Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 166. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage der Abgeordneten Frau Dr. Weber ({0}), für zwei Tage den Abgeordneten Even, Brese, Jahn, Mißmahl, Nellen, Dr. Orth, Reimann, Rische, Fisch, Vesper, Frau Thiele, Stegner, Scharnberg, Dr. Pferdmenges. Entschuldigt sind die Abgeordneten Gockeln, Dr. Henle, Frau Dr. Steinbiß, Junglas, Gibbert, Henßler, Dr. Nölting, Meitmann, Dr. Trischler.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: für acht Wochen der Abgeordnete Dr. Frey wegen einer Studienreise nach den USA, für sechs Wochen der Abgeordnete Bazille wegen Krankheit.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß die Gesuche, soweit der Urlaub über eine Woche hinausgeht, genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Ich begrüße in unserem Kreise den Herrn Abgeordneten Dr. Franz Xaver Meitinger, der für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Seelos in den Bundestag eingetreten ist, und Herrn Abgeordneten Willy Odenthal, der für den verstorbenen Abgeordneten Roth in den Bundestag eingetreten ist. Ich begrüße beide Herren in unserem Kreise und wünsche ihnen eine erfolgreiche Arbeit.
Ich habe dem Herrn Abgeordneten Sander zu seinem 70. Geburtstag am 28. September und dem Herrn Abgeordneten Gengler zu seinem 65. Geburtstag am 8. Oktober die Glückwünsche des Bundestages ausgesprochen und darf sie hier auch mündlich noch einmal wiederholen.
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Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung ' am 5. Oktober 1951 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten,
Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau,
Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ({1}) vom 19. Juni 1950.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 20. September 1951 die Anfrage Nr. 203 der Fraktion der KPD betreffend Aufstellung von Stammrollen im Bundesministerium des Innern ({2}) beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2625 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 3. Oktober 1951
die Anfrage Nr. 204 der Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß und Genossen betreffend Ärzte und Krankenkassen ({3}) und
die Anfrage Nr. 206 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Vermittlung deutscher Arbeitnehmer ins Ausland ({4})
beantwortet. Die Antworten sind als Drucksachen Nrn. 2654 und 2652 verteilt.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat am 30. September 1951 die Anfrage Nr. 207 der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen betreffend Abtransport deutschen Kunstbesitzes nach Österreich ({5}) beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2653 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit' hat gemäß Beschluß der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages am 14. September 1951 über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache Nr. 2629 vervielfältigt.
Die Fraktion der CDU/CSU, unterstützt von der
Fraktion der SPD und der Bayernpartei, hat
darum gebeten, Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entwurf eines Gesetzes über die Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden ({6})
abzusetzen und den Antrag an den federführenden Ausschuß zur nochmaligen Beratung zurückzuverweisen. - Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Zurückverweisung einverstanden ist?
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- Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich widerspreche diesem Antrag. Der Ausschuß hat beschlossen, diesen Gesetzentwurf, den wir Kommunisten in voller Übereinstimmung mit der Organisation der Besatzungsgeschädigten hier eingebracht haben, abzulehnen mit der Begründung, daß der Bundestag und die Bundesregierung für die Regelung der Frage der Besatzungsleistungen unzuständig seien, d. h. für die
({0})
Übernahme der Regelung der Besatzungsschäden und der damit zusammenhängenden Fragen durch Organe der Bundesrepublik, also durch deutsche Instanzen.
Wenn heute hier der Vorschlag gemacht wird, den Ausschußbericht in denselben Ausschuß zurückzuverweisen, so ist dazu unseres Erachtens zu sagen: Neue Momente etwa in der Linie, daß die Bundesregierung und der Bundestag damit rechnen könnten, daß die Besatzungsmächte uns die Zuständigkeit zur Regelung dieser Frage zurückgeben oder in die Hand geben werden, liegen nicht vor. Aber es liegt die offensichtliche Absicht vor, den Besatzungsgeschädigten draußen zu verheimlichen, daß dieser Beschluß gefaßt worden ist, daß also deutsche Volksvertreter, die bei jeder Gelegenheit betonen, wie sehr sie um die Rückgabe der Souveränität bemüht sind, in dieser entscheidenden Frage, die Zehntausende und aber Zehntausende deutscher Menschen angeht, es bei dem Zustand belassen wollen, daß diese Schäden durch die Besatzungsmacht und ihre Organe geregelt werden. Wir sehen also in dem Antrag, diesen Beschluß des Ausschusses noch einmal in denselben Ausschuß zurückzuverweisen, nichts anderes als die Absicht, sich im Augenblick an einer Stellungnahme vorbeizulavieren. Wir beantragen, daß dieser Bericht besprochen wird, und wir erwarten, daß die Mehrheit des Hauses diesen Beschluß des Ausschusses ablehnt und zum Ausdruck bringt, daß sie verlangt, daß die Regelung der Besatzungsschäden durch deutsches Recht und durch deutsche Organe erfolgt.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich - und ich glaube, ich spreche im Namen aller Mitglieder des Haushaltsausschusses, die an diesen Beratungen beteiligt waren - mit aller Entschiedenheit gegen die Unterstellung des Herrn Abgeordneten Renner zur Wehr setzen.
({0})
Die Mitglieder des Ausschusses haben es sich allerdings nicht so bequem gemacht wie Herr Abgeordneter Renner, der einen Gesetzentwurf der Besatzungsgeschädigten-Organisation zum eigenen Antrag der KP erhoben hat, ohne zu prüfen, welche rechtlichen Voraussetzungen im Augenblick für die Realisierung dieses Gesetzentwurfs gegeben sind.
({1})
Der Haushaltsausschuß hat sich sehr eingehend mit dieser Frage beschäftigt. Sie ist auch einmal im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten behandelt worden, und das Ergebnis einer Prüfung der Sachlage war, daß sich die Besatzungsmächte im Augenblick die Entscheidung dieser Frage vorbehalten haben. Man kann nicht einfach so tun, als ob das nicht vorhanden wäre. Der Sinn der Zurückverweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuß ist, daß noch einmal versucht werden soll, die Rechtslage zu klären und die Zuständigkeit für die Bundesrepublik zurückzugewinnen. Es ist also nicht so, wie Herr Renner hier behauptet, daß sich der Ausschuß dadurch an einer unangenehmen Aussprache vorbeijonglieren wolle, sondern es ist so, daß sich der Ausschuß in vollem Bewußtsein seiner Verantwortung und der Verantwortung des Bundestags für das Schicksal dieser großen Zahl von wirklich schwer Geschädigten entschlossen hat, noch einmal einen Versuch zu unternehmen oder möglich zu machen, daß die Rechtslage geklärt wird.
In diesem Sinne bitte ich das Haus, dem Antrag zuzustimmen, die Vorlage an den Haushaltsausschuß zurückzuverweisen.
({2})
Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Ausschuß die Absicht gehabt hätte, von der der Herr Kollege Schoettle eben sprach, hätte der Ausschuß diese Angelegenheit nicht an den Bundestag als erledigt zurückgeben dürfen.
({0})
Er hat sie als erledigt betrachtet, und erst in der letzten Minute, in der letzten Altestenratssitzung sind Bedenken aufgestiegen, und im Sinne dieser Bedenken hat man dann das besprochen, was heute hier vorgeschlagen worden ist, nämlich die Sache an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen. So ist der historische Ablauf der Dinge gewesen, und daran ändert auch alles Reden nichts. Die Besatzungsgeschädigten sollen nicht erfahren, daß man sich im Augenblick als unzuständig erklärt, eine Frage zu regeln, die Hunderttausende von deutschen Menschen aufs stärkste interessiert und durch deren bisherige Regelung sie aufs schwerste geschädigt werden.
({1})
Meine Damen und Herren, nachdem weitere Wortmeldungen nicht vorliegen, darf ich fragen: Wer ist gegen den Antrag auf Rückverweisung an den Haushaltsausschuß? - Ich darf feststellen, daß das Haus mit Ausnahme der kommunistischen Fraktion die Rückverweisung wünscht. Damit ist dieser Antrag angenommen.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Gewährung von Blindengeldern an Zivilblinde ({0}),
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Blindenpflegegeld-Gesetz ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von je 10 Minuten und für den Fall, daß eine Aussprache stattfindet, eine Redezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Frau Abgeordnete Döhring hat das Wort zur Begründung der Interpellation der Fraktion der SPD.
Frau Döhring ({2}), Interpeliantin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erblindung ist zweifellos eines der schwersten Schicksale, das uns Menschen treffen kann. Besuche verschiedener Blindenheime und auch bei erblindeten Menschen in ihren Wohnungen haben mich davon überzeugt, daß wir bei der Schaffung der von allen Parteien dieses Hauses versprochenen sozialen Neuordnung an ihrem Schicksal nicht vorübergehen dürfen; vielmehr sollte das jahrzehntelange Verlangen der Zivilblinden auf eine gesetzlich fundierte materielle Hilfe endlich erfüllt werden. Die körperliche und seelische Belastung und Beeinträchtigung, die die Blindheit zur Folge haben, wirken sich bei
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keiner anderen Gruppe der Körperbehinderten so stark aus wie bei den Blinden, eben weil der wichtigste Sinn, das Augenlicht, fehlt. Sie sind und bleiben auf Wartung und ständige Hilfe angewiesen, ohne die sie am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben nicht teilnehmen können. Aus der bitteren Tatsache des Blindseins resultieren damit Belastungen und Nachteile, die ausgeglichen werden müssen. Wenn ich sage „müssen", dann deshalb, weil wir vom humanitären, ethischen und sozialpolitischen Standpunkt aus gesehen verpflichtet sind, auch den Zivilblinden wettbewerbsfähig zu machen in Leben und Beruf.
({4})
Der Ausgleich für die Mehrbelastungen wird den Kriegsblinden durch die im Bundesversorgungsgesetz vorgesehene Rente zuzüglich Pflegegeld gewährt. Die Unfallblinden erhalten Rente und Pflegegeld auf Grund der Reichsversicherungsordnung. Aber auch für die dritte Gruppe, die Zivilblinden, ist die Gewährung eines Ausgleichs notwendig. Nur etwa 10 % der Zivilblinden verdienen ihren Lebensunterhalt voll, weitere 10 bis 15 % nur teilweise, während alle übrigen von Wohlfahrtsunterstützungen oder unzureichenden Sozialrenten im wahrsten Sinne des Wortes im Schatten leben. Ich glaube, daß ich hierüber keine Einzelheiten zu erwähnen brauche, zumal doch eine Reihe von Vertretern sowohl des Bundestags als auch der Bundesregierung bei der kürzlich stattgefundenen Kundgebung des Deutschen Blindenverbandes in Bonn anwesend waren und sich einen unmittelbaren Eindruck von der Lage der Zivilblinden verschaffen konnten.
Wir Sozialdemokraten halten es also für eine vordringliche Aufgabe, eine intensivere Berufsfürsorge mit dem Zweck der Unterbringung der Zivilblinden im Erwerbsleben durchzuführen. Wesentliches vermag dies jedoch bei dem größeren Kreis der Zivilblinden nicht zu ändern; denn fast die Hälfte von ihnen ist erst nach dem 50. Lebensjahre erblindet. Sie können also sehr schwer auf einen anderen Beruf umgeschult werden.
Die Zahl der Zivilblinden in der Bundesrepublik beträgt ungefähr 24 000. Der weitaus größte Teil hiervon - und zwar hat der Internationale Blindenkongreß in Oxford im Jahre 1949 von rund 70 % gesprochen - trägt das für uns Sehende unergründliche Leid infolge ungenügender sozialhygienischer Maßnahmen. Sie tragen also ihr schweres Schicksal im Namen und zu Lasten der ganzen Gesellschaft.
Das Streben der Zivilblinden nach einem allgemeinen gesetzlichen Pflegegeld ist daher gerechtfertigt. Auch die zuständigen Bundesratsausschüsse haben dies anerkannt und die Gewährung eines Pflegegeldes an Zivilblinde im gesamten Bundesgebiet empfohlen. Meinen Parteifreunden und mir ist jedoch die geplante Regelung, wie sie die Bundesratsentschließung vorsieht, nicht weitgehend genug. Sie beschränkt den Bezug von Pflegegeld auf die Empfänger der öffentlichen Fürsorge. Wenn auch damit mehr als die Hälfte der Zivilblinden erfaßt würde, so scheint es mir aber grundsätzlich falsch zu sein, das Problem der Zivilblinden ausschließlich vom Standpunkt der Fürsorge aus zu sehen. Im Mittelpunkt muß vielmehr der schaffende Blinde stehen. Ihn zu fördern, ist soziales Gebot. Das Pflegegeld soll ja die erhöhten Lebenskosten für die fremde Wartung, für die fremde Hilfe ausgleichen und letzten Endes das Leben der Zivilblinden einigermaßen lebenswert machen. Die Regelung eines Pflegegeldes auf reiner Fürsorgebasis würde aber zweifellos gegenteilige Konsequenzen haben. Wo unterhaltspflichtige Kinder vorhanden sind, lehnt die Fürsorgebehörde praktisch das Pflegegeld ab und verweist den blinden Vater oder die blinde Mutter auf die Unterhaltspflicht der Kinder. Diese können aber zumeist die höheren Unterhaltskosten nicht aufbringen, weil ihnen sonst die Gründung einer eigenen Familie oft unmöglich gemacht wird. Solche erschütternden Beispiele, nach denen Ehen nicht zustande gekommen oder gar wieder auseinandergegangen sind, kann ich Ihnen nicht nur vereinzelt, sondern leider an mehreren Fällen nachweisen.
Wir sind uns wohl alle darüber einig, daß derartige Konsequenzen vermieden werden sollten. Ich gebe auch der Hoffnung Ausdruck, daß alle Parteien dieses Hauses einem einheitlichen, nicht auf Fürsorgeempfänger beschränkten Gesetz für ein Zivilblinden-Pflegegeld zustimmen werden, wie das bereits in einigen Landtagen geschehen ist. Wie bekannt, haben Bayern, Hessen und NordrheinWestfalen bereits ein allgemeines Zivilblinden-Pflegegeld eingeführt, und die Landtage von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und das Abgeordnetenhaus von Berlin haben ein solches Pflegegeld grundsätzlich gefordert. Damit haben sich erfreulicherweise die Volksvertretungen von mehr als zwei Dritteln der deutschen Bevölkerung in Übereinstimmung mit zahlreichen ausländischen Staaten für ein gesetzliches allgemeines Zivilblinden-Pflegegeld ausgesprochen. Sicherlich hätten auch die übrigen Länder unserer Bundesrepublik inzwischen ähnliche Lösungen getroffen; aber nachdem der Herr Bundesminister des Innern auf die Anfrage meiner Fraktion vom 12. Mai 1950, also vor weit über einem Jahre, geantwortet hatte, daß diese Frage in seinem Ministerium einer abschließenden Behandlung entgegengehe, warten jene Länder erklärlicherweise auf die bundeseinheitliche Regelung.
Meine Damen und Herren, das Bedauerliche ist ja nur, daß sich die Regierung zur Regelung sozialer Fragen so unendlich viel Zeit läßt!
({5})
Wir fragen deshalb die Bundesregierung, ob und in welcher Form sie nunmehr die Frage eines . Pflegegeldes für Zivilblinde und sonstige auf Hilfe und Pflege angewiesene Personen zu regeln gedenkt. Ich bin mir bewußt, daß mancher Hilfsbedürftige fragen wird, warum ich in erster Linie für die Blinden spreche. Nun; ihnen allen möchte ich sagen. daß Blindsein wohl das schwerste Schicksal ist. Wir alle, die wir sehen können, sind doch allein schon bei dem Gedanken tief erschüttert, etwa ein ganzes Leben lang blind sein zu müssen.
Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, daß die überwiegende Mehrheit unseres Volkes in dem beruhigenden Glauben lebt, alle Blinden seien gleichmäßig gut versorgt, woraus ich schließe, daß Parlament und Regierung nur ihre demokratische Pflicht erfüllten, wenn sie dieser öffentlichen Meinung Rechnung tragen würden.
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Das Verlangen unserer so schwer ringenden lichtlosen Menschen nach einem Pflegegeld ist so einfach, gerecht und bescheiden, daß ich Sie, meine Herren und Damen, namens der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei dringend bitten möchte, mit für die umgehende Schaffung eines gesetzlichen
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allgemeinen Zivilblinden-Pflegegeldes einzutreten, eingedenk der ernsten Mahnung, die Herr Professor Dr. Spranger am Nationalen Gedenktage hier von diesem Platze aus gesprochen hat: Wir können nicht sozial genug denken und handeln.
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Herr Abgeordneter Renner wünscht, den Antrag der kommunistischen Fraktion zu begründen.
Renner ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben an den Bundestag den Antrag gerichtet:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem Bundestag schnellstens einen Gesetzentwurf über die Gewährung eines allgemeinen Pflegegeldes an Zivilblinde vorzulegen, das als Mindestleistung ein Pflegegeld an Zivilblinde in der Höhe gewährt, wie es der Deutsche Blindenverband e. V. in seinem den Fraktionen des Bundestages zugeleiteten Antrag betreffend Zivilblinden-Pflegegeld-Gesetz fordert.
Wenn wir uns dazu entschlossen haben, diesen Antrag einzubringen, dann war für uns die Erkenntnis maßgebend, daß die Frage der Gewährung von Blinden-Pflegegeld anders geregelt werden muß, als das zur Zeit in den von meiner Vorrednerin bereits genannten Ländern erfolgt ist, und auch anders, als es der Plan der Bundesregierung selber unseres Wissens vorsieht. Wir wollen, daß dieses Blindenpflegegeld nicht als Wohlfahrtsleistung gewährt wird, sondern als Rechtsanspruch, wie das etwa in der Unfallversicherungsgesetzgebung für die Unfallblinden, in der Kriegsopferversorgung für die Kriegsblinden geregelt ist. Wir sind der Auffassung, daß die sogenannten Zivilblinden wie die Unfallbeschädigten und die Kriegsblinden ein Anrecht auf eine Versorgungsrente mit Pflegegeld haben. Das ist unsere Auffassung, und wir haben gedacht, der Sache dadurch zu dienen, daß wir vorgeschlagen haben, als Grundlage für die Arbeit des Bundestages und der Bundesregierung den Gesetzentwurf der zuständigen Organisation selber zu nehmen.
Nun ein Wort zu dem Ablauf der bisherigen Verhandlungen um diese Frage. Im Mai 1950 stand letztmalig diese Angelegenheit vor dem Bundestag. In der Antwort der Bundesregierung hieß es damals: „Die Frage ist im Ministerium in Bearbeitung." Mai 1950! - „Der Abschluß der Verhandlungen und Beratungen ist aber erst dann möglich, wenn die won einigen Ländern noch ausstehende Antwort eingegangen ist" - soll heißen, die Antwort auf die Frage, wie dort in den Ländern das Problem zur Zeit gelöst ist - „und weiter, wenn mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen die Klärung grundsätzlicher Fragen erfolgt ist."
