Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 177. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Aufmerksamkeit für den Herrn Schriftführer zur Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Nölting für drei Wochen, Kalbitzer für drei Wochen und Dr. Gerstenmaier ab 15. 11. 1951 für vier Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß Sie mit der Erteilung des Urlaubs, der über eine Woche hinausgeht, einverstanden sind. - Das ist der Fall.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Frau Dr. Ilk, Hedler, Frau Dr. Rehling, Ollenhauer, Dr. Baur, Dr. Henle, Schröter, Dr. Weber ({0}), Karpf, Frau Kipp-Kaule, Rademacher, Wönner, Reimann, Gundelach, Vesper, Kohl ({1}), Harig und Dannemann.
Meine Damen und Herren! Für den verstorbenen Abgeordneten Brunner ist Frau Abgeordnete Ansorge in den Deutschen Bundestag eingetreten. Ich heiße sie herzlich willkommen und wünsche ihr eine erfolgreiche Arbeit im Deutschen Bundestag.
Meine Damen und Herren, ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Herr Abgeordnete Dr. Glasmeyer aus der Fraktion des Zentrums ausgetreten und zur Fraktion der CDU/CSU übergetreten ist.
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Ich bitte, freundlichst zur Kenntnis zu nehmen, daß die heutige Tagesordnung um die Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend bundeseigene Mittel- und Unterbehörden für die Umsiedlung von Heimatvertriebenen - Nr. 2853 der Drucksachen - ergänzt werden soll. Dieser Antrag soll zusammen mit der Interpellation der CDU/ CSU unter Punkt 1 behandelt werden. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich rufe also zunächst Punkt 1 auf:
Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Umsiedlung von Heimatvertriebenen ({1}) in Verbindung mit der
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend bundeseigene Mittel- und Unterbehörden für die Umsiedlung von Heimatvertriebenen ({2}).
Herr Abgeordneter Dr. Edert wird die Interpellation begründen. Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Edert ({3}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Interpellation liegen folgende Tatsachen zugrunde. Das Hohe Haus hat am 8. März dieses Jahres einstimmig beschlossen, daß 300 000 Heimatvertriebene aus den Ländern Bayern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein in die übrigen Länder der Bundesrepublik umgesiedelt werden sollen, davon 200 000 bis zum 30. 9. 1951 und weitere 100 000 bis zum 31. 12. 1951. Das Gesetz ist am 22. Mai 1951
verkündet worden. Nach dem Grundgesetz sind die Länder verpflichtet, es durchzuführen. Insbesondere sind die Aufnahmeländer verpflichtet, die auf sie entfallende Anzahl von Vertriebenen in der vorgesehenen Zeit bei sich aufzunehmen. Tatsächlich sind aber nach dem Bericht der Abgabeländer vom 1. Oktober 1951 mit dem Stichtag vom 31. August 1951 von den 300 000 nur 11 500 umgesiedelt worden, mit dem Stichtag vom 31. Oktober 1951 fast 21 000. Dabei besteht noch ein Überhang aus dem Vorjahre von rund 19 000.
Somit ist der durch den Beschluß des Bundestages kundgegebene Wille des Volkes nicht ausgeführt. Die Ursache liegt, wenn ich richtig sehe, einmal in dem selbstsüchtigen Verhalten einiger Aufnahmeländer und zum anderen in der mangelnden Weisungsbefugnis der Bundesregierung.
Bereits am 6. Juni 1951 haben die Aufnahmeländer auf einer Tagung in Stuckenbrok erklärt, daß sie die vorgeschriebene Umsiedlung im wesentlichen nur in neu zu erstellenden Wohnraum durchführen könnten. Auch dann seien sie nur bereit, 100 000 statt der 300 000 aufzunehmen.
Nun sehen aber die Richtlinien für den Wohnungsbau nach dem Erlaß vom 20. Februar den Einsatz der Bundesmittel so vor, daß der Wohnungsbau für Heimatvertriebene, Bombengeschädigte und Heimkehrer bevorzugt gefördert werden soll, daß die Soforthilfemittel für den sozialen Wohnungsbau zusätzlich gewährt werden und daß die Bereitstellung dieser Soforthilfemittel die Länder nicht von der Verpflichtung entbindet, einen angemessenen Teil der allgemeinen Wohnungsbaumittel den Heimatvertriebenen zuzuteilen. Diese klare Forderung ist von der Mehrzahl der Aufnahmeländer nicht erfüllt worden. Sie a sehen das Problem in erster Linie als ein wirtschaftliches und nicht als ein menschliches an. Sie verstehen nicht, daß diese Umsiedlung ein Lastenausgleich unter den Ländern ist, eine gesamtdeutsche Aufgabe.
Was hat nun die Bundesregierung dazu gesagt? Der Herr Bundesminister für Vertriebene weist in einem Schreiben vom 22. Juni 1951 den Herrn Minister für Wohnungsbau sehr ernst auf diese Verpflichtung der Länder hin. Er führt dabei die Antworten auf, die ihm die Verwaltungen der Vertriebenen in den Bundesländern auf seine Vorhaltungen hin gegeben haben, daß die Länder nämlich aus den bisher gewährten Mitteln der Soforthilfe nicht hinreichend bauen können, daß sie aus den allgenwinen Wohnungsbaumitteln nicht bauen wolleffr Diese Entschuldigungen, die NordrheinWestfalen, Baden, Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern vorbringen, kommen mir so fadenscheinig vor wie die Entschuldigungen der Geladenen im Gleichnis vom großen Abendmahl. Sie laufen alle auf dasselbe hinaus. Am meisten überrascht mich die Antwort von Baden, das sagt, es könne auf seine nachgeordneten Dienststellen keinen wirksamen Einfluß dahin ausüben, daß diese die Vorbereitungen für den Baubeginn beschleunigten. Das ist das Musterländle, das sich selbst dieses testimonium paupertatis ausstellt.
So dringlich die Bitte des Vertriebenenministers ist, doch einen bestimmten Anteil für die Geschädigten festzusetzen, so antwortet der Minister für den Wohnungsbau doch erst einen Monat später und erinnert die Länder nochmals mit ernsten Worten an ihre Verpflichtung, ja auch an den einstimmigen Bundestagsbeschluß. Aber er
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ordnet nicht an; er bittet nur, die Länder möchten doch aus den allgemeinen Wohnungsbaumitteln für die Umsiedler wenigstens so viel aussondern, daß man ihren guten Willen erkennen könne. Für diese höfliche Ausdrucksweise haben die Länder offenbar kein Verständnis gehabt. Jedenfalls ist auch in den beiden nächsten Monaten nichts Entscheidendes geschehen, bis dann die Abgabeländer am 1. Oktober 1951 erneut vorstellig wurden und erstens feststellten: die Aufnahmeländer sind offensichtlich nicht gewillt, ihrer Bevölkerung die Opfer zuzumuten, die die Bevölkerung der Abgabeländer seit Jahren trägt, d. h. zunächst, den Altwohnraum ganz zu erfassen - ich bemerke dazu, daß in Nordrhein-Westfalen*) 3,7 Personen auf eine Wohnung kommen, in Schleswig-Holstein aber 6,1 Personen -; zweitens: die Aufnahmeländer sind trotz der Richtlinien vom 20. Februar nicht bereit, den aus öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbau auch für die Umsiedlung einzusetzen.
Die Abgabeländer beklagen außerdem die verspätete Bereitstellung der Wohnungsbaumittel und die mangelhafte Koordinierung der nötigen Maßnahmen bei den verschiedenen Stellen der Bundesregierung und verlangen deswegen ein einheitliches Umsiedlungsamt mit einer klaren Abgrenzung der Zuständigkeit, also eine Zentralinstanz mit den nötigen Machtmitteln, um sich gegenüber den Ländern durchzusetzen. Das ist eine Forderung, die ich angesichts der Größe der Aufgabe durchaus unterstütze.
Meine Damen und Herren, daß es möglich ist, auch mit den gegebenen Mitteln etwas zu leisten, mögen Sie daraus ersehen, daß Rheinland-Pfalz sein Soll wenigstens bis zu 48 % erfüllt hat, während Nordrhein-Westfalen seiner Verpflichtung nur zu 0,8 % nachgekommen ist.
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Das mögen Sie auch aus dem Beispiel der Abgabeländer ersehen. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden die öffentlichen Mittel für Wohnungsbauzwecke zu 80 %, in Bayern zu 70 % für Geschädigte zweckgebunden, hiervon in SchleswigHolstein 75 % für Vertriebene, das sind 60 % der Gesamtsumme. Hätten die Aufnahmeländer ihre Mittel in der gleichen Weise gebunden, so würde sich der Bestand auf 100 000 Wohnungen für Vertriebene belaufen. Wenn man jede Wohnung für vier Personen rechnet, bedeutet das Wohraum für 400 000 Menschen, also für 100 000 mehr als vorgesehen. Die Länder, die am stärksten unter dem Druck der Flüchtlinge leiden, haben am besten für sie gesorgt.
Das Problem hat noch eine politische Seite. Die Unruhe und Unzufriedenheit unter den Heimatvertriebenen wächst bedrohlich. Sie stellen fest, daß sie mangels einer einheitlichen straffen Leitung in Bonn jetzt auch durch die freie Wanderung ins Hintertreffen geraten; denn diese kommt im wesentlichen aus den Randgebieten der Industrie, aus der illegalen Zuwanderung aus der Sowjetzone und nicht so sehr aus den eigentlichen Notstandsgebieten, die sich j a fast alle in ungünstiger Verkehrslage befinden. Sie erfaßt also nicht diejenigen Vertriebenen, die, durch jahrelange Not zermürbt, geduldig - aber umsonst - auf die Umsiedlung warten. So wird die Drohung mit der Selbsthilfe verständlich. In Süderbrarup in Schleswig, einem Ort unmittelbar neben meinem Wahlkreis gelegen,
*) Berichtigung durch den Redner: in der französischen Zone
hat sich eine Treckvereinigung gebildet, die unter Inanspruchnahme des Rechts auf Freizügigkeit, wie früher von Osten nach Westen, nun von Norden nach Süden ziehen will. Es sind das an sich ganz ruhige Leute. Aber, so führen sie in einem Brief an den Herrn Bundespräsidenten aus, sie wollen sich nicht mehr vertrösten lassen; sie wollen, enttäuscht durch den Zusammenbruch der staatlichen Umsiedlung, nun das Problem selber lösen. Familienväter, Familienmütter ziehen es vor, noch einmal die Strapazen eines Trecks auf sich zu nehmen, ehe sie und ihre Kinder an dem harten Schicksal zerbrechen. Wer einen Treck mitgemacht hat oder aus eigener Anschauung kennt, weiß, was dieser Beschluß bedeutet. Der große Treck soll im Frühjahr des nächsten Jahres vor sich gehen. Sosehr man diesen Schritt bedauern mag, der ja nur neues Elend heraufführt, so ist er verständlich aus der hoffnungslosen Lage des Notstandsgebiets mit der höchsten Zahl der Arbeitslosen, nach den letzten Mitteilungen mehr als 20 %, davon mehr als 50 % Heimatvertriebene.
Wir beklagen so oft an dieser Stelle das Wiederaufleben des Faschismus. Aber er wächst auf dem Boden der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit am besten. Hier, wo Arbeitslose seit Jahren zusammengepfercht in beschränktem Wohnraum hausen, wachsen die Zellen. Diese Leute, die ja auch das Dritte Reich erlebt haben, ziehen aus der bitteren Not und Hoffnungslosigkeit Vergleiche zwischen heute und damals und sagen mir: Was sollen eure einstimmigen Beschlüsse im Bundestag, wenn ihr sie doch nicht durchführt; eure Bundesregierung kann sich nicht durchsetzen, und eure Länder - ganz einerlei, was sie für eine Regierung haben - stehen nicht brüderlich nebeneinander als hilfsbereite Bundesgenossen, sondern als Vertreter ihrer Interessen.
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Meine Damen und Herren, diese Worte mögen demjenigen hart klingen, der die ganze Größe der Aufgabe der Umsiedlung erkennt. Aber ich meine, das ist die Stimme des Volkes; wir sollten auf sie hören, ehe es zu spät ist. Wenn die demokratischföderalistische Bundesrepublik dieses Problem nicht löst und wenn sie an den Sonderinteressen der Länder scheitert, wenn wir das beschämende Bild erleben, daß im nächsten Frühling Trecks von Zehntausenden von Norden nach Süden auf unseren Straßen liegen, dann hat die junge westdeutsche Republik auf diesem Gebiete ihre Bewährungsprobe nicht bestanden.
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Meine Damen und Herren, die Fraktion der FDP wünscht, ihren Antrag im Rahmen der Besprechung der Interpellation zu begründen.
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Interpellation, weil durch sie das Interesse des gesamten deutschen Volkes auf dieses außerordentlich wichtige Problem hingelenkt wird, und ich empfinde die Interpellation nur als eine Unterstützung für das Anliegen, das mich besonders angeht. Ich möchte vorausschicken, daß die Frage der Umsiedlung nicht nur eine Frage der überbelegten Länder, der Flüchtlingsländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, ist. Es ist selbstverständ({0})
lich, daß diese Länder entlastet werden müssen, nachdem durch das Hereindrücken von mindestens sechs Millionen im Jahre 1945/46 dort eine Lage entstanden ist, die diese Länder auf die Dauer nicht ertragen können. Darüber herrscht gar kein Streit; das wird von niemandem bestritten.
Die Umsiedlung hat noch zwei andere Gesichtspunkte, einmal den Gesichtspunkt, daß den Heimatvertriebenen, die in den Flüchtlingsländern, besonders in Schleswig-Holstein, in fürchterlicher Not sitzen, auch rein persönlich geholfen werden muß, daß sie also dorthin umgesiedelt werden müssen, wo sie Wohnung und Arbeitsplatz bekommen. So wie die Dinge liegen, kann der Arbeitsplatz nur gegeben werden und sich praktisch finden, wenn die Wohnung an dem Platz liegt, wo es Arbeit gibt. Das ist das schwierigste Problem. Denn Arbeit gibt es grundsätzlich nur an den Orten, wo ein großes Industriepotential vorhanden ist. Dieses Industriepotential ist deshalb so geschmälert, weil gerade an diesen Orten auch die größte Zerstörung durch die Bombenangriffe angerichtet ist. Mit anderen Worten, der Arbeitsplatz ist nur vorhanden, wenn eine Wohnung gebaut wird. Altwohnraum ist in den Aufnahmeländern natürlich reichlicher vorhanden als in den anderen Ländern. Herr Edert hat gesagt, daß Nordrhein-Westfalen eine Belegung von 3,7 Personen je Wohnung habe. Das ist nicht richtig; Nordrhein-Westfalen ist stärker belegt. Es handelt sich bei der Zahl von 3,7 um die Aufnahmeländer in der französischen Zone. Aber diese Wohnungen sind leider auch nur da. wo keine Arbeit zu finden ist, also z. B. im Hochschwarzwald und auf dem Hunsrück.
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In Nordrhein-Westfalen sind die Dinge schlimm. Dort haben wir wohl die Möglichkeit, sofort 120 000 bis 140 000 Arbeitsplätze zu besetzen; die Voraussetzung für die Besetzung der Arbeitsplätze ist aber immer das Vorhandensein einer Wohnung, mit anderen Worten der Wohnungsbau. So muß man die Dinge sehen.
Ich möchte auch auf das zweite Moment hinweisen: die Umsiedlung ist nicht nur eine Angelegenheit der Heimatvertriebenen als solcher, sondern sie ist auch eine Angelegenheit von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Es geht darum, die Leute, die fern von jedem Arbeitsplatz sitzen, in eine volkswirtschaftlich befriedigende Tätigkeit für das Gesamte zu bringen. Es geht nicht an, daß heute noch, nach unserer Schätzung, 12 000 bis 15 000 Bergleute aus den Ostgebieten fern von den Gruben arbeitslos dasitzen. Aber das ist, wie gesagt, von der Unterbringung abhängig. Nur eine erschreckende Zahl möchte ich Ihnen da nennen: aus Nordrhein-Westfalen sind innerhalb des letzten Jahres, und zwar deshalb, weil sie auf die Dauer nicht in Baracken, fern von ihrer Familie, leben wollten. ungefähr 52 000 bis 53 000 Bergarbeiter fortgelaufen. Das ist eine wirtschaftlich höchst betrübliche Zahl.
Nun steht außer jedem Zweifel, daß, wenn ein Gesetz erlassen ist, jeder verpflichtet ist, dieses Gesetz durchzuführen. Das gilt für die Abgabeländer genau so wie für die Aufnahmeländer. Theoretisch ist richtig, daß die Länder, auch wenn man ihnen nicht einen Pfennig für den Wohnungsbau gegeben hätte, trotzdem nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wären, für die Unterbringung 7U sorgen. Darüber braucht man nicht zu streiten. Nur steht die Praxis der Durchführung eines Gesetzes diesem theoretisch richtigen Satz immer etwas im Wege. Ich habe bei den Verhandlungen über das Gesetz im März dieses Jahres darauf hingewiesen - und auch das Hohe Haus, insbesondere der Herr Abgeordnete Pfender, haben, wie Sie beim Nachlesen des Protokolls über die 124. Sitzung feststellen können, mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen -, daß die Aufnahmeländer in die Lage versetzt werden müssen, durch Bereitstellung von Mitteln auch die nötigen Wohnungen zu bauen.
Ich selbst habe es ebenfalls für meine wichtigste Aufgabe gehalten, diese Mittel zu besorgen, und ich bin - das kann ich wohl sagen - Tag für Tag gelaufen, um diese Mittel zusammenzubekommen. Die Notwendigkeit der Mittelbeschaffung ist auch bei den Verhandlungen über das Gesetz im Wohnungsbauausschuß, insbesondere durch den Abgeordneten Lücke, betont worden. Ich selber habe dringend gebeten, für die Finanzierung bzw. für die Deckung zu sorgen. Es fehlten nämlich - wenn ich Ihnen die Rechnung aufmachen darf - etwa 400 Millionen DM, die aufzubringen sind. Wenn Sie 300 000 Leute umsiedeln, so brauchen Sie für diese - 300 000 geteilt durch 4 gleich - 75 000 Wohnungen. Zur Finanzierung von 75 000 Wohnungen gehören 750 Millionen DM. Wir haben aus allen Ecken 255 Millionen DM zusammengekratzt. Damit wäre es, wenn man den sogenannten Förderungsbetrag von 5500 DM pro Wohnung zugrunde legt, möglich gewesen, für 200 000 Umsiedler zu sorgen. Dann mußten aber auch - und das ist die Aufgabe der Länder - die ersten Hypotheken und die letzte Stelle besorgt werden. Für die ersten Hypotheken wären 400 Millionen DM notwendig gewesen. Diese Summe bringt, wie die Dinge heute liegen, der Kapitalmarkt nicht in voller Höhe auf. Ich habe daraufhin den Finanzminister gebeten, für die Deckung Sorge zu tragen. Der Finanzminister hat zunächst gesagt, er könne es nicht, und war gewillt. Art. 113 des Grundgesetzes diesem Gesetz gegenüber zur Anwendung zu bringen. Schließlich hat er aber, weil damals die Hoffnung bestand, eine Anleihe zu bekommen, einen Betrag in Höhe von 260 Millionen DM in den außerordentlichen Etat eingesetzt. Der außerordentliche Etat kam jedoch leider nicht zum Zuge, weil keine Anleihemöglichkeit bestand. Wir haben also 255 Millionen DM verteilt, und zwar von Januar/März bis in den Juni hinein, soweit wir das Geld bekommen konnten.
Nun war es meiner Meinung nach ein Fehler, daß die Länder die Mittel erst vergeben haben, nachdem sie die erste und die letzte Stelle finanziert hatten. So kommt es, daß manche Länder im Rückstand sind. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen. Es wäre richtiger gewesen, diese 255 Millionen DM sofort auch zur Vorfinanzierung zu verteilen und hernach durch die Kraft des privaten Kapitalmarktes oder durch sonstwie zu beschaffende Mittel. z. B. durch die Soforthilfe, die erste Hypothek abzulösen. Die 255 Millionen DM hätten, geteilt durch 10 000, 25 000 Wohnungen ergeben; wir hätten also 100 000 Menschen umsiedeln können.
Zusammengefaßt können Sie sagen, die Umsiedlung dieses Jahres sei gescheitert, wenn Sie nämlich die Zahl 300 000 der Zahl von 25 000 de facto Umgesiedelten gegenüberstellen. Aber es ist falsch, die Dinge so zu sehen. De facto sind in diesem Jahre 81 000 umgesiedelt worden, und zwar etwa 50 000 aus dem Überhang des vorigen Jahres und 25 000 aus dem Soll des Jahres 1951. Dazu kom({2})
men noch einige Tausend, die heute noch nicht verrechnet sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, wenn Mittel im Februar vergeben werden, dann gehört zur Planung ein Zeitraum von zwei Monaten, zur Vergebung der Mittel ein weiterer Zeitraum von zwei Monaten und schließlich zur Ausführung des Baues noch ein Zeitraum von sechs Monaten. Die ersten Wohnungen, die aus dieser Mittelvergabe erstellt werden können, werden also im Dezember dieses Jahres fertig. Die weiteren werden im Laufe des nächsten Jahres bis zum Juli/August erstellt werden. Man darf unter diesen Gesichtspunkten nicht sagen: Die Umsiedlung ist gescheitert! Sie ist nur durch die Not der Verhältnisse verzögert. Alle Länder sind heute bereit, sie durchzuführen, wenn sie Wohnungen erstellt haben.
Wir haben nun geprüft, ob wir nicht den Mißstand beseitigen können, der durch die Methode der Vergabe der Mittel notwendigerweise eintritt. Wenn wir nämlich die Umsiedlung an die Tatsache der Beschaffung einer speziellen Wohnung binden, kommen wir in das bürokratische Verzögern hinein. Wir haben für das nächste Jahr in Übereinstimmung mit den Landesflüchtlingsverwaltungen und auch mit dem Herrn Wohnungsbauminister ein System ausgedacht, wonach dieses „Kästchenwesen", wie wir es nennen, aufhört und die Bundesmittel den Ländern insgesamt überwiesen werden, die Überweisung aber an die Verpflichtung gebunden wird, eine ganz bestimmte Rate von Umsiedlern unterzubringen, so daß man freier ist.
Auf die Frage - ich will sie einmal zuspitzen -: Hat die Bundesregierung ihre Pflicht getan?, würde ich sagen: sie hat getan, was in ihren Kräften stand. Welche Mittel hat die Bundesregierung, wenn sie nach dem Grundgesetz handeln will? Maßgeblich ist Art. 84 des Grundgesetzes. In Art. 83 steht, daß die Länder verpflichtet sind, die Bundesgesetze in eigener Verantwortung durchzuführen. In Art. 84 gibt es zwei Mittel. Nach Art. 84 Abs. 3 kann die Bundesregierung Bevollmächtigte in die Länder entsenden zur Nachprüfung, ob dem Gesetz Genüge getan ist. Meine Herren, ich habe mir diese Ermächtigung für mich und den Herrn Wohnungsbauminister vom Bundeskabinett geben lassen. Ich hatte gebeten, die Beantwortung der Interpellation auf Anfang Dezember zu verschieben, und zwar nicht aus politischen, sondern aus sachlichen Gründen. Uns fehlen nämlich noch die Antworten der Länder auf die Fragen: „Was habt ihr mit den 255 Millionen DM getan? Wann habt ihr verplant? Wann habt ihr vergeben? Wann habt ihr angefangen zu bauen? Wann habt ihr fertiggestellt? Wann ist es soweit, daß die Umsiedler hereinkommen?" Diese Angaben fehlen noch. Sie werden besorgt; ich glaube, in den nächsten Tagen werden sie eingehen. Dann erst kann man einen wirklichen Schluß ziehen, ob eines der Länder seine gesetzliche Verpflichtung verletzt hat. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Bund ja nur die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung, nicht die verwaltungsmäßige Richtigkeit nachzuprüfen und Mängel nur bezüglich der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zu rügen hat.
Es bleibt dann der Art. 84 Abs. 4, nach dem eine Verletzung des Gesetzes festgestellt werden kann. Diese Feststellung kann aber nur im Einvernehmen mit dem Bundesrat geschehen. Nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Länder des Bundes können einen solchen Antrag stellen. Ich habe lange darauf gewartet, daß bei den heftigen Beschwerden der Länder eines der Länder den Mut haben würde, im Bundesrat den Antrag zu stellen, daß dieses oder jenes Land das Recht verletzt hat. Es ist nicht geschehen, aus einem sehr naheliegenden Grunde. Ich glaube nämlich, daß sich im Bundesrat eine Geschlossenheit der Länder finden würde, dieses Ansinnen heftig zurückzuweisen. Es wäre jedenfalls ein Schritt von höchster politischer Bedeutung.
Es bleibt noch eins. In § 17 Abs. 1 des Umsiedlungsgesetzes steht, daß die Bundesregierung das Recht hat, Einzelweisungen zu geben. Diese Einzelweisungen liegen mir schwer auf dem Herzen, ich darf wohl sagen, seit Jahr und Tag. Denn ich werde ja immer auf die Möglichkeit von Einzelweisungen hingewiesen und gefragt: „Warum erläßt du keine Einzelweisung, um diese Dinge durchzuführen?" Ich bitte doch einmal nachzudenken, welchen Inhalt eine solche Einzelweisung haben könnte. Die Einzelweisung ist ja auch streng an das Gesetz gebunden und muß ganz spezialisiert sein. Eine Weisung: „Du, Land Baden, hast 9000 Umsiedler aufzunehmen!" steht schon im Gesetz; eine solche Einzelweisung brauchen wir nicht. Wenn die Einzelweisung Zweck haben soll, dann muß sie dahin gehen, die wirkliche Aufnahme zu erzwingen. Die große Frage ist, ob ich eine Einzelweisung an das Land Baden oder Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen des Inhalts erlassen kann: Du hast deinen dir zur Verfügung stehenden Wohnraum so einzuschränken, daß du eine gleiche Belegung wie Schleswig-Holstein hast. Einmal ist das, wie ich Ihnen schon gesagt habe, nicht so einfach; denn der Wohnraum, den die Länder zur Verfügung haben, befindet sich an den Orten, wo es keine Arbeit gibt. Die Verhältnisse sind ja auch bei den Heimatvertriebenen unterdessen etwas anders geworden, und zwar mit Recht. Die Heimatvertriebenen lehnen es ab, irgendwohin umgesiedelt zu werden, wo sie nicht Arbeit und Wohnung in erreichbarer Nähe haben. Ich muß allerdings sagen: ich persönlich würde es für richtiger halten, Leute aus Schleswig-Holstein nach den südlichen Ländern zu bringen, weil dort die Lebensverhältnisse, auch wenn die Umgesiedelten keine Wohnung und Arbeit haben, doch erträglicher und besser sind. Aber nun sind fünf Jahre vergangen, und ich halte es für berechtigt, wenn die Heimatvertriebenen diese Forderung stellen. Hier möchte ich anknüpfen und auch einmal etwas loben - mich oder die Bundesregierung loben.
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Mindestens 80 % der Umgesiedelten haben Arbeit und Wohnung gefunden. Wenn seit Bestehen der Bundesregierung rund 300 000 Heimatvertriebene umgesiedelt und davon 80 % in Arbeit und Wohnung gebracht worden sind, so ist das, objektiv gesehen, eine Riesenleistung.
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Subjektiv, für die Betroffenen, ist es natürlich, wie auf allen Gebieten des Vertriebenenwesens, erheblich zu wenig, und es muß alles eingesetzt werden, um mehr zu erreichen.
Nun fragen wir, wohin die Weisung gehen kann. Die Weisung kann dahin gehen, daß der Wohnraum eingeschränkt werden muß. Als ich das dem Herrn Wohnungsbauminister sagte, hat er gesagt: Um Gottes willen, du überlegst dir die praktischen
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Konsequenzen nicht, das ist nicht so einfach; dann mußt du das Wohnungsbaugesetz de facto ändern. Es wäre über Art. 119 gegangen. Dann hätte ich aber in alle die Vorzugsrechte eingreifen müssen, in die Vorzugsrechte der Spätheimkehrer, der Kriegsverletzten, der Kinderreichen usw. Alle diese Dinge hätten Verwirrung in die gesamte Wohnungswirtschaft gebracht. Das kann man nicht tun, wenn man vor der Verantwortung steht.
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Der Weg wäre also nicht möglich gewesen. Es bleibt nur übrig, die Einzelweisung dahin zu fassen, daß, wie es ein Regierungspräsident gegenüber einem Kommunalverband tun kann, die Länder angewiesen werden, zwangszuetatisieren, d. h. die Mittel in dem Augenblick zur Verfügung zu stellen, in dem die Auflage der Umsiedlung kommt.
Ich glaube, es ist grobe Theorie, wenn wir bei der grundgesetzlichen Gestaltung, die wir nun einmal haben, solche Wege beschreiten wollten. Deshalb fällt auch das leider weg. Es bleibt nichts anderes übrig, als mit allem Nachdruck - und das habe ich getan - immer darauf hinzuweisen. Ich bin von Platz zu Platz, von Ministerpräsident zu Ministerpräsident gefahren und habe Vorstellungen erhoben und Verständnis gefunden. Wenn hier das Wort „Bitte" ausgesprochen worden ist, so kann ich darauf nur sagen: es ist völlig gleichgültig, ob ich sage: Ich bitte, oder: Ich fordere. Mir kommt das Wort „fordern" schon etwas abgegriffen vor, so wie das Wort „verankern" und ähnliche Worte, die heute so Mode sind. Ich bitte lieber, und zwar mit Nachdruck. Eins wollen Sie sich klarmachen: wenn wir diese Dinge mit Gewalt durchsetzen, werden die Verhältnisse letzten Endes auf dem Buckel meiner Heimatvertriebenen gelöst. Wenn ich einen Heimatvertriebenen mit Polizei, um den extremsten Fall zu nehmen, in eine Wohnung setze, gibt es einen Unfrieden und eine Nichtbereitschaft zu helfen. Die Konsequenzen haben letzten Endes die Heimatvertriebenen zu tragen. Das ist die schwierige Situation des Vertriebenenministers, der letzten Endes auf das gesamtdeutsche Pflichtbewußtsein, auf die christliche Liebe angewiesen ist. Mit Gewalt sind die Dinge nicht zu lösen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage, ob eine sofortige Besprechung der Interpellation gewünscht wird. Ich bitte die Damen und Herren, die für eine Besprechung sind, eine Hand zu erheben. - Das sind mehr als 50 Abgeordnete; damit wird die Interpellation besprochen. Im Rahmen der Besprechung der Interpellation wird der Antrag der Fraktion der FDP begründet werden.
