Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 167. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: für zwei Wochen Abgeordneter Freidhof wegen Krankheit, für vier Wochen Abgeordneter Harig wegen Krankheit.
Ich darf annehmen, daß diese über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuche genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Gockeln, Dr. Henle, Frau Dr. Probst, Dr. Semler, Görlinger, Schoettle, Schill, von Thadden, Dr. Veit, Hilbert, Becker ({0}), Kalbitzer, Wönner, Dr. Dresbach und Merten.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung habe ich folgende Mitteilungen zu machen: Nach einer Vereinbarung im Altestenrat schlage ich Ihnen vor, Punkt 13:
({0})
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten ({1})
heute abzusetzen und ihn mit der Beratung des Haushalts des Auswärtigen Amts in der nächsten Woche zu verbinden. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Dann haben wir vorgesehen, daß die Tagesordnung erweitert wird, und zwar zu Beginn der Tagesordnung - mit einer Ausnahme, auf die ich gleich komme -, durch die nicht erledigten Punkte der gestrigen Tagesordnung, nämlich durch die Haushalte der Bundesschuld, des Wirtschaftsministeriums, des Verkehrsministeriums, des Wohnungsbauministeriums, des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, durch den Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben, den Haushalt der Auslaufzeit 1950 hinsichtlich der Verteidigungslasten einschließlich der Besatzungskosten und Auftragsausgaben und den Haushalt der sonstigen Verteidigungslasten.
Außerdem habe ich entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat vorzuschlagen, daß an der Spitze der heutigen Tagesordnung ohne Aussprache und Begründung die Anträge der CDU/CSU und SPD betreffend Einsetzung von Untersuchungsausschüssen - Drucksachen Nrn. 2655 und 2657 - erledigt werden. - Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Änderung der Tagesordnung einverstanden ist.
Ich beginne also, meine Damen und Herren, mit den beiden Anträgen auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Der zeitlich erste Antrag ist der
Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach Art. 44 des Grundgesetzes ({2}).
Der Antrag ist von Herrn Dr. von Brentano und Fraktion gestellt worden, damit also von mehr als einem Viertel der Mitglieder des Bundestags. Das Haus muß gemäß Art. 44 des Grundgesetzes einen Untersuchungsausschuß einsetzen. Ich darf annehmen, daß sich eine ausdrückliche Beschlußfassung erübrigt, da es sich um eine verbindliche Bestimmung des Grundgesetzes handelt.
({3})
- Es wird die Zahl von 21 Mitgliedern für diesen Ausschuß vorgeschlagen. Darf ich fragen, meine Damen und Herren, ob dies der einmütigen Auffassung des Hauses entspricht?
({4})
- Offenbar! Ich stelle also fest, daß gemäß Antrag Drucksache Nr. 2655 ein 21köpfiger Untersuchungsausschuß eingesetzt worden ist. Die Zusammensetzung des Ausschusses wird in der geschäftsordnungsmäßig dafür vorgesehenen Form von den Fraktionen vorgenommen.
Ich rufe auf den
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung von Mißständen in der Bundesverwaltung ({5}).
Der Antrag ist ebenfalls für die Fraktion gestellt worden, und damit ist die vorgeschriebene Zahl von Mitgliedern des Hauses, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen können, vorhanden. Darf ich fragen: beabsichtigen Sie, auch diesen Ausschuß mit 21 Mitgliedern zu besetzen?
({6})
- Das ist hier im Antrag bereits vorgesehen. Darf ich annehmen, daß das Haus mit der Bestimmung von 21 Mitgliedern einverstanden ist?
({7})
- Das ist ebenfalls der Fall. Damit ist auch dieser Untersuchungsausschuß berufen.
Ich rufe nun auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({8});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({9}).
Ich darf annehmen, daß Sie die Drucksachen, worum ich gestern gebeten habe, mitgebracht haben.
Wir kommen zunächst zu Punkt 17 c der gestrigen Tagesordnung:
Einzelplan XXI - Haushalt der Bundesschuld ({10}).
Der Bericht ist von Herrn Abgeordneten Wacker bereits erstattet worden. Wird das Wort gewünscht? Eine Aussprache war vom Ältestenrat nicht vorgesehen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2616 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 17 d der gestrigen Tagesordnung auf:
Einzelplan IX - Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft ({11}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Vogel. Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Vogel ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in der Berichterstattung zum Etat des Bundeswirtschaftsministeriums sehr kurz fassen. Im Haushaltsausschuß selber spielte die Etatsbesprechung keine besondere Rolle. Das hervorstechendste Merkmal des uns vorliegenden Plans ist, daß die sehr erhebliche Einnahme, die noch im Haushalt 1950 in Höhe von 99 Millionen DM als „Abschöpfungsbeträge von der Zentralbüro für Mineralöl GmbH Hamburg" verzeichnet war, diesmal nicht in Erscheinung tritt. Infolgedessen tritt diesmal ein Zuschuß in Höhe von 16,6 Millionen DM auf. Die Folge davon ist, daß der Haushalt 817 000 DM Einnahmen und 17,4 Millionen DM Ausgaben ausweist und einen Zuschuß von 16,6 Millionen DM erfordert.
In zwei Sitzungen hat sich der Haushaltsausschuß mit diesem Haushalt befaßt. Es ist dabei so gut wie zu keiner Debatte gekommen. In der zweiten Sitzung am 19. Juli 1951 ist dann der Haushalt mit den Ihnen genannten Beträgen genehmigt worden. Ich bitte Sie, sich dem Beschluß des Haushaltsausschusses anzuschließen und diesen Haushalt anzunehmen.
({13})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diese Aussprache auf 120 Minuten zu begrenzen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreyssig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Besprechung der Haushaltsnachträge immer wieder gehört, daß es sich um „Überrollungsetats" handle. Ich glaube, wir haben heute den Etat desjenigen Ministeriums vor uns, das im wahrsten Sinne des Wortes durch die Entwicklung der letzten Monate wie kein zweites überrollt worden ist. Man muß sogar, glaube ich, noch einen Schritt weitergehen und feststellen, daß die Wirtschaftspolitik und der Mann, der in unserer westdeutschen Bundesrepublik die Wirtschaft verantwortlich leitet, regelrecht unter die Räder gekommen sind.
Es ist bisweilen auch gesagt worden, es handele sich hier um die Halbzeit, die die Regierung Adenauer hinter sich gebracht hat; und wir haben vor gar nicht so langer Zeit hier in diesem Hause von einigen Rednern der Regierungsparteien, sagen wir mal: „Vorträge" anhören müssen, die diese Halbzeit zu einem großen Erfolg der Regierungspolitik stempeln wollten.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich einmal der Mühe unterziehen, sich nicht an äußerliche Tatsachen zu halten, sondern den Dingen etwas ernsthafter auf den Grund zu gehen, dann werden Sie feststellen müssen, daß man eine Charakterisierung des Ergebnisses der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, wenn man sie in einer relativ > kurzen Redezeit geben will, wie es der Fall ist, dahin zusammenfassen muß: sie hat begonnen mit dem Stichwort der „freien Marktwirtschaft" und der „Liberalisierung", - sie hat im Frühjahr dieses Jahres geendet mit dem Einfuhrstop vom 21. Februar, der das Fiasko der ganzen Politik, vor allem auch im Außenhandel, kennzeichnet.
Inzwischen sind, natürlich in gewissem Zusammenhang mit den Vorgängen seit dem KoreaKonflikt, so ziemlich alle Prinzipien und Theorien, die der Bundeswirtschaftsminister hier immer wieder vertreten hat, und sein Dogma völlig zusammengebrochen. Auch Sie haben wahrscheinlich bemerkt, daß seit einiger Zeit von „sozialer" Marktwirtschaft kaum noch gesprochen wird.
({0})
Das ist eine Halbzeit-Bilanz, die so eindeutig für sich spricht, daß man nicht viel dazu zu sagen braucht. Die sozialdemokratische Fraktion hat hier in diesem Hause jede Gelegenheit - nicht nur die traditionell-parlamentarische der Verabschiedung der Haushalte - benutzt, um zu sagen, was sie für notwendig hält, wenn die Wirtschaft in einem Lande, das durch Kriegs- und Nachkriegsfolgen in eine so besondere Situation geraten ist, vernünftig und zweckmäßig gestaltet werden soll. Wir haben immer wieder erklärt - und werden auch nicht müde werden, es immer wieder zu sagen -, daß die Wirtschaft in einem so zerrütteten Lande ohne überlegte Lenkung und vorausschauende Planung nicht in Ordnung gebracht werden kann. Es war unsere Forderung, diese Politik durchzuführen, wobei wir zugleich nie müde geworden sind, darauf hinzuweisen, daß nur solche Lenkung und Planung im vernünftigen Umfange die Garantie dafür geben, daß wir nicht wieder in die Zwangswirtschaft der
Jahre vor der Währungsreform zurückfallen. Es wäre in dieser wirtschaftlichen Situation darauf angekommen, vor allem die zu knappen Rohstoffe vernünftig einzusetzen und überhaupt das uns zur Verfügung stehende Potential an Rohstoffen und an Arbeitskräften zum vollen Einsatz zu bringen. Es wäre notwendig gewesen, die Verwendung der zu knappen Rohstoffe zweckmäßig und richtig zu planen. Es war also die beinahe selbstverständliche Aufgabe, durch die Planung einer wenn auch nur relativen Fülle zu verhindern, daß wir wieder zurückfielen in die Bewirtschaftung der Not und des Mangels.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie die wirtschaftliche Entwicklung in dem letzten Jahr beobachten und sich ehrlich darüber Rechenschaft geben, was sich in der Bundesrepublik abgespielt hat, dann werden Sie mir zugeben müssen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister - er wird sich darüber ja auch nicht ganz im unklaren sein -, der ausgezogen war, die Zwangswirtschaft zu beseitigen, jetzt drauf und dran ist und bis zum Halse drinsteckt, wieder eine obendrein noch miserabel funktionierende Bewirtschaftung einzuführen.
({1})
Das gilt in erster Linie für den Kohlesektor und nicht zuletzt in ebenso spürbarer und für die Wirtschaft schwieriger Form für Eisen und Stahl.
Wir haben im Bundestag - wenn ich auf die Kohlesituation ein wenig eingehen darf - immer wieder große Versprechungen gehört, und es ist erst drei oder vier Wochen her, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister hier wiederum erklärte, er verbürge sich dafür, daß für den Hausbrand 20 Zentner gegeben werden. Vielleicht hat der Herr Bundeswirtschaftsminister inzwischen die Debatte verfolgt, die der Landtag von Nordrhein-Westfalen - das ist ja immerhin das Land, das sozusagen auf der Kohle sitzt - am Dienstag dieser Woche, glaube ich, gehabt hat. Dort hat sein Parteifreund, der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen, erklären müssen, daß - unmittelbar über der Kohle! - bestenfalls damit gerechnet werden könne, daß für den Hausbrand 14 Zentner zur Verfügung stehen werden.
({2})
- Schön, wenn die Zeitungen falsch berichtet haben, - ich lasse mich gern belehren. Wenn es 18,2 Zentner sein sollten,
({3})
dann ist offenbar die Berichterstattung aus dem Landtag in der gesamten Presse falsch gewesen. Wahrscheinlich handelt es sich aber bei den 18,2 Zentnern wieder um eine jener Berichtigungen, die man nachträglich macht, nachdem vorher die Sache schiefgegangen oder die Wahrheit herausgekommen ist. Das will ich offen lassen. Aber die Situation ist ja nicht nur in Rheinland-Westfalen so, sondern praktisch in jedem Land so. Wenn ich allein an München denke und mir überlege, was dort an Kohlenvorräten vorhanden ist und wie die Versorgung weiterlaufen soll, dann komme ich zu der Überzeugung oder, richtiger gesagt, zu der starken Befürchtung, daß die Münchner Bevölkerung beispielsweise Glück haben wird, wenn sie 12 Zentner bekommt statt der 20, die einstmals versprochen waren.
({4})
Obendrein ist in der Zeit - und ich hoffe, der Herr Bundeswirtschaftsminister weiß es, und wenn er es nicht weiß, würde ich ihm sehr empfehlen, sich darüber zu informieren oder sich informieren zu lassen -, in der die Bundesregierung eine sehr merkwürdige Politik getrieben hat, um in der Ruhrbehörde den Export um eine Million Tonnen zu senken, die Menge der im Ruhrgebiet schwarz auf dem Markt zur Verfügung stehenden und gehandelten Kohle so angewachsen, daß sie auf über eine Million beziffert wird. Dort liegen also die Kohlen, die eigentlich in die Haushalte und vernünftig gelenkt in die Wirtschaft gehören. Sie werden dort schwarz gehandelt, weil aus der ganzen Wirtschaftstheorie und aus dem Dogma unseres Bundeswirtschaftsministers all das wieder erstanden ist, was bei vernünftiger Führung nie wieder hätte zu kommen brauchen, nämlich Schwarzhandel, Schwarzpreise und all die übelsten Erscheinungen, die wir alle kennen.
({5})
- Nun, Herr Kollege Preusker, das ist ein sehr schlechter Zwischenruf, daß der Herr Professor Erhard sein Dogma nicht hätte anwenden können. Erstens einmal hat er das in Hunderten von Reden und in Hunderten von Versammlungen laut verkündet, und ich werde Ihnen - und ihm auch - nachher gleich einiges von dem, was unser Herr Bundeswirtschaftsminister am 14. März gesagt hat, in die Erinnerung zurückrufen. Denn ich will ihm ein paar Fragen stellen, von denen ich hoffe, daß er sie beantworten kann.
Wir sind jetzt in der Situation, die der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Arnold, bezüglich des Schumanplans dahin gekennzeichnet hat, daß wir die Suppe auszulöffeln haben, die Bonn uns eingebrockt hat. Wir müssen jetzt alle miteinander die Suppe auslöffeln, die Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard uns eingebrockt hat,
({6})
weil selbst die bescheidenen Ansätze von Lenkung oder Bewirtschaftung oder Steuerung, die er versucht hat, miserabel funktionieren, höchstwahrscheinlich und nicht zuletzt auch deshalb, weil sie von Anfang an schon falsch angesetzt waren. Wir haben die Marktspaltung, wir haben gespaltene Preise. Die Folge ist: wir haben Wucher, und ich glaube sogar: wenn man sich einmal an Beispielen überlegt, was den Menschen heute etwa in der Industrie zugemutet wird, um Eisen oder Stahl zu bekommen, dann haben wir sogar Nötigung und Erpressung.
Das alles sind Bestandteile dieser einstmals so feierlich gepriesenen „freien Marktwirtschaft", obendrein noch „sozialen" Charakters.
({7})
- Nun, wenn der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, den ich ja aus den von ihm geführten Verhandlungen kenne und schätze, sagt, wir hätten nie eine freie Marktwirtschaft gehabt,
({8})
dann hätte ja die Bundesregierung samt ihrem Wirtschaftsminister dies dem Volk gegenüber niemals proklamieren dürfen!
({9})
- Aber Sie haben es proklamiert, und jetzt, nachdem die ganze Wirtschaftspolitik schief gegangen ist und der Herr Minister, wie ich sagte, von den wirtschaftlichen Ereignissen überrollt worden ist, wird so getan, als ob alles niemals gewesen sei oder behauptet worden wäre.
Auf alle Fälle steht eines fest: Wenn Sie den kleinen Mann auf der Straße fragen - und er hat ja nicht nur die Kohlensorge, sondern auch noch den Kummer mit Kartoffeln und Brot und Zucker und tausend anderen Dingen -, dann steht eine Tatsache fest.
({10})
- Das ist für Sie keine Wirtschaftspolitik? Oh, das betrifft sehr wohl die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, verehrter Herr Etzel. Darauf komme ich auch noch.
({11})
- Seien Sie nicht so ungeduldig; ich zitiere gleich
den Herrn Bundeswirtschaftsminister, und dann
haben Sie nichts mehr an Zwischenrufen zu sagen!
Auf alle Fälle steht eines fest: Wenn Sie den kleinen Mann draußen fragen - den Handwerker und auch den Kleinindustriellen und den anständigen Menschen in der Bundesrepublik -, dann gibt es ein einheitliches Urteil, daß nämlich die Wirtschaftspolitik - und damit auch der Herr Bundeswirtschaftsminister - zum größten sozialen Ärgernis in der Bundesrepublik geworden sind.
({12})
- Herr Kollege Etzel, Sie haben nachher die Möglichkeit, sich zum Wort zu melden, und ich freue mich darauf. Ich werde mich obendrein bemühen, mir fünf Minuten von meiner Redezeit aufzuheben, um darauf antworten zu können.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation haben wir die Tatsache zu verzeichnen, daß wir mit Kohle und Eisen völlig festgelaufen und in unserer Produktion schwerer gehemmt sind denn jemals. Alles das, was dort seit Jahren mit Investitionspolitik hätte gemacht werden müssen, hat die Regierung versäumt; und wir haben heute, wenn wir Berlin dazurechnen, über anderthalb Millionen Arbeitslose. Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, um den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu fragen - nachdem sich die Bundesregierung in der „Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit" in Paris und auch im Schuman-plan, den die Bundesregierung ratifizieren möchte, zur Vollbeschäftigung verpflichtet hat -, ob er auch heute noch der Auffassung ist, die er mehrmals ausgesprochen hat, daß es sich bei der Vollbeschäftigung um nichts mehr handle, als um eine parteipolitische Phrase, die obendrein noch in der Inflation enden würde. Es würde mich interessieren, ob der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Auffassung etwas revidiert hat oder nicht. Auf alle Fälle scheint es mir zweckmäßiger, daß er uns hier diese Erklärung einmal verbindlich abgibt, statt daß er mit den vielen Reden, die er draußen hält, jedesmal demonstriert, daß die Bundesrepublik keine Wirtschaftspolitik hat.
Ich will Ihnen ein letztes Beispiel geben, und Sie werden mir nicht übelnehmen, da ich aus München komme, daß ich mich an das halte, was der Herr Bundeswirtschaftsminister am Montag oder Dienstag in München gesagt hat. Es war
({13})
wahrscheinlich einiges Gemurmel in der Versammlung wegen der Aufwandsteuer, die der Herr Bundesfinanzminister plant. Nun ist die Aufwandsteuer zweifellos für den Herrn Bundesfinanzminister eine fiskalische Angelegenheit; aber etwa behaupten zu wollen, daß sie nichts mit Wirtschaftspolitik zu tun hätte, wäre etwas kühn. Außerdem, wenn ich recht unterrichtet bin, hat der Herr Bundeswirtschaftsminister diesen famosen Katalog gemacht, der nachher sehr rasch allgemein abgelehnt und als unmöglich bezeichnet wurde. Immerhin: man will mit der Aufwandsteuer erreichen, daß das jetzt erschreckend knapp gewordene Material vernünftiger gelenkt wird, man will außerdem Kaufkraft abschöpfen oder umlenken, und nebenher möchte der Herr Finanzminister seine Kassen füllen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat gegenüber dem, was Schäffer sich bemüht hat, im Bundesrat und der Öffentlichkeit gegenüber zu vertreten, erklärt: „Meine Damen und Herren, wir haben zu wenig Autos und zu wenig Staubsauger, und ich wünsche, daß die Produktionssteigerung weitergeht und wir möglichst viel verbrauchen können."
({14})
- Da hat er auch recht, sagen Sie, Herr Preusker. Aber Sie werden doch hoffentlich wenigstens trotz Ihres kritischen Zwischenrufes zugeben müssen, daß Logik in so einer Art von Wirtschaftspolitik praktisch nicht mehr - von mir jedenfalls nicht mehr - entdeckt werden kann.
({15})
-Nun, mit dem Pech ist das halb so wild, Herr Wuermeling. Sie dürfen sich langsam daran gewöhnen, daß Sie vielleicht nicht mehr allzulange auf diesem Stuhl sitzen oder gar nicht mehr da säßen,
({16})
wenn nicht nur in Bremen, sondern in der Bundesrepublik gewählt worden wäre.
({17}) Das deutsche Volk wird nämlich langsam dahinterkommen und sich ansehen, wen es wählt.
({18})
- Oh nein! - Wenn ich mir die rechte Seite dieses Hauses ansehe mit den vielen Lücken, die da vorhanden sind, dann habe ich das Gefühl, daß das so ungefähr dem wirklichen politischen Kräfteverhältnis außerhalb des Hauses entspricht!
({19})
Von der FDP sind auch schon 5 von 12 weg. Bei der CDU - das gilt auch für Sie, Herr Dr. Köhler, das kann man nicht mehr aus der Welt schaffen - sitzen von 24 praktisch bloß noch 9 hier; die anderen sind schon politische Phantome.
({20})
Aber nun, meine Damen und Herren, kommen wir zurück zum Etat des Herrn Bundeswirtschaftsministers. Er hat am 14. März hier geglaubt, er könne einen sehr geschickten Schachzug machen. Er hat nämlich vor der Debatte ein ganz fulminantes Programm entwickelt und gedacht, mit diesem glänzenden Programm die Kritik an dem, was er ein Jahr vorher versäumt hatte, aus der Welt zu schaffen. Er hat z. B. gesagt, daß eine Politik, wie er sie sich vorstelle, „klare Verantwortungen und klare Zuständigkeiten" voraussetze. Er hat hier eindringlich erklärt, daß er als Bundeswirtschaftsminister auf Grund des Grundgesetzes die volle Verantwortung für die Wirtschaftspolitik verlange. Ich werde nachher an zwei, drei Beispielen zeigen, was daraus geworden ist.
Das, was er hier vorgetragen hat, fing damit an, daß er sich über die Preise ausließ. Er hat zunächst einmal - und das ist nun wieder interessant im Hinblick auf die Autos und Staubsauger von vor zwei Tagen - am 14. März gesagt, es werde bei allen demokratischen Volkswirtschaften unbedingt notwendig sein, eine Verkürzung der Lebenshaltung und eine Einschränkung des Konsums durchzuführen. Wie das mit den jetzigen Auffassungen in Einklang gebracht werden kann, weiß ich nicht.
Dann kam er auf die „Stabilität der Preise" zu sprechen und sagte: „Die Bundesregierung wird diesem Problemkreis ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, und es wird deshalb insbesondere meine Aufgabe sein, in dieser Richtung Vorschläge zu entwickeln, die zu einem Erfolg führen." Das war zur Preispolitik. Wir haben während der ganzen sechs Monate, die abgelaufen sind, nichts von solchen Vorschlägen gemerkt und vor allen Dingen nicht das Gefühl, daß wir zu „stabilen Preisen", geschweige denn zu einer Stabilisierung der Preislage gekommen seien. Ganz im Gegenteil haben sich alle entscheidenden, vor allem Massen-und Verbrauchsgüter, für die Bevölkerung enorm verteuert.
Und dann zur Investition. Da hat Herr Professor Erhard gesagt, daß die Investitionen in den Grundstoffindustrien dringlich notwendig sind. Sie werden sich entsinnen, daß er damals den sehr kuriosen Plan mit dem Markenkleben des Aufbausparens vorbrachte, der nachher wieder abgesetzt worden ist. Zur Geld- und Kreditpolitik hat er gesagt, man brauche eine straffere Koordinierung mit der Bank deutscher Länder. Er hat dann als Forderung neben diesem Aufbauplan oder als Ziel der Preispolitik erklärt, er habe bereits Schritte eingeleitet, um im Sinne einer stärkeren Aufklärung und einer Offenlegung der Kalkulationen die Gewißheit zu geben, daß Industrie und Handel wirklich anständig kalkulieren. Gemerkt haben wir davon nichts; es war nur die Zusage, es zu tun. Er hat erklärt: „Ich werde weitere Vorschläge in der Richtung einer Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts dem Kabinett zuleiten." Er hat zur Preisüberwachung etwas sehr Kühnes gesagt; er hat erklärt: „Ich werde die Preisüberwachung aktivieren", und wörtlich darf ich Ihnen zitieren:
Ich möchte mit aller Deutlichkeit hier sagen, daß die Zeit der Steuersünder und der Preissünder zu Ende gehen muß.
({21})
Das war vor sechs Monaten. - Das „Sehr richtig!" ist sehr wichtig.
({22})
Wenn es aber auch nur ein einziges Beispiel gäbe, wären wir schon ganz zufrieden. Wir erwarten vom Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht, daß er das, was in zwei Jahren schlecht gelaufen ist, in zwei Tagen oder zwei Monaten in Ordnung bringen kann. Ich wollte deshalb den Herrn Bundeswirtschaftsminister fragen, ob er hier einige Beispiele bekanntgeben kann. Wenn er das hier
({23})
nicht kann, möchte ich ihm einen andern Vorschlag machen: Dann möchte ich das sehr ehrenwerte Mitglied dieses Hauses aus dem Wahlkreis Ulm einmal auffordern, vor der Wählerschaft in Ulm auseinanderzusetzen, wieweit die Versprechungen des Bundeswirtschaftsministers nach dieser Richtung hin durchgeführt worden sind. Man wird sich dort sehr dafür interessieren, was gemacht worden ist.
Nun, meine Damen und Herren, mit der Schärfe, mit der man entschlossen war, durchzugreifen, ist es nichts gewesen, und mit der „Politik der tendenziell sinkenden Preise", die Professor Erhard ebenfalls verkündet hat, war es auch nichts.
({24})
Und die Politik der „stabilen Preise"? Sind Sie der Meinung, es herrscht wirklich sinkende Tendenz? Nein; es ist besser, Sie führen es nachher aus, damit wir es genau wissen.
Erhard hat dann erklärt, er würde Luxussteuern einführen; er hat erklärt, eine Wettsteuer, eine Reklamesteuer werde geschaffen. Nichts haben wir jemals davon erfahren. Er hat gesagt: Wir werden die Kapitalflucht verhindern und die Preiskontrolle beim Außenhandel einführen, und der Herr Vorsitzende der CDU-Fraktion, Dr. von Brentano, hat dazu den Zwischenruf gemacht „Sehr gut!". Nachdem nichts geschehen ist, würde ich gern erfahren, welchen Zwischenruf er heute machen würde.
({25}) Das Entscheidende aber ist, daß der Bundeswirtschaftsminister behauptet hat, daß er das alles verantwortlich mache und er die Wirtschaftspolitik trage.
Was wir nun in der ganzen Situation als typisch feststellen müssen, ist noch folgendes. In der Zollpolitik ist die Führung einwandfrei vom Bundeswirtschaftsminister auf den Finanzminister übergegangen, und der Herr Finanzminister hat - mit dem ihm gar nicht einmal übelzunehmenden „Kassenbewußtsein" - die Dinge durchgesetzt, die sich jetzt wirtschaftspolitisch denkbar schlecht und sehr stark zuungunsten der Bevölkerung auswirken. Das „Klassenbewußtsein" hatten dabei die Agrarier nach dem schönen Motto: „Bauern aller Bundesländer, vereinigt euch!", - mit dem Ergebnis, daß selbst bescheidene Zollsenkungsforderungen meiner Fraktion abgelehnt worden sind, aber acht oder vierzehn Tage danach die Bundesregierung den Schweinezoll aufheben mußte, um ein schlimmes Chaos zu verhindern.
Ich möchte Ihnen zum Schluß eines noch sagen: Glauben Sie bitte nicht, daß es der Opposition Zufriedenheit bereitet oder uns irgendwie mit Befriedigung erfüllt, wenn wir hier jedesmal, ganz gleich, wie lang die Zeitabstände sind, kommen müssen, um an der Bundesregierung und an der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Kritik zu üben.
({26})
W i r sind ja diejenigen, die, wenn wir die Regierung übernehmen, das alles auszubaden haben und in Ordnung bringen müssen,
({27})
und es wäre uns tausendmal lieber - lachen Sie
ruhig, meine Herren -, es wäre uns im Interesse
der deutschen Bevölkerung wesentlich lieber, der
Bundeswirtschaftsminister würde seine Arbeit
wenigstens ein bißchen besser machen. Denn die
Bevölkerung ist der leidtragende Teil, und es hat
keinen Zweck, daß ein Großteil von Ihnen der Meinung ist, es werde alles vorzüglich gemacht, wenn alles schief geht. Wir haben - ich habe das vorhin erwähnt - augenblicklich 1 500 000 Arbeitslose. Wir stecken in den schwersten Rohstoff- und Versorgungskrisen. Die Kurzarbeit nimmt jeden Tag zu. Ich bin daher der Meinung: wenn wir schon 1 500 000 Arbeitslose zuviel haben, haben wir immerhin einen Arbeitslosen zu wenig: das ist der Bundeswirtschaftsminister,
({28})
und es wäre sehr gut, wenn er Herrn Adenauer darüber aufklären könnte.
({29})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre offengestanden auf ernsthaftere Einwände gefaßt gewesen.
({0})
Hier ist gesagt worden, ich sei unter die Räder gekommen, es sei alles schiefgegangen, und ich sei überrollt worden.
({1}) Schließlich hieß es: Wenn man sich nicht an äußerliche Tatsachen halte - ich habe allerdings den Eindruck gehabt, daß sich der Redner nicht an äußere Tatsachen gehalten hat; ich weiß jedoch nicht, an was sonst -, dann könne man nur von einem Zusammenbruch und einem Fiasko sprechen. Der Redner erwähnte dabei insbesondere das Fiasko des Außenhandels. Nun, meine Damen und Herren, wollen wir bei diesem Thema einmal bleiben. Wir haben ja schon im Februar und März gehört, daß wir mit unserer Handelspolitik Schiffbruch erlitten hätten, daß wir Bankrott ansagen müßten, weil wir eben mit unserer Handelspolitik völlig versagt hätten.
({2})
Es ist richtig, wir haben nach Korea - obwohl ja nach Ihrer Auffassung Korea ausgerechnet auf die deutsche Volkswirtschaft gar keinen Einfluß ausgeübt hat ({3})
Rohstoffe einkaufen müssen. Diese haben sich in der Zwischenzeit im Durchschnitt um 67 % verteuert. Wir haben Nahrungsmittel einkaufen müssen. Diese haben sich um 40 % verteuert. Unser Export, der schon wieder in einer friedenswirtschaftlichen Struktur zu über 75 % aus Fertigwaren besteht, ließ die Erzielung höherer Preise jedoch nur im Ausmaß von 17% zu,
({4})
mit der Wirkung, daß dadurch der deutschen. Volkswirtschaft eine außerordentlich starke Belastung erwuchs.
({5})
Als wir dann im Frühjahr dieses Jahres zu der
bekannten Ausweitung des Kreditspielraumes bei der
EZU kommen mußten, weil die ursprüngliche Bemessung von 320 Millionen Dollar nach allgemeiner
Auffassung für die deutschen Verhältnisse und für
die Entwicklung des deutschen Außenhandels zu
kurz bemessen war, da wurden von Ihrer Seite
({6}) diese düsteren Prophezeiungeru geäußert.
({7})
Wir haben seinerzeit diese zusätzliche Kreditlinie, die uns bis zu einer Inanspruchnahme von 480 Millionen Dollar eingeräumt war, weitgehend ausnützen können. Das „Fiasko des Außenhandels" aber stellt sich heute wie folgt dar. Wir hatten diesen zusätzlichen Kredit in dem Augenblick schon zurückgezahlt, als wir beginnen mußten, Raten zurückzuzahlen. Wir haben heute diesen Kredit aus dem laufenden Geschäft mit 140 Millionen Dollar ausgenützt. Dazu kommen alte Verpflichtungen aus der JEIA-Zeit mit noch ungefähr 30 Millionen Dollar. Das heißt, wir haben insgesamt bei der EZU Kredite von 170 Millionen Dollar in Anspruch genommen, obwohl der Kreditspielraum, der uns dank der allgemeinen Ausweitung, die allen Ländern im Juli zuteil wurde, auf 500 Millionen Dollar läuft. Von 500 Millionen Dollar sind also 170 Millionen Dollar in Anspruch genommen. Die Dollarbestände bei der Bank deutscher Länder haben sich in der Zwischenzeit nach einer weitgehenden Erschöpfung auf jetzt wieder über 400 Millionen Dollar angereichert.
({8})
Wir haben für bereits hereingenommene Waren nicht einen Cent Devisenverpflichtungen,
({9})
während wir umgekehrt für bereits geleistete Exporte über ein Guthaben von über 550 Millionen Dollar verfügen.
({10})
Das ist das „Fiasko des deutschen Außenhandels"!
({11})
Nun aber etwas Weiteres. Der Herr Referent sagte, es gehe eben nicht ohne Lenkung und ohne Planung ab. Ich möchte jetzt einmal sagen: Ich kann es ja machen, wie ich will; Sie werden unter allen Umständen ein Argument gegen mich finden! Würde ich ohne jede Beweglichkeit auf einer ganz bestimmten Linie bleiben, dann würden Sie sagen: Der ist so stur; mit dem kann man überhaupt nicht reden. Finde ich mich aber aus der gegebenen Situation heraus, weil ich eben nicht so dogmatisch bin wie Sie, bereit, eine taktische Wendung vorzunehmen, dann wird mir Verrat an der Marktwirtschaft vorgeworfen.
({12})
Die Verantwortung können Sie ruhig mir überlassen!
({13})
Wenn Herr Dr. Kreyssig glaubt, daß wir drauf und dran sind, in eine neue Zwangsbewirtschaftung hineinzukommen, dann möchte ich sagen: ich glaube vielmehr, daß ich drauf und dran bin - und die Verhandlungen und Bestrebungen sind mitten im Gange -, aus der Bewirtschaftung wieder herauszukommen. Wir werden also den umgekehrten Weg gehen.
({14})
Im übrigen zu der „Knappheit". Meine Damen und Herren, mit Ausnahme der deutschen Grundstoffe,
({15})
über die noch zu sprechen sein wird, habe ich es nicht erlebt, daß in dieser ganzen Zeit seit Korea irgendein Bedarf, irgendeine auf den Markt kommende Nachfrage unbefriedigt geblieben ist.
({16}) Wir haben es immer zustande gebracht, unter Aufrechterhaltung der freien Konsumwahl jeden Bedarf abzudecken.
({17})
Noch etwas anderes. Es wurde hier auch von einem „sozialen Ärgernis" gesprochen. Wollen wir mal sehen, wie das „soziale Ärgernis" aussieht. Da wir in der Welt nicht allein stehen, sondern internationale Vergleiche ziehen können, möchte ich auch darauf zu sprechen kommen. Ich erkläre ausdrücklich, nicht alles, was sich in Deutschland vollzieht, ist nun kausal unbedingt mit dem Koreakonflikt in Verbindung zu bringen. Aber sicher ist doch, daß alle europäischen Volkswirtschaften von dem Koreakonflikt nachhaltig betroffen wurden. Man braucht nur die Erscheinungen auf den europäischen Märkten anzusehen, um sich dessen bewußt zu werden. Es war ja nicht etwa eine List der Idee, daß die Preise in allen Ländern gestiegen sind und Lohnangleichungen vonnöten waren, sondern das waren Folgewirkungen von schweren Erschütterungen, die den ganzen Weltmarkt umfaßten.
Aber nun zu dem internationalen Vergleich. Ich habe, um die Dinge einmal auf eine objektive Grundlage zurückzuführen, - um also an äußerlichen Tatsachen zu messen, Herr Dr. Kreyssig - eine Zusammenstellung auf Grund der nationalen Statistiken in den wichtigsten europäischen Ländern anfertigen lassen, um festzustellen, wie sich in diesen Ländern - England, Frankreich, Italien, Schweiz, Schweden, Holland, Belgien, die wichtigsten Länder sind alle dabei - seit dem ersten Halbjahr 1950 die Entwicklung vollzogen hat. Wir können mit Recht annehmen, daß das erste Halbjahr 1950 in allen diesen europäischen Ländern von politischen Störungen frei war. Es schien angemessen und methodisch einwandfrei, die Ziffern des ersten Halbjahres 1950 als Basis, d. h. in der statistischen Rechnung als Hundert-Grundlage heranzuziehen, um darauf bezogen auszurechnen, wie sich die Lebenshaltungskosten auf der einen Seite und die Lohneinkommen auf der anderen Seite entwickelt haben. Dabei ergibt sich ein so interessantes Bild, daß es unter dem Aspekt des „sozialen Ärgernisses" besonders gewertet werden sollte. In einer Reihe von europäischen Ländern haben sich, gemessen am ersten Halbjahr 1950, die Preise bzw. die Lebenshaltungskosten stärker erhöht als die Löhne. Überhaupt möchte ich sagen, von allen europäischen Ländern mit Ausnahme der Schweiz, die noch einen Punkt tiefer liegt, ist die Preissteigerung in Deutschland am geringsten geblieben. Jeder, der die Möglichkeit hat, einmal über die Grenzen unseres Landes zu blicken und Einblick in die dortigen Verhältnisse zu nehmen, wird das bestätigen müssen, was im übrigen überhaupt nicht mehr bestritten wird. Die Preisentwicklung allein aber wäre noch kein hinreichendes Maß für eine soziale Bewertung, und deshalb muß zu der Preisentwicklung und zu der Lebenshaltungskostenentwicklung auch die Lohnentwicklung zum Vergleich herangezogen werden,
({18})
mögen Sie die Bruttostundenlöhne oder die Bruttowochenlöhne nehmen. Dann aber wird das Bild
noch interessanter. Ich sagte schon vorhin: in einer
Reihe von Ländern sind die Löhne hinter der
Preisentwicklung zurückgeblieben. In anderen Ländern, wie vor allen Dingen in den planwirtschaftlich organisierten, ergibt sich eine sklavische Über({19})
einstimmung von Preis- und Lohnentwicklung. In ganz wenigen Ländern hat die Lohnkurve die Preiskurve überragt, aber in keinem europäischen Land so stark wie in Deutschland.
({20})
In Deutschland ist nämlich die Lohnkurve um 12% über die Preiskurve angestiegen.
({21}) - Bitte, wollen wir uns ernsthaft unterhalten!
({22})
Damit ist nichts über den absoluten Lebensstandard ausgesagt;
({23})
das gebe ich zu. Aber es ist etwas ausgesagt, wie sich seit Mitte vorigen Jahres, seit dem Koreakonflikt, von dem aus ja unsere Wirtschaftspolitik besonders verhängnisvoll gewesen sein soll, die sozialen Verhältnisse in Deutschland entwickelt haben, und dieser Beweis ist zwingend.
Im übrigen habe ich dieses Material mit Schaubildern und Zahlenunterlagen Ende Juli der Deutschen Gewerkschaftsführung, und zwar Herrn Fette persönlich, mit der Bitte überreicht, er möge das Material durch das wissenschaftliche Institut der Gewerkschaften prüfen lassen und er möge es mir mit den Anmerkungen dieses Instituts wieder zurückgeben. Ich habe das Material zurückerhalten ohne Anmerkungen des Gewerkschaftsinstituts!
({24})
Ich habe diese Zahlen in der Zwischenzeit auch in mindestens zwanzig Versammlungen öffentlich genannt, und es ist mir noch keine Widerlegung zuteil geworden.
({25})
- Das zu dem „sozialen Ärgernis".