Nun, das gibt mir Veranlassung zu einigen Feststellungen. In der „Welt" von heute findet sich eine Notiz mit der Überschrift: „Regierung gegen neue Sozialleistungen." Ich bin der Auffassung, daß die Millionenmassen der Kriegsopfer, der Sozialberechtigten, der Notleidenden, die von diesem Bundestag angesichts der ungeheuerlichen Verteuerung der gesamten Lebenshaltungskosten, angesichts der drohenden neuen steuerlichen Belastungen eine sofortige Verbesserung ihrer Rentenbezüge, der Wohlfahrtsleistungen erwarten und fordern, daß diese Millionenarmee der Hungernden in unserem Land nicht schnell genug Kenntnis erhalten kann von dieser letzten Verlautbarung dieser Regierung, die hier angetreten ist mit der Erklärung, daß sie so sozial wie irgend möglich zu regieren gedenke. Es heißt in dieser Meldung in der „Welt": „Das Bundeskabinett vertritt nach eingehender Prüfung der finanz- und steuerpolitischen Lage die Auffassung, daß zwar der außerordentlich gestiegene Sozialhaushalt für das Rechnungsjahr 1951 gesichert ist, weitere Anträge auf zusätzliche Sozialleistungen aber durch die Fraktionen des Bundestages vermieden werden sollten." Es soll eine Art Stillhalteaktion in der Bewilligung zusätzlicher Sozialausgaben eintreten. Eine Nebenbemerkung: W i r werden diese Stillhalteaktion bestimmt nicht mitmachen; und dem Herrn Minister lege ich die Frage vor, was er getan hat, um draußen zu erreichen, daß der wachsende Hunger und die wachsende Verteuerung der Lebenshaltungskosten stillstehen. Dagegen hat er nichts unternommen; aber hier soll auf Anträge in der Richtung der Linderung der Not der Massen verzichtet werden.
Dann wird in dem Artikel gesagt, wie hoch die Sozialausgaben gewachsen seien: von 5,2 Milliarden auf 7,6 Milliarden DM im laufenden Rechnungsjahr. Die Besatzungskosten betragen nach wie vor 9,2 Milliarden DM; das nur so nebenher festgestellt. Sie liegen also heute noch um mehr als 2 Milliarden DM über dem, was als gesamte Sozialleistungen vom Bund aufgebracht wird. Ich will wegen Mangels an Zeit gar nicht von den neuen Lasten reden, die wir im Zuge der amerikanischAdenauerschen Remilitarisierungspolitik werden übernehmen müssen, wenn Herr Adenauer und die Amerikaner recht behalten. Ich lese nur noch den Schlußsatz vor: „Durch die jetzt ausgeworfenen Beträge werde das Existenzminimum der Kriegsversehrten und Kriegshinterbliebenen und der Millionenzahl von Sozialrentenempfängern gewährleistet."
Dazu eine Bemerkung: In einer voraufgegangenen Pressekonferenz hat der Sprecher der Bundesregierung erklärt, daß seiner Überzeugung nach ein Monatsbetrag von 180 DM für den voll erwerbsunfähigen Kriegbeschädigten eine ausreichende Rente sei.
({1})
Jede zusätzliche Erhöhung sei, so heißt es in der Verlautbarung dann weiter, von außergewöhnlichen Situationen abgesehen, für den Bundeshaushalt untragbar, und das Bundeskabinett habe allen Ressortministern Weisung gegeben, vorerst keine weiteren Ergänzungsvorschläge zur Sozialgesetzgebung auszuarbeiten. Ich nehme an, daß diese Anweisung sich auch auf das hier im Augenblick anstehende Problem der Schaffung eines Blinden-gesetzes bezieht, und ich hätte darauf gern von der Regierung eine klare und eindeutige Antwort. Die andere Antwort werden die hungernden Millionenmassen draußen hoffentlich der Regierung so in der Art, wie sie jetzt in Bremen gegeben worden ist, bald geben.
({2})
- Auch in unserem Sinne! Auch in unserem Sinne! Alles, was gegen diese Regierung der Kriegsvorbereitung geht, liegt in unserem Sinne.
({3})
Herr Abgeordneter, haben Sie eben gesagt: „die Regierung der Kriegsvorbereitung"?
Ja.
Ich rufe Sie zur Ordnung! Renner ({0}): Na schön!
Ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Ordnung und mache Sie auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufes aufmerksam.
Ich schweige mich aus. Ich komme zum Abschluß. Den Zivilblinden draußen muß also auf Grund der letzten Verlautbarungen der Regierung klar geworden sein, was sie von dieser Regierung zu erwarten haben. Ich stelle abschließend den Antrag, die Regierung zu beauftragen, diesen Gesetzentwurf der Zivilblindenorganisation als Grundlage für das endlich auszuarbeitende Blindenpflegegeldgesetz zu nehmen, und ich beantrage, diesen Antrag der KPD-Fraktion zusammen mit dem Antrag der Organisation der Zivilblinden an den Sozialpolitischen Ausschuß zu überweisen, um von vornherein durch diesen Beschluß schon zu verankern, daß der Bundestag mit Mehrheit der Auffassung ist, daß hier ein Rechtsanspruch statuiert werden muß, daß also die Frage nicht so gelöst werden darf, wie das zur Zeit in einigen Ländern geschehen ist, d. h. im Sinne einer Wohlfahrtsunterstützung.
({0})
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Herr Staatssekretär Bleek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche nach den Ausführungen der Frau Abgeordneten Meyer-Laule nicht im einzelnen zu begründen,
Herr Staatssekretär, es war Frau Abgeordnete Döhring!
Verzeihung! -- nicht im einzelnen zu begründen und zu unterstreichen, aus welchen Gründen die Bundesregierung der Frage einer Existenzsicherung nicht nur der Kriegsblinden und der Unfallblinden, sondern auch der Zivilblinden ihre besondere Aufmerksamkeit zuwendet.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner, ich werde gleich darauf zurückkommen, ob anderthalb Jahre nichts getan worden ist. - Nach den Beratungen im Jahre 1950 ist dies Problem sofort in Angriff genommen worden. Ich brauche aber auch nicht zu verschweigen, daß die endgültige Vorlage des Gesetzentwurfs, den wir Ihnen in aller Kürze unterbreiten zu können hoffen, durch die Beratungen im Bundesrat eine uns und wohl allen Beteiligten sehr unerwünschte Verzögerung erfahren hat. Ich möchte auch historisch nur noch ganz kurz darauf hinweisen, daß dieses Problem bereits den Reichstag in der Mitte der zwanziger Jahre beschäftigt hat. Damals wie heute ging es um die Frage, ob ein versorgungsmäßiger Rentenanspruch oder eine Lösung im Rahmen fürsorgerechtlicher Bestimmungen zweckmäßig, notwendig und angebracht sei.
({1})
Schon wegen der Möglichkeit der Rückwirkung auf andere Gruppen von Gebrechlichen ist man damals zu der Auffassung gekommen, daß die Lösung des Problems nur auf fürsorgerechtlichem Gebiet gefunden werden könne.
Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß man bei einem so sehr auf rein menschlicher Ebene liegenden Problem verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen muß. Wir sind aber leider nach eingehender Prüfung dos Grundgesetzes zu der Auffassung gekommen, daß der Bund keine gesetzgeberische Kompetenz für eine versorgungsmäßige Rentenregelung hat. Das Grundgesetz überträgt dem Bund eine solche Kompetenz nur für die Versorgung der Kriegsopfer; im übrigen hat er aber nur auf dem Gebiete der Fürsorge die konkurrierende Gesetzgebung. Der Gesetzentwurf, den wir Ihnen in aller Kürze, nachdem in den nächsten Tagen noch abschließende Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden stattgefunden haben werden, unterbreiten werden, wird also nach der verfassungsmäßigen Lage von einer fürsorgerechtlichen Regelung ausgehen. Es ist jedoch selbstverständlich, daß dieser Gesetzentwurf in dem uns gezogenen Rahmen der besonderen Lage der Zivilblinden Rechnung tragen wird, und zwar ist an etwa folgende Regelung gedacht.
Es soll, ohne daß irgendeine kleinliche Prüfung der Verhältnisse im einzelnen stattfinden darf, die ja bei der besonderen Lage der Blinden unter Umständen gegenüber den Betroffenen besonders unangebracht sein würde, ein erheblicher Mehraufwand über den allgemeinen Richtsatz hinaus als Pflegegeld gewährt werden, und zwar nach bestimmten normativ geltenden Grundsätzen, die für jeden Fall Geltung haben werden. Darüber hinaus soll da, wo durch diesen Pflegegeldsatz noch keine Existenzsicherung erreicht ist, die Möglichkeit gegeben werden, nach Prüfung des Einzelfalles noch einen weiteren Mehraufwand zuzuerkennen, und es soll - und damit möchte ich eine bei der Begründung der Interpellation gestellte Frage beantworten - auch dafür Sorge getragen werden, daß nicht in unzulässiger Weise die Zahlung dieses Pflegegeldes von der Heranziehung unterhaltsverpflichteter Angehörigen abhängig gemacht wird, es sei denn, daß ganz besonders in die Augen springende Verhältnisse vorliegen und es sich um die Verweigerung einer an sich möglichen Unterhaltsverpflichtung handelt. Weiter soll dafür Sorge getragen werden, daß in Abweichung von den sonst üblichen fürsorgerechtlichen Grundsätzen von einer Rückzahlungsverpflichtung dieses Pflegegeldes grundsätzlich Abstand genommen wird.
Das etwa ist in Kürze der Inhalt des vorbereiteten Gesetzentwurfs. Ich darf noch einmal betonen, daß eine verfassungsmäßige Möglichkeit für eine Rentenversorgung nicht besteht, daß es aber selbstverständlich der Gesetzgebung der Länder überlassen ist, neben oder an Stelle der hier vorgesehenen Regelung eine derartige Versorgung zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Darf ich fragen, ob eine Besprechung gewünscht wird. - Das ist offenbar nicht der Fall.
Es ist der Antrag gestellt worden, den Antrag - und ich darf annehmen: auch die Interpellation - dem Ausschuß für öffentliche Fürsorge als federführendem Ausschuß zu überweisen,
({0})
({1})
und Herr Abgeordneter Renner hat beantragt: dem Sozialpolitischen Ausschuß. Meine Damen und Herren, darf ich fragen: Sind Sie damit einverstanden, daß der Ausschuß für öffentliche Fürsorge federführend ist? - Das scheint der Fall zu sein. Sind Sie auch mit der Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß einverstanden? - Das ist der Fall.
({2})
- Herr Abgeordneter Renner, das hat das Haus eindeutig verstanden. Das Haus hat sich entschlossen,
dafür zu sein, daß der Ausschuß für öffentliche
Fürsorge als federführender Ausschuß tätig wird.
({3})
- Bitte, Herr Abgeordneter Renner!
Ich danke Ihnen, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, einen Irrtum von vornherein aufzuklären. Wir haben Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß gefordert, und ich habe das ja auch begründet. Ich habe gesagt, das Haus solle durch den Beschluß auf Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß entscheiden, daß es die Angelegenheit im Sinne der Schaffung eines Rechtsanspruchs und nicht im Sinne einer Wohlfahrtsleistung geregelt wissen will. Wenn man also über diesen unsern Antrag abstimmen läßt, dann muß dabei klar herausgestellt werden, daß unser Antrag das Gegenteil von dem bezweckt, was von den Mitgliedern des Hohen Hauses beabsichtigt wird, die für die Überweisung an den anderen Ausschuß stimmen. Unser Antrag schließt ja die Überweisung an den anderen Ausschuß aus. Deshalb bitte ich, über unseren Antrag getrennt abzustimmen. Dazu habe ich ja schließlich ein Recht.
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Meine Damen und Herren, ich habe über die Anträge getrennt abstimmen lassen. Ich glaube nicht, daß das Haus beabsichtigt, durch irgendeine Überweisung irgendeine Präjudizierung seiner Meinung vorzunehmen.
({0})
Frau Abgeordnete Kalinke, wünschen Sie noch das Wort zu nehmen?
({1})
- Meine Damen und Herren, das Haus hat abgestimmt. Ich glaube nicht, daß sich das Haus in einem beachtlichen Irrtum darüber befunden hat, worüber abgestimmt wurde. Ich stelle also noch einmal fest: die überwiegende Mehrheit des Hauses ist mit der Überweisung an den Ausschuß für öffentliche Fürsorge als federführenden Ausschuß und an den Sozialpolitischen Ausschuß als mitberatenden Ausschuß einverstanden.
({2})
- Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Abkommen über die soziale Sicherheit der Rheinschiffer und über die Arbeitsbedingungen der Rheinschiffer nebst Schlußprotokoll ({3}).
Im Ältestenrat war vorgesehen, daß eine Aussprache nicht stattfinden sollte. Ich darf annehmen,
daß die Bundesregierung eine mündliche Begründung nicht zu geben wünscht, eine Aussprache ebenfalls nicht stattfindet.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll ({4}).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat einen
Verzicht auf Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich darf Ihnen vorschlagen, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht ({5}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Tillmanns und Genossen, betreffend Neubesetzung im öffentlichen Dienst ({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch in diesem Fall Verzicht auf eine Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Dr. Kleindinst ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Herren Tillmanns und Genossen vom 26. Oktober 1950 hatte, wie Sie aus der Drucksache Nr. 1513 ersehen, folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die von der Bundesregierung eingeleitete Entfernung von Mitgliedern der Kommunistischen Partei, kommunistisch beeinflußter Gruppen und rechtsradikaler Verbände aus dem öffentlichen Dienst macht Neubesetzungen der dadurch freiwerdenden Stellen notwendig. Die Bundesregierung wird ersucht,
1. dafür Sorge zu tragen, daß bei diesen Neubesetzungen Vertriebene aus der sowjetischen Besatzungszone, die sich dort im Widerstand gegen den Kommunismus bewährt haben und aus politischen Gründen flüchten mußten, bevorzugt berücksichtigt werden;
2. durch Verhandlungen mit den Regierungen der Länder darauf hinzuwirken, daß diese entsprechend verfahren.
Der Beamtenrechtsausschuß hat festgestellt, daß die Einbeziehung dieser politischen Flüchtlinge aus dem Osten in das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes eine viel breitere Grundlage der Unterbringung gibt, als dieser Antrag bezweckt hat. Auf Grund -dieser Einbeziehung ist es nämlich möglich, daß die Vertriebenen erstens in ihrer Eigenschaft als Vertriebene, die unter dem Druck der politischen Verhältnisse nach dem Westen geflüchtet sind, anerkannt werden und daß sie zweitens dem Personenkreis des Art. 131 gleichgestellt werden. Damit ist die Unterbringung bei sämtlichen Dienstherren unter den im Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes gegebenen Voraussetzungen möglich
({8})
Lind notwendig. Die Dienstherren sind im Rahmen ihrer Pflichtanteile zur Unterbringung verpflichtet. Damit ist für die Unterbringung dieses Personenkreises eine viel breitere Grundlage gegeben, als das mit dem Antrag vom 26. Oktober 1950 beabsichtigt war.
Daher empfiehlt Ihnen der Ausschuß für Beamtenrecht, zu beschließen, daß dieser Antrag durch das Gesetz zu Art. 131 als erledigt anzusehen ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache sollte nicht stattfinden.
Ich frage, ob das Haus mit dem Antrag Drucksache Nr. 2583, den der Herr Berichterstatter begründet hat, einverstanden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Ausschußantrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht ({0}) über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei, betreffend Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Beamte, Angestellte, Arbeiter und Versorgungsempfänger öffentlich - rechtlicher Körperschaften ({1}).
Berichterstatter ist ebenfalls Herr Abgeordneter
Dr. Kleindinst.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen in diesem Falle eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Kleindinst ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie Sie aus der Drucksache Nr. 2444 vom 6. Juli 1951 ersehen, hat die Bayernpartei beantragt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Erlaß der Rechtsverordnung gemäß § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 1. Mai 1951 ({3}) in die Wege zu leiten.
Der Sinn des Antrages war der, daß die Nichtgebietskörperschaften aufgeführt und festgelegt werden sollten, die entsprechend den übrigen öffentlichen Dienstherren die Verpflichtungen aus diesem Gesetz zu übernehmen haben. Diese Verordnung ist bereits am 27. Juni 1951 ergangen. In der Anlage sind 38 Nichtgebietskörperschaften katalogmäßig aufgeführt, die die Pflichten aus diesem Wiedergutmachungsgesetz zu übernehmen haben. Die Verordnung vom 27. Juni, die im Bundesgesetzblatt Nr. 30 vom 29. Juni 1951 bekanntgemacht worden ist, und die Stellung dieses Antrages haben sich gekreuzt. Ich bitte deshalb, zu beschließen, daß auch dieser Antrag durch die erwähnte Verordnung als erledigt zu betrachten ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses für Beamtenrecht zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte ' um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Schmitt ({1}) und Genossen, betreffend Wiederaufbau der Kaiserbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Heiland ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Schmitt ({4}) und Genossen auf Drucksache Nr. 2152 befaßt sich mit dem Wiederaufbau der Kaiserbrücke im Mittelrheingebiet. Die Brücke hat dem Verkehr im Mittelrheingebiet gedient und wurde vor ihrer Zerstörung täglich in beiden Richtungen von 280 Zügen, davon allein 60 Güterzügen, befahren. Durch die Umleitung, die jetzt zeitweise notwendig ist, ergibt sich eine ungeheure Frachtverteuerung. Aus diesem Grunde wurde der Antrag eingebracht, die Brücke schnellstens wiederaufzubauen.
In der Sitzung vom 25. April 1951 hat der Bundestag diese Drucksache dem Haushaltsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Verkehrswesen - mitberatend - überwiesen. Der Ausschuß für Verkehrswesen, der mitberaten hat, empfiehlt, den Wiederaufbau der Kaiserbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden als zweigleisige Eisenbahnbrücke dringend zu befürworten und die Bundesregierung zu ersuchen, der Deutschen Bundesbahn zum Wiederaufbau der Kaiserbrücke einen Kredit in Höhe von 10 Millionen DM zu tragbaren Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Diesen Vorschlag des Verkehrsausschusses konnte sich der Haushaltsausschuß nicht vollinhaltlich zu eigen machen, weil er der Meinung war, daß man die Bundesregierung nicht ohne weiteres so stark binden könnte, ohne die finanziellen Verhältnisse zu prüfen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt daher, die Bundesregierung zu ersuchen, eingehend zu prüfen, in welcher Weise Mittel der Bundesbahn für den Wiederaufbau der Kaiserbrücke zwischen Mainz und Wiesbaden zur Verfügung gestellt werden können. Der Haushaltsausschuß bittet Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Eine Aussprache sollte nicht stattfinden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist offenbar einstimmig angenommen.
Der Gesetzentwurf unter Punkt 7 der Tagesordnung ist an den Haushaltsausschuß zurückverwiesen worden.