Zunächst hat das Wort der Abgeordnete Tichi im Rahmen einer von mir vorgeschlagenen Redezeit von 90 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesminister für Vertriebene der Meinung ist, daß mit seinen Darlegungen die Situation gerettet und seine und der Bundesregierung Schuld an dem Zusammenbruch der Umsiedlungsaktion aus der Welt geschafft sei, dann hat er sich schwer getäuscht. Herr Minister, die Wurzeln des Übels liegen viel tiefer, und wir haben alle Ursache, diese Eiterbeule aufzustechen. Der Herr Bundeskanzler hat am Sonnabend in einer großen Kundgebung des Bundes vertriebener
Deutscher in Hannover zu uns gesprochen. Ich hätte gewünscht, daß er bei der Arbeitstagung, die am nächsten Tage stattfand, die schwere Anklage meines Parteifreundes, des Abgeordneten Dr. Gille aus Schleswig-Holstein, gegen die Bundesregierung wegen ihrer Umsiedlungspolitik gehört hätte. Herr Minister Lukaschek hat sie gehört, wahrscheinlich auch gut verstanden, und hat die Stimmung der Delegierten vernommen, die aus ganz Westdeutschland zusammengekommen sind.
Eines muß mit aller Klarheit gesagt werden. Man ist in Regierungskreisen ernstlich besorgt wegen des wachsenden Radikalismus, aber man bemuht sich keineswegs ebenso ernstlich um die Beseitigung einer sozialen Kluft, die in ihren Ursachen die Quelle des Radikalismus ist. Wenn die durch Jahre hindurch vertrösteten und hingehaltenen Heimatvertriebenenmassen nun zur Selbsthilfe greifen und, wie wir hören, vorläufig in SchleswigHolstein Trecks organisieren, um in die Aufnahmeländer zu ziehen, dann muß man verstehen, daß es um eine begreifliche Notwehr der Enterbten und um eine sehr ernste Sache geht. Wir haben keinen Grund, diese begreifliche Notwehraktion zu unterbinden oder aufzuhalten. In Schleswig-Holstein gehen Listen von Haus zu Haus. Von der dänischen Grenze bis nach Niedersachsen hinunter tragen sich die Flüchtlinge und Vertriebenen darin ein. Sie setzen ihre Unterschrift unter folgenden Text:
Das Scheitern der offiziellen Umsiedlungsaktion infolge des restlosen Versagens der Regierungen und Parteien hat bei den unterzeichneten Heimatvertriebenen den Wunsch hervorgerufen, zur Selbsthilfe überzugehen und im Frühjahr 1952 zusammen mit anderen Schicksalsgenossen in einem geschlossenen Treck nach Süddeutschland zu ziehen, um aus der jetzigen trostlosen Lage herauszukommen. Zu diesem Entschluß sind wir vor allem durch die Erkenntnis gekommen, daß wir hier zur Dauerarbeitslosigkeit verurteilt sind und eine menschenwürdige Unterbringung auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird. Vor allem aber wollen wir unsere Kinder nicht weiterhin im Elend aufwachsen und unter den jetzigen Verhältnissen seelisch und körperlich verkommen lassen.
Diese Aktion hat bereits nach Niedersachsen herübergegriffen und wird wahrscheinlich auch in Bayern nicht ausbleiben.
Wenn es zu dieser revolutionären Tat kommen sollte, dann gebe ich den Herren Landbürgermeistern und Landräten, vor allem aber der einheimischen Bevölkerung der Aufnahmeländer den gutgemeinten Rat, diesen armen, von der Not gepeitschten Menschen und ihren Familien Tür und Tor zu öffnen und sie nicht vor ihnen zuzuschlagen.
Ich habe in meiner Heimat etwas Ähnliches erlebt, als unmittelbar nach dem ersten Weltkriege die ersten Trecks aus Siebenbürgen über Österreich zu uns kamen. Da habe ich gesehen, daß viele begüterte Bauern die Türen zuschlugen und daß diese armen Teufel damals im Freien kampieren mußten. Die Menschen, die heute als Heimatlose hier in Westdeutschland Zuflucht suchen müssen, sind dieselben Bauern, die damals herzlos waren. Das sollte zur Warnung dienen. Denn wir wissen nicht, was noch über die deutschen Lande kommen wird. Was nützen uns die Kundgebungen der Kirchen, was nützen uns die Bischofskonferenzen
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über das Flüchtlingsproblem, wenn nicht wahre Nächstenliebe und Christentum in die breiten Massen jener christlichen Bevölkerung eindringen, die alles behalten und nichts verloren hat und nun der Schicksalsgemeinschaft eines gemeinsam verlorenen Krieges aus dem Wege geht?
Es ist für jeden Bewohner der Bundesrepublik, dessen Herz nicht zu Stein geworden ist, untragbar, und er kann es nicht verstehen, daß heute, sieben Jahre nach dem Kriege, bei dem wirtschaflichen Aufschwung Deutschlands seit 1948 wieder Züge des Elends und der Verzweiflung durch die deutschen Lande ziehen müssen. Ein Volk, das sich Luxusautomobile, Luxuslokale und Luxusgeschäfte in solcher Zahl leistet, Paläste, Kinos und Residenztheater baut, kann sich nicht Millionen Unzufriedene leisten, die einen Staat ablehnen, von dem sie ungerecht behandelt werden.
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Der Zusammenbruch der Umsiedlung ist vom staatspolitischen Standpunkt betrachtet mehr, als die verantwortlichen Stellen zugeben wollen. Dieses Fiasko ist nicht nur ein schwerer Schlag gegen unsere Flüchtlingspolitik, sondern ein Bankrott unserer föderalistischen Staatspolitik als solcher.
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Wenn der Staat von seinen Bürgern verlangt, daß sie seine Gesetze befolgen, dann muß er auch so viel Autorität haben, daß die Minister, die Staatssekretäre und die Bürokraten in den Aufnahmeländern ein Gesetz respektieren, das der Bundestag einmütig beschlossen hat und das vom Bundespräsidenten sanktioniert worden ist.
Eines ist schon grotesk: die Interpellation, über die wir heute verhandeln, wurde von der Fraktion der CDU/CSU eingebracht, somit von einer Partei, die die Regierung in den Aufnahmeländern beherrscht,
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die heute hier unter Anklage stehen, einer Partei, der auch der Bundesvertriebenenminister Dr. Lukaschek angehört. Daher haben wir den Eindruck, daß es sich hier um eine Flucht vor der Verantwortung handelt und um nicht mehr. Es muß doch allen Verantwortlichen klar sein, um was es geht. Heute leben 300 000 Heimatvertriebene in Lagern und in Massenquartieren, oft 20 bis 40 Personen in einem Raum. Was das für die Moral der Familie und der Kinder bedeutet, kann nur der verstehen, der diese Lager besucht hat. Von 7 600 000 Heimatvertriebenen leben allein 60 %, das sind 4 700 000, in den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Von 450 000 arbeitslosen Vertriebenen befinden sich vier Fünftel, das sind 360 000, in diesen Ländern. Die Situation wird noch dadurch erschwert, daß jährlich 200 000 Flüchtlinge aus der Ostzone hereinströmen, die man, auch wenn sie illegal kommen, nicht mehr herausbringen kann und vielleicht auch nicht soll.
Die Aufnahmeländer machen die Aufnahme weiterer Vertriebener davon abhängig, daß ihnen der Staat die notwendigen Wohnungsbaumittel zur Verfügung stellt. Wir haben wohl eine andere Auffassung. Von den Mitteln für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau wurden in den drei Abgabeländern 80 bis 90 % für Wohnungen für Vertriebene verwendet, während der Bundesdurchschnitt 37,5 % für Vertriebenenwohnungen beträgt. Daher kann man annehmen, daß in den Aufnahmeländern höchstens 20 bis 30% von den ihnen zugeteilten Mitteln des allgemeinen Sozialen Wohnungsbaues für Vertriebene verwendet wurden.
Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat den Ländern verschiedene Mittel gesperrt, weil sie nach seiner Meinung ihre Pflicht nicht erfüllen. Die Bundesregierung hätte es demnach in der Hand, den Aufnahmeländern die Mittel für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau zu sperren, solange sie nicht das ihnen auferlegte Soll von Heimatvertriebenen übernehmen.
Die Aufnahmeländer bestreiten auch, daß bei ihnen Wohnraum vorhanden sei. Auch das ist nicht richtig. Auch die einheimische Bevölkerung in Bayern, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein mußte sich in ihrem Wohnraum einschränken, als die großen Massen der Vertriebenen aus den anderen Ländern hereinfluteten,
({5})
während es bekannt ist, daß in den Aufnahmeländern noch Tausende von Wohnungen vorhanden sind, die man aber nicht erfassen will.
Wir wollen auch nicht - und das sei deutlich gesagt -, daß Mittel der Soforthilfe - und es geht um Hunderte von Millionen - für andere Zwecke als für Wohnungen für Vertriebene verwendet werden, wie es geschehen ist.
Und noch eines. Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat heute und vor einigen Tagen im Rundfunk über das Problem der Umsiedlung gesprochen. Sein Appell an die Aufnahmeländer, ihre Pflicht zu erfüllen, war so schwach, daß er kaum eine Wirkung haben wird. Das wissen wir. Es fällt schwer, anzunehmen, daß auch nur einer der Betroffenen die Mahnung des Herrn Ministers ernst nehmen wird. Das einzige, was wir bewundern, ist das Vertrauen, das Herr Bundesminister Dr. Lukaschek in die Geduld der Heimatvertriebenen setzt. Diese Geduld, Herr Minister, ist vorbei! Erst gestern hat mir ein Minister erzählt, daß der Bundesminister Lukaschek im Vermittlungsausschuß geschwiegen hat, als das Gesetz über die Teuerungszulagen der Unterhaltsempfänger verschlechtert wurde.
({6})
Unser Problem, meine Damen und Herren, ist viel zu ernst, die Verantwortung der Regierung und ihres Ressortministers viel zu groß. Wenn sich der Minister für Vertriebene zu schwach fühlt, dann möge er einer starken Persönlichkeit Platz machen, die sich durchsetzt und in der Regierung durchgreift.
({7})
- Suchen Sie sich jemanden! - Wir haben nichts davon, wenn der Minister für Vertriebene lediglich die Rolle eines Bettelmannes spielt. Das erkläre ich mit aller Deutlichkeit, Herr Kollege Mende, nicht nur im Namen meiner Gruppe, sondern ich erkläre das im Namen meiner Partei, des BHE, dessen zweiter Vorsitzender ich bin.
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Die Erklärung des Herrn Ministers hat uns nicht befriedigt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im März dieses Jahres im Bundestag das Gesetz über die Umsiedlung für das Jahr 1951 besprochen wurde, da haben nur Abgeordnete aus den Abgabeländern gesprochen, Abgeordnete aus den Übernahmeländern haben sich still verhalten, - ein Zeugnis dafür, daß sie bereit waren und bereit sind, sich an der Durchführung der Umsiedlung zu beteiligen. Sie haben damit den guten Willen bekundet, das Menschenmögliche zu tun. Wenn wir nun, wie das jetzt eben der Fall war, Rückschau halten auf das, was inzwischen geschehen ist, so sehen wir allerdings ein betrübliches Ergebnis. Wir müssen aber ehrlich genug sein, auch die Gründe anzuerkennen, die für das Versagen all derjenigen Länder, die in diesem Jahr die 300 000 Flüchtlinge hätten aufnehmen sollen, vorliegen.
Von meinem Vorredner ist vorhin von „selbstsüchtigen Ländern" gesprochen worden. Ich glaube, wer die Verhältnisse kennt, kann diesen Ausdruck nicht gutheißen. Wir dürfen nicht nur berücksichtigen, wie es in den Ländern, die mit Flüchtlingen allzusehr belastet sind, aussieht; wir müssen auch die Verhältnisse in den Ländern sehen, die die Flüchtlinge übernehmen wollen und auch übernehmen, sobald die Möglichkeit besteht. Und da ist es notwendig, einmal einen Blick in die einzelnen Länder zu tun. Die Verhältnisse sind bei fast allen Übernahmeländern die gleichen. Es sind reiche und reichste Länder dabei, es sind große und kleine Länder dabei, und die Verhältnisse, die dort vorliegen, lassen sich zum Teil auf einen Nenner bringen.
Wenn ich jetzt, nachdem mein Fraktionskollege Herr Edert bereits vom Musterländle Baden gesprochen hat, auf dieses Land besonders eingehe, dann darf ich auch auf etwas hinweisen, was in Baden eben anders ist als in anderen Ländern und was immer zu wenig berücksichtigt wird. Wir haben in Baden Besatzungslasten - über die ich von dieser Stelle aus schon mehrfach zu sprechen hatte -, die über das Maß dessen hinausgehen, was im Bundesdurchschnitt festzustellen ist. Im ganzen Bundesgebiet sind laut Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 75 000 Wohnungen beschlagnahmt, davon allein in Baden über 8000, das sind also 11 % der im ganzen Bundesgebiet beschlagnahmten Wohnungen. Wenn ich das umrechne und sage: auf tausend Wohnungen kommen im Bundesgebiet acht beschlagnahmte Wohnungen, so sehe ich, daß beispielsweise in Schleswig-Holstein auf tausend Wohnungen drei beschlagnahmte Wohnungen, in Niedersachsen fünf beschlagnahmte Wohnungen und in Bayern acht beschlagnahmte Wohnungen kommen, d. h. also, daß diese Zahlen der des Bundesdurchschnitts entsprechen bzw. wesentlich unter ihr liegen. Bei uns in Baden kommen aber auf tausend Wohnungen siebenundzwanzig beschlagnahmte Wohnungen.
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Ich bitte, auch das einmal beachten zu wollen; dann wird Ihr Urteil über das Musterländle vielleicht etwas milder werden.
({1})
Hinsichtlich der Länder, die die Leute übernehmen sollen, ist auch noch etwas anderes zu berücksichtigen. Ich betone nochmals: sie haben den Willen bekundet, die Menschen, die ein so schweres Schicksal zu tragen haben, unter allen Umständen aufzunehmen. Aber es ist nicht zu verkennen, daß in diese Länder von überall her schon weit über
die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge hinaus. Zugewanderte gekommen sind. Einmal sind das z. B. bei uns die zurückgebliebenen Kriegsgefangenen, die nicht mehr in ihre Heimat zurückgekehrt sind, zum andern sind es Leute, die aus der Ostzone flüchten oder die aus der Tschechoslowakei oder sonstwoher ausgesiedelt worden sind. Es sind Leute, die, der Freizügigkeit, dem Niederlassungsrecht folgend, aus diesen Ländern zu uns herunterkommen. Es sind bei uns auch noch soundso viele Evakuierte, die gern heimkehren würden, wenn sie die Möglichkeit dazu hätten. Das sind lauter Momente, die man berücksichtigen muß, wenn man ein Urteil über den guten oder den schlechten Willen, den diese Länder bekunden oder nicht bekunden, fällen will.
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Lassen Sie mich noch etwas anderes erwähnen. Im allgemeinen Wohnungsbauprogramm sind 35 Millionen DM ausgeworfen worden, um Wohnungen für Besatzungsverdrängte zu schaffen. Von diesen 35 Millionen DM hat Baden, obwohl wir 11 % der gesamten Besatzungsverdrängten in unserem Lande haben, nur 2,7% der Gesamtsumme, nämlich 950 000 DM bekommen, während beispielsweise Niedersachsen und Hamburg zusammen 6 Millionen DM und Nordrhein-Westfalen 9 Millionen DM bekommen haben. Ich möchte bitten, auch diese Dinge einmal zu berücksichtigen.
Der Herr Bundesminister hat vorhin in außerordentlich fürsorglicher und väterlicher Art das ganze Problem aufgeworfen. Er hat - und das hat mich gefreut - zugegeben, daß die Länder nicht schlechten Willens seien, daß aber Voraussetzungen zu erfüllen seien, um diese Flüchtlinge aufzunehmen. Und das einzige, was wir im allgemeinen dazu tun können, ist doch, Wohnungen zu bauen. Etwas anderes ist gar nicht zu machen. Kommen Sie doch einmal zu uns herunter und schauen Sie sich die Altwohnungen an! Die sind ebenfalls überbesetzt. Wenn ich an meine eigene Gemeinde denke: wir sind schwer fliegergeschädigt, wir haben eine sehr starke Besatzung, und wir haben Leute, die genau so unter den Hohlziegeln wohnen, wie es andernorts der Fall ist. Auch diese Dinge müssen unter allen Umständen berücksichtigt werden.
Wir müssen also bauen, weil Altwohnraum nicht mehr zu haben ist, es sei denn in den entlegensten Gebieten des Schwarzwaldes, wo aber - und auch das muß gesagt sein - unsere Flüchtlinge gar nicht hinwollen. Sie wollen und ziehen doch dahin, wo Verkehr ist, wo etwas los ist, wo sie schließlich Arbeit und Brot finden können. Das ist durchaus begreiflich und verständlich. Aber hier muß der Bund mithelfen. Was wir bisher bekommen haben, reicht nicht aus. Es reicht deswegen nicht aus, weil erstens einmal die ersten Hypotheken gefehlt haben und weil letzten Endes die Restfinanzierung auf Grund der Teuerung nicht hat durchgeführt werden können. Man muß diese Dinge sehen, wie sie sind. Wir haben außerdem in Baden noch etwa 3000 Flüchtlinge, die in Lagern sind und untergebracht werden müssen und auch untergebracht werden, wenn der Bund die Möglichkeit dazu gibt.
Ich möchte also hier zwei Bitten an die Bundesregierung richten, erstens einmal, daß wir bei einer Verteilung solcher Gelder nicht wieder zu kurz kommen und uns nachher mit dem schönen Wort „Musterländle" abspeisen lassen müssen, und zweitens, daß wir so viel Geld bekommen, daß wir auch wirklich bauen können. Wenn das der Fall ist, dann wird es unter allen Umständen geschehen.
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Der Herr Minister hat erfreulicherweise darauf hingewiesen, daß es nicht damit getan ist, die Leute einfach aus den Lagern wegzunehmen und sie irgendwo anders unterzubringen. Wir haben diese Verhältnisse schon kennengelernt. Es sind z. B. Leute aus dem Norden, die dort in Arbeit standen, zu uns heruntergeholt worden, und bei uns haben sie keine Arbeit gefunden. So kann es unter keinen Umständen weitergehen. Es ist auch sinnlos, die Leute aus schlechten Verhältnissen herauszunehmen und sie in ebenso schlechte oder in noch schlechtere unterzubringen. Die notwendigen Vorbereitungen müssen geschaffen werden, damit die Leute auch gut untergebracht werden können.
Es ist nun vorhin von Radikalismus gesprochen worden, was ich bedaure. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen es nicht dahin kommen lassen, daß der Radikalismus auf der einen Seite dem Radikalismus auf der anderen Seite begegnet. Es muß so sein, daß wir in gemeinsamer und vertrauensvoller Arbeit das leisten, was erforderlich ist, um den Flüchtlingen eine menschenwürdige Wohnung und auch eine Arbeitsmöglichkeit zu schaffen. Wenn das geschieht, dann werden sie auch zufrieden sein.
Die Frage, ob wir das Problem im ganzen lösen können, ist an dieser Stelle schon mehrfach behandelt worden. Es ist gesagt worden, das sei nicht möglich. Aber das, was möglich ist, werden wir tun und auch tun müssen. Ich sehe auch nicht ein, daß wir besondere Organe in die einzelnen Länder hereinbekommen sollen; das können unsere Länderregierungen ganz allein tun, und sie werden es tun. Sie haben so viel sittliches Verantwortungsbewußtsein, daß sie sich nichts vorwerfen lassen. Nur im Geiste gegenseitiger Verständigung, im Geiste christlicher Auffassung, im Geiste brüderlicher Liebe wird es möglich sein, dieses Problem, soweit es an uns liegt, zu lösen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stech.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellanten haben die Bundesregierung gefragt, welche Maßnahmen sie getroffen habe und welche Maßnahmen in Aussicht genommen seien, den einstimmigen Beschluß des Bundestags vom 8. März dieses Jahres durchzuführen. Es ist nach unserer Ansicht bezeichnend, daß diese Interpellation von der größten Partei der Regierungskoalition kommt. Nach unserer Ansicht steht es ihr nicht sehr gut an, diesen heiklen Fragenkomplex anzurühren. Oder soll man etwa glauben, daß es auch ihr allmählich zuviel wird und daß es auch nach ihrer Ansicht mit der eigens für diese so schwerwiegenden Umsiedlungsfragen geschaffenen Einrichtung, nämlich dem Ministerium für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen, und mit dem Herrn Bundesminister Dr. Lukaschek einfach so nicht mehr weitergeht? Wenn man dieser Meinung sein müßte, - ({0})
- Wir werden uns bemühen, Besseres an die Stelle zu setzen, verlassen sie sich darauf, Herr Kollege!
({1})
Wenn es so sein sollte, dann sind wir allerdings
auch der Meinung, daß jetzt und in naher Zukunft
Maßnahmen ergriffen werden müssen, die völlig
verfahrene Situation einer Lösung näherzubringen.
({2})
- Um Ihren Zwischenruf zu beantworten, erlaube ich mir zu sagen, daß der. Herr Bundesminister in seiner Erklärung selber gesagt hat, daß die Umsiedlungsaktion 1951 an sich zusammengebrochen ist.
({3})
- Wir arbeiten ja im Heimatvertriebenen-Ausschuß dieses Hauses seit Jahr und Tag zusammen und brauchen uns solche Zurufe nicht zu machen. Verlassen Sie sich darauf, Herr Kollege!
({4})
Es ist ein Jammer sondergleichen, daß man die Umsiedlungswilligen in den drei Flüchtlingsländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern immer noch in ihren Lagern hausen läßt. In dem Zusammenhang kann hier gesagt werden, daß sich in meinem Lande Schleswig-Holstein mehr als 250 000 Personen freiwillig für die Umsiedlung gemeldet haben, weil sie gern und freudig in wirtschaftlich stärkere und mit Heimatvertriebenen unterbelegte Länder möchten. Oder sollen wir diese Menschen, die nun schon seit sechs bis sieben Jahren in Lagern und sonstigen Behausungen leben müssen, ihrem elenden Schicksal überlassen? Wenn man bedenkt, daß heute noch rund 340 000 Heimatvertriebene in den drei Flüchtlingsländern in Lagern hausen müssen, dann braucht man sich über die Haltung dieser hieran unschuldigen Menschen in politischer und sonstiger Hinsicht wahrhaftig nicht mehr zu wundern. Hier wirkt sich nicht nur die bekannte Lagerpsychose nachteilig aus, sondern insbesondere die Tatsache, daß wir in diesen drei überbevölkerten Ländern männliche und weibliche arbeitsfähige Menschen zu verzeichnen haben, die seit all den Jahren der Flucht oder der Vertreibung bis heute entweder nur Gelegenheitsarbeit geleistet haben oder berufsfremd tätig gewesen sind oder gar überhaupt noch nicht wieder ein einziges Mal Arbeit finden und leisten konnten. Gerade diese letztere Tatsache ist die schlimmste, die nach bestorganisierter Umsiedlung förmlich schreit.
Was ist nun seit Beendigung der seinerzeitigen Flüchtlings- bzw. Vertriebenen-Bewegung geschehen? Bekanntlich nannte man die damalige Aktion Flüchtlings-Bewegung. Zu Ehren der Gemeinden, Kreise und Länder kann und muß gesagt werden, daß sie nach dem fürchterlichen Zusammenbruch der nazistischen Gewaltherrschaft das irgendwie Menschenmögliche für Unterkommen, Kleidung und Nahrung getan haben. Aber so konnte und durfte es j a nicht bleiben. Aus diesem Grunde mußte nach Lage der Verhältnisse an die Betreuung und vor allen Dingen an die Eingliederung der 8 Millionen Vertriebenen herangegangen werden. Auf der einen Seite waren Ländergesetze zur Behebung der Vertriebenen-und Flüchtlingsnot erforderlich, die zum größten Teil auch für die Hunderttausende Evakuierter im Sinne der Gleichstellung in Frage kamen. Aus den damaligen interzonalen Verhandlungen wurde zwingend deutlich, daß man an einen Bevölkekerungsausgleich herangehen müsse.
Aus diesem Grunde wurde im Juni 1947 die Lösung des Flüchtlingsproblems zum ersten Mal auf der ersten deutschen Ministerpräsidentenkon({5})
ferenz in München auf die Tagesordnung gesetzt, und zwar auf Veranlassung des Ministerpräsidenten Lüdemann, des Regierungschefs des Flüchtlingslandes Nr. 1. Dort wurde eine grundsätzliche Übereinstimmung über einen großen und gerechten Bevölkerungsausgleich erzielt.
Noch im gleichen Jahre 1947 wurde in Sachen der Flüchtlinge anläßlich der Ministerkonferenz in Segeberg in Holstein ein gerechter Spitzenausgleich vereinbart, nach welchem alsdann die Umsiedlung beginnen sollte. Die dort ebenfalls ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft der Länderflüchtlingsverwaltungen hat dann nach langwierigen Erhebungen über die Bevölkerungs- bzw. Wohnraumzahl usw. mit dem im Zuge der Bildung des Wirtschaftsrats in Frankfurt am Main errichteten Zentralamt für Angelegenheiten der Vertriebenen einen Umsiedlungsplan erarbeitet, der auch in den Jahren 1948 und 1949 zum Tragen kam. Die so erarbeiteten Ergebnisse in Vereinbarungen mit den Aufnahmeländern Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Württemberg-Baden und insbesondere mit den Ländern in der französischen Zone, Rheinland-Pfalz, Südbaden und Württemberg-Hohenzollern, ließen den berechtigten Schluß zu, daß die Umsiedlung planvoll ablaufen würde. Seit Bildung der Bundesrepublik jedoch und seit der Berufung des Herrn Bundesvertriebenenministers haben wir leider eine angesichts der damals berechtigten Hoffnungen rückläufige Bewegung festzustellen. Heute nun stehen wir vor einem fast völligen Zusammenbruch der Umsiedlungsaktion.
Bei solcher Sachlage muß man sich allerdings fragen, wer hierfür verantwortlich zu machen ist. Die Schuld an diesem Sachverhalt trifft nach unserer Auffassung einzig und allein
({6})
die Bundesregierung.
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- Wenn Sie mir „Heil Hitler" zurufen, ist das unglaublich; und das sagen Sie einem Menschen, der - ({8})
- Ach, dann habe ich es natürlich mißverstanden. Aber wehe, wenn einer von uns einen solchen Zwischenruf gemacht hätte!
({9})
Wenn die Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers im Herbst 1949 ausdrücklich darauf Bezug nimmt, daß die Bundesregierung für einen gerechten Bevölkerungs-, Finanz- und Lastenausgleich durch bundesgesetzliche Regelung sorgen werde, dann muß man sagen: das Ergebnis bis zum November 1951 ist geradezu als jämmerlich zu bezeichnen. In derselben Regierungserklärung wird festgestellt, daß man durch großzügige Wohnungsbauprogramme auf Grund von Bundesgesetzen genügend neuen Wohnraum für die wohnungsuchenden Vertriebenen, Ausgebombten und Evakuierten erstellen lassen werde, dann vergißt man die Tatsache, daß die Überhänge in den einzelnen Wohnungsbaujahren durch monatelanges nutzloses Verhandeln zwischen den einzelnen Ressorts verschuldet worden sind. Das in diesem Zusammenhang festzustellen, hielt ich insbesondere für meine Pflicht. Wie oft mußte die Bundesregierung interpelliert werden, warum die Arbeitsbeschaffungsprogramme nur stückweise durchgeführt
wurden! Dies alles sind tief einschneidende Wirtschaftsfragen, die mit der Umsiedlung und der Eingliederung der Vertriebenen in den Wirtschaftsprozeß sowie mit dem Wohnbedürfnis dieser breiten Massen in ursächlichem Zusammenhang stehen. Aber bei solcher Planlosigkeit braucht man sich dann über die Finanz- und Steuerpolitik bzw. die Wirtschafts- und Kreditpolitik der Bundesregierung wahrhaftig nicht zu wundern.
({10})
Wie soll denn auch der fähigste Fachminister für Vertriebenenfragen in einem solchen Kabinett mit seinen Belangen zum Zuge kommen?
({11})
In solchem Falle nützt die beste Rechtsverordnung beispielsweise nach Art. 119 des Grundgesetzes und nützt auch das vom Bundestag einstimmig beschlossene Bundesumsiedlungsgesetz gar nichts. Die Interpellanten sollten sich mit uns sagen, daß die Dinge so nicht gelöst werden können.
Wenn man uns heute erneut auf die Zukunft, und zwar zunächst auf das Jahr 1952 vertröstet und darauf, daß es dann in diesem Jahre in Sachen der Umsiedlung wahrscheinlich etwas besser klappen werde, und wenn man heute noch neue Erheb ungen, Berechnungen, Statistiken, Gutachten und dergleichen mehr empfiehlt., dann ist dies nach Lage der Sache, da es jahrelang immer wieder geschehen ist, sinnlos. Man braucht nur einen Blick in das Sonneplan-Gutachten zu werfen; dann erkennt man sofort, wo die Fehlerquellen bei der Lösung der deutschen Vertriebenenfrage und ganz besonders bei der Umsiedlung gelegen haben und liegen. Wer nach derart schwerer Kritik, insbesondere auch vom Ausland her, nicht die Konsequenzen zieht, der ist wohl a auch nicht willens, das einstimmig angenommene Umsiedlungsgesetz vom 8. März dieses Jahres - ich sage das mit besonderem Hinweis auf § 17 dieses Gesetzes - durchzuführen. Wenn sich schon die Bundesregierung und ihr Vertriebenenminister nicht an ein solches Bundesgesetz halten, dann braucht man sich auch nicht zu wundern, wenn sich Treckvereinigungen als eingetragene Vereine beispielsweise in Schleswig-Holstein gebildet haben, die sich ihr Recht auf ein menschenwürdiges Dasein durch Selbsthilfe erzwingen wollen.