Nun, meine Damen und Herren, komme ich auf die Kohle zu sprechen. Auch hier wird die Sache so dargestellt, als ob das ein ausschließlich deutsches Problem wäre.
({26})
In der Zwischenzeit hat sich deutlich genug erwiesen, daß z. B. durch eine besondere Organisation bei der OEEC in Paris das Problem der europäischen Kohlenversorgung als ein Ganzes betrachtet wird, daß auch die Verhandlungen mit Amerika nicht mehr von einzelnen Volkswirtschaften, sondern für Europa geschlossen geführt werden, mit der Wirkung, daß sich Amerika in diesem zweiten Halbjahr zu einer Leistung von 16 Millionen Tonnen Kohle für Gesamteuropa entschlossen hat.
Was die 20 Zentner Kohle anbelangt, so stehe ich noch einmal hier zu meiner Erklärung, daß pro Haushalt 20 Zentner Kohle zugeteilt werden.
({27})
Wenn gestern im Landtag Nordrhein-Westfalen die Kohlezuteilung auf Grund der jetzigen Haushaltszählung oder, besser gesagt, der Anmeldung als Haushalte und durch die dadurch bewirkte Erhöhung der Zahl der Haushalte rein rechnerisch mit nur 18,3 Zentnern angegeben wurde, dann wissen wir ehr genau, daß bei den Haushaltsanmeldungen sehr großzügig verfahren wurde. Soweit echte Haushalte vorhanden sind, stehe ich auch für Nordrhein-Westfalen dafür gerade, daß 20 Zentner zugeteilt werden.
({28})
Dann ist von der schwarzen Kohle die Rede, von der „schwarzen" schwarzen Kohle, die im Ausmaß von 1 Million Tonnen in Nordrhein-Westfalen gehandelt werden soll. Ja, da kann ich Ihnen nur sagen: Sie spotten Ihrer selbst und wissen nicht, was Sie tun!
({29})
Denn die Kohle ist ausgerechnet das Produkt, das in einem Maße zentral gelenkt und zentral gesteuert wird,
({30})
daß hier mit Ausnahme einer globalen Aufteilung durch den Wirtschaftsminister er für einen Schwarzmarkt auf keinen Fall mehr verantwortlich zu machen ist.
({31})
Es sind vor allen Dingen Ihre Gewerkschaften, die IG-Bergbau, die die verantwortliche Institution, den DKV, unter allen Umständen am Leben erhalten möchte, weil sie nur durch den DKV eine sichere Verteilung gewährleistet sieht.
Wenn also unter dem DKV nach Ihrer Meinung 1 Million Tonnen Kohle schwarz gehandelt werden, dann scheint hier die zentralbürokratische Institution eben nicht richtig zu funktionieren.
({32})
Zu der Investitionspolitik. Ich darf darauf verweisen, daß ich es gewesen bin, der zunächst den von Ihnen - das ist Ihr gutes Recht - abgelehnten Sparmarkenplan entwickelt hat. Ich war es auch wieder, der dann im Einvernehmen und in Besprechungen mit der gewerblichen Wirtschaft die Investitionshilfe zur Diskussion gestellt hat, mit der wir uns noch zu befassen haben. Man kann also nicht sagen, daß wir uns um diese Dinge nicht bekümmerten. Im Gegenteil, wir haben alles getan, und ich stehe ja auch dauernd in Verbindung - und ich bin sehr dankbar dafür - z. B. mit der IG-Bergbau, um zu prüfen, mit welchen Mitteln man die Kohlenförderung steigern könnte.
({33})
Denn das ist in der Zwischenzeit klar geworden: mit Verteilungsakrobatik ist dieses Problem nicht mehr befriedigend zu lösen, sondern es muß von der Förderung aus angepackt werden.
({34})
Weiter bin ich aufgefordert worden zu erklären, ob ich zur Vollbeschäftigung stehe. Die Erklärung kann ich Ihnen gern abgeben: ich habe keine andere Sehnsucht und kein anderes Verlangen, als ein größtmögliches Maß an voller Beschäftigung für das deutsche Volk zu erreichen.
({35})
Aber damit ist nicht ausgesagt, daß ich zu dem sozialistischen Dogma der Vollbeschäftigung stehe, das nach meiner festen Überzeugung allerdings zu einer Inflation und zu einem Verfall der Währung führen muß.
({36})
({37})
Dann wird ein Gegensatz daraus konstruiert, daß
ich im Frühjahr gesagt habe, die Verteidigung
werde Opfer erfordern, und jetzt für eine Steigerung des Verbrauchs eingetreten bin. Das ist kein
Gegensatz, sondern ich will Ihnen sagen, wie die
Dinge sehr logisch zusammenhängen. Sie hängen
nämlich insofern logisch zusammen, als das klar
ist: je größere Opfer ein Volk zu bringen hat und
je größere Anstrengungen eine Volkswirtschaft zu
machen hat, um einen Beitrag zur Verteidigung
zu leisten, um so wichtiger ist es, die Produktion
auszudehnen, die Produktivität zu erhöhen, um die
Lebensmöglichkeiten des einzelnen zu verbessern,
sein Einkommen zu erhöhen und neue Arbeitskräfte in den Produktionsprozeß einzubeziehen.
({38})
Das geschieht durch eine Ausweitung des Sozialprodukts. Selbstverständlich werden dann durch den notwendigen Verteidigungsbeitrag individuelle Opfer erforderlich werden. Das Opfer, das wir aber in Form des Verteidigungsbeitrags zu bringen haben, wird sich leichter tragen lassen und wird geringere soziale Erschütterungen auslösen, wenn es auf ein Sozialprodukt von 120 Milliarden gegründet werden kann anstatt auf ein solches von nur 100 Milliarden. Und das ist unsere Politik.
({39})
Dann ist mir hier vorgeworfen worden, ich habe nicht genügend getan, um die Stabilität der Preise zu wahren. Ich brauche hier nur auf das zu verweisen, was ich vorhin über die Preisentwicklung in Deutschland und im übrigen Europa gesagt habe. Aber, meine Damen und Herren, Sie scheinen doch die Presse wenig verfolgt zu haben; denn sonst hätten Sie aus vielen offenen Briefen in den Organen der Textilwirtschaft und der Schuhwirtschaft lesen müssen, daß ich sehr energisch vom Leder gezogen bin und dort auf die Preise einen Einfluß - und zwar nicht in Richtung einer Stabilität, sondern in Richtung einer Preissenkung - ausgeübt habe. Ich habe es an offenen Worten auch gegenüber der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft nicht fehlen lassen. Es kann mir skein Mensch nachsagen, daß ich hier nicht alles getan hätte, um die Leute zur Disziplin, zur Besinnung und zum gesunden Menschenverstand zurückzuführen.
({40})
Ich habe auch in den Bereichen, in denen die Preisüberwachung vonnöten war, immer wieder an die Länder entsprechende Aufforderungen ergehen lassen; aber ich habe bisher noch nicht festgestellt, daß die mit allen Vollmachten ausgestatteten Exekutivorgane - und die liegen ja ausschließlich bei den Ländern - etwa in den sozialistischen Ländern erfolgreicher operiert hätten als in den politisch anders strukturierten Ländern.
({41})
Wenn die Zahl von 1,5 Millionen Arbeitslosen genannt worden ist, dann ist wohlweislich verschwiegen worden, daß die Zahl der Beschäftigten in dieser ganzen Zeit ebenfalls zugenommen hat.
({42})
Sie alle wissen, wenn Sie die Dinge ehrlich betrachten, sehr wohl, daß die Zahl von 1,5 Millionen
Arbeitslosen eine sehr euphemistische Ziffer ist, die mit den Realitäten kaum mehr übereinstimmen dürfte.
({43})
Meine Damen und Herren, hier ist gesagt worden, das deutsche Volk müsse das ausbaden, was wir ihm durch unsere Wirtschaftspolitik eingebrockt hätten. Ich sage hier an dieser Stelle noch einmal: ich übernehme für die deutsche Wirtschaftspolitik die volle Verantwortung einschließlich des sozialen Schicksals, das nach Ihrer Meinung für das deutsche Volk so verhängnisvoll geworden ist.
({44})
Ich sage Ihnen aber: das deutsche Volk hat nicht die Suppe auszulöffeln; sondern wenn überhaupt in dem Pott noch Suppe drin ist, dann haben wir sie hineingeschüttet!
({45})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politik der Bundesregierung und besonders die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist eindeutig auf die Kriegspolitik des amerikanischen Imperialismus eingestellt. Man kann das Ergebnis der Politik des Herrn Wirtschaftsministers unter dem Titel: „Von der freien, planlosen Marktwirtschaft zur planvollen Kriegswirtschaft" zusammenfassen.
({0})
Hierin liegt die Ursache für die Ergebnisse der Wirtschaftspolitik Professor Erhards. Diese Ursache hat der Herr Kollege Dr. Kreyssig nicht aufgezeigt. Diesem Ziel, dieser Politik wird die gesamte Wirtschaft in der Bundesrepublik untergeordnet. Das wird durch die Reise der deutschen Industriellendelegation nach Amerika deutlich unterstrichen. Nach dem „Handelsblatt" vom 8. 8. 1951 erklärte der Präsident des Bundes Deutscher Industrieller, Herr Berg, über die Ziele dieser Amerika-Reise, daß es darum gehe, die Voraussetzungen und Grenzen einer deutsch-amerikanischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit festzustellen, die sich aus einem deutschen Wehrbeitrag ergeben könnten.
Herr Abgeordneter Niebergall, es haben doch nun zwei Herren so schön frei gesprochen, wollen Sie sich nicht auch an die Geschäftsordnung halten?
Ich spreche frei!
Sie können ja die roten Striche am Rande auch durch die Tönung zum Ausdruck bringen.
Entschuldigen Sie, ich spreche nach einer Vorlage und nicht nach einem ausgearbeiteten Manuskript.
({0})
- Das kann Sie gar nicht interessieren; bei mir wird sie nicht von der Großindustrie geschrieben, sondern kommt aus meinem Kopf.
({1})
({2})
Die Zeitung „Handelsblatt" betont dazu: „Auf amerikanischer Seite wurde die große Bedeutung der Bundesrepublik als Vorfeld des Westens vor dem Eisernen Vorhang anerkannt." Da liegt der Hase im Pfeffer! Das ist der Inhalt der Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard. Das kam auch in den Gesprächen des Herrn Berg mit den Politikern in den USA zum Ausdruck und wurde ganz deutlich umrissen, als sie sagten, daß Westdeutschland eine Schlüsselposition im Westen gegen den Osten darstelle. Was ist denn das für eine Schlüsselposition? Ist das eine Friedensposition, eine Position der Kultur, von der hier diese Amerikaner gesprochen haben? Nein, es ist ein Vorfeld des neuen kommenden Krieges - des Krieges, der dann kommt, wenn ihn die Völker nicht verhüten. Nach Ansicht des Herrn Berg ist die deutsche Industrie noch nicht genügend mit Rüstungsaufträgen bedacht.
({3})
Diesem abzuhelfen, war die Aufgabe seiner Reise nach Amerika. In der „Frankfurter Allgemeinen" vom 8. 8. 1951 wird darüber wie folgt berichtet: „Als erstes konkretes Ergebnis der Amerika-Reise der Industriellen nannte Berg die jetzt geschaffene Möglichkeit, Unterlieferungsverträge von amerikanischen Firmen zu erhalten, die mit Rüstungsaufträgen versehen sind." Was heißt Unterlieferungsverträge? Die Unterlieferungsverträge für die amerikanische Rüstung sind nichts anderes als deutsche Rüstungsbeiträge.
({4})
Man will das dem Volk gegenüber nur verschleiern, man will den wahren Tatbestand zudecken, und zwar die Wiederaufrüstung Westdeutschlands. Der Drang nach Rüstungsprofiten kommt in folgenden Worten des Herrn Berg klar zum Ausdruck: „Die Industrie wird von sich aus spätestens im Herbst eine Delegation nach drüben schicken, die dann dort die begonnenen Verhandlungen weiterführt und zu einem erfolgreichen Abschluß bringt."
Meine Damen und Herren, das ist nach unserer Auffassung ein sehr gefährlicher Weg. Diesen Weg hat man im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und unter Hitler beschritten, und dieser Weg hat schnurgerade zum Krieg, zur Katastrophe geführt. Dieser Politik dient die Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard. Sie steht im Gegensatz zu den nationalen und sozialen Interessen unseres Volkes. Dabei ist mehr als interessant, an welche Bedingungen das amerikanische Rüstungsgeschäft in Westdeutschland geknüpft ist. Was für Bedingungen sind das? „Die Welt" vom 8. 8. 1951 berichtet darüber:
Die Schwierigkeiten für eine erweiterte Hilfe an die Bundesrepublik würden, so betonte Berg, trotz der Teilnahme an der Verteidigungsarbeit weiter bestehen, wenn deutscherseits in der Frage des Ost-West-Handels den amerikanischen Wünschen nicht nachgegeben werde. Präsident Berg sieht erhebliche Beschwernisse für die Bundesrepublik, weil ein Ausgleich durch den Westhandel nur schwer möglich ist und weil die deutsche Wirtschaft nicht in dem gleichen Maße neue Märkte zu suchen imstande ist wie die amerikanische z. B. im Fernen Osten.
Dahin führt eben die amerikanische Politik. Sie ist ein Gewinn für die Konzernherren und für ihre Helfershelfer, aber ein Schaden für die deutsche Friedenswirtschaft. Soweit die Reise des Herrn Berg.
Und was war das Ziel der Reise des Herrn Bundeswirtschaftsministers? Über das Ziel der Reise des Herrn Erhard berichtet die „New Yorker Staatszeitung": „Diesmal kommt er nicht mit leeren Händen. Sein Ziel ist, der Regierung und dem Volk der Vereinigten Staaten vermehrte Leistungen für die Sicherung der atlantischen Welt anzubieten." Die Zeitung schreibt weiter: „In seinem Musterkoffer des Reisenden für die alte Firma, die wieder ins Geschäft kommen will, führt er Beweise guten Willens, neuen Mutes und wiedererwachter Leistungsfähigkeit."
Ich frage Sie: Was für eine alte Firma ist das, die wieder ins Geschäft kommen will und deren Reisender Herr Professor Dr. Erhard war? Das sind doch die Herren der deutschen Schwerindustrie, die Hitler an die Macht gebracht haben, die seinen Krieg vorbereitet haben, die an seinem Krieg, die an der Katastrophe und an der Wäh rungsreform verdient haben und die jetzt wiederum an einem neuen Krieg verdienen wollen! Das sind doch die Herren, für die Herr Professor Dr. Erhard gereist ist.
Aber nicht nur das. Weiter erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister nach derselben Zeitung: „Wir können und wollen nicht beiseite stehen, wenn überall in der Welt erhöhte Opfer gefordert werden." „Einstweilen aber" - so betonte er -„handelt es sich darum, die deutsche Industrie für die Aufrüstung unserer westlichen Streitkräfte einzuspannen." Und hier hat er das gesagt, um was es geht. Ja, Herr Erhard: für das Volk die Opfer, - für Ihre Freunde aus der Schwerindustrie die Profite! Das ist die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers, aber nicht die unseres Volkes.
An einer andern Stelle erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister: „Den Schlüssel bildet die Beschaffung von genug Kohle und die volle Ausnutzung der Leistungsfähigkeit unserer Stahlindustrie." Aber wie sieht es denn mit unserer Kohle aus? Unsere Kohle geht ins Ausland und dient der Rüstung. Wir erhalten für die Ausfuhrkohle pro Tonne 10,5 Dollar, während wir für die Einfuhrkohle 24 Dollar zahlen müssen.
({5})
- Entschuldigen Sie, schon heute sind die Verluste, die wir auf diese Weise bei der Ausfuhr der Kohle erleiden, größer als Ihre ganze Marshallplanhilfe.
({6})
Während unsere Friedensindustrie gedrosselt wird, große Teile unseres Volkes in diesem Winter frieren werden, wird unsere Kohle der Rüstung und dem Krieg geopfert. Und dazu hat uns Professor Erhard nur folgendes Sprüchlein zu sagen: „Besser teure Kohlen als gar keine!" Das sagt derselbe Bundesminister, der nach einer Mitteilung der „Welt" vom 28. Mai 1951 auf der Mitgliederversammlung der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl in Düsseldorf gegen die Festsetzung der Kohlenexportquote von 6,2 Millionen t für das dritte Quartal erklärte, dieser Beschluß sei ein Diktat, zu dem noch deutliche Worte gesprochen werden müßten. Noch heute wartet das deutsche Volk auf diese deutlichen Worte. Im Gegenteil, Herr Professor Erhard hat ganz schön geschluckt, was vom Petersberg befohlen wurde. Wir erinnern uns dessen, was Herr Erhard vor kurzem und auch heute von dieser Stelle aus gesagt hat, daß die
({7})
Kohlenversorgung gesichert ist, und wir werden ihn bei diesem Wort packen, denn das ist doch ein Märchen. Die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist die Politik des Marshaliplans, des Schumanplans, des Atlantikpaktes. Dieser Politik werden die Interessen unserer Wirtschaft unterstellt. Sie bedroht die nationalen Interessen unseres Volkes. Diese Politik entzieht für die Rüstung und den Profit unserem Volke Kohle, Eisen, Stahl und Schrott. Diese Politik erfüllt die Wünsche des amerikanischen Imperialismus und untergräbt zum Frommen der Wallstreet unsere eigenen nationalen Interessen, unseren Handel mit dem Osten. Deshalb sagen wir Kommunisten: Für eine solche Wirtschaft, für einen solchen Bundesminister keinen Pfennig, keinen Groschen!
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich sehe leider im Augenblick den Kollegen Dr. Kreyssig nicht im Saal, dem ich eine Äußerung versprochen hatte. Lassen Sie mich eines vorweg sagen. Wenn hier davon gesprochen worden ist, daß die Politik, die mit dem Übergang zur Marktwirtschaft begonnen hat, zum völligen Zusammenbruch geführt habe, so will ich demgegenüber gar nicht einmal primär auf die wirtschaftlichen Erfolge eingehen, die ja eindeutig genug vom Herrn Bundeswirtschaftsminister dargestellt worden sind. Ich möchte nur einmal auf die politischen Zusammenhänge eingehen. Glaubt denn irgend jemand, daß einem Deutschland, das wirtschaftlich noch so aussehen würde, wie es im Augenblick der Währungsreform aussah, mit einem Produktionsvolumen von 47 % des Volumens von 1936, mit Normalverbraucherrationen und Schwarzen Märkten auf der ganzen Linie, mit einer völlig zerrütteten Währung, einem solchen Deutschland irgendwelche Zugeständnisse in der Richtung der Aufhebung seiner wirtschaftlichen Fesseln auf dem Gebiet des Schiffbaues, der Buna- und sonstigen synthetischen Erzeugung, des Maschinenbaues, der Stahlerzeugung gemacht worden wären? Glaubt denn jemand, daß ihm auf dem politischen Gebiet mit der Einrichtung eigener Konsulate, eigener Gesandtschaften, einer eigenen Außenpolitik
({0})
und schließlich jetzt auf der Schwelle zu einer völligen Wiedererlangung gleicher Rechte und Pflichten in einem freien Europa
({1}) entgegengekommen worden wäre? Das haben wir uns doch gerade mit Hilfe dieser angeblich so erfolglosen Wirtschaftspolitik und mit dem deutschen Volke erst erarbeitet. Hier liegen die allergrößten Erfolge dieser Politik, die wir jetzt auch dringend brauchen. Nur darauf gestützt, daß wir wieder ein Faktor für die übrige Welt geworden sind und nicht mehr einseitig ihr Elendsquartier sind, können wir jetzt die Einbeziehung in die westeuropäische Gemeinschaft beanspruchen und diesen Anspruch mit einigem Recht untermauern.
Wenn Herr Kollege Kreyssig gerade daran Anstoß nahm, daß der Herr Wirtschaftsminister sagte, man solle die Weiche nicht auf eine sogenannte Austerity, auf eine Politik stellen, die darauf abziele, daß in Deutschland weniger Autos, weniger
Kühlschränke, weniger Erzeugnisse unserer hochverarbeitenden Industrien hergestellt würden, so möchte ich Herrn Kollegen Kreyssig erwidern, daß eine Politik der Austerity wirklich eine falsche Politik wäre. Wir können doch die ungeheuren Lasten, die wir zu tragen haben, nur dadurch tragbar machen, daß wir stets und ständig den Kuchen, von dem alles zehren will, vergrößern. Wir hätten niemals in den vergangenen Jahren die inzwischen bewilligten 3 1/2 Milliarden DM für die Kriegsopferversorgung, die dazu bewilligten 750 Millionen DM für die Regelung der Ansprüche der unter Art. 131 fallenden Personen aufbringen, wir hätten jetzt ebenfalls nicht die Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionen durchführen können, wenn wir nicht zuerst die Plattform dafür durch eine ständige Ausweitung der Produktion gelegt hätten. Und glauben Sie mir auch, Herr Dr. Kreyssig: die nicht zu bestreitende Erhöhung der Löhne - und zwar nicht nur der nominellen, sondern vor allen Dingen der realen, die Sie zum Teil noch unter ungünstigsten volkswirtschaftlichen Voraussetzungen erzwungen haben; man hätte sie in geeigneteren Momenten viel reibungsloser für unsere Volkswirtschaft durchführen können - hätte niemals etwa unter den Verhältnissen der Zeit vor dem 21. Juni 1948 bewilligt werden können; auch sie haben ihre Basis nur in der von Ihnen so bekämpften Wirtschaftspolitik. Deshalb ist auch jetzt - das wird von unserer Fraktion voll unterschrieben - die richtige Politik die einer weiteren Ausweitung der Produktion und nicht einer versuchten Schrumpfung auf irgendeinem Gebiet. Auch damit wir die Möglichkeit zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit in der Ausfuhr haben, bedarf es einer ständigen Ausweitung der Produktion. Wir sind gegen alle Maßnahmen, die diese Ausweitung beeinträchtigen könnten.
Sie haben weiter von dem „Fiasko unseres Außenhandels" gesprochen. Gerade auf diesem Gebiet ist doch wohl der erstaunlichste Beweis der gewachsenen deutschen Leistungsfähigkeit vor der ganzen Welt erfolgt: im Juni 1948 50 Millionen Mark Ausfuhr, und zwar im wesentlichen bestehend aus einem Zwangsexport von Holz und Kohle; im Juni 1950, dem Beginn der von Ihnen behaupteten Wendung, noch eine Ausfuhr von nur 600 Millionen DM im Monat; und jetzt um die Mitte dieses Jahres konstant 1,3 Milliarden DM pro Monat,
({2})
wobei allein die Fertigwarenausfuhr weit über die 600 Millionen DM Gesamtausfuhr vom Juni vorigen Jahres hinausgegangen ist.
({3})
Die weiteren Einzelergebnisse brauche ich gar nicht anzuführen. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß wir im Jahre 1949 noch 1,1 Milliarden Dollar an Marshallplan- und GARIOA-Krediten brauchten, um die für unsere Bevölkerung notwendigen Nahrungsmittel und Rohstoffe einzuführen. Im Jahre 1950 waren es bei ständig gewachsenen Umsätzen nur noch 700 Millionen Dollar. Im Jahre 1951 haben wir bereits bis zum August die gesamten 2 Milliarden Dollar Ausfuhr des Jahres 1950 erreicht, werden also bis zum Ende des Jahres noch wesentlich über das Vorjahrsergebnis hinauskommen. Wir stehen dabei bis auf einen derartigen Saldo von unter 100 Millionen Dollar bereits völlig auf eigenen Füßen.
({4})
({5})
Ich darf nun auf die leider vorhandenen Engpässe bei der Kohle, beim Eisen und Stahl eingehen. Sicher würden uns die 6 Millionen t, die uns vierteljährlich durch das Diktat der Ruhrbehörde, die ich kürzlich schon als einen Anachronismus bezeichnete, entzogen werden, wesentlich helfen, unsere Situation zu erleichtern. Wir haben aber, glaube ich, nur dann die Aussicht, daß dieser Anachronismus der Ruhrbehörde verschwindet, wenn wir die bisherige Politik der wirtschaftlichen Stärkung fortführen.
Wir werden auf dem Gebiet der eigenen Fördersteigerung alles tun müssen, um diesen entscheidenden Engpaß noch mehr zu erweitern. Es ist ja nicht so, daß die Kohlenförderung insgesamt zurückgegangen ist. Im Gegenteil, sie hat sich gegenüber dem Vorjahr noch um 7 % gesteigert. Leider reicht das nicht aus. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung die Investitionsförderung bei Kohle, Eisen und Stahl noch mit etwas größerem Elan, mit erheblich mehr Tempo in der Richtung vorantreiben muß, wie sie der Herr Bundeswirtschaftsminister schon seit über einem Jahr auch vorantreiben will. Ich freue mich, daß es kürzlich in diesem Hause möglich war, das Bergarbeiterwohnungsgesetz anzunehmen, das den Engpaß der 100 000 fehlenden Bergarbeiterwohnungen beseitigen soll. Ich muß nach wie vor fordern, daß man den Mut aufbringt, mit den Zwangsbindungen zu brechen, die uns bei Kohle, Eisen und Stahl eine ähnliche Fortentwicklung, wie sie auf den anderen Sektoren der Wirtschaft erfolgt ist, zum Teil vorenthalten haben. Wenn man diesen Mut hat, wird für die deutsche Produktion der Durchschnittskostenpreis von Kohle, Eisen und Stahl sicherlich nicht höher liegen als das, was sie gegenwärtig unter dieser aufrechterhaltenen Zwangswirtschaft noch zu zahlen hat. Bei Kohle, Eisen und Stahl wird sich genau dasselbe vollziehen, was wir im Frühjahr auf dem Sektor der Treibstoffe erlebt haben, wo man noch am Tage vor der Aufhebung der Preisbindungen und der Bewirtschaftung gesagt hat: Wenn Sie diese Bewirtschaftung aufheben, entsteht ab morgen ein Chaos. Gegenwärtig gibt es keinen Schwarzen Markt mehr. Im Gegenteil, Sie können sogar wieder Benzin bekommen, mit dem man auch Berge herauffahren kann, ohne daß man sich wie ein Wecker vorkommt. Der Finanzminister konnte sogar noch erheblich mehr an Mineralölsteuern für seine Kassen herausziehen, ohne daß eine Verteuerung eingetreten ist.
Zu der wirtschaftspolitischen Linie, die Sie so angreifen, ist noch folgendes nachzutragen. Sie fragten, was der Wirtschaftsminister wohl von der Vollbeschäftigung hält. Ich bin der Meinung, daß die eindeutige Steigerung der Beschäftigtenzahlen um immerhin über 700 000 Menschen in dem letzten Jahr deutlich genug dafür spricht, wo eine echte Vollbeschäftigung angestrebt wird. Eine Vollbeschäftigung, die sich mit irgendwelchen unproduktiven Notstandsarbeiten zu Lasten des Steuerzahlers und damit letztlich wieder zu Lasten der breiten Schichten des Volkes selber etwas vorlügt, macht ein Volk nur arm. Aber die Politik der produktiven Leistungssteigerung, die trotz aller Erschwernisse des Koreakrieges durchgehalten worden ist, macht uns auf die Dauer unabhängig und frei.
({6})
So sind wir mit der großen Linie der Wirtschaftspolitik des Bundeswirtschaftsministers voll einverstanden. Wir wünschen nur, daß sie noch etwas mutiger und konsequenter durchgeführt wird.
Aus diesem Anlaß möchten wir noch einige Anmerkungen zu dem Haushaltsplan machen. Wir haben den dringenden Wunsch, dab das Wirtschaftsministerium selber als ein Instrument, das dem Wirtschaftsminister zur Verfügung steht, um seine Politik durchzuführen, noch schlagkräftiger gemacht wird, indem die zum Teil schon seit Jahren verwaisten Referate nun endlich besetzt werden, indem man sich bemüht, in dem so ungeheuer wichtig gewordenen Ministerium eigens einen Mann zu finden, der die gesamte Verwaltung in eine straffe Hand nimmt.
Wir möchten gleichzeitig folgende Frage aufwerfen: wozu brauchen wir, wenn wir schon ein Wirtschaftsministerium und einen Wirtschaftsminister haben, dessen Politik sich als so erfolgreich für das deutsche Volk erwiesen hat, noch irgendwelche Berater oder ähnliche Funktionäre, von denen man überhaupt nicht weiß, welche Funktion sie haben, die irgendwo im Zwielicht der Bundesregierung stehen? Wir wünschen, daß auf diesem Gebiet wieder vollkommen klare Verhältnisse und klare Verantwortlichkeiten hergestellt werden.
({7})
Da wir diese klaren Verhältnisse und klaren Verantwortlichkeiten durch die Leistungen gerechtfertigt sehen, sind wir auch der Meinung, daß nun endlich dem Wunsch und Willen des Hauses, daß die Verantwortung für Geld und Kredit in die Hände des Wirtschaftsministers gelegt wird, wie wir das auf unserem Umdruck Nr. 324 beantragt haben, Rechnung getragen wird. Es geht nicht an, daß wir - nachdem dieses Hohe Haus nun immerhin schon vor einigen Monaten ein Gesetz über das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen beschlossen hat, in dem ausdrücklich festgestellt wird, daß die Zuständigkeit beim Bundeswirtschaftsminister liegt - in dem uns vorgelegten Haushalt lesen, daß dieser Titel nach wie vor beim Finanzminister eingeplant ist. Das ist eine Mißachtung der Beschlüsse dieses Hauses, die wir in keiner Weise billigen können. Wir bestehen deshalb um so mehr auf dem von uns vorgetragenen Antrag.
Wir haben dann noch den besonderen Wunsch an den Herrn Wirtschaftsminister, daß er in seinem Ministerium den Fragen der mittelständischen Wirtschaft einen noch breiteren Raum gibt als bisher. Denn wir sind uns klar darüber, daß die Schwierigkeiten, die durch die Koreakrise infolge der Verknappung von Kohle, Eisen und Stahl entstanden sind, von einzelnen großen Unternehmen immer leichter überwunden werden können als von einer großen Vielzahl von kleineren Unternehmen, auf deren gesunde Fortentwicklung wir aber ganz besonderen Wert legen müssen.
Das sind unsere Wünsche, die wir hier noch anzumelden haben. Wir sind nach den Ausführungen, die der Wirtschaftsminister heute hier gemacht hat, davon überzeugt, daß unsere Wünsche mit unserer Unterstützung, die wir ihm für die Durchsetzung dieser Forderungen, wenn er sie akzeptiert, jederzeit zur Verfügung stellen, auch in vollem Umfang erfüllt werden können.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige tatsächliche Feststellungen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier eben vorgetragen hat, kritisch beleuchten. Er hat erklärt, daß sich der Außenhandel sehr gut entwickelt habe und von einem Fiasko des Außenhandels gar keine Rede sein könne, daß im Gegenteil demnächst wieder ein Übergang zu einer freien Außenwirtschaft möglich sei.
({0})
Wenn man sich einmal die Tatsachen vergegenwärtigt, wie sie zur Zeit bestehen, dann muß man doch diese Behauptung als einigermaßen merkwürdig empfinden. Zunächst haben wir für den Außenhandel ein neues Verfahren bekommen, ein Verfahren, das bei Exporten so kompliziert ist, daß es komplizierter überhaupt nicht sein kann, ein Lenkungsverfahren bürokratischer Art, bei dem für jeden Auftrag eine ganze Fülle von Formularen ausgefüllt werden muß, ein Verfahren zudem, das auf die Ostexporte nicht angewandt werden kann, da für die Ostexporte ja nach wie vor das Embargo besteht. Wir wissen nicht, warum es der Wirtschaftsminister beispielsweise geduldet hat, daß für den Verkehr zwischen Deutschland und den Ländern jenseits des Eisernen Vorhangs eine wesentlich umfangreichere Embargoliste besteht als für die Exporte von Großbritannien nach den gleichen Ländern. Die Ziffern der Liste für Deutschland betragen ein Vielfaches im Verhältnis zu denen, die England auferlegt worden sind.
Auf der anderen Seite ist das Importverfahren alles andere als ein Verfahren, das man marktwirtschaftlich rechtfertigen könnte. Der größte Teil der Importe geht über das sogenannte Fachstellenverfahren. Im Fachstellenverfahren sind Privilegien verewigt, Privilegien, die sich sicherlich mit einer Marktwirtschaft nicht vertragen. Diejenigen Firmen, die in der Fachstelle vertreten sind und dort ihre feste Monatsquote zugewiesen bekommen, haben die Sicherheit eines guten Verdienstes, während sich alle anderen an diesen Importen nicht beteiligen können. Das, was hier geübt wird, ist das genaue Gegenteil von einer Marktwirtschaft.
Wenn dann ferner darauf hingewiesen worden ist, daß der Abbau der Kreditlinie bei der EZU und die Ansammlung von Guthaben im Außenhandel eine besonders erfreuliche Tatsache sei, so ist doch meiner Ansicht nach diese „erfreuliche" Tatsache aus zwei Gründen sehr unerfreulich, die bisher vom Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht vorgebracht worden sind. Erstens bedeutet Abbau der Kreditlinien bei der EZU und diese Ansammlung von Guthaben im Außenhandel, daß wir rohstoffmäßig weniger versorgt sind, als wir es hätten sein können. Ferner wirkt sich dies beispielsweise in der Futtermittelversorgung und in dem Ansteigen der Schweinepreise aus, die wahrscheinlich hätten niedriger sein können, wenn man entsprechend der günstigen Devisensituation rechtzeitig und mehr eingekauft hätte.
Diese Ansammlung von entsprechenden Guthaben wirkt sich aber zweitens - und das ist meiner Ansicht nach noch viel verheerender - für uns in der Zahlungsbilanz sehr ungünstig aus. Denn die Bank deutscher Länder muß ja alle diese Guthaben ihrerseits honorieren. Das führt zu einer Aufblähung des deutschen Zahlungsmittelumlaufes, der jetzt fast die 10-Milliarden-Grenze erreicht hat, die Grenze, die gesetzlich überhaupt zulässig ist. Diese Aufblähung des Umlaufes ist ja doch im
wesentlichen darauf zurückzuführen, daß kein Gleichgewicht zwischen Einfuhr und Ausfuhr hergestellt ist. Das also, was uns der Bundeswirtschaftsminister als einen Gewinn und einen Vorteil hat darstellen wollen, ist meiner Ansicht nach im wesentlichen ein großer Nachteil. Man hat ja auch schon früher, im Frühjahr 1950, mit den Importen gezögert, weil man glaubte, bei den Weltmarktpreisen zeige sich ein Trend nach unten. Der Erfolg war damals sowohl auf dem Ernährungssektor wie auf dem allgemeinwirtschaftlichen Sektor der, daß wir für die Importe, die wir dann wirklich durchführen mußten, effektiv wesentlich mehr Devisen nötig hatten.
Eine gleiche Entwicklung zeigt sich jetzt wieder bei Wolle, bei der die Preise stark angestiegen sind und bei der die kommenden Importe eben teurer sein werden, als wenn sie vor 14 Tagen getätigt worden wären.
Ich bin also keineswegs der Ansicht, daß es für ein Land wie Deutschland, das auf die verarbeitende Industrie angewiesen ist und von der verarbeitenden Industrie letzten Endes den größten Teil seiner Bevölkerung ernähren läßt, günstig ist, bei den Einkaufsmöglichkeiten zu horten, statt diese Einkaufsmöglichkeiten bis zum letzten Pfennig auszunutzen.
Eine weitere Frage, die in diesem Zusammenhang erörtert werden müßte, betrifft den Vergleich zwischen Preisentwicklung und Lohnentwicklung. Es ist sicher richtig, daß die Preis- und die Lohnentwicklung in Deutschland in den letzten Monaten günstig gewesen ist und daß die reale Kaufkraft sich relativ gut entwickelt hat, soweit die Lohnempfänger in Frage kommen. Aber die sind doch auch nur ein Teil des deutschen Volkes. Ein großer Teil, die Festbesoldeten, vor allem aber die Unterstützungsempfänger - und wir haben in Deutschland 6,1 Millionen Einkommensbezieher, die unter 100 Mark im Monat beziehen -, alle diese Menschen haben gar nichts davon, daß sich die Lohnkurve erhöht hat, sondern die spüren nur die Erhöhung der Preise. Auch an diese Menschen muß man denken, wenn man hier einen Vergleich anstellt.
({1})
Ebenso ist es auch nicht möglich, einfach Zahlen zu vergleichen, ohne die Ausgangsbasis zu berücksichtigen. Bei einem wesentlich erhöhten Lebensstandard ist natürlich die Steigerung nicht in demselben Prozentsatz möglich wie bei einer niedrigeren Ausgangsbasis, wie wir sie in Deutschland hatten. Ich gebe zu, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auf diesen Punkt hingewiesen. Er hat aber vergessen, dabei die große Zahl derjenigen zu erwähnen, die tatsächlich noch dasselbe Einkommen haben wie vor den starken Preissteigerungen, die wir erleben mußten.
Er ist auf die Kohlenimporte zu sprechen gekommen und hat erklärt, für Gesamteuropa stünden 20 Millionen Tonnen zur Verfügung. Meine Damen und Herren, das mag ja alles sein. Die Frage ist aber doch, ob in Deutschland richtig gewirtschaftet worden ist. In diesem Zusammenhang werden immer wieder die These und die Antithese von Marktwirtschaft und Bedarfsdeckungswirtschaft vorgetragen. Ich möchte doch bitten, diese Auseinandersetzung nun endlich nicht mehr in einem politischen Parlament zu führen, sondern sie den Professoren auf den Hochschulen zu überlassen. Wenn man die Dinge in den Zeitschriften und sonstigen Veröffentlichungen verfolgt, findet man
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Vorschläge der einen und der anderen Seite, die aber praktisch nur geringfügig voneinander abweichen. Ich glaube, es gibt keinen, der eine Marktwirtschaft nach Modell fordert, ebenso wie es kaum einen gibt, der sich Bedarfsdeckungswirtschaft nach Modell vorstellen könnte. Damit haben wir es hier doch auch gar nicht zu tun, sondern wir haben es mit der praktischen Wirtschaft zu tun. Alle Dogmatik und Theorie wirkt hier nur verwirrend, weil es von den eigentlichen Tatsachen ablenkt.
Diese eigentlichen Tatsachen bestehen darin, daß wir in der Kohlenwirtschaft zwar eine Lenkung haben, aber eine sehr schlechte Lenkung. Wir haben einen Großteil von Verbrauchern, die privilegiert versorgt werden. Ich erinnere beispielsweise an die Bundesbahn oder, bisher, an die Stahlwerke. Durch diese bevorzugte Versorgung wird der innerdeutsche Markt, der nach den Exporten noch verbleibt, so verknappt, daß für die anderen, die nichts zugeteilt bekommen, nichts anderes übrig bleibt, als wahnsinnige Überpreise zu zahlen. Das liegt nicht an Marktwirtschaft oder nicht Marktwirtschaft, sondern daran, daß das Lenkungssystem schlecht ist und den Markt für diejenigen, die nicht zu den privilegierten Kreisen gehören, so verknappt, daß es zu der eben geschilderten Folge führt.