Ich rufe auf den Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über
den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Gewährung von Mitteln für die
({1})
durch das Erdbeben am 14. März 1951 schwer betroffenen Kreise Schleiden und Euskirchen,
den Antrag der Abgeordneten Herrmann, Dr. Zawadil, Nickl, Dr. Etzel ({2}), Tichi und Genossen betreffend Hilfeleistung für die Unwetterschäden vom 18. Juni 1951 in Bayreuth und Umgebung,
den Antrag der Abgeordneten Stücklen und Genossen betreffend Hilfeleistung für Unwetterschäden in Bayern am 23. und 24. Juni 1951 und
den Antrag der Abgeordneten Sassnick, Rahn, Dr. Wellhausen, Reindl und Genossen betreffend Hilfeleistung für die Opfer der Explosionskatastrophe in Nürnberg
({3}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, in all diesen Fällen auf eine Aussprache zu verzichten.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Schoettle. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Schoettle ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem merkwürdigerweise immer noch „Mündlicher Bericht" genannten schriftlichen Bericht des Haushaltsausschusses nicht viel hinzuzufügen. Es handelt sich bei den ersten drei Anträgen - Drucksachen Nrn. 2065, 2369 und 2393 - um Drucksachen, wie sie den Damen und Herren, die in den Länderparlamenten tätig waren, ja hinreichend bekannt sind. Jedesmal, wenn irgendwo ein Unwetterschaden eintritt, werden solche Anträge an die Parlamente gestellt. Sie haben in den Landtagen meistens dasselbe Schicksal, das sie auch im Bundestag zwangsläufig haben müssen. Es ist unmöglich, Schäden, die nicht durch Versicherungen gedeckt sind, für deren Deckung aber Versicherungen bestehen, durch öffentliche Mittel aus den Länderhaushalten oder dem Bundeshaushalt gutzumachen. Das war die Überlegung, die der Haushaltsausschuß angestellt hat. So leid es einem im Einzelfalle um die Betroffenen tun kann, - niemand kann von der Verpflichtung entbunden werden, z. B. eine Hagelversicherung im Hinblick auf mögliche Unwetterschäden abzuschließen. Es ist in der Regel ja so, daß die Leute die Hagelversicherung kündigen, worauf dann im nächsten Jahr bestimmt ein Hagelwetter über die Landschaft geht. Ich glaube, wir haben allen Grund, zu einer solchen Haltung nicht dadurch zu ermutigen, daß wir bei jeder Gelegenheit öffentliche Mittel zur Verfügung stellen.
Etwas anders liegt der Fall bei dem Antrag auf Drucksache Nr. 2335. Hier handelt es sich um einen Antrag, der die Hilfeleistung für die Opfer der Explosionskatastrophe in Nürnberg betrifft, die ich hier im einzelnen nicht zu schildern brauche. Vom Vertreter der Bundesregierung ist uns im Haushaltsausschuß erklärt worden, daß auf Grund von Verhandlungen mit der Landesregierung und den zuständigen Stellen in Nürnberg aus Mitteln, die dem Bund durch Haushaltsbeschlüsse zur Verfügung stehen, entsprechende Hilfsmaßnahmen eingeleitet worden sind. Der Haushaltsausschuß schlägt infolgedessen auch in diesem Falle vor, den Antrag auf Grund der Erklärung der Bundesregierung für erledigt zu erklären.
In den drei anderen Fällen bitten wir das Haus, unserem Antrag entsprechend zu beschließen, nämlich die Anträge für erledigt zu erklären, da keine Möglichkeiten vorhanden sind, Mittel des Bundes zur Verfügung zu stellen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich muß nur entgegen seiner Meinung die Drucksachenabteilung des Bundestags in Schutz nehmen. Bei diesem Punkt der Tagesordnung handelt es sich tatsächlich um einen „Mündlichen Bericht". Wenn der Haushaltsausschuß einen schriftlichen Bericht erstattet hätte, würden wir „Schriftlicher Bericht" gedruckt haben.
({0})
Eine Aussprache sollte nicht stattfinden. Darf ich annehmen, daß Sie mit den von dem Herrn Berichterstatter begründeten Anträgen des Haushaltsausschusses einverstanden sind? Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Anträge des Haushaltsausschusses sind angenommen.
Ich rufe den Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({1}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Errichtung eines Schiffsreparatur-Dockbaubetriebes ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz, den ich im Augenblick aber nicht im Hause sehe.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch hier auf eine Aussprache zu verzichten. Da der Ausschuß die Annahme des Antrages der Fraktion der SPD beantragt, darf ich annehmen, daß das Haus bereit ist, auch auf die mündliche Berichterstattung zu verzichten. - Das ist offenbar der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2576 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Antrag ist angenommen.
Ich rufe den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Dr. Schmid ({3}), Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Mühlenfeld, Dr. Seelos und Genossen betreffend Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Cultural Exchange Program der USA ({4}).
Ich bitte, davon Kenntnis nehmen zu wollen, daß Ihnen der Ältestenrat eine Begründungszeit von zehn Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorschlägt. - Das Haus ist damit einverstanden. Wer wird den Antrag begründen?
Meine Damen und Herren, unser rasantes Tempo stellt alles in den Schatten, was bisher dagewesen ist. Ich hoffe, daß wenigstens die Presse mitkommt.
({5})
- Herr Abgeordneter Arndgen!
Ich bitte, diesen Punkt zurückzustellen, bis Herr Abgeordneter Gerstenmaier hier ist. Ich nehme an, daß er den Antrag begründen will; er hat sein ganzes Material zurechtgelegt.
Vielleicht sind die Herren Antragsteller in der Lage, den Herrn Abgeordneten Gerstenmaier zu unterrichten, daß seine Anwesenheit im Hause wünschenswert wäre. Ich darf diesen Punkt der Tagesordnung etwas zurückstellen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat mich gebeten, den Punkt 11 der Tagesordnung bis zur Beratung seines Etats zurückzustellen, da er beabsichtigt, zu dem Antrag selbst das Wort zu nehmen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe den Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Sabel und Genossen betreffend Gewährung von Weihnachtszuwendungen an die Bediensteten der Bundesbehörden ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Leuchtgens, den ich bitte, das Wort zu nehmen.
Dr. Leuchtgens ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! In der Drucksache Nr. 390 beantragen die Herren Sabel und Genossen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung möge die Frage der Gewährung von Weihnachtszuwendungen an die Bediensteten bei den Bundesbehörden überprüfen mit dem Ziel, solche Zuwendungen, soweit bisher üblich, auch weiterhin zu gewähren. An die Länderregierungen möge die Bundesregierung die Empfehlung richten, in ihrem Zuständigkeitsbereich im gleichen Sinne zu verfahren.
Die Bundesregierung wird weiterhin ersucht, nach Klärung der Angelegenheit zu veranlassen, daß eine Nachzahlung an die Bediensteten der Bundesbehörden erfolgt, soweit die üblichen Weihnachtszuwendungen zu Weihnachten 1949 nicht gezahlt wurden.
Der Haushaltsausschuß hat sich am 4. Juli mit diesem Antrag beschäftigt. Er hat folgenden Antrag angenommen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag - Nr. 390 der Drucksachen - für die zurückliegende Zeit für erledigt zu erklären und ihn im übrigen der Bundesregierung als Material zu überweisen.
Ich empfehle, diesem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses, den der Herr Abgeordnete Leuchtgens begründet hat, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist angenommen.
Ich kehre jetzt, nachdem der Antragsteller Dr. Gerstenmaier eingetroffen ist, zu dem eben übergangenen Punkt 10 der Tagesordnung zurück:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Dr. Schmid ({0}), Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Mühlenfeld, Dr: Seelos und Genossen betreffend Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland am Cultural Exchange Program der USA ({1}).
Ich bitte Herrn Dr. Gerstenmaier, das Wort im Rahmen der Begründungszeit von 10 Minuten zu nehmen. Die Aussprachezeit beträgt 40 Minuten.
Dr. Gerstenmaier ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den zweifellos positiven Maßnahmen einiger Besatzungsmächte gehören die in den vergangenen Jahren durchgeführten Einladungen zu Besuchs-und Informationsreisen. England und Frankreich haben derartige Einladungen von Fall zu Fall an deutsche Einzelpersonen und Institutionen ergehen lassen. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben jedoch in einem groß angelegten kulturellen Austauschprogramm bis August 1951 rund 4700 Deutsche eingeladen und ihnen damit einen längeren oder kürzeren Studien- oder Informationsaufenthalt in den Vereinigten Staaten ermöglicht. In dieser Zahl sind die sehr umfangreichen Einladungen, die von Privatorganisationen und freien Verbänden ergangen sind, nicht eingeschlossen. Die Zusammensetzung der 4700 offiziell Eingeladenen im Rahmen des Cultural Exchange Program ist folgende: ca. 1000 Studenten, etwa 1500 andere, junge in Ausbildung befindliche Deutsche, 2200 Vertreter des politischen, kulturellen und kirchlichen Lebens Deutschlands; unter ihnen befinden sich ca. 520 Politiker - Mitglieder dieses Hauses, der Länderparlamente und einer Reihe anderer politischer Körperschaften -, etwa 230 Gewerkschaftsvertreter und 170 Journalisten.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, zwei oder drei Gesichtspunkte über die Bedeutung dieser Aktion vorzutragen.
Erstens: Mit dieser systematisch angelegten und groß durchgeführten Aktion hat die Regierung der Vereinigten Staaten vielen Deutschen die Möglichkeit gegeben, das Bild zu ergänzen und zu korrigieren, das über die Vereinigten Staaten von Amerika lediglich oder hauptsächlich auf Grund der Begegnung mit den Besatzungstruppen zustande gekommen ist.
Zweitens: Dieses Exchange-Program hat darüber hinaus vielen eine Chance zur Gewinnung persönlicher Einsichten gegeben, von Einsichten in die Wesens- und Denkart der anderen, d. h. zu Einsichten in die Basis ihres politischen und kulturellen Verhaltens.
Drittens: Nach einem Überblick über die Tätigkeit des Cultural Exchange Program kann man wohl sagen, daß es sich mit als ein außerordentlich kultiviertes Hilfsmittel erwiesen hat, das unproduktive Verhältnis von Sieger und Besiegten zu einem Partnerverhältnis Gleichberechtigter zu verwandeln.
Dieses Programm mußte sich aber gerade deshalb von Anfang an als ein Exchange -, als ein Austauschprogramm verstehen. Es beruht auf der Zweiseitigkeit, auf dem Austausch, obwohl es bis jetzt durchaus einseitig von den Vereinigten Staaten von Amerika getragen wurde. Es kann keine Rede davon sein, daß wir, indem wir diesen Antrag vorlegen, auch nur im entferntesten der Meinung sind, daß Deutschland sich hier im
({3})
materiell gleichen Umfang wie die Vereinigten Staaten von Amerika beteiligen kann. Aber, meine Damen und Herren, in diesem Augenblick steht nicht der materielle Umfang unserer Beteiligung, sondern unsere grundsätzliche Bereitschaft zur Mitwirkung überhaupt zur Debatte. Wir wollen mit diesem Antrag sagen, daß wir Deutsche nach dem Maße unserer Kraft willens sind, zum verständnisvollen und friedlichen Miteinanderleben der Völker beizutragen. Deshalb haben wir den Wunsch, an diesem Programm aktiv teilzunehmen. Der vorliegende Antrag soll diesem Wunsch auf deutscher Seite einen organisatorischen Ausdruck und eine finanzielle Basis schaffen. Er soll zugleich sein - ich möchte das hier mit Nachdruck aussprechen - ein Ausdruck des Dankes für das, was viele Deutsche, Politiker, Erzieher, Wissenschaftler, Kirchenmänner, Gewerkschaftsführer, Vertreter von Jugendorganisationen durch das Cultural Exchange Program in diesen Jahren empfangen haben. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf ein Buch lenken, einen Bericht deutscher Studenten, die zum Teil als Gäste freier Organisationen, zum Teil aber auch im Rahmen dieses Programms in den letzten Jahren in Amerika gelebt haben und deren außerordentlich instruktive Berichte in dem Buch „Länder, Völker, Menschen" zusammengefaßt sind.
Erlauben Sie mir zur Vermeidung eines Mißverständnisses, das naheliegen könnte, noch eine Randbemerkung. Man könnte vielleicht gegen diesen Antrag einwenden, daß er den ersten Schritt darstelle zur Wiederaufnahme außerordentlich suspekt gewordener staatlicher Maßnahmen, die in den Jahren des „Dritten Reiches", aber auch schon davor, unter dem Stichwort „Kulturpropaganda" zusammengefaßt wurden. Dieser Antrag, meine Damen und Herren, beabsichtigt nicht, ein erster Schritt zur Wiederholung alter Fehler auf dieser Ebene zu sein. Er soll nicht ein Auftakt zur Neuauflage der alten suspekt und im übrigen auch etwas langweilig gewordenen Kulturpropaganda sein, sondern er soll wirklich nichts anderes sein als eine Kundgabe des Dankes und unseres Willens, an der freundschaftlichen Begegnung der Völker nach dem Maße unserer Kraft mitzuwirken.
Der vorliegende Antrag ist auch nur deshalb auf die Vereinigten Staaten beschränkt, weil bis zu diesem Augenblick nur die Vereinigten Staaten von Amerika eine geschlossene Aktion durchgeführt haben, die auf Gegenseitigkeit angelegt ist. Ich möchte mir erlauben, hier der Auffassung Ausdruck zu geben, daß mit der Annahme dieses Antrags der Deutsche Bundestag einen gleichermaßen von der Dankbarkeit wie von der Selbstachtung gebotenen Schritt auf dem Wege aus der Unterwerfung in die echte Partnerschaft tut. Ich darf deshalb dem Hause die Annahme dieses Antrages auf das Wärmste empfehlen.
({4})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hennig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratie hat diesen Antrag unterschrieben und hat ihn sich damit zu eigen gemacht. Sie begrüßt die Gelegenheit, diese Einladung an das große Staatsvolk der Vereinigten Staaten von Amerika zu richten. Sie bekundet damit wie mein Vorredner den Willen zur Dankbarkeit für die unendlichen Hilfsströme in Milliardenwerten, die zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit von Siegern gegenüber den Besiegten in Bewegung gesetzt worden sind.
Was nun insbesondere den kulturellen Austausch dieser beiden großen Nationen anlangt, so war er bisher einseitig, wie Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier soeben dargelegt hat, indem die Deutschen als Gäste wohl nach Amerika, aber die Amerikaner nicht als Gäste, sondern als Besatzungsmacht nach Deutschland kamen. Das hat für beide Seiten viel Peinliches gehabt. Ich darf nur an den fragwürdigen Begriff der Umerziehung erinnern, der so außerordentlich verstimmt hat und der praktisch weitgehend ohne Erfolg geblieben ist oder sogar zum gegenteiligen Erfolg geführt hat. Wir begrüßen es, daß jetzt in voller Gegenseitigkeit ein' ehrlicher kultureller Austausch eingeleitet wird, freilich von uns aus mit den bescheidenen Mitteln, die diesem verarmten Land und Volk zur Verfügung stehen. Aber auch wir kommen, wie wir meinen, nicht mit leeren Händen, wenn wir diese Einladung aussprechen. Wir wissen, daß die Vereinigten Staaten von Amerika in den Jahren, in denen wir von der Welt nahezu isoliert waren, gewaltige Fortschritte gemacht haben, nicht nur in bezug auf die technische Entwicklung oder in bezug auf die gewaltige Verteidigungskraft, die wir in diesem Krieg erlebt haben, sondern auch in wissenschaftlicher Beziehung. Was die Amerikaner auf dem Gebiete der Kernphysik, der angewandten Chemie, der Biologie, der Vererbungswissenschaft, der Soziologie und Technologie geleistet haben, ist uns weitgehend noch praktisch unbekannt, ja es ist oft sogar in unseren größten Bibliotheken nur lückenhaft vertreten; und es wird uns eine Freude sein, Männer des öffentlichen und des geistigen Lebens der Vereinigten Staaten hier zu begrüßen, die uns mit diesen Werten, die da erarbeitet worden sind, in unmittelbaren Kontakt setzen können.
Aber ich glaube, unseren Gästen voraussagen zu können, daß sie auch in Deutschland einiges Positive sehen werden. Es war nicht alles schlecht, was es in Deutschland gegeben hat. Wir dürfen darauf hinweisen, daß das deutsche Volk zwar politisch, in bezug auf den Instinkt für die Ordnung seines Gemeinschaftslebens, sagen wir einmal: eines der weniger begabten Völker der Erde gewesen ist. Sonst hätte nicht geschehen können, was geschah. Aber auf dem Gebiete der künstlerischen Schaffenskraft, der Forschung und der Organisationskunst ist Deutschland von jeher eines der führenden Völker der Erde im besten Sinne des Wortes gewesen. Es wird sich lohnen, sich mit dem vertraut zu machen, was in Deutschland nicht nur in der Vergangenheit geleistet wurde, sondern was als anderes und besseres Deutschland auch in den schlimmsten Jahren nicht untergegangen ist.
Ich möchte noch die folgende Bitte aussprechen: Möge die Einladung dahin verstanden werden, daß das Wort „Kultur" nicht ohne weiteres dasselbe ist wie Zivilisation. Es handelt sich nicht nur um die gewiß außerordentlich wertvollen Einsichten in die Lebenstechniken des Einzeldaseins wie des Zusammenlebens der Menschen. Dort haben wir von Amerika Unabsehbares zu lernen. Es handelt sich um die Kultur, d. h. um die Quellkräfte des geistigen Lebens. Da wollen wir nicht vergessen, was der deutsche Romantiker Novalis in seiner fruchtbaren Ideenfülle einmal so ausgedrückt hat: Wenn die Menschen auch nur einen einzigen Schritt vorwärts tun wollen in bezug auf die Beherrschung
({0})
der äußeren Natur und in bezug auf die Kunst der Organisation, dann müssen sie vorher drei Schritte der ethischen Vertiefung nach innen getan haben; tun sie diese drei Schritte nicht vor diesem ersten, so entsteht zuletzt nur grenzenloses Unheil. Um dieses Unheil nicht nur im Einzelleben, nicht nur in dem der Völker, sondern auch in den zwischenstaatlichen Beziehungen der Völker für immer zu bannen, werden wir uns an dieses Ernstnehmen und Tiefsehen der geistigen Beziehungen zwischen den Völkern zu gewöhnen haben. In diesem Sinne sollen uns die Gäste willkommen sein.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Decker.