Herr Bundesminister, anläßlich der Tagung des Bundes vertriebener Deutscher haben Ihnen mehr als 700 Kreisvorsitzende und Geschäftsführer Ihrer eigenen Organisation, der Sie seit Jahren angehören, am Sonntag, dem 18. November dieses Jahres, zur Umsiedlungsfrage ein glattes Mißtrauenvotum vor Ihrer Rede, während Ihrer Rede und nach Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht.
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Eine andere Antwort, als sie Ihnen am letzten Sonntag dort vor aller Öffentlichkeit, ich möchte fast sagen: Weltöffentlichkeit erteilt worden ist, vermögen auch wir Ihnen nicht mehr zu geben. Man kann schon sagen: Die Umsiedlung ist tot, aber die Bundesregierung lebt.
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Das Wort hat der Bundesminister für Wohnungsbau.
Wildermuth. Bundesminister für Wohnungsbau: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Herren Abgeordneten Tichi und Stech ist der schwere Vorwurf gegen die Bundesregierung er({0})
hoben worden, sie sei am Zusammenbruch der Umsiedlung schuld. Das entspricht nicht der Wahrheit. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? Der Bund besteht seit dem September 1949. Im November 1949 hat der Herr Bundesminister für Vertriebene eine Verordnung erlassen, die die Umsiedlung von 300 000 Vertriebenen im Jahre 1950 vorsah. Bis zum Ende des Jahres 1950 waren 236 187 Personen umgesiedelt,
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bis zum 31. Oktober 1951 waren 281 000 umgesiedelt; der Rest von 18 900, rund 19 000, wird noch herankommen.
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Woran liegt es, daß sich eine solche Aktion über Jahr und Tag hinzieht? Das liegt allein an der Technik der Durchführung des Wohnungsbaues. Sie können im großen und ganzen - das mag im Jahre 1950 noch etwas leichter gewesen sein; da war vielleicht da und dort noch brauchbarer Altbauwohnraum vorhanden - nur ebenso viele Leute umsiedeln, wie Sie Wohnungen für sie bauen.
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Nun müssen Sie, um Wohnungen bauen zu können, die Mittel bereitstellen. Die Mittel, die wir aus den verschiedenen Fonds bereitstellen können - und wir haben im Jahre 1950 zugunsten der Umsiedler sehr tief in die Bundesfonds hineingegriffen -, sind nur ein Teil der Finanzierungsmittel; die anderen Mittel müssen beschafft werden. Sie müssen damit rechnen, daß von der Verteilung der Mittel an die Länder bis zum Bewilligungsbescheid drei bis fünf Monate vergehen. Man mag diese Zeit zu lang finden, man mag es verbessern können; wir müssen zunächst mit der Tatsache rechnen. Der Bau dauert unter günstigen Umständen neun Monate. Das heißt, daß von der Bewilligung der Mittel bis zum fertigen Bau ein Jahr vergeht, und wenn Schwierigkeiten auftauchen, mag gelegentlich noch etwas mehr Zeit vergehen.
Wie sieht es mit der Umsiedlung im Jahr 1951 aus? Das Gesetz, das alle Parteien des Hohen Hauses einstimmig beschlossen haben, stammt vom Mai dieses Jahres. Leider enthält das Gesetz keine Bestimmung über die Finanzierung der Umsiedlung. Das hat die Bundesregierung, und zwar die beteiligten Ressorts, meinen Herrn Kollegen Lukaschek und mich, keineswegs gehindert, schon vor Erlaß des Gesetzes Mittel bereitzustellen. Wir haben im Januar aus Bundeshaushaltsmitteln 50 Millionen bereitgestellt, aus Soforthilfemitteln einschließlich der Reserven aus den Umstellungsgrundschulden im Februar 95 Millionen, aus Soforthilfemitteln im Juni wieder 51 Millionen, im Oktober 43 Millionen DM. Dazu kommen noch Mittel, die dieses Jahr nötig waren als Eigenkapitalersatz und als erste Hypotheken in Höhe von 47 Millionen DM. Für die Binnenumsiedlung innerhalb der Flüchtlingsländer kommen noch einmal 43 Millionen DM hinzu. Mit dem Aufwand dieser Mittel - Sie brauchen sich nur die Bewilligungsdaten auszurechnen und die Zeiten hinzuzuschlagen - werden von den vorgesehenen 300 000 Umsiedlern 200 000 bis Spätsommer nächsten Jahres umgesiedelt sein.
Das sind die Tatsachen. Von einem Zusammenbruch der Siedlung und von einer Verhinderung der Umsiedlung durch die Bundesregierung kann mit gutem Gewissen kein Mensch sprechen. Ich würde den Kollegen Stech doch bitten, sich einmal
bei seinen Freunden in Hamburg, Mannheim oder Wiesbaden zu erkundigen, wie die Dinge in Wirklichkeit aussehen.
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Ich glaube, es würde Ihnen, wie man in Hamburg sagt, dort „Bescheid gestoßen" werden, so daß Sie hier etwas zurückhaltender in Ihren Reden sein würden.
Meine Herren, das Wohnungselend ist fürchterlich. Es trifft sicherlich die Flüchtlinge am meisten. Ich habe gar nichts mehr hinzuzufügen zu der Feststellung, daß man die Flüchtlinge nur umsiedeln kann, wenn man sie in Arbeit bringt. Das ist bei all den Leuten, die bisher umgesiedelt worden sind, gelungen, und das war ein großer Erfolg. Aber ich muß hier als Wohnungsbauminister aussprechen: Es gibt auch noch andere Leute, die in fürchterlichem Wohnungselend wohnen: Nur zwei Zahlen zum Vergleich. Wir haben noch 350 000 Flüchtlinge in Barackenlagern; aber wir haben im ganzen Bundesgebiet 500 000 als Notwohnungen bezeichnete Unterkünfte, d. h. 2 Millionen Menschen, die in Baracken, Bunkern, Kellern oder in anderen menschenunwürdigen Wohnungen leben und an die wir auch denken müssen.
Deswegen richte ich die Bitte an das Hohe Haus, nicht unberechtigte Vorwürfe gegen die Bundesregierung, die Länder oder gegen irgend jemand zu erheben und nicht jemanden die Schuld zuzuschieben, der keine Schuld hat, sondern gemeinsam den Weg zu suchen, wie wir diesen Menschen helfen können. Helfen können wir ihnen nicht mit Reden, aber mit Wohnungsbau.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen wohl alle, daß das Heimatvertriebenenproblem eines der schwierigsten Nachkriegsprobleme ist. Unsere Haltung zum Heimatvertriebenenproblem ist aber auch einer der besten Prüfsteine dafür, ob wir beim Aufbau unserer jungen Demokratie, unseres Bundes die richtige Haltung haben und den richtigen Weg gehen. Es ist allmählich peinlich, immer wieder zur Heimatvertriebenenfrage im Bund sprechen und immer wieder feststellen zu müssen, daß die Lösung dieses Problems nicht vorwärtsgeht. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir den Weg eines egoistischen, materialistischen Interessenklubs gehen, der in Zukunft nicht in der Lage sein wird, die schweren Belastungen, die wir noch zu überstehen haben werden, zu tragen, oder ob wir einen echten Bund 'wollen, der gerade in der Tragung gemeinsamer Lasten, die sich aus der Nachkriegssituation ergeben haben, Bande knüpft. Da müssen wir uns einmal ganz offen und ehrlich einige Minuspunkte vor Augen halten. Wenn ich das Abstimmungsergebnis im Bundesrat bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsiedlung von 300 000 Flüchtlingen überblicke und feststellen muß, daß in einer Zeit, wo die Lebensbedingungen im Bund ganz andere sind als zu der Zeit, da die flüchtlingsüberbelasteten Länder die Heimatvertriebenen aufgenommen haben, gerade die Aufnahmeländer wie Baden, Nordrhein-Westfalen, Württem({0})
berg-Baden, Württemberg-Hohenzollern mit Nein gestimmt haben, so muß ich sagen, daß das wohl nicht die richtige Haltung sein kann. Denn 300 000 sind bei der Millionenzahl von Flüchtlingen in den überbelasteten Ländern nur eine geringe Belastung für die Aufnahmeländer. Es würde bei der Umsiedlung auf die Aufnahmeländer nur ein ganz bescheidener Teil an Heimatvertriebenen entfallen sein. Daher hat weder eine sachliche Berechtigung zu diesem Nein bestanden, noch war es psychologisch angebracht. Es ist aber auch keine Haltung insbesondere gegenüber den Ländern, die mit Heimatvertriebenen überbelastet sind, wenn z. B. das Land Nordrhein-Westfalen im August dieses Jahres noch 11 760 Heimatvertriebene aus dem Jahre 1950 abzurufen hatte. Wenn man auf der anderen Seite aus dem Bericht des Instituts für Raumforschung in Bonn feststellen muß, daß in Nordrhein-Westfalen ganz gewaltige Bewegungen vorhanden sind - in der freien Wanderung und in der gelenkten Umsiedlung -, wobei Nordrhein-Westfalen eine Viertelmillion Arbeitskräfte aufgenommen hat, so ist das ein Beweis, daß dort auch genügend Wohnräume vorhanden sind. In dieser Zahl sind aber nur 10 % Umsiedler und Heimatvertriebene.
Daher ist auch der Einwand der Aufnahmeländer nicht berechtigt, daß nicht genügend Altwohnraum vorhanden sei. Wenn man den Maßstab der Belegung der Altwohnräume in den flüchtlingsüberbelasteten Ländern zugrunde legte, würde man in den Aufnahmeländern ausreichend Altwohnräume freibekommen, um hier Heimatvertriebene aufnehmen zu können.
Oder: Wenn an dem Tage, nachdem hier das Gesetz über die Leistungen der Länder an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer - 27 % Abgabe an den Bund - beschlossen wurde, um den Bundeshaushalt auszugleichen, in der Zeitung zu lesen war, daß sich der Bund geweigert hat, einen Zuschuß zur Auflösung von 291 Flüchtlingslagern in Bayern zu geben, wo die Wohnverhältnisse menschenunwürdig sind, wie es in dem Bericht heißt, dann ist das wohl bei der Lösung des Heimatvertriebenenproblems kein richtiges Verhältnis von Bund und Ländern.
Dann lese ich im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung die letzten Auslassungen der Herrn Bundesflüchtlingsministers bezüglich der Mittel, die nun zur Verfügung gestellt werden, um den Umsiedlern Wohnraum zu schaffen und die Umsiedlung vorwärtszutreiben, wie eben auch der Herr Wohnungsbauminister ausgeführt hat, und eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Vertriebene vom 7. November 1951, daß diese für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Bundesmittel, die immerhin 255 Millionen DM betragen, künftig nach diesem Vorschlag sämtlich den Ländern mit der Auflage gegeben werden, eine bestimmte Anzahl von Umsiedlern unterzubringen. Das ist also eine richtige Maßnahme. Wenn dann aber diese Auflage nicht durchgeführt oder wenn sie abgebogen wird, wenn der Herr Flüchtlingsminister vielleicht deswegen, weil er ein gutes Herz hat, knieweich wird, dann verstehe ich seine Ausführungen nicht, die er erst kürzlich laut einem Bericht in dem oben erwähnten Bulletin vom 15. November 1951 gemacht hat. Da heißt es nämlich - und hier muß die Haltung der einzelnen Aufnahmeländer, die diese Wohnungsbaumittel bekommen, kritisiert werden -, die Tatsache, daß diese Mittel an Umzusiedelnde
zweckgebunden seien, habe vielfach in den Aufnahmeländern große Schwierigkeiten ausgelöst. Es sei die Empörung der anderen Wohnungsuchenden in den Aufnahmeländern rege geworden, die sich dagegen gewandt hätten, daß die Umzusiedelnden als Neuankömmlinge bevorzugt werden sollten.
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Nun hat man sich nach diesem Bericht des Herrn Flüchtlingsministers dazu verstanden, die Mittel, die für die Umzusiedelnden gegeben worden sind, auch denjenigen zuzuführen, die schon in dem Aufnahmelande sind, um hier keine Beunruhigung - die gar nicht berechtigt wäre, - auszulösen.
Man muß auch fragen: Hat die Bundesregierung alles getan, um diese Probleme zu lösen? Man darf nicht stur von dem Standpunkt ausgehen, daß Wohnung u n d Arbeit geschaffen werden müßten, um die Umsiedlung vorwärtszubringen, obwohl ich das begreife. Ich glaube vielmehr, bei dem langsamen Gang müßte man sich auch dazu verstehen, daß man hier, wenn nur Wohnungen vorhanden sind - und es sind im Vergleich zu den überbelegten Ländern Altwohnungen da -, schärfer vorgeht und auch dann schon eine Umsiedlung vornimmt, wenn ein Arbeitsplatz noch nicht geschaffen ist.
Ich darf weiter fragen, ob alle Mittel, die der Bund hat, ausgeschöpft worden sind. Dabei möchte ich daran erinnern - und gerade die gestrige Debatte hat mich darauf gebracht -, daß j a die Bayernpartei schon längst einen Antrag eingebracht hat, dessen Durchführung ein sehr gutes Mittel gewesen wäre, die Aufnahmeländer zu zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wir haben mit Drucksache Nr. 2112 die Errichtung einer Bundesumsiedlungs-Ausgleichskasse für Heimatvertriebene beantragt. An diese Ausgleichskasse sollte von den aufnahmepflichtigen Bundesländern jährlich ein Betrag von mindesten 500 DM für jeden Angehörigen der genannten Bevölkerungsgruppe geleistet werden usw., wenn die Umsiedlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden sollten.
Nun habe ich mich gestern erkundigt, wie es um diesen Antrag steht. Der Antrag stammt vom 4. April 1951. Er ist an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen und an den Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen worden. Im Ausschuß ist noch kein Beschluß gefaßt worden,
({2}) weil auf die Gesetzesvorlage gewartet wird.
({3})
- Das ist egal; das hat andere Gründe. Aber Sie hätten hier ein sehr parates Mittel gehabt, die Dinge vorwärtszutreiben.
({4})
- Wenn Sie schon diese Schwierigkeiten sehen, dann müssen Sie auch diese Wege gehen. Es muß uns doch allen klar sein, -
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Einen Augenblick noch!
Es muß uns doch allen klar sein: wer den Flüchtlingsausgleich durch eine laxe Haltung oder durch die Nichtaufnahmebereitschaft sabotiert, der sabotiert auch die Eingliederung der Heimatvertriebenen und damit die Befriedung der Lage der Heimatvertriebenen. Wir haben immer erklärt, wenn der Flüchtlingsausgleich durchgeführt ist, sind wir,
({0})
um die inneren Spannungen zwischen Einheimischen und Heimatvertriebenen zu beseitigen, bereit, die Flüchtlinge als gleichberechtigte Staatsbürger aufzunehmen. Das muß kommen; das müssen Sie vorwärtstreiben. Das kann aber nur kommen, wenn Sie den Flüchtlingsausgleich nicht sabotieren. Es sind einzelne Länder, die wirklich in der schwersten Notzeit, als wir nichts zu essen hatten, als unsere Wohnungen zerstört waren, als keine Arbeitsstätten da waren, die ganze Last der Flüchtlinge allein getragen haben. Es waren die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Ich appelliere an die Aufnahmeländer, doch jetzt, wo die Ernährungslage nicht mehr so schlecht ist, wo das Wohnungsproblem schon viel leichter geworden ist, diesen ganz bescheidenen Teil der Heimatvertriebenen aufzunehmen. Sie sollen es in einer Zeit tun, in der auch die inneren Belastungen nicht mehr so groß sind. Sie müßten daran denken, daß die Länder Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein früher allein die Last getragen haben. In der damaligen Zeit war auch ein seelischer Zusammenbruch gegeben. Der Krieg war verloren, die Jungen waren nicht heimgekommen, im Bombenhagel sind viele Angehörige verstorben. Das ganze Unglück lastete auf der Seele. Trotzdem haben wir die Last aus dem Flüchtlingselend allein getragen. An Ihnen liegt es jetzt, das Problem der Lösung zuzuführen.
Aus den heutigen Ausführungen haben Sie entnommen, daß unerhörte Spannungen zu erwarten sind, wenn die Frage nicht gelöst wird. Es darf nicht mehr gezögert werden. Mit allem Ernst muß an die Dinge herangegangen werden. In dieser Zeit ist die Last viel leichter zu tragen als früher; damals mußten sie die wenigen Länder allein tragen. Es ist jetzt an Ihnen, meine Damen und Herren, die drohenden Spannungen dadurch zu verhüten, daß Sie den Flüchtlingsausgleich, die Umsiedlung der Heimatvertriebenen nicht sabotieren. Schaffen Sie durch Ihre Bereitschaft eine psychologische Voraussetzung für die Lösung des Problems.
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Das Wort hat der Minister Dr. Spiecker.
Dr. Spiecker, Minister des Landes NordrheinWestfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat beanstandet, daß im Bundesrat die Aufnahmeländer gegen das Umsiedlungsgesetz gestimmt haben. Wir haben aber - ich spreche für Nordrhein-Westfalen - gegen dieses Umsiedlungsgesetz deshalb gestimmt, weil wir den Zeitplan des Gesetzes für undurchführbar gehalten haben. Ich möchte mich mit Ihnen auf einer Basis finden. Der große Gesetzgeber Moses hat es wahrscheinlich sehr viel leichter gehabt, die zehn Gebote auf einen Papyrus zu pinseln, als all die andern, die sie nachher zu erfüllen hatten. So geht es, seitdem überhaupt Gesetze gemacht werden. Es ist sehr viel leichter, Gesetze zu machen, sie sogar einstimmig zu beschließen, als sie nachher durchzuführen. Weil wir - die Aufnahmeländer - davon überzeugt gewesen sind, daß die Umsiedlung in der vorgesehenen Zeit gar nicht durchführbar ist, haben wir im Bundesrat gegen das Umsiedlungsgesetz gestimmt.
Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat Ihnen heute erklärt, daß zur Durchführung des Gesetzes im besten Fall mindestens ein Jahr notwendig ist. Danach brauche ich eigentlich gar keine Rechenexempel mehr vorzuführen; denn das Gesetz ist Ende Mai dieses Jahres verkündet worden, und jetzt stehen wir im November. Wie können Sie also erwarten, daß das Bauprogramm schon ganz oder im wesentlichen durchgeführt ist! Wenn die Erfüllung der Gesetze schon allgemein schwierig ist, so ist die Ausführung dieses speziellen Gesetzes den Ländern, die ja nun einmal den Bund gezeugt und aus der Taufe gehoben haben und auch bereit sind, seine Ausführungsorgane zu sein, nur dann möglich, wenn es so gemacht ist, daß es wirklich ausführbar ist. Das ist kein Wort der Kritik, sondern nur ein Wort des Ansporns dazu, daß wir das uns vorliegende Gesetz in der Durchführung so abändern, daß die Umsiedlung tatsächlich vonstatten gehen kann. Sie ist im Gange. Bislang ist geschehen, was geschehen konnte. Für mein Land darf ich sagen, daß das Bauprogramm von 1950, das noch auf der Verordnung des Herrn Bundesministers für Vertriebene beruht, heute zu 82 bis 85 % ausgeführt ist. Das Programm für das laufende Jahr ist erst im Werden.
Ich möchte Ihnen einige Zahlen mitteilen, um eine Bemerkung des Herrn Berichterstatters richtigzustellen, der gesagt hat, daß die Länder nur wirtschaftlich und nicht menschlich an die Dinge herangehen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1949 einen Wanderungsgewinn von 281 185 Personen hatte. Davon waren 74 101 Flüchtlinge, von diesen 33 011 Zuwanderer aus den drei Abgabeländern. Im Jahre 1950 hatten wir einen Wanderungsgewinn von 253 400 Personen. Davon waren 83 763 Flüchtlinge, von denen 58 733 Zuwanderer aus den Abgabeländern waren. Bis August 1951 hatte mein Land einen Wanderungsgewinn von 172 015 Personen. Davon waren 94 476 Flüchtlinge, von denen 81 464 Zuwanderer aus den Abgabeländern kamen. Sie entnehmen diesen Zahlen, daß es sich nicht nur um gelenkte Vertriebene handeln kann. Aber solange wir eine Freizügigkeit in Deutschland haben, können Sie nicht erwarten, und zwar aus menschlichen Gründen nicht, daß wir unsere Polizei beauftragen, die bei uns Zuwandernden nun über die Grenzen nach Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz oder woher sie gekommen sind, abzuschieben. Wenn ich Ihnen diese Zahlen nenne, meine Damen und Herren, und hinzufüge, daß wir in Nordrhein-Westfalen allein noch 1 400 000 Menschen haben, die menschenunwürdig untergebracht sind,
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dann verstehen Sie, daß das Problem bei uns nicht
einfach liegt und daß wir mehr, als überhaupt
menschlich zu erwarten war, bis heute getan haben.
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Wir haben im Jahre 1949 90 000 Wohnungen errichtet. Wir haben im Jahre 1950 105 000 Wohnungen errichtet, und im Jahre 1951 werden es mindestens wieder soviel werden.
Ich glaube, daß man das alles zusammen sehen muß. Wir tun alles, um auch den Flüchtlingen als Umsiedlern zu helfen. Das beweisen die Zahlen, und das beweist das Programm, das wir für dieses Jahr aufgestellt haben. Ich glaube, wenn wir uns sachlich über diese Dinge unterhalten, können wir sehr bald einig werden.
Nun möchte ich noch eine Richtigstellung treffen. Mein Vorredner, der Herr Abgeordnete Besold, hat behauptet, wir hätten j a sehr viel mehr Wohnraum als z. B. die Bayern. Das ist leider nicht der Fall.
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Die Wohnungsdichte ist bei uns - ebenso selbstverständlich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg - erheblich größer als die in Bayern. Also auch da muß man vorsichtig sein, wenn man Vergleiche zieht.
Ich möchte hiermit meine Ausführungen schließen, weil ich nur den Wunsch hatte, Ihnen darzulegen, daß das Land Nordrhein-Westfalen, wie die 109 Abgeordneten meines Landes in diesem Hause wohl bezeugen können, sein Bestes tut.
Das Wort hat Herr Minister Schellhaus von Niedersachsen.
Schellhaus, Niedersächsischer Minister für Vertriebene: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Vertreter des Landes Niedersachsen halte ich mich für verpflichtet, zu den hier angeschnittenen Fragen auch meinerseits Stellung zu nehmen. Ich spreche dabei zugleich im Namen der beiden übrigen Flüchtlingsländer Bayern und Schleswig-Holstein.
Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung haben praktisch noch nicht zu einer fühlbaren Entlastung, geschweige denn zu einer merkbaren Linderung der Not der in den drei Flüchtlingsländern lebenden Vertriebenen geführt. Es soll nicht verkannt werden, daß die Bundesregierung sicherlich die besten Absichten gehabt hat, dieser Not zu steuern. Gelungen ist es ihr bisher aber nicht. Nach wie vor wohnen in den drei Flüchtlingsländern ungezählte Vertriebene in Baracken und Elendsquartieren unter sozial und menschlich nicht vertretbaren Verhältnissen. Nach wie vor leben Menschen, die über fachliche und berufliche Fähigkeiten verfügen, schon jahrelang als Arbeitslose von der öffentlichen Fürsorge. Die Beseitigung dieser Zustände geht weit über die Leistungsfähigkeit dieser drei Länder hinaus. Es ist deshalb nicht unbescheiden, wenn die Flüchtlinge dringend darum bitten, das Tempo der Umsiedlung zu beschleunigen und mindestens dem anzupassen, was der Bund ausdrücklich in Aussicht gestellt hat.
Wir halten es nicht für unbillig, wenn daraus den Aufnahmeländern gewisse Lasten erwachsen. Wir bitten die Aufnahmeländer, zu bedenken, daß die Flüchtlingsländer diese Lasten schon seit sechs Jahren tragen
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und nicht in der Lage gewesen sind, die Aufnahme der Flüchtlinge an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Die Flüchtlingsländer sind stolz darauf, daß sie diese gesamtdeutsche Aufgabe, soweit sie es mit ihren Kräften vermochten, erfüllt haben. Aber es wird hohe Zeit, daß diese Aufgabe nun von allen Ländern der Bundesrepublik erkannt und gemeinsam getragen wird.
Wir wollen nicht bestreiten, daß die von den Aufnahmeländern vorgebrachten Einwendungen zum Teil verständlich sind. Aber wir müssen darauf aufmerksam machen, daß diese Einwendungen und Entschuldigungen auch von den Flüchtlingsländern seit sechs Jahren hätten vorgebracht werden können,
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daß den Flüchtlingsländern aber erklärlicherweise keine Möglichkeit gegeben war, derartige Entschuldigungen geltend zu machen. Seit Jahr und Tag - das ist bereits gesagt worden - wenden die Flüchtlingsländer 80 % ihrer gesamten eigenen Wohnbaumittel für den sozialen Wohnungsbau der Vertriebenen auf. Der Bundesdurchschnitt beträgt 37 %. Daraus ist zu ersehen, um wieviel geringer der Anteil der Aufnahmeländer an dieser Aktion gewesen ist.
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Es sollte endlich möglich sein, in gemeinsamer gutwilliger Arbeit aller Beteiligten sowohl den Vertriebenen als auch den Flüchtlingsländern in einem allmählich immer stärker fühlbaren Maß zu helfen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zawadil.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Interpellation, die uns heute Gelegenheit gibt, den gegenwärtigen Stand der Umsiedlung zu untersuchen. Ich sehe darin keineswegs ein Ballspiel zwischen einer Regierungspartei und dem zuständigen Vertriebenenministerium, sondern ich denke daran, daß wir das Gesetz vom 22. Mai dieses Jahres seinerzeit in größter Einmütigkeit verabschiedet haben. Wir sollten es also alle begrüßen, daß wir zu einem noch nicht zu späten Zeitpunkt einen Querschnitt machen, eine Art Peilung vornehmen und die Frage aufwerfen: wo stehen wir mit der Umsiedlung?
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Ich bedaure nur, daß die Bank der Länderregierungen so schwach besetzt ist,
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vor allem, daß die Aufnahmeländer hier anscheinend nur durch zwei Herren vertreten sind.
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- Ach so! Aber der Bundesrat müßte meiner Ansicht nach doch das größte Interesse daran haben, an der Debatte über diese Frage, die doch die Kardinalfrage der gegenwärtigen Zeit darstellt, teilzunehmen, zumindest durch einen Herrn je Land vertreten zu sein.
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Weiter habe ich nach den Ausführungen meiner Herren Vorredner den Eindruck - und vielleicht wird das, was ich jetzt sage, auch noch auf einige Nachredner zutreffen -, daß wir in die Thematik jener Grundsatzdebatte hineingeschliddert sind, in der wir uns schon seit dem 8. März dieses Jahres befinden, d. h. wir sprechen heute mit stark agitatorischen Akzenten. Wenn aber ein Gesetz im Laufen ist, müßten wir meines Erachtens eher bemüht sein, zu prüfen, wo Mängel sind und wie diese Mängel an Hand konkreter Vorschläge behoben werden können.
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In diesem Zusammenhang bedaure ich, daß mein von mir verehrter Kollege und Landsmann Tichi hier so weit gegangen ist, sogar ein Mißtrauensvotum gegen den Vertriebenenminister für angebracht zu halten. Ich nehme Herrn Minister Lukaschek keineswegs in Schutz; er weiß selbst, worin meine Stellung gegen das Vertriebenenministerium beruht. Aber ich glaube, in diesem Fall - und damit möchte ich auch meinem Freunde Stech antworten - sind beide Kollegen auf der Suche nach den letzten und tiefsten Gründen der bisherigen Schwierigkeiten nicht weit genug gegangen, d. h. sie sind bei dem Nächstliegenden, nämlich beim Vertriebenenministerium, verblieben, ohne die Länderregierungen ins Auge zu fassen.
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Der Vorwurf, den ich Herrn Minister Lukaschek in Verbindung mit der bisherigen Durchführung des Umsiedlungsgesetzes mache, ist der, daß er leider statt zu fordern immer nur bittet. Er glaubt - und das ist auf Grund seiner etwas musischen Veranlagung verständlich -,
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daß er mit dem Bitten mehr erreicht. Er geht immer von der Annahme aus, daß der andere, bei dem er bittet, ein genau so vornehmer und höflicher Mensch ist, der die Leute ebenso mit Glacéhandschuhen anfaßt wie er selbst. So schwerwiegende Probleme wie das Umsiedlungsproblem kann man nicht mit emotionalem Verhalten lösen,
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sondern nur mit sehr realpolitischen Argumenten und gelegentlich auch einmal dadurch, daß man mit der Faust auf den Tisch schlägt. Ich habe gehört, daß die Tische im Kabinett sehr fest und stabil gebaut sein sollen.
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Schließlich zu der Frage des sogenannten Zusammenbruchs dieses Gesetzes. Ich glaube nicht, daß man hier von einem Zusammenbruch sprechen kann. In einem Punkte allerdings schließe ich mich der Feststellung des Herrn Ministerpräsidenten Lübke von Schleswig-Holstein an. Er hat in seiner Entschließung an die Bundesregierung erklärt: Das Gesetz bzw. die Durchführung des Gesetzes ist „an der Selbstsucht der Aufnahmeländer gescheitert". Darin gebe ich ihm recht. Aber von einem absoluten Zusammenbruch kann nicht gesprochen werden. Die Schuld daran, daß wir bis jetzt nicht den erhofften zahlenmäßigen Erfolg aufzuweisen haben, trägt etwas anderes, und in diesem Zusammenhang möchte ich auf das Thema als solches eingehen.
Das Umsiedlungsproblem - und es ist ein Problem im wahrsten Sinne des Wortes - muß von zwei Gesichtspunkten her gesehen werden: erstens von der gesetzlichen Seite, d. h. von dem Wortlaut des Gesetzes her und zweitens von der praktischen Durchführung her. Das Gesetz hat folgende Mängel: Zunächst einmal ist es viel zu spät in Kraft getreten, fast mitten im Jahr; und von Mai bis zum 30. September bzw. bis zum 31. Dezember dieses Jahres sollten einerseits 200 000, andererseits 300 000 Heimatvertriebene umgesiedelt werden, wofür aber bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht einmal die Gelder vorhanden waren; die Gelder sind erst bedeutend später flüssig gemacht worden und konnten nur in Teilbeträgen den Ländern zur Durchführung des Wohnungsbaus überwiesen werden. Wir müssen also wohl oder übel der Tatsache Rechnung tragen, daß vom Zeitpunkt der Geldüberweisung bis zur Verwirklichung des Wohnungsbaus jeweils 10 bis 12 Monate vergehen. Das ist also ein Mangel des Gesetzes, und wir haben als Gesetzgeber bei der damaligen Abfassung des Gesetzes alle miteinander ein Stück Schuld auf uns geladen.