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- Herr Preusker, man kann darüber streiten, ob freie Preise hier wirklich eine wesentliche Erleichterung bringen würden. Jedenfalls, das jetzige System kann so überhaupt nicht funktionieren. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat dieses Lenkungssystem hier verteidigt. Dazu kann ich nur
sagen: ich verstehe nicht, woher er den Mut dazu nimmt, Preise zu vertreten, die bis auf 160 und 170 Mark je Tonne angestiegen sind, was dazu geführt hat, daß beispielsweise den Büros und den freien Berufen für den ganzen Winter nur 1,2 Zentner Kohle zugeteilt werden sollen. Meine Damen und Herren, wie soll man denn mit 1,2 Zentnern ein Büro oder einen Handwerksladen den ganzen Winter hindurch heizen können! Das ist doch nichts anderes als blutiger Hohn und hat mit Lenkung oder Bewirtschaftung nichts mehr zu tun.
({4})
Ich darf dann kurz noch auf die Eisenversorgung eingehen. Leider ist meine Redezeit schon wieder zu Ende. Das ist ja das übliche bei uns, daß wir immer nur einen ganz kleinen Teil der Dinge, die wir auf dem Herzen haben, sagen dürfen. Das hängt eben mit dem Schwergewicht der Fraktionen zusammen, worauf vorhin schon hingewiesen wurde. Meine Damen und Herren, zur Eisenfrage noch ein kurzes Wort. Die Eisenversorgung in Deutschland wird vor allem dadurch entscheidend geschmälert, daß wir sehr viel Walzmaterial ausführen. Generaldirektor Northoff, der jetzt von einer Südamerikareise zurückgekehrt ist, hat erklärt, daß er die gesamten südamerikanischen Häfen voll deutschen Walzmaterials gesehen habe, daß es ihm aber nicht möglich gewesen sei, Bleche in Deutschland zu kaufen und für die verarbeitende Industrie einzusetzen. Diese Erscheinung ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß wir bei einer deutschen Gesamtproduktion von rund 700 000 t nicht weniger als 180 000 t als Walzmaterial exportieren, bevor es also durch die deutsche verarbeitende Industrie gegangen ist. Diese Exporte von 180 000 t monatlich stehen im
Widerspruch zu dem Versprechen, das uns der Bundeswirtschaftsminister in diesem Frühjahr gegeben hat. Damals hat uns der Bundeswirtschaftsminister zugesagt, es würden nicht mehr als 120 000 t Eisen- und Stahlmaterial exportiert werden. Er hat aber zugelassen, daß 180 000 t exportiert worden sind.
({5})
Man kann das nicht etwa mit angeblichen Importnotwendigkeiten entschuldigen; das ist ja die Melodie, die uns hier immer vorgespielt wird. Diese 60 000 t - ({6})
Ich habe nun schon lange genug gerade in dieser Hinsicht Vorschläge gemacht, ohne daß es uns bisher gelungen wäre, die Schwerfälligkeit des Herrn Bundeswirtschaftsministers in ein etwas schnelleres Tempo zugunsten der deutschen Wirtschaft zu verändern.
({7})
- Ob das eine Anmaßung ist, Herr Etzel, oder nicht, beweisen die Zahlen.
({8})
- Ob Sie es für richtig halten oder nicht, das kratzt mich wenig. Ich wollte nur darauf hinweisen, daß der Bundeswirtschaftsminister uns seinerzeit versprochen hat, nicht mehr als 120 000 t exportieren zu lassen, im Gegensatz dazu aber 180 000 t Export zugelassen hat. Es handelt sich dabei um eine sehr lebenswichtige Frage, so daß ich in diesem Zusammenhang wohl von Schwerfälligkeit sprechen kann, ohne daß man mir den Vorwurf der Anmaßung machen kann.
Es kommt noch die alte volkswirtschaftliche Erfahrung hinzu, daß zwischen der Eisenproduktion einerseits und der gesamten volkswirtschaftlichen Tätigkeit andererseits ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Hätten wir diese 60 000 t monatlich mehr verarbeitet, dann würden wir in Deutschland wesentlich weniger Arbeitslose haben. Kommen Sie doch einmal in unser Revier und fragen Sie nach, ob nicht eine ganze Reihe von Betrieben in der Lage wäre, eine zweite und dritte Schicht einzulegen, wenn man ihnen nur das Material dazu gäbe! Es ist einfach nicht wahr, wenn man sagt, bei der Arbeitslosenzahl handle es sich um eine Zahl, die unabdingbar sei. In England gibt es 24 Millionen Beschäftigte, in Amerika über 60 Millionen. In Deutschland haben wir 15 Millionen. Das ist ein Anteil, der wesentlich geringer ist als in anderen Volkswirtschaften. Meine Damen und Herren, das ist zum großen Teil die Schuld unseres Bundeswirtschaftsministers!
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Etzel.
Meine Damen und Herren! Es gehört zur Übung der Parlamente, aus Anlaß der Diskussion über den Haushalt kritisch zu den Tätigkeitsgebieten der jeweils zu behandelnden Ministerien Stellung zu nehmen. So ist es heute unsere selbstverständliche und notwendige Pflicht, die Arbeit des Herrn Bundeswirtschaftsministers kritisch zu beleuchten. Es ist sicherlich
({0})
auch die gute Pflicht der Opposition, von sich aus gedrängt und zusammengetragen alles das vorzubringen, was sie kritisch zu bemerken hat. Ich muß aber sagen, daß ich die Opposition in der Art, in der heute die Kritik vorgetragen worden ist und in der die Tatsachen auch in Richtung auf das Gesamte, das wir zu vertreten haben, falsch vorgetragen worden sind, schlechterdings nicht verstanden habe.
Meine Damen und Herren! Es ist doch so, daß wir, die wir hier im Parlament tätig sind, alle eine gemeinsame Aufgabe haben. Diese gemeinsame Aufgabe sollte sein, den demokratischen Staat so attraktiv zu machen, wie das nur irgendwie geht.
({1})
Wenn wir gegen die Führung dieses Staates etwas
zu sagen haben, dann muß das, was zu sagen ist,
aber mit den Tatsachen übereinstimmen, und dann
darf man nicht aus taktischen Gründen über das,
was wirklich ist, hinausschießen und die positiven
Erfolge dieses Staates nur der Taktik wegen immer
in den Hintergrund drängen, denn so vernichten
wir das Ansehen dieses Staates. Es ist ein grober
Irrtum, wenn Sie, meine Herren von der Opposition, meinen, daß Sie durch eine solche Kritik
die Bevölkerung an sich ziehen könnten; Sie ziehen
sie über sich weg in die Opposition zu diesem Staat.
({2})
Ich muß zu meinem Bedauern sagen, daß Sie durch die Art, in der die Opposition heute geführt worden ist, einen solchen Beitrag geleistet haben.
Wenn hier gesagt worden ist, die Wirtschaftspolitik sei unter die Räder gekommen, wenn hier
gesagt worden ist, hier sei ein Dogma zusammengebrochen, die Wirtschaftspolitik sei ein soziales Argernis und diese Wirtschaft könne nicht ohne Lenkung und Planung wieder in Ordnung gebracht werden, dann ist das doch, gelinde gesagt, eine ganz grobe Unrichtigkeit.
({3})
Wenn irgendwo dieser Staat ganz große Erfolge gehabt hat, so ist dies gerade auf dem Gebiete der Wirtschaftspolitik unter Führung von Herrn Professor Erhard gewesen. Sehen wir uns doch einmal die Ausgangspunkte an: dieser Staat in zwei Teile geteilt, die Wirtschaft zum Teil durch Bombenangriffe zerstört, durch Demontagen stark gestört, stark gehemmt durch Produktionsverbote, durch die Inflation des Kapitals entblößt, - wenn von dort her dieser Staat wirtschaftspolitisch gesehen solche Erfolge erzielt hat, wie wir sie heute feststellen können und die ja schon zum Teil Gegenstand dieser Diskussion gewesen sind, dann können wir nur sagen: Alle Hochachtung vor solchen Leistungen! Und es sind nur die Deutschen und innerhalb der Deutschen im wesentlichen wieder die Opposition, welche diese Leistungen nicht anerkennen.
({4})
Wenn Sie Gelegenheit haben, im Ausland zu sein und mit Ausländern zu sprechen, dann hören Sie immer nur die Frage: Wie macht ihr Deutschen das eigentlich?
({5})
Meine Damen und Herren! Das Wichtigste und Wesentlichste war doch nach 1948 und nach 1949, das zu fördern, von dem wir alle leben, nämlich das Sozialprodukt zu erhöhen, oder, wie ich immer sage, den Suppentopf zu füllen, aus dem das deutsche Volk essen will. Hier haben wir es doch geschafft, daß, gemessen am Jahre 1936 - dieses Jahr mit 100 genommen - wir im Jahre 1949, als wir unsere Arbeit begannen, im Durchschnitt eine Produktion von 87,1 und heute ein Ergebnis von 127,5 erreicht haben. Das ist eine Steigerung von über 40 %. Wir haben auch nach Korea mehr als 20 % Steigerung erzielen können. Ich habe vor einigen Tagen einer Arbeitsgemeinschaft angehört, in der namhafteste Vertreter der deutschen Wissenschaft waren. Dort hat kein Geringerer als Professor Müller-Armack aus Münster ausgesprochen, daß dieser wirtschaftspolitische Erfolg Deutschlands hinsichtlich der Produktionssteigerung nach Korea das bedeutsamste gewesen sei,
was wir je in der deutschen Wirtschaftsgeschichte erlebt hätten.
({6})
Das muß man doch wissen, und davon muß man ausgehen. Das muß man auch in der Oppositionsführung gebührend würdigen.
Das ist aber nicht das einzige. Wir haben schon darauf hingewiesen, daß wir im Rahmen dieser Produktionssteigerung auch mehr Menschen beschäftigt haben. Als im Jahre des Heils 1948 in Frankfurt die ersten Schritte zur Befreiung der Wirtschaft getan wurden, haben uns die damaligen Vertreter der jetzigen Opposition vier bis fünf Millionen Arbeitslose prophezeit.
({7})
Was ist statt dessen eingetreten? Insgesamt haben wir erlebt, daß etwa 10 Millionen Menschen zusätzlich in die westdeutsche Bundesrepublik einströmten. Wir haben auf den Gebieten der Landwirtschaft nach der Stabilisierung verständlicherweise große Freisetzungen erlebt, und trotzdem ist es gelungen, die absolute Zahl der Beschäftigten ständig zu steigern. Im Jahre 1936 waren im jetzigen Gebiet der Bundesrepublik 13 785 000 Menschen beschäftigt, in einer damals relativ guten Beschäftigungssituation. Heute haben wir im gleichen Gebiet 14 721 000 Beschäftigte, also gemessen an 1936 rund eine Million Beschäftigte mehr. Gemessen am Jahre 1948 haben wir etwa anderthalb Millionen Menschen mehr in Arbeit gebracht, ganz abgesehen von der Tatsache, daß der einzelne gegenüber der damaligen Zeit mehr arbeitet und daß wir Leute hätten auf den Arbeitsmarkt bringen müssen, wenn wir das Sozialprodukt nicht gesteigert hätten. So haben wir praktisch noch einmal zusätzlich 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, insgesamt also 3 1/2 Millionen Arbeitsplätze. Das sind die Arbeitsplätze, auf denen wir die Menschen beschäftigt haben, die hereingeströmt und zum Teil freigesetzt sind. Ist das kein Erfolg? Was hat das noch mit den Prophezeiungen zu tun, wie sie damals uns entgegengehalten wurden,
({8})
Prophezeiungen von 4 bis 5 Millionen Arbeitslosen? Statt dessen 3 1/2 Millionen Arbeitsplätze
und allerdings heute leider immer noch 1 1/2 Millionen Erwerbslose. Aber jedes Kind, das sich mit
diesen Dingen beschäftigt, weiß doch, daß diese
Menschen zum großen Teil deswegen arbeitslos
sind, weil sie in den Gebieten, wo sie sitzen, überhaupt nicht beschäftigt werden können. Es sind
also zum Teil Opfer der sogenannten strukturellen
Arbeitslosigkeit. Es muß selbstverständlich die
Aufgabe sein, auch diese Menschen in Arbeit zu
bringen. Die bisherigen Erfolge beweisen, daß wir
({9})
hier auf dem richtigen Wege waren. Wir dürfen hoffen, daß wir, auf die Dauer gesehen, auch diese Leute in Arbeit bringen.
Meine Damen und Herren! Es ist uns zu früherer Zeit vorgeworfen worden, wir hätten eine Wohnungsnot in großem Umfange. Die Opposition neigt überhaupt dazu, in ihrer Kritik jeweils einzelne Schwierigkeiten herauszugreifen und wegen einer einzelnen Schwierigkeit die ganze Arbeit zu verdammen. Wir haben weiß Gott auch heute noch Schwierigkeiten; es wäre sogar ein Wunder, wenn es nach einer solchen Niederlage, wie wir sie 1945 erlebt haben, heute keine Schwierigkeiten mehr gäbe.
({10})
Die Schwierigkeit der Wohnungsnot ist in einem geradezu grandiosen Maße überwunden worden: 350 000 Wohnungen im Jahre 1950, in diesem Jahre voraussichtlich wieder 350 000 Wohnungen gegenüber einer Wohnungsbauziffer von 230 000 Wohnungen im Jahre 1936. Das dürfte weiß Gott ein voller Erfolg sein, den wir unter allen Umständen herausstreichen müssen und den wir voll Stolz zu Buche schreiben dürfen.
({11})
Wie sieht es nun mit der Verteilung dieses zusätzlich gefüllten Suppentopfes aus? Das ist natürlich eine Angelegenheit, zu der man ja und auch nein sagen darf. Zunächst dürfen wir einmal feststellen, daß die Menschen, die irgendeine selbständige Tätigkeit ausüben, im Durchschnitt auf das Einkommen des Jahres 1936 und 1938 gekommen sind. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat weiter gegenüber dem Vorwurf des sozialen Ärgernisses schon mit vollem Recht darauf hin) gewiesen, daß es uns gelungen ist, der gewerblichen Arbeiterschaft einen Lohn zu verschaffen, der in seiner Realkaufkraft heute höher ist als 1938. Wir haben auch in der Entwicklung des Verhältnisses von Brutto-Wochenverdienst zu den Lebenshaltungskosten dauernd bessere Verhältnisse zugunsten der gewerblichen Arbeiterschaft schaffen können. Als wir im Jahre 1949 unsere Arbeit hier begannen, waren die Brutto-Wochenverdienste, gemessen an 1938: 140; sie sind heute 181,4. Bei diesen 181,4 haben wir heute einen Lebenshaltungskostenindex von 167. Es ist sogar besser, als der Herr Bundeswirtschaftsminister behauptet hat, allerdings auf Juni bezogen: ein Plus von 14 %. Sie hatten eben, glaube ich, wenn ich recht verstanden habe, 12 % genannt. Auf jeden Fall ist es ganz unbestritten, daß die gewerbliche Arbeiterschaft in der Realkaufkraft heute besser dasteht als im Jahre 1949, ja besser als 1938.
Angesichts dieser Situation ist allerdings zu sagen, daß wir jetzt endlich einmal für die anderen Schichten zu sorgen haben, für die Schichten, die Herr Bertram, glaube ich, angesprochen hat.
({12})
Es ist sicherlich unbestreitbar, daß bei der Einkommensverschiebung des deutschen Volkes diejenigen die Leidtragenden sind, die mit einem festen Einkommen gewissermaßen an der Wand stehen und nicht ausweichen können. Ich meine die Beamten, die Angestellten; ich meine die Rentner im weitesten Sinne des Wortes.
({13}) - Die freien Berufe zu einem Teile auch.
Wir haben ja hier in diesem Hause vor nicht alizulanger Zeit den Versuch gemacht, der Not
dieser Schichten durch ganz beträchtliche Aufbesserungen, die unseren Haushalt sehr stark belasten, abzuhelfen. Ich stimme der Auffassung durchaus zu und weiß, daß das noch nicht genügt und unter allen Umständen durchgesetzt werden muß, was man unter dem Schlagwort Entzerrung verstehen muß, nämlich eine Aufbesserung auch für diese Schichten. Ich glaube, wir würden unverantwortlich handeln, wenn wir gegenüber den hier und dort auch heute noch aufflackernden Lohnwünschen nachgäben, weil wir wissen müssen, daß durch ein solches Nachgeben diese anderen ärmeren und zurückgebliebenen Schichten noch schlechter davonkommen würden; denn man kann ja diesen Suppentopf nur einmal verteilen und nicht zweimal.
({14})
- Wie? - Man muß die zusätzliche Steigerung des Sozialprodukts und die dadurch hereinkommende zusätzliche Steuerkraft für diese Menschen in Anspruch nehmen. Das ist unter allen Umständen wichtig. Man muß außerdem dafür sorgen, daß uns die Preise nicht weglaufen. Auch hier hat Herr Professor Erhard schon mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß die Preisentwicklung, die ja nicht durch unsere Schuld nach oben gegangen ist, sondern infolge von Verhältnissen, die unserem Einfluß vollständig entzogen waren, gemessen an den übrigen europäischen und außereuropäischen Ländern, bei uns in einem Maße gehalten worden ist, daß wir heute in Europa gemeinsam mit der Schweiz fast die geringsten Preissteigerungen haben. Ich bitte Sie: die Schweiz hat zwei Kriege nicht zu führen brauchen; die Schweiz hat keine Teilung ihres Wirtschaftsgebietes, sie hat keine Zerstörungen und keinen Kapitalverlust. Wenn es unserer Wirtschaftspolitik gelingt, die von der Weltwirtschaft herkommende Beeinflussung in gleichem, in einem so geringen Maße aufzufangen, dann dürfte das eine hohe volkswirtschaftliche Leistung sein, zu der wir ein volles Ja zu sagen haben.
({15})
Was die Frage des Geldes anlangt, so darf ich darauf hinweisen, daß wir Deutsche, die wir gar keine sogenannten Deckungsmittel für die Währung haben, dank der Wirtschafts- und Finanzpolitik unserer Regierung eine der festesten Währungen in der Welt haben.
({16})
Darauf sind wir stolz. Das ist uns aber nicht wie ein Geschenk in den Schoß gefallen, sondern dazu gehörte eine absolut klare und der Folgen jeder einzelnen Handlung bewußte Wirtschafts- und Finanzpolitik.
Es ist zwar richtig, Herr Kreyssig, daß wir im Frühjahr des Jahres den sogenannten Lieberalisierungsstop über uns ergehen lassen mußten. Das hatte die Ursachen, die ich schon erwähnte. Wenn uns das ERP-Ministerium kürlich in Zahlen dargetan hat, daß wir im zweiten Halbjahr 1950 - also in dem Halbjahr nach Korea - mit dem gleichen Geld, mit dem wir im ersten Halbjahr unsere ganze Einfuhr bezahlen konnten, nur noch 60 % der Einfuhr bezahlen konnten, dann ist festzustellen, daß diese 40 % durch eine weitere zusätzliche Ausfuhr bezahlt werden mußten. Dafür können wir ja doch nichts. Das heißt, wir haben diese zusätzliche Ausfuhr, für die wir dieselben Güter bekamen wie vorher, nicht mehr gehabt, und das hat sich dann
({17})
in der allgemeinen Preissteigerung niedergeschlagen. Dagegen war gar nichts zu machen.
Dennoch aber ist es - und zwar in klarer und absoluter Erfüllung der Voraussage des Herrn Bundeswirtschaftsministers - inzwischen zu einer Beruhigung der Märkte gekommen, und auch die große Unruhe, die dieses Haus, das ja immer in diesen Dingen à jour lebt, Anfang des Jahres erfüllt hatte, hat sich gelegt. Es ist heute wirklich so, daß man sagen kann: hier sind die Dinge in die größtmögliche Stabilität hineingekommen. Die deutsche Währung ist absolut in Ordnung. Sie ist fest, was ich als einen Erfolg bezeichne.
Wie ist das gekommen? Es ist zum großen Teil dadurch realisiert worden, daß es gelungen ist, auch hier wieder durch eine mutige Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers, unsere Ausfuhr in einer Kurve steigen zu lassen, die wir vorher nie geahnt haben. Als seinerzeit der Marshallplan in Gang gesetzt wurde, wurde ausgerechnet, daß bis Ende 1953 die deutsche Ausfuhr einen Wert von rund 8 Milliarden DM erreichen müsse. Nun denn, meine Damen und Herren, wir haben die Aussicht, in Kürze 15 Milliarden DM zu erreichen. Wir haben jetzt 1951, und wenn in dieser Summe sicherlich auch ein Teilbetrag eingeschlossen liegt, der durch die Preissteigerung verursacht ist - das will ich durchaus sehen und zugeben -, so haben wir doch mindestens das Ziel von 1953 auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache heute bereits erreichen können. Auch das ist uns nicht wie eine reife Frucht in den Schoß gefallen, dazu gehörte der Mut - gegen den Protest vieler, die hier sitzen -, die Liberalisierung durchzuführen.
({18})
- Dazu gehört auch der Fleiß des deutschen Volkes in allen seinen Schichten, Herr Sander, das gebe ich durchaus zu. Aber diese Schichten hätten mit einer falschen Wirtschaftspolitik trotz des Fleißes diese Dinge nicht erreichen können.
({19})
Auch das muß in dieser Stunde und an dieser Stelle einmal gesagt werden.
Nun hat die Opposition, wie sie das immer tut, eine Schwierigkeit herausgenommen, nämlich die Engpässe der Grundstoffindustrien. Schon Herr Preusker und auch der Herr Bundeswirtschaftsminister haben mit vollem Recht gesagt, dort, wo wir eine Planung, dort, wo wir noch eine Preisbindung haben, dort, wo wir noch eine Lenkung haben - also das, was uns die Opposition als Heilmittel hier aufgezeigt hat -, haben wir gerade die Schwierigkeiten, weil die Investitionsrate, die im übrigen in der deutschen Volkswirtschaft durchaus erfüllt worden ist - wir haben im vergangenen Jahr 23 % des Sozialprodukts investieren können - wegen der Preisbindung in den Grundstoffindustrien nicht erfüllt worden ist. Wegen dieser Tatsache sind wir notwendigerweise in Schwierigkeiten gekommen.
Ich habe für mich daraus eine Lehre gezogen. Es ist die Lehre, daß man die Freigabe der Dinge im Sinne der sozialen Marktwirtschaft - also mit allen sozialen Bindungen - nicht nur auf einem Teilsektor durchführen kann.
({20})
Wenn man auf einem so breiten Sektor wie dem
der Grundstoffindustrien diese Bindungen beibehält, muß es in irgendeinem Zeitpunkt zu den
Verzerrungen und zu den Störungen kommen, die wir heute erleben. Ich bin deswegen sehr froh, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister heute an diesem Pult angedeutet hat, daß wir hier auch zu anderen Wegen kommen müssen. Ich bin mit dem Herrn Kollegen Bertram durchaus darin einig, daß das, was im Augenblick auf dem Gebiet von Stahl und Eisen geschieht, eine Angelegenheit ist, die so nicht weitergehen kann. Wir müssen uns um diese Dinge kümmern. Es ist allerdings einfach zu sagen: Du, Bundeswirtschaftsminister, hast 120 000 t Stahl ausführen lassen und seitdem noch einmal 60 000 t als Reexport für amerikanische Kohle; das waren 180 000 t, und das war zuviel. Meine Damen und Herren, solche Zahlen darf man ja nicht absolut sehen, sondern man muß sie aus der Situation heraus sehen. Eine Stahlausfuhr von 120 000 t haben wir einmal gehabt; inzwischen ist diese Zahl auf 70 000 t zurückgegangen. Und die berühmten 60 000 t Reexport für amerikanische Kohle sind ein Reexport gewesen, der sich daraus ergab, daß wir ursprünglich gar nicht über die Dollars verfügten, um amerikanische Kohle frei einzukaufen. Die heute günstige Devisensituation mußte sich erst entwickeln. Sie, die Sie hier im Hause sitzen, wissen absolut, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister gar nicht in der Lage ist, über diese Dollars frei zu verfügen; nicht einmal die Bundesregierung kann das.
Ich selbst habe mich im Laufe des Monats August sehr darum bemühen müssen, um für den Teil amerikanischer Kohle, den wir einführen konnten, wenigstens die Dollars freizukriegen, was schließlich gelungen ist. Inzwischen sind wir so weit, daß auch diese 60 000 t gestrichen werden sollen und daß die ganze amerikanische Kohle aus freien Dollars bezahlt werden soll, so daß also auch diese 60 000 t unserem Markt wieder frei zur Verfügung stehen.
Meine Damen und Herren! Ich will nicht zu lange reden. Was ich gesagt habe, beweist, daß der größte Erfolg der Bundesregierung der Erfolg auf wirtschaftspolitischem Gebiet ist, wenn auch Schwierigkeiten aufgetreten sind und sicherlich manche Wege, die nicht richtig waren, und manche Einzelpunkte kritisiert werden müssen. Aber wenn ich eine Gesamtbilanz aufzeige, ergibt sich, daß wir doch unerhörte Fortschritte gemacht haben. Jeder, der vor sich ehrlich ist, der sich einmal in die Situation des Jahres 1945 zurückversetzt, weiß doch, daß von dort her gesehen kein Mensch auch nur am Rande die Hoffnung auszusprechen gewagt hätte, daß es heute so sein könnte, wie es tatsächlich für uns ist.
Nun ist hier gesagt worden, wir hätten anderthalb Millionen Erwerbslose, und man würde es am liebsten sehen, daß zu diesen Erwerbslosen der Herr Bundeswirtschaftsminister gehörte. Nun, ein Politiker muß wissen, daß Undank der Welt Lohn ist und daß er keineswegs überall auf Anerkennung rechnen darf. Ich glaube also, die Hoffnung, die da ausgesprochen worden ist, wird ihn nicht sehr beunruhigen.
Ich muß im Rahmen des Etats auf eins aufmerksam machen. Die Leistungen der Wirtschaftspolitik, von denen ich sagte, sie seien uns nicht wie ein Geschenk in den Schoß gefallen, mußten mit einem Apparat vollbracht werden. Dieser Apparat, dargestellt durch das Bundeswirtschaftsministerium, ist klein im Verhältnis zu den Aufgaben, die dort anfallen; es sind nicht einmal tausend Menschen,
({21})
Ich möchte darauf hinweisen, daß im englischen Wirtschaftsministerium etwa 35 000 Menschen beschäftigt werden,
({22})
daß die englische Botschaft in Washington allein 2500 Menschen beschäftigt. Wenn man, wie ich durch meine Tätigkeit, laufend beobachten kann, wie die Herren im Bundeswirtschaftsministerium zu einem großen Teil weit über ihre Kräfte hinaus arbeiten, dann sollte man meinen, daß der Etat, den wir anzunehmen haben, bescheiden ist gegenüber den Aufgaben, die dort gemeistert worden sind. Ich bin der Auffassung, daß wir in Kürze für mannigfache zusätzliche Aufgaben hier auch zusätzliche Ansprüche vertreten müssen.
({23})
Was aber den Herrn Bundeswirtschaftsminister selbst anlangt, so kann ich für mich, für meine Freunde und für den Herrn Bundeskanzler sagen, daß er unser aller volles Vertrauen hat.
({24})
Das Wort hat Herr Abgegeordneter Ewers und dann Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es unterliegt für denjenigen, der sich einen klaren Blick bewahrt hat, gar keinem Zweifel, daß die von Herrn Minister Erhard inaugurierte deutsche Wirtschaftspolitik in den letzten beiden Jahren Zustände herbeigeführt und Erfolge gezeitigt hat, die man vor zwei Jahren für ganz unwahrscheinlich, vor vier Jahren für schlechterdings unmöglich gehalten hätte.
({0})
Diese Tatsache braucht man eigentlich nicht mehr zu unterstreichen und zu erläutern.
Dazu steht in einem auffallenden und bedauerlichen Mißverhältnis der Umstand, daß diese Erfolge in der breiten Schicht des Volkes nicht anerkannt sind, daß im Gegenteil Kritik geübt wird von Leuten, die im einzelnen etwas verstehen mögen, die sich aber offenbar arglistig eines Gesamtüberblicks enthalten.
({1})
Davon hat auch die heutige Diskussion einige Proben geliefert. Ich zweifle nicht daran, daß gewisse kritische Bemerkungen der Opposition zutreffend sind. Diese aber, aus jedem Zusammenhang herausgerissen in die Masse geworfen, liefern jenen Staatsfeinden den Stoff für ihre tägliche Agitation,
({2})
und davor möchten wir ausdrücklich warnen. Ich bitte, bei aller berechtigten Kritik, die in einer Demokratie erwünscht ist, immer das große Ganze im Auge zu behalten und billigerweise nicht das allein zu sehen, was jeweils zur Kritik Veranlassung gibt.
Auch wir als Koalitionspartei sind nicht völlig kritiklos. Ich möchte dazu nur folgendes bemerken: Der Herr Wirtschaftsminister Erhard hat es verstanden, getragen von der Konjunktur, in Westdeutschland glatt friedensmäßige Zustände herbeizuführen. Gott gebe es, daß man in Zukunft von diesen Zuständen nicht als „Scheinblüte" sprechen wird, wie wir es vor 25 Jahren schon einmal erlebt haben.
Diese Zustände haben sich auf die Gebiete längs des Eisernen Vorhangs, von Nordbayern über Osthessen bis Niedersachsen und Schleswig-Holstein, leider nicht auswirken können. In diesen Gebieten sitzen jene Volksschichten, und zwar massiert, von denen mein Herr Vorredner Etzel mit Recht sagte: ihnen wird das Augenmerk zuzuwenden sein, wenn es sich um eine einigermaßen gerechte Verteilung des Sozialprodukts handelt. Hier sitzen nämlich weniger die Rentenempfänger als die Garnichtsempfänger und diejenigen, die nichts empfangen können, weil in der Tat in diesen Gebieten selbst für die Arbeitswilligen keine Arbeitsplätze geschaffen werden können. Ich möchte glauben, insoweit ist für den Ostteil Westdeutschlands vom Ministerium noch nicht genug geschehen.
Nun ein anderes: Ich meine, es ist die Mittel-und Großindustrie, der insbesondere das Augenmerk des Herrn Ministers gegolten hat, ebenso wie dem Großhandel. Wir vermissen nach wie vor ein Abtasten seiner Wirtschaftspolitik auf die breiten Schichten des Mittelstandes, seien es die Einzelhändler, seien es die Handwerker, seien es die freien Berufe. Hier ist nicht alles in Ordnung. Hier herrscht zum großen Teil auch nicht die freie Marktwirtschaft, sondern hier herrschen Zwangssituationen - ich brauche nur an die Ärzteschaft zu erinnern -, die in einem freien Staate unmöglich sein sollten. Auch das aber sind Teile der Wirtschaftspolitik.
({3})
Endlich aber steht die Öffentlichkeit - ich glaube, nicht ohne jeden Grund - unter dem Eindruck, daß eine Abstimmung wirtschaftspolitischer Pläne zwischen den beteiligten Ministerien, nämlich dem Ministerium des Herrn Dr. Erhard, dem des Herrn Schäffer und dem des Herrn Niklas, nicht immer rechtzeitig stattfindet. Hier wird offenbar konterkariert und gegeneinander gearbeitet. Das führen wir zum Teil darauf zurück, daß bis heute noch kein Staatssekretär für den Mittelstand bestellt und noch kein Referat für das Handwerk eingerichtet ist. Wir sind der Ansicht, daß dies ein Hauptanliegen sein muß; denn wenn es eine Richtung nötig hat, mit ihren Interessen im Bundestag deutlich und klar vertreten zu sein, so sind es diese breiten Schichten des Mittelstandes, mögen sie selbständig sein oder mögen sie abhängige Stellungen haben, die aber eben die große, und zwar zum großen Teil intellektuelle Masse des Volkes ausmachen. In dieser Beziehung ist noch sehr viel zu bessern.
Zum Schluß darf ich auf eines hinweisen: Vom Standpunkt des Nordens unseres westdeutschen Gebietes aus, wo die Herbstsonne nicht so milde scheint wie am Rhein, muß man auf den kommenden Winter mit ängstlichster Sorge blicken, nicht nur weil die Wohnungen kalt sein werden, sondern weil der dortigen gewerblichen Wirtschaft in Eisen, Stahl und Kohle, wenn es so weitergeht, in kürzester Zeit jede Arbeitsmöglichkeit genommen sein wird. Ich bewundere die Ruhe und Gelassenheit, mit der man dieser Sorge anscheinend von Bonn aus entgegensieht.
({4})
Wir teilen diese Ruhe nicht. Wir können heute nur sagen: Gott gebe uns einen milden Winter und dem Herrn Minister Erhard zur rechten Zeit die richtigen Einfälle, um der drohenden Not zu steuern.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreyssig für den Rest der Redezeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Kollegen Etzel zunächst eines sagen: daß er mir erst nachweisen muß, wann ich jemals behauptet hätte, daß es nach der Währungsreform 4 oder 5 Millionen Arbeitslose geben werde.
({0})
- Ich persönlich habe es nämlich nie gesagt.
Ich habe es jetzt etwas leichter, nachdem, wie zu erwarten war, Kollege Bertram eine lange Kritik vorgetragen hat, die man in der kurzen Zeit nicht üben kann. Mir scheint nach dem, was Herr Preusker und der letzte Sprecher gesagt haben, die Behauptung von Herrn Etzel, die Opposition habe einfach um der Kritik willen Kritik geübt, doch in ein etwas anderes Licht gerückt worden zu sein. Wenn der Herrgott angerufen werden muß um einen milden Winter, weil der Bundeswirtschaftsminister die Kohlen verspricht und nicht herbeischaffen kann, dann scheint mir die Situation sehr prekär zu sein und die Wirtschaftspolitik doch einige Löcher zu haben.
({1})
Herr Professor Erhard hat, solange ich ihn kenne
- und wir kennen uns ja seit den ersten parlamentarischen Arbeiten, die im Wirtschaftsrat in Frankfurt begonnen wurden -, immer dieselbe Technik angewandt, die sehr verblüffend wirkt und großen Effekt herbeiführt, im Grunde genommen aber niemals eine der Fragen, die man ihm stellt, exakt oder überzeugend beantwortet.
({2})
Herr Professor Erhard, ich will Ihnen nur noch eins sagen: Sie sollten sich eigentlich auch darüber im klaren sein, daß der „Exporterfolg", den Sie hier feiern, von der deutschen Wirtschaft damit bezahlt wird, daß wir in unserem eigenen Lande das Material nicht mehr haben, das wir dringend brauchen.
({3})
- Wir haben in der Bauwirtschaft kein Eisen und keinen Stahl.
({4})
Wir haben auf der Konjunkturwelle - der Herr Kollege hat es vorhin gesagt -, auf der Professor Erhard die Bundesrepublik ins Ausland geritten hat, Exporte aus der deutschen Wirtschaft zu verzeichnen, die wir mit der Verkürzung der eigenen Verbrauchsgüter und des zivilen Sektors in Deutschland bezahlen müssen. Es ist eine sehr wichtige Frage, ob heute die ziffernmäßig hohe Exportmenge noch der entscheidende Erfolg ist, oder ob nicht ein vorsichtig dosierter Export, der unserem Lande die eigene Produktionsmöglichkeit läßt, wahrscheinlich viel richtiger wäre.
Kollege Preusker hat mir einige Vorwürfe gemacht und einige Beispiele angeführt. Ich muß schon sagen: Wenn in der deutschen Wirtschaft seit der Währungsreform bis zum Anfang dieses Jahres etwa 60 Milliarden - und in den bereits vergangenen Monaten dieses Jahres vielleicht noch einmal 10 oder 12 Milliarden - investiert worden sind, dann ist eben gerade dieses Übermaß an Investitionen nur aus einem einzigen Grunde möglich gewesen: weil nämlich der viel gerühmte „Suppentopf", von dem die Herren hier gesprochen haben, das Ergebnis gebracht hat, daß die Fettschicht aus diesem Suppentopf nach rechts und die Kartoffeln nach links gegangen sind.
({5})
- Zu dem Arbeitseinkommen möchte ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister auch noch etwas sagen, und zwar muß ich wieder darauf hinweisen, daß man Politik nicht einmal so und am anderen Tag anders betreiben kann. Bei den Besprechungen über den Schumanplan haben uns die offiziellen Regierungsvertreter auf unsere Frage erklärt, daß es keine Möglichkeit eines internationalen Lohnvergleichs gibt und deshalb entscheidende Fragen, die wir im Hinblick auf den Schumanplan gestellt haben, nicht beantwortet werden könnten. Kollege Bertram hat vollkommen richtig gesagt: Was Herr Professor Erhard jetzt hat ermitteln lassen, mag theoretisch und als Zahlenbild ganz richtig sein; er war wenigstens ehrlich genug, zu sagen, daß über den tatsächlichen Lebensstandard nichts ausgesagt wird.
Die Opposition - das möchte ich dem Kollegen von rechts sagen, der vor mir gesprochen hat -hat es nicht notwendig, in den Massen zu schüren. Die Bevölkerung draußen gibt ihnen die Antwort bei jeder Gelegenheit, die sich seit einem Jahr geboten hat; das ist ein genügend deutliches Zeichen, daß sie mit der Wirtschaftspolitik nicht zufrieden ist. Kein Mensch bestreitet den Aufstieg der Produktion; aber machen wir doch nicht immer wieder diesen billigen Fehler, wenn nicht sogar Trick, daß wir aus einem ausgesprochen niedrigen Stand zu hohen Ziffern kommen, während doch die Tatsache nicht aus der Welt zu schaffen ist, daß eben die Verteilung des Sozialprodukts - auf die kommt es nämlich genau so entscheidend, wenn nicht entscheidender an als auf die Steigerung des Sozialprodukts - unter der Wirtschaftspolitik Professor Erhards und der Bundesregierung ausgesprochen unsozial erfolgt ist. Das ist einer der wesentlichsten Punkte der Kritik.
({6})
Abschließend kann ich nur lebhaft bedauern, daß der Altestenrat für die wirtschaftspolitische Debatte nicht dieselbe Redezeit festgelegt hat wie für die innenpolitische.
({7})
Herr Abgeordneter, ich muß den Altestenrat in Schutz nehmen. Die Begrenzung der Redezeit wird vom Hause beschlossen. Sie haben sie mit beschlossen, Herr Abgeordneter Kreyssig.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker, auch für den Rest der Redezeit.
Herr Kollege Kreyssig, ich habe auch nur noch eine oder zwei Minuten Redezeit. Ich möchte ganz kurz an das anknüpfen, was Sie eben sagten, daß die eine Seite nur die Kartoffeln und die andere die fette Suppe gehabt habe.