Im kulturellen Austauschprogramm weht uns ein so freundlicher und gütiger Geist von Menschenwürde entgegen, daß wir dem vorliegenden Antrag gern und in freudiger Resonanz zustimmen. Wir fügen aber den Wunsch an, daß dieser freundliche Geist auch bei den Besatzungsbehörden in Deutschland in kulturellen Dingen Platz greifen möge. Leider sind hier noch Wünsche zu äußern - gerade hier ist die Stelle dazu -, Wünsche in bezug auf die Freigabe von Museumsräumen und vor allem Wünsche in bezug auf die Behandlung der Bilder, die zur Zeit in München beim Collecting Point bereit liegen, die heimlich eingepackt und für den Versand bereitgestellt worden sind. Diese Bilder sind zweifellos deutsches Eigentum und rechtmäßig erworben. Hier geht es nicht nur um die Millionenwerte an Geld, sondern es geht vor allem um den großen kulturellen Wert dieser Bilder. Sie dürfen nicht aus Deutschland verschwinden. Möge der freundliche Geist, der uns aus dem Kulturaustauschprogramm entgegenspricht, auch bei der Lösung dieser Frage wirksam sein.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Es ist geradezu erstaunlich, daß sowohl der Kollege Gerstenmaier als auch soeben der Kollege Decker zu dem hier vorliegenden Antrag von Voraussetzungen ausgehen, die bei einer näheren Prüfung den Tatsachen überhaupt nicht standhalten. Ich weiß nicht, Herr Kollege Gerstenmaier, ob die wirklichen Hintergründe für die Maßnahmen, die seitens der Amerikaner gerade auf diesem Gebiet durchgeführt werden, in Ihren „weiträumigen" politischen Gesichtskreis nicht hineingegangen sind. Wir wissen doch ganz eindeutig, daß die amerikanische Politik sich auf die verschiedensten Gebiete begibt, um ihre Absichten anderen Völkern und Ländern zu infiltrieren. Ich glaube, die Maßnahmen der Amerikaner auf militärischem, wirtschaftlichem und finanziellem Gebiet sind so offensichtlich, so eindeutig, daß jeder Deutsche allmählich immer mehr ihre Ziele zu begreifen und zu erkennen beginnt.
Aber die andere Methode, die nicht so eindeutig sichtbar ist, ist die der sogenannten kulturellen Beeinflussung auf dem Wege eines sogenannten Kulturaustausches. Wir müssen die Frage prüfen, ob das deutsche Volk mit seiner kulturellen Geschichte und seinen Kulturgütern es notwendig hat, sich von jenen Leuten in den Vereinigten Staaten, in Hollywood und anderswo, beeinflussen zu lassen, die uns in der Lebensweise der amerikanischen Milliardärsfamilien, die uns in den Gangsterfilmen, in den Zeitungen oder in ihrer Kitschliteratur das amerikanische Leben darstellen. Es ist doch wohl Tatsache - und demgegenüber kann kein Deutscher die Augen verschließen -, daß es der Sinn und die Absicht der bisher erfolgten Einladungen ist, auf dem Wege des sogenannten Kulturaustauschs deutsche Jugend, deutsche Lehrer und Studenten im amerikanischen Sinne, d. h. im Sinne der amerikanischen Politik, zu beeinflussen. Ich glaube, das deutsche Volk wehrt sich dagegen, von der dekadenten und entarteten amerikanischen Kultur beeinflußt zu werden, während die eigene deutsche Kultur so große Werte geschaffen hat, daß sie sich weit über den Rahmen Deutschlands hinaus befruchtend ausgewirkt haben. Meine Damen und Herren, das liegt - und dagegen werden Sie natürlicherweise sofort Ihr Veto einlegen - in der Linie der amerikanischen imperialistischen Politik,
({0})
nämlich durch tausende Kanäle zu beeinflussen und ihre Politik hier bei uns in Westdeutschland zur Geltung zu bringen, deutsche Menschen für die Politik der amerikanischen Milliardäre und ihre Kriegspolitik einzufangen. Wir sollten demgegenüber dep andern Weg gehen, nämlich Deutsche zu Deutschen sprechen lassen, um dadurch dem deutschen Volk und seiner kulturellen und friedlichen Entwicklung zu dienen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter.
Dr. Richter ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich ist zu dem vorliegenden Antrag zu sagen, daß das gegenseitige Sichkennenlernen der Völker immer vorteilhaft sein kann und begrüßt werden muß. Wir hätten gar nichts gegen diese Einladung einzuwenden, wenn wir leider nicht aus der Vergangenheit wüßten, daß Menschen, die sich nun wirklich in den USA, innerhalb des amerikanischen Volkes als Freunde Deutschlands erwiesen haben, bis heute noch seit Monaten auf eine Einreiseerlaubnis nach Deutschland warten, nur deswegen, weil sie sich eben für Deutschland eingesetzt haben, wie beispielsweise der Pater Reichenberger. Wir stehen auf dem Standpunkt: solange den wirklichen Freunden die Einreise nach Deutschland nicht gestattet ist, sollten derartige Unternehmen überhaupt nicht gestartet werden, weil man doch damit rechnen muß, daß dann gewisse Individuen auf Kosten des Steuerzahlers nach Deutschland kommen, die beim besten Willen bleiben können, wo sie sind.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
Ein Antrag auf Ausschußüberweisung ist nicht gestellt worden.
({1})
Ich muß also über den Antrag unmittelbar abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die
({2})
dem Antrag Nr. 2487 der Drucksachen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
({3}) - Gegen vier Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe weiter auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) über den Antrag der Abgeordneten Kuntscher, Tobaben, Dannemann und Genossen, betreffend Erhöhung der Mittel für den Küstenschutz und den Schutz küstenbedingter Gebiete ({5}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Frühwald.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf Aussprache zu diesem Punkt vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Frühwald!
Frühwald ({6}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Dem Haushaltsausschuß wurde unter Berücksichtigung des § 48 a unserer Geschäftsordnung der Antrag auf Drucksache Nr. 1944 betreffend Erhöhung der Mittel für den Küstenschutz und den Schutz küstenbedingter Gebiete zur Behandlung überwiesen. Er hat ihn in seiner Sitzung am 17. Mai behandelt. Aus den Erklärungen der Regierungsvertreter ergab sich dabei, daß die Forderungen, die in diesem Antrag enthalten sind, im Haushaltsplan 1951 bereits weitgehend berücksichtigt sind. Ich verweise auf den Einzelplan XII des außerordentlichen Haushalts. Wenn Sie diesen Einzelplan XII aufschlagen, so werden Sie unter Kap. E 12 finden, daß dem Sinn des Abs. 1 des Antrags, den Anteil für das Land Niedersachsen auch zu erhöhen, hier bereits Rechnung getragen ist. Der Haushaltsausschuß kam daher zu dem Beschluß, dem Hohen Hause zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag Nr. 1944 der Drucksachen der Bundesregierung als Material zur Berücksichtigung zu überweisen.
Ich gestatte mir noch, darauf aufmerksam zu machen, daß in der Drucksache Nr. 2456 ein Druckfehler unterlaufen ist, weil es hier heißt „Nr. 1999 der Drucksachen". Es muß richtig heißen: Nr. 1944. Ich bitte das Hohe Haus, sich diesem Beschluß des Haushaltsausschusses anzuschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, der sich als Bayer dieser Küstenbelange so freundlich angenommen hat.
({0})
Eine Aussprache soll nicht stattfinden. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem von dem Herrn Berichterstatter so freundlich berichtigten Antrag Nr. 2456 der Drucksachen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Er ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über
den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Finanzhilfe für Schleswig-Holstein,
den Antrag der Fraktion der BP betreffend Wohnungsbaudarlehen an Besatzungsverdrängte,
den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entlassung des Bundespressechefs Dr. Brand und
den Antrag der Fraktion der BP betreffend Benutzung von Dienstwagen zu parteipolitischen Zwecken durch Mitglieder des Bundeskabinetts
({2}).
Eine Aussprache soll nach dem Vorschlag des Ältestenrates auch in diesem Falle nicht stattfinden. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Eckstein. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Eckstein ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Ich verweise auf die Drucksache Nr. 2457. Darin empfiehlt der Haushaltsausschuß, die Anträge Drucksachen Nrn. 582, 1407, 1445 und 1610 als erledigt zu erklären, da die Bundesregierung inzwischen entsprechende Maßnahmen eingeleitet hat.
({4})
Ich danke für den vorbildlich kurzen Bericht. Es wünscht niemand, das Wort zu nehmen? - Nein! Dann bitte ich die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 2457 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Degener, Dr. Bärsch, Ahrens, Dr. Bertram und Genossen betreffend Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 ({1}).
Auch in diesem Fall soll auf eine Aussprache verzichtet werden. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Krone. Darf ich bitten, Herr Abgeordneter!
Dr. Krone ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, diesen Antrag der Regierung als Material zu überweisen mit der Maßgabe, daß ein erster Teilbetrag in einer Höhe eingesetzt wird, durch welche der Ausbau in den nächsten Jahren sichergestellt werden kann.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2458 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch diese Frage hat einmütig ihre Erledigung gefunden.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Bürgschaften für langfristige Kredite für Kriegsgeschädigten-Betriebe ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker.
Ich schlage Ihnen entsprechend dem Wunsche des Ältestenrates vor, auch hier eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen.
Bitte, Herr Abgeordneter Wacker!
Wacker ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Behandlung dieses Antrages der Zentrumspartei hat sich der Ausschuß zunächst auf den Standpunkt gestellt, daß der Antrag nicht dem § 48 a unserer vorläufigen Geschäftsordnung entspricht. Mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des Gegenstandes jedoch hat der Ausschuß beschlossen, den Antrag der Regierung als Material zu überweisen. Ich bitte das Hohe Haus, sich dem Antrag des Ausschusses anzuschließen.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Sie dem Antrag Drucksache Nr. 2506 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({0});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({1});
a) Einzelplan VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern ({2}).
Meine Damen und Herren, ich habe den Herrn Bundesminister des Innern unterrichten lassen.
({3})
- Dazu wollte der Herr Minister sprechen.
({4})
Dann schlage ich vor, daß wir zunächst Punkt 11 der Tagesordnung behandeln:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Kredite und Zuschüsse aus Zeitungen und Zeitschriften aus dem GARIOASonderkontingent ({5}).
Es muß allerdings wohl „Zuschüsse a n Zeitungen und Zeitschriften", nicht „aus" heißen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
({6})
Meine Damen und Herren, dann darf ich Ihnen vielleicht vorschlagen - der Bundesminister der Finanzen steht zur Verfügung, der Bundesminister des Innern ist unterwegs, er ist unterrichtet worden -, daß wir mit dem Haushalt des Bundesministers der Finanzen beginnen, also mit
b) Einzelplan VIII - Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen - ({7}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Seuffert.
({8})
- Ja, das ist wohl das Tempo. - Darf ich bitten, Herrn Abgeordneten Seuffert unterrichten zu lassen!
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen dann vorschlagen, daß wir mit
c) Einzelplan XXI - Haushalt der Bundesschuld - ({9})
beginnen. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker. Wir werden dann die Berichterstattung von Herrn Abgeordneten Seuffert daran anschließen.
Wacker ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan XXI, Haushalt der Bundesschuld, weicht von dem vorangegangenen Haushalt nicht wesentlich ab. Inzwischen sind mit den Drucksachen auch Unterlagen verteilt worden, aus denen das Ausmaß der Abweichungen ersichtlich ist. Infolge des Überrollungshaushaltsplanes, der kürzlich zur Beratung stand, hat keine weitere Aussprache stattgefunden. Der Ausschuß bittet Sie, dem vorliegenden Haushaltsplan Ihre Zustimmung zu geben.
({11})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter in diesem Augenblick mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß er nicht etwas länger gesprochen hat.
({0})
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen, da Herr Abgeordneter Seuffert im Augenblick nicht zur Verfügung steht, vor, daß wir zu dem
Einzelplan VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern ({1})
zurückkehren.
({2})
- Der Bundesminister des Innern ist inzwischen eingetroffen.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Steinhörster.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von höchstens 240 Minuten vor. Ich darf Ihnen vorschlagen, daß diese Aussprachezeit gleichzeitig für die Aussprache über den Antrag zu Punkt 11 der Tagesordnung verwandt wird:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Kredite und Zuschüsse an Zeitungen und Zeitschriften aus dem GARIOASonderkontingent ({3}).
Ich bitte zunächst den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Steinhörster ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu einer Reihe von Einzelplänen konnte bei dem Einzelplan VI das reine Überrollungsprinzip nicht angewendet werden. Dieser Einzelplan enthält eine Reihe von Neuansetzungen sowohl in einzelnen Kapiteln als auch auf einzelnen Sachgebieten. Ich möchte dem Hohen Hause zunächst einmal die Behörden aufzählen, die gegenüber dem Haushaltsplan 1950 als neue erscheinen.
Hier ist zunächst das Kap. 23 zu nennen, das die Bundesausgleichsstelle behandelt, die eingerichtet worden ist, um das Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes durchzuführen. Hierzu ist zu sagen, daß der Leiter dieser Stelle beim Ministerium selbst etatisiert ist. Sie finden also den Leiter in der Vorlage nicht aufgeführt. Über diese neue Behörde hat es im Haushaltsausschuß keine Mei({5})
nungsverschiedenheiten gegeben. Der Haushaltsausschuß hat der Einrichtung dieser Dienststelle zugestimmt.
Ich muß dann auf die Kap. 25, 26 und 27 verweisen; dazu kommen die Kap. E 35, E 36 und E 37. Alle sechs Kapitel befassen sich mit dem Bundesgrenzschutz. Der Bundesgrenzschutz als eine neue Behörde im Innenministerium hat - das dürfte wohl in der Natur der Sache liegen - zu einigen Aussprachen geführt. Ich habe dem Hohen Hause mitzuteilen, daß sich die Opposition bei den Besprechungen im Haushaltsausschuß der Stimme enthalten hat, und zwar - so hieß es in der Begründung - mit Rücksicht auf ihre Beobachtungen beim Aufbau. Das Ergebnis der Abstimmung zu diesen sechs Kapiteln ist folgendes: 10 Stimmen im Ausschuß haben sich für die Ansätze ausgesprochen, während sich 1 Stimme dagegen aussprach. Außerdem waren noch 8 Stimmenthaltungen festzustellen.
Als eine weitere neue Behörde wäre das Büro für Aufenthaltsgenehmigungen zu nennen. Diese Dienststelle finden Sie beim Kap. 28. Hier hat es im Ausschuß keine Meinungsverschiedenheiten gegeben. Der Ausschuß hat der Einrichtung einer solchen Dienststelle und damit den Ansätzen im Einzelplan zugestimmt.
Ich darf nun hinweisen auf Sachtitel, die im Haushaltsplan neu erschienen sind, die also, wie ich eingangs sagte, den Charakter des Überrollungshaushaltes verändert haben. Hier wäre das Kap. 19 mit dem dazugehörigen Kap. E 29 zu nennen. Darin sind die vorbereitenden Luftschutzmaßnahmen untergebracht. Der Ausschuß hat in Kap. E 29 Tit. 1 die Worte „für den Selbstschutz der Bundesverwaltung" streichen lassen. Ich bitte Sie, einmal die Erläuterungen nachzulesen. Dann werden Sie wahrscheinlich feststellen, daß der Ausschuß gar nicht anders handeln konnte.
Ferner darf ich auf Kap. 2 Tit. 13 hinweisen, bei dem es sich um den Zuschuß an die Kirchen für die Versorgung der heimatvertriebenen und sonstigen verdrängten versorgungsberechtigten Seelsorger, Kirchenbeamten, Kirchenangestellten sowie ihrer Hinterbliebenen handelt. Ich darf daran erinnern, daß dieser Personenkreis durch Art. 131 des Grundgesetzes nicht erfaßt worden ist. Die Aussprache, die sich bei diesem Ansatz ergeben hat, bitte ich aus dem Protokoll des Haushaltsausschusses selber vortragen zu dürfen. Aus dieser Aussprache ging hervor, daß einige Mitglieder des Ausschusses Bedenken gegen die vorgesehene Regelung hatten. Diese Mitglieder waren der Auffassung, daß es richtiger gewesen wäre, den hier vorgesehenen Zuschuß durch eine gesetzliche Regelung zu fundieren. Vom Ministerium ist daraufhin erklärt worden, daß es sich hier nicht um Rechtsverbindlichkeiten handele und daß die Regelung deshalb so erfolgt sei, weil früher das Reich und insbesondere der preußische Staat schon Zuschüsse an die Kirchen geleistet hätten. Auf eine weitere Anfrage eines Vertreters der Opposition hinsichtlich der Möglichkeiten von Berufungsfällen durch Gebietskörperschaften wurde erklärt, daß solche Berufungsfälle wahrscheinlich nicht zu erwarten seien, da die Bestimmungen des Grundgesetzes in diesem Punkte eine klare Regelung vorsähen. Ich muß pflichtgemäß darauf hinweisen, daß sich bei der Abstimmung über diesen Titel 15 Stimmen dafür ausgesprochen und daß sich 7 Mitglieder der Stimme enthalten haben, während 1 Mitglied dagegen gestimmt hat.
Ich habe die neuen Behörden, die im Haushaltsjahr 1951 hinzugekommen sind, und die neu en Titelansätze vorweg behandelt. Nunmehr verbleibt noch das, was man als Überrollungsansätze betrachten kann. Bei der Berichterstattung hierüber werde ich mich auf die Ansätze beschränken, die durch die Behandlung im Ausschuß eine Veränderung erfahren haben.
Hierbei ist folgendes zu sagen. Die Einnahmekapitel haben in keinem Punkte eine Veränderung erfahren. Bei Kap. 1 Tit. 24 - hier handelt es sich um den Begriff: „Zur Verfügung für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen" - ist vom Ausschuß die Sperre gestrichen worden. Es konnte uns überzeugend dargelegt werden, daß es sich nur um eine irrtümliche Aufnahme gehandelt hat und daß eine einheitliche Regelung für alle Einzelpläne diese Sperre nicht vorsieht.
Zu Kap. 1 Tit. 31 - Nachrichten- und Informationsdienst - ist zu sagen, daß die Opposition im Haushaltsausschuß den Antrag gestellt hat, den Zusatzvermerk über die alleinige Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofs zu streichen. Die Opposition war der Auffassung, daß auch in diesem Falle und vielleicht gerade in diesem Falle dem Parlament das Prüfungsrecht vorbehalten bleiben müsse. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt.
Bei Kap. 2 Tit. 7 handelt es sich um den Zuschuß an den Zivilen Ordnungsdienst e. V. Der Ausschuß hat geglaubt, hier müsse die Zweckbestimmung in „Zuschuß an das Technische Hilfswerk" geändert werden. Das ist auch geschehen und beschlossen worden. Sie werden also in dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses finden, daß es nunmehr heißt: „Zuschuß an das Technische Hilfswerk".
Ich muß nun bei Kap. 2 Tit. 26 noch einmal auf das Protokoll des Haushaltsausschusses selbst zurückkommen. Hier handelt es sich um die Studienstiftung des deutschen Volkes. Der Ausschuß ist der Auffassung gewesen, daß der Ansatz, der hierfür vorgesehen ist, bei weitem zu niedrig bemessen sei. Das Ministerium hat dem Ausschuß gegenüber erklärt, daß im Nachtragshaushalt für 1951 ein Betrag von 500 000 DM vorgesehen sei. Bei dieser Gelegenheit darf ich noch darauf hinweisen, daß bei Tit. 28 vom Haushaltsausschuß angeregt wurde, daß künftig die hier ausgebrachten Mittel mit den Mitteln für die Bundeszentrale für Heimatdienst vereinigt werden sollen. Seitens des Ministeriums wurde dem Ausschuß erklärt, daß eine ähnliche Regelung auch vorgesehen sei.