Es kommt mir allerdings eigenartig vor, wenn ich von dem Herrn Vertreter von Nordrhein-Westfalen plötzlich Umsiedlungszahlen höre, die in die Hunderttausende gehen, ich aber auf der anderen Seite klar vor mir liegen habe, daß im Umsiedlungsprogramm 1951 bisher nur 866 Personen nach Nordrhein-Westfalen umgesiedelt worden sind, und zwar insgesamt in gelenkter und ungelenkter Umsiedlung. Das sind Zahlen, die nicht wegzuleugnen sind.
Ich muß dasselbe sagen, was ich am 8. März gesagt habe: Wohnraumnot ist ein sehr relativer Begriff. Das, was man in Nordrhein-Westfalen unter Wohnraumnot versteht, ist etwas ganz anderes als das, was wir z. B. in Bayern oder unsere heimatvertriebenen Schicksalsgefährten in Schleswig-Holstein und Niedersachsen erleben. Dort beginnt Wohnraumnot erst da, wo sechs bis acht Personen, Erwachsene mit Kindern, in einem Raum zusammen vegetieren müssen. In Nordrhein-Westfalen aber glaubt man, daß Wohnraumnot schon dann vorhanden ist, wenn vier und fünf Personen in drei und vier Räumen wohnen. Ich glaube, daß die Aufnahmeländer die Möglichkeit gehabt hätten, neben dem Neubauprogramm auch durch Revision ihrer Altwohnungsgesetzgebung etwas zu schaffen.
Ich muß dabei noch darauf hinweisen, daß die Umsiedlung dieses Jahres - also für die Zeit vom 1. Januar bis zum 30. September - im ganzen statt 200 000 nur 20 689 Personen erfaßt hat, also nur 10,3 %. Das ist eine sehr ärmliche Zahl; sie enthebt gewisse Aufnahmeländer nicht des Vorwurfs, nicht alles getan zu haben, was sie hätten tun müssen. Auf der anderen Seite weiß ich, daß sich z. B. Rheinland-Pfalz außerordentlich bemüht hat. Das zeigt die Tatsache, daß dort immerhin ein Satz von 47 % erreicht worden ist. Ich weiß auch, daß in Teilen Badens und in Württemberg einheimische Kreise in äußerster Aufgeschlossenheit der Umsiedlung gegenübergestanden sind, so daß ich glaube, die Bewohner der Aufnahmeländer haben eher Verständnis für die Umsiedlung als die Regierungen der Aufnahmeländer.
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Eine der größten Schwierigkeiten bei der Durchführung dieses Gesetzes sehe ich in der Tatsache unseres in dieser Beziehung mangelhaften Grundgesetzes. Föderalismus ist eine außerordentlich schöne Sache. Ich habe mich gefreut, als ich vor einiger Zeit im Bayerischen Rundfunk den Ausführungen des Vorsitzenden der Bayernpartei Dr. Baumgartner, der einen Abriß der geschichtlichen Entwicklung des föderativen Gedankens gab, die Feststellung entnehmen konnte, daß es immer dann einen blühenden Föderalismus gegeben hat, wenn gleichzeitig besonders gute Zeiten waren. Ich glaube - im Rückschluß daraus-, daß Föderalismus in härtesten Notzeiten des Volkes niemals die Probleme meistern kann. Denn zentrale Probleme können nur durch zentrale Maßnahmen gelöst werden! Und wenn dazu noch, wie heute, Föderalismus in separatistischen Partikularismus ausartet, dann muß man diese Art von Föderalismus im staatspolitischen Leben mit außerordentlicher Vorsicht zur Anwendung bringen.
Herr Abgeordneter, Sie haben natürlich das Wort „separatistischer Partikularismus" nicht im Blick auf irgendwelche Vorgänge in Deutschland gebraucht?
Nein; aber ich komme aus Bayern, -
Sie werden doch wohl nicht behaupten, daß Bayern nicht zu Deutschland gehöre!
Nein; Bayern ist sogar der lebendigste Bestandteil Deutschlands,
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vor allem, weil da sehr viel Sudetendeutsche sitzen, die sehr aktiv sind.
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Aber schon in Bayern merkt man den Unterschied
zwischen Nord- und Südbayern, und Nordbayern
hat allerhand zu leiden unter der Tatsache der
„Weißwurstlinie". Ich habe schon einmal meinem
verehrten Kollegen Dr. Etzel aus Bamberg gesagt:
„Wissen Sie, Herr Kollege Etzel, wir machen eines
Tages noch eine Franken-Partei auf, damit wir
wenigstens dem Münchener Zentralismus entgegenwirken können!" Er konnte nichts dagegen sagen,
denn er ist ja Vertreter Frankens, eben eines der
benachteiligten Gebiete. Im übrigen ist es interessant, daß gerade die Länder, die sich am meisten
zu Vorkämpfern des föderalistischen Gedankens
machen, im Lande selbst sehr zentralistisch wirken.
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Ich darf zur Begründung meines Antrags vielleicht noch ein paar Minuten dazu bekommen.
Ja, da Sie die Freundlichkeit haben, frei zu sprechen, selbstverständlich.
Ich bemühe mich, frei zu sprechen, und ich habe es auch bis jetzt getan.
Eine besondere Sache ist die Tätigkeit der Kommissionen. Ich glaube, dort liegt einer der Hauptgründe für den bisherigen Mißerfolg in der Durchführung des Gesetzes. Die Kommissionen wählen nach wie vor nur arbeitsfähige, möglichst ledige Menschen aus. Die Kommissionen reißen sogar Menschen, die in Arbeit stehen, heraus. Ich weiß, daß Agenten in den Abgabeländern ihr Unwesen treiben - ich muß schon sagen: ihr Unwesen treiben! Sie gehen hin und sagen Leuten, die in Arbeit stehen: „Ich bin Vertreter des und des Betriebes in Rheinland-Pfalz oder in NordrheinWestfalen; wir brauchen Sie als Facharbeiter. Wieviel Lohn bekommen Sie denn hier?" Und wenn der Betreffende die Höhe seines Lohnes angibt, sagt der Werber: „Bei uns können Sie in der Woche 20 bis 30 Mark mehr verdienen, und außerdem geben wir Ihnen eine Wohnung!" So wird gearbeitet! Das soziale Gepäck bleibt in dem gerade so höchst gefährdeten Grenzland zurück. Ich glaube, daß wir allen Grund hätten, gerade in der Nähe des Eisernen Vorhangs die stärksten und widerstandsfähigsten Menschengruppen zu konzentrieren.
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Wir tun das nicht; im Gegenteil, wir entblößen das Grenzland und gefährden dadurch auch den Westen, der dann keinen Schutzschild mehr gegenüber dem Osten besitzt.
Die Aufnahmeländer gehen immer von dem Standpunkt aus: „Wir haben euch ja nicht gerufen!" So sagen weite Kreise in den Aufnahmeländern, besonders in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen. Ich verweise auf die Ausführungen in einem Artikel des „Wegweisers", Frankfurt, vom 16. November dieses Jahres.
Ich könnte noch etwas über das Schulwesen im Zusammenhang mit der Umsiedlung sagen und bedaure, daß die Frage von keinem Vorredner angeschnitten worden ist. Mir selbst fehlt die Zeit dazu. Tatsache ist, daß eines der größten Hindernisse für die Umsiedlung das außerordentlich und schon anomal differenzierte Schulwesen in unserer Bundesrepublik ist. Man spricht von 88 Schularten, und was sich in Wirklichkeit darstellt, ist sicher nicht weit davon entfernt. Wir kennen zur Genüge den vergeblichen Kampf, den der Kulturpolitische Ausschuß dieses Hauses mit der Kultusministerkonferenz geführt hat und das vergebliche Bemühen unseres verehrten Kollegen Dr. Edert, das zwei Jahre gedauert hat, endlich auch in den Aufnahmeländern einen fremdsprachlichen Zug zu schaffen, der geeignet ist, die Umsiedlung von den norddeutschen nach den süddeutschen Ländern zu erleichtern.
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Es bestehen zwei Möglichkeiten, die in Gefahr befindliche Umsiedlung doch noch zu retten.
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Ich meine einerseits die Möglichkeit, das Problem mit finanziellen Mitteln zu lösen. Dabei denke ich an die in Aussicht genommene Regelung, die die Hergabe der gesamten Wohnungsbaumittel des Bundes an eine Umsiedlungsverpflichtung bindet. Meine Fraktion begrüßt diese geplante Regelung. Wir glauben andererseits, daß gerade im Hinblick auf die bisherige Tätigkeit der Kommissionen wie auch im Hinblick auf die wirkliche Verwendung der zur Verfügung gestellten Geldmittel unser vorliegender Antrag sehr dienlich sein kann. Dieser Antrag will, lediglich zweckgebunden für die Umsiedlung, bundeseigene Mittel- und Unterbehörden schaffen. Haben Sie keine Sorge, es handelt sich nicht um die Schaffung neuer Behörden. Die Flüchtlingsbehörden existieren bereits. Sie sollen jedoch mit den nötigen Vollmachten ausgestattet werden, die es ihnen erlauben, erstens die Tätigkeit der Kommissionen etwas ins Auge zu fassen und zweitens auch die zweckgebundene Verwendung der Mittel zu beaufsichtigen. Die Herren von der Bayernpartei brauchen keine Sorge zu haben, daß damit vielleicht ein Präzedenzfall geschaffen wird und ein Eingriff in den Föderalismus erfolgt. Ich glaube, wenn wir den Antrag annehmen, dienen wir dem föderativen Gedanken mehr als durch irgend etwas anderes; denn der föderative Gedanke würde sich dann so auswirken, daß das Gemeinschaftliche in allen Ländern zum Durchbruch kommt. Wer wirklich dem föderativen Gedanken dienen will, muß einen solchen Antrag bejahen. Im übrigen brauchen die Aufnahmeländer vor einem solchen Gesetz, das der Antrag herbeiführen will, keine Angst zu haben; ich nehme an, daß diese Länder in Sachen Umsiedlung ein recht gutes Gewissen haben.
Mir scheint, es ist nicht zweckmäßig, den Antrag erst einem Ausschuß oder irgendwelchen Ausschüssen zu überweisen. Wir könnten daraus auch nicht mehr machen, als im Augenblick schon an Hand des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes konkret gesagt ist. Eher sollten wir, um die Dinge zu beschleunigen - und darum bitte ich Sie -, jetzt sofort darüber abstimmen und den Antrag der Bundesregierung überweisen. Es könnte dann auf Grund der Gesetzesvorlage der Regierung in den zuständigen Ausschüssen näher darüber beraten werden.
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Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen bekannt, daß der Wahlprüfungsausschuß um 12 Uhr im Zimmer 104 des Südflügels zu einer kurzen Sitzung zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff.
Goetzendorff ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesvertriebenenminister hat heute eine ganze Reihe von Prädikaten hören müssen, die sich mit ihm beschäftigen: „knieweich", „die besten Absichten", „nicht in der Lage", „zu schwach" usw. Ich hoffe, daß der Herr Vertriebenenminister aus diesen Worten eine heilsame Lehre zieht. Es ist ihm vorgeworfen worden, daß er im Kabinett in manchen Problemen den Schweiger, den großen Moltke darstellt. Er selbst hat von sich als einem Apostel der Liebe und des Verstehens gesprochen. Ich hoffe, er sieht eines Tages ein, daß diese Aposteltätigkeit der Nächstenliebe nichts fruchtet. Hier geht es nicht allein um die Heimatvertriebenen, auf deren Rücken die Auseinandersetzungen ausgetragen werden, wie der Herr Vertriebenenminister meint, sondern es geht hier auch um die Einheimischen in den Ländern Niedersachsen, Bayern und Schleswig-Holstein, die seit Jahren mit einer beispielhaften Aufopferung persönliche Einschränkungen ertragen haben und die ein gutes Recht haben, jetzt einmal zum Teil von ihren Lasten befreit zu werden, indem die anderen Länder aus der Verpflichtung zur deutschen Solidarität heraus aufgefordert werden, ihren Beitrag zur Unterbringung der Vertriebenen zu leisten. Der Herr Bundesvertriebenenminister wird einsehen müssen, daß es ohne eine gewisse Strenge hier nicht geht. Das föderalistische Pferd muß scharf geritten werden, wenn es nicht andauernd derartige Bocksprünge machen soll. Herr Dr. Lukaschek kann sich im Kabinett stark machen, er kann beim Bundesfinanzminister Hilfe suchen und er kann beim Bundeskanzler Hilfe finden, der ja in manchen Fragen eine seltene und bewunderungswürdige Beharrlichkeit gezeigt hat. Hier gilt es, diese Beharrlichkeit einer Angelegenheit zuzuwenden, die zum Heil der gesamten Bevölkerung in der Bundesrepublik und ganz Deutschlands ist. Den Vertretern des Landes Nordrhein-Westfalen müßte doch eigentlich, wenn sie die Königsallee hinabgehen, die Schamröte ins Gesicht steigen, wenn sie gegenüber dieser Pracht bedenken, daß ihr reiches Land nur 0,8 %, also noch nicht einmal ein einziges Prozent der ihm zugewiesenen und von ihm übernommenen Umsiedlungsverpflichtung erfüllt hat.
Nun, der Herr Vertriebenenminister wird durch Schaden klug werden. Er selbst hat vorhin ausgeführt, daß er nur noch zweckgebundene Mittel zuteilen und sie nur dann geben will, wenn Vertriebene aufgenommen werden. Wir möchten dem Herrn Vertriebenenminister sagen: Er soll in dieser Strenge nicht nur fortfahren, sondern er soll sie sich erst aneignen. Sonst könnte es passieren, daß ihm die Vertriebenen eine Quittung erteilen. Der Herr Kollege Tichi hat von dem großen Treck geredet, der sich nächstes Jahr nach Süden in Marsch setzen soll. Es könnte sein, daß dieser Treck auch innerhalb der ja noch nicht geschaffenen Bannmeile in Bonn kampiert. Dann könnte den Mitgliedern der Regierung das passieren, was der Herr Bundesminister Wildermuth dem Kollegen Stech zurief: dann könnte ihnen „Bescheid gestoßen" werden; und da wäre es zweckmäßig, daß sich die Herren der Bereitschaftspolizei ihres Kollegen Lehr versicherten.
Meine Damen und Herren, die Regierung handelt auch unklug, wenn sie nicht alles tut, um den Auftrag durchzuführen, den sie von diesem Hohen Hause und vom ganzen Volk erhalten hat. Die Regierung sollte sich daran erinnern, daß der Kollege Tichi heute mit erhobenem Zeigefinger gefordert hat, daß man den Stuhl im Vertriebenenministerium freimachen sollte für einen „starken Mann"!
Das Wort hat der Abgeordnete Müller. - Wenn ich Sie recht verstanden habe, haben Sie Herrn Abgeordneten Zawadil vorhin zugerufen: „Weniger reden!" Ich bin gespannt, ob Sie das verwirklichen wollen, Herr Abgeordneter.
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Meine Damen und und Herren! Die Interpellation der CDU, die ja noch besonders durch die Unterschrift der Abgeordneten Kollegen Kuntscher und Schütz gekennzeichnet ist, hat eine sehr interessante politische Note. Wer trägt denn - das ist ja auch in der Interpellation zum Ausdruck gekommen - die Verantwortung für den Zusammenbruch der gesamten Umsiedlung? Meine Damen und Herren, der Minister für Umsiedlerfragen gehört der CDU an; der Minister, der auch bei diesem Programm für die Finanzierung des Wohnungsbaues verantwortlich ist, gehört ebenfalls der CDU an, und der Minister, der für die Beschaffung von Arbeit verantwortlich ist, ist wiederum ein CDU-Minister. Genau so hat auch die CDU in den meisten Länderregierungen die Hauptverantwortung für die Durchführung bzw. Nichtdurchführung dieses Programmes. Das einzig Positive, was aus den im übrigen nichtssagenden und salbungsvollen Worten des Herrn Ministers Lukaschek hervortritt, ist die Bankrotterklärung. Dadurch kommt zum Ausdruck, daß diese Regierung - und das sage ich mit aller Deutlichkeit - genau so wenig wie diese Koalition gewillt ist, das Umsiedlerproblem zu lösen. Daraus ergibt sich dann als Schlußfolgerung das, was die Umsiedler selbst von dieser Bonner Regierung zu erwarten haben.
Lassen wir doch einmal ganz kurz die Tatsachen sprechen. Der Berichterstatter zu dieser Frage in der Sitzung des Bundestages vom 8. März, Herr Kollege Pfender, führte damals aus:
Es werden somit Wohnungen bei den Arbeitsplätzen geschaffen werden müssen. Für diesen Zweck stehen bis jetzt rund 175 Millionen DM zur Verfügung, und zwar 50 Millionen DM aus Bundeshaushaltsmitteln, 50 Millionen DM aus Mitteln der Soforthilfe und 45 Millionen DM aus Umstellungsgrundschulden. Weitere 30 bis 35 Millionen DM werden aus den Soforthilfemitteln der Länder der französischen Zone erwartet.
Herr Kollege Pfender führte aber weiter aus:
Für 300 000 Umsiedler werden aber 75 000 Wohnungen benötigt. Diese erfordern rund 400 Millionen DM. Es wäre also notwendig, daß seitens des Bundesfinanzministers aus Haushaltsmitteln für Umsiedlungszwecke rund 225 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden.
Einen entsprechenden Vorschlag machte der Kollege Pfender auch in dem Antrag zu § 7 des Gesetzes mit der Forderung, für die Schaffung des für die Umsiedlung erforderlichen Wohnraums Bundeshaushaltsmittel zur Verfügung zu stellen.
Am 26. April bestätigte der CDU-Finanzminister Schäffer die Richtigkeit der Zahl von 225 Millionen DM. Nun frage ich Sie: Was ist geschehen,
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um diesen Betrag, der zunächst einmal für die Schaffung von Wohnraum für die 300 000 Umzusiedelnden erforderlich war, bereitzustellen? Herr Minister Lukaschek erklärt, daß sogar die Bereitstellung der 255 Millionen DM im Wege des Nachtragshaushalts bereits flach gefallen ist, weil dafür die entsprechenden Mittel auf dem Kapitalmarkt nicht aufgebracht werden könnten.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition und von der Regierungsbank, warum nehmen Sie nicht die Mittel - und das fragen insbesondere die Umsiedler, die Arbeit und Wohnung haben wollen, die aus den Elendslöchern herauskommen wollen -, warum nehmen Sie nicht die Mittel, die für die Besatzungskosten verwendet werden?
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- Jawohl, dem wollen Sie ausweichen! - Warum nehmen Sie nicht die 400 Millionen DM für die Polizei, warum verhindern Sie nicht die Steuerhinterziehungen, die in die Milliarden gehen, warum nehmen Sie nicht die 9 Milliarden, die den Aktionären geschenkt worden sind? Hier sind die Mittel vorhanden, um zunächst einmal diese 75 000 Wohnungen zu bauen. Das wollen Sie natürlich nicht. Herr Minister Wildermuth, die Schaffung des Wohnraums in erster Linie für diese 300 000 Umsiedler ist eine Aufgabe, die unter allen Umständen erfüllt werden muß!
Meine Damen und Herren, es ist hier heute sehr viel gesprochen worden,
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es sind schöne Reden gehalten worden, aber es ist nicht ein einziger konkreter Vorschlag gemacht worden, wie dieses Programm der Umsiedlung nun auch in die Tat umgesetzt werden soll.
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- Ich freue mich über diesen Zwischenruf. Vielleicht nehmen Sie einmal Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, wie das Umsiedlerproblem in der Deutschen Demokratischen Republik gelöst ist.
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Ich glaube, genügend Umsiedler haben sich durch eigene Inaugenscheinnahme davon überzeugt, daß im Gegensatz zu hier die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik das Umsiedlerproblem als eines der entscheidendsten zu lösenden Probleme sofort gestellt und gelöst hat.
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Ich habe bei der Behandlung der Frage im März die Tatsachen aufgewiesen, und Sie sind bis heute nicht imstande gewesen, gegen diese Tatsache, daß nämlich das Umsiedlerproblem in der Deutschen Demokratischen Republik gelöst ist, auch nur einen einzigen Gegenbeweis anzutreten. 91 000 UmsiedlerBauernstellen sind geschaffen worden, kein einziger Umsiedler ist mehr in Notunterkünften, in Kellern usw., sie alle haben Wohnraum, und es gibt keinen einzigen arbeitslosen Umsiedler, auch nicht unter der Umsiedlerjugend. Die Frage ist gelöst, meine Damen und Herren!
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Wenn von der Regierungskoalition zur Abschwächung der Tatsache, daß sie nicht den Willen hat, dieses Problem zu lösen, diese Interpellation eingebracht worden ist, so ist dazu zu sagen, daß die Umsiedler draußen diese Parteien und die Regierung selbst ausschließlich nach ihren Taten beurteilen. Auf dem großen Umsiedlerkongreß, der am 30. September durchgeführt worden ist, ist in einem Manifest die Forderung erhoben worden, daß das Umsiedlerprogramm durchgeführt werden muß, und zwar erstens unter der Voraussetzung, daß Wohnraum und Arbeit beschafft werden,, zweitens .auf der Grundlage der Freiwilligkeit und drittens mit der Sicherung, daß sich die Umsiedler selbst an Ort und Stelle davon überzeugen können, daß Wohnungen und Arbeit vorhanden sind. Das ist das Programm, dessen Durchführung alle Umsiedler zu ihrer eigenen Forderung erheben.
Aber man muß ebenso mit aller Deutlichkeit aussprechen - und die Umsiedler begreifen das immer mehr -, daß diese Regierung und die Regierungsparteien für die Umsiedler nichts tun wollen.
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Sie brauchen sie für andere Zwecke. Die Umsiedler werden ihre Forderungen nur durchsetzen, wenn sie ihre organisierte geschlossene Kraft für ihre eigenen Forderungen einsetzen.
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Herr Abgeordneter, ich bin sehr enttäuscht, daß Sie die Forderung „Weniger reden!" immer nur an die andern richten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Müller von der KPD hat einleitend gesagt, daß die Interpellation insofern bezeichnend sei, als sie die Namen Schütz und Kuntscher als Interpellanten trage. Herr Kollege Müller, ich kann verstehen, daß Sie sich darüber wundern. Sie müssen sich darüber wundem, wenn Sie sich überlegen, daß zwei Mitglieder der CDU-Fraktion und sogar die ganze Fraktion eine Interpellation einbringen, die eine sehr kritische Aussprache über eigene Minister heraufbeschwören muß.
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- Sie wundern sich, meine Herren da drüben von der KPD, über dieses Ereignis! Nehmen Sie mal ein bißchen Phantasie zu Hilfe. Stellen Sie sich vor, Sie wären in der ostzonalen Volkskammer und einer Ihrer Abgeordneten hätte den Mut, in solch einer Form gegen einen SED-Minister zu sprechen.
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Dann, Herr Kollege Müller, gebe ich Ihnen Brief und Siegel, Sie hätten das Rednerpult noch nicht verlassen und Sie wären schon umgesiedelt!
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Für Sie wäre das Problem. Umsiedlungsgesetz, Wohnraumfrage ganz bestimmt hundertprozentig gelöst.
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Nach dieser Einleitung -, die bestimmt notwendig ist; denn es muß auch in dieser Beziehung einmal die Wahrheit ganz offen gesagt werden - zu dem Problem, das uns beschäftigt.
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Das Umsiedlungsgesetz vom Mai dieses Jahres sieht vor, daß im Jahre 1951 300 000 Personen umgesiedelt werden sollen. Bis Ende September sollten es 200 000 sein. Tatsächlich sind bis zum 30. September nur 20 689 umgesiedelt worden, also ein ganz klein wenig mehr als 10%. Selbst wenn man in Betracht zieht, daß aus dem vorjährigen Umsiedlungsprogramm ein Überhang von 50 000 Personen bestand, die in diesem Jahre umgesiedelt wurden, so muß man, wenn man ganz objektiv urteilt, sagen, daß die Durchführung des Umsiedlungsgesetzes im Jahre 1951 gescheitert ist.
Ziel der Umsiedlung soll nach den allgemein anerkannten Grundsätzen dieses Hauses nicht lediglich eine Umsetzung von Menschen sein. Die Umsiedlung soll die stark belegten Abgabeländer nicht nur entlasten, sondern die Menschen, die zur Umsiedlung kommen, sollen auch dorthin gebracht werden, wo sie Arbeitsplätze finden. Trotz dieses Grundsatzes können aber die Verantwortlichen in den Abgabeländern es nicht verstehen, wenn sich die Aufnahmeländer geradezu auf den Standpunkt stellen, daß jeder Umsiedler die eigene Wohnung mitzubringen hat. Darauf läuft es doch hinaus. Der Bund hat finanziell wahrhaftig sehr viel getan, um die Umsiedlung in der gesetzlichen Form zu ermöglichen, wie wir sie gesehen haben. Wie schon der Flüchtlingsminister vorhin angeführt hat, wurden 255 Millionen DM und vor wenigen Wochen aus Sofortmitteln weitere 50 Millionen DM, also insgesamt über 300 Millionen DM, für den sozialen Wohnungsbau an die Aufnahmeländer zur Verfügung gestellt. Wären die Beträge in den Aufnahmeländern in der gleichen Form, quotal aufgeteilt für die Erstellung von Umsiedlerwohnungen benützt worden, wie es in den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern seit Jahren praktiziert wird, wo nahezu drei Viertel der öffentlichen Mittel für die Erstellung von Flüchtlingswohnungen verwendet werden, dann wäre die Zahl der Umsiedler viel höher als die Zahl, die wir mit dem Endresultat vom 30. September zur Kenntnis nehmen müssen. Dann wäre die Abrechnung, über die wir heute hier zu sprechen haben, viel günstiger, und so manches harte Wort wäre in den heutigen Auseinandersetzungen nicht gefallen.
Wenn man eine Bilanz zieht, muß man feststellen, daß der gute . Wille, den Normen des Gesetzes zu entsprechen, nicht in allen Ländern gleichmäßig vorhanden ist. Rheinland-Pfalz hat in anzuerkennender Weise sein möglichstes getan, um an das vorgeschriebene Soll heranzukommen.
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Nordrhein-Westfalen hat kaum 1% des vorgeschriebenen Solls erreicht; darauf komme ich noch zu sprechen. Diese wenigen Zahlen beweisen den fehlenden guten Willen bei einigen Aufnahmeländern, aber auch Mängel maßgebender Behördenstellen in der Durchführung und als wichtigstes die Tatsache, daß ein echtes Weisungsrecht des verantwortlichen Ministers fehlt. Ich bin der Überzeugung, daß mit bloßem Verhandeln, mit Bitten und Betteln, Herr Minister Lukaschek, dieses Problem nicht zu lösen ist. Der Vertriebenenminister kann - nach dem heutigen Status dauernd zwischen unseren berechtigten Forderungen auf eine gerechte Verteilung der Vertriebenen und dem Widerstand oder der hinziehenden Haltung gewisser Stellen pendelnd - die ihm gestellte Aufgabe nicht erfüllen. Auch scheint mir, daß eine Koordination und eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Bundesministerien, die bei der Umsiedlung maßgebend mitzureden haben, nicht besteht.
Ich will aber auch die Schwierigkeiten anerkennen, die einen glatten Ablauf verhindern. Sie bestehen einmal in der nicht gelenkten Binnenunterwanderung und in dem nie versiegenden Zustrom aus der Ostzone.
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200 000 bis 300 000 sind es jährlich, die aus der Ostzone im Westen Zuflucht suchen. Daß auch für diese Menschen Unterkunft und Arbeitsplätze beschafft werden müssen, braucht nur am Rande vermerkt zu werden. Es ist sehr interessant, eine Statistik dies niedersächsischen Vertriebenenministeriums über die Bewegung an der Ostzonengrenze im Jahre 1950 zu analysieren. Diese Aufstellung gibt uns bekannt, daß im Jahre 1950 1 003 000 Personen vom Osten nach dem Westen die Zonengrenze überschritten haben. Vom Westen nach dem Osten haben im gleichen Jahr 828 000 Personen die Grenze überschritten. Das heißt, daß 175 000 Personen im Westen geblieben sind. Von diesen 175 000 Personen sind nur 78 000 durch das Aufnahmelager Uelzen gegangen. Von diesen 78 000 wurden 15 000 ordnungsmäßig aufgenommen und 62 000 abgelehnt, die aber selbstverständlich ebenfalls hier im Westen irgendwie illegal versickert sind. Die gleiche Bewegung vollzieht sich an dem hessischen und bayerischen Teil der Zonengrenze. In diesem Jahre sind die gleichen Beobachtungen zu machen. Wenn ich hier noch hinzufüge, daß jetzt monatlich aus Berlin 1500 Personen nach dem Westen geflogen werden, so gibt uns die Zusammenziehung dieser Zahlen ein Bild davon, wieviele Kanäle für die echte Umsiedlung geöffnet waren und durch den Zustrom dieser Ost-West-Bewegung verstopft werden.
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Herr Abgeordneter Kuntscher, Ihre Redezeit ist beendet.
Ich muß mich sehr kurz fassen, aber ein Kapitel kann ich nicht unbesprochen lassen. Das ist jenes Kapitel, das heute die Menschen in Schleswig-Holstein und im nördlichen Niedersachsen auf den Verzweiflungsgedanken gebracht hat, im Frühjahr Trecks zu starten, um auf diese Art und Weise eine Umsiedlung zu erzwingen. Es sind an und für sich Menschen, die seit fünf Jahren geduldig das ihnen vom Schicksal auferlegte Leid getragen haben.