({0})
Wir haben immerhin eine Erhöhung des Fleischverbrauchs von 27 auf 45 kg pro Kopf der Bevölkerung zu verzeichnen.
({1})
({2})
Also ich glaube kaum, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister und ein paar Großindustrielle Millionen Tonnen von Schweinen aufgegessen haben.
({3})
Sehen Sie einmal - weil wir vorhin gerade auch von dem andern Thema gesprochen haben -: Wir haben eine Monatsproduktion von über 100 000 Radiogeräten, von über 100 000 Photoapparaten, von über 100 000 Motorrädern; die werden auch nicht gerade von den paar Großindustriellen gekauft bzw. gefahren. Sicher stehen wir auch hier - und damit gebe ich Ihnen vollkommen recht - erst an einem Anfang; wir haben in Deutschland noch unendlich viel zu arbeiten. Aber wir sind doch vorangekommen, und wir werden auch trotz aller Schwierigkeiten - Korea war ja doch nicht „vorauszuplanen" ({4})
weiterkommen.
Herr Kreyssig, es ist doch ein Widerspruch, wenn Sie erst sagen, unsere Außenhandelsentwicklung sei ein Fiasko gewesen, und eben gesagt haben, wir feierten einen Erfolg in der Außenhandelsentwicklung, ohne zu bedenken, daß er uns Material wegnimmt. Wir sind doch Gott sei Dank in der Lage, daß das, was wir exportieren, jetzt wieder hochwertige Fertigerzeugnisse sind, in denen unendlich viel deutsche Arbeit und verhältnismäßig wenig Material steckt, und das gibt doch die Möglichkeit, auf der andern Seite wirklich viel Material, viel Nahrungsmittel, viel mehr als früher, einzukaufen. Diese Argumentation ging also auch vollkommen an den Tatsachen vorbei.
Nach wie vor: es wird uns in Deutschland auf wirtschaftlichem Gebiet nichts geschenkt werden, und es ist noch unendlich viel auszubessern. Manches kann noch schneller und grundsätzlicher geschehen; das möchten auch wir haben. Aber schwarz auf schwarz zu malen, das ist angesichts der Schwierigkeiten, mit denen wir uns erfolgreich in einer Welt der Koreakrise herumgeschlagen haben, wirklich nicht berechtigt.
({5})
Meine Damen und Herren, die letzten Reste der Redezeit werden ausgenutzt. Herr Abgeordneter Etzel hat noch 5 Minuten. Bitte, Herr Abgeordneter!
Etzel ({0}): Herr Kollege Kreyssig hat den Versuch gemacht, die Erfolge der Regierung und ihrer Wirtschaftspolitik dadurch kleiner zu machen, daß er gesagt hat: ja, selbst wenn der Suppentopf größer geworden ist, so schwimmt doch die Fettschicht, die darauf ist, auf einen Teller; aber diejenigen, die Anspruch darauf haben, bekommen davon nichts. Ich habe eben schon darauf hingewiesen, daß wir genau so wie alle anderen sehen, daß die Volksschicht, die ich eben erwähnte, durchaus zurückgeblieben ist.
({1})
Ich kann wiederholt darauf hinweisen, daß wir alles
tun werden, auch hier die Entzerrung und was
dazu nötig ist, vorzunehmen. Aber es ist doch nicht
richtig, daß die Hebung der Kaufkraft bei einzelnen Schichten in einer solchen Breitenstreuung
zurückgeblieben ist, wie es eben dargestellt wurde.
Ich darf darauf hinweisen, daß die Produktion der
Motorräder gegenüber 1939 um 38 % gestiegen ist.
({2})
Ich glaube nicht, daß reiche Leute die Angewohnheit haben, Motorrad zu fahren. Das sind im allgemeinen Bezieher kleinerer Einkommen.
({3})
- 13m die Zahl der verkauften Motorräder handelt
es sich hier, richtig. - Demgegenüber ist die
Kraftfahrzeugproduktion um 4% zurückgegangen.
Ich darf gegenüber der Kritik, daß die landwirtschaftlichen Preise, also die Schweinefleischpreise, heraufgegangen seien und daß das ein Versagen des Landwirtschaftsministers sei, darauf hinweisen, daß trotz dieser steigenden Schweinefleischpreise der Absatz im September 1951 um 62% höher gewesen ist als im September 1950, also innerhalb dieses einen Jahres eine solche Steigerung stattgefunden hat.
({4})
Die gewerblichen Schlachtungen haben im September 1950 440 000 Stück betragen, im September 1951 716 000 Stück.
({5})
Meine Damen und Herren, wer Augen hat, zu
sehen, und Ohren hat, zu hören, der weiß es doch!
Ich gönne weiß Gott jedem die Steigerung des
Lebensstandards. Aber es ist doch kein Zeichen
von Armut, was wir jeden Tag vor diesem Hause
sehen: die große Fülle von Autobussen, in denen
die Menschen zu Tausenden hergefahren kommen.
({6})
Fahren wir doch einmal an den Rhein, fahren wir doch einmal ins Ahrtal, sehen wir uns den Erfolg „auf der Wies'n" an. Wir sehen es bei jedem Schützenfest, sehen es bei jeder Kirmes: das ist doch alles kein Zeichen von Armut! Ich freue mich, daß es so ist, aber es ist doch kein Zeichen von Armut; es ist absolut falsch, das zu behaupten.
({7})
Ich möchte deswegen noch einmal darauf hinweisen: Üben Sie Ihre Kritik gegenüber den Dingen, die falsch gemacht werden. Weiß Gott, es werden noch manche Dinge falsch gemacht. Üben Sie Ihre Kritik sachlich, üben Sie sie nicht mit solchen Platitüden - entschuldigen Sie den Ausdruck -; dann haben wir es nicht nötig, uns in diesem Hause auf diesem Niveau zu bewegen, dann kommen wir endlich zu einer echten demokratischen Aussprache über solche Probleme, wie sie für unser Volk weiß Gott wichtig genug sind.
({8})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Abänderungsanträge sind nicht gestellt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses zum Einzelplan IX, Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft, Drucksache Nr. 2610. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag des Haushaltsausschusses sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir aus der heutigen Tagesordnung den Punkt 1 vorwegnehmen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
({0})
({1}) über den Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 ({2}).
Berichterstatter des Vermittlungsausschusses ist Herr Senator Dr. Klein. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vom Bundestag am 6. Juli verabschiedete Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teiles der im Rechnungsjahr 1951/52 aufkommenden Einkommen- und Körperschaftsteuer durch den Bund bedurfte zu seinem Inkrafttreten der Zustimmung des Bundesrats. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 20. Juli beschlossen, wegen der Höhe des an den Bund abzuführenden Prozentsatzes der Einkommen- und Körperschaftsteuer den Vermittlungsausschuß anzurufen. An die Stelle einer Abführung von 31,3 % der den Ländern in diesem Zeitraum zufließenden Einnahmen aus den Steuern sollte eine Beschränkung der Inanspruchnahme dieser Steuer auf 25 % treten.
Der Vermittlungsausschuß hat sich in zwei Sitzungen darum bemüht, dem Hohen Hause einen Vorschlag zu unterbreiten, der sowohl der Bundesregierung als auch den Ländern eben noch tragbar erscheint. Die unterschiedliche Finanzlage der deutschen Länder wie die Beschränktheit des horizontalen Finanzausgleichs, der insbesondere den finanzschwachen Ländern zugute kommt, machte eine Einigung außerordentlich schwer. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß haben aber bei allen Beteiligten den ernsten Wunsch erkennen lassen, zu einer Lösung zu kommen, die Aussicht hat, in beiden Häusern Annahme zu finden.
Ich kann es mir ersparen, auf die einzelnen Vorschläge, die im Vermittlungsausschuß zur Erörterung standen, einzugehen. Der Vermittlungsausschuß hat unterstellt, daß wesentliche Reserven im Bundeshaushalt auf der Einnahme- und auf der Ausgabeseite nicht mehr vorhanden sind und daß der Haushalt unter Inanspruchnahme von 31,3 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer eben ausgeglichen ist. Er hat weiterhin unterstellt, daß die Inanspruchnahme von nur 25 % der genannten Steuern für den Bund mit einem Einnahmeausfall von ca. 437 Millionen DM verbunden wäre. In dieser Höhe hat daher der Bundesfinanzminister die Etatansätze des Bundeshaushalts gesperrt.
Im Vermittlungsausschuß hat der Herr Bundesfinanzminister das Angebot gemacht, ca. 220 Millionen DM der von ihm ausgesprochenen Sperrungen für das laufende Rechnungsjahr bestehen zu lassen und unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Ausgabeersparnis dem Bund 28% der Einkommen- und Körperschaftsteuer im laufenden Rechnungsjahr zuzubilligen. Gleichzeitig erbot sich der Bundesfinanzminister, bei der Abtragung der erheblichen Zahlungsrückstände der Länder zu helfen und seine guten Dienste bei der Aufnahme von Darlehen zum Zwecke der Verminderung der Rückstände anzubieten. Er hat den Ländern bei der Aufnahme dieser Darlehen bei der Bank deutscher Länder zur Konsolidierung der Zahlungsrückstände seine Vermittlung in Aussicht gestellt und jedem Land eine individuelle Behandlung bei der Tilgung der Schulden versprochen.
Die Ihnen vorliegenden Beschlüsse des Vermittlungsausschusses stellen ein Kompromiß dar, dem der Vermittlungsausschuß mit einer überzeugenden Mehrheit zustimmte. Dieses Kompromiß hat auch die Zustimmung des Herrn Bundesfinanzministers gefunden. Die jetzt getroffene Regelung läuft darauf hinaus, daß die Länder 27 % der im laufenden Rechnungsjahr aufkommenden Einkommen- und Körperschaftsteuern an den Bund abführen werden. Mit Rücksicht darauf, daß die Länder im ersten Halbjahr 25 % der genannten Steuern an den Bund abführten, ergab sich die im Gesetzesvorschlag vorgesehene Regelung, im zweiten Halbjahr 29 % der Steuern für den Bund in Anspruch zu nehmen. Es sollen jedoch am Schluß des Rechnungsjahres nur 27% des gesamten Jahresaufkommens als abgabepflichtig angesehen werden. Eventuelle Mehrbeträge sollen mit den Rückständen der Länder verrechnet werden, oder es werden Rückerstattungen stattfinden.
Nach der getroffenen Regelung verbleibt ein beträchtlicher Einnahmeausfall für den Bund. Dieser Einnahmeausfall ist jedoch erträglich, weil der Vermittlungsausschuß mit der Akzeptierung dieses Gesetzesvorschlages gleichzeitig die Hinnahme einer Ausgabenersparnis im Bundeshaushalt von ca. 224 Millionen DM vorschlägt, und zwar 124 Millionen DM, die für die Flüchtlingsrenten an die Sozialversicherungsträger vorgesehen waren und die nunmehr erst ab 1. April des nächsten Jahres gezahlt werden können, und weiter rund 100 Millionen DM, die für den sozialen Wohnungsbau bestimmt waren und die nunmehr aus anderen Quellen, nämlich aus Mitteln der Soforthilfe, zur Verfügung gestellt werden sollen. Alle anderen Sperrungen von etatmäßigen Ausgaben, die verfügt wurden, wird der Herr Bundesfinanzminister mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aufheben.
Mit Rücksicht auf die rechtliche Verbundenheit der Vorschläge hat der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 seiner Geschäftsordnung beschlossen, daß über den gesamten Vorschlag einheitlich abgestimmt werden soll. Die Empfehlung des Vermittlungsausschusses geht dahin, die in der Bundestagsdrucksache vorgeschlagene Regelung zu akzeptieren.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich wäre dankbar, wenn der Vermittlungsausschuß bei seiner künftigen Praxis die Bestimmung des § 9 Abs. 3, wonach in dem Einigungsvorschlag selbst zu bestimmen ist, daß nur gemeinsam abgestimmt werden soll, beachten würde.
Meine Damen und Herren, eine Aussprache findet nicht statt. Wird gewünscht, Erklärungen abzugeben? - Herr Abgeordneter Dr. Besold hat sich zuerst gemeldet.
({0})
- Herr Abgeordneter Besold, beabsichtigen Sie, eine Erklärung abzugeben?
({1})
- Nach der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses findet keine Aussprache statt; es werden nur Erklärungen abgegeben. Sie wünschen keine abzugeben. - Herr Abgeordneter Seuffert, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion darf ich folgende Erklärung abgeben.
({0})
Die sozialdemokratische Fraktion wird dem Vorschlag des Ausschusses zustimmen in dem Bewußtsein, daß er eine wirkliche Lösung der Haushaltsschwierigkeiten nicht bedeutet. Sie bedauert feststellen zu müssen, daß die durch das Grundgesetz zur Zeit gegebene Lage und das Festhalten der Bundesregierung an ihrer Steuerpolitik eine andere Lösung nicht ermöglichen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat in der klaren Voraussicht dieses zwangsläufigen Ergebnisses bereits seinerzeit bei der Gesetzesberatung einen Vorschlag gemacht, der praktisch dem heutigen Vorschlage so gut wie gleichkommt, nicht weil sie ihn für sachlich befriedigend hielt, sondern nur, um unnötige Verhandlungen über ein unvermeidliches Resultat zu ersparen.
Die sozialdemokratische Forderung auf Wiedererhöhung der im Vorjahre verhängnisvollerweise gesenkten Einkommensteuer unter gleichzeitiger sozialer Veredelung und Anpassung an die wirtschaftspolitischen Notwendigkeiten, verbunden mit verschärfter Steuererfassung, hätte die einzig sachgemäße Lösung der Schwierigkeiten gebracht, die mit der jetzigen Fassung dieses Gesetzes nicht beseitigt werden.
Die hartnäckige Weigerung der Regierung, den mit ihrer einseitigen Steuerpolitik begangenen Fehler einzusehen und rückgängig zu machen, und die ständige Verzögerung der Steuerreform sind die fortdauernde Ursache dieser Schwierigkeiten, die in den angekündigten neuen Steuervorlagen und in dem Kampf um die notwendigsten sozialen Leistungen des Bundes, nicht zuletzt in dem immer noch ungeregelten finanziellen Verhältnis des Bundes zu Berlin ihren Ausdruck finden.
Die sozialdemokratische Fraktion wird in allen diesen Fragen sich nicht auf die Auswirkungen der von ihr bekämpften Regierungspolitik festlegen lassen,
({1})
sondern in den kommenden Auseinandersetzungen, die infolge der Unzulänglichkeit dieses Vermittlungsgesetzes nicht vermieden werden können,
({2})
ihren von ihr wiederholt klar vorgezeichneten und dargelegten Standpunkt vertreten.
({3})
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorlesen, daß die Geschäftsordnung nicht Erklärungen zur Abstimmung vorsieht, sondern bestimmt, daß zu dem Vorschlag vor der Abstimmung Erklärungen abgegeben werden können.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es dem Sinn der Geschäftsordnung entspricht - vielleicht ist der Wortlaut unglücklich oder ungeschickt -, daß eine Debatte zwar abgeschnitten, aber auf dem Weg über einseitige Erklärungen dasselbe Ziel, nämlich eine Erörterung zur Sache, erreicht wird. Dieses Verfahren ist bisher nur sehr selten angewendet worden. Ich würde es auch für unzweckmäßig
halten; denn dann setzt sich nächstens jede Fraktion hin und gibt - vielleicht sogar in Kenntnis dessen, was die andere Fraktion ungefähr sagen wird, weil sie sich das j a zusammenreimen kann - eine mehr oder weniger lange Erklärung ab. Ich gebe die Anregung, daß sich der Geschäftsordnungsausschuß über diese Praxis berät und vielleicht den Umstand, daß die neue Geschäftsordnung noch nicht erlassen ist, benützt, hier eine Klärung im Sinne der Mehrheit herbeizuführen.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Erklärungen zur Sache oder zur Geschäftsordnung werden offenbar nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses, der Ihnen in der Drucksache Nr. 2628 vorliegt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei wenigen Enthaltungen gegen einige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich kehre zurück zur gestrigen Tagesordnung und rufe auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({0});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({1}):
Einzelplan XII - Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Bärsch. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Für diesen Haushalt schlägt Ihnen der Ältestenrat Verzicht auf eine Aussprache vor.
Dr. Bärsch ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr hat ein Volumen von 569 Millionen DM bei einer Einnahme von 40 Millionen DM und einem Gesamtzuschuß von 529 Millionen DM gegenüber einem solchen von 494 Millionen DM im Vorjahre. Das sind also etwa 35 Millionen DM mehr, die allerdings zu über drei Viertel auf den Außerordentlichen Haushalt entfallen. Daraus ist zu ersehen, daß auch in diesem Haushalt das sogenannte Überrollungsprinzip nicht tangiert worden ist; denn es ist klar, daß dieses Prinzip auf das Extraordinarium keine Anwendung finden konnte.
Die Einnahmen von über 40 Millionen DM setzen sich in der Hauptsache zusammen aus den von der Binnenwasser- und Seewasserstraßenverwaltung erhobenen Befahrungsabgaben mit je 13 bzw. 9 Millionen DM, aus Kraftfahrzeuggebühren des Kap. 10 mit 2 1/2 Millionen DM und aus der Vermietung von Dienstgrundstücken und der Bewirtschaftung von Schiffen mit je 1,5 Millionen DM.
Bei den Ausgaben im Ordentlichen Haushalt entfällt der größte Teil mit 136 Millionen DM auf das Kap. 12, Bundesfernverkehrsstraßen. Von diesen 136 Millionen DM werden 112 Millionen DM ausgegeben zur Unterhaltung sowie zum Um- und Ausbau der Bundesstraßen und 21 Millionen DM für den gleichen Zweck bei den Bundesautobahnen. Dann folgen die Ausgaben für die Unterhaltung und den Betrieb der Binnenwasserstraßen mit 38 Millionen DM, für die Unterhaltung und den
({4})
Betrieb der Seewasserstraßen mit 34 Millionen DM und für die Unterhaltung des Deutschen Wetterdienstes - Kap. 14 - mit 10 Millionen DM.
Im Extraordinarium über 290 Millionen DM wird der größte Posten eingenommen von Tit. 5 des Kap. E 11 - Wiederaufbau der Handelsflotte - mit 100 Millionen DM. Diese 100 Millionen DM werden auf Grund eines besonderen Gesetzes als Darlehen an die Reedereien vergeben. Dann folgen auch wieder die Bundesfernverkehrsstraßen - Kap. E 22 - mit 87 Millionen DM, davon allein 32 Millionen DM für die Beseitigung von Kriegsschäden, die Binnenwasserstraßen - Kap. E 12 - mit 78 Millionen DM und die Seewasserstraßenverwaltung - Kap. E 14 - mit 19 Millionen DM, davon wiederum 5 Millionen DM für die Beseitigung von Kriegsschäden.
Nun zu den Kapiteln im einzelnen. Der Ausschuß hat bei einer Anzahl von Titeln, nämlich den Titeln 23 a - Vermischte Ausgaben - in den Kapiteln 1 und 4 und bei dem Titel 41 des Kapitels 1 -Kosten der Verkehrsbeiräte - die vorjährigen Ansätze wiederhergestellt, um das Prinzip und den Charakter des Überrollungshaushalts zu wahren, nachdem es der Verwaltung nicht möglich war, die von ihr geforderte Erhöhung der entsprechenden Ansätze ausreichend zu begründen.
Kap. 1 Tit. 33 - Beitrag an die Bundesverkehrswacht e. V. - mit 60 000 DM ist neu. Die Bundesverkehrswacht ist als eine Vereinigung der Landesverkehrswachten und der Spitzenverbände des Straßenverkehrs im Dezember 1950 gegründet worden. Ihre Aufgabe besteht in der Hauptsache im Kampf gegen die Unfallgefahren und in der Verbindung mit den entsprechenden Organisationen in den übrigen europäischen Staaten. Die amerikanische Hohe Kommission hat für das erste Halbjahr 1951 einen namhaften Beitrag in Höhe von 60 000 DM geleistet unter der Voraussetzung, daß auch der Bund sich angemessen an der Bezuschussung dieser Organisation beteiligt.
In Kap. 9 ist der Ansatz des Tit. 4 - Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte - auf Antrag des Ministeriums um 30 000 DM gekürzt, dafür aber eine Bestimmung eingefügt worden, nach der der Ausgabenansatz bis zu 45 % der Mehreinnahmen bei Kap. 9 Tit. 3 - Kraftfahrzeuggebühren - überschritten werden kann.
Ebenfalls neu ist Tit. 3 in Kap. E 11. Hier wurden 200 000 DM als Zuschuß an den Deutschen Schulschiffverein e. V. eingesetzt, damit das Segelschulschiff „Deutschland" wieder instandgesetzt werden kann. Es handelt sich hier um ein dringendes Erfordernis, um dem seemännischen Nachwuchs eine ausreichende Ausbildung zu gewährleisten. Dafür wurden in Kap. E 11 Tit. 4 - Zuschüsse für die technische Fortentwicklung von Verkehrsmitteln - 50 000 DM und in Kap. E 12 Tit. 4 - Instandsetzung der durch Kriegseinwirkung beschädigten Geräte - 100 000 DM eingespart.
In Kap. E 16 - Deutsches Hydrographisches Institut - ist in Tit. 3 die Zweckbestimmung geändert worden. Die hier eingesetzten 120 000 DM waren ursprünglich für einen Neubau zur Unterbringung der Werkstatt, des Ausrüstungslagers und der Kraftfahrzeuge des Hydrographischen Instituts in Hamburg vorgesehen.
Die dem Ausschuß von der Verwaltung vorgelegten Unterlagen konnten jedoch in keiner Weise als ausreichend anerkannt werden, und es wurde infolgedessen eine Umdisponierung der Mittel dahingehend vorgenommen, daß diese 120 000 DM nun unter demselben Titel zur Wiederherstellung des Seekartenwerkes und des Seehandbuchwerkes im Interesse der Schiffssicherheit verwandt werden.
Im außerordentlichen Haushalt wurde in Kap. E 12 Tit. 48 - Neubau der Staustufe Offenbach, 3. Teilbetrag - die gemäß § 45 b der Reichshaushaltsordnung erteilte Ermächtigung, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen über den Haushaltsansatz hinaus bis zur Höhe von 1 Million DM vertragliche Bindungen einzugehen, um 630 000 DM auf 1 630 000 DM erhöht. Diese Erhöhung war notwendig, um bereits jetzt die entsprechenden Aufträge für die Fertigstellung der Schleuse erteilen und die dabei bestehenden langen Lieferfristen überbrücken zu können.
In Kap. E 12 - Binnenwasserstraßenverwaltung - sind acht neue Projekte an- bzw. auch voll finanziert worden, und zwar mit insgesamt 15 Millionen DM; die Gesamtkosten dieser Projekte belaufen sich auf etwa 364 Millionen DM.
In Kap. E 14 - Seewasserstraßenverwaltung - sind vier neue Projekte mit zusammen 2 305 000 DM aufgeführt, deren Gesamtkosten sich auf 5,6 Millionen DM belaufen.
In Kap. E 22 - Bundesfernverkehrsstraßen - sind 87 Millionen DM eingestellt worden, von denen 32 Millionen DM der Beseitigung von Kriegsschäden dienen. Die übrigen 55 Millionen DM werden für die Durchführung von 27 größeren neuen Bauprojekten bei den Bundesstraßen und 40 größeren neuen Bauprojekten bei den Autobahnen aufgewandt.
In diesem Kap. - E 22 - sind hinsichtlich der sogenannten Bindungsermächtigungen nach § 45 b der Reichshaushaltsordnung noch verschiedene Umstellungen vorgenommen worden. So wurde die für die Wiederherstellung des Talüberganges Loithal bei Teisendorf gegebene Bindungsermächtigung über 1,1 Millionen DM gestrichen zugunsten einer Bindungsermächtigung für die Wiederherstellung der Donaubrücke bei Vohburg über 200 000 DM und die Wiederherstellung der Innbrücke bei Mühldorf über 150 000 DM.
Gleichzeitig wurde in Tit. 3 des Kap. E 22 über den Ansatz von 650 000 DM hinaus - es handelt sich um den Neubau der Mainbrücke bei Ochsenfurt - gemäß § 45 b der Reichshaushaltsordnung die Ermächtigung erteilt, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen über den Haushaltsansatz hinaus bis zur Höhe von 750 000 DM vertragliche Bindungen einzugehen. Das war nötig, weil auch hier für den stählernen Oberbau die Lieferfristen sehr lang sind und dieser Oberbau bereits jetzt in Auftrag gegeben werden muß, wenn er bis 1952 geliefert werden soll.
In Tit. 11 des Kap. E 22 ist der Ansatz von 500 000 DM als zweiter Teilbetrag für den Ausbau der Bundesstraße 27 auf der Strecke Kornwestheim-Ludwigsburg zugunsten einer Erhöhung des Ansatzes in Tit. 13 - Umbau der Bundesstraße 10 zwischen Ebersbach und Göppingen - auf 2 410 000 DM gestrichen worden. Hier ging es darum, den Umbau der Bundesstraße 10 unter allen Umständen so schnell wie möglich fertigzustellen, weil auf dieser Bundesstraße während der Bauarbeiten der Verkehr völlig gesperrt werden muß.
Eine solche Umdisponierung ist ebenfalls bei Tit. 29 - Bau einer Umgehungsstraße in Bonn im Zuge der Bundesstraße 9 - erfolgt. Dieser Titel wurde um 700 000 DM gekürzt zugunsten einer entsprechenden Erhöhung des Tit. 85 - Fertigstellung der 14,5 km langen Teilstrecke der Bundes({5})
autobahn Göttingen-Hannover von Nörten-Hardenberg bis zum Anschluß an die Bundesstraßen 3 und 248 bei Edesheim -. Es kam hier darauf an, durch die Erhöhung der Mittel die Fertigstellung der Erdarbeiten unter allen Umständen in diesem Etatsjahr sicherzustellen.
Schließlich gab es im Ausschuß bei der Beratung über den Tit. 101 - Beteiligung des Bundes an einer noch zu gründenden Bundes-AutobahnNebenbetriebe-Gesellschaft m.b.H. - eine ausführliche Debatte darüber, daß die Verwaltung unter allen Umständen versuchen sollte, diese Autobahn-Nebenbetriebe zu einer Einnahmequelle für den Bund zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie im Namen des Haushaltsausschusses bitten, dem Haushalt des Bundesverkehrsministeriums unter Berücksichtigung der in der Drucksache Nr. 2613 niedergelegten Änderungen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß der Herr Staatssekretär Professor Dr: Frohne sich ausdrücklich und nach meiner Überzeugung triftig entschuldigt hat, da die Verlegung der Haushaltsberatung auf heute überraschend erfolgt ist. Er ist gezwungen, an einer Besprechung mit den Französischen Staatsbahnen, die heute in Genf beginnt, teilzunehmen.
Eine Aussprache sollte nicht stattfinden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 2613 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan XIV - Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau ({0}),
und weise darauf hin, daß eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgeschlagen wird. - Das Haus ist damit einverstanden.
Berichterstatter ist Herr Dr. Decker. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Dr.-Ing. Decker ({1}), Berichterstatter: Der Haushaltsplan des Bundesministeriums für Wohnungsbau für das Rechnungsjahr 1951 weist als Überrollungshaushalt ziffernmäßig keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Haushaltsplan des Vorjahres auf. Der Haushaltsplan schließt in den Einnahmen mit 19 500 DM und in den Ausgaben mit 410 396 000 DM ab. Der Zuschußbedarf ist um 26 000 DM geringer als im Vorjahr. Wesentliche Einsparungen liegen bei dem Posten Trennungsentschädigungen an versetzte Beamte und Angestellte. Bei Kap. E 11 Tit. 4 - Beschaffung von Kraftwagen - hat der Ausschuß eine Herabsetzung von 18 000 DM auf 16 000 DM beschlossen.
Die Ausgaben zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues - Tit. 33 und 34 - enthalten Sperrvermerke über insgesamt 100 Millionen DM, so daß von den vorgesehenen und im Vorjahr auch uneingeschränkt für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellten 400 Millionen DM in diesem Jahr tatsächlich nur 300 Millionen DM zur Verfügung stehen.
Es wurde bereits im Vorjahr beschlossen, daß bezüglich des Amtes Bundeszone, das eine Zwitterstellung zwischen ministerieller und nichtministerieller Behörde eingenommen hat, eine Entscheidung getroffen werden soll. Um in den vorliegenden Haushaltsplan, der ja als Überrollungsplan ein gewisses Ganzes ist, nicht zu tief einzugreifen, wird diese geforderte Neuregelung erst im Nachtragsetat zum Ausdruck kommen, und zwar in dem Sinne, daß das Personal des Amtes Bundeszone, das schon beträchtlich verkleinert worden ist, in das Ministerium übernommen werden soll.
Der Haushaltsausschuß beantragt beim Hohen Hause die Annahme des vorliegenden Einzelplans XIV.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbfell.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ersten Wohnungsbaugesetz, das der Bundestag beschlossen hat, wurde festgelegt, daß in sechs Jahren 1,8 Millionen Wohnungen für den sozialen Wohnungsbau fertiggestellt werden sollen. Leider ist in diesem Wohnungsbaugesetz nicht verankert, daß der Bundestag gleichzeitig auch beschließt, die Bundesmittel im Haushaltsplan festzusetzen und damit die Finanzierung sicherzustellen.
Die Finanzierung des Wohnungsbaues ist a) vom Bund und b) von den Ländern, den Gemeinden und den öffentlichen Kreditinstituten durchzuführen. Der Einsatz der Gelder der öffentlichen Sparkassen, der Pfandbriefanstalten und aller Kreditinstitute sollte es ermöglichen, daß 350 000 Wohnungen im Jahr gebaut werden. Im Baujahr 1950 ist es gelungen. Im Baujahr 1951 hofft man, die Ziffern zu erreichen. Die Entwicklung auf dem Kapitalmarkt erfüllt uns aber mit allergrößter Sorge. Die ersten Hypotheken sind so gut wie nicht zu beschaffen. Die Krediteinschränkungen haben durch die Maßnahmen der Bank deutscher Länder zwangsläufig Krediteinschränkungen auch in der Industrie und im Gewerbe herbeigeführt, was andererseits die Kredithergabe für den sozialen Wohnungsbau belastet. Wohl ist die Zunahme der Spareinlagen erfreulich; aber wenn auch in den Monaten Juni und Juli bei 194 Millionen DM Einzahlungen nur 161 Millionen DM ausgezahlt wurden, so ist dieser Überschuß doch nicht ausreichend, um den Kreditbedarf allgemein zu decken.
Ebenfalls ist erfreulicherweise eine Zunahme der Einlagen bei den Bausparkassen festzustellen. Es besteht aber ein großer Bedarf an Krediten der öffentlichen Hand, z. B. für die Baugeländeerschließung, für die Wasserversorgung der Länder und Gemeinden, den Bau von Schulhäusern, Kindergärten, Spiel- und Sportanlagen und vieles andere.
Wie stark die Auswirkungen auf den sozialen Wohnungsbau sind, ergibt sich aus einem Bericht des Landes Württemberg-Baden, der besagt, daß im Jahre 1950 Wohnungsbaukreditmittel in Höhe von 92 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden konnten, in den ersten sieben Monaten des Jahres 1951 dagegen nur 14,55 Millionen DM. Das Bild ist im ganzen Bundesgebiet dasselbe. Die Finanzierungsschwierigkeiten und die Materialnot erschweren den sozialen Wohnungsbau. Wir haben im Frühjahr 1951 schon darauf hingewiesen, daß die allgemeine Finanznot, die Materialnot bei Holz, Eisen, Kohle, Zement, Dachziegeln usw. Erschwernisse sind.
({0})
Deshalb ist eine Steuerung erforderlich. Alle möglichen Versuche wurden gemacht, ein ausreichender Erfolg war uns jedoch nicht beschieden. Wir haben deshalb beantragt, daß im Bundeshaushaltsplan in Kap. XIV Tit. 33 und 34 der Sperrvermerk wegfallen soll und daß die 100 Millionen DM für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden. Der Herr Bundesfinanzminister erklärt sich dazu angesichts der allgemeinen Finanznot zur Zeit außerstande. Der Bundestag hat wiederholt die Forderung erhoben, daß das Bauprogramm gesichert werden müsse. Der Bund sollte 500 Millionen DM zur Verfügung stellen. 270 Millionen sind bis jetzt bewilligt, 220 Millionen an die Länder und 50 Millionen für die Umsiedlung, und 30 Millionen wurden zurückgestellt für den Beamtenwohnungsbau, d. h. für die Beamtenwohnungsfürsorge.
Nach § 12 des Münzgesetzes ist der Bundesfinanzminister verpflichtet, den Gewinn aus den Münzprägungen für den Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Im Jahre 1950 wurden über 400 Millionen dafür frei, und nach einem mir zugegangenen Bericht sollen die Münzgewinne in diesem Jahr rund 400 Millionen DM einbringen. Es sollte also möglich sein, daß von diesem Betrag des Münzgewinnes die genannten 100 Millionen DM freigemacht werden.
Außerdem hat sich auch das Kabinett damit beschäftigt. Es glaubte weitere 100 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt von vornherein als Priorität festlegen zu müssen. Darf nun der Bundesfinanzminister sagen, er könne nicht? Angesichts der Notlage muß etwas geschehen, die Mittel müssen zur Verfügung gestellt werden!
Der soziale Wohnungsbau ist ein Erfordernis der ) Zeit, und die soziale Sicherung des deutschen Volkes ist der beste Verteidigungsbeitrag, so sagte der Herr Bundeskanzler am 22. September dieses Jahres in diesem Hohen Hause. So sagen wir schon immer, und die Regierungserklärung des Herrn Kanzlers vom Jahre 1949 bezeichnet das Wohnungsbauproblem als das Problem Nummer eins. Und jetzt sagt der Kanzler dazu: An diesem Standpunkt werden wir immer festhalten, wenn es im Wohnungsbau infolge der Verteidigungsmaßnahmen auch vorübergehend gewisse Hemmungen geben sollte. Ich meine, dazu müssen wir ein klares Nein sagen. Trotz der Maßnahmen für die Rüstung der Besatzung, trotz des Baues von Besatzungswohnungen - die wir übrigens als viel zu aufwendig bezeichnen -, trotz industrieller Baunotwendigkeiten muß der soziale Wohnungsbau weitergehen.
({1})
Wie sollen wir das Problem sonst lösen?
Wo bleibt die familiengerechte Wohnung? Der Kanzler sagte, das Einfamilienhaus sei erstrebenswert und nicht teurer als Wohnungen in Mietblocks. Das ist ein großer Irrtum. Längst ist erwiesen, daß das Einzelhaus zwar idealer, aber doch teurer und sein Bau angesichts der finanziellen Lage und der Schwierigkeiten in der Baulandbeschaffung sowie der Erschließungskosten nicht allgemein durchführbar ist, jedenfalls nicht in größeren Gemeinden und Städten.
Weiter aber ist die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers irrig, 10 000 Eigenheime seien als Einzelsiedlungshäuser auf die Dauer viel wertvoller als 20 000 Mietwohnungen in großen Wohnblocks einer kollektiven Baugenossenschaft, zu der der Wohnungsinhaber nur wenig innere Beziehung habe. Ich glaube, die Baugenossenschaften des
ganzen Bundesgebietes haben in den letzten Jahrzehnten und gerade in den letzten Jahren bewiesen, welch unerhört große soziale Aufgabe sie erfüllen. Es wäre unrecht, ihre Leistungen herabzusetzen oder von einer kollektiven Wirtschaft zu reden, die dem menschlichen Bedürfnis nicht entspreche. Es wird Aufgabe der Bauforschung sein, festzustellen, wie überhaupt Mittel und Wege gefunden werden können, um die richtige Wohnung zu schaffen, die für den Bewohner auch finanziell tragbar ist.
Die im Haushalt des Bundeswohnungsministeriums ausgewiesenen 500 Millionen Mark sind deshalb angesichts der Baupreisentwicklung gar nicht ausreichend.
In dankenswerter Weise haben die amerikanischen Stellen über ECA in 15 deutschen Städten einen Wettbewerb ausgeschrieben. Bei diesem Wettbewerb zeigt sich, daß die Preisträger vorwiegend auf das Reiheneinfamilienhaus kommen, weil dieses im Augenblick der einzige Bautyp ist, der unseren Wünschen entspricht. Selbstverständlich soll damit nicht gesagt sein, daß keine Einzelhäuser gebaut werden können. Dort, wo Umstände und Lage es erfordern, wird das geschehen. Dabei müssen wir uns die Erfahrungen des Auslandes nutzbar machen. Der Wettbewerb soll nun zeigen, daß freischaffende Architekten und Unternehmer zusammen in der Lage sind, eine neue Bauform zu finden. Wir wollen keine Baubürokratie der Behörden, aber auch nicht des Bundeswohnungsministeriums. Bauherren und Architekten sollen als Schöpfer ein Werk zustande bringen, das der gestellten Aufgabe gerecht wird. Durch die hohe Verantwortung des Bauherrn und des schöpferischen Architekten soll die richtige Bauform gefunden werden mit dem Ziel einer Verbilligung und Beschleunigung des Bauens. Junge und alte, erfahrene Architekten haben eine große Aufgabe im Zusammenwirken mit den Unternehmern, und sie haben eine einmalige Chance. Versagen diese Stellen, dann soll die Kritik an den öffentlichen Bauverwaltungen verstummen. Die Regierung hat für die Landesplanung Mittel bereitzustellen und der Raumordnung größte Beachtung zu schenken, denn die Wiederherstellung richtiger Beziehungen zwischen Arbeitsplatz und Wohnstelle ist von Bedeutung für die gesamte Wirtschaft. Aber auch die Koordinierung der gesamten Bauwirtschaft ist nötig.
Die Einschränkungen in der Baustoffindustrie machen uns allergrößte Sorge. Kurzarbeit, Entlassungen, Mangel an Ware, erhöhte Baupreise verlängern die Bauzeit. Die Baukostenanschläge können nicht eingehalten werden. Es müssen in verstärktem Maße Landesdarlehen gegeben werden, damit die unrentierlichen Kosten abgedeckt werden können. Die Richtsatzmitte kann nicht gehalten werden. Folge: Verringerung des Bauvolumens, also keine Erfüllung des ganzen Bauprogramms. Und das alles im September/Oktober 1951! Wie soll es dann im Januar und Februar des nächsten Jahres aussehen?
Es gibt ja Kohle, um die Baustoffproduktion zu steigern. Die Baustoffindustrie braucht ein Monatskontingent von 500 000 t. Der Herr Bundeswirtschaftsminister kann nur 225 000 t zusagen. Im Juli hat die Baustoffindustrie 425 000 t Kohle verbraucht, also aus „sonstigen Quellen" bezogen. So der Bericht der Baustoffindustrie Steine und Erden.