Dann wären die Tit. 31 und 32 des Kap. 2 hervorzuheben. Bei diesem Kapitel und bei diesen beiden Einzeltiteln handelt es sich um die Frage der „Neuen deutschen Wochenschau". Hierüber hat es im Ausschuß eine eingehende Aussprache gegeben. Von allen Mitgliedern des Ausschusses ist der Wunsch ausgesprochen worden, es müsse versucht werden, auf die Dauer auf einen öffentlichen Zuschuß zu verzichten. Daß bei diesem Gespräch auch eine Reihe anderer das Sachgebiet „Wochenschau" selbst betreffender Dinge zur Sprache kamen, dürfte bei der Materie selbstverständlich sein.
Ich darf nunmehr auf eine Veränderung hinweisen, die sich bei Kap. 2 Tit. 33 ergeben hat. Hier handelt es sich auch um einen Betrag, der kulturellen Zwecken dient. Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß schon im Vorjahre beim Bericht des Haushaltsausschusses über diesen Einzel({6})
plan der Wunsch ausgesprochen worden war, man möchte auch eine Schillerstiftung einrichten. Wenn ich mich recht erinnere, ist auch damals vom Ministerium eine Zusage gemacht worden. In diesem Zusammenhang ist zu sagen, daß aus dem Betrage, den ich mit dem Tit.33 angesprochen habe, bereits Leistungen an eine Schillerstiftung erfolgen. Der Haushaltsausschuß hat aber gewünscht, daß die Schillerstiftung ein besonderer Titel im Einzelplan werden möge.
Eine größere und anhaltendere Diskussion hat es bei Kap. 2 Tit. 61 gegeben. Hier handelt es sich um den mit großem Elan verkündeten Jugendplan des deutschen Volkes. In diesem Einzelplan für 1951 sind ganze 17 500 000 DM für die Durchführung dieses Planes vorgesehen. Die Mitglieder des Ausschusses erklärten übereinstimmend, daß diese Mittel viel zu niedrig seien. Vom Ministerium selbst ist zugesagt worden, daß es sich für eine Erhöhung der Mittel im Nachtragshaushalt verwenden wolle.
Eine Kritik, die schon im Vorjahr an der gleichen Stelle ausgesprochen worden ist, ist auch diesmal wieder laut geworden bei Kap. 20, beim Personalamt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets. Ich darf diese Kritik nur dem einen Satz zusammenfassen: Es ist dringend gefordert worden, daß die Abwicklung nunmehr baldigst zu Ende geführt wird.
Bei Kap. E 18 Tit. 12 handelt es sich um eine Angelegenheit, die neuartig ist. Hier sind zum ersten Mal Beträge ausgewiesen, die dazu verwendet werden sollen, statistische Erhebungen, insbesondere hinsichtlich der Lebenshaltungskosten und des Lebenshaltungsindex, durchzuführen. Es werden aus diesem Titel Zahlungen an buchführende Familien geleistet, die das Ergebnis ihrer Buchführung über die Lebenshaltungskosten dem Innenministerium zur Verfügung stellen. Hierzu wurde vom Ausschuß nur gewünscht, daß in diese Regelung auch das Land Berlin einbezogen werden möge. Insoweit sind auch die Erläuterungen ergänzt worden.
Bei Kap. E 20 Tit. 9 handelt es sich um einen neuen Ansatz. Ich bitte mir zu gestatten, zu diesem Zweck wieder das Protokoll der Verhandlungen des Ausschusses zur Hand zu nehmen. Es geht hier um die Einrichtung einer eigenen Druckerei. Bei der Beratung dieses Titels erklärten zwar die Vertreter des Ministeriums, daß noch nicht sicher sei, ob die beabsichtigte Einrichtung einer eigenen Druckerei durchgeführt würde. Es hätte sich jedoch, immer nach den Worten des Vertreters des Ministeriums, herausgestellt, daß bei der Drucklegung in der Bundesdruckerei erhebliche Kosten entstünden, so daß aus Verbilligungsgründen der Gedanke aufgetaucht wäre, eine eigene Druckerei zu errichten. Der Ausschuß hat aber zu diesem Punkt in seiner Mehrheit die Auffassung vertreten, daß eine solche eigene Druckerei nicht erwünscht sei und daß sich auch das Bundeskriminalamt der Einrichtung der Bundesdruckerei bedienen solle. Das Ministerium ist gebeten worden, diese Frage noch einmal eingehend zu untersuchen und zu überprüfen und dem Ausschuß einen entsprechenden Bericht zu unterbreiten. Bis zur Klärung der Frage ist dieser Ansatz zunächst mit einem Sperrvermerk versehen worden. Es muß beim Studium dieses Ansatzes auch noch bemerkt werden, daß es sich dort nur um einen Teilbetrag
handelt.
Meine Damen und Herren, das ist das Sachlich zu diesem Einzelplan und zu den Beratungen im Haushaltsausschuß. Ich möchte mir nun gestatten, Ihnen noch einmal die Abschlußzahlen zu unterbreiten. Sie sind doch gerade bei diesem Ministerium ganz interessant. Für 1950 betrug die Schluß-zahl der Beschäftigten insgésamt, also einschließlich der Beamten, Angestellten und Arbeiter, 2 450, für 1951 aber 12 473. Die Erklärung für das Mehr an Beschäftigten ergibt sich daraus, daß das Ministerium selbst etwa 60 Kräfte mehr beschäftigt - ich nenne nur runde Zahlen - daß die Bundesausgleichsstelle gegenüber dem Vorjahr zusätzlich 56 Kräfte beschäftigen muß und daß der Bundesgrenzschutz insgesamt 10 000 Menschen umfaßt. Das sind also zusammen rund 10 120 Beschäftigte. Dieser Zahl steht der Abgang gegenüber, der insbesondere beim Personalamt feststellbar ist, mit rund 80 Kräften, so daß, alles in allem gesehen, ein Zugang von 10 000 Beschäftigten vorliegt.
Geldlich gesehen zeigte die Abschlußsumme für 1950 einen Zuschußbedarf von rund 86 Millionen DM, für 1951 zeigt sie einen Zuschußbedarf von 241 Millionen DM, mithin ein Mehr von rund 155 Millionen DM.
Ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Haushaltsausschusses um die Annahme dieses Einzelplanes zu bitten.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst die Begründung des Antrages der KPD zu Punkt 11 der Tagesordnung hören, der mit diesem Punkt der Tagesordnung verbunden werden sollte, betreffend Kredite und Zuschüsse an Zeitungen und Zeitschriften aus dem GARIOA-Sonderkontingent. Herr Abgeordneter Müller zur Begründung!
Müller ({0}) ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich kann an die Bemerkungen anknüpfen, die ich vorhin bei der Behandlung des sogenannten Kulturaustauschprogramms gemacht habe, und darauf verweisen, welchen Zweck dieses sogenannte Kulturaustauschprogramm verfolgt. Ich denke aber, daß der vorliegende Antrag meiner Fraktion sofort plastisch einen solch eindeutigen Beweis für die von mir bereits vorhin gemachten Feststellungen ergibt, daß es die Sache wohl verdient, dem deutschen Volke in breitester Öffentlichkeit vorgelegt zu werden, um zu zeigen, mit welchen Mitteln und Methoden die Herren Amerikaner versuchen, die deutsche öffentliche Meinung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Es handelt sich um den sogenannten Fonds - wie behauptet wird - „zur Stärkung der demokratischen Presse" in Höhe von 15 Millionen DM. Es handelt sich - um es einmal mit dem Worte zu bezeichnen, das zu Bismarcks Zeiten gebraucht wurde, als damals solche Mittel bereitgestellt wurden, um Zeitungen zu korrumpieren und zu kaufen - um den sogenannten Reptilienfonds.
({2})
Ich glaube, die Tatsachen, die bereits vorliegen, beweisen eindeutig, daß man im Rahmen des großen Programms der Beeinflussung Westdeutschlands im Sinne der amerikanischen Politik der Milliardäre und der Kriegspolitik dazu übergegangen ist, goldene Schlingen zu legen, die je nachdem, ob der Empfänger so tanzt, wie die Herren pfeifen, oder nicht, weiter oder enger gezogen werden.
({3})
({4})
Gestatten Sie mir, an Hand der bereits nach dem Plan erfolgten Verteilung aus diesem Korruptions-und Reptilienfonds bzw. an Hand des Verteilungsplans auf einzelne Tatbestände einzugehen. Nach dieser Aufstellung hat aus diesem Fonds bisher die „Frankfurter Rundschau" 1 600 000 DM erhalten. Ich glaube, es ist nicht uninteressant, dabei die Feststellung zu machen, daß eine der Voraussetzungen für die Gewährung dieses Betrages von 1,6 Millionen DM die Tatsache war, daß die „Frankfurter Rundschau" einen der Hauptagenten des amerikanischen Nachrichtenoffiziers in Frankfurt, eines Mr. Kimmental, nämlich einen gewissen Lothar Franke, aufnehmen mußte. Danach rangiert in dieser Aufstellung „Die Welt" mit einem Betrage von 1 Millionen DM. Ich glaube, auch hier brauchen wir über die Haltung und die Orientierung dieser Zeitung, nämlich im Interesse der westlichen Politik gegen den Osten, kein Wort zu verlieren. Die nächste Zeitung in diesem Verteilungsplan ist die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung" mit einem Betrag von 600 000 DM. Wenn dann mit dem gleichen Betrage von 600 000 DM die „Westfälische Rundschau" bedacht wird, dann ist es, glaube ich, nicht uninteressant, an den Kollegen Henßler z. B. die Frage zu richten,
({5})
ob er sich nicht dessen erinnert, wie sich ein August Bebel und ein Wilhelm Liebknecht mit aller Leidenschaftlichkeit zu Bismarcks Zeiten gegen den Versuch gewehrt haben, durch solche Korruptions-und Bestechungsgelder die Arbeiterpresse zu beeinflussen.
({6})
Es war beim Aufbau der Arbeiterzeitungen insbesondere die eisern überwachte Linie von Bebel und Liebknecht, diesen Aufbau aus Arbeitergroschen zu sichern und damit die Unabhängigkeit der Arbeiterpresse zu garantieren.
({7})
Ich glaube, Sie und die sozialdemokratischen Leser werden sich wahrscheinlich zu überlegen haben, ob und inwieweit es ihrem eigenen Interesse dient, wenn aus diesem amerikanischen Reptilienfonds jene 600 000 Mark dieser sozialdemokratischen Zeitung zur Verfügung gestellt werden.
({8})
Eine weitere Zeitung mit 500 000 DM ist die „Süddeutsche Zeitung". Die „Hessischen Nachrichten" in Kassel rangieren mit 400 000 DM, die „Hannoversche Presse" ebenfalls mit 400 000 DM, der „Weser-Kurier" mit 400 000 DM, die „Hamburger Morgenpost" mit 450 000 DM, die „Rheinische Post" mit 250 000 DM.
Das ist ein Teil aus diesem Korruptions- und Reptilienfonds, der bisher zur Verteilung vorgesehen ist. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, die damit bezweckte Politik - nicht nur der Abhängigmachung der Verlage, sondern damit der eindeutigen Orientierung solcher Zeitungen im Sinne der Amerikaner - haben wir schon in verschiedenen anderen Fällen erlebt, sogar in der amerikanischen Pressegeschichte. Ein namhafter Journalist hat bei seinem Ausscheiden aus einer amerikanischen Zeitung ganz eindeutig seinen Kollegen gegenüber erklärt: „Meine Herren, daß wir nicht das in der Zeitung schreiben dürfen, was wir wollen, dürfte allgemein bekannt sein; sonst würden wir sofort unsere Position verlieren."
({9})
Diese Methoden der Korrumpierung sind bereits so weit gegangen, daß eine Zeitung wie die „Kasseler Post", deren Redakteure früher sehr aktiv an der Nazipresse mitgearbeitet haben, um einen Anteil aus dem Reptilienfonds zu bekommen, die „Fuldaer Volkszeitung", deren Lizenzträger ein An-hanger der CDU und einer gewesen ist, der lange Jahre im Zuchthaus saß, mit niederträchtigen Verleumdungen und Verdächtigungen um den Erhalt eines. Anteiles aus diesem Fonds zu bringen versuchte. Es wird also die gegenseitige Denunziation noch gestärkt, und ich glaube, auch die Veröffentlichung der Nachrichtenagentur der FDP hat keinen anderen Sinn, als den, auch aus diesem Fonds gespeist zu werden.
Ich kann noch an einer anderen Tatsache nicht vorbeigehen. Herr Kollege Strauß hatte vor kurzer Zeit in einer Anfrage an die Regierung Auskunft über die Verwendung von Besatzungskosten verlangt. Ihm ist die Antwort erteilt worden hinsichtlich eines Reptils, das ein Deutscher, wenn er es zu lesen gezwungen ist, nur mit Ekel und Abscheu in die Hand nimmt, der sogenannten „Neuen Zeitung", jener amerikanischen Zeitung, über deren Tendenz und Inhalt und Absicht kein Deutscher im Zweifel sein kann.
({10})
Aus dieser Antwort des Herrn Finanzministers ergab sich, daß dieses amerikanische Reptil ({11})
bis zum 31. Oktober 1948 einen Gesamtbetrag von über anderthalb Millionen DM zu Lasten unseres Volkes aus den Besatzungskosten erhalten hat. Daneben stehen noch eine ganze Reihe von Fragen offen, wie z. B. die Finanzierung dieses Organs der ( amerikanischen Journaille
({12})
bezüglich der Mieten und sonstigen Kosten erfolgen soll.
Ich denke, wir müßten uns und Sie müßten sich mit aller Entschiedenheit mit dagegen wehren, daß deutsche Mittel verwendet werden, um ein ausländisches Organ auf deutschem Boden zu finanzieren.
({13})
Ich glaube, daß unser Antrag, der darauf abzielt, daß jede Zeitung, die aus diesem Reptilien- und Hetzfonds der Amerikaner gespeist wird, die Bezeichnung tragen soll: „Unser Verlag wird aus GARIOA-Mitteln unterstützt", von Ihnen allen angenommen werden müßte, damit jeder Deutsche sieht, wie die Amerikaner insbesondere auch auf dem Wege der Korruption versuchen, ihre Politik in unser deutsches Volk hineinzutragen.
Aber es ist auch eine glänzende Illustration zu dem Begriff der Freiheit: „Wenn du nicht so tanzen willst, wie wir pfeifen" - so sagen die Herren Amerikaner -, „dann werden wir dir das Leben nicht nur sauer machen, sondern die Existenz unmöglich machen!"
({14})
Ich denke infolgedessen, daß diese Methoden jedem einzelnen Deutschen offensichtlich machen, in welchem Umfange diese Zeitungen durch diesen Korruptions- und Reptilienfonds im Sinne der amerikanischen Kriegspolitik beeinflußt werden.
({15})
Ich glaube, die Deutschen werden es in immer größerem Umfange ablehnen, Zeitungen zu lesen, die
im Dienst der amerikanischen Kriegspolitik stehen.
({16})
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob das Haus beabsichtigt, die Debatte über diesen Antrag weiterhin mit der Beratung des Haushalts des Bundesinnenministeriums zu kombinieren oder diese Frage vorweg zu erörtern.
({0})
Das Wort hat zunächst der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte zum Haushaltsplan des Innern vorweg eine kurze Bemerkung zu den GARIOA-Krediten. Der Antrag der KPD bezweckt, Zeitungen öffentlich zu diskreditieren, deren Verleger aus dem GARIOASonderfonds Zuwendungen bekommen.
({0})
Die genannte Kreditaktion ist beabsichtigt, um die demokratische Presse in Deutschland zu stärken. Namentlich jenen ehemaligen Lizenzverlegern, die nicht mehr die Mittel haben, aus sich heraus eigene Druckereien wiederaufzubauen,
({1})
soll Gelegenheit gegeben werden, mit diesen Krediten eigene Druckereibetriebe aufzubauen. Die Bundesregierung ist an der Verteilung dieser Kredite nicht beteiligt. Hierfür ist die Wirtschaftliche Genossenschaft der Presse in Frankfurt am Main zuständig sowie ein von den deutschen Verlegern gebildeter Kreditausschuß.
Die Kreditaktion als solche liegt durchaus im deutschen Interesse.
({2})
Auch seitens der einzelnen Parteien - ich darf mich hier an den Parteivorstand der SPD wenden - sind Bedenken gegen dieses Verfahren bei mir nicht geäußert worden. Die Bundesregierung hat keinerlei Veranlassung, dem Antrage der KPD zu folgen. Ich möchte persönlich die Frage aufwerfen, ob es nicht dankenswert wäre, wenn die Herren bei den kommunistischen Zeitungen, die im Osten oder sonstwo erscheinen, mit gutem Beispiel vorangingen und auf der Titelseite veröffentlichten, woher die Mittel stammen, aus denen diese Zeitungen finanziert werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bestreite dem Herrn Abgeordneten Müller jede Legitimation, in dieser Frage das Wort zu ergreifen.
({0})
Von den Dingen, von denen er geredet hat, hat er keine Ahnung,
({1})
sonst müßte er wissen, daß es sich bei den GARIOAKrediten um ein regelrechtes bankmäßiges Geschäft handelt, für das die betreffenden Kreditnehmer 6 % Zinsen bezahlen, und daß sie wie bei
jedem anderen Kredit zur Amortisation des Darlehens verpflichtet sind. Aber offenbar möchte er den Eindruck erwecken, als ob die Verleger, die diese Kredite nach einer sehr gründlichen Überprüfung ihrer Kreditwürdigkeit erhalten
({2})
- ich komme gleich darauf zurück, was die Gesinnung betrifft; da haben Sie einige Erfahrungen, Herr Renner -,
({3})
diese Mittel bekommen auf Grund irgendwelcher Bedingungen, die die Haltung ihrer Zeitung betreffen.
({4})
- Das Gegenteil können Sie höchstens beweisen, wenn Sie Ihre eigene Presse ansehen, von der ich überzeugt bin, daß sie von ihren Abonnenteneinnahmen nicht einen Tag leben könnte.
({5})
Ich würde vorschlagen, wenn man so boshaft sein
wollte, wie Sie es gelegentlich zu sein versuchen,
den Antrag der Kommunistischen Partei zu ergänzen und zu verlangen, daß die kommunistische
Presse an der Spitze ihrer Zeitungen nachweist,
daß sie nicht aus Perlonstrümpfen und ähnlichen
illegalen Einfuhren aus dem Osten finanziert wird.