({0})
Aber sie wollen endlich aus dieser Verzweiflung,
aus dieser hoffnungslosen Lage heraus, sie wollen
aus ihren ganz elenden Wohnungsverhältnissen
heraus. Wir haben in Schleswig-Holstein noch
110 000 und in Niedersachsen noch 111 000 Menschen in Baracken wohnen. Eine Untersuchung
dieser Baracken auf ihren Bauzustand ergab,
daß ein Drittel als sehr schlecht, ein Drittel
als schlecht und ein Drittel als noch halbwegs bewohnbar bezeichnet werden kann. Die Mittel, die
zur Erhaltung der aus dem Kriege stammenden
Baracken verwendet werden und die vom Bunde
als Kriegsfolgelasten bereitzustellen sind, gehen
({1})
jährlich in die Millionen. Alle Fachleute behaupten, daß die Aufwendung dieser Mittel nicht nur unwirtschaftlich ist, sondern daß diese Mittel rationeller verwendet werden müßten, um richtigen Wohnraum zu erstellen. Dazu kommt in diesen Gebieten die Hoffnungslosigkeit, bei de Lage auf dem Arbeitsmarkt jemals eine ständige Beschäftigung zu finden.
Was Kollege Tichi ausgeführt hat, kann nicht unbeantwortet bleiben. Er hat den Vorwurf erhoben, daß auf Bischofskonferenzen und Kirchentagen sehr viel über das Vertriebenenproblem gesprochen worden, daß es aber bei den Worten geblieben sei. Hinter dieser Feststellung, lieber Landsmann und Kollege Tichi, sehe ich einen versteckten Vorwurf. Darauf muß ich die Antwort geben, daß die Kirchen es gewesen sind, die bereits im Jahre 1945, als es noch keine Behörden gab, sich um das Flüchtlingsproblem gekümmert haben und in die Schanze gesprungen sind, und daß sie bis heute Übermenschliches und Undenkliches geleistet haben, um dem Flüchtlingselend zu steuern.
({2})
Sie haben auch das Vertriebenenproblem als erste zur internationalen Behandlung gebracht.
Ich möchte auch den Vorschlag des Kollegen von der Bayernpartei betreffend Erhebung eines Ausgleichsbetrages, um die Umsiedlung als solche zu erleichtern, nicht unbeantwortet lassen.
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Herr Kollege Besold, ich verstehe Ihren Standpunkt nicht. Gestern ging es auch um einen ähnlichen Beitrag, und sie waren leidenschaftlich dagegen. Mir kommt es so vor: gestern rin in die Kartoffeln und heute wieder raus aus den Kartoffeln! Wie man es eben gerade braucht! Man muß auch in diesen Fragen ein wenig konsequent sein.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen! Zusammenfassend
({4})
möchte ich sagen, daß uns die vorgelegte Bilanz über die Umsiedlung im Jahre 1951 nicht befriedigt, daß wir aber in sachlicher Aussprache und sachlicher Kritik, auch wenn es gegen unsere eigenen CDU-Minister geht, alles tun wollen, damit in Zukunft dieses unbedingt zu lösende Problem eine Behandlung erfährt, mit der wir einigermaßen zufrieden sein können.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich meine kurzen Ausführungen vor den mittlerweile stark gelichteten Reihen dieses Hohen Hauses mit einer ganz und gar ketzerischen Bemerkung beginne. Darüber, daß mit einer mehr als dreistündigen Debatte zu einer Regierungserklärung, ohne daß dem Hause ein Antrag zur Beschlußfassung vorliegt, den Flüchtlingen in keiner Weise geholfen ist, kann kein Zweifel bestehen.
({0})
Ob der Demokratie damit geholfen ist, das ist die
sehr ernste Frage, die man sich weiter stellen muß.
Ich möchte mich auf ganz wenige Bemerkungen beschränken. Der Herr Wohnungsbauminister hat gemeint, daß vom Anlauf der gesetzlichen Bestimmungen zur Umsiedlung etwa ein Jahr ablaufe, bis alles gelungen sei. Das erste Programm wurde in diesem Hause fast auf den Tag genau vor zwei Jahren, nämlich am 29. November 1949, beschlossen. Aus Schleswig-Holstein sollten nach diesem Programm 150 000 Heimatvertriebene umgesiedelt werden. Bis jetzt, d. h. Anfang November, also fast auf den Tag zwei Jahre, sind es genau 148 640. Also ist heute noch ein Rückstand aus diesem Programm von immerhin 1 360 vorhanden. Ich bitte doch, in Prophezeiungen nach diesem Beispiel sehr vorsichtig zu sein. Offenbar dauert es etwas mehr als zwei Jahre, ehe ein solches Programm in der Praxis durchgeführt werden kann.
Was nun aber unser Gesetz - ich bitte Sie zu beachten: ein Bundesgesetz vom 22. Mai 1951 - anlangt, das wir doch nach den Erfahrungen des Anlaufens der ersten Verordnung erlassen haben, so ist darin vorgesehen, daß aus Schleswig-Holstein bis Ende Oktober 100 000 und bis zum 31. Dezember 1951 weitere 50 000 umgesiedelt sein sollten. In Wirklichkeit sind auf Grund dieses zweiten Programms bis zum 1. November 1951 aus Schleswig-Holstein sage und schreibe 7 610 Menschen umgesiedelt! Das sind so eben 5 % des Solls. Das mag an Umständen liegen, die der oder jener zu verantworten hat - meines Erachtens am meisten doch wohl die Herren Minister oder die Herren Sachbearbeiter in den Aufnahmeländern -; das sei dahingestellt.
Aber ich möchte doch vor einem warnen: mit solchen Gesetzen, die wir hier als Demokratie beschließen, werden Hoffnungen erweckt, die man unter allen Umständen erfüllen muß. Ich möchte für alle zukünftigen Gesetze und Verordnungen dringend empfehlen, das Programm zeitlich so abzusehen, daß nicht wiederum Hoffnungen wachgerufen und enttäuscht werden.
Was nun das ganze Umsiedlungsverfahren anlangt, so gestatten Sie mir hierzu noch eine Schlußbemerkung. Es handelt sich um typische Zwangswirtschaft mit Menschen, um eine von oben gesteuerte Durchführung, der wir nach unserem politischen Glauben nur unsere äußerste Skepsis entgegensetzen können. Ob es nicht andere Methoden gibt, bei denen der Betreffende sein Schicksal in eigene Hand nehmen kann und muß, die bedeutend wirkungsvoller sein könnten, das ist die Frage, die wir sehr ernstlich zu prüfen bitten. Denn lediglich mit der Unterbringung in Wohnungen ist es noch nicht geschehen. Das Wesentliche ist die neue Lebensbasis, die die Menschen in der neuen Heimat finden. Ob darauf bei einer solchen gesteuerten Umsiedlung die unentbehrliche Rücksicht genommen werden kann, das ist das weitere ernste Bedenken, das ich nur kurz anmelden möchte.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Zawadil.
({0})
- Er hat noch 3 Minuten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich wohl nicht zu den periodisch auftretenden Rednern gehöre, werden Sie mir gestatten, daß ich die restlichen drei Minuten ausnutze und noch etwas zur konkreten Seite der
({0})
Angelegenheit sage. Ich muß zuerst einmal Herrn Kollegen Müller von der KPD etwas antworten. Herr Kollege Müller hat schon sehr recht: In der Ostzone ist das Problem gelöst, nicht nur die Umsiedlung, sondern auch die Gleichstellung der Heimatvertriebenen; denn dort hat sich tatsächlich eine Niveauverschiebung vollzogen, allerdings nicht nach der Höhe hin, d. h. im Zuge einer Angleichung des Lebensniveaus der verarmten heimatvertriebenen Bevölkerung an das etwas bessere Lebensniveau der binnendeutschen Bevölkerung, sondern dort hat sich das Lebensniveau der Binnendeutschen auf das völlig verarmte Niveau der Heimatvertriebenen gesenkt.
({1})
In diesem Sinne ist die Angleichung und die Gleichstellung vollzogen!
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Ich habe vorhin etwas versäumt. Ich hätte eigentlich darum bitten sollen, daß der Vertreter der Landesregierung von Rheinland-Pfalz aus der Sitzung des Bundesrates herübergerufen wird. Mir liegt nämlich u. a. ein amtlicher Brief des Landratsamtes Kemnath vor, wo die Kommission aus Rheinland-Pfalz tätig war und wo der Leiter dieser Kommission jedwede Beratung und Einflußnahme seitens des zuständigen Regierungsbeauftragten von Oberpfalz wie auch des Landrats als auch des Flüchtlingskommissars abgelehnt und sich auf die der Kommission gegebenen Weisungen seitens seiner Regierung berufen hat. Ich hätte den Vertreter von Rheinland-Pfalz gefragt, welche Weisungen dies sind und was sie besagen. Für uns gibt es nur ein Gesetz und die Beachtung dieses Gesetzes.
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- Das mag geschäftsordnungsmäßig nicht üblich sein; aber ich muß sagen: es wäre in Ordnung, wenn die Regierung sich dazu äußern würde, welche Weisungen sie außerhalb des Gesetzesrahmens der Kommission erteilt hat. Weiter steht fest - und das geht aus dem Brief hervor -, daß nur ein ganz geringer Prozentsatz an Sozialfällen berücksichtigt worden ist. Das widerspricht dem § 13 unseres Gesetzes, wonach alle Personen und Berufsgruppen berücksichtigt werden müssen.
Zu dem Antrag selbst! Herr Kollege Ewers hat eben gesagt, es seien keine konkreten Vorschläge gemacht worden. Nun, von der Regierung stammt der Vorschlag, die Zuteilung der finanziellen Mittel für den Wohnungsbau in Zukunft so zu regeln, daß die Hergabe der gesamten Wohnungsbaumittel des Bundes an eine Umsiedlungsverpflichtung gebunden ist. Das ist wohl ein sehr konkreter Vorschlag. Der zweite und darüber hinausgehende Vorschlag liegt Ihnen in Form unseres Antrags vor. In bezug auf diesen Antrag meiner Fraktion möchte ich nochmals an das Haus appellieren, um der Beschleunigung willen unserem Antrag heute schon zuzustimmen und damit von der Regierung die Vorlage eines entsprechenden Gesetzentwurfes zu verlangen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Kopf gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redezeit, die meiner Fraktion zusteht, ist leider erschöpft. Dies macht es mir unmöglich, zu dem Antrag der FDP in sachlicher Weise Stellung zu nehmen. Ich halte es aber für notwendig, daß ein derart schwerwiegender Antrag, der sehr weitgehend in die Verwaltung der Länder eingreift, zunächst in den zuständigen Ausschüssen behandelt wird. Zu den zuständigen Ausschüssen gehört in erster Linie der Ausschuß für innere Verwaltung; denn es handelt sich darum, im Rahmen der inneren Verwaltung der Länder eine Bundesinstanz zu schaffen, die bestimmte Bundesaufgaben durchführen soll. Daneben aber würde ich es für notwendig halten, daß auch der Rechtsausschuß mit dieser Frage befaßt wird; denn ich selbst habe gegen die Durchführung dieses Antrages starke verfassungsrechtliche Bedenken. Da die Redezeit erschöpft ist, muß ich es mir leider versagen, diese Bedenken darzulegen. Ich beantrage aber, den Antrag erstens dem Ausschuß für innere Verwaltung und zweitens dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ich halte es nicht für möglich, daß wir heute in der Sache selbst Stellung nehmen. Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß die Durchführung der Umsiedlung in den Ländern Schwierigkeiten gefunden hat, die in den sachlichen Verhältnissen selbst und nicht in der Parteikonstellation liegen, und daß von den beteiligten Innenministern zwei bekanntlich der SPD angehören.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Abgeordneter Dr. Kather.
Ich beantrage weiter Überweisung an den Vertriebenenausschuß.
Meine Damen und Herren, zu dem Antrag auf der Drucksache Nr. 2853 liegen nunmehr drei Überweisungsanträge vor, und zwar ist Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung, an den Rechtsausschuß und an den Ausschuß für Vertriebene beantragt.
Zunächst stimmen wir ab über die Überweisung an den federführenden Ausschuß, den Ausschuß für innere Verwaltung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; damit ist diese Überweisung beschlossen.
Es ist weiter Überweisung an den Rechtsausschuß beantragt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist ebenfalls eine Mehrheit.
Schließlich ist Überweisung an den Ausschuß für Vertriebene beantragt. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, mit Rücksicht darauf, daß eine Reihe von Berichterstattern zu späterer Stunde nicht mehr hier sein kann, schlage ich Ihnen vor, zunächst Punkt 16 vorzuziehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Ich rufe also auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen betreffend Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Freiherr von Rechenberg.
Dr. Freiherr von Rechenberg ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Antrag gemäß Drucksache Nr. 2645 hatten die Herren Abgeordneten Dr. Ott und Genossen dem Bundestag einen Protest gegen die Zwangsumsiedlungen in Rumänien vorgeschlagen. Der Bundestag hatte diesen Antrag dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Der Ausschuß hat den Antrag Ott inzwischen beraten.
Es handelt sich bei diesem Antrag um Maßnahmen, die seit Sommer dieses Jahres seitens der rumänischen Regierung gegen die Banater Schwaben ergriffen werden. Diese Banater Schwaben werden zwangsweise aus den Gebieten, in denen sie seit Hunderten von Jahren gelebt haben, in den südöstlichen und östlichen Teil Rumäniens umgesiedelt. Diese Aktion erfolgt unter Umständen, die jeder Menschlichkeit Hohn sprechen. Mit unglaublicher Grausamkeit wird dort gegen Freiheit und Menschenwürde auf das empörendste verstoßen. Der Zweck der ganzen Aktion erscheint auch nicht zweifelhaft. Es handelt sich ganz offenbar darum, daß dem zumeist römisch-katholischen Stamm der Banater Schwaben als Gruppe ein Ende bereitet werden soll.
Der Ausschuß hat von diesen Vorgängen Kenntnis genommen und einstimmig seiner tiefsten Entrüstung Ausdruck gegeben. Er fühlt sich dabei nicht nur durch die Tatsache angesprochen, daß es sich bei den Banater Schwaben um einen der besten Volksstämme handelt, der seit Jahrhunderten sein deutsches Volkstum in vorbildlichster Weise bewahrt hat. Sicher ist der Ausschuß der Ansicht, daß allein der Bundestag der deutschen Bundesrepublik das berufene Organ zur Vertretung der
» Interessen aller deutschen Gruppen in aller Welt ist. Aber nicht aus diesem Grunde allein hält der Ausschuß den Bundestag für kompetent in der Behandlung dieser Angelegenheit. Der Ausschuß ist der Meinung, daß der Bundestag über die nationalen Anliegen deutscher Volksstämme hinaus das Recht und die Pflicht hat, gegen erkannte Verbrechen gegen die Menschlichkeit seine Stimme zu erheben.
Als Ergebnis dieser Überlegungen hat der Ausschuß einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, in Erledigung des Antrags der Herren Dr. Ott und Genossen dem in Drucksache Nr. 2837 mitgeteilten Antrag zuzustimmen. Der Antrag liegt dem Hohen Hause vor. Ich darf mich daher darauf beschränken, nur kurz noch einmal die drei Anliegen zu unterstreichen, die nach Meinung des Ausschusses der Bundestag der Bundesregierung unterbreiten sollte, nämlich die Vollversammlung der Vereinten Nationen zur Prüfung der in Rumänien begangenen Verbrechen zu veranlassen, ferner das Rote Kreuz um eine internationale Hilfsaktion zu bitten und schließlich auch seitens der Bundesregierung eine solche Hilfsaktion nach ihren Kräften zu unternehmen.
Namens des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
({0})
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich bitte, diesen Mündlichen Bericht anzunehmen und von einer Debatte abzusehen.
Meine Damen und Herren, ich darf auch meinerseits diesen Antrag unterstützen. Wir haben über diese Angelegenheit schon eine längere Aussprache gehabt. Es besteht auf allen Seiten absolute Übereinstimmung. Infolgedessen können wir uns wohl eine Debatte ersparen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2837 zustimmen, ein Handzeichen zu geben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Da auch der Herr Berichterstatter zu den Punkten 10 und 11 der Tagesordnung später verhindert ist, empfehle ich, die Punkte 10 und 11 ebenfalls vorzuziehen. Ich rufe daher auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Preller.
Dr. Preller ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Abkommen über die Sozialversicherungsvereinbarungen mit Österreich handelt es sich um das vierte Abkommen dieser Art, das in der Zeit nach 1945 abgeschlossen werden konnte. Diesmal sind davon betroffen die Krankenversicherung, Unfallversicherung und Rentenversicherung in der Bundesrepublik und in Österreich. Die Angehörigen beider Staaten werden in diesem Abkommen generell gleichgestellt, ebenso die volksdeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen, die in diesen Gebieten nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben, sowie auch diejenigen - das war Gegenstand unserer Erörterungen im Ausschuß -, die sich in Österreich als Volksdeutsche befinden oder die Staatenlose sind oder deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist. Diese Personengruppen erhalten die Leistungen ohne jede Einschränkung unter Einschluß aller Zuschläge aus den öffentlichen Mitteln, solange sie sich im Gebiet eines der beiden Vertragsstaaten aufhalten. Der Versicherungsschutz wird ihnen gewährt wie den Angehörigen der betreffenden Staaten, die sich etwa im Ausland aufhalten. Besonders wichtig ist in diesem Abkommen - das gleiche gilt für das Abkommen unter Punkt 11 der Tagesordnung -, daß darin bei der Berechnung der Ansprüche die Zeit mitberücksichtigt wird, in der Österreich und Deutschland vereinigt waren. Die Verteilung der Ansprüche und Anwartschaften aus der Zeit vor der Trennung der beiden Staatsgebiete im Jahre 1945 ist so geregelt, daß die Ansprüche und Anwartschaften gegenseitig aufgerechnet werden, so daß jeder der beiden Vertragsstaaten Leistungen aus solchen Versicherungsverhältnissen übernimmt, die ganz oder teilweise in seinem Gebiet bestanden haben. Ich darf noch erwähnen, daß die Einbeziehung Berlins in dieses Abkommen durch eine Zusatzvereinbarung geregelt werden soll.
({5})
Der Ausschuß für Sozialpolitik empfiehlt Ihnen die Annahme dieses Abkommens einschließlich des Schlußprotokolls.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldung. - Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln und der Einleitung und Überschrift zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet, und ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Es liegen keine Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf: Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur Schlußabstimmung und bitte diejenigen, die dem Gesetz im Ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung und im Ganzen verabschiedet.
Ich rufe nun auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Preller.
Dr. Preller ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Abkommen entspricht etwa dem, das wir eben behandelt und angenommen haben. Hier liegen die Verhältnisse so, daß insbesondere auch zwischen den Niederlanden und den deutschen Gebieten eine lebhafte Wanderung von Arbeitskräften stattfindet und daß bereits früher einige Abkommen Teillösungen brachten, die nun durch eine umfassende Regelung zusammengeschlossen werden sollen.
Sachgebiete sind hier die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die Rentenversicherung, die knappschaftliche Rentenversicherung und auch die Arbeitslosenversicherung, für die allerdings später erst noch eine Zusatzvereinbarung vorgesehen ist, im übrigen auch die Kinderbeihilfenversicherung der Niederlande, die dementsprechend auch Deutschen zugute kommt, die in den Niederlanden beschäftigt sind.
Der räumliche Geltungsbereich erstreckt sich lediglich auf die europäischen Gebiete der Niederlande, nicht auf die außereuropäischen Gebiete. Die Gebiete, die am 23. April 1949 unter niederländische Verwaltung gestellt worden sind, werden
von diesem Abkommen erfaßt, und es bleibt einer späteren Regelung überlassen, was künftighin noch geschehen soll.
Die beiderseitigen Staatsangehörigen sind einander völlig gleichgestellt. Auch hier sind die Flüchtlinge und die Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit mit eingeschlossen. Das gilt für alle Personen, die in einem der beiden Gebiete Leistungsansprüche an die Sozialversicherung erworben haben. Eine Besonderheit und etwas Neues ist es in diesem Abkommen, daß darüber hinaus auch diejenigen, die Angehörige eines dritten Staates sind und in einem der beiden Gebiete wohnen, die Rechte der Einwohner des Landes haben, d. h. das Staatsangehörigkeitsprinzip ist in dieser Vereinbarung erstmals fallengelassen worden, so daß wegen der Nationalitäten überhaupt kein Unterschied besteht. Damit sind nun auch diejenigen gleichgestellt worden, die als deutsche Staatsangehörige Vermögenswerte in den Niederlanden hatten, die sich auf die Sozialversicherung beziehen, d. h. unsere deutschen Anspruchsberechtigten, die Ansprüche gegen die niederländischen Versicherungsträger haben, können diese Ansprüche nunmehr geltend machen.
Ich darf noch erwähnen, daß eine Reihe von Zusatzabkommen abgeschlossen worden sind, von denen die dritte Zusatzvereinbarung besonders wichtig ist, die eine Regelung für diejenigen niederländischen Arbeitskräfte bringt, die während der Nazizeit in Deutschland arbeiten mußten. Hier ist eine wohl für beide Teile befriedigende Regelung getroffen worden.
Der Ausschuß für Sozialpolitik bittet Sie einstimmig auch bei diesem Punkt der Tagesordnung um Annahme dieses Abkommens mit dem Schlußprotokoll und den Zusatzvereinbarungen. C
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wir kommen zur zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Die aufgerufenen Artikel sowie Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe nun auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über den vorläufigen Handelsvertrag vom
12. Februar 1951 zwischen der Regierung der
Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Griechenland ({0}).
Seitens der Regierung ist mitgeteilt worden, daß sie auf die schriftliche Begründung verweist. Im Ältestenrat ist dementsprechend vereinbart worden,
({1})
von einer Aussprache in der ersten Beratung abzusehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen beantragt. Ich bitte diejenigen, die
zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die
Mehrheit. Damit ist diese Überweisung beschlossen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung eines Dritten Gesetzes über
die Übernahme von Sicherheitsleistungen
und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft
({2}).
Wird seitens der Regierung dafür eine besondere Begründung gegeben? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, dann können wir, glaube ich, die Vorlage auch ohne Aussprache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen überweisen. Ich bitte diejenigen, die dem Vorschlag zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist dementsprechend beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Zentrumsfraktion eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens ({3}) vom 20. Juni 1948 ({4}).
Der Ältestenrat hat 10 Minuten für die Begründung und 40 Minuten für die Aussprache vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses
dazu an.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Dr. Bertram ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Zentrumsfraktion eingebrachte Gesetzentwurf hat das Ziel, die durch die Einrichtung von Mindestreserven verfügbaren Sparkassenmittel durch die Befreiung von der Mindestreservepflicht zu erhöhen.
Um dieses Thema hat sich seit langer Zeit eine ganze Reihe von Diskussionen entsponnen. Man hat gesagt, daß die Spareinlagen auch Geldcharakter hätten und daß deshalb hier Mindestreserven erforderlich seien. Das ist nicht zutreffend. Spareinlagen haben keinen Geldcharakter und brauchen deshalb der Mindestreservepflicht nicht zu unterliegen. Die Bestimmung, die in die alliierten Emissionsgesetze aufgenommen worden ist, ist für deutsche Verhältnisse allgemein neu und stellt insbesondere für die Sparkassen eine große Ungerechtigkeit dar, weil sie die langfristigen Mittel, die sonst für den Wohnungsbau verfügbar wären, einschränkt. Seit Mai 1951 hat dementsprechend die Bank deutscher Länder, die früher die Spareinlagen unter das Geldvolumen gerechnet hat, diese dort herausgenommen und damit doch indirekt anerkannt, daß Spareinlagen nicht zum Geldvolumen, sondern zum Kapital gehören.
Der Einwand, daß die Sparkassen ohnedies Liquiditätsreserven unterhalten müßten und deshalb die Mindestreserven ein Ersatz für die Liquiditätsreserven seien, kann nicht zutreffen, da ja die Haltung einer Mindestreserve tatsächlich keine Liquidität schafft und deshalb die Sparkassen gezwungen sind, zusätzlich eine Liquiditätsreserve zu unterhalten.
Die formelle Möglichkeit, die alliierten Gesetze abzuändern, ist gegeben. In VI Ziffer 7 b) des revidierten Besatzungsstatuts heißt es:
Alle anderen Rechtsvorschriften der Besatzungsbehörden bleiben in Kraft, bis sie .. .
auf Grund einer von den Besatzungsbehörden 1 erteilten Ermächtigung durch die deutschen Behörden aufgehoben ... werden.
Wir sind also berechtigt, mit Zustimmung der Alliierten diese Mindestreserve-Bestimmungen aufzuheben. Für ihre Aufhebung hat sich eine ganze Reihe von beachtlichen Stimmen erhoben. Zunächst einmal hat sich der Wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums bereits in seiner Stellungnahme vom 9./10. Dezember 1950 für die Aufhebung ausgesprochen. Das gleiche gilt für den Wohnungswirtschaftlichen Beirat des Bundeswohnungsbauministeriums bezüglich seiner Stellungnahme vom 8. Januar 1951. Aber auch der 18. Ausschuß des Bundestags hat sich in einer Entschließung vom 31. Januar 1951 für diese Maßnahme ausgesprochen.
Seitdem sind wieder drei Vierteljahre vergangen, ohne daß man sich zu der Aufhebung hat durchringen können. Das liegt offenbar an dem Widerspruch der Bank deutscher Länder, die immer noch an dem irrigen Glauben festhält, daß es sich bei den Spareinlagen nicht um Kapital, sondern um Geld handle.
Das Bundesfinanzministerium hat sich dahin geäußert, die Spareinlagen seien ja doch im wesentlichen kurzfristig; es sei jedoch ein langsamer Übergang von der Kurzfristigkeit zur Langfristigkeit festzustellen. Die Stellungnahme des Bundesfinanzministeriums ist also nicht so eindeutig wie die der Bank deutscher Länder.
Nun ist in dem Entwurf des Bundesnotenbank-gesetzes vom 15. Oktober 1951 überraschenderweise wieder an dieser unzutreffenden Auffassung festgehalten worden, obwohl wir von dem Bundesnotenbankgesetz hätten erwarten dürfen, daß es 1 die Mindestreservepflicht für Spareinlagen aufhebt. Das hat uns veranlaßt, den Gesetzentwurf einzubringen.
Es ist eine schnell wirksame Maßnahme erforderlich, um den darniederliegenden Kapitalmarkt aufzulockern. Mit unserem Gesetz würde das möglich sein. Es würde gleichzeitig eine Festlegung für das Bundesnotenbankgesetz bedeuten; denn wenn wir das Emissionsgesetz insoweit abgeändert haben, kann die alte Bestimmung in das demnächst kommende Bundesnotenbankgesetz nicht aufgenommen werden. Vor allem aber würde - und das ist, glaube ich, der entscheidende Gesichtspunkt, den Sie beachten sollten - die dezentrale Anlage der dann freigegebenen Beträge die Möglichkeit geben zu einer Ausleihung dieser Beträge im örtlichen Bereich als erste Hypotheken an die Bauwilligen. Auf diese Art und Weise würde es einen außerordentlich starken Anreiz zum Sparen bewirken und damit, eben durch diesen Akt der Schaffung von Vertrauen, den Kapitalmarkt wesentlich beleben. Diesen Beweis des guten Willens sollte der deutsche Gesetzgeber im Interesse der Wiederbelebung des Kapitalmarkts dem Sparer möglichst bald geben und damit von einer Ungerechtigkeit des alliierten Gesetzgebers abrücken. Der Sparer brauchte dann die Furcht vor rücksichtsloser Behandlung durch den Gesetzgeber, die immer noch latent vorhanden ist, nicht mehr zu haben. Wir werden mit dieser Maßnahme Vertrauen schaffen und Kredit und Kapital gewinnen.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag zuzustimmen. Da der Antrag zunächst im Ausschuß behandelt werden muß, beantrage ich, ihn dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Durchführung des Antrags wird im Ausschuß zu reden sein. Meine Fraktion wird es begrüßen, wenn er sobald wie möglich angenommen wird.
Die Gründe, die für den Antrag angeführt worden sind, treffen zu. Sowohl die Notwendigkeit, die in die Mindestreserven gelenkten Mittel auf den Gebieten des Kapitalmarkts zu haben, die sonst aus den Sparguthaben bedient werden, als auch die Ertragslage der Abteilungen der Kreditinstitute oder der Sparkassen selbst, die den Kapitalmarkt zu pflegen haben, lassen den Antrag gerechtfertigt erscheinen. Die Haltung der Mindestreserven für Spareinlagen hat deswegen keinen richtigen Einfluß auf die Abgrenzung zwischen Liquidität und Bindung von Mitteln, weil diese Mindestreserven durchweg gleichzeitig als Kreditplafond für die Bedürfnisse der Länderregierungen dienen und hier infolge der neuerdings zunehmenden Tendenz, zwar auf dieser Seite zu leihen, aber eventuelle Guthaben bei privaten oder Staatsbanken anzulegen, Erscheinungen aufgetreten sind, die nicht gerade zu begrüßen sind. Wir finden es auch richtig, daß sich der Antrag auf die Sparguthaben beschränkt. Bezüglich der Mindestreserven für die Sichteinlagen der Geschäftsbanken liegen im Augenblick doch noch andere Voraussetzungen vor. Wir bitten deswegen, den Antrag dem Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bucerius.
Meine Damen und Herren! Ausschußüberweisung halten wir für richtig. Der Antrag war wahrscheinlich nicht erforderlich, denn das Problem, das den Ausschuß zu beschäftigen haben wird, hätte ihn sowieso beschäftigt. § 11 des Bundesbankgesetzes, wie es im Entwurf vorliegt, wird bereits Vorschriften darüber treffen, daß eine abweichende Regelung über die Mindestreserven für Sichttermin- und Spareinlagen möglich ist. Im Rahmen dieser gesetzlichen Bestimmung wird sich das Petitum der Zentrumsfraktion ohne Schwierigkeiten erledigen lassen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Es ist Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Geld und Kredit beantragt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich sehe keine Gegenstimmen; der Antrag ist angenommen.
Dann können wir zu Punkt 5 übergehen: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes ({0}).
Der Ältestenrat hat für die Begründung 10, für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort zur Begründung - ({1})
- Können wir nicht die Ausschußüberweisung vornehmen?
({2})
- Ich würde es auch im Hinblick auf die vorgerückte Zeit empfehlen.
({3})
- Es ist also beantragt Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für den Lastenausgleich, wobei wegen der Materie vielleicht der Ausschuß für den Lastenausgleich federführend sein müßte.
({4})
- Ja, bitte, Herr Dr. Nöll von der Nahmer!