Meine Damen und Herren, ein solcher Zustand kann nicht gesund sein. Ich verweise auf die Ent({2})
wicklung am Holzmarkt: bisher feste Preise zum Index von 130, jetzt von 160 bis 180. Holz unter 240 Mark je cbm ist nicht zu haben. Moniereisen fehlt. Und die Preiskontrolle ist nicht da.
Meine Redezeit läuft ab. Ich fasse zusammen: Der Wohnungsbau bleibt Problem Nr. 1. Wir fordern rechtzeitige Finanzierung. Wir fordern weiter Beschaffung von Baustoffen und ausreichende Versorgung der gesamten Baustoffindustrie mit Kohle. Die Verteilung der Baustoffe ist ohne bürokratische Maßnahmen zu fördern. Die Preiskontrolle ist überall dort durchzuführen, wo öffentliche Mittel zur Förderung des Wohnungsbaus eingesetzt werden. Es muß alles getan werden, um die wirtschaftliche Bauweise zu unterstützen. Eine baldige Revision des gesamten Bau- und Bodenrechts ist nötig ebenso wie eine rasche Verabschiedung des Gesetzes über Baulandbeschaffung. Das alles wollen wir unterstützen und fördern. Wir haben das bisher schon getan, weil das Wohnungsproblem das bedeutungsvollste ist, wenn wir die 200 000 Flüchtlinge, deren Umsiedlung der Bundestag beschlossen hat, in familiengerechte Wohnungen bringen wollen.
Ich bitte deshalb namens meiner Fraktion den Herrn Bundesfinanzminister, zu erklären, ob er den Sperrvermerk aufheben oder uns die Mittel auf andere Weise zur Verfügung stellen kann.
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Das Wort hat der Abgegeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde es begrüßen, wenn der Herr Bundesfinanzminister im Augenblick im Saale wäre,
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weil die Frage, ob die Entsperrung der 100 Millionen erfolgen kann, ja in erster Linie von ihm entschieden werden muß.
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- Es ist also bejaht, daß die 100 Milionen nicht zur Verfügung stehen.
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- Ja, diese Frage, Herr Kollege, ist vorhin im Vermittlungsausschuß entschieden worden, und ich darf für uns, ich glaube, für alle Fraktionen des Wiederaufbauausschusses des Bundestags, feststellen, daß wir zu diesen Verhandlungen und auch unser Ministerium nicht hinzugezogen worden sind. Wir sind nicht der Meinung, daß es richtig ist, etwa nun die 100 Millionen aus dem Soforthilfefonds an die Stelle der 100 Millionen Bundesmittel zu setzen, weil ja die Soforthilfemittel zum Teil sowieso dem Wohnungsbau zugefallen wären. Ich darf hier den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, zu dieser Frage speziell gleich noch Stellung zu nehmen.
Für meine Fraktion möchte ich sagen, daß wir den sozialen Wohnungsbau mit allem Ernst nach wie vor als das Sozialproblem Nr. 1 betrachten und daß wir weiter an dem damals interfraktionell eingebrachten Antrag festhalten, daß für das Baujahr 1951/52, also für das laufende Baujahr, 500 Millionen DM Bundesmittel bereitgestellt werden müssen. Es ist im Augenblick nur eine Verwirrung eingetreten; ich hoffe, daß die Diskussion sie klären kann.
Wir haben vor Weihnachten mit dem Bundesfinanzminister um das Problem gerungen, und es ist von einem Kollegen im Ausschuß gesagt worden, diese Bundesmittel müßten gewissermaßen als ein Fixum in den nächsten Jahren im Bundesetat aufgenommen werden, ähnlich den Geldern für Beamtenbesoldung usw.
Wenn wir in diesem Jahr vor den Schwierigkeiten stehen, die vorhin in der Wirtschaftsdebatte angeklungen sind, Korea und Folgen seit Korea, so ist zu sagen, daß der Baumarkt hiervon nicht verschont blieb. Jeder von uns, der in der Bauwirtschaft steht, weiß, daß Preissteigerungen von 15 bis 25 % zu verzeichnen sind. Das war uns schon vor Weihnachten bekannt, und wir haben darum 100 Millionen DM mehr als im Vorjahr eingesetzt, um die Preissteigerungen aufzufangen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zu den Aufgaben des Bundeswohnungsbauministeriums sagen. Es scheint uns notwendig zu sein, Herr Bundesminister, daß Sie Ihr Personal verstärken, um das anstehende Bundesbaugesetz fristgerecht fertigzustellen. Wir erleben bei den Beratungen des Baulandenteignungs- und Baulandbeschaffungsgesetzes in steigendem Maße, daß wir hier ein Stückwerk machen müssen, eine provisorische Übergangslösung, und daß wir an der sehr schwierigen Aufgabe nicht vorbeikommen, ein Bundesbaugesetz zu erlassen, das vor allem auch die Frage der Bewertung des Baubodens endgültig klären soll. Hierzu ist Personal notwendig, und was sein muß, Herr Bundesminister, sollte geschehen. Wir haben wenig Zeit zu verlieren. Darum wünschen wir, daß wir tatsächlich bis zum 1. April die Vorlage des Entwurfs haben können und daß auch Ihr Ministerium entsprechend personell verstärkt wird. Ich darf sagen, daß sich das Bundeswohnungsbauministerium vielleicht vor allen unseren Ministerien dadurch auszeichnet, daß es personell wirklich auf das Äußerste beschränkt ist. Aber Wohnungsbau ist Notprogramm Nr. 1 und erfordert entschiedene Maßnahmen auch personeller Art, die getroffen werden müssen.
Herr Kollege Kalbfell sagte vorhin, daß der Herr Bundeskanzler erklärt habe, 10 000 Wohnungen im Eigenheim seien ihm lieber als 20 000 Mietwohnungen. Ich bin bei dieser Kundgebung dabei gewesen, und es wäre gut - ich habe die Rede leider im Moment nicht dabei -, die Rede im Zusammenhang zu sehen. Ich darf hier vielleicht kurz etwas vorausschicken. Unsere Auffassung zum Wohnungsbau ist die, daß möglichst viele entwurzelte Menschen über den Wohnungsbau wieder zu einem Eigentum kommen sollen. Das gilt vor allem für unsere Vertriebenen. Wir möchten nicht, daß über den Wohnungsbau, der doch alljährlich mit rund 350 000 Wohnungen ein erhebliches Kapital investiert, nicht ausreichend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Einzeleigentum zu schaffen. So hat der Herr Bundeskanzler im Zusammenhang seiner Rede, die sich mit den ethischen Grundlagen der Familie usw. befaßte, gesagt, daß auf die Dauer gesehen für den Bestand der Familie 10 000 Eigenheime mit Garten und Feld besser seien als 20 000 Wohnungen in Miethäusern usw.
Ich glaube, daß man dem zustimmen kann, wenn hier ein Ideal herausgestellt wird. Wir müssen im sozialen Wohnungsbau wirklich davon abkommen, daß Herr Maier oder Herr Müller, oder Schütze X, wie es unter den Soldaten hieß, nicht selbständig
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bauen können. Ich bin der Meinung, daß wir gerade bei der steigenden Geldknappheit in stärkerem Maße dazu übergehen müßten, die Selbsthilfe und Eigenverantwortung im Wohnungsbau zu fördern, so daß der einzelne sein Geld und seine Arbeitskraft in dieses zu erwartende künftige Eigentum steckt und sich ein Einzeleigentum schafft. Ich glaube, so sind die Worte des Kanzlers zu verstehen gewesen.
Wir sind der Meinung, daß in der großen Diskussion, die gestern auf dem Bauvereinstag in Düsseldorf stattfand - wo viele Mißverständnisse bestanden -, bei keiner Frage und auch bei meinem Referat in Hannover über die Funktion des Eigenheims in der Sozialordnung unserer Zeit mit keinem Gedanken daran gedacht war, die Aufgabe der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen oder der Genossenschaften geringzuschätzen. Ich habe dort erklärt und möchte es auch hier sagen, daß nur diejenigen das Prädikat „gemeinnützig" verdienen, die im echten Sinne des Wortes gemeinnützig handeln. Damit will ich zum Ausdruck bringen, daß die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sich in steigendem Maße bemühen müssen, Trägerfunktionen zu übernehmen und für den einzelnen Bürger zu bauen, um ihm die Lauferei zu den Behörden abzunehmen, soweit es irgendwie geht. Ich glaube, das ist bei den Genossenschaften sowieso der Fall. Der alte Genossenschaftsgrundsatz sollte hier ganz klar herausgestellt werden, daß auch der Genosse irgendwann einmal zu einem persönlichen Eigentum kommt.
Ich fasse zusammen: Wir möchten für das kommende Baujahr ganz klar herausgestellt haben, daß von der Möglichkeit des Wohnungseigentums, des Dauerwohnrechts, das wir einstimmig geschaffen haben, von der Möglichkeit des Einzeleigentums in Form eines Eigenheims mit Garten, einer Siedlerstelle - dann aber möglichst in der Form des Reihenbaus - in steigendem Ausmaß Gebrauch gemacht wird.({4})
Das bisherige Ergebnis ist zahlenmäßig mit 15 bis vielleicht 20 % Eigenheimen, die gebaut worden sind, nicht erfreulich. Darum möchte ich hoffen, daß im kommenden Baujahr hier wirklich der Gedanke des individuellen Eigentums ganz stark herausgestellt und verwirklicht werde.
Meine Damen und Herren! Wir haben vor kurzer Zeit ein großes Gesetz verabschiedet; das war das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz. Wenn man nun hier und da hört, daß dieses Parlament gewisse Dinge nicht zu tun vermöge und daß sich die Demokratie sehr schwer entwickle, so dürfen wir doch einmal feststellen, daß es bisher möglich gewesen ist, das erste Wohnungsbaugesetz, das Gesetz über das Wohnungseigentum und auch das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz einmütig zu verabschieden. Das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz hat schließlich nicht mehr und nicht weniger zum Ziele, als in zwei bis drei Jahren immerhin etwa 92 000 Wohnungen für den Bergbau zu erstellen. Eine gewisse Anzahl ist bereits im Bau. Das ist eine große Leistung gewesen, auf die wir stolz sein können.
Die Schwierigkeiten auf dem Baumaterialmarkt, Herr Kollege Kalbfell, machen uns sehr große Sorge. - Herr Bundesminister, ich möchte hier nicht die zahllosen Briefe erwähnen; aber da sind im Zusammenhang mit den Verhandlungen um die
Bereitstellung von Baueisen, Moniereisen Dinge geschehen, die nicht mehr vertretbar sind. Ich meine, hier müßte energisch eingegriffen werden. Vielleicht wird der Herr Kollege Wirths nachher noch darauf eingehen; er kennt die Zusammenhänge noch etwas besser. Es ist aber einfach unerträglich, daß Baueisen heute auf dem schwarzen Markt gehandelt wird und für den sozialen Wohnungsbau nicht mehr greifbar ist und so für den Wohnungsbau hier tatsächlich eine ernste Gefahr besteht.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß möchte ich die Hauptsorge, die wir im Ausschuß haben, zusammenfassen und dem Hohen Hause mit auf den Weg geben. Damit komme ich noch einmal auf die Finanzierung zu sprechen. Es ist einfach unmöglich, die Wohnungsbaufinanzierung schleifen zu lassen und etwa zu sagen: Ach Gott, ihr seid ja auch mit 100 Millionen weniger zufrieden! - Das ist jetzt, trotz der großen Leistungen, die im Wohnungsbau erzielt werden konnten, unmöglich, da noch Millionen Deutscher in Bunkern und Erdlöchern und schlechten Wohnungen hausen müssen. Es ist unsere unabänderliche Meinung, daß dieses Bauvolumen in den kommenden Jahren nicht gesenkt werden darf.
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Die 1,8 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues - des sozialen Wohnungsbaues, nicht die steuerbegünstigten oder frei finanzierten Wohnungsbauten -, die im ersten Wohnungsbaugesetz für 6 Jahre gefordert worden sind, verlangen wir entschlossen und entschieden. Wir sind der Meinung, daß unter keinen Umständen weniger gebaut werden darf.
Auch hier darf ich vielleicht etwas richtigstellen, was falsch klingen könnte. Herr Kollege Kalbfell, der Herr Bundeskanzler hat nicht, wie es die Presse geschrieben hat, gesagt: „Kasernen statt Wohnungen", sondern der Herr Bundeskanzler hat erklärt, es könne irgendwann eine Möglichkeit eintreten, wo Sicherheitsaufgaben vorübergehend die Ausgaben für den Wohnungsbau beschränken könnten. Ich darf hierzu sagen, daß meine Freunde und auch ich der Meinung sind, daß diese Form des Wohnungsbaues - insbesondere die Form, die Eigentum schafft, die unsere Menschen wieder mit dem Boden verwurzelt, die die Eigentumslosigkeit beseitigt -, mit der notwendigen Beschleunigung vorangetrieben, ein echter Sicherheitsbeitrag ist. Es ist ein so echter Sicherheitsbeitrag, daß man ihn nicht gegenüber anderen Aufgaben, etwa gegenüber einem direkten Sicherheitsbeitrag hintanrangieren lassen kann. Das ist unsere Meinung, und ich glaube, nichts anderes hat der Bundeskanzler gesagt.
Darum bitte ich, Herr Bundesminister: beachten Sie bei dieser Frage vor allem das finanzielle Moment. Wir möchten Klarheit haben, ob jetzt die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind. Ich darf bitten, bei dieser Generaldebatte auch etwas über die Finanzierung im kommenden Jahr auszusagen. Wir haben große Sorge, ob es im kommenden Jahre gelingen wird, daß das von uns allen gewünschte Programm, jährlich 300 000 Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus zu bauen, finanziert werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man durch die zerstörten Städte und Dörfer von Westdeutschland fährt, dann überfällt einen oft der Gedanke, daß der Wohnungsbau, so wie er bisher betrieben worden ist, nicht weiter betrieben werden darf; denn man sieht überall an den Rändern der zerstörten Städte und auch der Dörfer neue Siedlungen, große Siedlungen, die aus einem Guß da hingestellt werden. Bei aller Sympathie für den Gedanken, daß zunächst überhaupt einmal Wohnungen geschaffen werden müs- sen, und bei aller Sympathie auch für die genossenschaftliche Art, sich hier zu helfen, muß man doch sagen, daß wir, wenn weiter so verfahren wird, auf die Dauer dazu kommen, daß die Ortskerne der Dörfer und Städte alle zerstört liegenbleiben und draußen große Gebiete neu in Anspruch genommen werden müssen. Das bedeutet eine gewaltige Verzettelung der Mittel, die zur Verfügung gestellt worden sind. Wenn man sie richtig anwendet, könnte man von den dort investierten Geldern etwa 30% - so haben Sachverständige berechnet - weiter zusätzlich für den eigentlichen Bauzweck zur Verfügung stellen. Man muß neues Gelände kaufen, das bisher landwirtschaftlich genutzt war. Man muß Straßen aufschließen und bauen; Versorgungsleitungen, Kanalisation, Entwässerung, Gas, Licht, Wasser, all das muß geschaffen werden. Hinterher sitzen die Leute in den Wohnungen und bezahlen für Transportmittel ebensoviel, wie sie für Miete ausgeben müssen. Das geht so nicht weiter.
Vor allen Dingen: Wer baut denn da? Es bauen mit Hilfe öffentlicher Gelder solche Unternehmen, die es früher gar nicht gab; es bauen große Unternehmen. Wir haben neulich beim Bergarbeiterbauprogramm davon gesprochen, daß im allgemeinen bei den Behörden aus erklärlichen und zum Teil berechtigten Gründen die Neigung besteht, die großen Projekte besonders zu bevorzugen. Es bauen also gerade diejenigen, die am wenigsten Unterstützung nötig haben, mit den öffentlichen Geldern, die aus den Steuermitteln kommen. Statt dessen müßte man dazu übergehen, den Geschädigten - seien es nun Mieter oder Eigentümer - Geld zur Verfügung zu stellen, damit sie sich selber helfen können und damit auch die Reste der zerstörten Grundstücke in den Ortskernen ausgewertet werden, die jetzt von Monat zu Monat weiter verrotten. Ungeheure Werte stecken darin, die man benützen könnte, statt daß man neue Mittel - wie in Straßen- und Versorgungsanlagen - anderswo anlegt. Man würde gleichzeitig damit den Unwillen und die Unzufriedenheit der Leute beheben, die doch das alles mit ansehen und sich selber geprellt und geschädigt vorkommen. Die Geschädigten, die ihre Wohnungen verloren haben, drängen darauf, selber ihre Initiative zu entfalten. Sie sagen: Wenn man uns nur wenigstens die erste, Hypothek gäbe! Jetzt gibt man die zweite Hypothek. Das bedeutet, daß diejenigen, die etwas haben, unterstützt werden; diejenigen aber, die nicht entweder das Geld für die erste Hypothek selbst haben oder die es nicht durch beleihungsfähige Objekte bei entsprechenden Beziehungen - erste Hypotheken werden ja fast kaum noch vergeben - frei schaffen können, bekommen keine Unterstützung. Da ist etwas falsch.
Wir können es dem Herrn Bundeswohnungsbauminister anläßlich der Erörterung seines Etats nicht eindringlich genug ans Herz legen, daß er sich um die Geschädigten kümmern möge. Er möge ihnen Unterstützung verleihen und ihre Initiative einsetzen, statt mit öffentlichen Geldern eine neue Art von Bürokratie aufzuziehen, die schon beim Bauen und erst recht hinterher beim Verwalten von Hunderten von Wohnungen ganz überflüssige Mehrkosten macht.
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- Es ist richtig, daß ein großer Teil der Verantwortung dafür auf die Länder fällt; aber der
Bundesminister für den Wohnungsbau kann sehr
wohl steuern. Er soll seinen Einfluß geltend
machen, den er bisher nicht geltend gemacht hat.
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Er hat aber bisher nicht nur nichts getan,
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sondern diese Tendenz zum Bauen im Großen, zum Bauen außerhalb geradezu noch gefördert. Wir fordern ihn auf, von diesem Vorgehen abzulassen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorgesehene kurze Redezeit schließt es ja aus, daß große grundsätzliche Debatten über die Wohnungspolitik stattfinden. Ich darf mich deswegen vielleicht auf die in der Diskussion angeschnittenen Fragen beschränken und Ihnen sagen, welche Maßnahmen ich kurzfristig und auf längere Sicht in Aussicht genommen habe.
Die erste Frage, die angeschnitten worden ist, die Frage der 100 Millionen DM mit Sperrvermerk im Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau, ist leider durch den Vorschlag des Vermittlungsausschusses entschieden. Das Hohe Haus hat diesen Vorschlag eben vor der Beratung meines Haushaltsplans angenommen. Ich kann nur hinzufügen, daß der Vermittlungsausschuß mich als Ressortminister leider nicht zu den Verhandlungen zugezogen hat.
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Was den „Anreiz für Sparen" angeht, so hoffe ich, daß das Sparprämiengesetz in den nächsten Tagen schon - es handelt sich um ein Initiativgesetz des Bundestags - in den Ausschüssen verhandelt werden kann.
Erfreulich ist, daß das Bergarbeiterwohnungsbaugesetz durchgegangen ist. Ich kann bei dieser Gelegenheit sagen - die Herren werden es aus der Presse schon wissen -, daß außer schon vorgesehenen 45 Millionen DM noch einmal 100 Millionen ERP-Mittel für den Bergarbeiterwohnungsbau bewilligt worden sind. Damit können wir - das ist auch die Auffassung der zuständigen Herren in Nordrhein-Westfalen -, wie ich glaube, in einer übersehbaren Zeit von etwa zwei oder zweieinhalb Jahren mit dem Rückstand an fehlenden Wohnungen im Bergarbeitergebiet fertig werden. Dann wird durch die Steigerung der Kohlenförderung - für die eine der Voraussetzungen ja der Bergarbeiterwohnungsbau ist - auch eine Erleichterung der Gesamtsituation im Wohnungsbau eintreten.
Die Kohlenzuteilung für die Baustoffindustrie ist bedauerlich knapp. Ich tue im Zusammenwirken mit dem Herrn Wirtschaftsminister mein Möglichstes, um der Baustoffindustrie mehr zuzuteilen. Unüberbrückbare Schwierigkeiten, die die
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Bauproduktion abgewürgt hätten, sind bisher trotz des Kohlenmangels nicht eingetreten, bis auf den Engpaß des Baueisens. Der Herr Bundeswirtschaftsminister und ich haben vereinbart, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, der jetzt nach der neuen Verordnung die Möglichkeit hat, Herstellungsauflagen zu machen, auf diesem Weg eine Erhöhung des Angebots an Baueisen herbeiführen wird. Ich hoffe, daß sich diese Maßnahme baldigst auswirkt. Wenn Sie die Produktion und den Bedarf sowie die Situation im letzten Jahr übersehen, so ist zu sagen, daß die Produktion ungefähr den Bedarf decken oder um ein Weniges übersteigen muß. Wenn allerdings jeden Monat ein paar tausend Tonnen aus dem Fluß von der Eisenerzeugung zur Baustelle herausgenommen werden, dann wird das Verhältnis gestört.
Das Baulandbeschaffungsgesetz liegt im Ausschuß und wird dort sehr intensiv beraten. Ich glaube, daß es in kurzer Zeit dem Hohen Hause zugehen kann.
Es sind noch weitere Maßnahmen im Gange. Die Entwicklung des Marktes der ersten Hypotheken erfüllt natürlich mich wie alle am Bau Beteiligten mit schwerer Sorge. Es hat sich in diesem Jahr gegenüber den Vorschätzungen um die Jahreswende wesentlich gebessert. Ich hatte in meine ersten Voranschläge nur 400 Millionen DM erste Hypotheken - ohne Bausparkassen - eingesetzt. Wir können bei der Entwicklung der Spartätigkeit und der Neuzusagen ohne den Überhang von 700 Millionen DM Zusagen a s dem letzten Jahr damit rechnen, daß wir in diem Jahr etwa 800 Millionen DM erster Hypotheken neu bekommen werden. Es kann auch, wenn keine Störungen mehr, über die wir nicht Herr sind, eintreten, noch etwas mehr dabei herauskommen.
Die wichtige Frage ist die, wie man dem Sparer das Sparen wieder verlockender gestalten kann, als es ihm zur Zeit erscheint. Eine kleine Zwischenbemerkung. Wenn dauernd in Reden und in Zeitungen davon gesprochen wird, wie entsetzlich schlecht unsere wirtschaftliche Entwicklung sei und welchen fürchterlichen Unsinn die Regierung dauernd mache, daß die Preise steigen und der Geldwert sinkt, so ist darauf zu antworten, daß das natürlich keine Grundlage dafür ist, die Leute zu veranlassen, ihre Groschen auf die hohe Kante zu legen.
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Vielleicht besteht die Möglichkeit, durch eine neue Konstruktion den Hypothekengeber am Sachwert des erstellten Objekts zu beteiligen. Die Untersuchungen sind in einem Ausschuß unter der Federführung des Herrn Bundesfinanzministers bei starker Beteiligung meines Hauses im Gang. Ich hoffe, daß in absehbarer Zeit die Resultate vorgelegt werden können.
Dann ein zweites: Es besteht zweifellos, durchaus nicht bei allen, aber bei vielen Schichten unseres Volkes eine latente Möglichkeit des Sparens, die in die Tat umgesetzt werden kann, wenn diesen Sparern das Ziel, das sie sich gern setzen würden, nämlich Eigentum in irgendeiner Form, sei es ein Kleinhaus oder eine Stockwerkswohnung, in nahe Aussicht gestellt werden kann. Auch darüber sind Untersuchungen im Gange; sie sind zum Teil mathematischer, zum Teil rechtlicher Art. Ich hoffe, daß wir auch hier bald Resultate vorlegen können. Das Problem ist auf der einen Seite, es den Bausparkassen zu ermöglichen, dem Sparer nach Erreichung einer Mindestsparsumme eine feste Zusage auf Zuteilung - ein halbes Jahr darauf - zu geben. Der andere Weg, den ich auch bei den gemeinnützigen Bauvereinen angeregt habe, ist der, dem Mann, der im Eigenheim oder im Stockwerk zur Miete wohnt, im Neubau die Möglichkeit zu geben, durch Sparzahlungen das Eigentum daran zu erwerben. Das ist ja auch, wie Sie wissen, beim Bergarbeiterwohnungsbaugesetz besonders vorgesehen worden.
Nun zur Frage des umfassenden Baugesetzes. Es ist kein Zweifel, daß alle am Bau beteiligten sachverständigen Kreise ein solches Gesetz für nötig halten. Ich bin sehr dankbar, daß ich auf die Unterstützung des Hohen Hauses, auch der Herren im Haushaltsausschuß, rechnen darf, wenn ich für mein Ministerium ein paar Stellen für diese außergewöhnlich große gesetzgeberische Aufgabe anfordere.
Nun muß aber nach den letzten Besprechungen mit den Länderministern damit gerechnet werden, daß ein Land oder einige Länder gegen die Zuständigkeit des Bundes auf diesem Gebiet Einspruch erheben. Es wird wahrscheinlich nötig sein, hier zum erstenmal den Weg zu gehen, den das Grundgesetz und der Verfassungsgerichtshof eröffnen, nämlich ein Gutachten des Verfassungsgerichtshofs einzuholen, das bekanntlich - oder eigentlich ist es noch nicht so sehr bekannt - von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung gemeinsam eingeholt werden kann. Wir wollen auch diese Frage sehr rasch vorwärtstreiben; die vorbereitenden Arbeiten werden darunter nicht leiden.
Ich darf nun noch ganz kurz einige der angeschnittenen Fragen direkt beantworten, soweit ich es bisher noch nicht getan habe. Herr Kollege Reismann hat beanstandet, daß wir zu viel in großen Blocks auf neuem Land bauen, statt einerseits die alten Städte - so habe ich ihn verstanden -, die Stadtkerne wieder aufzubauen und statt andererseits möglichst kleine Heime und kleine Wohnungsbauten zu schaffen. Herr Kollege Reismann, der Anblick, wenn Sie durchs Land fahren, täuscht. Was man sieht und was ins Auge fällt, sind die großen Blocks, die neu geschaffen worden sind. Was sich aber der Aufmerksamkeit des Reisenden entzieht, das ist die Fülle der kleinen Bauten, die über das ganze Land und insbesondere über die halb ländlichen und ländlichen Bezirke verstreut sind. Dafür kann ich Ihnen ein paar durchschlagende Zahlen nennen. Meine Herren, auf die Baueinheit kommen im Bundesdurchschnitt 2,6 Wohnungen. Das bedeutet, daß in der Zahl die Baueinheiten ganz überwiegen, die nur 1 bis 2 Wohnungen enthalten und nicht mehr.
Sie haben weiter darüber geklagt, daß nur große Baugesellschaften zum Zuge kämen und der kleine Mann nicht. Auch das ist nicht richtig. Genau so wie in den zwanziger Jahren pendelt etwa der Anteil der gemeinnützigen Baugesellschaften um ein Drittel des ganzen Wohnungsbauvolumens; daran hat sich nichts geändert. Bei den Gemeinnützigen sind zwar sehr große Gesellschaften, aber auch eine Fülle - in der Masse - kleiner Genossenschaften mit 20, 30, 100 Genossen. Wir dürfen den alten genossenschaftlichen Gedanken nicht unterdrücken und schädigen. Meine Herren, zwei Drittel etwa im gesamten und im sozialen Wohnungsbau fallen auf den privaten Bauherrn; das ist eine Tatsache, die gar nicht bestritten werden kann. Vom gesamten Wohnungsbau sind 75 % sozialer Wohnungsbau, etwa 25 % sind der als Surplus gedachte
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steuerbegünstigte Wohnungsbau. Der sogenannte freie Wohnungsbau fällt zahlenmäßig nicht ins Gewicht.
Zur Finanzierungsfrage noch ein Nachtrag. Ich glaube, es war Herr Kollege Lücke, der darauf hingewiesen hat, daß im zweiten Nachtrag dem Hohen Hause eine Forderung von 100 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt für den Wohnungsbau vorgelegt werden wird. Ich kann im Augenblick nicht sagen, der Herr Bundesfinanzminister wahrscheinlich auch nicht, was bei dem außerordentlichen Haushalt rauskommt und wie groß er sein wird. Immerhin kann ich sagen, daß ein Kabinettsbeschluß vorliegt, nach dem der Wohnungsbau die Priorität beim Ertrag des außerordentlichen Haushalts haben soll.
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Zum Baueisen sagte ich vorhin, ich sei mit dem Bundeswirtschaftsminister einig geworden, daß er seine Möglichkeit, Auflagen zur Herstellung zu verfügen, benützen wird, um ein erheblich größeres Angebot von Baueisen in allen Profilen zu erzwingen. Bei der an sich ausgeglichenen Lage zwischen Angebot und Nachfrage glaube ich, daß damit die recht unerfreulichen Schwierigkeiten überwunden wären.
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Die Holzpreise sind freigegeben. Die Bundesregierung wird aber dafür sorgen, daß auf den Richtpreisen für das Rundholz, das die öffentliche Hand - Staat und Gemeinden - in der Hand hat, die Zuschläge für das Schnittholz nach Normensätzen aufgebaut werden, und wird das mit aller Schärfe überwachen. Ich bitte, dabei eines zu bedenken: Wir haben, wenn Sie festgelegte Preise der Zwangswirtschaft haben, die Erscheinungen, die beim Holz ganz deutlich zutage treten. Sie haben ein sehr begrenztes Angebot zum festgelegten Preis, und Sie haben ein Angebot zum überhöhten Preis des Schwarzmarktes. Es wird bei der Freigabe der Holzpreise genau so gehen, wie es beim Benzin war. Sie werden zunächst eine Preisspitze nach oben erleben, die bald abbricht, und der Durchschnittspreis wird sich dann voraussichtlich auf einem Stand einpendeln, der auf dem Durchschnitt zwischen Schwarzmarkt- und altem Höchstpreis liegt, vielleicht sogar wie beim Benzin etwas darunter liegt.
Damit glaube ich, daß ich alle Anfragen beantwortet habe.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht die Debatte neu eröffnen, sondern nur versuchen, dazu beizutragen, daß hinsichtlich der sowohl von Herrn Abgeordneten Lücke als auch von dem Herrn Minister erwähnten 100 Millionen aus dem Titel Wohnungsbau kein Mißverständnis oder, was noch wichtiger ist, keine Unruhe bei der baulustigen Bevölkerung entsteht. Herr Senator Klein hat vorhin über die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses berichtet, aber natürlich diesen Punkt nicht so ausführlich behandelt, wie das jetzt nötig ist. Es ist nicht so, daß der Vermittlungsausschuß beschlossen hat, diese 100 Millionen zu streichen. Das wäre ja unmöglich, und dann hätten Sie auch mangels genügender Aufklärung vorhin einen falschen Beschluß gefaßt; denn Sie wollen die Streichung ja keineswegs. Als Teilnehmer an diesen Verhandlungen kann ich Ihnen mitteilen, daß die Dinge folgendermaßen liegen.
Sie wissen, wie schwierig die bekannte Auseinandersetzung über die 25 % und die 31,3 % war. Ich brauche das nicht näher zu schildern. Die Streichung der 435 Millionen, die ich gestern übrigens schon kommentiert habe, als ich zum Finanzhaushalt sprach, lag natürlich sämtlichen Mitgliedern des Vermittlungsausschusses ungeheuer im Magen, und es herrschte eine große Befriedigung, als der Herr Finanzminister laut Protokoll des Vermittlungsausschusses, das ich verlesen darf, folgendes sagte:
Für den ... entstehenden Ausfall in Höhe von 435 Mio DM ergäben sich folgende Deckungsmöglichkeiten:
a) Verminderung der Ausgaben des Bundes um etwa 200 Mio DM. Davon würden 100 Mio DM aus dem Titel „Wohnungsbau" gestrichen, für die aus Mitteln des Soforthilfefonds ein kurzfristiger Ersatz geschaffen werden könne.
Soweit der Wortlaut.
Niemand im Vermittlungsausschuß konnte annehmen - das lag jenseits jeglicher Berechnung -, daß damit ein Titel angegriffen, nämlich mit 100 Millionen praktisch in Anspruch genommen werden sollte, der im Soforthilfefonds ohnehin schon drin war, sondern jedes Mitglied - ich glaube, das darf ich sagen - des Vermittlungsausschusses war der Meinung, daß dem Finanzminister Mittel und Wege zur Verfügung ständen, die aus dem Soforthilfefonds bereits zur Verfügung gestellten Mittel um 100 Millionen zu erhöhen; denn nur dann wäre ja ein Ersatz, wie es hier im Protokoll richtig heißt, für die 100 Millionen, die gesperrt worden waren, geschaffen. Im anderen Falle wären in Wirklichkeit die 400 Millionen - oder wieviel es sind - aus dem Soforthilfefonds um 100 Millionen vermindert. Also ich erkläre, daß der Vermittlungsausschuß herzlich erfreut war, als der Finanzminister diese Möglichkeit nicht nur andeutete, sondern zusicherte, und das war eine der Voraussetzungen - nicht ein Teil, sondern eine der Voraussetzungen - des daraufhin gefaßten und Ihnen vorhin erläuterten Beschlusses des Vermittlungsausschusses. Ich bin es gewesen, der an den Herrn Bundesfinanzminister die Rückfrage gestellt hat, ob ein wirklicher Ersatz geschaffen sei, und ich hatte in keiner Weise den Eindruck, daß irgendein, sagen wir, geheimer Vorbehalt aus der Antwort des Herrn Finanzministers zu entnehmen war. Ich glaube, diese meine Erklärung ist geeignet, Mißverständnisse - mehr kann überhaupt nicht vorliegen - zu beseitigen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.
Meine Damen und Herren! Über die Mittel aus dem Soforthilfefonds, die dem Wohnungsbau zur Verfügung stehen, ist ja praktisch bereits verfügt. Wenn also diese 100 Millionen daher kommen sollen, dann müssen doch die 70 Mark Soforthilfe, die monatlich an die Leute gezahlt werden, gekürzt werden. Das ist aber nicht möglich. Ich beantrage:
Die vom Bundestag auf Grund eines Beschlusses des Vermittlungsausschusses gestrichenen
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100 Millionen D-Mark werden erneut in den Etat des Bundeswohnungsbauministeriums eingestellt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es schwebt, wie ich eben unterrichtet werde, die Frage der Sperre der 91 Millionen für den sozialen Wohnungsbau. Der Antrag, der mir vorgelegt worden ist, ist vom 26. September. Am 28. September haben sich die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß abgespielt. Bei diesen Verhandlungen habe ich die Erklärung abgegeben, daß es unter der Voraussetzung, daß es zu dieser Vermittlung kommt - und wie ich höre, hat das Hohe Haus eben dem Antrag des Vermittlungsausschusses zugestimmt -, möglich ist, die Sperre, die über gewisse Ausgaben verhängt werden mußte, mit zwei Ausnahmen aufzuheben. Die eine Ausnahme war die Entschädigung der Sozialversicherungsträger für die bereits in früheren Jahren ausgezahlten Flüchtlingsrenten, die Gegenstand eines Gesetzes sind, das noch in diesem Jahr vorgelegt werden sollte, das aber unter den gegebenen Umständen erst zu Anfang des nächsten Haushaltsjahres vorgelegt werden kann. Die finanzielle Lage der Sozialversicherungsträger erlaubt es, diese Verschiebung hinzunehmen.
Der zweite Punkt war ein Posten von rund 100, wie damals gesagt wurde, tatsächlich genau 91 Millionen. Der Posten von 9 Millionen, der ebenfalls für den Wohnungsbau dort genannt ist, ist erledigt, war auch in jener Zeit zum Teil schon
ausgezahlt. Es handelt sich also um den Posten von 91 Millionen. Ich habe damals die Erklärung abgegeben, daß ich dieses Opfer glaube übernehmen zu können, weil ich der Hoffnung bin, daß es möglich ist, aus dem Soforthilfefonds neu einen ähnlichen Betrag flüssig zu machen. Ich habe in der Zwischenzeit mit dem Hauptamt für Soforthilfe verhandelt. Die Verbandlungen haben vorgestern nachmittag ihr vorläufiges Ende gefunden. Der Kontrollausschuß des Soforthilfefonds wird in den nächsten Tagen eine Vorlage erhalten. Diese Vorlage wird die vorhandenen Mittel bis zum 31. März 1951 verplanen. In dieser Vorlage ist der Vorschlag gemacht worden, daß die Beträge, die zunächst für den Wohnungsbau vorgesehen waren. sehr beträchtlich, auf einen Betrag von entweder 180 oder 150 Millionen DM - 150 Millionen ist die unterste Grenze -, erhöht werden. um damit den Ausgleich für den Wohnungsmarkt zu schaffen. Diese Erhöhung des Betrages kommt ungefähr dem Betrag von 91 Millionen DM gleich.
Das ist die Situation, wie sie heute liegt. Ob es möglich ist, nachdem der Bundesfinanzminister wegen der großen Veränderungen, die in den letzten Wochen durch Zolländerungsgesetz, durch das Ergebnis der Beratung des Vermittlungsausschusses gegenüber dem Nachtragshaushalt eingetreten sind, gezwungen ist, den Nachtragshaushalt in neuer Form unter Berücksichtigung dieser Veränderungen vorzulegen, daneben noch einen Betrag für den Wohnungsbau flüssig zu machen-vielleicht im außerordentlichen Haushalt -, läßt sich heute mit Bestimmtheit noch nicht voraussagen. Das hängt davon ab, welches Bild sich insgesamt ergeben wird. Aber der Ausgleich der 91 Millionen DM ist meiner Überzeugung nach durch
die Besprechungen mit dem Hauptamt für Soforthilfe - Zustimmung des Kontrollausschusses, mit dem meines Wissens auch bereits Fühlung aufgenommen ist, vorausgesetzt - gesichert.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben soeben den Antrag der Freien Demokratischen Partei gehört. Ich möchte im Namen meiner Freunde erklären, daß wir uns diesem Antrag anschließen. Ich habe den Eindruck, daß wir im Begriff sind, andernfalls ein böses Präjudiz zu schaffen, nämlich ein Präjudiz, das dahin geht, daß der Bund sich seinen Verpflichtungen aus dem Wohnungsbaugesetz durch Zugriff auf Soforthilfemittel entziehen kann. Wenn wir erst einmal auf diesem Wege anfangen, dann sehe ich z. B. auch ernste Gefahren aus dem Bergarbeiterwohnungsbaugesetz heraufdämmern. Wir sind bei all diesen Gesetzen von der Vorstellung ausgegangen, daß damit die normalen Verpflichtungen aus dem Wohnungsbaugesetz nicht etwa gestrichen sind, sondern daß sie außerdem zu erfüllen sind. Bei diesem Grundsatz sollten wir bleiben.
Zum zweiten möchte ich hier bedauern, daß es im Vermittlungsausschuß offenbar auch den Regierungsvertretern nicht nahegelegen hat, den an diesen Fragen lebenswichtig beteiligten Herrn Bundeswohnungsbauminister hinzuzuziehen, der ja doch zu den Fragen, die dort zu entscheiden waren, ein gewichtiges Wort mitzureden gehabt hätte. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich das Bedauern des Herrn Ministers über dieses sein unverschuldetes Fehlen aufrichtig teile. Vielleicht kann man das in Zukunft ändern.