({6})
- Herr Kollege Renner, wenn man Ihren Papieraufwand hier in der Bundesrepublik mit Ihrer tatsächlichen Stärke vergleicht, dann kann man sich nicht darüber im unklaren sein, daß nicht nur Ihre Presse, sondern auch Ihre Partei von denen ausgehalten wird, deren Stimme Sie sind; denn Ihre Zeitungen haben ja überhaupt nur eine Linie. Sie versuchen, aus der Haltung der Presse der Bundesrepublik einen Einfluß der Amerikaner auf die Haltung der Journalisten und Verlage abzuleiten. Wenn es einen Maßstab für die Abhängigkeit einer Zeitung von einem Geldgeber gibt, dann ist die kommunistische Presse ein einziger Beweis dafür, daß es dort überhaupt keinerlei Selbständigkeit gibt, und wehe dem kommunistischen Redakteur, der wagen würde, eine andere Meinung als die zu vertreten, die seine Auftraggeber von ihm wünschen.
({7})
Er wäre nicht nur materiell erledigt; er würde wahrscheinlich in absehbarer Zeit den Weg gehen, den Ihr Kollege Müller gegangen ist, von dem wir heute noch nicht wissen, wo er ist.
({8})
Wir wollen uns doch auf die Dauer diese Art von Polemik nicht gefallen lassen, die Sie, weil Sie auf unseren guten Glauben, auf unsere Loyalität und unsere Bequemlichkeit spekulieren, uns jeden Tag hier bieten. Das muß doch einmal ein Ende haben, diese ewige Platte
({9})
von Leuten, deren Integrität man sehr wohl in Zweifel stellen kann.
({10})
Meine Damen und Herren, ich beantrage Übergang zur Tagesordnung über den Antrag der kommunistischen Fraktion.
({11})
Wünscht jemand gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu sprechen?
({0})
- Meine Damen und Herren, beabsichtigen Sie, die Aussprache fortzusetzen und dann Übergang zur Tagesordnung oder sofort Übergang zur Tagesordnung zu beantragen?
({1})
- Sie haben die Möglichkeit, diesem Antrag zu widersprechen. Wollen Sie das hier tun, Herr Abgeordneter Renner?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint hinter diesem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung nichts anderes zu stehen als die Absicht, eine wirkliche Aussprache zu vermeiden. Nachdem der Herr Vorredner in einer Art, die bisher in diesem Hause nicht üblich war,
({0}) nicht einmal bei der sozialdemokratischen Führerbank, den Spieß umzudrehen versucht hat, nachdem der Herr Minister hier die Kühnheit gehabt hat, zu sagen, daß mit diesem Antrag, eine mit amerikanischen Geldern ausgehaltene scheinbare deutsche Zeitung auch als amerikanischerseits ausgehaltene Hure zu deklarieren, eine Diskreditierung ausgesprochen werde, ist es, glaube ich, hohe Zeit, daß in diesem Hause über dieses Thema eine ernstliche Aussprache erfolgt,
({1})
eine Aussprache, in der man dann ja auch auf den einzig vernünftigen Vorschlag des Herrn Schoettle eingehen könnte, die Finanzierung aller deutschen Zeitungen einmal unter die Lupe zu nehmen und durch ein Gesetz zu regeln.
({2})
Bereit sind wir dazu, Herr Schoettle!
({3})
Dabei werden ja auch die Quellen, die wir aufgedeckt haben, - -
Herr Abgeordneter Renner, - Renner ({0}): Pferdmenges, -
Herr Abgeordneter Renner, - Renner ({0}): Sie haben die Möglichkeit, -
Herr Abgeordneter Renner, ich habe eine größere Lautstärke. Ich habe Ihren Lautsprecher abgeschaltet. Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen.
({0})
Ich wollte Sie darauf hinweisen, daß Sie im Augenblick gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung und nicht zur Sache sprechen.
Ich spreche gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung.
Ich schließe ab mit einem Satz: Mut hätte anders gehandelt, Verantwortungsgefühl für unser Volk hätte anders gehandelt.
({0}) Sie wollen, daß hier auch mit amerikanischem Geld unserem Volk amerikanische Kriegspolitik mundgerecht gemacht wird. Darum müssen Sie unseren Antrag verhindern, darum dürfen Sie nicht dulden, daß eine amerikanisch ausgehaltene Presse von unserem Volk auch als solche charakterisiert wird.
({1})
Wünscht jemand für den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu sprechen? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den von Herrn Abgeordneten Schoettle gestellten Antrag auf Übergang zur Tagesordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Antragsteller des Initiativantrags und zwei weitere Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zur Beratung des Haushalts des Bundesministeriums des Innern. Es war eine Gesamtredezeit von 240 Minuten vorgesehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich bei der Beratung des Haushalts für die innere Verwaltung zunächst nur auf das Kapitel über den Grenzschutz beschränke, so deshalb, weil die Öffentlichkeit in der letzten Zeit in, zunehmendem Maße durch neofaschistische Vorgänge im Grenzschutz beunruhigt worden ist,
({0})
weil der Grenzschutz eine völlig andere Entwicklung genommen hat, als wir bei der Annahme des Gesetzes über den Grenzschutz annehmen konnten, und weil schließlich der Herr Innenminister Zusagen nicht eingehalten hat.
Wer später einmal die Geschichte dieses Volkes nach 1945 zu schreiben haben wird, wird nicht an dem Leidensweg vorübergehen können, den die Versuche und die vielen Bemühungen der SPD gehen mußten, eine starke Bundesgewalt zu schaffen und das ewige Mißtrauen gegen jede Bundesexekutive auszuräumen. Meine politischen
({1})
Freunde und ich waren damals, als das Gesetz über den Grenzschutz dem Bundestag vorgelegt wurde, bereit, diesen Weg zur Stärkung der Bundesgewalt mitzugehen, nicht nur, weil wir ganz allgemein für eine Stärkung der Bundesexekutive waren, sondern auch, weil uns die augenblickliche deutsche Situation dieses Ziel als notwendig erscheinen ließ.
Das war nicht nur im Parlamentarischen Rat bei den Beratungen der Bundesverfassung so, das hat sich auch im Herbst des vorigen Jahres gezeigt, als wir zusammen mit der Fraktion der FDP dem Bund eine eigene Polizeiexekutive verschaffen wollten. Es war der Herr Bundesinnenminister, der in der ersten Lesung Bedenken erhob. Die weiteren Bemühungen in dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, dem Bund eine eigene Polizei zu verschaffen, sind dann an der Haltung der politischen Freunde des Herrn Bundeskanzlers gescheitert, die nicht bereit waren, ihrer eigenen Bundesregierung einen Machtzuwachs zu gönnen. Von ihnen wurden Sie, Herr Bundeskanzler und Herr Bundesinnenminister Dr.
({2})
Lehr, im Stich gelassen. Da waren schließlich wir von der Opposition doch bessere Menschen, denn wir waren ja zu einem solchen Schritt bereit.
Aber wenn wir damals bereit waren, dem Bund eine eigene Exekutive an den Grenzen der Bundesrepublik zu geben, dann nur deshalb, weil wir nach dem, was das Gesetz sagt, und nach dem, was der Herr Bundesinnenminister uns zugesichert hatte, mit einem wirklichen und vor allem einem wirksamen Grenzschutz rechnen konnten. Die Entwicklung beim Bundesgrenzschutz hat einen ganz anderen Weg genommen, und unser guter Glaube von damals ist arg enttäuscht worden.
Das Gesetz über den Bundesgrenzschutz beruht auf dem Art. 87 des Grundgesetzes, wonach der Bund Grenzschutzbehörden errichten darf, um vor allem die Paßnachschau durchzuführen. Was aber haben Sie daraus gemacht? Kasernierte Truppen! Und um die Paßkontrolle kümmert sich heute vom Bund kein Mensch.
({3})
Was würden damals im Parlamentarischen Rat die Vertreter derjenigen Parteien, die heute die Regierung tragen, gesagt haben, wenn man ihnen erklärt hätte, unter „Grenzschutzbehörden" seien kasernierte Truppen von 10 000 Mann oder mehr zu verstehen. Ich glaube, sie hätten damals lieber das ganze Grundgesetz und damit das organische Zusammenwachsen der drei westlichen Zonen scheitern lassen, als das zu akzeptieren.
Überdies: wer mit den Fragen der Exekutive einigermaßen vertraut ist, weiß doch, daß Grenzschutz immer und in jedem Lande eine Aufgabe des verstärkten Einzeldienstes gewesen ist und auch sein muß. Denn die grüne Grenze mit ihren kilometerweiten, unübersichtlichen Wegen und Wäldern kann nur geschützt werden, wenn verstärkte Einzelposten die weitere illegale Infiltrierung abwehren und die Grenze hermetisch abschließen. Aber das, was jetzt geschieht - die Zusammenfassung in drei, vier Kasernen, die weit weg von der Grenze entfernt liegen -, ist doch weiter nichts als eine simple und politisch unkluge Soldatenspielerei.
({4})
Was jetzt geschieht, bedeutet doch weiter nichts, als daß der Bundesinnenminister die Augen vor den wirklichen Aufgaben, die an den Grenzen liegen, verschließt. Er aber hat die Grenze praktisch von jeder Kontrolle durch Grenzschutzbeamte entblößt, und wir müssen heute feststellen, daß an dem eigentlichen Grenzdienst, der so bitter notwendig ist, kein einziger Beamter mehr beschäftigt wird als v o r Erlaß des Gesetzes.
({5})
Hätte der Bundesregierung der Hilferuf oder, sagen wir besser: die Bitte Niedersachsens nicht eine Warnung sein müssen, die Bitte, endlich einmal die Kontrolle an der Grenze und an ihren Übergängen wirksamer und effektiver auszugestalten?
({6})
Was aber war die Antwort des Bundesinnenministers, als Niedersachsen um diesen notwendigen verstärkten Grenzschutz bat? Sie lautete: Dafür habe ich keine Beamten! Das Ergebnis ist, daß
Niedersachsen die dem Bunde zustehende Aufgabe des Grenzschutzes aus Landesmitteln selbst ausführen muß. So ist Niedersachsen denn auch nicht in der Lage, noch zusätzliche Mittel aufzubringen, um eine eigene Landesbereitschaftspolizei zu führen. Und weil man das in Niedersachsen nicht tun kann, kritisiert der Herr Bundesinnenminister in der Öffentlichkeit die niedersächsische Regierung, weil sie zu der Anschaffung dieser Landesbereitschaftspolizei nicht bereit sei.
Eine weitere wesentliche Voraussetzung für unsere damalige Zustimmung zu dem Gesetz war die Vorschrift, daß der Grenzschutz nur in einer Tiefe bis zu 30 Kilometern eingesetzt werden dürfe, von dem Recht der Nacheile abgesehen. Jetzt aber liegen die meisten Kasernen - ich deutete es schon an - weit weg von der Grenze. Die Grenzgänger werden dem Herrn Bundesinnenminister dankbar sein, daß sie so die Chance haben, weit weg von diesen Kasernen über die Grenze zu kommen. Sie, Herr Bundesinnenminister, haben auf diesen Vorhalt hin erklären lassen, die im Gesetz vorgesehene 30-Kilometer-Zone habe nur für den Einsatz, aber nicht für die Stationierung der Truppen - wie Sie sie bezeichnen - zu gelten. Damit sollte in Verbindung mit Ihren übrigen Erklärungen die Möglichkeit geschaffen werden, die Grenzschutzabteilungen notfalls auch im Ruhrgebiet zu stationieren. Daß dann ein wirklicher Grenzschutz nicht mehr möglich wäre, liegt doch auf der Hand.
({7})
Wir bedauern, daß das Grenzschutzgesetz jetzt so ausgelegt wird und daß die Zusagen des Herrn Bundesinnenministers nicht gehalten worden sind. Diese dem Gesetz zweifellos widersprechende Standortverlagerung gewinnt ihre besondere Bedeutung durch die mehrfachen Erklärungen des Herrn Bundesinnenministers, den Grenzschutz gemäß Art. 91 des Grundgesetzes notfalls auch innerhalb der Länder - also nicht nur an den Grenzen - einzusetzen.
({8})
Das wurde der Presse mitgeteilt. Das war Gegenstand einer Erklärung des Herrn Bundesinnenministers auf einer Länderinnenministerkonferenz vom März dieses Jahres,
({9})
und er hat es auch damals in diesem Hohen Hause bei der dritten Lesung des Grenzschutzgesetzes erklärt.
({10})
Wohin diese Ankündigung führt, ergibt sich aus einem Interview mit dem Leiter der Polizeiabteilung des Innenministeriums, das die „Süddeutsche Zeitung" vor einiger Zeit wiedergeben konnte. Danach - so hieß es in dem Interview - könne es die Bundesregierung unter Umständen für erforderlich halten, den Grenzschutz in München einmarschieren zu lassen. Dann würde, wie es hieß, die Parole gelten: „Alles hört auf Kommando Grenzschutz!" - Nun, dieses Interview wurde später dementiert,
({11})
und wir wollen diesem Dementi auch glauben. Aber ist es nicht bezeichnend für die Situation, daß alle Welt das Interview nach den Erklärungen des Herrn Dr. Lehr für richtig halten mußte?
({12})
Wir haben auch noch nicht - und das sei in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt - die Versuche des Herrn Bundesinnenministers vergessen, durch eine Intervention beim Rundfunk gegenüber den Reden des Herrn Peter von Zahn die Rede- und Meinungsfreiheit zu unterbinden, d. h. also, die verfassungsmäßig garantierten und von ihm selbst ja beschworenen Grundrechte zu verletzen. Und dem Herrn Innenminister darf noch einmal in Erinnerung gerufen werden, daß er nicht nur Polizei-, sondern auch Verfassungsminister ist. Man rede uns bitte nicht davon, daß es politische Notwendigkeiten geben könnte, den Grenzschutz im Gegensatz zur Verfassung zu verwenden. Wozu haben wir denn eine Verfassung, und was wäre der Gewinn aus der Beseitigung des Nationalsozialismus, wenn beim Vorliegen angeblicher Notwendigkeiten - wer entscheidet übrigens, ob sie vorliegen? - die Verfassung jederzeit beiseite geschoben werden kann? Überdies: wer im Besitze der Macht ist, kann sehr schnell behaupten, daß solche politischen Notwendigkeiten gegeben seien.
({13}) Meine politischen Freunde und ich werden zu jeder Zeit zu jeder vernünftigen Verfassungsänderung, aber niemals zu ihrer Verletzung bereit sein. Wenn Sie trotz unserer Bereitschaft diesem legalen Weg bisher ausgewichen sind, dann doch nur, weil Ihre eigenen Freunde Ihnen die Gefolgschaft versagt haben.
Wer aber über die wirklichen Absichten der Regierung bei der Schaffung und dem Aufbau des Bundesgrenzschutzes noch im unklaren sein konnte, wird durch die Paraden, durch die Ankündigung, den Grenzschutz erheblich zu vermehren, und vor allen Dingen durch die Personalpolitik eines Besseren belehrt. Mit den Paraden, vor allen Dingen der in Lübeck, wurde dem Grenzschutz ein sehr schlechter Dienst erwiesen. Diese Parade war eher ein „Lehr"-Lauf, Herr Dr. Lehr, als ein politisches Paradestück. Eingeweihte wollen wissen, daß auch der Herr Bundeskanzler über die Parade in Lübeck wenig erbaut gewesen ist.
({14})
Die Bundesregierung hat nun im Sommer dieses Jahres mitteilen lassen, sie wolle dem Bundestag im Herbst vorschlagen, den Bundesgrenzschutz von 10 000 auf 20 000, dann auf 30 000 und schließlich auf 90 000 Mann zu verstärken. Läßt sich daraus klar ersehen, was die Bundesregierung mit einer solchen außerordentlichen Erhöhung in Wirklichkeit beabsichtigt? Die gebietsmäßig viel größere Weimarer Republik hatte ein stehendes Heer von nur 100 000 Mann. Kann man wirklich noch von einem polizeilichen Charakter des Grenzschutzes sprechen, wenn man ihn jetzt auf die Stärke der früheren Reichswehr zu bringen beabsichtigt? Zwar hat der Herr Bundesinnenminister mehrfach erklärt, daß er an dem polizeilichen Charakter des Grenzschutzes festhalte.
({15})
Er hat dabei betont, daß dem auch der Bundeskanzler zustimme. Aber was nützen uns solche Erklärungen, wenn die Praxis völlig anders aussieht!
Die Unterbringung in Kasernen, die Schaffung von
Truppenübungsplätzen - z. B. jetzt bei Kassel -,
({16})
die Wiederanschaffung von Offiziersauszeichnungen und -Achselstücken, die Anwendung der Infanteriereglemcn ts bei der Ausbildung sprechen doch eine deutlichere Sprache als alle mündlichen Versicherungen. Ich habe hier den Kopf eines Briefbogens
aus Bonn; da heißt es in der Überschrift schon wieder: Der Standortälteste von Bonn.
({17})
Nun, meine Damen und Herren, diese Erfindung des „Standortältesten" ist nicht neueren Datums. Wir lesen bereits in der Presse vom Juni dieses Jahres von Veranstaltungen in Mitteldeutschland, bei denen der Standortälteste in Marburg in einer gemeinsamen Veranstaltung mit ehemaligen Angehörigen von Pionierregimentern erklärte, er hoffe, daß er die Kasernen, in denen früher die Pioniere gelegen haben und die früher mustergültig gewesen seien, wieder in einen besseren Zustand für seine Truppen bringen werde.
Meine Damen und Herren, wenn man wirklich Polizei meint, dann sollte man zumindest die Ausbildung nach polizeilichen Gesichtspunkten durchführen und die Ausbilder mehr als bisher nach polizeilichen Gesichtspunkten auswählen. Sollte und kann denn überhaupt das alles noch Polizei sein, wenn wir diese Zahlen und diese Pläne vom Herrn Bundesinnenminister hören!
Nun zu einigen Personalien. Die Personalpolitik der Bundesregierung ist im Bundestag bereits mehrfach lebhaft kritisiert worden; aber Herr Dr. Lehr hat bei dem Aufbau des Grenzschutzes daraus nichts gelernt und ist in der Personalpolitik den gleichen, einseitigen Weg gegangen wie die übrigen Ressortchefs.
Leider bestand schon in früheren Sitzungen des Bundestages Veranlassung, auf verschiedene Kurse, die das Bundesinnenministerium veranstaltet hatte, hinzuweisen, die Kurse von Traunstein, Bad Ems und schließlich von Hannoversch-Münden. Alle Warnungen, die wir hier damals ausgesprochen haben, waren nutzlos, sie blieben unbeachtet.
Man hat sich in der Öffentlichkeit mit Recht über das Absingen von Naziliedern im Grenzschutz aufgeregt.
({18})
Aber, meine Damen und Herren, uns hat das bei dieser Personalpolitik nicht gewundert; denn sie kann schließlich gar nicht zu anderen Ergebnissen führen, als wir sie jetzt vor uns sehen.
({19})
Und dann - peinlich genug! - entschuldigt sich der Braunschweiger Standortälteste, als festgestellt wurde, daß seine Untergebenen nationalsozialistische Lieder gesungen haben, damit, er hätte nicht gewußt, daß durch ein Gesetz in Niedersachsen das Absingen ehemaliger Nazilieder verboten sei.