Meine Herren! Ich halte es für völlig ausreichend, wenn wir im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung die Sache nur an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht geben. Wir haben im Ausschuß für den Lastenausgleich schon über die Dinge gesprochen. Es handelt sich bei dieser Regierungsvorlage um eine reine Rechtsfrage. Nach meiner Meinung hat es keinen Zweck, die Sache dadurch zu verzögern, daß wir die Vorlage nochmals an den Ausschuß für den Lastenausgleich geben, Herr Kollege Seuffert. Ich beantrage deswegen Überweisung nur an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Herr Abgeordneter o Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten wenigstens eine Mitüberweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich deswegen für notwendig, weil erstens der Lastenausgleichsausschuß prüfen muß, ob die jetzige Formulierung ausreichend ist, insbesondere deswegen, weil für Zwecke des Lastenausgleichs auch noch andere Verfassungsänderungen in Frage kommen könnten, Herr Kollege Nöll von der Nahmer - ich erinnere nur an die Frage der Vermögensteuer -, und deswegen immerhin darüber gesprochen werden muß, wieviel man eigentlich da zu ändern hat. Zweitens glaube ich, wenn man eine solche Verfassungsänderung durch ein Initiativgesetz macht, muß man doch dem Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme geben, und da es sich um eine Materie handelt, die doch nur der Lastenausgleichsausschuß übersehen kann, würde auch für die Besprechung dieser Frage die Zuziehung des Lastenausgleichsausschusses notwendig sein. Deswegen beantragen wir die Überweisung auch an den Lastenausgleichsausschuß bei Federführung des Rechtsausschusses.
Meine Damen und Herren, ich glaube, nunmehr sind die Meinungen über die Frage der Überweisung genügend klar zum Ausdruck gekommen; wir können abstimmen.
Es ist zunächst die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
({0})
Ferner ist beantragt, zusätzlich an den Ausschuß für den Lastenausgleich zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Auch das ist zweifellos die Mehrheit. Das ist ebenfalls beschlossen. Wir sind damit mit diesem Punkt fertig.
Es kommt dann Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}). ({4})
({5})
- Wir können die Vorlage zurückstellen. Also Punkt 6 bleibt zurückgestellt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 ({6}).
Wird von den Antragstellern das Wort zur Begründung gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Meine Damen und Herren, im Altestenrat war vorgesehen, daß keine Aussprache stattfinden solle, sondern sofortige Verabschiedung in erster, zweiter und dritter Beratung.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr, Krone.
Ich höre, zu den Punkten 6 und 7 soll die dritte Beratung ausgesetzt werden; es soll also nur die erste und zweite Beratung stattfinden.
Nur erste und zweite Beratung.
Dann rufe ich auf zur
ersten Beratung.
- Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Damit ist die erste Beratung beendet.
Ich rufe in der
zweiten Beratung
auf Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Es liegen keine Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln und Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Zweifellos die Mehrheit, also angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Von der dritten Beratung soll noch abgesehen werden; sie findet also nicht statt. - Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für 4 Arbeit ({1}) ({2}).
({3}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Degener.
Degener ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der SPD-Gesetzentwurf über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen, Drucksache Nr. 525, ist in der 43. Sitzung des Bundestages dem Ausschuß für Arbeit überwiesen worden. Der Ausschuß hat zunächst die Frage geprüft, ob ein Bedürfnis für ein solches Gesetz bestehe, und hat zur Beratung dieser Frage Sachverständige herangezogen. So sind die Sozialpartner gehört worden, der Hausfrauenbund und auch der Bauernverband. Die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Deutschen Angestelltengewerkschaft haben das Bedürfnis bejaht. Sie haben darauf hingewiesen, daß es immer noch Arbeitnehmergruppen gebe, die keinen tarif vertraglichen Schutz genössen, deren Arbeitskraft also nach dem Satz von Angebot und Nachfrage wie eine Ware gewertet werde, was in manchen Gruppen und Betriebszweigen zu Zuständen geführt habe, deren Ablösung dringend notwendig sei. Der Vertreter der Arbeitgebervereinigung hat dagegen den Standpunkt vertreten, daß das Tarifvertragsnetz doch nahezu lückenlos sei und die Arbeitgebervereinigung keine Lücken entdecken könne, die ein solches Gesetz rechtfertigten.
Der Ausschuß ist dann bei seinen Beratungen trotz dieser Einstellung der Arbeitgebervereinigung doch zu einer Bejahung des Bedürfnisses gekommen, und zwar auch im Hinblick darauf, daß die Arbeitsbedingungen der Heimarbeiter dann in einem besonderen Gesetz geregelt wurden. In der Generaldebatte über die Bedürfnisfrage ist auch darauf hingewiesen worden, daß sich bei uns in Deutschland da, wo der tarifvertragliche Schutz für Arbeitnehmer nicht vorlag, in der Rechtsprechung der Begriff des ortsüblichen Lohnes durchgesetzt habe, daß sich auch ein Rechtsanspruch auf einen solchen ortsüblichen Lohn entwickelt und dieser Begriff des ortsüblichen Lohnes insonderheit auch im Handelsgesetzbuch für die Angestelltengruppen seinen Niederschlag gefunden habe. Weiter ist betont worden, daß in anderen Ländern, sogar in USA - und das habe ich bei meiner vorjährigen Anwesenheit in USA auch selbst feststellen können -, solche Gesetze über Mindestarbeitsbedingungen existieren.
Im Ausschuß bestanden zunächst verschiedene Meinungen in der Bedürfnisfrage. Es wurde der Sorge Ausdruck gegeben, daß die Sozialpartner, deren ursprüngliche und wichtigste Aufgabe es ja doch ist, die Arbeitsbedingungen in freier Vereinbarung, also in Tarifverträgen zu regeln, durch die Schaffung eines solchen Gesetzes in der Erfüllung ihrer Aufgabe nachlassen könnten bzw. entlastet würden. Aber, wie gesagt, diese verschiedenartigen Auffassungen sind letztlich doch überwunden worden, die Mitglieder des Ausschusses haben mit wenigen Ausnahmen die Bedürfnisfrage bejaht.
Bei der dann einsetzenden Beratung der einzelnen Bestimmungen der Gesetzesvorlage haben sich die Mitglieder des Ausschusses in der Hauptsache von dem Wunsche leiten lassen, alles zu vermeiden, was erstens zur Festsetzung eines sogenannten politischen Lohnes oder Entgeltes führen könnte und
({5})
zweitens, wie gesagt, zur Entlastung der Sozialpartner führen müßte. Die Beratungen haben deshalb auch, wie Sie bei einem Vergleich des Gesetzentwurfes mit der Ausschußvorlage leicht feststellen können, zu wesentlichen Abweichungen von der Vorlage Drucksache Nr. 525 geführt. Es erscheint mir zweckmäßig, einmal der Zeitersparnis wegen, zum andern aber auch, um die Berichterstattung so instruktiv wie möglich zu gestalten, mich im wesentlichen auf die Darstellung dieser Abweichungen zu beschränken.
Die Vorlage des Ausschusses, Drucksache Nr. 2697 ({6}), enthält Bestimmungen über die Voraussetzungen, die für die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen gegeben sein müssen, über die Organe, die diese Voraussetzungen sowie Art und Umfang der in Frage kommenden Mindestarbeitsbedingungen ermitteln müssen, ferner über Befugnisse und Verfahren dieser Organe, Rechte und Pflichten des Bundesarbeitsministers, die nach der Vorlage nicht unbedeutend sind, und enthält schließlich noch Überwachungs- und Schlußbestimmungen. Zunächst einiges über die Voraussetzungen für die Anwendung des Gesetzes überhaupt, die ihren Niederschlag im wesentlichen in
§ 1 gefunden haben.
Im SPD-Entwurf war vorgesehen, daß diese Mindestarbeitsbedingungen da festgelegt werden sollten, wo eine tarifvertragliche Regelung durch die Gewerkschaften nicht erfolgt sei. Der Ausschuß hat diese allgemeine Fassung abgelehnt und bestimmt, daß Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden können, wenn Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbände fehlen oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder Arbeitgeber umfassen.
Während der SPD-Entwurf nun sagte, daß diese Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden sollten, also eine Soll-Bestimmung enthielt, wird in § 1 Abs. 2 der Ausschußvorlage bestimmt, daß die Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden können.
Im Entwurf der SPD wird gesagt, daß diese Bedingungen festgesetzt werden sollen, wenn die Sicherung angemessener Löhne und sonstiger Arbeitsbedingungen zur Befriedigung der notwendigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint. Nach der Ausschußvorlage sollen die Mindestbedingungen festgesetzt werden können, wenn es zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich erscheint.
In der Ausschußfassung wird weiter gesagt, daß eine Regelung auf der Basis dieses Gesetzes nicht eintreten darf, wenn eine Regelung der Arbeitsbedingungen durch Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages erfolgt ist.
Nun etwas über die Organe, die im Gesetz vorgesehen sind. Da ist zunächst der Hauptausschuß nach
§ 2 der Vorlage zu nennen. Im Ausschuß war man übereinstimmend der Meinung, daß die Errichtung eines solchen Hauptausschusses durch den Bundesarbeitsminister zu erfolgen habe. Der Zweck war, durch diesen Hauptausschuß eine einheitliche Durchführung der Maßnahmen, die nach diesem Gesetz möglich werden sollen, zu sichern. Die Befugnisse dieses Ausschusses bestehen lediglich darin, festzustellen, in welchen Wirtschaftszweigen und -gebieten und für welche Beschäftigungsarten oder Personengruppen die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen nach diesem Gesetz überhaupt
erfolgen soll. Im SPD-Entwurf wurde gesagt, daß der Hauptausschuß auf Antrag der Gewerkschaften oder der Arbeitgebervereinigungen bestimme, für welche Arbeitnehmergruppen oder sonstigen Personen Mindestarbeitsbedingungen erlassen oder aufgehoben werden sollen, während die Ausschußvorlage sich darauf beschränkt, zu sagen:
Der Bundesminister für Arbeit bestimmt im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß die Wirtschaftszweige oder Beschäftigungsarten, für die Mindestarbeitsbedingungen zu erlassen oder aufzuheben sind.
Es ist hier eine weitgehende Vollmacht in die Hand des Bundesarbeitsministers gegeben, eben um zu sichern, daß nach einheitlichen Grundsätzen für das ganze Bundesgebiet verfahren wird und nicht je nach den Ländern und Wirtschaftsgebieten abweichende Beschlüsse zustandekommen.
Die SPD-Vorlage wünschte, daß der Vorsitzende durch das Bundesarbeitsministerium zu berufen sei. Der Ausschuß hat dagegen entschieden, daß der Bundesarbeitsminister oder ein von ihm benannter Stellvertreter Vorsitzender des Ausschusses ist. Hierin liegt ebenfalls ein ganz wesentlicher Unterschied; der Ausschuß hat diese Bestimmung aus denselben Gründen beschlossen, die ich eben genannt habe.
Nach der SPD-Vorlage soll der Hauptausschuß aus je sechs Vertretern der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und der Arbeitgebervereinigungen bestehen, die auf Vorschlag der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften oder der Arbeitgebervereinigungen auf die Dauer von drei Jahren zu berufen sind. Nach der Ausschußvorlage soll der Ausschuß aus je fünf Vertretern der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber und je einem Stellvertreter dieser Mitglieder bestehen; die Mitglieder sollen, ebenso wie in der SPD-Vorlage gewünscht, auf Grund von Vorschlägen der Gewerkschaften und der Vereinigungen der Arbeitgeber berufen werden, und zwar ebenfalls auf die Dauer von drei Jahren.
Nun, meine Damen und Herren, etwas über den Fachausschuß. Dem Hauptausschuß, der die Aufgabe hat, festzustellen, wo die Anwendung erfolgen soll, folgt der Fachausschuß oder folgen die Fachausschüsse, die nach den gebietlichen Gegebenheiten, nach den wirtschaftlichen Verhältnissen und den sozialen Umständen, nachdem der Hauptausschuß seine Pflicht getan hat, die Mindestarbeitsbedingungen ermitteln sollen. Die Errichtung dieser Fachausschüsse sollte, so verlangte die SPD-Vorlage, durch die Obersten Landesbehörden erfolgen, und nur dann, wenn das Gebiet, für das die Mindestarbeitsbedingungen gelten sollten, wesentlich über das Gebiet eines Landes hinausginge, sollte der Bundesarbeitsminister diese Fachausschüsse errichten. Der Ausschuß hat sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, daß die Errichtung in jedem Falle durch den Bundesarbeitsminister zu erfolgen hat, und hat in § 10 der Ausschußvorlage bestimmt, daß der Bundesminister für Arbeit die Oberste Landesbehörde beauftragen kann, die Errichtung vorzunehmen, und ihr auch die Befugnis zur Zustimmung zu Mindestarbeitsbedingungen abtreten kann, wenn das Gebiet, für das diese Bestimmungen gelten sollen, sich nur auf ein Land erstreckt. Der Ausschuß hat das aus den gleichen Gründen beschlossen, die ich vorhin nannte, nämlich um eine einheitliche Linie in allen Maßnahmen zu sichern, die nach dem Gesetz möglich werden sollen.
({7})
Diese Fachausschüsse sollen einen unparteiischen Vorsitzenden haben. Während die SPD-Vorlage die Berufung durch die errichtende Landesbehörde fordert, hat der Ausschuß beschlossen, die Berufung durch den Bundesarbeitsminister vornehmen zu lassen. Es heißt im Gesetz eindeutig, daß der Vorsitzende vom Bundesarbeitsminister zu bestimmen ist. Die Ausschüsse sollen drei, höchstens fünf Beisitzer mit je einem Stellvertreter haben. Sie sind auf Vorschläge der Gewerkschaften und der Arbeitgebervereinigungen zu berufen; wenn keine Vorschläge erfolgen, aus den Kreisen der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Grund dafür ist der Gedanke, die Arbeit der Fachausschüsse so wirtschaftsnah wie möglich zu gestalten.
Der Fachausschuß setzt nach der Ausschußvorlage die Mindestarbeitsbedingungen durch Beschluß fest, und zwar mit einfacher Stimmenmehrheit. Zunächst soll der Vorsitzende nicht mit abstimmen. Erst wenn auf diese Weise keine Einigung zu erzielen ist, kann der Vorsitzende seine Stimme in die Waagschale werfen. Weiterhin ist in der Ausschußvorlage gesagt, daß die Fachausschüsse die Mindestarbeitsbedingungen ermitteln, die die unterste Grenze zur Befriedigung der sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer darstellen.
In der Ausschußvorlage ist neu bestimmt, daß die Mindestarbeitsbedingungen der Zustimmung des Bundesarbeitsministers bedürfen. Im Gegensatz dazu ist in der SPD-Vorlage gesagt worden, daß die Fachausschüsse die Mindestarbeitsbedingungen nach öffentlicher Verhandlung festzusetzen haben. Wir haben diese Befugnis des Bundesarbeitsministers, die Zustimmung zu geben, aus den vorhin schon genannten Gründen aufgenommen. Wir wollen das Gesetz in seinem Wirkungsgrad einheitlich gestalten und glauben, daß, wenn das geschieht, Mißbräuche vermieden werden können.
Zum Verfahren der Fachausschüsse ist ausdrücklich vorgesehen, daß vor der Beschlußfassung über Mindestarbeitsbedingungen die obersten Arbeitsbehörden der beteiligten Länder gehört werden müssen, daß den beteiligten Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie den Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen Gelegenheit zu schriftlicher Stellungnahme gegeben werden muß. Darüber hinaus müssen sie Gelegenheit haben, in öffentlicher Verhandlung mündlich Stellung zu nehmen.
Nun etwas über die Wirkung der auf solche
Weise zustande gekommenen Mindestarbeitsbedingungen. Die SPD-Vorlage hat hierzu in § 10 gesagt: Mindestarbeitsbedingungen gelten unmittelbar und zwingend zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die unter ihren Geltungsbereich fallen.
Der Ausschuß hingegen hat folgende Fassung beschlossen:
Für die Mindestarbeitsbedingungen gelten, soweit sich nicht aus dem Fehlen von Tarifvertragsparteien oder aus diesem Gesetz etwas anderes ergibt, die gesetzlichen Vorschriften über den Tarifvertrag sinngemäß.
Der Grund ist der, daß man Wert darauf gelegt hat, nicht neben den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, die für Tarifverträge gelten, noch auf der Basis des Gesetzes über Mindestarbeitsbedingungen sich neue Rechtsnormen entwickeln zu lassen.
Hinsichtlich der Bestimmungen über die Überwachung der Einhaltung von Mindestarbeitsbedingungen sind wesentliche Abweichungen zwischen den beiden Vorlagen nicht zu verzeichnen.
Die allgemeinen und Schlußvorschriften der Vorlage Drucksache Nr. 525 sind vom Ausschuß nur vereinfacht worden und sind in den §§ 16 bis 18 der Drucksache Nr. 2697 ({8}) enthalten. Danach kann der Bundesarbeitsminister Rechtsverordnungen über die Errichtung der vorgesehenen Organe und das von ihnen anzuwendende Verfahren erlassen.
Ich habe schon gesagt, daß der Ausschuß für Arbeit bei seiner abschließenden Beratung im wesentlichen zu übereinstimmenden Beschlüssen gekommen ist. Jedoch muß ich bekanntgeben, daß ein Mitglied der FDP-Fraktion im Ausschuß einen grundsätzlichen Vorbehalt der Stellungnahme zu dem Gesetz überhaupt geltend gemacht hat.
Durch die sorgsame Abgrenzung der Rechte und Pflichten der in dem Gesetzentwurf vorgesehenen Organe, durch die entscheidende Mitwirkung des Bundesarbeitsministers, durch die Beteiligung der Sozialpartner, der unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie der obersten Arbeitsbehörden der Länder, durch die Begrenzung der Anwendbarkeit des Gesetzes auf die Fälle, in denen bestimmten Personengruppen in bestimmten Wirtschaftszweigen mangels tarifvertraglicher Vereinbarungen für ihren vollen Arbeitseinsatz die unterste Grenze, unter der sie ihre sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse nicht befriedigen können, gesichert ist, glaubt der Ausschuß dem Gesetz eine Fassung gegeben zu haben, die unerwünschte Auswirkungen für alle Beteiligten ausschaltet.
Nachdem der Ausschuß in unendlicher Mühe, und nach meiner Überzeugung im wesentlichen übereinstimmend, ein für solche Fälle in jeder Beziehung tragbares Gesetz zustande gebracht hat, bitte ich im Auftrage des Ausschusses das Hohe Haus, der Vorlage Drucksache Nr. 2697 zuzustimmen.
({9})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung des Gesetzes ein. Ich rufe § 1 auf. Dazu liegen Abänderungsanträge auf Umdruck Nr. 351 und auf Umdruck Nr. 374 vor.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Meine Damen und Herren! Ich darf an die letzten Ausführungen des Herrn Berichterstatters anschließen, in denen er klar und eindeutig herausgestellt hat, daß sich der Ausschuß ernsthaft bemüht hat, das Gesetz auf die Fälle zu beschränken, in denen es seiner Ansicht nach eine Conditio sine qua non ist, in denen es eben nach Auffassung der großen Mehrheit des Ausschusses angewendet werden muß. Meine politischen Freunde möchten noch eine weitere Einengung dahingehend vornehmen, daß da, wo überhaupt die Möglichkeit des Abschlusses von Tarifverträgen besteht, diese Möglichkeit restlos ausgeschöpft werden muß und, wenn solche Möglichkeiten bestehen, praktisch kein Raum für die Anwendung des Gesetzes ist.
Aus diesem Grunde beantragen wir, in § 1 Abs. 2 Buchstabe a) die Worte „oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeit({0})
geber umfassen" zu streichen. Es gibt ja heute noch eine außerordentlich große Anzahl von Berufen, von Arbeiterschichten, von Arbeitgeberschichten, bei denen die Organisation nicht so 100%ig geschlossen ist, bei denen eine Minderheit der Beteiligten - wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf - wirklich an dem ganzen Organisationsleben teilnimmt. Dies ist nicht allein die Landwirtschaft, sondern es sind auch z. B. die Gewerkschaften Bau, Steine und Erden, Holz, Leder, Nahrung, Genuß und Gaststätten, Textil und Bekleidung, bei denen eben auch unter 50 % der in Frage kommenden Arbeitnehmer organisiert sind.
Nun bestehen aber bei all den genannten Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschichten entsprechende Verbände, die tariffähig sind und jederzeit in die Lage versetzt werden können, Tarifabschlüsse zu tätigen. Wo also eine solche Möglichkeit auch nur im entferntesten besteht, sollten wir unter allen Umständen den Verbänden diese Möglichkeit, sich zu entwickeln, geben. Wir sollten uns also in einem solchen Fall nicht einschalten.
Das Prinzip des Abschlusses von Tarifverträgen ist ja noch verhältnismäßig jung. Die Sache läuft erst seit 1949. Es ist klar, daß nicht in 2 Jahren all die Wünsche, die damals an die Ausarbeitung des Tarifvertragsgesetzes vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes geknüpft worden sind, in Erfüllung gehen konnten. Ich darf Sie deshalb bitten, diesem Antrag in Ziffer 1 des Umdruckes Nr. 351 ({1}) zuzustimmen.
Herr Präsident, vielleicht darf ich auch gleich meine Darlegungen zu den Ziffern 2 und 3 machen, weil diese sich ebenfalls mit dem § 1 beschäftigen?
Ja, bitte schön!
Wir haben in Ziffer 2 unseres Antrages auf Umdruck Nr. 351 ({0}) beantragt, in § 1 Abs. 2 Buchstabe b) die Worte „zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer" zu ersetzen durch die Worte „zur Behebung eines sozialen Notstandes". Wir wollen uns auch hier anlehnen an das Tarifvertragsgesetz, und zwar in Form des Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes, das nachher noch zur Beratung durch das Hohe Haus ansteht, das aber nach den Abstimmungen im Ausschuß wohl ohne irgendwelche Schwierigkeiten und Hindernisse über die parlamentarische Bühne gehen dürfte. In diesem Gesetz wird die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen auch dadurch ermöglicht, daß der Begriff des sozialen Notstandes als Grund für die Allgemeinverbindlicherklärung eingefügt wird. Um nun die Übereinstimmung zwischen dem vorliegenden Gesetzentwurf und dem Gesetzentwurf betreffend Änderung des Tarifvertragsgesetzes herbeizuführen, sollen die Worte „zur Behebung eines sozialen Notstandes" eingefügt werden.
Schließlich möchten wir gemäß Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 351 ({1}) noch eines eingeschaltet haben. Wir wollen, daß grundsätzlich die in Frage kommenden Berufsschichten das Recht und die Pflicht der Initiative haben, wenn sie hier irgendwie zum Ziele kommen wollen. Deshalb bitten wir, in § 2 Abs. 4 die Worte „von Amtswegen oder" zu streichen.
Schließlich darf ich die Bitte äußern, daß über die Absätze im einzelnen abgestimmt wird, zumal zu Abs. 1 ein gleichlautender Antrag auf Umdruck Nr. 374 von Kollegen der CDU vorliegt.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß die Frage der Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen Gegenstand sehr langer und eingehender Beratungen im Ausschuß für Arbeit war. Nicht minder haben sich die Gruppen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer beteiligt. Ich glaube, wir sollten miteinander feststellen, daß sich von Amts wegen festgesetzte Entgelte und Arbeitsbedingungen auf die verschiedenen Gruppen nicht sehr segensreich ausgewirkt haben und daß wir den zwischen zwei Partnern abgeschlossenen Verträgen immer und ausschließlich den Vorrang geben sollten.
Nun sind in der Vorlage in § 1 Abs. 2 Buchstabe a) immer noch Bestimmungen enthalten, nach denen zur Regelung von Entgelten und sonstigen Arbeitsbedingungen Mindestarbeitsbedingungen festgesetzt werden können, wenn Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern für den Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart nicht bestehen oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen. Dieser Begriff der Minderheit wird vielleicht ohne weiteres verständlich, wenn man ihn allgemein betrachtet. Ich möchte aber darauf verweisen, daß beispielsweise in der Landwirtschaft weniger als 10 % unserer Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert sind. Das liegt vor allem daran, daß wir im Bundesgebiet mehr als 80 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft in Familienbetrieben haben, in Betrieben also, in denen sich die Arbeitsgemeinschaft unter einem. Dach befindet, dort wohnt und zusammen arbeitet, aber auch an einem Tisch zusammensitzt.
Ähnlich liegen die Dinge in der von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen betreuten Gruppe. Hier beträgt der erreichte Bundesdurchschnitt an Organisierten knapp 5%. Ähnliche Beispiele sind noch in anderen Zweigen der Wirtschaft festgestellt. Mein Herr Vorredner Dr. Kneipp hat darauf hingewiesen, und ich möchte mich hier auf seine Ausführungen beziehen.
Nachdem feststeht, daß beispielsweise in der Landwirtschaft in allen Ländern Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zustande kommen, und nachdem weiter die Möglichkeit besteht, daß diese für allgemein verbindlich erklärt werden können, ist es nach unserem Dafürhalten völlig überflüssig und unnötig, eine Bestimmung aufzunehmen, nach der auch eine Minderheit irgendeiner Gruppe das Recht haben soll, sich auf das heute zur Beratung stehende Gesetz zu berufen, um auf diese Art und Weise in gewachsenen und in gewordenen und miteinander verbundenen Arbeitsverhältnissen staatliche Eingriffe zu ermöglichen.
({0})
- Das trifft leider doch zu.
({1})
- Wenn es nicht zutrifft, dann bin ich der Auffassung, daß Sie dann um so eher für unseren Antrag stimmen und diese Fassung herausnehmen können. Dann geben Sie bitte eine Erklärung dafür, weshalb Sie auch noch die kleinen Minderheiten und Gruppen mit hereinnehmen wollen! Wahrscheinlich nur zu dem Zweck, um in all den Fällen, in denen wir zu Verträgen gekommen sind,
({2})
auf Umwegen diese Verträge wieder unmöglich zu machen. Wenn nämlich beispielsweise im Bereich der Landwirtschaft eine Gruppe kommt und mit Hilfe dieses Gesetzes Mindestarbeitsbedingungen festgelegt werden, die nicht den gewordenen Gewohnheiten entsprechen, dann ist auch jeder Tarif von vornherein überflüssig.
Im Prinzip sind wir Gegner jeder gesetzlichen Bestimmung, weil wir bewiesen haben, daß es möglich ist, Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die für beide Teile erträglich sind. Wir sind aber der Ansicht, wenn man schon in der Mehrheit der Meinung ist, daß auch hier durch den Gesetzgeber weitere Maßnahmen getroffen werden müssen, um das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu regeln, dann muß es mit solchen Einschränkungen geschehen, daß nicht etwa der Arbeitsfriede dadurch gestört wird, sondern er muß gefestigt werden. Wir sehen das in Übereinstimmung mit zahlreichen Kollegen, die sich zu einem gemeinsamen Antrag zusammengefunden haben, nur auf die Art und Weise gewahrt, daß in § 1 Abs. 2 Buchstabe a die Worte „oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen" gestrichen werden.
Ich darf das Hohe Haus bitten, diesem Antrage stattzugeben.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist Ihnen eben noch ein Umdruck Nr. 375 übergeben worden, der Änderungsanträge der Bayernpartei enthält. Nach Ziffer 1 dieses Umdrucks beantragen wir zu § 1 Abs. 2, daß die Worte „und sonstige Arbeitsbedingungen" gestrichen werden. Wir haben diesen Antrag gestellt, weil diese sonstigen Arbeitsbedingungen bereits in einer Reihe von Gesetzen in Form von Mindestregelungen festgelegt sind. Wir verweisen z. B. auf das Gesetz zur Regelung der Lohnzahlungen an Feiertagen vom 2. August 1951 oder auf die verschiedenen gesetzlichen Regelungen bezüglich des Urlaubs, der Feiertagsbezahlungen und Kündigungen und so fort, so daß wir glauben, daß die Worte „und sonstige Arbeitsbedingungen" gestrichen werden können.
Wir haben fernerhin - entsprechende Änderungsanträge liegen auch von anderer Seite vor - zu § 1 Abs. 2 Buchstabe a ebenfalls beantragt, daß die Worte „oder nur eine Minderheit der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber umfassen" gestrichen werden. Dazu habe ich kurz folgendes zu sagen. Grundsatz ist, daß die Regelung der Arbeitsbedingungen in der Selbstverwaltung der Sozialpartner - also durch Tarifvertrag - erfolgt. Ihm gebührt der Primat vor der staatlichen Intervention. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, welche Hundertsätze die Mitgliedschaft des einen oder andern Vertragspartners hat. Eine Intervention der Arbeitsbehörde soll nur dann erfolgen, wenn einer der Sozialpartner fehlt.
Dann haben wir noch zu § 1 Abs. 2 Buchstabe b beantragt, hinter dem Wort „Arbeitnehmer" die Worte „in einem für den Betrieb wirtschaftlich tragbaren Ausmaß" einzufügen. Wir haben das getan, um zu verhindern, daß durch diese Festsetzung Gruppen von Betrieben eventuell die Existenzfähigkeit entzogen wird und dadurch Arbeitnehmer arbeitslos werden.
Ich möchte berichtigen, daß es in Ziffer 1 unseres Umdrucks Nr. 375 statt „Absatz 1" heißen muß „Absatz 2".
Das Wort hat der Abgeordnete Ludwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind alle einig in der Frage, daß Tarifverträge selbstverständlich den Vorrang haben sollen und daß das Gesetz nur dann angewandt werden soll, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, zu einer tariflichen Regelung zu kommen. Über diese Frage besteht überhaupt kein Streit. Aber die Annahme der Änderungsanträge zu § 1 wäre gleichbedeutend mit einer Ablehnung des Gesetzes. Sie brauchen sich ja nur die Frage vorzulegen: Was ist eine Minderheit? Eine Minderheit kann eine Person sein, und es könnte durchaus sein, daß sich dort, wo niemand organisiert ist, ein Arbeitgeber eben einer Organisation anschließt. Dann ist eine Minderheit vorhanden, und dann könnte das Gesetz nicht angewandt werden.
Ich nehme also an, daß man bei der Stellung dieser Anträge tatsächlich von irrtümlichen Voraussetzungen ausgegangen ist; sonst müßte ich glauben, daß man damit das Gesetz überhaupt unmöglich machen wollte. Gerade nach den jetzt gemachten Ausführungen möchte ich noch einmal darauf hinweisen, daß dieses Gesetz kein materielles Recht schafft. Es handelt sich um ein Rahmen-, um ein Organisationsgesetz, und es sind so viele Sicherungen gegen Mißbrauch geschaffen, daß es gar nicht notwendig ist, solche Anträge anzunehmen.