Auf alle Fälle erkläre ich für meine Freunde, daß wir uns dem Antrag des Herrn Kollegen Wirths anschließen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Finanzminister, mir persönlich ist noch nicht ganz klar, was jetzt los ist. Darum möchte ich bitten, Herr Kollege Wirths, daß wir den Antrag an den Ausschuß geben, eine Sitzung einberufen, um die Angelegenheit dort mit dem Herrn Minister noch einmal genau durchzusprechen und in der dritten Lesung hier dann zu verabschieden. Sonst beschließen wir heute wieder etwas, was nicht ganz klar ist.
({0})
Ich schlage vor Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen.
Sie beantragen die Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen.
Meine Damen und Herren, streng genommen ist die Debatte beendet, da die Redezeiten, die beschlossen waren, alle verbraucht sind. Ich habe gedacht, es sind hier nun Momente eingetreten, die mit einigen kurzen Erklärungen zu den Anträgen erledigt werden könnten. Unter diesen Umständen sehe ich keine andere Möglichkeit, als die Tatsache anzuerkennen, daß zum Schluß der Debatte ein Regierungsvertreter gesprochen hat und daß damit die Debatte wieder neu eröffnet ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Die Debatte, die zum Antrag des Vermittlungsausschusses verboten war, haben wir nun doch, nur mit einer gewissen Verschiebung. Gehen wir doch einmal auf die historische Entwicklung zurück! Wir haben hier im Hause ein Einkommensteuergesetz akzeptiert. Dieses Einkommensteuergesetz hatte zur Voraussetzung, daß das Aufkommen aus ihm dem Bund zukäme. Ich persönlich habe der Geschichte damals schon nicht getraut und habe als einziger gegen das Gesetz gestimmt. Im Vermittlungsausschuß haben wir gesehen, wie die Dinge gelaufen sind. Die Länder haben ihren Teil davon genommen. Das bedeutet also: wir sollen die Ländereinnahmen hier im Bund beschließen und sollen damit den Bund und die Bundesgesetzgebung mit dem Odium belasten, immer neue Steuern zu bewilligen, die in letzter Linie von den Länderparlamenten bewilligt oder beschlossen werden müßten.
Nun ist durch die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß eine Lücke von ungefähr 91 Millionen DM eingetreten, und es dreht sich jetzt darum: wie soll diese Lücke gestopft werden? Der Finanzminister schlägt vor, sie durch einen Rückgriff auf den Soforthilfefonds zu schließen. Die Anträge, die hier vorliegen, würden haushaltsrechtlich betrachtet nur dann zum Zuge kommen können, wenn gleichzeitig dafür irgendeine Deckung gegeben wäre. Ich erkläre - für mich persönlich zunächst -: ich habe gegen dieses Einkommensteuergesetz damals gestimmt, weil ich wußte - ich bin nämlich im Parlamentarischen Rat gewesen und habe da meine Erfahrungen mit Föderalismus gemacht -,
({0})
daß die Länder das Aufkommen daraus zum Teil für sich behalten würden. Aber ich denke nicht daran - und habe deshalb vorhin auch gegen den Vermittlungsantrag gestimmt -, zur Schließung des Loches, das dadurch entstanden ist, daß die Länder von dem, was der Bund haben sollte, einen Teil für sich genommen haben, nun meinerseits Ersatzsteuern zu bewilligen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Nachdem ich belehrt worden bin, bitte ich, den eben verlesenen Antrag in folgender Form nach dem Antrag Lücke dem Ausschuß zu überweisen:
Abänderungsantrag zum Haushaltsplan des
Bundeswohnungsbauministeriums:
In Kap. 1 Tit. 33 werden die Worte „Gesperrt sind 91 Millionen DM" gestrichen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Erler hat gemeint, es hätte mindestens jemand von den Regierungsparteien auf die Idee kommen können
({0})
- na ja, von den Regierungsparteien meinten Sie
auch -, den Herrn Bundesminister für Wohnungsbau zu dieser Sitzung des Vermittlungsausschusses
herbeizurufen. Auf diese Idee konnte niemand auch
nur von weitem kommen, sondern der Herr Bundesfinanzminister übernahm mehrmals und expressis verbis die absolute Garantie dafür, daß aus der
Streichung der 90 Millionen für den Wohnungsbau
ein Nachteil nicht entstehen würde. Ich habe ihn
vorhin so verstanden, daß er ja inzwischen diese
Garantie auch eingelöst hat bis auf einen formalen
Beschluß des Soforthilfeamtes oder wie das heißt.
({1})
Und wenn dieser Beschluß gefaßt wird, meine Herren, dann haben Sie Ihre 91 Millionen wieder.
({2})
- Darüber kann kein Streit bestehen. Ich spreche vom Standpunkt des Vermittlungsausschusses.
Ich habe nichts dagegen, daß der Antrag, den der Kollege Wirths gestellt hat, an den Ausschuß verwiesen wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 313 vor. Die Ziffer 1 dieses Antrags scheint mir identisch zu sein mit dem Antrage des Herrn Abgeordneten Wirths.
({0})
Es ist zunächst der Antrag auf Ausschußüberweisung gestellt. Das würde also bedeuten: Ziffer 1 des Antrags der SPD - identisch mit dem Antrag des Abgeordneten Wirths - soll an den Ausschuß überwiesen werden.
({1})
- Ausschuß für Wohnungsbau!
({2})
- Und an den Haushaltsausschuß. Also: federführend Ausschuß für Wohnungsbau, zusätzlich Haushaltsausschuß. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Dann stimmen wir über Ziffer 2 des Antrags der SPD ab. Wird da auch Ausschußüberweisung beantragt?
({3})
- Herr Abgeordneter Erler!
Nach der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers, daß das Geld schon zum größten Teil ausgegeben ist, können wir Ziffer 2 gleich annehmen; denn eine Sperre ist sinnlos, wenn das Geld weg ist.
Also, meine Damen und Herren, es ist kein Überweisungsantrag für Ziffer 2 gestellt.
Ich lasse über den Antrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme des Antrags unter Ziffer 2 auf Umdruck Nr. 313 sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegegenprobe. ({0})
- Die Abstimmung war etwas unklar. Ich bitte, sie nochmals zu wiederholen.
({1})
({2})
- Meine Damen und Herren, ich weiß nicht, was die Geräusche sollen. ({3})
- Ich habe hier oben das Bild anders vor mir, als Sie es von unten sehen können.
({4})
Ich bitte um Wiederholung der Abstimmung. Wer für den Antrag unter Ziffer 2 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({5})
Enthaltungen? - Sie sehen, der Antrag ist jetzt einstimmig angenommen, während vorhin eine völlige Unklarheit über das Abstimmungsergebnis bestand.
({6})
Wir haben noch abzustimmen über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2614. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nun zu Buchstabe g des Punktes 17 der gestrigen Tagesordnung:
Einzelplan XVI - Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen ({7}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Blachstein.
Blachstein ({8}), Berichterstatter: Herr Präsisident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen gleicht in Einnahmen und Ausgaben im wesentlichen dem Haushalt, der uns im vorigen Jahr vorgelegen hat. Die Erhöhungen der Ausgaben beruhen im wesentlichen auf den Erhöhungen der Preise, Löhne und Gehälter.
Einen Titel muß ich besonders erläutern. In Kap. I Tit. 33 ist ein Zuschuß zur Förderung von Schulbauten in gefährdeten Grenzgebieten in Höhe von 4 880 000 DM vorgesehen. Es handelt sich bei diesem Betrag um die Förderung von Schulbauten in den Grenzgebieten, die durch den Krieg und die Nachkriegsentwicklung bisher in Mitleidenschaft gezogen worden sind, z. B. in Schleswig-Holstein, im Gebiet der sogenannten Roten Zone und auch in einigen besonders gefährdeten Gebieten an der Zonengrenze, die grenzpolitisch von Bedeutung sind. In erster Linie soll der Bau von Volksschulen gefördert werden. Soweit notwendig, sollen auch Berufsschulen Zuschüsse erhalten.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Hause, den Einzelplan XVI - Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen - für das Rechnungsjahr 1951 mit den Änderungen in der vorliegenden Zusammenstellung anzunehmen; dabei sind die veränderten Abschlußsummen in den Unterlagen mit berücksichtigt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat hat vorgesehen, bei diesem Punkt der Tagesordnung von einer Debatte abzusehen. - Ich stelle die Zustimmung des Hauses dazu fest.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2615. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. -
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 17 h) der gestrigen Tagesordnung:
Einzelplan XXIV - Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben;
Einzelplan XXV - Haushalt der Auslaufzeit 1950 hinsichtlich der Verteidigungslasten einschließlich der Besatzungskosten und Auftragsausgaben;
Einzelplan XXVII - Haushalt der sonstigen Verteidigungslasten
({0}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.
Dr. Krone ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Haushalt der Besatzungskosten geht es um einen Auftragshaushalt. Schon im vorigen Jahre hat der Haushaltsausschuß dem Hohen Hause empfohlen, diesen Haushalt nicht anzunehmen, sondern ihn lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe auch diesmal zu beantragen, den Haushalt nur zur Kenntnis zu nehmen.
Der Ältestenrat hat angenommen, daß auch bei diesem Punkt der Tagesordnung von einer Aussprache abgesehen werden kann. - Ich stelle die Zustimmung des Hauses dazu fest.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen nun zu der eigentlichen Tagesordnung des heutigen Tages, und zwar zu Punkt 2: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Überwachung des Post-und Fernsprechverkehrs ({0}).
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Dr. Mommer ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besatzungsmächte haben als Besatzungsziele bei uns verkündet, daß Deutschland demokratisiert werden soll, daß bei uns rechtsstaatliche Verhältnisse geschaffen werden sollen und daß alle Spuren des nationalsozialistischen Systems und seiner Methoden verschwinden sollen. Wenn das vernünftig gehandhabt wird, können die Besatzungsmächte sicher sein, daß sie dabei breiteste Unterstützung im deutschen Volke finden. Wenn sie dabei pharisäisch und schulmeisterlich werden, dann werden wir leicht nervös. Wenn aber Theorie und Praxis auseinanderfallen, dann werden wir böse.
Wir haben in der letzten Zeit einen solchen Fall gehabt, bei dem uns Theorie und Praxis auseinanderzufallen schienen. Ich denke an den Fall Kemritz. Wir werden in Zukunft auch noch andere Fälle hier zu besprechen haben. Wir werden von den Schwarzen Listen und vielleicht von anderen Dingen mehr sprechen müssen.
Bei dem Gegenstand der heutigen Interpellation der SPD betreffend Kontrolle der Telefongespräche und des Briefverkehrs handelt es sich auch um
({2})
einen solchen Fall, in dem die rechtsstaatlichen Theorien und die demokratisierenden Absichten der Besatzungsmächte mit ihrem Verhalten hier in Deutschland nicht übereinstimmen.
Ich muß einige Tatsachen anführen. In Lörrach hat kürzlich, im Juli, eine Stadtverordnetenversammlung stattgefunden, in der gegen die Telefonüberwachung von Organisationen und Privatpersonen in Lörrach öffentlich protestiert wurde. Es ist interessant festzustellen, wer dort überwacht wurde. Es wurden sämtliche politischen Parteien überwacht. Es wurden weiter die Gewerkschaften überwacht. Es wurde das Rathaus und es wurde Dr. Ernst Ludwig Heuss, der Sohn unseres Bundespräsidenten, überwacht.
({3})
Ich bitte Sie, diese Serie von Überwachten im Gedächtnis zu behalten. Das wird wichtig, wenn wir nachher davon sprechen, welches die Gründe der Überwachung sind. Es wird behauptet, daß die Überwachung im Interesse der militärischen Sicherheit der Besatzungstruppen erfolge.
({4})
Ich frage: Was haben die Gewerkschaften, die politischen Parteien, das Rathaus und der Sohn des Bundespräsidenten mit der Gefährdung der Sicherheit der französischen Besatzungstruppen zu tun?
Ein anderer Fall: Ein Abgeordneter dieses Hauses, der auf der Linken sitzt, bekommt einen vertraulichen persönlichen Brief mit internen Parteimitteilungen. Der Brief ist ihm persönlich vom Postboten ausgehändigt worden. Schon am anderen Tage lag der Brief in Übersetzung bei einer französischen Dienststelle.
Ein Abgeordneter auf der Rechten des Hauses, dessen Namen ich auch nicht nennen will, stellte fest, daß seine Gespräche nach Hamburg überwacht wurden.
Ich selbst habe die Erfahrung gemacht - vor sehr kurzer Zeit -, daß Beamte im Auswärtigen Amt mir rieten, doch nicht anzurufen und keine längeren Ausführungen zu machen; es sei besser, sich zu treffen,
({5})
denn dann sei man sicher, daß der „dritte Mann" nicht dabei sei. Wenn man sich gerade diese letzte Reaktion ansieht, merkt man doch, daß alle, die sich überwacht fühlen, gleich in die mündliche Besprechung fliehen.
Das Ergebnis dieser Spitzelei - anders kann man es doch nicht bezeichnen - muß äußerst mager sein. Die Besatzungsbehörden bewegen sich mit dem, was sie tun, doch nur in den Kleinigkeiten und in den Niederungen der Politik. Entscheidende politische Dinge in Deutschland geschehen nicht, ohne daß die Besatzungsmächte sie erfahren, auch ohne daß sie zu solchen Methoden greifen, die uns an das Dritte Reich erinnern. Gerade wegen dieser Erinnerung an das Dritte Reich sind diese Dinge so bedauerlich. Man schädigt damit das Ansehen dieser unserer deutschen Demokratie, und man schädigt das Ansehen der Demokratie, die die anderen bei uns zu repräsentieren haben. Man bringt uns damit auch in unangenehme Nähe mit den Zuständen auf der anderen Seite der Zonengrenze. Dort ist der Spitzel allgegenwärtig, und dort ist es vielleicht dann auch normal, daß er im Telefon hängt und daß er den Brief durchliest. Aber hier sollte das nicht selbstverständlich sein, hier sollte so etwas nicht möglich sein. Wenn es doch getan wird, dann stellt das einen Verstoß gegen Artikel 10 des Grundgesetzes dar. Das Grundgesetz garantiert in Artikel 10 ausdrücklich das Postgeheimnis.
Damit komme ich auf den wichtigsten Aspekt des ganzen Problems, auf die rechtliche Grundlage für das Vorgehen einiger Besatzungsmächte auf diesem Gebiet. Ich darf vielleicht hier einschalten, daß mir persönlich keine konkreten Fälle bekanntgeworden sind, die von der amerikanischen Besatzungsmacht ausgingen; aber vielleicht kann uns der Herr Bundespostminister darüber näheres sagen. Er muß es wissen; denn eine systematische Überwachung des Postverkehrs ist nicht ohne Wissen - ich sage: ohne Wissen, nicht: ohne Mitwirkung! - der deutschen Postbehörde möglich.
Die Alliierten haben, als sie Deutschland besetzten, schon im Januar 1945 ein Zensurgesetz gemacht, und zu Beginn - daran erinnern wir uns - haben sie davon ausgiebigen Gebrauch gemacht. Nach und nach haben sie den Umfang der Zensur zurückgeschraubt, und schließlich kam dann das Grundgesetz mit dem Art. 10 - das Grundgesetz, das ja von den Besatzungsmächten gebilligt wurde. Das Besatzungsstatut hätte den Alliierten die Möglichkeit geben können, einschränkende Bestimmungen gegen den Art. 10 des Grundgesetzes zu erlassen. Davon haben die Alliierten aber keinen Gebrauch gemacht. Ganz im Gegenteil, sie haben am 15. Februar 1951 das Gesetz A 14 der Hohen Kommission veröffentlicht, durch das die Zensurgesetze Nr. 76 der amerikanischen und der britischen Militärregierung - in der französischen Zone gab es keines, weil diese zu Beginn, als das Gesetz gemacht wurde, nicht bestand - ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurden, womit sich die Alliierten die Rechtsgrundlage für eine etwaige Weiterführung der Zensur selbst entzogen.
Nun wird aber trotzdem die Zensur weitergeführt. Sie wird mit Art. 2 e des Besatzungsstatuts begründet. Welches juristische Kunststück das ist, möchte ich Ihnen vorführen, indem ich Ihnen den Art. 2 des Besatzungsstatuts im Text ins Gedächtnis zurückrufe. In diesem Artikel heißt es:
Um die Verwirklichung der grundlegenden Besatzungszwecke sicherzustellen, bleiben Sonderbefugnisse, einschließlich des Rechts, die von den Besatzungsbehörden benötigten Auskünfte und statistischen Angaben anzufordern und zu prüfen, auf folgenden Gebieten vorbehalten:
Und dann kommt der Punkt e. Da ist die Rede von Schutz, Ansehen und Sicherheit der alliierten Streitkräfte und einigem anderem mehr. Auf diesen Absatz beziehen sich die Dienststellen einiger Besatzungsmächte, die heute noch die Zensur ausüben.
Dazu muß man fragen: Was hat die Überwachung von Parteien, von Gewerkschaften, von Abgeordneten und deutschen Dienststellen mit der Sicherheit der Besatzungsmächte und ihrer Truppen zu tun? Es ist doch ein Akrobatenstück extensiver juristischer Phantasie, wenn man die Überwachung etwa des Sohnes des Herrn Bundespräsidenten mit der Notwendigkeit rechtfertigt, die militärische Sicherheit der Besatzungstruppen zu garantieren. Die Zensur, die hier geübt wird, hat zu dem Art. 2 e des Besatzungsstatuts eine ebenso unendlich entfernte Beziehung, wie etwa die politische Praxis der Regierung von Pankow mit der im Wortlaut demokratischer Verfassung der DDR etwas zu tun hat. Wenn man aber schon eine
({6})
Zensur an Art. 2 e des Besatzungsstatuts aufhängen wollte, dann müßte man das nach rechtsstaatlichen Grundsätzen mit einem Gesetz machen. Man müßte also ein neues Gesetz erlassen. Wenn unsere Minister mit den Herren von der Hohen Kommission reden, können sie ihnen vielleicht auch einmal eine Lektion in Demokratie geben. Sie können den Art. 10 des Grundgesetzes zur Hand nehmen und daraus zitieren. Da heißt es:
Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden.
Nur auf Grund eines Gesetzes! - Genau so ist in der Konvention für Menschenrechte, die jüngst im Europarat aufgestellt und die von zweien der Besatzungsmächte - und das sind gerade die, die wir hier meinen - paraphiert und im Grundsatz schon angenommen worden ist. Auch von der Unverletzlichkeit der Korrespondenz ist dort die Rede, und es heißt dann, daß, soweit Eingriffe notwendig sind, diese gesetzlich vorgesehen sein müssen. Die Besatzungsmächte haben auch der Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 zugestimmt und sich dadurch gebunden, dieses Bürgerrecht anzuerkennen. Sie sollten das auch hier tun.
Ich bin also der Meinung, daß für die weitere Ausübung der Zensur keinerlei Rechtsgrundlage gegeben ist. Von der Möglichkeit einer Sondergesetzgebung hat die Hohe Kommission nicht Gebrauch gemacht, sie hat im Gegenteil die bestehende aufgehoben. Deshalb handelt es sich bei der Fortführung der Zensur um einen Akt reiner polizeistaatlicher, totalitärer Willkür. Es ist notwendig, daß diesem Zustand schnell ein Ende gesetzt wird; und es sollte nicht Sache des Fachministers, des Herrn Postministers sein, diese Verhandlungen zu führen, denn diese Frage fällt nur rein technisch in sein Gebiet. Es handelt sich hier um eine Verletzung des Besatzungsstatuts. Der Herr Bundeskanzler und Außenminister sollte in Verhandlungen diesen Unfug möglichst schnell abstellen.
Im Namen meiner Fraktion darf ich folgenden Antrag verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Herr Bundesminister für das Auswärtige wird beauftragt, die Hohe Kommission auf die Unvereinbarkeit der immer noch geübten Telefon- und Postüberwachung durch alliierte Dienststellen mit dem Besatzungsstatut hinzuweisen und die sofortige Einstellung der Überwachung zu verlangen.
({7})
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestatte mir, die vorliegende Interpellation zu beantworten, und möchte dabei bemerken, daß das, was ich jetzt hier verlese, im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt zustande gekommen ist.
Erstens: Der Bundesregierung ist es - natürlich - bekannt, daß von den Besatzungsmächten Postsendungen und Fernsprechanschlüsse überwacht werden.
({0})
Über das genaue Ausmaß dieser Überwachung ist
die Bundesregierung naturgemäß nicht unterrichtet.
({1})
Denn es ist selbstverständlich, daß diese Dinge nicht in aller Öffentlichkeit gemacht werden.
({2})
Zweitens: Die Bundesregierung hat nach Aufhebung der besatzungsrechtlichen Zensurvorschriften schon Anfang Juni 1951 Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission mit dem Ziel aufgenommen, daß die Zensurmaßnahmen eingestellt oder in jedem Fall auf das durch das Sicherungsbedürfnis der alliierten Streitkräfte bedingte Mindestmaß beschränkt werden. Sie wissen ja, daß die Besatzungsmächte das Fortbestehen ihrer Zensurmaßnahmen zur Zeit noch auf Ziffer 2 e des revidierten Besatzungsstatuts gründen.
({3})
Die Ziffer betrifft den Schutz und die Sicherheit
der alliierten Streitkräfte. Die Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Es ist aber nach menschlichem Ermessen anzunehmen, daß sie erfolgreich sein werden. Freilich, das darf ich hier hinzufügen, wird den Alliierten aus militärischen Gründen ein gewisses, eng begrenztes Maß an Zensurmöglichkeiten eingeräumt werden müssen. Schließlich steht auch unser Fernsprechnetz zu einem gewissen Teil für militärische Zwecke zur Verfügung.
({4})
Das Ergebnis der Verhandlungen werde ich dem
Hohen Haus unverzüglich zur Kenntnis bringen.
({5})
Ich möchte jetzt im Augenblick der Verhandlungen,
die, wie ich schon sagte, sehr aussichtsreich sind,
von der Wiedergabe von Einzelheiten der alliierten
Überwachungsmaßnahmen absehen. Aus dem gleichen Grunde würde ich sehr bitten, eine etwaige
Debatte jetzt in dem Hohen Haus bis zum Vorliegen der Verhandlungsergebnisse zurückzustellen.
({6})
- Eine genaue Zeit kann ich natürlich nicht angeben; aber ich denke, daß wir in drei bis vier Wochen soweit sein werden.
Die Interpellation ist beantwortet. Ich habe jetzt festzustellen, ob das Haus in eine Debatte eintreten will.
({0})
- Dazu sind die Stimmen von 50 Abgeordneten notwendig. Ich bitte diejenigen, die für eine Debatte sind, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Zahl von 50.
Dann ist die Debatte eröffnet. Nach dem Vorschlag des Altestenrats empfehle ich, dafür eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorzusehen. - Es wird nicht widersprochen; es ist so beschlossen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmitt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß offen sagen, die Ausführungen des Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen haben mich in keiner Weise befriedigen können.
({0})
Wie ist es denkbar, daß ein Ministerium nicht darüber unterrichtet ist, auf welche Weise und an
({1})
welchen Stellen eine Überwachung überhaupt stattfindet. Das beweist mir, daß irgendwelcher Konnex
in irgendeiner Form von den Besatzungsmächten
mit den in Frage stehenden deutschen Stellen nicht
aufgenommen worden ist. Eine derartige Verbindungsaufnahme wäre nach Ziffer 3 des Besatzungsstatuts unbedingt notwendig gewesen,
wenn die Besatzungsmächte glauben, für die
Sicherheit ihrer Truppen irgendwelche Überwachung vornehmen zu müssen. Es geht meiner
Ansicht nach nicht an, daß von seiten der Besatzungsmächte ohne jede Verbindungsaufnahme
und Besprechung der Details einfach Maßnahmen
getroffen werden, die uns Deutsche im Bundesgebiet in gewissem Sinne zu Heloten herabwürdigen.
({2})
Ich muß sagen, es geht nicht an, daß Abgeordnete überwacht werden, wie es in Fällen, die mir persönlich bekanntgeworden sind, schon x-mal vorgekommen ist. Es geht auch nicht an, daß, wie der Herr Kollege Mommer sehr richtig gesagt hat, Stellen überwacht werden, die für die Frage der Sicherheit der Besatzungstruppen absolut nicht in Betracht kommen. Wir schließen uns in diesen Dingen selbstverständlich den Anträgen der Sozialdemokratischen Partei an.
Ich möchte noch etwas hinzufügen, was vielleicht nicht genügend hervorgehoben worden ist. Herr Kollege Mommer hat vorhin auf die Begründung der Besatzungsmächte hingewiesen, die den Schutz, das Ansehen und die Sicherheit ihrer Truppen anführen. Es werden mehr oder minder juristische Saltos mortale geschlagen, um zu begründen, daß die Überwachung berechtigt ist. Wenn ich mir aber auf der anderen Seite unter den Vorbehalten im Besatzungsstatut den Punkt f) heraussuche, so finde ich, daß es ausdrücklich heißt, diese Vorbehalte seien gemacht worden zur Beachtung des Grundgesetzes. Zur Beachtung des Grundgesetzes gehört aber auch, daß der, der sich den Vorbehalt macht, das Grundgesetz hinsichtlich des Art. 10, der die absolute Verschwiegenheitspflicht garantiert, auch seinerseits beachtet.
({3})
Das Besatzungsstatut ist nicht einseitig aufzufassen in dem Sinne, daß nur die Besatzungsmächte ein Recht haben. Wenn sie es übernommen haben, dafür zu sorgen, daß das Grundgesetz beachtet wird, dann muß auch der Art. 10 des Grundgesetzes, der die Geheimhaltung garantiert, von den Besatzungsmächten beachtet werden.
Der Zustand, wie er zur Zeit besteht, ist meines Erachtens nicht tragbar. Wir können auf die Dauer nicht unter diesem Druck leben, daß es unmöglich ist, mit seinen Kollegen - sei es den Abgeordneten, sei es anderen - in irgendeiner Weise zu sprechen, ohne daß wir überwacht werden.
({4})
- Das mag sein.
({5})
- Das mag sein, Herr Kollege, daß es Ihnen wurscht ist, was sie hören. Aber dagegen, daß ein Dritter, der nicht zum Zuhören berufen ist, doch zuhört, wende ich mich.
({6})
Ganz abgesehen davon, meine Damen und Herren, ist es sehr leicht möglich, daß die Frage akut wird: Wer sitzt denn als Überhörender da?
({7})
Und wer gibt denn die Garantie, daß der Überhörende das, was man sagt, auch tatsächlich versteht,
({8})
und daß man nicht Gefahr läuft, daß das, was er vielleicht falsch versteht, von der anderen Seite, der es übermittelt wird, falsch aufgefaßt wird?
({9})
Diese Gefahr besteht.
Und noch ein Drittes möchte ich am Schluß sagen: Wer überhört? Sind es deutsche Stellen, deutsches Personal, oder ist es alliiertes Personal? Wenn es alliiertes Personal ist, kann ich nichts dagegen einwenden. Ist es aber deutsches Personal, das im Auftrag überhört, so kommt für dieses deutsche Personal meiner Ansicht nach die Bestimmung des Gesetzes vom Jahre 1927 über Geheimhaltung in Frage, und das deutsche Personal macht sich dann, wenn es aus der Überhörung irgend etwas preisgibt, strafbar.
Ich stehe also auf dem Standpunkt: Wir können die Sache drehen und wenden wie wir wollen, ich glaube nicht, daß wir uns in irgendeiner Weise derartig behandeln lassen dürfen, wie wir behandelt werden, und bitte Sie, dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion möglichst einmütig Ihre Zustimmung zu geben.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist tief bedauerlich, daß wir uns zur Zeit mit einem Gegenstand beschäftigen müssen, wie er in der Interpellation Drucksache Nr. 2551 aufgegriffen ist. Vor hundert Jahren hat sich unser Volk über die Zensurvorschriften heiß geredet, und heute wissen wir, daß geheime Stellen der Besatzungsmächte hier eine Methode eingeführt haben, die unserem ganzen Zeitgeist radikal widerspricht.
({0})
Der Interpellant Herr Dr. Mommer hat in ruhiger und sachlicher Form und auch mein Herr Vorredner hat in gleicher Weise auf diese Mißstände hingewiesen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß aus einem großen Teil der Bundesrepublik Klagen dieser Art nicht laut geworden sind, wenigstens soweit ich unterrichtet bin. Es sind nur gewisse Provinzen in unserem Bundesgebiet, in denen die Art, die Methode und die Durchführung einfach untragbar sind.
Die Interpellanten fragen, was die Bundesregierung zu tun gedenke, und der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat gesagt, er verhandele und er hoffe auf eine gütliche und verständnisvolle Erledigung. Ich möchte deshalb nicht auf weitere Fälle eingehen, von denen manche viel peinlicher sind als die, die hier angegeben wurden, sondern möchte die Verhandlungen in diesem Punkte nicht stören. Ich hoffe und wünsche aber, daß die Verhandlungen einen für unseren Standpunkt günstigen Verlauf nehmen.
({1})
Der Herr Bundesminister hat gesagt, er werde dem Hohen Hause unverzüglich Bescheid geben. Dieses „unverzüglich" haben wir ja schon verschiedentlich gehört. Wir wissen nicht, wie lange dieses „unverzüglich" reicht. Ich bin aber der Meinung, daß eine Verzögerung hier nicht tragbar ist. Deshalb haben wir in unserem Antrag auf Umdruck Nr. 327 in einem zweiten Satz erklärt, daß wir, wenn die Verhandlungen bis zum 1. Dezember nicht zum Abschluß gekommen sind, von der Bundesregierung die Vorlage des ganzen Materials verlangen. Dann haben wir eine amtliche Unterlage, um klar und deutlich der Welt zu verkünden, in welcher Form ein Teil der Besatzungsmächte hier Methoden übt, die untragbar sind, wenn man schon will, daß wir in eine europäische Gemeinschaft hineinwachsen sollen. Wir sind ein Rechtsstaat und wollen ein Rechtsstaat an der Seite aller freiheitlichen Völker bleiben. Mit der Freiheit sind diese Art und diese Methode einfach unvereinbar.
Ich möchte dem Hause vorschlagen, daß wir den Antrag der Sozialdemokratie und von unserem Antrag auf Umdruck Nr. 327 den zweiten Teil annehmen, in dem es heißt:
Sollten die Verhandlungen bis zum 1. Dezember 1951 nicht zum Abschluß gekommen sein, so wird die Bundesregierung weiterhin gebeten, dem Bundestag unter Vorlage des Materials umfassend zu berichten.
Ich kann mir nicht denken, daß ein Kulturvolk es noch ertragen kann, wenn Fälle vorkommen, wie sie uns bekanntgeworden und der breiten Öffentlichkeit unterbreitet worden sind.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Die Beschwerden, die in der Interpellation zum Ausdruck kommen und durch die Ausführungen verschiedener Fraktionsredner bereits untermauert worden sind, berühren eine Frage, die nicht erst seit heute aktuell geworden ist, sondern seit Jahren besteht, berühren Dinge, gegen die wir uns immer gewendet haben.
({0}) Es ist kein Zufall, daß seitens der Regierung des Petersberges Methoden angewendet werden, die als Symbol amerikanischer Demokratie bereits seit längerer Zeit Praxis in den Vereinigten Staaten selbst sind. Ich möchte nur an das „Federal Bureau of Investigation" erinnern, jenes berüchtigte Amt für Gesinnungsschnüffelei.
Daß aber die Regierung des Petersberges mit der fadenscheinigen Behauptung „aus Gründen der Sicherheit" solche Methoden gegenüber Deutschland anwenden zu müssen glaubt, das, meine Damen und Herren, ist ja nur eine Folgeerscheinung der Tatsache, daß diese Herren des Petersberges mit Ihrer Zustimmung Maßnahmen treffen, um im Interesse ihrer Politik zu verhindern, daß im deutschen Volk eine Bewegung gegen diese Politik des Petersberges zur Entwicklung kommt. Sie selbst also tragen durch Ihre eigene Haltung mit Schuld daran, daß es überhaupt so weit gekommen ist. Aber das ist nur die eine Seite der Frage.
Die andere Seite ist die: Herr Minister, Sie haben bei der Vereidigung der Regierung auf das Grundgesetz - also auch den Art. 10 des Grundgesetzes - durch Ihren Eid beschworen, daß Sie
das Grundgesetz durchführen und schützen werden.
({1}) Ich möchte nun, nachdem die Herren der Bonner Regierung bereits wiederholt bewiesen haben, wie sie dieses Grundgesetz achten bzw. mißachten, noch einmal auf den Art. 10 zurückkommen, dessen zweiter Satz lautet: „Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden". Herr Minister, ich frage Sie: Besteht ein solches Gesetz? Sie werden mir bestätigen müssen, daß es nicht besteht. Wie kommen Sie dazu, am 26. Juni dieses Jahres unter der Überschrift „An die Postdirektionen; betrifft staatsfeindliche Propaganda" eine vertrauliche Verfügung herauszugeben - ohne Gesetzesgrundlage! -, wonach geschlossene Sendungen, bei denen der dringende Verdacht besteht, daß sie staatsfeindliches Propagandamaterial enthalten, den Zolldienststellen zuzuführen sind und, wie wir aus der Praxis wissen, die beschlagnahmten Ladungen an die Papierfabrik nach Alfeld zu bringen sind.
({2})
Sie haben in dieser vertraulichen Verfügung, zu der Sie keinerlei Rechtsgrundlage haben, darauf hingewiesen, daß insbesondere dann, wenn sich der Inhalt der Pakete infolge beschädigter Verpackung als staatsfeindlich erweise, die Beschlagnahme zu erfolgen habe. Und was bezeichnen Sie als „staatsfeindlich"? Vorschläge über die Bildung des Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates, die Forderung auf Abzug der Besatzungstruppen, Freundschaft mit der Sowjetunion und die Volksbefragung! Herr Minister, Sie haben hier darauf zu antworten, wie Sie dazu kommen, eine solche Verfügung herauszugeben!
({3})
Meine Damen und Herren, wohin das führt, welches die Folgeerscheinungen solcher Maßnahmen sind, sollte Ihnen als Abgeordneten bekannt sein.
({4}) Anläßlich der Weltjugendfestspiele wurden bei Helmstedt 4- bis 5 000 Festspielteilnehmer von der Polizei festgenommen.
({5})
Der Bundestagsabgeordnete Otto Niebergall hat von Helmstedt aus ein Telegramm an die Landtagsfraktion in Hannover, an die Bundestagsfraktion in Bonn und an die Bürgerschaftsfraktion in Hamburg gerichtet
({6})
mit der Aufforderung, Einspruch zu erheben und
die Freilassung der Festgenommenen zu fordern.
({7})
Der Postbeamte in Helmstedt hat es gewagt, dieses Telegramm eines Bundestagsabgeordneten festzuhalten und nicht weiterzubefördern. Herr Minister, wir verlangen von Ihnen,
({8})
daß diese Verfügung unverzüglich aufgehoben wird und daß gegen die Beamten vorgegangen wird, die sich unter Bruch des Grundgesetzes anmaßen, eine politische Zensur zu üben.
({9})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Dr. Mommer ({0}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß in diesem Hause immer wieder festgestellt werden, daß die äußerste Linke kein Recht hat, in solchen Dingen überhaupt nur das Wort zu nehmen.
({1})
Ich habe eben festgestellt, daß in der von der SED
beherrschten Zone der Spitzel allgegenwärtig ist.
Wir können Ihnen durch die 1,3 Millionen Flüchtlinge, die wir hier haben, hundertfach beweisen,
daß drüben die Kinder gegen ihre eigenen Eltern
als Spitzel eingesetzt werden. Halten Sie hier also
den Mund, wenn von solchen Dingen die Rede ist!
({2})
- Halten Sie jetzt den Mund!
({3})
Nun zur Sache! Wir sind mit der Beantwortung der Interpellation durch den Herrn Bundesminister nicht zufrieden. Herr Bundesminister, warum machen Sie von vornherein die Konzession, daß es Telephon- und Postüberwachung geben könne, die aus militärischen Gründen wirklich notwendig sei? Haben Sie sich vielleicht einmal erkundigt, wie das in Frankreich geregelt ist? Dort sind französische Truppen, und dort sind auch amerikanische Truppen. Und wenn es da einen Unterschied zwischen uns und da drüben geben sollte, dann können Sie daran sehen, was bei uns Besatzungsregime und was da drüben freie Abmachung zwischen zwei freien, gleichberechtigten Staaten ist.
Herr Müller glaubte, hier von den USA reden zu können. Ich war damals einmal in den Staaten, als gerade ein großer Skandal losging, weil die FBI - das, nun, sagen wir: Nachrichtenbüro - Telephone angezapft und Gespräche abgehört hat.
({4})
Da gab es einen Riesenskandal in der freien Presse dieses Landes. Soviel ich weiß, sind die Dinge abgeschafft worden.
({5})
In einer Demokratie erträgt man das nicht, auch wenn es aus militärischen Gründen gerechtfertigt wäre. Die Militärs sollen es sich nicht so leicht machen, Herr Minister! Wenn sie etwas wissen müssen, dann können sie das unter Beachtung der demokratischen Grundsätze tun.
({6})
Wenn sie das tun, dann soll es uns recht sein; aber sie sollen unsere Verfassung nicht zum Gespött machen.
({7})
Mit solchen Methoden, wie sie im Dritten Reich üblich waren, wie sie bei Ihnen da drüben ({8}) täglich geübt werden, kann jeder Esel Geheimpolizist sein.
({9})
Man sollte mit seinem Verstand versuchen, etwas mehr herauszubekommen, und nicht durch Verletzung demokratischer Grundsätze, die man andererseits zu schützen und zu fördern vorgibt.
Auch Ihr Optimismus, Herr Bundesminister, erscheint uns ungerechtfertigt zu sein. Sie meinen, wenn man mit ihnen recht nett redet und ihnen von vornherein Konzessionen macht, wird man das Minimum erreichen, daß man z. B. die Abgeordneten nicht mehr abhört, weil die ja eben am
meisten Lärm schlagen können. Mit so wenig sollten wir uns nicht zufriedengeben. Wir sollten zäh verhandeln, und wir sollten vor allem das Problem auf die Ebene heben,. auf die es gehört, nämlich die rechtliche.