({20})
Als wenn es nicht schon blamabel genug wäre, daß
es überhaupt erst eines solchen Gesetzes bedurfte!
Bedauerlich ist, daß der Braunschweiger Vorfall nicht ein Einzelfall geblieben ist. Wir haben dem Herrn Bundesinnenminister schon vor geraumer Zeit die Unterlagen über gleichartige Vorgänge in Hannover und - man höre und staune! - sogar in Bonn überreicht. In der Bonner Kaserne wurden vor nicht allzulanger Zeit ebenfalls neofaschistische Lieder, darunter das Lied „Die braunen Heere marschieren" gesungen. Wir bedauern, feststellen zu müssen, daß uns der Herr Bundesminister bisher nicht mitgeteilt hat, was seine Ermittlungen ergeben haben.
Nun müßte man glauben, daß solche „Pannen" nur deshalb passieren konnten, weil sich der Herr Bundesinnenminister und seine Verwaltung nicht
({21})
rechtzeitig und gründlich genug über die Vergangenheit der einzelnen Grenzschutzbeamten erkundigt haben. Wir haben ferner geglaubt, daß die Zeit der Fragebogen endlich vorbei sei; aber wer zum Grenzschutzdienst will, muß einen Fragebogen mit nicht weniger als sechzig Fragen ausfüllen. Es ist interessant, was da alles gefragt wird. Da will man nicht nur das Übliche wissen, was man wissen muß, wenn jemand in das Beamtenverhältnis überführt werden soll, sondern da wird sehr penibel nach der sozialen Umwelt, nach dem sozialen Milieu des Beamtenanwärters gefragt. Da wird nicht nur nach der beruflichen Vergangenheit, sondern auch nach dem Beruf der Ehefrau, nach dem Beruf der Mutter, ja sogar nach dem Beruf der Schwiegermutter gefragt.
({22})
Es wird nach den Geschwistern der Ehefrau und nach dem Beruf der Männer der Geschwister der Ehefrau gefragt. Meine Damen und Herren, was will man damit erreichen? Man will durch ein solches Hineinleuchten in das soziale Milieu des Anwärters erreichen, daß „Elemente", die einem nach der sozialen Herkunft nicht passen, von vornherein ausgeschaltet werden.
({23}) Dagegen werden wir uns im Interesse der jungen Grenzschutzbeamten, die wir hier ausdrücklich in Schutz nehmen wollen, entschieden wehren.
Es kommt hinzu, daß alle unsere Bemühungen - und diese Bemühungen gehen nun schon seit dem Herbst vorigen Jahres -, bewährte und staatstreue Männer, die 1933 wegen ihrer politischen Haltung aus dem Polizeidienst entlassen worden sind, in den Grenzschutzdienst aufgenommen zu sehen, an der starren - ich hätte fast gesagt: sturen - Ablehnung durch die Bürokratie des Herrn Bundesinnenministers gescheitert sind. Was nützen uns denn alle Erklärungen der Bundesregierung im Bundestage, daß sie das Unrecht von 1933 bis 1945 wiedergutmachen wolle? Was nützt uns denn das wohl einstimmig beschlossene Gesetz über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts an den Beamten, wenn die gleiche Bundesregierung es ablehnt, die damals Entlassenen aufzunehmen, und sie es lieber sieht, daß diejenigen, die 1933 die anderen herausgesetzt haben, jetzt wieder die Maßgebenden im Grenzschutz sind?
Eine solche Personalpolitik hat dazu geführt, daß nach den eigenen Angaben des Herrn Bundesinnenministers die Offizierstellen sich im Durchschnitt wie folgt zusammensetzen. 62 % der Stellen sind von ehemaligen Wehrmachtoffizieren und nur 7 % von ehemaligen Polizeibeamten besetzt; 31 % sind frühere Polizeibeamte, die später in die Wehrmacht übergegangen sind, und bei ihnen hat es sich nicht immer um die schlechtesten gehandelt.
Aber, meine Damen und Herren, noch schlimmer sieht das Bild bei dem Nachwuchs der Kommandostellen aus, d. h. bei den Zugführern. Hier sind nur noch 2 °/o der Zugführer aus der Polizei und 96 % aus der Wehrmacht. Was hätte denn damals die Wehrmacht gesagt, wenn ein Polizeioffizier gekommen wäre und erklärt hätte, er wolle ab morgen ein Infanterieregiment leiten! Man hätte ihm mit Recht gesagt, daß er das erst einmal lernen müsse. Aber umgekehrt glaubt man jetzt, daß es für die Erledigung polizeilicher Aufgaben ohne weiteres möglich ist, sie nur oder fast ausschließlich von ehemaligen Offizieren erledigen zu lassen. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Wir wenden uns hier nicht gegen die einzelnen ehemaligen Wehrmachtoffiziere. Wir haben keinen Anlaß, an der persönlichen Sauberkeit und Integrität dieser Männer zu zweifeln. Aber schließlich muß ja doch auch die Führung polizeilicher Einheiten ge1ernt s e i n. Für den Bau eines Hauses werden Sie auch nicht einen Brückenkonstrukteur nehmen oder umgekehrt. In dem Augenblick, in dem Sie in der Lage wären, die früheren Wehrmachtoffiziere in aller Gründlichkeit, wie nach 1918, umzuschulen, ihnen polizeiliches Denken, polizeiliche Reglements beizubringen, würde sich gegen ihre Wiederverwendung gar nichts mehr einwenden lassen.
Dieses Verhalten ist um so bedauerlicher, als man es - ich sagte es schon - ablehnt, diejenigen, die 1933 aus der Polizei herausgesetzt wurden und polizeiliche Erfahrungen für ihr Amt mitbringen würden, wiederzuverwenden.
Und was bringt man als Einwand gegen die im Jahre 1933 Entlassenen vor? Sie hätten nicht genügend Erfahrung im Einsatz motorisierter Einheiten. Meine Damen und Herren, wollen wir an der Grenze motorisierte Divisionen oder wollen wir dort Grenzjäger haben? Ich glaube, den Einsatz motorisierter Einheiten lernt ein tüchtiger Polizist recht bald.
Wie wenig aufrichtig aber die Gründe der Bürokratie des Herrn Innenministers in Wirklichkeit gemeint sind, möchte ich an zwei Beispielen aus der Fülle der mir vorliegenden Vorgänge erläutern.
Da gibt es einen früheren Polizeichef des Saargebiets, der wegen seiner deutschen Gesinnung von der französischen Macht ausgewiesen worden ist. Erinnern Sie sich bitte daran, wie Sie bei dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes nicht nur bei der Unterbringung der aus dem Osten Vertriebenen, sondern auch hinsichtlich der ehemaligen Pg's immer wieder Wert darauf gelegt haben, daß sie wieder in die gleiche dienstliche Stellung einrücken, in der sie früher gewesen sind! Hätte es nicht nahegelegen, diese Grundsätze zum mindesten in dem Einzelfall eines von der Besatzung im Saargebiet vertriebenen Deutschen auch zur Anwendung zu bringen? Das hat man nicht getan. Es bedurfte eines zähen und mühseligen Kampfes mit dem Innenministerium, um wenigstens nach einem halben bis dreiviertel Jahr die Zusage zu bekommen, daß dieser ehemalige Polizeichef des Saargebiets in den Grenzschutz übernommen wird. Er wurde nach Süddeutschland geschickt. Und was mußte er erleben? Als er zu dem dortigen Standortältesten kam, erklärte dieser, er könne ihn nicht gebrauchen. Es bedurfte erst des persönlichen Einschreitens des Sachbearbeiters im Innenministerium, damit der Standortälteste der Gruppe Süd der Anordnung des Herrn Bundesinnenministers nachkam.
({24})
Aber was geschah? Als der Standortälteste zähneknirschend nun diesen Befehl ausführen zu müssen glaubte, wurde der ehemalige Polizeichef des Saargebiets zum einfachen Oberleutnant herab-gestuft. Mit 48 Jahren darf er den täglichen Wald-und Wiesendienst tun.
({25})
Sie sehen also, mit welchen Mitteln man bei dieser Personalpolitik vorgeht.
({26})
- Er ist schon 1933 herausgeworfen worden. ({27})
({28})
Ein zweiter Fall, der eigentlich noch krasser liegt. Auf der Schule in Traunstein befand sich ein Lehrgangsteilnehmer, der als Fünftbester aus dem Kursus hervorging und der dem Schulleiter so geeignet erschien, daß ihm eröffnet wurde, er solle sich nicht erst in den Ländern bewerben; denn er komme sofort in den Bundesexekutivdienst, sei es der beabsichtigten Bundespolizei, sei es des Grenzschutzes. Dieser Mann verstand auch etwas von dem Einsatz der motorisierten Einheiten, weil er solche Einheiten früher bei der Polizei und später bei der Wehrmacht geführt hatte. Dann wurde er zur Vorstellung in das Innenministerium gebeten. Und was geschah? Bei der Nachfrage, wie lange er denn eine motorisierte Einheit geführt habe, erklärte er, das sei bis 1943 der Fall gewesen, weil er anschließend aus politischen Gründen - und er konnte das nachweisen - in ein Kz gekommen sei. Und als er 1945 aus dem Kz herauskam, steckten ihn die Russen zwei weitere Jahre, von 1945 bis 1947, in ein Kz Mitteldeutschlands. Als man das hörte, bekam man im Innenministerium „kalte Füße" und stellte plötzlich fest, die vierjährige Kz-Haft habe den Bewerber doch reichlich nervös gemacht; darum sei er nicht mehr geeignet.
({29})
Hier hatten wir einen Mann, der in der Vergangenheit politisch absolut sauber gewesen ist. Hier hatten wir einen Mann, der die Leitung geschlossener Formationen verstand. Hier hatten wir einen Mann, der sogar den motorisierten Einsatz beherrschte. Aber in dem Augenblick, als man feststellte, daß er aus politischen Gründen, für die Freiheit und für die Demokratie vier Jahre im Kz gesessen hatte, war es aus. Der Polizeiarzt hatte ihn für polizeitauglich erklärt und nichts von der Nervosität festgestellt, die man ihm jetzt vorwirft. Ich glaube, die Nervosität lag mehr bei den Herren des Innenministeriums als bei dem Bewerber.
Im übrigen ist uns mehrfach gesagt worden - und ich bin gern bereit, dem Herrn Bundesinnenminister persönlich Dienstzimmer und Name des Sachbearbeiters im Bundesinnenministerium zu sagen -, daß Bewerbern erklärt wurde: Leute aus der früheren Polizei haben keine große Chance, es sei denn, daß sie später mindestens Major oder Oberstleutnant im ehemaligen Generalstab geworden sind.
({30})
Herr Bundesinnenminister, solange Sie so etwas dulden und solange Sie eine solche Personalpolitik machen. werden Vorgänge wie in Braunschweig nicht vereinzelt bleiben. Hier hilft nur, daß Sie mit einem eisernen Besen auskehren und das Übel an der Wurzel erfassen.
({31})
- Im Ministerium muß angefangen werden. Dabei
darf ich noch einmal sagen: vor den einzelnen
Grenzjäger, vor den einfachen Mann stellen wir
uns schützend, schon damit er nicht wieder einmal
von Kommandeuren mißbraucht wird, die, wenn es
nachher schief geht, nicht selber den Kopf hinhalten, sondern dafür die anderen büßen lassen.
({32})
Wir wollen nicht - und darum muß mit der „Reform" im Ministerium angefangen werden -, daß einige mittelmäßige Soldaten in der Umgebung des Herrn Innenministers, die gern wieder eine Rolle und wieder Soldat spielen möchten, den Grenzschutz und den Aufbau des Grenzschutzes von Anfang an in eine völlig falsche Bahn leiten. Ich
glaube, es ist Ihre Aufgabe, Herr Bundesinnenminister, ganz gleich, was Sie zu unserer Kritik zu sagen haben, daß Sie den Grenzschutz endlich aus dem Zwielicht, in den Sie ihn hineingebracht haben, herausbringen.
({33})
Damit nicht wie damals nach einer Bundestagsdebatte im Frühjahr dieses Jahres ein Teil der Presse schreiben kann, die Sozialdemokratie sei gegen jede Exekutivmacht des Bundes gewesen, möchte ich abschließend folgendes feststellen. Wir wollten einen wirklichen Grenzschutz an der Grenze. Sie haben daraus Truppenübungsplätze und Kasernen weit weg vom Eisernen Vorhang gemacht. Wir wollten Polizisten, aber Sie, Herr Bundesinnenminister, haben daraus Soldaten gemacht, und zwar wider den Willen dieser Leute, die sich unter ganz anderen Voraussetzungen zum Grenzschutz gemeldet haben. Sie geben den Leuten einen soldatischen Drill und auch soldatische Vorgesetzte. Wohin das geführt hat und führen muß, sehen Sie an den kritisierten Vorfällen. Wir wollen - das darf zum Abschluß gesagt werden - einen wirklichen Schutz der Grenze; denn unsere Grenzen brauchen einen Schutz. Solange Sie diesen Schutz verweigern und die Grenze schutzlos lassen, werden wir Ihnen auch die Mittel verweigern.
({34})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir vorerst ein kurzes Wort zu den sachlichen Ausführungen des Herrn Berichterstatters. Alle die Wünsche, die Sie im Haushaltsausschuß vorgebracht haben, haben wir berücksichtigt. Soweit das in diesem Etat noch nicht verwirklicht ist, wird es in dem Nachtragshaushaltsplan geschehen, den der Herr Bundesfinanzminister gegenwärtig noch bearbeitet. Wir haben in allen diesen Fällen Ihre Anträge auf Erhöhungen gern aufgegriffen. Ich kann Ihnen heute schon mitteilen, daß unser Antrag bezüglich der Mittel für den Bundesjugendplan eine Verdoppelung der bisherigen Voranschläge vorsieht. Ob es bei der gespannten Finanzlage des Bundes möglich ist, diese Wünsche zu erfüllen, entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis. Aber seien Sie sicher, daß die Wünsche, die der Haushaltsausschuß geäußert hat, von uns im Innenministerium mit Nachdruck vertreten werden.
Bezüglich der Frage einer eigenen Druckerei möchte ich entsprechend meiner kommunalen Herkunft vor Ihnen das Bekenntnis ablegen, daß ich nicht für bundeseigene wirtschaftliche Einrichtungen bin, sondern mich am liebsten der vorhandenen Einrichtungen des öffentlichen und privaten Lebens bediene. Ich möchte in dem Bereich meines Ministeriums keine eigene Druckerei haben. Es schwebt auch nur die Frage einer eigenen Druckerei für das Bundeskriminalamt aus gewissen Sicherungsgründen. Ich werde aber auf Grund der heutigen Debatte nochmals selber nachprüfen, ob diese Sicherungsgründe so durchschlagend sind, daß die Einrichtung einer eigenen Druckerei wirklich geboten ist. Ich möchte mich, wenn es irgend geht, der Bundesdruckerei bedienen.
Nun lassen Sie mich einmal etwas ausführlich zu den Beanstandungen des Herrn Kollegen Menzel Stellung nehmen. Zunächst möchte ich Ihnen das in die Erinnerung zurückrufen, was ich am
({0})
15. Februar dieses Jahres vor Ihnen ausgeführt habe; das kann von mir heute nur noch einmal wortwörtlich wiederholt werden. Die Opposition hat damals wie heute gewisse Bedenken dagegen erhoben, daß die Bundesgrenzschutzbehörden in Bereitschaften zusammengefaßt werden sollten. Erinnern Sie sich bitte daran, daß im vorigen Herbst die Konferenz der Außenminister in New York aus Gründen unserer inneren Sicherheit von sich aus zu dem Ergebnis kam, es müßten kasernierte Polizeitruppen in Stärke von 30 000 Mann geschaffen werden.
({1})
- Ach, das ist j a nur ein Bruchteil dessen, was Sie längst drüben mit den schwersten Waffen und unter Einsatz von T 34-Panzern exerzieren.
({2})
Meine Damen und Herren, ich erinnere Sie daran, daß mein Vorschlag dahin ging, diese 30 000 kasernierten Mannschaften in drei Gruppen aufzugliedern, in 10 000, die als Länderbereitschaftspolizeien bei den Ländern ausgebildet werden sollten, in 10 000 als bundeseigener Grenzschutz, als Bundesgrenzschutzbehörden, und 10 000 Mann als bundeseigene Bereitschaftspolizei. Es ist richtig, wenn Herr Kollege Menzel sagt, ich hätte bei meinen Ausführungen über diese Vorschläge selbst erklärt, daß mir die Verwirklichung bundeseigener Bereitschaftspolizeien aus politischen Gründen sehr unwahrscheinlich und zeitraubend erschiene. Die Entwicklung hat mir recht gegeben. Wir sind bis zur Stunde noch nicht ganz einig geworden, ob der Bund wirklich bundeseigene Bereitschaftspolizei haben soll. Infolgedessen war ich genötigt, zunächst diesen Gedanken zurückzustellen, weil ich hier eine Mehrheit im Hause nicht finden konnte, und habe deshalb den ganzen Nachdruck auf die Entwicklung des Bundesgrenzschutzes gelegt.
({3})
Schon bei der ersten Lesung des Entwurfs habe ich darauf hingewiesen, daß Bundesgrenzschutzbehörden wenig Sinn hätten, wenn sie nur aus Büropersonal und Schreibmaschinenkräften bestünden. Es gehöre also zu dem Begriff eines Grenzschutzes, daß die mit seiner Wahrnehmung betrauten Behörden auch mit Exekutivbeamten ihren Dienst an der Grenze verrichten.
({4})
Es würde aber dem Sinn des Grundgesetzes widersprechen, wenn man diesen Grenzschutz nun in Einzelgänger auf die 4700 km langen Bundesgrenzen auflöste. Bedenken Sie doch bitte, daß angesichts dieser Länge unserer Grenzen bei einem dreischichtigen Arbeitswechsel im Rahmen der jetzt vorhandenen Kräfte auf 11/2 km nur ein Mann kommt. Ich war deshalb von Anfang an genötigt, Sie darauf hinzuweisen, daß ich es nicht verantworten könne, den Schutz der Grenzen einem weiträumig verzettelten Einzeldienst zu überlassen und daß wir - das war j a auch die Meinung der Außenminister in New York bei der Bewilligung dieser Truppe - gewisse Zusammenfassungen vornehmen müßten. Sie haben in diesem Jahr auch bereits die Kraftprobe gesehen bei den massierten Grenzübertrittsversuchen aus Anlaß der
({5}) „Weltjugendspiele". Es sind einzelne bei der Länge der Grenze durchgekommen.
({6})
- Aber, Herr Kollege Renner, es sind bei uns nicht so viele durchgekommen, wie umgekehrt bei Ihnen in derselben Zeit Millionen vom Osten nach dem Westen gelaufen sind.