Auch das, was zu § 1 im Umdruck Nr. 375 beantragt ist, nämlich die Streichung der Worte „und sonstige Arbeitsbedingungen", ist sinnlos; denn was nun geregelt wird, wird durch die Fachausschüsse vorbereitet, und Sie haben bei der Berichterstattung gehört, daß letzten Endes der Herr Arbeitsminister seine Zustimmung geben muß und daß er auch der Vorsitzende des Hauptausschusses ist. Es sind also alle Garantien gegeben, daß ein Mißbrauch gar nicht getrieben werden kann.
Was nun den Buchstaben b) in § 1 Abs. 2 betrifft, so möchte ich darauf hinweisen, daß wir auch das nicht ändern können; denn der soziale Notstand wäre eine wesentliche Einschränkung. Ich bitte doch zu bedenken: es liegt auch im Interesse der Arbeitgeber, daß dort, wo keine tariflichen Regelungen möglich sind, eine Regelung nach diesem Gesetz vorgenommen wird. Denn wenn in anderen Gebieten Tarifverträge bestehen, kann sich dieser Umstand für solche Gebiete nachteilig auswirken, in denen sie nicht bestehen. Es liegt also geradezu nicht nur im Interesse dieser Ärmsten, für die Regelungen sehr schwer möglich sind, weil keine Partner an den Tisch zu bringen sind, sondern solche Regelungen liegen auch im Interesse der Arbeitgeber selber.
Ich bitte Sie deshalb, die zu § 1 vorgelegten Anträge abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im vorigen Frühjahr die Beratungen dieses Gesetzentwurfes begannen, bestand zweifellos bei vielen Mitgliedern dieses Hohen Hauses die Sorge, daß eine solche Regelung doch dazu führen könne, Tarifverträge zu entwerten oder das Verantwortungsbewußtsein der Tarifträger einzuengen,
({0})
Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß sich der Ausschuß für Arbeit redlich Mühe gegeben hat, all diese Sorgen zu beseitigen und dem Hause eine Formulierung vorzulegen, bei der die damals vorgetragenen Bedenken keine Berechtigung mehr haben. Wir sind der Auffassung, daß es uns mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gelungen ist, diese bestehenden Bedenken auszuräumen. Die Fragen, die in den verschiedenen hier vorliegenden Abänderungsanträgen jetzt angesprochen wurden, sind in den Beratungen des Ausschusses eingehend diskutiert worden. Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß lediglich ein Kollege im Ausschuß noch Bedenken gegen die Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfes hatte.
Ich darf nochmals herausstellen, daß selbstverständlich das Primat des Tarifvertrages anerkannt wird und jede andere Möglichkeit zur Regelung der Arbeitsbeziehungen ausgeschöpft werden soll. Ich denke hier an die Möglichkeit, durch die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nach dem Tarifvertragsgesetz Ordnung zu schaffen.
Dieses Gesetz betrifft dann noch verbleibende Ausnahmefälle, in denen allerdings aus den Gründen, die insbesondere in Abs. 2 des § 1 Buchstabe b) angesprochen worden sind, eine Regelung unerläßlich ist. Ich darf darauf hinweisen - und das hat auch Kollege Ludwig eben getan -, daß in dem Gesetz eine Menge Sicherungen eingebaut sind, die jede leichtfertige Inanspruchnahme verhindern.
Der Antrag der FDP auf Umdruck Nr. 351 zu Ziffer 1 stimmt praktisch mit dem Antrag der Abgeordneten Struve und Genossen überein. Hier wird gewünscht, dieses Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen solle nur angewandt werden können, wenn Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern für den Wirtschaftszweig oder die Beschäftigungsart nicht bestehen. Ich stimme hier vollkommen mit dem Kollegen Ludwig überein, der ausführte, daß das Gesetz dann illusorisch sei; denn es ist zweifellos in Deutschland so, daß für jede Berufsart solche Organisationen bestehen. Diesen Organisationen auf der Arbeitgeber- und auf der Arbeitnehmerseite gehören aber nicht allüberall so viele Menschen an, daß man in der Lage ist, Ordnung zu schaffen. Deswegen halte ich diesen Antrag für vollkommen unmöglich. Nach meiner Auffassung ist das Gesetz dann illusorisch.
Nun zu den weiteren Abänderungsanträgen der FDP, zunächst unter Ziffer 2. Dieser Antrag verangt eine Änderung der Fassung des Ausschußantrages, die besagt, daß die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen „zur Befriedigung der notwendigen sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer erforderlich" erscheinen muß. Nach dem Antrag der FDP soll hier eine andere Begriffsbestimmung eingefügt werden, die der zu schaffenden Formulierung des Tarifvertragsgesetzes entspricht. Es handelt sich hier aber um zwei verschiedene Dinge, und es erscheint mir nicht klug, beides gleich zu benennen. Was im § 5 des Tarifvertragsgesetzes gewollt ist, ist etwas anderes.
Nach dem Antrag der Bayernpartei soll in § 1 Abs. 2 Buchstabe b hinter dem Wort „Arbeitnehmer" eingefügt werden, daß Regelungen „in einem für den Betrieb wirtschaftlich tragbaren Ausmaß" erfolgen sollen. Meine Damen und Herren, das sind Selbstverständlichkeiten! Sie wissen, daß im Gesetz der Fachausschuß vorgesehen ist, und es ist ja gerade die Aufgabe des Fachausschusses, abzuwägen, was für oder gegen die Regelungen spricht, und die Interessen der beiden Beteiligten
zu einem Ausgleich zu führen. Es scheint mir abwegig zu sein, hier noch eine besondere Korrektur vorzunehmen.
Wenn in Ziffer 1 des Antrags der Bayernpartei verlangt wird, die Worte „und sonstige Arbeitsbedingungen" zu streichen, so halte ich das auch nicht für zweckmäßig. Neben den Löhnen muß doch eine Reihe anderer Fragen geregelt werden. Ich bitte deshalb, die Abänderungsanträge zu § 1 ablehnen zu wollen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache zu § 1 geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, wir gehen am besten absatzweise vor.
Zu Abs. 2 liegt auf Umdruck Nr. 375 der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Etzel ({0}), Dr. Decker und Fraktion vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag Umdruck Nr. 375 Ziffer 1 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu dem Änderungsantrag, der auf den drei Umdrucken Nr. 375 Ziffer 2, Nr. 374 und Nr. 351 Ziffer 1 gleichlautend ist. Wir können daher darüber zusammen abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Zu Abs. 2 liegt noch der Änderungsantrag Umdruck Nr. 351 Ziffer 2 vor. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Auf Abs. 2 bezieht sich ferner der Änderungsantrag Umdruck Nr. 375 Ziffer 3. Ich bitte die-jenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind alle Änderungsanträge zu § 1 abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 1 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Wird das Wort zu § 2 gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 351 Ziffer 3. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die dem § 2 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 2 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe § 3 auf. Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. - Das Wort wird nicht gewünscht; die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem § 3 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 3 ist in der Ausschußfassung angenommen.
({1})
Ich rufe § 4 auf. Dazu liegt nur der Änderungsantrag Umdruck Nr. 375 Ziffer 4 vor. Wird das Wort gewünscht?
({2})
- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Der Antrag zu § 4 Abs. 4 wurde gestellt, weil dieser Absatz uns überflüssig erscheint. In § 4 Abs. 4 wird nur wiederholt, was sich bereits aus der Überschrift und dem Sinn des ganzen Gesetzes als eine Selbstverständlichkeit ergibt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 375 Ziffer 4. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über § 4 in der Ausschußfassung ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 4 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Zu §§ 5 und 6 liegen Änderungsanträge nicht vor.
- Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den §§ 5 und 6 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit sind die §§ 5 und 6 in der Ausschußfassung angenommen.
Zu § 7 liegt ein Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 375 unter Nr. 5 vor.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Besold.
Bei diesem Änderungsantrag, der auch die §§ 8, 10, 12 und 13 betrifft, handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Änderung, und zwar um eine Angleichung an die Sprache des Grundgesetzes und an Formulierungen, wie sie schon in anderen von diesem Hause erlassenen Gesetzen gewählt worden sind.
Herr Abgeordneter, ich glaube, es empfiehlt sich, gleich zu den §§ 8 und 10 zu sprechen, weil der gleiche Antrag ja zu den §§ 8 und 10 gestellt ist.
({0})
- Also die Ausführungen sind für die genannten Paragraphen schon gemacht.
Meine Damen und Herren, also zunächst der Änderungsantrag zu § 7. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. - Ich darf wohl ohne besondere Abstimmung feststellen, daß § 7 in der Ausschußfassung angenommen ist.
Ich rufe auf § 8. Auch dazu sind schon Ausführungen gemacht worden. - Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 375 Ziffer 6 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt, § 8 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse angenommen.
Zu § 9 liegen keine Änderungsanträge vor. - Die Ausschußfassung ist angenommen.
Der Änderungsantrag zu § 10 ist wohl dadurch erledigt, daß die entsprechenden Änderungsanträge zu den §§ 7 und 8 abgelehnt worden sind.
§§ 10, - 11, - 12, - 13. Ich rufe auf zur Abstimmung über diese Paragraphen. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun § 14 auf. Dazu liegt ein Streichungsantrag vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Besold!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Streichung der §§ 14 und 15 beantragt. Es ist neuartig und unmöglich,
({0})
daß der Staat interventionistisch die Stellung und die Rolle des Prozeßpartners an sich zieht und den Arbeitnehmer zu einer untergeordneten Rolle degradiert, die seiner sozialen Stellung und Würde zuwider ist. Diese Bestimmung würde auch die Institutionen der Arbeitsgerichtsbarkeit, die doch auf dem Gedanken der Selbständigkeit und der Unabhängigkeit des Prozeßpartners aufgebaut ist, schwerstens angreifen. Aus diesem Grunde sind wir für Streichung der §§ 14 und 15.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den soeben begründeten Änderungsantrag. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 14 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun § 15 auf. Dazu ist der gleiche Streichungsantrag gestellt. Er bedarf wohl keiner besonderen Begründung mehr, Herr Abgeordneter Besold?
({0})
- Ich kann also sofort über den Änderungsantrag abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 15 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 15 ist in der Ausschußfassung angenommen.
Nun rufe ich auf die §§ 16, - 17, - 18. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich nehme also an, daß dazu nicht mehr das Wort gewünscht wird. - Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den zuletzt aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die §§ 16 bis 18 sind also in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung des Gesetzes erledigt.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Namens meiner politischen Freunde, namens der DP und der Bayernpartei darf ich die Erklärung abgeben, daß wir jede autoritäre Lohnfestsetzung in vollem Umfang ablehnen.
({0})
Wir stimmen aber jeder Maßnahme zu, die geeignet ist, die Tarifpartner in die Lage zu versetzen, jederzeit von sich aus die Arbeitsbedingungen zu regeln. Wir können eine Rückkehr des Reichstreuhänders der Arbeit nicht sanktionieren.
({1}) Unserer Ansicht nach würden wir das sanktionieren, was im Dritten Reich geschehen ist, wenn wir hier zustimmten.
({2})
Weitere Wortmeldungen? - Dann ist die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf die §§ 1 bis 18, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind in der dritten Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe nunmehr den vorhin zurückgestellten Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({1}) ({2}). ({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Dr. Gülich ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unterlagen zu dem zur Beratung stehenden Gesetzentwurf bilden die Drucksache Nr. 2690, dazu eine Berichtigung auf „Umdruck Nr. 349 zur Drucksache Nr. 2690", dazu ein Nachtragsbericht des Finanzund Steuerausschusses, der heute morgen hier im Saale verteilt worden ist, - „z u Drucksache Nr. 2690." Eine weitere kleine Nachtragsberichtigung zu § 2 werde ich noch einreichen.
Ich komme zur Sache. Am 3. Juni 1949 hat der Wirtschaftsrat das „Gesetz über die Vermögensteuerveranlagung für die Zeit ab 1. Januar 1949 und die Vermögensteuer für das zweite Kalenderhalbjahr 1948" beschlossen. Für das zweite Kalenderhalbjahr 1948 war die Vermögensteuer nach § 17 dieses Gesetzes zu entrichten, wie es die Verordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 17. Juli 1948 und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen vorschrieben. Für die Zeit ab 1. Januar 1949 waren Vorauszahlungen zu leisten, die naturgemäß hinter dem endgültigen Vermögensteueraufkommen zurückbleiben. In § 18 des Gesetzes vom 3. Juni 1949 wurde bestimmt, daß die Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 durch ein besonderes Gesetz zu regeln ist.
Dieses Gesetz liegt Ihnen heute zur zweiten und dritten Beratung vor. Es hat also die Aufgabe, die Vermögensteuerveranlagung endlich in Gang zu bringen. Ich sagte „endlich", denn es sind seit dem 3. Juni 1949 fast zweieinhalb Jahre vergangen. Dazu muß ich einräumen, daß die Arbeiten zu diesem Gesetz im Bundesfinanzministerium bereits im Sommer 1950 abgeschlossen waren und daß man sehr lange Zeit gebraucht hat, bis man das Gesetz, das eine außerordentlich komplizierte und komplexe Materie behandelt, endlich dem Bundestag am 6. Juni dieses Jahres zur ersten Beratung vorlegen konnte; sie fand ohne Begründung und ohne Aussprache statt. Der Gesetzentwurf wurde dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen, der ihn mehrfach von der Tagesordnung absetzen mußte, weil Steuergesetze, die für dringender gehalten wurden, den Vorzug erhielten. Über das Ergebnis der Ausschußberatungen habe ich Ihnen heute zu berichten.
Der § 1 des Gesetzentwurfs enthält Änderungen des Reichsbewertungsgesetzes. Das Reichsbewertungsgesetz legt überall da, wo bei Bewertungen der Zinssatz eine Rolle spielt, einen Zinssatz von 4% zugrunde. Dieser Zinssatz soll nach der Vorlage auf 5,5% erhöht und damit an die allgemeine Zinssatzsteigerung, die im Hinblick auf den Kapitalisierungsfaktor notwendig ist, angepaßt werden. Übrigens betrug vor 1944 der Zinssatz auch 5,5%. Ich greife hier gleich auf Ziffer 16 des § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs vor, weil sie systematisch hierher gehört, und weise darauf hin, daß die Streichung des § 78 des Reichsbewertungsgesetzes vorgeschlagen wird, in welchem der Reichsfinanzminister ermächtigt wurde, abweichende Zinssätze im Verordnungswege vorzuschlagen.
Der erste Paragraph des Reichsbewertungsgesetzes, in dem die Zinssatzänderung eine Rolle spielt, ist der § 14 Abs. 3, der die Bewertung von Kapitalforderungen betrifft.
Die bisherige Methode der Wertermittlung, die zu einem ungenauen Ergebnis führte, soll im Hinblick auf den Lastenausgleich verlassen werden. Der Gegenwartswert ist bei dem neuen Verfahren stets höher als bei dem bisherigen. Hier hat sich der Ausschuß dem Regierungsentwurf angeschlossen. Der Abs. 4 des § 14 regelt prinzipiell noch nicht fällige Ansprüche aus Lebens-, Kapitaloder Rentenversicherungen.
Ein neu einzufügender Abs. 5 legt nun fest, daß der Abs, 4 für noch nicht fällige Lebens-, Kapitaloder Rentenversicherungen aus der Zeit vor der Währungsreform nicht gilt.
Die §§ 15 bis 17 behandeln die Bewertung von Nutzungen und Leistungen. In der Neufassung der Absätze 1 und 2 des § 15 betreffend den Gesamtwert von Nutzungen oder Leistungen, die auf bestimmte Zeit beschränkt sind, sowie immerwährende Nutzungen oder Leistungen hat sich der Ausschuß der Regierungsvorlage angeschlossen. Die Neufassung betrifft nur Änderungen, die sich aus der Erhöhung des Zinssatzes von 4 auf 5,5% ergeben.
({5})
Auch die Änderungen des § 16 sind lediglich eine Folge der Erhöhung des Zinssatzes. Bei dem Zinssatz von 4 % ergab sich für die Kapitalisierung das 25fache, bei 5,5 % das 18fache. In bezug auf den Steuerertrag kommt dieser Vorschrift keine besondere Bedeutung zu. Sie ist aber notwendig im Interesse steuerrechtlicher Klarheit.
Im § 16 Abs. 3 haben wir noch die Worte „oder des Verpflichteten" eingefügt. Diese Einfügung bedeutet, daß der Gesetzgeber eine Berichtigung der Veranlagung auch bei dem Tode des Verpflichteten zuläßt. Die wirkliche Dauer der Nutzung ist maßgebend für die Festsetzung. Die Leistung ist nach § 16 Abs. 2 festzustellen und nach Abs. 3 für den Fall des Todes des Verpflichteten zu berichtigen.
Von Bedeutung ist nun der § 22, der die Wertfortschreibungen bei Veränderung der Grundstückswerte und auch der Werte des Betriebsvermögens behandelt. Die Voraussetzungen für Wertfortschreibungen sollen wieder wie früher einheitlich gestaltet werden.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich sehr eingehend mit der Frage befaßt, ob vom Standpunkt der Verwaltungskosten aus die ständige Wertfortschreibung bei den Finanzämtern vorgenommen werden könnte, und hat sich auch die Frage vorgelegt, ob die Finanzämter in der Lage sein werden, so zu arbeiten, daß die Wertfortschreibungen zuverlässig bleiben. Der Ausschuß ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß für den Erwerber von Teilgrundstücken, also bei wesentlichen Veränderungen der Grundstücksfläche, beim Erwerb der Grundstücke doch ein neuer Einheitswert festgesetzt werden muß. Dem alten Eigentümer wäre es nicht zuzumuten, die Grundsteuer weiter für das ganze Grundstück zu zahlen. Infolgedessen wird die Wertfortschreibung hier vorgenommen.
Dann hat der Ausschuß der Frage der Wertgrenze besondere Beachtung beigemessen. Wir unterscheiden zwischen festen Grenzen - hier ist von 10 000, mal von 100 000 DM die Rede - und Bruchteilgrenzen, etwa einem Zehntel der jeweiligen Summe, um die der Wert, der sich am Beginn eines Kalenderjahres ergibt, von dem Einheitswert des letzten Feststellungszeitpunktes abweicht. Die 10 000 DM, von denen in der Regierungsvorlage als fester Wertgrenze die Rede war, werden erst bei Einheitswerten über 100 000 DM praktisch; denn bis dahin gilt ja die Bruchteilgrenze von einem Zehntel. Wir sind nun im Ausschuß dazu gekommen, dem Hause vorzuschlagen, an Stelle der niedrigen Festgrenze von- 10 000 DM die höhere Festgrenze von 100 000 DM Einheitswert zu setzen, um die Verwaltungsarbeit bei den Finanzämtern zu vereinfachen.
In der Regierungsvorlage stand nun, daß die Wertgrenzen ({6}) durch Rechtsverordnung anders festgesetzt werden können. Diese Ermächtigung hat der Ausschuß gestrichen, weil ihm für die begrenzte Geltungsdauer dieses Gesetzes eine solche Ermächtigung überflüssig erschien.
Ich übergehe nun all die kleineren Punkte, die von minderer Bedeutung sind, und komme zum § 67 des Reichsbewertungsgesetzes, der das „sonstige Vermögen" betrifft. Der Umfang der zum „sonstigen Vermögen" rechnenden Werte wird erweitert durch den Fortfall von bisher gewährten Vergünstigungen. Der Kreis der zum „sonstigen Vermögen" gehörenden Wirtschaftsgüter wird ergänzt - das ist eine sehr wichtige Vorschrift - durch das „nichtgewerbliche Vorratsvermögen".
Nun hatte diese Sache zweifellos vor drei Jahren eine wesentlich größere Bedeutung als heute. Man wird heute über den Umfang des nichtgewerblichen Vorratsvermögens keine klare Vorstellung haben; aber durch die Vermögensteuerveranlagung wird die Klarheit wohl geschaffen werden. Es handelt sich hier also um das sogenannte gehortete Vermögen, oder es handelt sich z. B. darum, daß sich - sagen wir einmal - ein Zigarettenfabrikant 2 000 echte Teppiche hinlegt, die also ein „nichtgewerbliches Vorratsvermögen" darstellen.
({7})
- Ja; ich habe den Fall aus der Praxis gegriffen, Herr Kollege Wellhausen.
Dann zu den Ziffern 10 und 11. Sie beziehen sich auf Schmuckgegenstände, Gegenstände aus edlem Metall und Luxusgegenstände, Kunstgegenstände und Sammlungen, die zur Veranlagung herangezogen werden, wenn ihr gemeiner Wert 10 000 DM übersteigt.
Nicht zum „sonstigen Vermögen" zählen Kunstgegenstände ohne Rücksicht auf ihren Wert, wenn sie von deutschen Künstlern geschaffen sind, die noch leben oder seit nicht mehr als 15 Jahren verstorben sind. Dieser Festlegung liegt also der Wunsch nach Förderung moderner Kunstbestrebungen zugrunde. Der Ausschuß hat dann in § 67 die Ziffern 10 und 11 unverändert aus dem Entwurf übernommen. Er hat lediglich einen sehr ausführlichen § 73 a angefügt, dessen Inhalt früher im wesentlichen in den Durchführungsverordnungen gestanden hat.
§ 73 a Abs. 1 setzt Grundstücke und solche beweglichen Gegenstände, die zum „sonstigen Vermögen" gehören, mit 40 % des Wertes an, wenn ihre Erhaltung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt. Sind aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt, so wird der Steuerpflichtige überhaupt nicht zur Vermögensbesteuerung herangezogen, nämlich dann, wenn die Erhaltung der Gegenstände im öffentlichen Interesse liegt, wenn die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang Zwecken der Forschung und der Volksbildung nutzbar gemacht werden, wenn die Gegenstände gegebenenfalls den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege unterstellt werden und wenn sich die Gegenstände seit mindestens zwanzig Jahren im Besitz der Familie befinden.
Die Vorschriften der Abs. 1 bis 3 gelten jedoch nur dann, wenn die jährlichen Kosten die Einnahmen übersteigen. Wenn also etwa aus der regelmäßigen Besichtigung eines Schlosses mit wertvollen Sammlungen so hohe Einnahmen erzielt werden, daß sie die Aufwendungen für die Unterhaltung übersteigen wäre die Steuerbefreiung natürlich nicht am Platze.
Das war der umfangreiche § 1, der eine Änderung des Reichsbewertungsgesetzes vom 16. Oktober 1934 zum Gegenstand hat. Der Name des Gesetzes ist von „Reichsbewertungsgesetz" in „Bewertungsgesetz" geändert worden.
§ 2 bezieht sich auf Änderungen des Vermögensteuergesetzes, das ebenfalls vom 16. Oktober 1934 datiert ist. Die Ziffern 1 bis 3 sollen ohne sachliche Änderung eine klarere Fassung erreichen. Zu diesem Zweck haben wir in diesen drei Ziffern auf „Geltungsbereich des Grundgesetzes" oder „Land Berlin" abgestellt.
({8})
Gegenüber der gedruckten Vorlage hat der Ausschuß in der gestrigen Nachmittags-Sitzung eine Reihe von im wesentlichen formellen Änderungen beschlossen, die in dem Nachtrag enthalten sind, der Ihnen heute vormittag auf den Tisch gelegt worden ist, die sich überwiegend auf die Benennung Berlins beziehen und nachher bei der Einzelberatung der Paragraphen zu behandeln sind.
§ 3 regelt die Befreiungen. Hier haben wir gegenüber der Regierungsvorlage eine Erweiterung des Katalogs der Banken vorgenommen, die Aufgaben staatswirtschaftlicher Art erfüllen. Wir haben durch Ausschußbeschluß die Vertriebenenbank AG, die Deutsche Landesrentenbank, die Landwirtschaftliche Rentenbank und die Deutsche Siedlungsbank hinzugenommen. Von den neu aufgenommenen Banken waren zwar die Deutsche Landesrentenbank und die Deutsche Siedlungsbank durch lex specialis bereits von der Vermögensteuer befreit; aber wir haben auch diese beiden Banken der Vollständigkeit wegen hier mit aufgeführt. In der gestrigen Ausschußsitzung haben wir den Katalog der Banken noch um die Berliner Zentralbank erweitert. Das ist im Nachtrag vermerkt. Es muß also in Ziffer 4 nach der Klammer ein Komma stehen und dann heißen „die Landeszentralbanken und die Berliner Zentralbank".
§ 6 regelt die Mindestbesteuerung und die Besteuerungsgrenze bei Körperschaften. In der Regierungsvorlage ist hier folgender Wortlaut vorgesehen:
und bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die das Stammkapital gemäß § 35 Absatz 1 des D-Markbilanzgesetzes neu festgesetzt haben, ein Betrag von 5 000 Deutsche Mark.
Im Vermögensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 war bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung die Summe von 20 000 Mark festgelegt. Der Ausschuß hat den Vorschlag des Regierungsentwurfs auf Festsetzung des Mindestvermögens von 5 000 DM angenommen, sich aber der Regierungsvorlage insoweit nicht angeschlossen, als er die Auffassung vertrat, daß es nicht auf die Neufestsetzung des Stammkapitals, sondern auf die Tatsache des Bestehens der Gesellschaft am Währungsstichtag ankomme.
In der schon zweimal erwähnten Ausschußsitzung am gestrigen Nachmittag haben wir diese Frage erneut behandelt im Hinblick auf die BerlinKlausel, die wir in § 13 neu gefaßt haben. Mit Rücksicht darauf, daß in Berlin verschiedene DMarkeröffnungsbilanzstichtage in Frage kommen können, insbesondere wegen der Mischwährung, die bis zum 1. April 1949 bestanden hat, hat der Ausschuß beschlossen, an Stelle der Fassung: „am 21. Juni 1948" die Formulierung zu gebrauchen: „am Stichtag der D-Markeröffnungsbilanz".
Zu § 13: Die Streichung der Ermächtigung des § 13 des Vermögensteuergesetzes zur Änderung der Wertgrenzen entspricht der entsprechenden Streichung von § 22 des Bewertungsgesetzes.
Das sind die wichtigsten Änderungen des § 2, die vorgeschlagen werden.
Ich komme nun zu Abschnitt II des Gesetzentwurfs, der „Sonstige Bestimmungen" enthält und einige sehr wichtige Punkte behandelt.
§ 3 ist vom Ausschuß unverändert angenommen worden. Der Gesetzentwurf sieht die Änderungsvorschrift vor allem im Hinblick auf den Lastenausgleich vor. Da voraussichtlich bei der Vermögensabgabe für den Lastenausgleich der Wert des abgabepflichtigen Vermögens nach dem Stand vom 21. Juni 1948 auf volle 100 DM nach unten abgerundet wird, müssen die Einheitswerte der gewerblichen Betriebe für die Hauptfeststellung auf den 21. Juni 1948 - aber auch nur für diese Hauptfeststellung -- in der gleichen Weise abgerundet werden.
§ 4 ist vom Ausschuß ebenfalls unverändert übernommen worden. Er berücksichtigt den Zeitpunkt der Währungsumstellung bei der Festsetzung des Stichtages für die umlaufenden Betriebsmittel.
§ 5: Die Änderung der Vorschrift wurde nötig, weil im Bewertungsgesetz Wertfortschreibungen festgelegt sind, über die ich vorhin gesprochen habe.
Nach § 16 Abs. 2 des D-Markbilanzgesetzes können unter bestimmten Voraussetzungen für ein Betriebsgrundstück in die Eröffnungsbilanz höhere Werte als die Einheitswerte eingesetzt werden. Man läßt dann Abschreibungen auf diese erhöhten Werte zu, legt aber die erhöhten Werte auch der Besteuerung zugrunde. Das ergibt sich aus der Koppelungsvorschrift des § 75 des D-Markbilanzgesetzes. Nun sagen wir im § 6 Abs. 1, daß dieser höhere Wert auch bei Wertfortschreibungen innerhalb des Hauptfeststellungszeitraums gelten soll.
Es kann vorkommen, daß in einer D-Mark-Eröffnungsbilanz ein Grundstück aufgeführt ist, das nicht Betriebsgrundstück im Sinne des § 57 des Bewertungsgesetzes ist. Die Vorschriften des § 6 müssen auch für diese Fälle gelten. Das wird durch einen neuen Abs. 3 klargestellt.
§ 7 ist Gegenstand sehr eingehender Beratungen im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und auch im Ausschuß für den Lastenausgleich gewesen. Er behandelt in der Regierungsvorlage Pensionsrückstellungen und andere Rückstellungen; im Ausschuß haben wir ihm die Überschrift „Rückstellungen" gegeben. Hierzu möchte ich kurz folgendes sagen. § 75 des D-Markbilanzgesetzes stellt den Grundsatz der Koppelung zwischen Einkommen-und Vermögensteuer auf. Es soll niemand einen doppelten Vorteil bei beiden Steuerarten haben. Wer ein hohes Vermögen versteuert, kann Vorteile bei der späteren Einkommensbesteuerung genießen und umgekehrt. Der Grundsatz der Koppelung wird im Abs. 1 des § 7 nochmals ausdrücklich bestätigt.
Nun komme ich zu dem sehr umstrittenen Abs. 2 des § 7. Dieser Abs. 2 will für die Vermögensbesteuerung eine Ausnahme beschließen, nämlich eine Erweiterung der Abzugsfähigkeit von Pensionsverpflichtungen entsprechend den Vermögenssteuergrundsätzen. Die Regierungsvorlage sieht durch Satz 2 in Abs. 2 vor, daß derjenige, der von der Erweiterung der Abzugsfähigkeit bei der Vermögensbesteuerung Gebrauch macht, die entsprechenden Konsequenzen für die Einkommensbesteuerung ziehen soll. Der Ausschuß hat sich dem Standpunkt des Justizministeriums angeschlossen, der dahin ging, daß der Grundsatz der Koppelung des D-Markbilanzgesetzes nur für die Aktivseite, nicht aber für die Passiven gelte. Nach Auffassung des Justizministeriums sind Abzüge nach den Vorschriften des Vermögensteuerrechts vorzunehmen, so daß Abs. 2 Satz 1 etwas enthält, was sich nach Auffassung des Justizministeriums aus der bisherigen Rechtslage ergibt. Infolgedessen ist das Justizministerium der Meinung, daß dies nicht noch von einer Bedingung abhängig gemacht werden dürfe.