Ich will mich nicht wiederholen. Ich habe dargetan, daß keine Rechtsgrundlage für dieses Vorgehen der Besatzungsmächte vorhanden ist. Und nur auf dieser Ebene sollten wir verhandeln. Es ist j a nicht das erste Mal, Herr Minister, daß wir feststellen, daß Sie sozusagen allzuleicht alles für bare Münze nehmen, was Ihnen von den Besatzungsmächten gesagt wird. Vor einigen Wochen haben wir hier von den Posttarifen zum Saargebiet gesprochen und festgestellt, daß so etwas mit Gesetzeskraft auf Grund eines geheimen Briefwechsels zwischen den Behörden der Hohen Kommission und dem deutschen Postministerium verordnet wird. Die Herren sollen sich rechtsstaatliche Methoden hier in Deutschland angewöhnen, so wie sie uns gelehrt haben. Es ist einmal ganz gut, wenn wir gelehrige Schüler sind und von ihnen verlangen, daß sie sich an ihre eigenen Lehren halten.
In diesem Sinne möchte ich den Antrag der SPD-Fraktion wiederholen, daß der Herr Außenminister und Bundeskanzler über diese Verletzung des Besatzungsstatuts mit der Hohen Kommission verhandelt und daß die Zensur abgeschafft, ganz abgeschafft wird.
({10})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt der Antrag der Fraktion der SPD vor, der von Herrn Abgeordneten Dr. Mommer verlesen worden ist. Ich brauche ihn nicht zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Dann liegt ein Antrag der FDP Umdruck Nr. 327 vor. Herr Abgeordneter Kohl ({0}) hat eben erklärt, daß der erste Satz durch Annahme des Antrags der SPD erledigt sei, also zurückgezogen würde. Wir haben also nur über den zweiten Satz abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit derselben Mehrheit angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde. ({1}).
Nach den Besprechungen im Ältestenrat soll bei dieser Angelegenheit die schriftliche Begründung als ausreichend angesehen und auf eine Aussprache verzichtet werden. Ich schlage daher die Überweisung an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({2}).
({3})
Auch hier soll die schriftliche Begründung als ausreichend angesehen und auf eine Aussprache zur ersten Beratung verzichtet werden. Ich schlage Ihnen die unmittelbare Überweisung an den Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 5 a und b der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Enteignung und Überführung der Grundstoffindustrien in die Hand des Volkes ({4});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verbot des Umtausches von Aktien der neugegründeten „Einheitsgesellschaften" in der Montanindustrie gegen Aktien aus früherem Aktienbesitz ({5}).
Der Ältestenrat hat hier 30 Minuten Begründungszeit für beide Anträge und 90 Minuten für die Aussprache vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. - Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Agatz.
Agatz ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, vor Ihnen einen Antrag meiner Fraktion auf Herbeiführung eines Gesetzes über die Enteignung und die Überführung der Grundstoffindustrien in die Hand des Volkes zu begründen. Dieser unser Antrag betrifft eine Frage, die schnellstens gelöst werden muß, wenn unser Volk leben und eine gesicherte Zukunft haben will.
Nach 1945, nach den schrecklichen Erfahrungen des zweiten Weltkrieges, war es ein wesentliches Anliegen unseres ganzes Volkes, eine Änderung der Eigentumsverhältnisse in der Grundstoffindustrie herbeizuführen. In unseren werktätigen Schichten, vor allem in der Arbeiterklasse, wurde mit aller Schärfe die Forderung nach Entmachtung und Enteignung der deutschen Konzernherren gestellt. Diese Forderung entsprang der richtigen Erkenntnis, daß diese Herren entscheidend an der Vorbereitung von zwei Weltkriegen beteiligt waren. Schon nach dem ersten Weltkrieg wurde die unheilvolle Rolle dieser wirtschaftlichen Machthaber in Deutschland von breiten Teilen des Volkes erkannt. Eine der ersten Maßnahmen der damals einberufenen Nationalversammlung, aus der die Weimarer Republik hervorging, war die Einsetzung einer sogenannten Sozialisierungskommission. Damals gelang es den Herren von Kohle, Eisen, Stahl und Chemie, ihre Besitzrechte an der Grundstoffindustrie erfolgreich zu verteidigen; ja es gelang ihnen sogar, ihre wirtschaftliche Macht zu festigen und auszubauen und so zur entscheidenden politischen Macht in der Weimarer Republik zu werden. Weil sie die Besitzer der Grundstoff-industrien Deutschlands waren, weil sie damit die deutsche Wirtschaft beherrschten, konnten sie den entscheidenden Einfluß auf die politische Entwicklung der Weimarer Republik ausüben. Rückschauend kann heute einwandfrei nachgewiesen werden, daß es die deutschen Konzernherren waren, die die Weimarer Demokratie unterhöhlten, die den Nationalsozialismus züchteten und unser Volk dann in den zweiten Weltkrieg stürzten.
({7})
Dieser zweite Weltkrieg war die Krönung ihrer Zielsetzung. Sie wollten die Herren Europas, ja die Herren der ganzen Welt werden. Die Vorbereitungen und die Durchführung des zweiten Weltkrieges brachten diesen Herren gewaltige Profite ein. Mit ihren steigenden Gewinnen wuchs auch der Umfang ihrer Konzerne und damit die politische Macht dieser deutschen Monopolherren. Der zweite Weltkrieg, das verbrecherische Werk der deutschen Monopolherren, forderte von der ganzen Menschheit höchste Opfer an Gut und Blut und stürzte unser Volk in eine Katastrophe unerhörten Ausmaßes. Darum möchte ich unserem hier vorliegenden Antrage folgende Präambel vorausschicken.
Um zu verhindern, daß die alten Besitzer der Betriebe der Grundstoffindustrien, die den ersten und den zweiten Weltkrieg vorbereitet und ausgelöst haben, erneut die Möglichkeit erhalten, durch Zusammenballung von Besitz monopolistische Machtgebilde zu schaffen, die das gesamte wirtschaftliche, soziale und politische Leben beeinflussen und beherrschen, um zu verhindern, daß die Inhaber dieser Konzerne das deutsche Volk in einen neuen Weltkrieg verwickeln, um zu verhüten, daß die Betriebe der Grundstoffindustrien mittels des Schumanplans von deutschen und ausländischen Monopolherren als Instrument der Kriegsrüstung mißbraucht werden, darum muß das von uns beantragte Gesetz beschlossen und durchgeführt werden.
Niemand hier im Hause wird bestreiten, daß nach 1945 die übergroße Mehrheit unseres Volkes gefordert hat, daß die verbrecherischen Konzernherren, die Krupp, Flick, die Direktoren der IG-Farben und andere zur Verantwortung gezogen und bestraft werden sollten. Es wurde gefordert, sie zu entmachten und ihnen ihren Besitz, den sie in den Dienst des Unheils für unser Volk gestellt hatten, zu nehmen, um neuem Unheil vorzubeugen. Im Bewußtsein unseres Volkes steht fest, daß die Konzernherren schuldig sind an der Herbeiführung der beiden Weltkriege. Noch 1947 hat selbst der amerikanische Hauptankläger in Nürnberg, General Taylor, diese Tatsachen festgestellt. Ich möchte aber nicht unterlassen, hier zu betonen, daß wir es nicht für eine Aufgabe fremder Mächte, sondern einzig und allein als die Aufgabe unseres Volkes ansehen, diesen Kriegsverbrechern den Prozeß zu machen und sie an der Wiederholung ihrer alten verbrecherischen Taten zu hindern.
({8})
Entgegen dem klaren Wollen unseres Volkes und den früheren Behauptungen und Versicherungen der Besatzungsmächte - das müssen wir heute feststellen - sind die Konzernherren schon wieder im Besitz der wirtschaftlichen Macht. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich veranlaßt gesehen, mit der Einstellung seiner Mitarbeit in den wirtschaftlichen Gremien zu drohen, und hat seine Haltung unter anderem damit begründet, daß die wirtschaftliche Entwicklung gekennzeichnet sei durch eine allgemeine Restauration alter reaktionärer Kräfte. Er hat den Satz hinzugefügt: „Die zunehmende Radikalisierung von rechts ist eine für den Bestand unserer jungen Demokratie nicht zu unterschätzende, ernste politische Folge dieser unheilvollen Entwicklung". Ich möchte diese Feststellungen unterstreichen. Es ist so, daß die Konzernherren im Besitze der wirtschaftlichen Macht jetzt schon wieder entscheidenden politischen Einfluß auf die Bundesrepublik und die AdenauerDeutscher Bundestag - 16^. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Oktober 1951 6859
({9})
Regierung ausüben. Ja, die gesamte Politik der
Adenauer-Regierung stellt diese als die beste Sachwalterin der Interessen der Monopolisten heraus.
({10})
Die Politik der Adenauer-Regierung hat die Position der monopolkapitalistischen Kräfte in Westdeutschland wesentlich verstärkt. Es ist darum auch kein Wunder, wenn heute in verstärktem Maße versucht wird, die kriegsverbrecherischen deutschen Monopolherren reinzuwaschen. Dazu ist zu sagen, daß sich diejenigen, die das tun, mitschuldig machen an den alten und den neuen Verbrechen, die diese Kriegstreiber begangen haben und heute wieder begehen. Diesmal sehen wir sie allerdings im Bunde mit den Herren der amerikanischen Stahl- und Chemietrusts, mit den Herren der Wallstreet gemeinsam das verbrecherische Geschäft der Vorbereitung eines dritten Weltkrieges betreiben. Daraus entwickelt sich für unser Volk eine ungeheure Gefahr. Darum ist es ein zwingendes Gebot der Stunde, diesen Konzernherren das schreckliche Handwerk zu legen und die Grundstoffindustrien in die Hand des Volkes zu legen.
Die Industriezweige, die von diesem unserem Gesetzesantrag betroffen werden, bilden die Lebensgrundlage der deutschen Wirtschaft. Die alten und neuen Konzernherren, die von den amerikanischen Bankiers und Stahlmagnaten ihre alten Positionen zurückerhalten haben, sind heute dabei, diese deutschen Grundstoffindustrien in den Dienst der amerikanischen Kriegspläne zu stellen. Damit wird unsere Schwerindustrie an ausländische und deutsche Rüstungsmagnaten ausgeliefert. Die Erhaltung der Grundstoffindustrie für den friedlichen Aufbau ist aber für das deutsche Volk eine Frage von Leben und Tod geworden.
Herr Berg, der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie, erklärte nach seiner Rückkehr von Amerika, es sei seine Aufgabe, die Voraussetzungen und Grenzen einer deutsch-amerikanischen wirtschaftlichen Zusammenarbeit festzustellen, die sich aus einem deutschen Verteidigungsbeitrag ergeben könnten.
({11})
Heute schon spürt unser Volk die ganzen schweren Folgen dieser verderblichen Politik. 6,2 Millionen Tonnen Kohle pro Vierteljahr zuzüglich 6,5 Millionen Tonnen Besatzungsbedarf pro Jahr werden infolge dieser Kriegsrüstungspolitik unserer Wirtschaft und unserem Volk entzogen.
Die Folgen davon spürt nicht nur die Bevölkerung in der katastrophalen Versorgung mit Hausbrandkohle, sondern auch unsere Friedensindustrie in der geradezu lächerlich geringen Versorgung mit Kohle und Stahl. Daraus hat sich ein schwarzer und grauer Markt für Kohle und Stahl entwickelt, auf dem skrupellose Schieber höchste Gewinne für diese begehrten Produkte erzielen. Heute begreift auch der Dümmste, daß der Marshallplan, der dem deutschen Volk Aufstieg und Wohlstand versprach, uns in eine neue Katastrophe hineinzubringen droht. Heute erkennen wir den Preis, den wir für diese sogenannte amerikanische Hilfsbereitschaft und Mildtätigkeit zu bezahlen haben. Es ist der Preis des Blutes unserer Menschen und der Vernichtung unseres Landes.
Hat uns der Marshallplan in das System des aggressiven Atlantikpaktes verstrickt, so ist der Schumanplan die Zusammenfassung der europäischen und auch der deutschen Schwerindustrie zu einem riesigen Rüstungskonzern. Dem deutschen Volk wird damit seine Grundindustrie geraubt. Der
deutschen Friedensindustrie wird durch diese Maßnahme nicht nur jede Möglichkeit für eine aufsteigende Entwicklung genommen, sondern sie wird gedrosselt und damit in ihrer Existenz bedroht.
Herr Generaldirektor Dr. Northoff vom deutschen Volkswagenwerk wie auch Vertreter unserer Schiffbauwerften haben erst in den letzten Tagen zu diesem Thema interessante Mitteilungen gemacht. Alle Tage wird unser Volk von den ausländischen und den deutschen Konzernherren vor neue verderbenbringende Tatsachen gestellt. Das, was man in der Stahl- und Kohlenindustrie mit Entflechtung bezeichnet, ist in Wirklichkeit eine neue Konzentration des Monopolkapitals und der monopolkapitalistischen Kräfte. Die Börsen verzeichnen diese Entwicklung mit einem steigenden Kurs der Konzernaktien. Es ist bezeichnend, daß diese heute generell über pari stehen. Zum Beispiel stehen die Aktien der Vereinigten Stahlwerke bei 125, und der Hoesch-Konzern kann 120 verzeichnen. Die Konzernherren haben also ihren Besitz nicht nur erhalten, sondern noch vermehrt, während die Massen der kleinen Sparer 93,5 % ihrer Ersparnisse durch die Währungsreform einbüßten.
Heute ist es offensichtlich, daß die sogenannte Entflechtung eine wohlgeplante Aktion der Monopolherren zur Festigung und Erweiterung ihres Reichtums und ihrer Macht ist. Heute schon wird ganz offen darauf Kurs genommen, die Aktien der Altkonzerne in Aktien der neugebildeten Kerngesellschaften umzutauschen. Nachdem also mit den Steuergroschen des Volkes und durch die fleißige Arbeit der aufbauwilligen und fortschrittlichen Kräfte die Kriegsschäden an der Grundstoffindustrie beseitigt, neue Kapazitäten erstellt wurden und der Reichtum der Konzerne wesentlich vermehrt wurde, treten nunmehr die Konzernherren wieder offen als die Eigentümer dieses Besitzes auf den Plan.
Die kommunistische Fraktion hat aus diesem Grunde einen weiteren Antrag eingebracht. Dieser besagt, daß der Umtausch von Aktien der neugegründeten Einheitsgesellschaften in der Montanindustrie gegen Aktien aus früherem Aktienbesitz verboten werden muß. Dieser Antrag wendet sich an den Bundestag, die Regierung zu beauftragen, den Willen des Bundestags den Hohen Kommissaren mitzuteilen, einen solchen Umtausch von alten Aktien in Aktien der neugegründeten Einheitsgesellschaften zu verhindern.
In diesem Zusammenhang müssen wir auf die geplante Investitionshilfe aufmerksam machen, die aus den Mitteln der Klein- und Mittelindustrie für die Konzernherren gegeben werden soll. Da kann man nur sagen,. daß die Kleinen für die Großen weiter bluten sollen. Viele Milliarden haben die Monopolisten an dem Fleiß der Arbeiter verdient, indem sie nach 1945 den Lohnanteil an der Produktion systematisch gesenkt und ihren Gewinnanteil skrupellos erhöht haben. Die Beteiligung am amerikanischen Kriegsrüstungsgeschäft brachte und bringt weitere Milliarden. Die Konzernaktien steigen. Gegenüber dem Stand von 1948 haben sich die Kurse für Aktien der Kohle- und Eisenindustrie bereits verdreifacht, ja vervierfacht und verfünffacht. Von ihrer Adenauer-Regierung fordern die Konzernherren jetzt, daß sie der Friedensindustrie Milliarden nimmt, um sie ihnen, den Monopolisten, als Investitionshilfe zu geben, um so ihren Reichtum, ihren Einfluß und ihre Macht noch zu vermehren.
({12})
Unsere Konzernherren wissen vor allem auch ihre internationalen Verbindungen zu ihrem schmutzigen Vorteil auszunutzen. Sie haben nicht nur ihren Verbandsvorsitzenden Herrn Dr. Berg, sondern auch ihren Wirtschaftsminister Erhard nach Amerika geschickt.
({13})
Klar zeigt die Generalklausel des Washingtoner Abkommens, welche Fäden dort gezogen wurden. An den gegenwärtigen Besitzverhältnissen in Westdeutschland soll nicht gerührt werden, weil die Amerikaner das nicht wollen, weil sie in den deutschen Konzernherren Bundesgenossen haben, die ihnen helfen, den dritten Weltkrieg vorzubereiten. Das ist der Sinn des Washingtoner Abkommens.
({14})
Darum ist es entgegen allen nationalen Interessen unseres Volkes, wenn Dr. Adenauer auf der Grundlage dieses Abkommens Geheimverhandlungen mit den Hohen Kommissaren führt. Uns Deutsche kann und darf das Washingtoner Abkommen nicht davon abhalten, das zu tun, was unserem Volke dient. Das Lebensinteresse unserer Wirtschaft und unseres Volkes verlangt gebieterisch eine Sicherung unserer deutschen nationalen Interessen durch die Wiederherstellung und Wahrung der nationalen Souveränität unseres Volkes. Es ist darum höchste Zeit, daß das deutsche Volk und seine Gesetzgebungskörperschaften in die von aus- und inländischen Monopolisten herbeigeführte gefährliche Entwicklung entschlossen eingreifen und daß sie unsere Grundstoffindustrie vor der Verschacherung an das Ausland schützen und sie in den Dienst einer friedlichen deutschen Arbeit und eines friedlichen deutschen Aufbaues stellen.
Diese Absicht lag und liegt nach wie vor dem Bemühen aller fortschrittlichen deutschen Kräfte zugrunde. Vor allem haben die vielen Millionen deutscher Gewerkschaftsmitglieder immer wieder gefordert, daß die Grundstoffindustrie in die Hand des Volkes gehört. Diese Forderungen haben die deutschen Gewerkschaften auf einer ihrer Interzonentagungen erhoben und in Beschlüssen festgelegt. Im Osten unserer Heimat ist dieser Beschluß verwirklicht,
({15})
im Westen noch nicht. Leider haben eine Reihe von Gewerkschaftsführern sich für diesen Beschluß nicht mit der nötigen Energie eingesetzt. Es genügt nicht, daß der DGB in seinem Beschluß über die Einstellung der Mitarbeit in den wirtschaftspolitischen Gremien auf die Gefahr der Restauration der alten reaktionären monopolkapitalistischen Kräfte hinweist.
({16})
Es fehlt hier die Konsequenz in der Durchsetzung der Forderung der Gewerkschaftsmitglieder nach Entmachtung dieser reaktionären Kräfte durch die Millionenkraft der Gewerkschaften.
({17})
Wie des öfteren schon mitgeteilt wurde, hat auch die SPD-Fraktion dieses Hauses einen Antrag ähnlich dem unseren in Vorbereitung. Wir sind gespannt darauf, wann dieser Antrag hier erscheint. In der Presse konnten wir letztens lesen, daß maßgebliche SPD-Führer bereit sind, diesen Antrag einer Eingliederung der deutschen Monopolindustrie in die amerikanische Kriegsrüstungsfront zu opfern. Ich weiß, daß dieses nicht dem Wollen der Millionen
Mitglieder und Anhänger der Sozialdemokratischen Partei und vor allem nicht dem Wollen der Millionen Gewerkschaftler in Westdeutschland entspricht. Diese wollen eine friedvolle Entwicklung; diese wollen keine Militarisierung; diese wollen keine Kriegsrüstung. Sie wollen friedliche Arbeit, friedlichen Aufbau und eine gesicherte Zukunft. Diese friedliche Zukunft dem ganzen deutschen Volke zu geben, das ist der Sinn und der Zweck unseres Antrags.
({18})
Wir treten in die Beratung ein, und zwar in die Beratung des Antrags Drucksache Nr. 2570 und in die erste Lesung des Gesetzentwurfs auf Drucksache Nr. 2571. Ich nehme an, daß die Damen und Herren, die zu diesem Antrag sprechen wollen, zu beiden Anträgen zugleich sprechen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schöne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich, im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner, mit etwas mehr Liebe dem Antrag Drucksache Nr. 2570 zuwenden. Auf den ersten Blick scheint der Antrag der kommunistischen Fraktion überholt zu sein, insbesondere durch die Drucksache Nr. 2424, die sich bereits zur Beratung im Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes und im Ausschuß für Wirtschaftspolitik befindet.
({0})
- Ich kann nichts dafür, wenn es Ihnen so scheint; dann müssen Sie besser aufpassen.
({1})
Es kann aber nützlich sein, im Anschluß an diesen Antrag der KPD einmal eine kurze Betrachtung der Tatsachen und der Zusammenhänge auf dem Gebiet der Montanwirtschaft anzustellen.
Zunächst scheint es mir notwendig zu sein, daß man sich noch einmal die verschiedenen Willenserklärungen des Hohen Hauses zur Frage der Neuordnung der Montanwirtschaft vor Augen führt. Die allgemeine Grundlinie wird ja wohl durch die Regierungserklärung bestimmt. So sagte am 20. September 1949 der Herr Bundeskanzler wörtlich:
Die soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft macht eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundindustrien notwendig.
Herr Kollege von Brentano kommentierte diese Worte am Tage darauf, indem er sagte:
Aus dieser Erklärung glaubte Herr Dr. Schumacher schließen zu können, daß die Regierung etwa bestrebt sei, Besitzverhältnisse früherer Besitzer wiederherzustellen. Ich glaube, wer das liest, kann es gar nicht mißverstehen, wenn er es nicht mißverstehen will.
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, aus dieser Grundlinie, der allgemeinen Tendenz, wie ich sie Ihnen an diesen beiden Zitaten eben zeigte, entsprangen die Drucksachen Nr. 109 und 472, d. h. jene Drucksachen, die sich mit der Vorlage eines Gesetzes über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Kohlenindustrie beschäftigten. Ich darf hierzu feststellen, daß bis zum heutigen Tag von diesem Neuordnungsgesetz für Kohle bisher noch nicht einmal die Umrisse zu erkennen sind.
({2})
Eine besonders markante Linie erhielt nun die Frage der Neuordnung der Eisen- und Kohiewirtschaft im Oktober und November des vergangenen Jahres. Seinerzeit brachte meine Fraktion unter Nr. 1549 einen Antrag ein, der im wesentlichen folgende Punkte beinhaltete: Erstens erinnerte er an die Vorlage eines Eigentums-Neuordnungsgesetzes Kohle, zweitens verlangte er die Vorlage eines entsprechenden Gesetzes für die Eisenwirtschaft, und drittens forderte er die Bundesregierung auf, bis zur Vorlage dieser beiden Gesetze jegliche Präjudizierung zu vermeiden.
Um diesen Antrag richtig werten zu können, ist
es vielleicht notwendig, das - ich möchte sagen Klima zu rekonstruieren, aus dem heraus der Antrag seinerzeit im November geboren wurde. Herr
Kollege Henßler sagte damals zur Begründung:
Auf Grund verschiedener Veröffentlichungen
ist anzunehmen, daß in den Durchführungsbestimmungen zum Gesetz 27 auch Aktienangelegenheiten - sei es Austausch von Aktien
oder Neuausgabe oder Entschädigung - eine
Regelung finden sollen. Darüber aber müßte
doch eigentlich Einmütigkeit bestehen, daß
diese Frage nur im Zusammenhang mit der
Regelung der Eigentumsfrage gelöst werden
kann.
Als einziger Sprecher gegen den Antrag erklärte seinerzeit der Kollege von Rechenberg wörtlich folgendes:
Daher würde die Bundesregierung . . . ihre Pflicht nicht erfüllen, wenn sie ... jetzt nicht alles täte, um die Neuordnung auf einen Weg zu führen, der das Privateigentum nach Möglichkeit schützt. Das sind die Gründe, aus denen heraus die FDP ... den Antrag der SPD ablehnen muß.
Nun, meine Damen und Herren, der Antrag wurde damals vom Hohen Hause angenommen, und die Annahme dieses Antrages Nr. 1549 verpflichtete die Bundesregierung, die Neuregelung des Eigentums nicht im Sinne einer Privatisierung zu präjudizieren.
Es ist nicht ganz uninteressant, diesen Betrachtungen über die deutsche Willensbildung hinsichtlich der Eigentumsneuordnung in der Montanindustrie die Auffassung der alliierten Gesetzgeber an die Seite zu stellen, die ja für die Abfassung des Gesetzes 75 und später 27 verantwortlich sind. So sagt der General Clay - ich darf aus seinem Buch einen Satz zitieren -:
Die Unternehmen,
- der Eisen- und der Kohlenwirtschaft die bei dem Umbau gebildet werden, sind so lange treuhänderisch zu verwalten, bis eine freigewählte westdeutsche Regierung über die Eigentumsverhältnisse dieser Industrien entschieden hat.
Und in einer Sitzung des britischen Unterhauses am 27. Juli 1951 erklärte der Sprecher der Regierung wörtlich:
Der britische Hohe Kommissar war beauftragt, den Standpunkt zu vertreten, daß die deutsche Bundesregierung nach Gesetz 27 verpflichtet sei, eine allgemeine Entscheidung über die Art des Eigentums dieser Industrien zu treffen, bevor irgendwelche Aktien an den neuen Gesellschaften ... an Aktionäre verteilt wurden.
Es ist ganz interessant, festzustellen, daß sich sowohl die alliierten Gesetzgeber wie auch das Hohe
Haus in völliger Übereinstimmung befanden.
Nun kam es im März dieses Jahres zu einer Überlegung bei der Alliierten Hohen Kommission, wie man es denn im Hinblick auf diesen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 7. Dezember des vergangenen Jahres mit dem Aktientausch für die neu zu gründenden Eisenkerngesellschaften handhaben solle. Die Hohe Kommission bat einen Vertreter der deutschen Bundesregierung zu einer Rücksprache. Diese Rücksprache hat am 5. April 1951 stattgefunden, und wenn wir richtig unterrichtet sind, ist der Vertreter der Regierung der Herr Bundeskanzler selber gewesen. Nach alliierten Berichten soll der Vorsitzende der Alliierten Hohen Kommission den Herrn Bundeskanzler befragt haben, wie denn die Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf die vom Bundestag im Dezember angenommene Entschließung vom November sei; das ist diese Entschließung, deren wesentlichste Punkte ich vorhin dargelegt habe. Nach alliierten Berichten soll der Herr Bundeskanzler darauf geantwortet haben - ich zitiere -:
Ein Vorschlag zur Nationalisierung könnte nur
von der SPD kommen. Seine Meinung sei:
wenn die Bundesregierung eine Vorlage über
eine Nationalisierung einbringen würde, präjudiziere dies und stände im Gegensatz zu der
Bundestagsentschließung gemäß Vorlage vom
2. November 1950.
Nun, meine Damen und Herren, diese Interpretation scheint mir sehr merkwürdig zu sein, und ich glaube, es besteht Veranlassung, die Bundesregierung von diesem Platz aus erneut darum zu bitten, uns doch endlich einmal den genauen Wortlaut der Besprechung vom 5. April bei der Hohen Kommission zu geben.
Diese Aussprache bei den Hohen Kommissaren überzeugte den britischen Hohen Kommissar immer noch nicht, und die beiden anderen Kommissare beschlossen dann mit Mehrheit das Schreiben, das am 24. Mai herausging und in dem stand, daß die Alliierte Hohe Kommission beschlossen hat, daß Aktien der neuen Gesellschaften an Privatpersonen herausgegeben werden sollen, sobald die neuen Gesellschaften gebildet werden.
Das, meine Damen und Herren, als historisch und sachlich völlig einwandfreien Beitrag zu der Frage des Aktientausches! Ich glaube, daß diese Worte anläßlich des vorliegenden KP-Antrages gesprochen werden sollten, weil sie deutlich machen, daß manche Darstellungen in dem Antrag Nr. 2570 nicht ganz den Tatsachen entsprechen, und weil ich der Meinung bin, daß man hier aussprechen soll, der Ausschuß gemäß Art. 15 und der Wirtschaftsausschuß sollten sich mit diesem Antrag Nr. 2570 in Verbindung mit den von mir geschilderten Tatsachen beschäftigen. Ich darf namens meiner Freunde Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß gemäß Art. 15 und an den Wirtschaftsausschuß beantragen.
Zu der Drucksache Nr. 2571 darf ich ganz kurz folgendes erklären. Die Sozialisierung der Grundindustrien ist eine Sache, ich möchte sagen, des Herzens und des klaren Willens der SPD. Mit einer Sozialisierung allerdings, wie meine Freunde sie sich vorstellen und wie meine Freunde sie in absehbarer Zeit dem Hohen Hause in einem Gesetzentwurf vorschlagen werden, - mit einer solchen Sozialisierung hat der Antrag Nr. 2571 der KP überhaupt nichts zu tun. Wenn der Kollege Agatz vorhin sagte, daß die SPD wohl ein „ähnliches Gesetz" in Vorbereitung habe, dann möchte ich darauf erwidern: zu einem solchen Produkt der Unvoll({3})
kommenheit, der Oberflächlichkeit und der Komposition von Oberflächlichkeit und Agitation wird
sich im allgemeinen kein Sozialdemokrat hergeben!
({4})
Mit Sozialisierung hat also dieser Antrag gar nichts zu tun.
Nur ein paar Worte dazu. Es ist eigentlich nur eine Sammlung von ein paar Paragraphen. In § 1 hat man alles addiert, was an irgendwie interessanten Komplexen vorhanden ist. In § 2 ist man zu einer Zwischenlösung gekommen, indem man einen Ausschuß einsetzen will, der eine Mischung zwischen Legislative und Exekutive darstellt. In § 3 drückt man sich um die Bestimmung des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes herum, nämlich um die Bestimmung der Entschädigung, obwohl sich die Kommunisten selber im Landtag von NordrheinWestfalen so besonders warm für eine Entschädigung bei der Montanindustrie an die sogenannten Kleinaktionäre eingesetzt hatten.
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 2571 ist hiernach nichts weiter zu sagen. Auch der Begründung der KPD zu diesem Antrag ist meines Erachtens nichts weiter hinzuzufügen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, zu der Frage selbst zu sprechen, sondern möchte zu Punkt 5 a der Tagesordnung beantragen, über den Antrag Drucksache Nr. 2571 zur Tagesordnung überzugehen, und zu Punkt 5 b den Antrag wiederholen, den Herr Kollege Schöne gestellt hat.
({0})
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Agatz.
({0})
- Er hat das Recht, zu dem Antrag zu sprechen. Er hat vorhin nur die Vorlage begründet.
Nur ein paar Bemerkungen zu dem Antrag. Ich möchte vor allen Dingen dem eben gestellten Antrag widersprechen. Ich glaube, es handelt sich hier wirklich um ein Anliegen, das entscheidende Interessen, ja sogar Lebensinteressen unseres Volkes betrifft. Entweder wir schaffen nun eine Änderung in der Grundstoffindustrie oder wir gehen den gleichen Weg, den die Weimarer Republik, d. h. unser Volk in der Weimarer Republik über Hitler gegangen ist, den Weg in die Katastrophe. Das wollen wir verhindern, Herr Dr. Schöne, und darum haben wir es eilig mit dieser Sache. Wie können Sie mir sagen, daß wir oberflächlich seien? Es ist auch nach 1918 geredet worden; ganze Bücher füllten sich mit den Reden über Sozialisierung. Sie können das heute alles noch irgendwo finden. Aber was ist hinterher gekommen? Der zweite Weltkrieg! Wer hat ihn organisiert? Die Konzernherren, und sie sind dabei, heute den dritten zu organisieren! Das wollen wir verhindern, und darum haben wir unseren Antrag gestellt, darum wünschen wir, daß der Bundestag
I im Bewußtsein seiner Verantwortung vor unserem Volk zu dieser Lebensfrage ein entscheidendes Wort spricht.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Antrag zu Punkt 5 a abstimmen. Es ist der Antrag gestellt, zur Tagesordnung überzugehen. Über diesen Antrag ist zunächst abzustimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? ({0})
Es ist beschlossen, zur Tagesordnung überzugehen.
({1})
Abstimmung zu 5 b. Es ist die Überweisung an den Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt. Wer für die Überweisung des Antrages an diese beiden Ausschüsse ist - federführend wohl der Ausschuß nach Art. 15 -, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({2}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Notarordnung für das Land Rheinland-Pfalz ({3}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Etzel als Berichterstatter.
Dr. Etzel ({4}) ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 74 Ziffer 1 des Grundgesetzes ist das Notariat Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung. Ein bebonderer Vorbehalt ist in Art. 138 für das Notariat in den Ländern Baden, Bayern, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern gemacht.
Die am 6. September 1949 im Gesetz- und Verordnungsblatt der Landesregierung Rheinland-Pfalz verkündete Notarordnung vom 3. September 1949 ist nach Art. 125 des Grundgesetzes partikulares, d. h. nur in einem Teil des Bundesgebiets, nämlich in dem Lande Rheinland-Pfalz geltendes Bundesrecht geworden. Im Rahmen des partikularen Bundesrechtes ist die Bundesgesetzgebung ausschließlich. Die in dem Antrag der Fraktion des Zentrums Drucksache Nr. 2171 in Anspruch genommene Zuständigkeit des Bundestags ist also verfassungsrechtlich gegeben.
Die Notarordnung hat die linksrheinisch geltende Trennung zwischen Notariat und Rechtsanwaltschaft im rechtsrheinischen Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz eingeführt, gleichzeitig aber in § 8 eine Übergangsregelung getroffen. Er bestimmt:
Soweit Notare bisher schon als Rechtsanwälte bei einem bestimmten Amtsgericht zugelassen waren ({6}) oder soweit Rechtsanwälte für die Dauer ihrer Zulassung bei einem bestimmten Gericht als Notare zu nebenberuflicher Amtsausübung bestellt worden sind ({7}), behält es dabei sein
({8})
Bewenden. Eine Neubestellung von Notaranwälten oder Anwaltsnotaren findet nicht statt.
Hiernach sollen die bestehenden Verbindungen zwischen Notariat und Anwaltschaft auch weiterhin aufrechterhalten, künftighin aber Zulassungen von Notaren als Rechtsanwälte und Neubestellungen von Rechtsanwälten zu Notaren nicht mehr erfolgen können.
Der Antrag der Zentrumsfraktion will, daß die in dem rechtsrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz vor dem Inkrafttreten der Notarordnung vorhanden gewesene Rechtslage wiederhergestellt wird. Der zweite Satz des § 8 soll gestrichen und durch folgende Vorschrift ersetzt werden:
In den rechtsrheinischen Amtsgerichtsbezirken des Landes Rheinland-Pfalz, in denen bisher Rechtsanwälte zu Notaren bestellt wurden, behält es dabei sein Bewenden.
Der Antrag stand am 9. Mai in der 141. Sitzung des Bundestages zur Beratung. Die Antragsteller führten zur Begründung die rechtsrheinisch bestehenden Verhältnisse an und bezogen sich auf Beschwerden aus Wirtschaftskreisen. Die berechtigten Interessen der Rechtspflege, der Notare und der Anwälte sowie der Bevölkerung vor allem der auf den armen Höhengebieten des Westerwaldes und des Taunus wohnenden, erforderten nach ihrer Ansicht die Beibehaltung des bisherigen Zustandes.
Der Bundestag überwies den Antrag an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Dieser befaßte sich in zwei Sitzungen, am 5. und am 19. September, mit der Angelegenheit. Referent und Korreferent äußerten grundsätzliche Bedenken dagegen, daß der Bundesgesetzgeber eine einzelne Bestimmung eines zum partikularen Bundesrecht gewordenen Landesgesetzes ändert, statt die ganze Materie im Rahmen seiner Zuständigkeit in Angriff zu nehmen und kodifizierend zu regeln. Der Referent sprach sich für die Ablehnung, der Korreferent für die Zurückstellung des Antrags aus. Einige Mitglieder des Ausschusses würdigten durchaus die sachlichen Beweggründe und die Absicht des Antrags. Jedoch wurde von einer Seite auch darauf hingewiesen, daß das Argument der kleinen Amtsgerichtsbezirke auch für weite andere Teile des Bundesgebiets gelte. Der Vertreter des Bundesjustizministeriums teilte mit, daß die Absicht bestehe, nach Abschluß der Arbeiten über die Bundesrechtsanwaltsordnung das Notarrecht einer Revision zu unterziehen. Bei dieser Gelegenheit werde auch die von dem vorliegenden Antrag aufgeworfene Frage geprüft. Daher sei es zweckmäßig, sie bis dahin zurückzustellen. Die Vertreter des Justizministeriums von Rheinland-Pfalz schlossen sich dieser Auffassung an und verneinten weiterhin unter Bekanntgabe des einschlägigen Zahlenmaterials bis zur bundesrechtlichen Regelung das Bedürfnis nach neuen Ausnahmebestimmungen für einen verhältnismäßig kleinen Bezirk.
Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich für die Ablehnung des Antrags der Zentrumsfraktion, ohne damit zu dem Problem der Trennung von Notariat und Anwaltschaft oder der Zulassung ihrer Verbindung grundsätzlich Stellung nehmen zu wollen. Der Rechtsausschuß empfiehlt die Ablehnung des Antrags auf Drucksache Nr. 2171.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen des Herrn Berichterstatters in. einem Punkt ergänzen. Mitbestimmend - zumindest - in den Beratungen des Rechtsausschusses war eine Mitteilung, die da hineinplatzte, daß nämlich die Landesregierung sagte: „Und wenn der Bundestag anders beschließen würde, so würden wir doch keine Notare ernennen". - Ich selber bin Föderalist. Ich muß aber sagen: wenn angesichts eines eventuellen Beschlusses und nur, um einen Druck auszuüben, ihn nicht zu fassen, eine Landesregierung so verfährt wie hier, dann ist das ein Schlag gegen den Föderalismus.
({0})
Denn wenn so schon beschlossen werden sollte, so hätte dann doch die Landesregierung auf dieser Basis mitzuarbeiten und den Beschluß loyal durchzuführen. Das also war für die Empfehlung des Rechtsausschusses mitbestimmend. Angesichts der Haltung, die die Parteien dort eingenommen haben, glaube ich nicht, daß es möglich sein wird, das Haus zu einer anderen Stellungnahme zu bewegen.
Ich möchte aber auf ein Weiteres hinweisen. Diese hier zur Debatte stehende Gesetzesvorschrift des Landes Rheinland-Pfalz ist gerade vor Toresschluß durchgebracht worden, gerade als es noch möglich war, diese Materie landesrechtlich zu regeln, und in klarer Erkenntnis des Umstandes, daß das vier Wochen später nicht mehr möglich sein würde. Man hat also schnell vollendete Tatsachen - oder in diesem Fall besser gesagt: vollendete Rechtszustände - geschaffen, sehr wohl wissend, daß man das bei der bundesrechtlichen Regelung nicht hätte durchbringen können. Man hat eine Regelung getroffen, die gewissen Einzelinteressen vielleicht dienlich sein kann, die aber nicht den Interessen der dort zu betreuenden rechtsuchenden Kreise entspricht.
