- Ja, der Antrag liegt vor, aber eine besondere Begründung soll wohl nicht stattfinden. Ich bitte die Herren, die dem Abänderungsantrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf nach der Ausschußfassung die §§ 116, - 117, - 118, - 119, - 120, - 121, -122, - 123, - 124; - Überschrift des Abschnitts XII, - die §§ 125, - 126, - 127, - 128; - Überschrift des Abschnitts XIII, - -§ 129; - Überschrift des Abschnitts XIV, - § 130. ({1})
- Ich habe keinen Antrag dazu.
({2})
- In meinem Exemplar ist das nicht eingeklebt, ich bitte um Entschuldigung! Sie haben recht.
({3})
- Es liegt also der Antrag der Fraktion der KPD vor, die Worte „sowie auf die Würde des Hauses" zu streichen.
({4})
Wünscht jemand dazu das Wort? - Offenbar nicht.. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen
Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich hatte zuletzt die §§ 129 und 130 in der Ausschußfassung aufgerufen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen §§ 116 bis 130 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Meine Damen und Herren, ich kehre zurück zu § 21, über den wir die Abstimmung vorhin ausgesetzt hatten.
({5})
- Ja, Herr Abgeordneter Ewers, ich habe es keineswegs übersehen. Ich möchte zunächst den § 21, über den noch nicht abgestimmt worden ist, vorwegnehmen.
Mir liegt inzwischen ein Antrag der Abgeordneten Sassnick und
({6})
- Ritzel - ich konnte die Unterschrift nicht lesen
- zu § 21 Abs. 1 vor:
Die Abgeordneten sind berechtigt, alle nicht auf Beschluß des Bundestags ausdrücklich als vertraulich bezeichneten Akten einzusehen, die sich in der Verwahrung des Bundestags oder eines Ausschusses befinden. Nur dürfen dadurch nicht die Arbeiten des Bundestages oder seiner Ausschüsse, ihrer Vorsitzenden oder Berichterstatter behindert werden.
Die Einsichtnahme in persönliche Akten oder Abrechnungen, die beim Bundestag über Abgeordnete geführt werden, ist nur den betreffenden Abgeordneten möglich. Wünschen andere Abgeordnete, etwa als Berichterstatter oder Ausschußvorsitzende, oder Persönlichkeiten außerhalb des Hauses Einsicht in diese Akten, dann kann dies nur mit Genehmigung des Präsidenten und des betreffenden Abgeordneten geschehen. Akten, die einen Abgeordneten persönlich betreffen, kann er jederzeit einsehen.
Darf ich fragen, meine Damen und Herren, ob das nicht das zusammenfaßt, was sich in der Aussprache vorhin herausgeschält hat? ({7})
- Herr Abgeordneter Mayer!
Ich glaube, der letzte Satz könnte wieder zu Mißdeutungen Anlaß geben. Es heißt dort, wenn ich recht verstanden habe, „Akten, die einen Abgeordneten persönlich betreffen". Uns kommt es darauf an: Ermittlungsakten in Immunitätsverfahren sollen nicht eingesehen werden.
Meine Damen und Herren, es ist ja vorhin angeregt worden, zu sagen, „Akten des Bundestags, die einen Abgeordneten persönlich betreffen". Kann man diesen Antrag nicht so ergänzen?
({0})
Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter Sassnick und Herr Abgeordneter Ritzel, daß der letzte Satz heißt:
Akten des Bundestags, die einen Abgeordneten persönlich betreffen, kann er jederzeit einsehen.
({1})
({2})
Besteht darüber Einverständnis, daß der Abänderungsantrag in dieser Form gestellt werden kann?
({3})
- Offenbar keine Bedenken. Eine Aussprache wird nicht gewünscht.
({4})
- Ja, meine Damen und Herren, dann eröffne ich die Aussprache. Wer wünscht das Wort dazu? ({5})
- Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht gewünscht.
Ich lasse abstimmen über den Antrag, den § 21 der Ausschußfassung so abzuändern, wie es eben vorgelesen wurde, mit dem Vorschlag, den zu machen ich mir gestattet habe. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Abänderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit.
Ich komme dann zur Abstimmung über den § 21 in seiner Gesamtheit. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 21 in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit. Damit ist die Abstimmung über § 21 beendet.
Im übrigen ist nach dem Vorschlag Nr. 67 des Geschäftsordnungsausschusses in allen Bestimmungen der Geschäftsordnung an Stelle des Wortes „Besprechung" das Wort „Beratung" zu setzen und in § 107 in Überschrift und Text das Wort „Verhandlung" durch „Beratung" zu ersetzen. Es heißt also: „Beschränkung der Beratung über Große, Anfragen." Das sind Änderungen, die sich aus den Besprechungen des Ausschusses offenbar ergeben haben. - Ich darf annehmen, daß das Haus mit diesen Änderungen einverstanden ist und sie annimmt. - Ist das der Fall?
({6})
Meine Damen und Herren, dann komme ich zur Schlußabstimmung.
({7})
- Bitte Herr Abgeordneter Schoettle, zur Abstimmung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten wären froh gewesen, wenn es möglich gewesen wäre, die vorliegende Geschäftsordnung mit einer sehr großen Mehrheit des Hauses zu beschließen. Wir haben Sie während der Beratung der Geschäftsordnung darauf aufmerksam gemacht, daß wir wegen der Sache, die im jetzigen § 94 der Geschäftsordnung geregelt ist und die früher in dem bekannten § 48 a der alten Geschäftsordnung stand, eine Verfassungsklage eingereicht haben. Sie haben trotzdem der Geschäftsordnung diesen § 94 eingefügt.