({9})
Die Frage hat den Lastenausgleichsausschuß beschäftigt. Wir konnten in einer Sitzung in der vorigen Woche, die von Mitgliedern beider Ausschüsse beschickt war, nicht zu einem endgültigen Ergebnis kommen. Es handelt sich hierbei um eine sehr schwer übersehbare Materie. Der Lastenausgleichsausschuß hat widersprochen, und es sind nun einzelnen Mitgliedern des Finanzausschusses bei sehr genauem Eindringen in die Materie - ich gehöre auch zu denen -- doch erhebliche Bedenken gekommen, ob die Auffassung des Justizministeriums auch rechtlich haltbar ist, nachdem nämlich in § 5 und anderen Paragraphen des D-Markbilanzgesetzes von Vermögensgegenständen gesprochen wird, die auch die Passiven mitumfassen. Danach ist nicht einzusehen, warum in § 75 des D-Markbilanzgesetzes der Begriff der Vermögensgegenstände ausschließlich für die Aktiven, aber nicht für die Passiven gelten soll.
Dieser noch nicht geklärten Frage wegen, die wir im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen am 6. Dezember 1951 - ich darf das, Herr Vorsitzender, wohl schon jetzt hier sagen - nochmals behandeln wollen, beantrage ich namens des Ausschusses bereits an dieser Stelle, die dritte Beratung des Gesetzes erst am 6. Dezember nachmittags vornehmen zu lassen.
Ich komme zum Abs. 3 des § 7. Da haben wir den letzten Satz gestrichen, der sich auf erlassene oder noch zu erlassende Richtlinien der Bank deutscher Länder und verschiedener anderer Institutionen bezieht. Wir haben ihn deswegen gestrichen, weil es sich um Institutionen handelt, die nicht der Gesetzgebung des Bundestages unterliegen.
§ 8 enthält lediglich eine Anpassung.
§ 9 behandelt wiederum ein etwas schwieriges Kapitel, nämlich die Bewertung von Wertpapieren. Abs. 1 wurde nur um der Klarheit willen vom Ausschuß neu gefaßt. Die Bewertung von Wertpapieren erfolgt nach den vom Bundesfinanzminister festgesetzten Steuerkurswerten. Für die Papiere aber, für die kein Steuerkurswert festgesetzt ist, erfolgte bisher die Bewertung nach dem sogenannten Berliner Verfahren. Nach diesem Berliner Verfahren wird zunächst der Ertragswert des Unternehmens festgestellt, dann der Substanzwert, beide werden hierauf addiert, durch 2 dividiert, und dieses Ergebnis wird nun in Relation zum Aktienkapital gesetzt. Im Jahre 1948 konnte nur für verhältnismäßig wenige Papiere ein Steuerkurswert festgesetzt werden.
Die Bewertung von Wertpapieren, für die kein Steuerkurswert festgesetzt worden ist, soll nun auf Grund der von der Bank deutscher Länder festgelegten Werte erfolgen. Gegen diese Bewertung gibt es jedoch nicht das gleiche Rechtsmittel wie gegen die Festsetzung der Steuerkurswerte durch den Bundesfinanzminister. Darum erschien es dem Ausschuß nicht angebracht, Kurswerte für maßgebend zu erklären, gegen die es keine Rechtsmittel gibt. Wird Widerspruch erhoben - und er kann erhoben werden vom Unternehmer, um dessen Anteil- oder Genußscheine es sich handelt, vom Schuldner hinsichtlich der von ihm ausgegebenen Schuldverschreibungen und vom Inhaber der Anteil- oder Genußscheine oder Schuldverschreibungen -, so hat das Betriebsfinanzamt den Wert der Wertpapiere festzusetzen, so daß eine einheitliche Bewertung der in Frage kommenden Papiere gewährleistet ist.
Abs. 1 Ziffer 3 ist hinzugefügt worden. Der Ausschuß halt es nicht für richtig, die Papiere, für die keine Lieferbarkeitsbescheinigungen erteilt werden können - z. B. weil die Papiere verlorengegangen sind und auch nach dem D-Markbilanzgesetz nur mit einem Erinnerungsposten angesetzt werden durften -, mit einem Wert anzusetzen. Dies entgegen der Regierungsvorlage, die einen Satz von 70 % des Steuerkurswertes vorsah, d. h. also Gleichbehandlung mit Wertpapieren im Girosammeldepot.
Ziffer 4 bringt die Übernahme einer Formalität. Sie wird eingefügt, um für Schuldverschreibungen eine Ausnahmebestimmung aufzunehmen.
§ 10 enthält die üblichen Ermächtigungsvorschriften der beim Einkommensteuergesetz erarbeiteten Standardfassung. Unter II finden Sie zwei Änderungen, die sich aus den bisherigen Beschlüssen ergeben.
§ 11 ermächtigt den Bundesfinanzminister zur Neufassung des Wortlautes des Vermögensteuergesetzes und der Durchführungsverordnung zum Vermögensteuergesetz mit neuem Datum usw. Daß nicht auch die Ermächtigung zur Neufassung des Bewertungsgesetzes in diesem Gesetz vorgesehen ist, liegt daran, daß das Bewertungsgesetz mutmaßlich im nächsten Jahre ganz neu gefaßt werden wird, daß gewisse Bestimmungen des Bewertungsgesetzes jetzt überholt sind und nicht noch einmal in einer amtlichen Neufassung gebracht werden sollen.
({10})
§ 12 präzisiert den Anwendungsbereich. Dazu ist nichts weiter auszuführen.
§ 13 behandelt die „Berlin-Klausel", die in dem Nachtrag von gestern anders gefaßt worden ist, nämlich wie folgt:
Dieses Gesetz und die auf Grund des Gesetzes erlassenen und noch zu erlassenden Rechtsverordnungen gelten mit Ausnahme des Abschnitts II und des § 12 auch in Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 Absatz 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes in Berlin beschließt.
Damit bin ich am Ende meines Berichtes. Ich wiederhole den Antrag, den ich namens des Ausschusses eingebracht habe, nach Abschluß der zweiten Beratung zu beschließen, die dritte Beratung erst in der übernächsten Woche stattfinden zu lassen.
({11})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Wir können also in die Einzelbesprechung der zweiten Beratung eintreten.
Ich rufe auf - und bitte, falls Sie sich zum Wort melden wollen, um Wortmeldungen - § 1, - 1 a, -2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11, - 12, - 13, - 14, - die entsprechenden Abschnittsüberschriften, - Einleitung und Überschrift. Ich sehe keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift. Daß dabei die Berichtigungen auf „Zu Drucksache Nr. 2690" und auf Umdruck Nr. 349, die inzwischen verteilt worden sind, berücksichtigt werden, ist selbstverständlich und bedarf keines weiteren Hinweises. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen,
({0})
eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung von dem im übrigen „vollbesetzten" Hause einstimmig angenommen.
({1})
- Warum soll nicht auch einmal von mir eine zweifelhafte Sache im Protokoll stehen, Herr Abgeordneter Schoettle?!
({2})
Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, ob bereits bekanntgegeben ist, daß der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen gebeten hat, mitzuteilen, daß die Sitzung des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen um 15 Uhr im Zimmer 12 des Südflügels stattfindet. Ich gebe es hiermit bekannt.
Dann rufe ich auf Punkt 9 der Tagesordnung: Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({4}) ({5}).
({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Karpf.
({7})
In seiner Vertretung übernimmt, wie ich annehme, Herr Abgeordneter Sabel die Berichterstattung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die dritte Beratung eine Besprechungszeit von 60 Minuten vor.
Sabel ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des verhinderten Kollegen Karpf übernehme ich die Berichterstattung.
Der Bericht des Ausschusses für Arbeit - Drucksache Nr. 2779 - behandelt praktisch zwei Fragen. Zunächst geht es um eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes, die von der Bundesregierung beantragt wurde. § 5 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes vom 9. April 1949 soll einen Zusatz erhalten, der die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages in Fällen vorsieht, in denen sie zur Behebung eines sozialen Notstandes erforderlich erscheint. Nach der bisherigen Rechtslage war die Allgemeinverbindlicherklärung davon abhängig, daß in den Betrieben der tarifgebundenen Arbeitgeber 50 % der Arbeitnehmer beschäftigt waren, die in den Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrages fallen; weiterhin mußte die Allgemeinverbindlicherklärung im öffentlichen Interesse liegen. Diese Einengung hat zu Unzuträglichkeiten geführt, die nun durch die vorgesehene Gesetzesänderung beseitigt werden sollen. - Kollege Karpf hat diesen Fragenkomplex bereits in der zweiten Lesung behandelt, so daß ich mir hier weitere Bemerkungen darüber ersparen kann.
Der zweite Teil der Drucksache betrifft eine andere Frage, und zwar die Einfügung eines § 10 a entsprechend einer Anregung, die in dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP - Umdruck Nr. 308 - enthalten ist. Hier geht es darum, daß der im Tarifvertragsgesetz wiederholt vorkommende Begriff der Spitzenorganisation erläutert oder ergänzt wird. In den §§ 5 und 10 des Tarifvertragsgesetzes ist bei bestimmten Funktionen die Mitwirkung der Sozialpartner vorgesehen. So kann nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages nur im Einvernehmen mit einem aus je drei Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber bestehenden Ausschuß ausgesprochen werden, und in § 10 ist vorgesehen, daß die Ausführungsbestimmungen zu dem Tarifvertragsgesetz unter Mitwirkung der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer erlassen werden können. Nach der bisherigen Auslegung des Begriffs „Spitzenorganisation" ist es nicht möglich, andere Arbeitnehmerorganisationen einzuschalten, die keiner Spitzenorganisation angehören.
Ohne nun dem Begriff der Spitzenorganisation eine andere Bedeutung geben zu wollen, will der neue § 10 a bestimmte Organisationen unter ganz bestimmten Voraussetzungen den Spitzenorganisationen gleichstellen. Diese besonderen Voraussetzungen sind notwendig, da die Gremien, die insbesondere nach § 5 des Tarifvertragsgesetzes in Frage kommen, sehr klein sind und deswegen eben nicht allzuviel Organisationen berücksichtigt werden können. Als Voraussetzung für die Gleichsetzung mit einer Spitzenorganisation soll gelten, daß die Verbände, sei es auf Arbeitnehmer-, sei es auf Unternehmerseite, im Arbeitsleben des Bundesgebietes wesentliche Bedeutung haben. Diese letztere Voraussetzung ist dann natürlich analog auch für die Spitzenorganisationen gefordert worden, damit nicht irgendeine unwesentliche Organisation in der Form der Spitzenorganisation ein größeres Recht hat als andere Verbände.
Die vorliegenden Änderungen sind vom Ausschuß für Arbeit einstimmig beschlossen worden, nachdem vorher auch Sachverständige aus dem Kreis der Arbeitnehmer- und der Unternehmerorganisationen gehört worden waren, die auch ihr Einverständnis mit einer solchen Regelung kundgetan haben.
Ich darf Sie namens des Ausschusses bitten, dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Einzelbesprechung. Ich rufe auf § 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag vor. Wer wünscht ihn zu begründen? - Herr Abgeordneter Richter!
({0})
- Eben diesen meinte ich, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist grundsätzlich bereit, der Vorlage ihre Zustimmung zu geben. Sie ist also bereit, der Ausdehnung der Möglichkeiten der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen zuzustimmen. Sie ist auch bereit, den § 10 a in der vorliegenden Fassung anzunehmen, in welcher zum Ausdruck gebracht wird, was als Spitzenorganisation angesehen wird, und in welcher des weiteren erwähnt wird, daß den Spitzenorganisationen Gewerkschaften, die keiner Spitzenorganisation angehören, also sogenannte Außenseiter, gleichstehen sollen.
Wir haben aber Bedenken, ob die Regelung in § 10 a für die Entscheidung der Frage ausreichend ist, ob ein Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden soll, d. h. ob ein zwischen den Parteien ausgehandelter Tarifvertrag auch auf die nicht dem Arbeitgeberverband angehörenden Ar({0})
beitgeber oder die nicht einer Gewerkschaft angehörenden Arbeitnehmer Anwendung finden soll, ob also solche Arbeitgeber oder Arbeitnehmer verpflichtet sein sollen, zu den Bedingungen des Tarifvertrages zu arbeiten bzw. zu den Bedingungen des Tarifvertrages Löhne und Gehälter zu zahlen. Wir glauben, daß bei dieser Entscheidung allen Gewerkschaften die Möglichkeit gegeben werden muß, in dem zuständigen Ausschuß mitzuwirken, der im Einvernehmen mit dem Bundesarbeitsminister die Frage zu entscheiden hat, ob der Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt werden soll oder nicht. Hier müssen alle Gewerkschaften die gleiche Chance haben, nicht nur die Gewerkschaften, die Außenseiter sind, sondern auch die Gewerkschaften, die einer Spitzenorganisation angehören. Darum dreht es sich bei unserem Antrag. Deshalb sagen wir:
... mit einem Ausschuß aus je drei Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgebervereinigung . . .
Damit meinen wir schlechthin alle Gewerkschaften. Das entspricht auch dem vor 1933 geltenden Recht. In allen Gesetzen sozialpolitischer oder wirtschaftspolitischer Art - Sie können es kontrollieren - wird von den Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände gesprochen.
Weiter haben wir in unserem Antrag zu § 5 Abs. 1 gesagt:
... die für die Vertretung der Arbeitnehmeroder Arbeitgeberinteressen im Arbeitsleben des Bundesgebietes wesentliche Bedeutung haben . . .
Dabei stimmen wir mit der Fassung überein, wie sie in § 10 a dieses Gesetzes und in anderen Gesetzen vom Hause beschlossen wurde.
Wir bringen neu hinzu - und ich glaube, das muß doch allgemein anerkannt werden -, daß keine Gewerkschaft und keine Arbeitgebervereinigung durch ihren Vertreter in dem Ausschuß mit entscheiden darf, wenn es sich um deren eigene Angelegenheit handelt. Keine Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung soll also in eigener Sache Recht sprechen, eine Entscheidung herbeiführen. Deshalb sagen wir:
... und in dem betreffenden Tarifvertrag nicht Vertragskontrahent sind.
Ich würde es begrüßen, wenn das Hohe Haus diesem unserem Änderungsantrag, man könnte eigentlich sagen, Ergänzungsantrag zu § 5 seine Zustimmung geben würde. Damit wird der § 10 a nicht beeinträchtigt; er gilt für andere Bestimmungen des Gesetzes.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Freunde muß ich erklären, daß wir dem Abänderungsantrag der SPD aus folgenden Gründen nicht zustimmen können. Wir sind der Meinung, daß durch die Annahme dieses Antrages der § 10 a, der nach dem Vorschlag des Ausschusses in das Tarifvertragsgesetz eingefügt werden soll, praktisch illusorisch werden würde. In dem ersten Halbsatz des Änderungsantrages der SPD wird verlangt, daß auch dort, wo Spitzenorganistionen bestehen, die der Spitzenorganisation angehörenden Verbände gesondert in Erscheinung treten, so daß sie praktisch doppelt vertreten sind, zunächst als Spitze und dann in der Einzelorganisation. Das würde zu dem Ergebnis führen, daß andere Organisationen außerhalb der großen Spitzenorganisationen hier nicht zum Zuge kommen können.
Zu dem zweiten Halbsatz, worin der Grundsatz vertreten wird, daß an der Entscheidung der Allgemeinverbindlicherklärung diejenige Organisation nicht beteiligt werden soll, die Träger des in Rede stehenden Tarifvertrages ist, möchte ich sagen, daß diese Frage im Grundsatz bejaht werden muß. Ich bin allerdings der Auffassung, daß die bisherige Regelung schon ausreicht, hier eine entsprechende Auswahl zu treffen. Der Ausschuß besteht ja aus Vertretern und Stellvertretern. Es liegt dann an dem Arbeitsminister, bei der Einberufung dies Ausschusses die Auswahl unter Berücksichtigung der Momente zu treffen, die Herr Kollege Richter eben angeführt hat. 7
Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß die Ausschußbeschlüsse einstimmig gefaßt worden sind und daß auch. die Vertreter der Sozialpartner als Sachverständige gehört worden sind und sich positiv zu diesen Ausschußbeschlüssen ausgesprochen haben. Ich darf daher bitten, dem Abänderungsantrag nicht zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß Herr Abgeordneter Sabel diese Erklärung hier abgegeben und damit zum Ausdruck gebracht hat, daß der Abänderungsantrag der SPD zu § 5 keine Zustimmung findet. Ich begrüße aber seine weitere Erklärung, daß Vertragskontrahenten in eigener Sache nicht mitentscheiden sollten. Daher möchte ich für den Fall, daß Sie unseren Antrag zu § 5 ablehnen, folgenden Eventualantrag stellen. Ich möchte Sie bitten, folgendem Abs. 2 zu § 10 a Ihre Zustimmung zu geben:
Dem in § 5 vorgesehenen Ausschuß dürfen Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, die Vertragskontrahent des betreffenden Tarifvertrages sind, nicht angehören.
Damit ist diese Frage gesetzlich geregelt, es kann keinen Streit geben, und die Sache geht dann wohl in Ordnung. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 372. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt der Eventualantrag. Herr Kollege Richter, wollen Sie ihn noch einmal formulieren, damit er klar ist?
({0})
- Ich bitte darum.
Abs. 2 des § 10 a soll also lauten:
Dem in § 5 vorgesehenen Ausschuß dürfen Vertreter von Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen, die Vertragskontrahent des betreffenden Tarifvertrages sind, nicht angehören.
Der Antrag ist damit klar. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zu § 10 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Ich komme zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 1 ist angenommen.
Ich rufe auf § 2, - Einleitung und Überschrift. -ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch § 2, Einleitung und Überschrift sind angenommen. Damit ist die dritte Beratung beendet.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen 4 Stimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 12 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) ({3}).
({4})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter SchulzeFellengahr. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Schulze-Pellengahr ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Beförderung von Personen zu Lande vom 4. Dezember 1934 - Reichsgesetzblatt I Seite 1217 -, das an die Stelle der Verordnung über den Landverkehr mit Kraftfahrzeugen vom 6. Oktober 1931 getreten ist, regelt die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen, Kraftomnibussen, Lastkraftwagen und Pferdefuhrwerken. Zu diesem Gesetz ist eine Durchführungsverordnung vom 26. März 1935 - Reichsgesetzblatt I Seite 473 - erlassen worden. Das Gesetz und die Durchführungsverordnung unterscheiden zwischen Linien- und Gelegenheitsverkehr. Ich verweise auf die §§ 2 und 5 des Gesetzes sowie die §§ 38, 39 und 41 der Durchführungsverordnung. Als Linienverkehr gilt nach § 4 des Gesetzes eine Beförderung, wenn während eines Zeitraumes von zwei aufeinander folgenden Monaten eines Jahres wöchentlich mehr als zwei Fahrten zwischen bestimmten Punkten ausgeführt werden und das Unternehmen dem öffentlichen Verkehr dient. Alle übrigen Beförderungen sind nicht Linienverkehr, sondern Gelegenheitsverkehr. Der Gelegenheitsverkehr wiederum gliedert sich in Droschken-, Ausflugswagen-, Überlandwagen- und Mietwagenverkehr. Die Begriffe der einzelnen Verkehrsarten sind in den §§ 39 und 41 der Durchführungsverordnung vom 26. März 1935 - Reichsgesetzblatt Seite 473 - näher erläutert.
Am 6. Dezember 1937 wurde das Personenbeförderungsgesetz neu gefaßt. In der Begründung heißt es:
Es handelt sich dabei im wesentlichen um Einzelheiten, die für die Verwaltungsübung von
einer gewissen Bedeutung sind, die aber verkehrspolitische und verkehrswirtschaftliche
Grundlagen des Gesetzes unangetastet lassen.
Zu den Änderungen, die diese Neufassung gebracht hat, gehört auch die hier zur Erörterung stehende Inkraftsetzung des § 2 Ziffer 2 und des § 4, die infolge des Krieges und der Verhältnisse in der Nachkriegszeit unterblieben ist. Mit der Inkraftsetzung dieser beiden Paragraphen soll, wie aus der Begründung des Gesetzentwurfes hervorgeht, eine straffere Ordnung im gewerblichen Straßenverkehr gewährleistet werden.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich eingehend mit dem Gesetzentwurf beschäftigt und schlägt vor, das Gesetz in der Fassung der Drucksache Nr. 2489 unter Berücksichtigung folgender von ihm vorgenommener Änderungen anzunehmen. Gegenüber dem Regierungsentwurf ist der § 3 gestrichen worden, da das vorzeitige Erlöschen der Genehmigung für den Überlandwagenverkehr als Enteignung im Sinne des Art. 14 des Grundgesetzes angesehen werden könnte. Als neuen § 3 hat der Gesetzentwurf die sogenannte Berlin-Klausel erhalten. Nach § 4 Abs. 2 sollen außerdem § 3 Abs. 4 und § 40 der Durchführungsverordnung zum Personenbeförderungsgesetz außer Kraft treten, weil diese Bestimmungen durch das Gesetz überflüssig werden. Dafür ist gegenüber dem Regierungsentwurf der § 2 geändert worden.
Ich bitte das Hohe Haus, den Gesetzentwurf in der Fassung des Ihnen vorliegenden Mündlichen Berichtes des Ausschusses für Verkehrswesen anzunehmen.
({6})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3 a ({0}), - § 4, Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich komme zur
dritten Beratung.
- Keine Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache. Zur Einzelaussprache rufe ich die eben genannten Paragraphen sowie die Einleitung und Überschrift auf. - Ebenfalls keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit. Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes -über die Beförderung von Personen zu Lande. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. von Brentano und Genossen betreffend Bau einer Autobahnauffahrt bei Vieroheim ({2})
({3}).
({4})
Berichterstatter ist Herr Abgordneter Walter. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
({5})
- Dankenswerterweise liegt Ihnen ein schriftlicher Bericht vor. Wir können uns also den mündlichen Bericht sparen, nachdem wir den schriftlichen zur Kenntnis genommen haben. Ich habe Ihnen entgegen dem Vorschlag des Ältestenrates auf Wunsch der SPD eine Gesamtaussprachezeit von höchstens 40 Minuten vorzuschlagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Knothe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich werden stets alle Bestrebungen unterstützen, die im Interesse der Belebung unserer Wirtschaft getroffen werden müssen. So sehen wir als eine der notwendigen Voraussetzungen hierfür technisch einwandfreie und geordnete Verkehrsverhältnisse an. Dabei ist es eine wesentliche Aufgabe, das Autostraßennetz auszubauen und zu vervollständigen. Die Wertung, daß die Sache notwendig ist, können wir aber dem Antrag des Kollegen Dr. von Brentano nicht zuerkennen. Der Antrag, der in der Drucksache Nr. 2528 niedergelegt ist, läßt bei einer ruhigen Durchsicht erkennen, daß es, glaube ich, Herrn Dr. von Brentano selbst nicht ganz klar gewesen ist, was er mit diesem Antrag wollte.
({0})
Jedenfalls steht fest, daß der Antrag des Herrn Dr. von Brentano von einer völligen Unkenntnis der lokalen Verhältnisse bei Viernheim zeugt.
({1})
- Das ist deshalb nicht nur meine Meinung, weil ich die Verhältnisse bei Viernheim, die Verhältnisse der dortigen Autostraßenzüge sehr genau kenne. Das ist auch deshalb, sehr verehrter Kollege, nicht nur meine Meinung, weil ich in einer Rücksprache mit Stadtverordneten der Stadt Viernheim festgestellt habe, daß sie sehr überrascht gewesen sind, als sie von dem Antrag vor diesem Hohen Hause hörten.
Jedenfalls sind wir der Meinung, daß die sogenannte Anschlußstelle dort oben bei der sich entwickelnden Industriegemeinde Viernheim nach dem Autostraßennetz Frankfurt-Mannheim nicht notwendig ist. Diese kleine Straßenverbesserung kostet eine halbe Million. Wir wissen, daß gegenwärtig auch die Straße, die von Kaiserslautern auf die Autobahn Mannheim-Frankfurt führt, ausgebaut wird. Schon aus diesem Grunde ist es nicht notwendig, daß man eine halbe Million für einen Zweck ausgibt, für den sie nach unserer Auffassung hinausgeworfen ist. Da sollte man doch lieber diese Geldmittel für die am meisten befahrene Straße Europas, die Straße Wiesbaden-Frankfurt, verwenden! Darauf sollte man sein Augenmerk richten. Dort wäre es viel zweckmäßiger, eine halbe Million aufzuwenden, als bei Viernheim.
({2})
Nach der Auffassung der Leute von Viernheim selber ist es wirklich nicht notwendig, einen solchen Betrag für diese Straße auszuwerfen.
Dazu gleich noch eins. Es war doch gerade immer Herr von Brentano, der glaubte, der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion vorwerfen zu können, sie sei in ihren Anträgen verantwortungslos. Ich darf Ihnen sagen: einen solchen verantwortungslosen Antrag, dessen Durchführung eine halbe Million kosten würde, hat die sozialdemokratische Fraktion vorn September 1949 bis dato noch nicht gestellt!
({3})
Ich bin also schon der Meinung, der Antrag, der von Herrn von Brentano gestellt wurde, ist viel weniger von dem Motiv der Sachlichkeit aus gestellt worden, sondern der Antrag des Herrn Dr. von Brentano ist aus rein propagandistischer Sicht gestellt worden. Er wußte nicht, daß die Gemeinde Viernheim von diesem Antrag nicht unterrichtet war.
({4})
Ich will Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren! Von der Ortsmitte Viernheims bis zu der Stelle, wo die Straße ergänzt werden soll, ist es eine Anschlußstrecke von zirka 1 1/2 bis 2 km Länge. Wir haben doch Städte - denken Sie an Frankfurt usw. -, d a sind es 8 bis 10 km bis zur Anschlußstelle. Das beweist schon, daß wir die halbe Million für diesen Zweck nicht auszugeben brauchen.
Ich bin der Meinung, wir sollten den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano ablehnen.
Meine Damen und Herren, wünscht noch einer der hessischen Abgeordneten, Ausführungen dazu zu machen?
({0})
- Das ist nicht der Fall. - Es ist das gute Recht
der Abgeordneten! Bitte, Sie haben eine Redezeit
von 40 Minuten! - Damit schließe ich die Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2765. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Es handelt sich um die Überweisung als Material. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen.
({1})
- Es ist nicht ganz klar. Aber die Mehrheit war jedenfalls für die Annahme des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen.
Meine Damen und Herren, bevor ich zu Punkt 14 der Tagesordnung komme, wünscht der Abgeordnete Euler, das Wort zur Geschäftsordnung zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Namens der Koalitionsfraktionen möchte ich beantragen, den Punkt 14 heute von der Tagesordnung abzusetzen und ihn als ersten Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Die Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung ist unseres Erachtens ein so wichtiger Gegenstand, daß man ihn nicht mehr in einem so weit vorgerückten Stadium einer Plenarsitzung behandeln sollte, zumal bei der Wichtigkeit der Materie noch eine ausführliche Debatte erforderlich ist. Wir glauben deshalb, es wird der Sache ein guter Dienst geleistet, wenn dieser Punkt der Tagesordnung als erster in der nächsten Plenarsitzung behandelt wird.
Wünscht noch jemand dazu das Wort zu nehmen? - Das ist offenbar nicht der Fall.
Der Antrag des Abgeordneten Euler geht dahin, den Punkt 14 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses; die Absetzung ist erfolgt.
({0})
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1})
über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Anpassung der Bezüge öffentlich Bediensteter an das Preisgefüge,
über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ausgabe von Verbilligungsscheinen,
über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfeleistung für die Unwettergeschädigten in Franken,
über den Antrag der Abgeordneten Ohlig und Genossen betreffend Ausbesserungsarbeiten an den Deichen der unteren Hunte,
über den Antrag der Abgeordneten Striebeck
und Genossen betreffend Ausbau und Verlegung der Bundesstraße 1 in Mülheim ({2})
({3}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Rösch. Ich darf Sie bitten, das Wort zu nehmen.
Frau Rösch ({4}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Auftrage des Haushaltsausschusses darf ich Ihnen über eine Reihe von Anträgen Bericht erstatten, die dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung und Erledigung überwiesen worden sind. Die einzelnen Anträge liegen Ihnen vor.
Es handelt sich zunächst um den Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 1794 betreffend Anpassung der Bezüge öffentlich Bediensteter an das Preisgefüge. Dieser Antrag ist erledigt durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts, das wir kürzlich hier im Hause verabschiedet haben.
Weiter liegt Ihnen der Antrag Drucksache Nr. 2151 über die Ausgabe von Verbilligungsscheinen vor. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat diesen Antrag für erledigt erklärt, da die Bundesregierung von dieser Maßnahme abgesehen hat. Dem Beschluß des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schließt sich der Haushaltsausschuß an.
Der dritte Antrag - Drucksache Nr. 2491 - betrifft die Hilfeleistung für die Unwettergeschädigten in Franken. Schon in der Sitzung vom 12. Oktober 1951 hat Herr Abgeordneter Schoettle als Vorsitzender des Haushaltsausschusses eingehend dargelegt, warum die Bundesregierung für solche und ähnlich gelagerte Fälle keine Unterstützung gewähren kann. So ist es auch in diesem Fall nicht möglich, eine Unterstützung zu gewähren. Wir können nichts anderes tun, als den Antrag für erledigt zu erklären.
Die beiden letzten Anträge auf Drucksachen Nr. 2357 und Nr. 2378 betreffen Angelegenheiten des Bundesverkehrsministeriums. Die Notwendigkeit einer Verstärkung der Deiche an der unteren Hunte ist dem Bundesverkehrsministerium bestens bekannt. Es hat uns darüber bereits im Haushaltsausschuß am 18. Oktober 1951 einen ausführlichen Bericht erstatten lassen. Wir empfehlen daher, diesen Antrag dem Bundesverkehrsministerium zur Berücksichtigung zu überweisen. Das gleiche gilt für den Antrag auf Drucksache Nr. 2378 betreffend den Ausbau und die Verlegung der Bundesstraße 1. Auch diesen Antrag wollen wir der Bundesregierung als Material für weitere Maßnahmen übergeben.
Ich bitte Sie, sich den Beschlüssen des Haushaltsausschusses anzuschließen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin für ihren kurzen Bericht.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache über die einzelnen Anträge nicht stattfinden zu lassen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses-Drucksache Nr. 2820 mit den Ziffern 1 bis 4. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit des Hauses; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 178. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 5. Dezember, 13 Uhr 30, und schließe die 177. Sitzung des Deutschen Bundestages.