Ich habe Einzelheiten dargelegt, als ich seinerzeit den Antrag begründet und hier im Bundestagsplenum vertreten habe. Ich will darauf im einzelnen nicht eingehen. Aber es ist jetzt so: das Beurkundungsmonopol - d. h., nur Notare können noch Testamente und gewisse Verträge, z. B. Grundstücksverträge beurkunden, die früher auch vor Gerichten beurkundet werden konnten - entblößt jetzt überhaupt größere Gebiete der rechtlichen Betreuung durch Behörden oder Personen, die Notariatsgeschäfte beurkunden können. Man muß also jetzt, da sich ein Notar dort nicht trägt und ein Anwalt sich dort nicht trägt - beides zusammen würde in diesen Bereichen des rechtsrheinischen Gebietes sonst eine Existenz bieten -, einen doppelt und dreifach so weiten Weg machen, um überhaupt einen Notar zu erreichen Und das verdankt man der Einstellung der Landesregierung von Rheinland-Pfalz, der es darauf ankommt, hier gegenüber dem Bund den Kopf aufzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Kollegen Dr. Reismann darin einig, daß es bedauerlich ist, daß in Rheinland-Pfalz kurz vor Toresschluß eine Änderung des Anwalts- und Notariatswesens vorgenommen worden ist. Die Gründe, die diejenigen, die diese Änderung in Rheinland- Pfalz beschlossen haben, veranlaßten, so zu verfahren, können wir hier nicht untersuchen. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß es, nachdem nun einmal diese Ordnung in Rhein({0})
land-Pfalz geschaffen worden ist, die allerdings auch nicht zu einer Einheitlichkeit in dem Anwalts-und Notarwesen in diesem Lande geführt hat, nicht angängig ist, sie jetzt zu ändern. Es ist richtiger, die Bundesnotarordnung abzuwarten, die eine einheitliche Regelung für alle Länder der Bundesrepublik schaffen soll.
({1})
Wir sollten die Gelegenheit benutzen, um den Herrn Bundesminister der Justiz zu bitten, uns möglichst bald nicht nur eine Bundesanwaltsordnung, sondern auch eine Bundesnotarordnung vorzulegen.
Wir hatten im Parlamentarischen Rat durchaus Verständnis für gewisse Überkommenheiten des Notarwesens in den süddeutschen Ländern Württemberg-Baden, Württemberg-Hohenzollern und Baden. Es ist aber auf die Dauer kein erträglicher Zustand, wie er jetzt beispielsweise in dem rechtsrheinischen Teil von Rheinland-Pfalz vorhanden ist, daß es Rechtsanwälte und Notare, daneben Nur-Rechtsanwälte und weiterhin Nur-Notare gibt. Dieses Unwesen in Rheinland-Pfalz rechts des Rheines sollte uns wirklich einmal zu der Überlegung veranlassen, ob nicht auch auf dem Gebiete des Notariats eine einheitliche Regelung in Deutschland möglich ist. Ich weiß, daß es darüber verschiedene Auffassungen gibt. Ich persönlich bekenne mich zu der Vereinheitlichung von Anwaltschaft und Notariat. Es gibt in verschiedenen Ländern Deutschlands verschiedene Regelungen, andere Regelungen als die von mir für die beste gehaltene, die auch dort begrüßt werden, z. B. im linksrheinischen Teil von Nordrhein-Westfalen und in Hamburg.
Meine Bitte, die ich noch einmal an den Bundesminister der Justiz richten möchte, geht dahin, sobald wie möglich eine Bundesnotarordnung dem Bundestag zur Beschlußfassung vorzulegen. Um aber in den verschiedenen Ländern und auch in Rheinland-Pfalz nicht noch vorher Änderungen eintreten zu lassen, sind wir der Auffassung, daß der Gesetzentwurf der Fraktion der Zentrumspartei, wie er uns in der Drucksache Nr. 2171 vorgelegt worden ist, abzulehnen ist; denn mit diesem Gesetzentwurf ist nichts getan. Wir müssen den derzeitigen Zustand der Zersplitterung im Anwalts-und Notariatswesen so lange ertragen, als wir keine einheitliche Regelung haben. Aus diesem Grunde haben wir uns im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht dazu entschlossen, gegen den Antrag des Zentrums zu stimmen. Meine Freunde und ich werden den Antrag des Zentrums aus den von mir erwähnten Gründen ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Beratung und lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrags Drucksache Nr. 2586 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Dotationen aus der Nazizeit ({1}).
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Meyer-Laule als Berichterstatterin.
Frau Meyer-Laule ({2}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 13. September 1950 hat sich der Bundestag zum ersten Male mit dem vom Zentrum eingebrachten Antrag über die Dotationen aus der Nazizeit befaßt. Ich erlaube mir, auf die damals in diesem Hause gegebene Begründung zu verweisen. In seiner Sitzung vom 19. September 1951 hat der Rechtsausschuß den ihm vom Bundestag überwiesenen Antrag behandelt. Der Antrag ist erst jetzt erörtert worden, um der antragstellenden Fraktion Gelegenheit zu geben, im Rechtsausschuß ihre Motive ausführlich darzulegen.
Im Ausschuß wurde eine Reihe von Beispielen mitgeteilt, daß tatsächlich derartige aus politischen Gründen gegebene Dotationen sich heute noch im Eigentum ihrer von der nationalsozialistischen Regierung begünstigten Empfänger befinden. Allerdings ist die Lage in den Besatzungszonen verschieden. Die Rückerstattungsgesetze können nicht ohne weiteres Abhilfe schaffen. Ein Teil der Dotationen ist unmittelbar aus öffentlichen Mitteln gegeben worden. In anderen Fällen wurden Entschädigungen aus öffentlichen Mitteln gezahlt. Rückerstattungsberechtigte im eigentlichen Sinne sind oft nicht vorhanden. Es kommt im wesentlichen auf die Herausgabe der ungerechtfertigten Dotationen an.
Um die hierbei einzuschlagenden gesetzgeberischen Wege richtig beurteilen zu können, muß zunächst eine einwandfreie Übersicht über Art und Umfang der Dotationen gewonnen werden. Deshalb beantragt der Ausschuß in Ziffer 1 der Drucksache Nr. 2587, die Bundesregierung zu ersuchen, alsbald die in der Nazizeit vom Deutschen Reich, von deutschen Ländern und Gemeinden an Funktionäre oder Günstlinge der NSDAP und an hohe Offiziere und hohe Beamte zugewendeten Dotationen und Geschenke aller Art im Bundesgebiet nach dem Stand vom 1. Mai 1950 und dem heutigen Stand nach Grund und Betrag festzustellen. Als Ergebnis der getroffenen Feststellungen sind bestimmte gesetzgeberische Konsequenzen zu ziehen, soweit eine Rückgabe an die früheren Eigentümer in Frage kommt. Da dies aber nach den bisherigen Rückerstattungsgesetzen nicht möglich ist, müssen besondere Vorschriften geschaffen werden.
Der Ausschuß prüfte auch die Frage, was mit den in die öffentliche Hand zurückfließenden Mitteln zu geschehen habe. Obwohl die Zuweisung an den Lastenausgleichsfonds erörtert wurde, konnte sich der Ausschuß im jetzigen Stadium zu bestimmten Vorschlägen nicht entschließen; erst sollten klare, mit Zahlen belegte Feststellungen vorliegen. Es ist daher eine Beschränkung des ursprünglichen Antrages erforderlich. Nach dem Vorschlag des Ausschusses in Ziffer 2 der Drucksache soll die Bundesregierung prüfen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen vorläufig und endgültig sich ergeben, um diese Werte zurückzuerstatten, und entsprechende Gesetzesvorlagen einbringen.
Im Auftrag des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht darf ich Sie bitten, dem Antrag Drucksache Nr. 2587, wie er von dem Ausschuß einstimmig beschlossen worden ist, zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, ohne weitere Beratung Beschluß zu fassen. - Das Haus ist damit einverstanden.
({0})
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig beschlossen.
Ich habe dem Hause zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Außerkraftsetzung des Strafrechtsänderungsgesetzes ({1}),
mitzuteilen, daß die antragstellende Fraktion gebeten hat, diesen Gegenstand von der Tagesordnung abzusetzen. Das Mitglied der Fraktion, das den Antrag begründen sollte, hatte eine Autopanne und kann nicht zur Sitzung kommen. - Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({2}) über die Interpellation der Abgeordneten Hagge, Steinhörster und Genossen betreffend Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ({3}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Onnen als Berichterstatter.
Onnen ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in der Berichterstattung kurz fassen. Die Interpellation liegt Ihnen vor. Der Bundesminister des Innern hat zu ihr bereits in der 141. Sitzung am 10. Mai Stellung genommen. Einige Abgeordnete des Hauses hielten diese Stellungnahme nicht für ausreichend und wünschten eine Überprüfung durch den Rechtsausschuß. Das Haus hat so beschlossen, ohne die Frage zu erörtern, ob es nach der Geschäftsordnung zulässig und überhaupt wünschenswert ist, daß sich Ausschüsse des Hauses lediglich gutachtlich äußern in Fällen, in denen die Zuständigkeit zur Entscheidung nicht heim Bundestag selbst liegt. Inzwischen sind die Fragen, die der Interpellation zugrunde liegen, praktisch überholt; sie haben infolge der Entwicklung in Schleswig-Holstein keine Bedeutung mehr. Soweit ein theoretisches Interesse an der Klärung dieser Rechtsfragen besteht, ist hierfür nicht der Bundestag, sondern einzig und allein das Bundesverfassungsgericht zuständig. Da dieses inzwischen seine Arbeit aufgenommen hat, hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht es für unzweckmäßig, ja sogar für bedenklich gehalten, gutachtlich zu einer Angelegenheit Stellung zu nehmen, die nicht zur Zuständigkeit des Bundestages gehört, sondern, wie ich schon erwähnte, einzig und allein Sache des Bundesverfassungsgerichts sein könnte.
Der Ausschuß schlägt daher vor, die oben bezeichnete Interpellation für erledigt zu erklären. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, auch hier hat Ihnen der Ältestenrat vorzuschlagen, ohne weitere Beratung Beschluß zu fassen. - Das Haus ist einverstanden. Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes, des Leistungspflichtgesetzes im Lande Hessen sowie des Notleistungsgesetzes in Württemberg-Hohenzollern ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Etzel
als Berichterstatter.
Dr. Etzel ({2}) ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 657 enthält einen formulierten Gesetzesvorschlag. Der § 1 desselben ist insoweit gegenstandslos, als er sich auf die Aufhebung des hessischen Leistungspflichtgesetzes vom 26. Juni 1947 bezieht. Dieses Gesetz ist gemäß seinem § 30 bereits am 31. Dezember 1949 außer Kraft getreten.
Der Bundestag hat den Antrag in seiner 52. Sitzung am 27. März 1950 nach der ersten Beratung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen. Der Mündliche Bericht des Ausschusses enthält keinen formulierten Gesetzesvorschlag, so daß eine zweite und eine dritte Beratung im Falle seiner Annahme entfällt. Zur Beratung und Beschlußfassung stehen nur noch der Mündliche Bericht und der Antrag des Ausschusses.
Das von der nationalsozialistischen Reichsregierung am 13. Juli 1938 beschlossene Gesetz über Leistungen für Wehrzwecke, das sogenannte Wehrleistungsgesetz, ist durch die Verordnung des nationalsozialistischen Ministerrats für die Reichsverteidigung zur Änderung des Wehrleistungsgesetzes vom 1. September 1939 geändert und durch den Reichsminister des Innern unter der Bezeichnung „Gesetz über Sachleistungen für Reichsaufgaben ({4})" am 1. September 1939 verkündet worden. Wie schon zum Wehrleistungsgesetz von 1938 sind zum Reichsleistungsgesetz von 1939 Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Form von Durchführungsverordnungen und Bekanntmachungen durch den Reichsminister des Innern, das Oberkommando der Wehrmacht und den Generalbevollmächtigten für die Wirtschaft oder die von ihm ermächtigten obersten Reichsbehörden erlassen worden.
Das Gesetz hatte ursprünglich ausschließlich militärpolitischen Charakter. Es war ein wirkliches Wehrleistungsgesetz, ein Instrument der totalen Kriegführung für den A-Fall und seine Vorbereitung. Seit 1945 hat es vorwiegend wirtschaftspolitischen und allgemein politischen Charakter. Es hat Handlungen, Duldungen und Unterlassungen, Leistungen und Lieferungen, also Eingriffe in den „Eigentums- und persönlichen Freiheitsbereich" des einzelnen und der Gemeinden zum Gegenstand, rechtsstaatliche Garantien weitgehend ausgeschaltet und den Rechtsweg zugunsten der Verwaltungsbeschwerde ausgeschlossen. In der Regel entscheidet die höhere Verwaltungsbehörde als Beschwerdeinstanz endgültig. Nur bei Entschädigungswerten von über 100 000 Mark war sie in erster Stufe zuständig und danach die Beschwerde zum Reichsverwaltungsgericht möglich. Später haben allerdings Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes und die Ländergesetze über die Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtsstaatliche Sicherungen gegen verfassungs- und allgemein gesetzwidrige Handlungen, Maßnahmen und Entscheidungen der Exekutive, also auch gegen offensichtlichen Ermessensmißbrauch und gegen flagrante Ermessens({5})
willkür geschaffen. Darüber hinaus ist aber das Verwaltungsermessen der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Jedenfalls stellt das Reichsleistungsgesetz einen ungewöhnlich tiefen Einbruch in die Rechtssphäre des Bürgers und den geheiligten Bezirk, den Naturschutzpark des Individuums dar.
Die Voraussetzungen und Bedingungen des Gesetzes sind zum größten Teil weggefallen, es ist nicht mehr zeitgemäß, es ist ein umgekehrter Anachronismus. Nach dem 8. Mai 1945 lieferte es die staatlichen Zwangsmittel für die Unterbringung der Besatzungstruppen und ihrer Angehörigen sowie der Flüchtlinge, Heimatvertriebenen und DPs und für Vergeltungsmaßnahmen gegen Vermögen und Wohnungen der PGs. Zweifellos hat es gerade in den ersten Jahren nach Beendigung des Krieges die Handhabe zu gar mancher krasser Verwaltungswillkür und zu grobem Unrecht geboten. Daher haben Hessen durch das Leistungspflichtgesetz vom 31. Juli 1947, verkündet im Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 58 ff., und WürttembergHohenzollern durch das Notleistungsgesetz vom 11. Januar 1949, veröffentlicht im Regierungsblatt Seite 39 ff., das Reichsleistungsgesetz durch andere Bestimmungen ersetzt. Dabei hat das hessische Gesetz in seinem § 18 dem in Anspruch genommenen Bürger eine größere Rechtsgarantie gewährt als das württemberg-hohenzollernsche Gesetz in seinem § 17.
Der Süddeutsche Länderrat Stuttgart hat sehr bald nach seinem Zusammentritt die Ausarbeitung eines Sachleistungsgesetzes in Angriff genommen, das in den beteiligten Ländern unter gleichzeitiger Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes verkündet werden sollte. Die Bemühungen des Süddeutschen Länderrats, die Länder der britischen Zone zur Beteiligung an der Ausarbeitung eines solchen Sachleistungsgesetzes zu bewegen, hatten zunächst keinen rechten Erfolg. Ein dann vom Rechtsausschuß des bizonalen Länderrats an dessen Direktorium gerichteter Antrag, der in die gleiche Richtung zielte, wurde in der Sitzung des Direktoriums am 30. Dezember 1947 angenommen. Der in der Folge ausgearbeitete Entwurf eines Sachleistungsgesetzes wurde als Initiativantrag des Länderrats in der Vollversammlung des Frankfurter Wirtschaftsrats am 15. Februar 1949 tagesordnungsgemäß in erster Lesung beraten. In der Debatte trat eine das Reichsleistungsgesetz überwiegend ablehnende Haltung des Wirtschaftsrats zutage. Schließlich wurde der Entwurf an die Ausschüsse für Wirtschaft, Recht und Verkehrswesen überwiesen. Eine Verabschiedung erfolgte nicht mehr. Auf Antrag des Wirtschaftsausschusses in der Vollversammlung des Wirtschaftsrats am 20. Juli 1949 wurde die Behandlung des Entwurfs eingestellt und die Entscheidung über den Gegenstand dem künftigen Bund überlassen.
Der Rechts- und Verfassungsausschuß des Bundestages hat den Antrag des Zentrums in seinen Sitzungen vom 17. und 24. Januar 1951 und vom 19. September 1951 beraten. Dabei war zunächst die Frage zu prüfen, ob und inwieweit die Vorschriften des Reichsleistungsgesetzes, sei es als allgemeines oder partikulares Bundesrecht, sei es als Landesrecht, im Hinblick auf die Beendigung des Krieges durch bedingungslose Kapitulation und auf die Beseitigung der Wehrmacht und NSDAP sowie mit Rücksicht auf das Besatzungsrecht, die Vorschriften der Länderverfassungen und die Bestimmungen des Grundgesetzes noch in Geltung sind. Ich darf davon absehen, hier im einzelnen auf diese schwierigen und verwickelten Rechtsfragen einzugehen, und mich auf die Feststellung beschränken, daß die herrschende Lehre, die Rechtsprechung und die überwiegende Staatspraxis das grundsätzliche Fortbestehen der Bestimmungen des Reichsleistungsgesetzes bejahen. Auch der Ausschuß ging bei seinen Beratungen hiervon und von der Auffassung aus, daß das Reichsleistungsgesetz bundesrechtliche und landesrechtliche Elemente
enthält.
Das bayerische Innenministerium und das bayerische Wirtschaftsministerium, das württembergbadische Wirtschaftsministerium und die württemberg-hohenzollernsche Regierung betonten die Unentbehrlichkeit des Reichsleistungsgesetzes bzw. des württemberg-hohenzollernschen Notleistungsgesetzes, gaben aber zu erkennen, daß sie nicht gegen die zugegebenermaßen notwendige Aufhebung des Reichsleistungsgesetzes seien, wenn gleichzeitig ausreichende Ersatzgesetze geschaffen würden und ergingen.
Im Verlauf der Beratung gelangte der Ausschuß allseits zu der Auffassung, daß eine baldige Ersetzung des Reichsleistungsgesetzes geboten ist. Meinungsverschiedenheit bestand zunächst darüber, ob der Bund zur Aufhebung des ganzen Gesetzes oder nur der zu Bundesrecht gewordenen Vorschriften befugt ist. Der Ausschußvorsitzende machte in der Sitzung am 24. Januar 1951 in Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse der Beratung folgenden Vorschlag:
Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß das Reichsleistungsgesetz vom 1. September 1939 mit seinen Durchführungsverordnungen und Bekanntmachungen je nach der Zuständigkeit von Bund und Ländern alsbald durch eine Neuregelung ersetzt wird. Der besonderen Lage im Lande Hessen und im Lande Württemberg-Hohenzollern ist Rechnung zu tragen.
Von mehreren Seiten wurde gewünscht, der Bundesregierung einen festen Termin zu setzen. Eine Abstimmung unterblieb aber wegen Beschlußunfähigkeit des Ausschusses.
Die Beratung wurde in der Sitzung am 19. September 1951 abgeschlossen. In ihr konnte der Vertreter des Bundesinnenministeriums mitteilen, daß von diesem bereits an dem Entwurf eines Bundesleistungsgesetzes gearbeitet wird. Der Ausschuß erhob dann den in der Beratung vom 24. Januar 1951 gemachten Vorschlag des Herrn Vorsitzenden des Ausschusses zum Beschluß mit der Maßgabe, daß an Stelle des Wortes „alsbald" die Worte „bis 31. Dezember 1951" gesetzt wurden. In dieser Fassung, die der bestehenden Rechtslage gerecht wird, liegt Ihnen, meine Damen und Herren, die Drucksache Nr. 2589 vor. Namens des 23. Ausschusses darf ich das Hohe Haus um Zustimmung zu dem Bericht und um Annahme des Ausschußantrages bitten.
({6})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hier vor, Beschluß zu fassen, ohne in eine besondere Aussprache einzutreten. Ist das Haus einverstanden?
({0})
- Dann ist so beschlossen.
({1})
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben! - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Dann rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückerstattung feststellbaren ehemals jüdischen Vermögens ({2}) ({3}).
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Angelegenheit ist der Rechtsausschuß unter Behandlung der Drucksachen Nrn. 159, 886, 1010 und 1828 seit Monaten befaßt. Er hat in sehr eingehenden Beratungen die Grundlagen für einen Bericht an das Plenum erarbeitet. Die Verhandlungen können nur gestört werden, wenn vor dem Bericht des Ausschusses eine Debatte im Plenum erfolgt. Die Begründung für den Antrag, der jetzt gestellt worden ist, kann der Herr Antragsteller auch dem Rechtsausschuß geben. Ich habe von einer Reihe von Kollegen des Rechtsausschusses den Auftrag, den Antrag zu stellen, von einer Debatte abzusehen und den Antrag ohne weiteres dem Rechtsausschuß zu überweisen.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Laforet nicht zu akzeptieren. Ich darf folgendes feststellen: Die Vorlage unseres Antrages vom 6. Juli 1951 ist ohne Kenntnis der Arbeiten des Rechtsausschusses und seines Unterausschusses erfolgt. Diese objektive Feststellung darf ich hier treffen. Es mag eingewendet werden: Ja, die Bayernpartei hätte sich an den Arbeiten dieses Unterausschusses oder jedenfalls an den Arbeiten des Rechtsausschusses zu diesem Punkte beteiligen müssen. Ich darf demgegenüber darauf verweisen, daß wir durch unsere positive Mitarbeit, um die wir uns hier im Bundestag bemühen, vielleicht über Gebühr belastet sind. Es war uns nicht möglich, zu diesem Punkte im Rechtsausschuß mitzuwirken. Meine Damen und Herren, eine Begründung dieses Antrages vor dem Forum der Bevölkerung der Bundesrepublik, eine Begründung, die sich auf das Sachlich-Politische beschränkt, kann unmöglich eine Störung der weiteren Beratungen des Rechtsausschusses oder seines Unterausschusses oder eine Beeinträchtigung des beabsichtigten Mündlichen Berichts an das Hohe Haus bedeuten.
Ich glaube, es gehört zu den Grundrechten, zu den elementarsten Befugnissen eines Abgeordneten einer Fraktion, eingebrachte Anträge in voller Publizität hier vor dem Forum der Bundesrepublik, dem Deutschen Bundestag selbst zu begründen. Die Begründung vor dem Ausschuß ist ja eine ausschließlich sachlich-fachliche Ausführung ohne politischen Charakter und ohne politische Bedeutung. Niemand ist berechtigt, anzunehmen oder zu befürchten, daß uns bei diesem Antrag die Absicht leitete, eine besondere Demonstration zu machen.
Ich möchte Sie dringend bitten, meine Damen und Herren, die Rechte der Abgeordneten und der Fraktionen nicht dadurch in einer kaum mehr erträglichen Weise einzuschränken, daß ein Elementarrecht, nämlich die Begründung eines eingebrachten Antrags, versagt wird. Lassen Sie es ruhig auf die Probe und das Exempel ankommen und urteilen Sie nachher, ob die Antragsteller eine andere Absicht geleitet hat als die, das Problem, das uns und die deutsche Bevölkerung bewegt, in einer sachlichen, nachdrücklichen Weise fördern zu helfen.
({0})
Ich darf mir wohl eine Bemerkung erlauben. Es war wohl niemandes Absicht, die antragstellende Fraktion daran zu hindern, Anträge einzubringen und zu begründen.
({0})
- Nein, ich glaube, die Absicht war wohl die, daß das Haus feststellen möge, daß dieselbe Materie jetzt schon im Rechtsausschuß behandelt wird, daß es also nicht opportun wäre, heute über diesen Antrag zu sprechen, und daß es vielleicht opportun sein könnte, darüber zu sprechen, wenn die Sache vom Rechtsausschuß zurückkommt, oder nachher.
({1})
So habe ich den Antrag des Kollegen Laforet verstanden.
({2})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Antrag des Herrn Kollegen Laforet so verstanden, daß nicht nur auf eine Debatte verzichtet werden sollte, sondern daß die Antragsteller auch darauf verzichten möchten, ihren Antrag zu begründen. Es kann keinem Zweifel unterliegen - und das hat der Herr Kollege Dr. Etzel eben klar zum Ausdruck gebracht -, daß die Begründung des uns jetzt vorliegenden Antrages eine politische Note haben wird. Das hat er ganz deutlich gesagt. Es ist nun aber so, daß die Erörterung des Restitutionsproblems nicht nur eine Bedeutung für uns und die in Deutschland lebenden Menschen hat, sondern daß sie ein Echo im Ausland finden wird. Nach der Erklärung, die die Bundesregierung durch den Mund des Herrn Bundeskanzlers vor etwa 14 Tagen hier hat abgeben lassen, daß die Bundesregierung und mit ihr das deutsche Volk es als eine ihrer vornehmsten Pflichten erachten, gegenüber den Juden nicht nur moralisch, sondern auch materiell das zu tun, was notwendig ist, würden wir es außerordentlich bedauern, wenn durch eine sich an die Begründung ganz zwangsläufig anschließende Debatte draußen in der Welt der Eindruck erweckt würde, als sei es dem Bundestag nicht ernst mit dem, was die Bundesregierung durch den Mund des Herrn Bundeskanzler hat erklären lassen. Ich glaube, wir sollten aus außenpolitischen Gründen darauf verzichten, den Antrag begründen zu lassen und dieses Problem heute im Plenum zu diskutieren. Eine Begründung ohne anschließende Diskussion wäre - das würde sich nach der Begründung zeigen - schlechterdings unmöglich. Meine Freunde und ich könnten jedenfalls auf die Diskussion der Begründung unter gar keinen Umständen verzichten.
Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Laforet so aufzufassen, daß der Antrag der Bayernpartei ohne Begründung und Diskussion dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden soll.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bedaure, diesen Antrag nicht zur Abstimmung stellen zu können. Wenn ein Antrag auf der Tagesordnung steht und wenn das Haus darüber einen Beschluß fassen will, der sich mit dem Schicksal des Antrages befaßt, muß man der antragstellenden Fraktion das Recht geben, ihren Antrag zu begründen. Ich habe Ihren Antrag anders interpretiert als Kollege Greve, Herr Kollege Laforet, nämlich so, daß dieser Punkt heute abgesetzt werden soll, um dann wieder auf die Tagesordnung gesetzt zu werden, wenn die Beratungen des Rechtsausschusses abgeschlossen sind und die Sache wieder vor das Plenum kommt. Habe ich Ihren Antrag so richtig interpretiert?
({0})
- Dann stelle ich diesen Antrag, der geschäftsordnungsmäßig allen anderen Anträgen vorzugehen hat, zur Abstimmung. Wer dafür ist, daß dieser Punkt heute von der Tagesordnung abgesetzt wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Gegen die Stimmen der antragstellenden Fraktion und der kommunistischen Fraktion ist so beschlossen.
({1})
Es wird dann Sache des Ältestenrates bzw. des Herrn Präsidenten sein, diesen Punkt zur geeigneten Zeit wieder auf die Tagesordnung zu setzen.
Punkt 11 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Einstellung des Strafverfahrens gegen Frau Lilly Wächter ({2}).
Der Ältestenrat schlägt für die Begründung 10 Minuten, für die Aussprache 40 Minuten vor.
({3})
- Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Thiele.
Frau Thiele ({4}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 4. Oktober 1951 wurde Frau Lilly Wächter aus Rastatt, eine deutsche Frau, nach dem Gesetz 14 der Hohen Kommission zu 8 Monaten Gefängnis und 15 000 Mark Geldstrafe verurteilt, weil sie auf Grund ihrer eigenen Erlebnisse vom Grauen des Krieges in Korea und von den unendlichen Leiden des koreanischen Volkes berichtet hat, die durch die amerikanischen Interventionspolitik in Korea entstanden sind.
({5})
- Herr Kollege Zwischenrufer, ich denke, Sie dürften andere Sorgen haben, wenn Sie sich an die Vorbehalte erinnern, die in Washington beschlossen worden sind und unsere Souveränität betreffen!
({6})
Frau Lilly Wächter ist eine alte Sozialdemokratin und als solche ein ganzes Leben lang gegen Krieg und Kriegshetze aufgetreten. Im „Dritten Reich" wurde sie verfolgt und hat durch die Maßnahmen der Hitlerregierung allein 20 Angehörige verloren. Ihre Liebe zum Frieden, ihre Sorge, daß Deutschland nicht ein gleiches Schicksal erleide wie Korea, hat sie veranlaßt, mit einer Delegation der Internationalen Demokratischen Frauenföderation aus
18 Ländern der verschiedenen Erdteile nach Korea zu reisen, um dort zu untersuchen, welche Greueltaten an dem koreanischen Volk geschehen sind. Ihre Tatsachenberichte darüber wurden aber vom amerikanischen Gericht als strafbare Handlung gegen die Interessen der Besatzungsmacht bezeichnet.
({7})
In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: Der Kernpunkt der Anklage ist, daß die Behauptungen über die Grausamkeiten, Brutalitäten
und Torturen an hilflosen Frauen und Kindern in Nordkorea seitens amerikanischer Soldaten feindselige und respektwidrige Handlungen gegenüber den alliierten Streitkräften darstellen. Dies sind die strittigen Punkte, die in diesem Fall zur Debatte stehen, und nicht die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptungen der Angeklagten
({8})
bezüglich der angegebenen Grausamkeiten und Brutalitäten seitens der amerikanischen Soldaten in Korea.
So in der Urteilsbegründung.
Dieses amerikanische Besatzungsgericht stützt sich bei der Anklage und bei der Urteilsbegründung fast ausschließlich auf solche Personen, die im Dienst der amerikanischen Besatzung stehen und mit der Überwachung der Versammlungen beauftragt waren, oder auf solche Personen, die jeder anständige Deutsche nur als Agenten und Spitzel bezeichnen kann. Die Anträge der Verteidigung aber, durch welche zum Wahrheitsbeweis diejenigen geladen werden sollten, die mit in Korea gewesen sind, oder die Koreaner, die das Dokument an die UNO unterschrieben haben, wurden mit der Begründung abgelehnt, daß die Anklagebehörde nicht den Wahrheitsgehalt der Rede von Frau Wächter zum Gegenstand der Verhandlung mache.
({9})
Das kann uns allerdings nicht verwundern, denn die Wahrheit über Korea ist gleichzeitig auch die Wahrheit über die Amerika-Politik in Deutschland. Und diese Wahrheit können diejenigen nicht vertragen, die deutsche Menschen als Kanonenfutter gebrauchen wollen, denn diese Wahrheit über Korea rüttelt alle friedliebenden Menschen in Westdeutschland auf, die Kriegspläne abzulehnen und für die Verständigung zwischen Ost und West einzutreten. Diese Wahrheit über Korea zeigt allen Menschen in Westdeutschland auf, was Mr. McCloy gemeint hat, als er vor ungefähr fünf Vierteljahren sagte: Die Aufgaben, die die amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland haben, sind die gleichen Aufgaben, wie sie die Truppen in Korea haben.
Sehen Sie, darum allein wurde Frau Wächter mit einer so hohen Strafe bedacht.
Darum allein erhielt sie 8 Monate Gefängnis und 15 000 Mark Geldstrafe. Darum allein wurde dieses Schandurteil gesprochen. Ja, in der Urteilsbegründung heißt es sogar, daß, wenn das Geld nicht sofort eingezahlt wird, Frau Wächter unverzüglich eingesperrt und die Strafe auf ein Jahr Gefängnis verlängert wird.
Wie zynisch die Einstellung der Richter dieser Kolonialjustiz gegenüber dem deutschen Volk ist, möchte ich Ihnen an einem weiteren Absatz aus dem Urteil beweisen. Hier heißt es:
({10})
Es war nicht notwendig, daß sie
- nämlich Frau Wächter nach Korea ging, um die Furchtbarkeiten und Schrecken des Krieges kennenzulernen und sie den Deutschen mitzuteilen. Es gibt wohl kaum ein Volk in der Welt, das mit den Furchtbarkeiten und Schrecken eines Krieges vertrauter ist als das deutsche Volk, und man kann mit Recht annehmen, daß das deutsche Volk diese Erlebnisse nicht vergessen hat, so daß es nicht notwendig gewesen wäre, eine besondere Reise zu machen, um Informationen über die Schrecken eines Krieges einzuholen.
Aber sehen Sie, dieses gleiche deutsche Volk soll durch die amerikanische Politik in einen neuen Krieg getrieben werden.
({11})
Davor zu warnen, daß Deutschland nicht ein zweites Korea werde, hat sich Frau Wächter zur Aufgabe gesetzt.
({12})
Im deutschen Volk hat sich Frau Wächter dadurch eine große Sympathie errungen. Der Richter mußte selbst zugeben, daß eine Flut von Telegrammen und Protestschriften eingegangen sei.
({13})
Diese Sympathien, diese Solidarität und diese Achtung aus allen Kreisen der Bevölkerung gilt der Frau, die aus ihrer ehrlichen, alten sozialdemokratischen Tradition heraus so mutig für die Erhaltung des Friedens eingetreten ist. Ich richte darum an Sie, meine Herren und Damen, als die gewählten Vertreter des Volkes die Bitte und Aufforderung, sich für Frau Wächter einzusetzen, sich für diese deutsche Frau einzusetzen, die sich für Sie, für alle Frauen und Mütter, für den Frieden eingesetzt hat, und gegen dieses Besatzungsurteil Protest einzulegen. Ich richte an Sie die Aufforderung, sich an die Hohe Kommission zu wenden und Aufhebung des Urteils der Militärbehörde gegen Frau Wächter zu fordern.
Der Ihnen vorliegende Antrag ist infolge des bereits vollzogenen Urteilsspruchs von uns entsprechend abgeändert worden, und ich gestatte mir daher, Ihnen einen Zusatzantrag mit der Bitte um Zustimmung vorzulegen. Hier heißt es:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, unverzüglich von dem USA-Vertreter bei der Alliierten Hohen Kommission, Herrn McCloy, zu fordern, daß das gegen Frau Lilly Wächter ergangene, auf acht Monate Gefängnis und auf Zahlung von 15 000 DM Geldstrafe lautende Urteil des Militärgerichts der USA-Besatzungsmacht in Stuttgart aufgehoben wird.
Meine Herren und Damen! Sie haben Gelegenheit, mit Ihrer Zustimmung zu . unserem Antrag der Bevölkerung draußen zu zeigen, daß Sie für deutsche Menschen gegenüber der Militärgerichtsbehörde eintreten. Ich gestatte mir, dem Herrn Präsidenten diesen Antrag zur Beschlußfassung vorzulegen.
({14})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich muß zuerst etwas richtigstellen, was von Frau Thiele angeführt worden ist.
Sie erwähnte, daß Frau Wächter eine alte Sozialdemokratin sei. Ich glaube, daß Frau Wächter für die KP nur deshalb interessant ist, weil man ihr nachsagt, sie sei eine alte Sozialdemokratin, und weil man glaubt, daß man dieses Argument im propagandistischen Feldzug der KP sehr gut verwerten könne. Mir selbst ist nur bekannt - ich glaube, ich kenne Frau Wächter viel genauer als Frau Thiele -, daß Frau Wächter seit 1945 in der SPD war und vor längerer Zeit wegen ihres propagandistischen Auftretens für die KP aus der Sozialdemokratischen Partei ausgeschlossen worden ist.
Außerdem muß ich auf folgendes hinweisen: Man
sagt hier, daß Frau Wächter 20 Angehörige verloren habe. Gewiß war sie in der Nazizeit eine der
Leidtragenden in bezug auf Verlust von Angehörigen, aber in dem einen Flugblatt, das von der
KPD herausgegeben worden ist, redet man von 15,
in einem anderen von 20. Es kommt also nicht auf
den Wahrheitsbeweis an, sondern es kommt darauf
an, daß eben etwas drinsteht. Außerdem glaube ich,
Frau Thiele, wäre es viel richtiger, wenn Sie sich
persönlich dafür einsetzten, daß die 19 sächsischen
Schüler, die in der Ostzone zu 130 Jahren Zuchthaus verurteilt worden sind, freigelassen würden
({0})
und daß alle die Menschen, die in Konzentrationslagern und noch in russischer Kriegsgefangenschaft sind, wieder der Freiheit übergeben würden.
({1})
Frau Thiele, wir haben es nicht nötig, daß wir Frauen nach Korea schicken, damit sie sich überzeugen, wie die Scheußlichkeiten eines Krieges o sind. Wir alle in Deutschland, besonders wir Frauen, haben den Krieg in aller Grausamkeit hier erlebt.
({2})
Ich glaube, daß sich die Frauen von Berlin noch sehr genau daran erinnern können, welche Scheußlichkeiten sie miterleben mußten, als die Russen in Berlin einzogen.
({3})
Es besteht gar keine Veranlassung, daß man sich hier für Frau Lilly Wächter einsetzt; denn es geht nicht um Frau Lilly Wächter, sondern es geht um eine Propagandaaktion der Kommunistischen Partei.
Wir beantragen deshalb, daß die von der KPD gestellten Anträge den zuständigen Ausschüssen überwiesen werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Ich beantrage Übergang zur Tagesordnung.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Geschäftsordnungsmäßig muß ich zunächst über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung abstimmen lassen. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. ({0})
Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für Übergang zur Tagesordnung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich bitte um Entschuldigung, wir müssen im Wege des Hammelsprungs entscheiden.
({1})
- Wann haben Sie das gemacht?
({2})
- Sie haben sich nicht zum Worte gemeldet. ({3})
- Die Abstimmung hatte schon begonnen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Saal zu räumen. - Ich bitte, die Abstimmung rasch durchzuführen.
({4})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Ich stelle fest, daß die Türen geschlossen sind. Die Abstimmung beginnt.
({5})
- Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu beeilen!
({6})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Türen sind geschlossen. Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis ist: Mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein 81, der Stimme enthalten haben sich 2 Mitglieder dieses Hauses. Damit ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angenommen.
({7})
Punkt 13 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({8}).
Das Haus ist mit den beantragten Überweisungen einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht Nr. 38 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({9}).
Das Haus ist mit den Anträgen der auf diesem Umdruck vermerkten Ausschüsse einverstanden.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung erledigt.
Eben bittet der Abgeordnete Dr. Etzel zu einer kurzen persönlichen Bemerkung ums Wort. Ich erteile ihm dazu das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Greve hat meinen Ausführungen, daß eine Begründung vor dem Rechts- und Verfassungsausschuß nur eine sachlich-fachliche Angelegenheit sei und des politischen Charakters entbehre, eine offenbar mißverständliche Deutung gegeben. Es ist selbstverständlich, daß alles, was in diesem Hohen Hause hier geschieht, eminent politisch ist.
({0})
Ich habe aber nicht gesagt, daß es sich um eine
parteipolitische Betrachtungsweise handeln könne.
Die Vertretung eines Antrags in einem Fachgremium, das der Ausschuß ist, ist etwas ganz
anderes als seine Vertretung in der Öffentlichkeit
dieses Hohen Hauses, das mit politischer Atmosphäre erfüllt und geladen ist.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich berufe die nächste Sitzung - das ist die 168. Sitzung des Deutschen Bundestags - ein auf Dienstag, den 16. Oktober, 13 Uhr 30, und schließe die 167. Sitzung des Deutschen Bundestags.