Wir sehen uns außerstande, einer Geschäftsordnung zuzustimmen, von der wir überzeugt sind, daß einer ihrer Bestandteile nicht dem Grundgesetz entspricht. Wir werden uns daher der Stimme enthalten.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zur Schlußabstimmung über die Geschäftsordnung.
Ich habe dabei allerdings noch die Frage, ob nach dem, was vorhin von dem Herrn Generalberichterstatter vorgeschlagen wurde, die Formulierung in § 130 „Die Geschäftsordnung tritt mit der Annahme durch den Bundestag in Kraft" in dieser
Form bestehen bleiben oder ob „am 1. Januar 1952" eingesetzt werden soll.
({0})
- Dann darf ich Ihnen, meine Damen und Herren, vorschlagen, die schon beschlossene Fassung des § 130 insoweit zu berichtigen, daß wir nicht sagen „tritt mit der Annahme durch den Bundestag in Kraft", sondern „tritt am 1. Januar 1952 in Kraft". Ist das die Auffassung des Hauses?
({1})
Es bedarf dann keiner weiteren Abstimmung.
Ich komme damit zur Schlußabstimmung über die Geschäftsordnung in ihrer Gesamtheit. Ich bitte die Damen und Herren, die der Geschäftsordnung in ihrer Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. - Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß eine Vereinbarung zustandegekommen ist, die Tagesordnung heute nicht fortzusetzen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die nicht erledigten Punkte auf die Tagesordnung der Sitzung am nächsten Mittwoch setzen.
({2})
Zu einer persönlichen Bemerkung wünscht Herr
Abgeordneter Loritz das Wort.
({3})
Loritz ({4}): Meine Damen und Herren! Ich möchte folgendes erklären: Es haben sich Abgeordnete des Hauses, obgleich gerichtliche Entscheidungen, rechtswirksame gerichtliche Entscheidungen seit Monaten gegen sie vorliegen, hier noch als Mitglieder der WAV bezeichnet und erklärt, daß sie ihren Übertritt zur Deutschen Partei vollziehen. Mögen die Herren hingehen, wo sie wollen; aber sich als Mitglieder der WAV zu bezeichnen, war ihnen durch gerichtliche Entscheidung verboten! Den Herrn Präsidenten habe ich übrigens auch schon vor Wochen, wie er mir bestätigen kann, - ({5})
- Ich bleibe dort, wo mich die Wähler hingewählt haben.
({6})
- Unterbrechen Sie mich doch nicht, bitte! - Der Herr Präsident hat von mir Mitteilung bekommen unter Vorlage der diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidungen und weiß es genau: Ich protestiere dagegen, daß hier einige Abgeordnete den Entscheidungen der zuständigen ordentlichen Gerichte ins Gesicht schlagen.
({7})
- Im übrigen, Frau Kalinke, „gratuliere" ich Ihnen nur zu diesem Zuwachs!
({8})
Ganz besonders möchte ich. dem Herrn Kollegen Ewers „gratulieren", der sich seinerzeit, als der Bericht des „Spiegel"-Ausschusses zur Debatte stand, in scharfen und schärfsten Worten
({9})
gegen den Abgeordneten Schmidt wandte, der das Ansehen des gesamten Hauses
({10})
Deutscher Bundestag - 119. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 6. Dezember i961 7441
({11})
in der schlimmsten Weise durch Verleumdungen kompromittiert hatte. D e n habt ihr heute aufgenommen,
({12})
von dem das gesamte Parlament gegen ganz wenige Stimmen beschlossen hat, daß er unwürdig ist, diesem Hause anzugehören! Den habt ihr heute aufgenommen, weil er zu einer Partei der Regierungskoalition gegangen ist.
({13})
Auch dazu „gratuliere" ich euch von ganzem Herzen! Abgeordnete, gegen die noch Strafverfahren bei ordentlichen Gerichten laufen, habt ihr ebenfalls aufgenommen und damit nach dem Grundsatz „Ja, Bauer, das ist ganz ein anders" bekundet, daß es ein ganz anderes ist, ob einer zu dieser Seite hier oder ob er zur Regierungskoalition gehört!
Herr Abgeordneter Loritz, wenn Sie beabsichtigen, noch länger zu sprechen, muß ich Sie auf § 85 der Geschäftsordnung verweisen, wonach Sie mir Ihre Erklärungen vorher schriftlich einreichen müssen.
Loritz ({0}): Soweit es sich um Erklärungen handelt, die sich auf Dinge beziehen, die vor der neuen Geschäftsordnung liegen, könnte man der Überzeugung sein, daß die alte Geschäftsordnung anzuwenden ist.
Ich habe Sie verwiesen, Herr Abgeordneter. Ich entziehe Ihnen das Wort und bitte Sie, die Erklärung schriftlich einzureichen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete - ({1})
- Herr Abgeordneter Loritz, ich bitte, nicht weiterzusprechen!
Herr Abgeordneter Ewers hat das Wort. ({2})
- Meine Damen und Herren, darf ich dann vorschlagen, daß wir die Sitzung nicht noch durch weitere Erklärungen verlängern.
Nein, nein! Ach, um Gottes Willen! Das alles, was wir gehört haben, war keine persönliche Bemerkung; aber ich bin erwähnt worden und möchte Herrn Loritz persönlich antworten: Davor waren wir von Anfang an geschützt, etwa ihn aufzunehmen; das wäre nicht in Betracht gekommen!
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 180. Sitzung, auf Mittwoch, den 12. Dezember, 13 Uhr 30 und schließe die 179. Sitzung.