({7})
- Nun darf ich vielleicht mit den Beanstandungen von Herrn Kollegen Menzel fortfahren. Er hat zunächst einmal in den Eingangsworten gemeint, auf neofaschistische Vorgänge hinweisen zu sollen. Ich gebe Ihnen jetzt vollen Aufschluß. Die erste Erscheinung war der von ihm genannte Braunschweiger Fall. Ich darf ihn mit einem kurzen Wort kritisieren: Eine Anzahl Kraftfahrer der dortigen Abteilung hat mit vier jungen Grenzjägern eine Trinkwette abgeschlossen, und es entwickelte sich eine „betrunkene Angelegenheit", in deren Verlauf dann, wie es bei Alkohol üblich ist, auch gesungen worden ist. Ich habe unverzüglich den Ministerialdirektor und Leiter der Abteilung I nach Braunschweig geschickt. Der verantwortliche Abteilungskommandeur, der diesen Unfug zehn Minuten geduldet hat, ist unverzüglich entlassen worden. Die beiden Hauptwachtmeister, die älteren Leute, die die jungen hätten erziehen müssen und das nicht getan haben, sind unverzüglich entlassen worden. Sämtliche übrigen Beteiligten sind zu anderen Abteilungen strafversetzt worden. Außerdem hat das gerichtliche Verfahren stattgefunden. Nun, das Gericht hat in seiner Untersuchung dasselbe Urteil gefällt wie ich: „eine betrunkene Angelegenheit", hat die beiden Wachtmeister mit je 50 DM bestraft und die vier jungen Grenzjäger, die hier eine schmerzliche Erfahrung für ihr Leben gemacht haben, mit 30 DM.
({8})
- Ich gebe Ihnen vollständig recht, daß das keineswegs in Ordnung war. Aber an dem Maß dieses Eingreifens, an dieser Schärfe können Sie sehen, daß ich das vollständig mißbilligt habe.
Der zweite Fall hat sich eben in Niedersachsen ereignet und wird zur Zeit mit aller Strenge und derselben Schärfe untersucht. Bitte, bedenken Sie einmal: wenn ich in wenigen Monaten 10 000 Leute neu einstelle, in eine ganz neue Formation, dann besteht immer die Möglichkeit, daß der eine oder der andere hineingerutscht ist; den man nicht drinbehalten will. Was dort nicht hineingehört, wird sehr schnell ausgesiebt werden; es wird die Spreu vom Weizen gesondert werden. Aber Fehlmöglichkeiten sind bei einer so großen Anzahl von Menschen immer gegeben.
Der eine Fall, den Sie zuletzt nannten, ist mir im Augenblick nicht so gegenwärtig. Er hat sich hier bei Bonn abgespielt, draußen in Hangelar. Da ist auch abends nach Alkoholgenuß gesungen worden. Ich habe die Sache - das kann ich aus der Erinnerung so sagen - unverzüglich aufgegriffen und bin strafend eingeschritten. Die Einzelheiten sind mir nicht geläufig; ich kann die Klarstellung aber unverzüglich nachholen. Ich hatte damals ge({9})
glaubt, den Vorfall als unbeachtlich mit meinen eigenen Rügen erledigen zu können. Soviel zu den neofaschistischen Vorgängen.
({10})
- Nein, fassen Sie das Wort nicht falsch auf, meine Herren! Wenn ein einzelner Mann oder ein paar Mann am Abend einige Flaschen Bier zuviel getrunken haben und lärmend geworden sind, so ist das zunächst noch keine Haupt- oder Staatsaktion.
({11})
Für Sie ist nur wichtig, festzustellen, wie ich mich nach einem solchen Vorgang verhalten habe. Habe ich mit der nötigen Schärfe durchgegriffen, dann stehe ich auch vor Ihnen gerechtfertigt da. Aber bei meinem großen Ministerium kann ich nicht von vornherein die Hand dafür ins Feuer legen, daß unter 12 000 Menschen nicht der eine oder andere sich einmal unkorrekt verhält. Aber bitte, solange ich Ihnen dafür geradestehe, daß ich solche Dinge mit Nachdruck beseitige, solange muß das Verhältnis zwischen Ihnen und mir in Ordnung sein.
({12})
Meine Herren, nun ein Zweites, und das trifft mich schon etwas mehr: ich hätte Zusagen nicht eingehalten, und der Bundesgrenzschutz habe eine Entwicklung genommen, die Sie von Anfang an nicht erwartet hätten. Meine Damen und Herren, ich habe den Bundesgrenzschutz auch nicht in einer Beziehung anders behandelt als die landeseigenen Bereitschaftspolizeien. Er wird nach genau demselben Muster uniformiert, ausgebildet und bewaffnet. Es besteht kein Unterschied in der Ausbildung und dem ganzen Stand zwischen den einzelnen Ländern und uns mit der einzigen Ausnahme, daß es bei den Ländern langsamer geht, daß die Länder ihr gesamtes Kontingent, wenn sie viel Glück haben, bis zum Ende des Jahres auf etwas mehr als die Hälfte ihres Sollbestandes gebracht haben werden, während der Bundesgrenzschutz heute bereits fertig dasteht.
({13})
Ich darf Ihnen weiterhin sagen: Ich habe mit allen Ländern Verträge abgeschlossen, nur mit Niedersachsen ist zu meinem größten Bedauern ein Vertrag bisher nicht zustande gekommen. Damit möchte ich nicht sagen, daß ein solcher Vertrag nicht doch noch abgeschlossen werden kann. Ich habe gerade vor etwa einem Monat mit meinen Herren vereinbart, die Fäden mit Niedersachsen noch einmal aufzunehmen. Es ist auch bereits ein Schreiben von mir mit einem neuen Vorschlag an den Herrn Landesinnenminister von Niedersachsen ergangen, und ich habe vor 14 Tagen den Herrn Kollegen telefonisch an die Beantwortung dieses meines Vorschlages erinnert. Es liegt mir sehr viel daran, genau wie mit den anderen Ländern mich auch mit Niedersachsen zu verständigen. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, meine Herren von der Opposition, daß ich auf Ihren Wunsch hin als einen meiner Hauptkommandeure einen Vertreter der niedersächsischen Landespolizei in mein Ministerium berufen habe, so werden Sie daraus das Bestreben erkennen, der Opposition den von ihr gewünschten Überblick über den inneren Werdegang des Bundesgrenzschutzes und auch die Möglichkeit zu geben, durch Ihren Vertreter jederzeit mit mir Fühlung zu nehmen. Ich bitte auch Sie, Herr Kollege Menzel, wenn Sie solche Einzelfälle haben, doch zu mir zu kommen, wie wir es auch früher gemacht haben, und diese Dinge mit mir zu besprechen.
({14})
Es ist sehr schwer, meine Herren, aus dem Handgelenk auf solche Fälle einzugehen.
({15})
- Ich antworte auf diese Einzelfälle auch, denn ich habe das Material hier vor mir liegen. Aber bitte, zaubern Sie nicht ein Gespenst herauf, als ob hier irgendwo eine reaktionäre Truppe erschiene.
({16})
Bitte, denken Sie an das, was ich Ihnen früher sagte: Der Art. 91 des Grundgesetzes, der mir die Befugnis gibt, in Fällen äußerster Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik auch über die Polizeikräfte eines Landes zu verfügen, gibt mir, logisch gesehen, auch die Befugnis, die bundeseigenen Polizeikräfte genau so einzusetzen wie die Länderpolizeien im einzelnen, wenn dieser dringende Notstand für den Staat besteht.
({17})
- Das steht in Art. 91! Es wäre ja sinnlos, wenn ich über Länderpolizeien verfügen dürfte, aber, wenn das Haus brennt, meine eigene Polizei als Feuerwehr nicht einsetzen dürfte!
({18})
- Meine Herren, wenn Sie meinen, ich hätte unrecht, - wir haben ja jetzt ein Bundesverfassungsgericht, das diese Frage sehr einfach klären könnte.
({19})
Es ist für mich selbstverständlich, daß ich aus jedem Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts die erforderliche Konsequenz ziehe.
Meine Damen und Herren, ich muß Ihnen dann noch etwas sagen zu zwei Fällen, die hier vorgetragen worden sind. Der eine ist der Fall Edelbluth. Herr Kollege Maier von der SPD hat dringend gebeten, den früheren Oberwachtmeister der Schutzpolizei und späteren Landespolizeidirektor von Saarbrücken Heinrich Edelbluth beim Bundesgrenzschutz unterzubringen. Ich habe angesichts der vorbildlichen Zusammenarbeit meines Hauses mit dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung Auftrag gegeben, diesem Wunsch ganz besonders nachzugehen. Es bestanden erhebliche Bedenken, weil Edelbluth nicht Polizeioffizier war und keine Erfahrung in der Führung motorisierter Verbände besaß, für die ich Bedarf hatte. Außerdem war er im Zeitpunkt seiner Vorstellung nicht voll polizeidienstfähig. Ich habe ihn trotzdem zunächst einmal eingestellt, und zwar in die Stelle, für die ich eine Besetzung suchte, eine Leutnantsstelle. Nach einiger Zeit kam eine Beschwerde des Herrn Edelbluth, er werde von Offizieren des Bundesgrenzschutzes des Grenzschutzkommandos Süd, dessen stellvertretender Kommandeur der Oberstleutnant im Bundesgrenzschutz Höffner ist, wegen seiner politischen Einstellung und seiner Emigration vom Saargebiet nach Frankreich geschnitten. Ich habe unverzüglich Besprechungen in meinem Ministerium veranlaßt. Diese Besprechungen haben mit allen Beteiligten eine volle Bereinigung der Angelegenheit ergeben, und Edelbluth hat meinem Beauftragten bestätigt, daß der stellvertretende Kommandeur sich absolut korrekt verhalten habe, und daß er während seiner Ausbildung in Amberg durchaus kameradschaftlich behandelt worden sei.
({20})
Der zweite Fall ist der des Herrn Dr. Klaus Hornig. Es ist mir der Vorwurf gemacht worden, ich habe die Verwendung eines im nationalsozialistischen Staat verfolgten ehemaligen Polizeioffiziers deswegen abgelehnt, weil er bei seiner Vorstellung einen nervösen Eindruck gemacht habe. Meine Damen und Herren, wer meine eigene Lebens- und Leidensgeschichte im nationalsozialistischen Staat kennt,
({21})
weiß, daß ich solche Behandlungen im nationalsozialistischen Staat wohl richtig zu würdigen
weiß. Andererseits sollte hier die volle Eignung
des Bewerbers geprüft werden. Ich habe eben
zwischendurch flüchtig die Akten durchgesehen.
Die Herren meines Ministeriums hatten von dem
Bewerber nicht in, vollem Umfang den Eindruck
gewinnen können, daß er eingestellt werden könnte.
Ich möchte aber peinlich korrekt sein und sage
Ihnen hiermit zu, daß ich diesen Fall noch einmal
überprüfen werde. Ich werde feststellen lassen, ob
der Eindruck berechtigt war, daß er wegen Nervosität nicht voll einsatzfähig sei. Ich gebe Ihnen in
Kürze den Bescheid über meinen eigenen Eindruck.
({22})
- Meine Herren, ich selbst habe den Fall ja nicht überprüft; das kann ich auch nicht.
({23})
- Ich werde das veranlassen.
({24})
Aber von einer Behauptung, meine Herren, - ich war immerhin auf einiges gefaßt - bin ich wirklich überrascht gewesen. Es wird behauptet, in meinem Hause sei gesagt worden, es bestehe keine Aussicht auf Einstellung, wenn nicht der Betreffende bei der Wehrmacht und mindestens Major im Generalstab gewesen sei. Bitte, verehrter Herr Kollege Menzel, nennen Sie mir Roß und Reiter, und dann wollen wir sehen!
({25})
Es ist überflüssig, vor Ihnen zu betonen, daß ein derartiges Prinzip von mir nicht eingeführt worden ist.
Nun etwas Wichtiges: der Prozentsatz derer, die aus der Wehrmacht und derer, die aus der Polizei kommen. Bitte, bedenken Sie einmal eins. Ein großer Prozentsatz körperlich fähiger und im Polizeidienst erfahrener Beamter wurden im Laufe des letzten Weltkrieges - ob sie wollten oder nicht - zur Wehrmacht eingezogen.
({26})
Infolgedessen finden Sie überall die Bezeichnung „Wehrmachtsoffizier". Das sind aber zum großen Teil aus der Polizei hervorgegangene Offiziere. Es gibt auch andere darunter. Bedenken Sie immer, daß bei dieser Aufstellung eines an Zahl verhältnismäßig kleinen Bundesgrenzschutzes sehr viel Wert gelegt wurde auf die technische Vervollkommnung, auf die Motorisierung, auf den Nachrichtenübermittlungs- und Funkdienst. Ich brauchte qualifizierte Offiziere, die diese Gebiete beherrschen.
({27})
Deshalb haben sich hier auch eine Anzahl Wehrmachtsoffiziere gefunden, die diesen Voraussetzungen entsprechen.
Und nun, meine Herren, eine Schauergeschichte über das soziologische Milieu. Ich habe inzwischen feststellen können, daß keiner der Fragebogen, die aus meinem Hause herausgehen, die Nachfrage nach Urahne, Großmutter, Mutter und Kind enthält - auch, Herr Menzel, nicht einmal nach dem Schwiegervater-,sondern daß diese Untersuchung, die Sie mit Recht beanstanden, ohne mein Wissen und ohne meinen Willen von einem Soziologen in Bad Ems aus eigenen Stücken bei der dortigen Hundertschaft angestellt worden ist,
({28})
der sich erkundigen wollte, wie es eigentlich stand.
({29})
- Wenn ich in Bad Ems gewesen wäre, hätte es nicht stattgefunden.
({30})
- Das werde ich tun; und ich werde auch sagen, daß die Nachfrage nach Urahne, Großmutter, Mutter und Kind nicht erlaubt ist.
({31})
- Gern, soweit ich den Rat nicht unmittelbar von Ihnen beziehen kann, werde ich das tun.
({32})
Meine Herren, ich komme auf das Schlußwort des Kollegen Menzel zurück, ich solle Polizei schaffen und nicht Soldaten. Sehen Sie sich diese Truppe an! Sie ist rein polizeilichen Charakters.
({33})
Bitte, blicken Sie einmal um sich! Sehen Sie einmal nach Italien, das etwa 70 000 Mann solcher Polizeitruppen besitzt und im vorigen Jahr über 7000 Einsätze gegen die Kommunisten erfolgreich durchgeführt hat.
({34})
Bitte, sehen Sie einmal nach Japan, das neben einer vollen Armee 120 000 Mann solcher Polizei besitzt! Sehen Sie über die Grenze hinüber auf die Volkspolizei und beachten Sie ihre Ausstattung und ihre Zahl, und Sie werden sagen, daß diese 10 000 Grenzschutzleute weder eine Armee sind, noch jemals die Aussicht haben, eine solche zu werden.
({35})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bergstraeßer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Aufgaben des Bundesministeriums des Innern gehört auch das, was man unter dem Wort „Verfassungsschutz" zusammenzufassen pflegt. Mir scheint nun, daß im Ministerium und auch bei dem Herrn Minister selbst eine klare Begriffsbestimmung, was eigentlich Verfassungsschutz sein soll, fehlt. Das Grundgesetz spricht mehrfach von „verfassungsmäßiger Ordnung". Von diesem Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung wird z. B. in dem Art. 143 gesprochen. Es handelt sich um den Artikel, der von der Möglichkeit handelt, gewaltsam die Regierung zu stürzen und eine andere Staatsform einzuführen. Dieser Art. 143 findet nun seine Auslegung in dem Art. 28; denn
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0 dieser Art. 28 sagt, daß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen müsse. Was heißt das? Über den Begriff „sozial" können wir uns wahrscheinlich schwer einigen. Es ist sehr umstritten. Manche halten die soziale Marktwirtschaft für sozial, und andere halten sie eben nicht für sozial. Der Begriff „demokratisch" ist in diesem Hohen Hause vor vierzehn Tagen sehr deutlich geklärt worden: „Frei gewählte Volksvertretung, die die Regierung bestellt". Der dritte Begriff „republikanisch" ist so einfach, daß er eigentlich gar nicht falsch verstanden oder gedeutet werden kann. Das heißt, daß jede Art von Einzelherrschaft, auch die Monarchie, vollständig ausgeschlossen ist. Der Bonner Kommentar sagt dies und spricht weiter aus, es bestehe auch für die Länder - um so weniger natürlich für die Bundesrepublik - keinerlei Möglichkeit, von diesem Grundsatz der Republik abzuweichen und die Monarchie einzuführen.
Meine Damen und Herren, ich habe diese Erörterung nicht etwa aus Gründen irgendwelcher theoretischer Liebhabereien vorausgeschickt, sondern sie sollen als Grundlage zur Behandlung eines besonderen Falles dienen, der das Bundesministerium des Innern berührt und der im Bundesministerium des Innern spielt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat kürzlich einmal eine Debatte mit Leserbriefen usw. über die Frage der Monarchie veranstaltet. Unter diesen Leserbriefen erschien ein Leserbrief, der mit „Walter Bargatzky in Bonn" unterzeichnet war. Dieser Leserbrief sprach sich sehr deutlich für die Monarchie aus. In ihm wurde behauptet, daß im Jahre 1945 und nach 1945 die Frage der Monarchie nicht diskutiert worden sei, weil die Republikaner dem Diskutieren dieser Frage ausgewichen seien. Nun, ich habe noch die Verhandlungen des Parlamentarischen Rates mitgemacht. Im Parlamentarischen Rat ist diese Frage offenbar deswegen nicht erörtert worden, weil jedermann es für selbstverständlich hielt, daß sie nicht erörtert zu werden braucht. Gedrückt vor dieser Diskussion hat sich wahrlich niemand. Der Schreiber des Briefes redet dann weiter davon, daß es notwendig sei, die Frage zu untersuchen, ob Monarchie oder Republik besser sei.
Ich will dem Herrn auf diesem Wege nicht weiter folgen. Das wäre eine theoretische Frage, über die sich auch die Historiker nicht einig sind. Wichtiger ist, die Frage zu stellen: Wer ist Herr Bargatzky? Nun, Herr Bargatzky ist Ministerialrat im Bundesministerium des Innern,
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und zwar in der Abteilung für öffentliche Sicherheit!
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Wie aus einem Schreiben des Ministeriums des Innern an meine Fraktion hervorgeht, ist er nach dem
Zeitpunkt Ministerialrat geworden, zu dem meine
Fraktion den Herrn Bundesminister des Innern
auf diese Angelegenheit aufmerksam gemacht hat.
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Ich bin loyal genug, zu erwähnen, daß er schon vorher zu dieser Beförderung eingereicht worden ist.
Herr Bargatzky ist also ein Beamter, ein Angehöriger des öffentlichen Dienstes, und nach Art. 33 der Bundesverfassung stehen die Angehörigen des öffentlichen Dienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Es gibt sogar einen Art. 5 Abs. 3 in dieser Bundesverfassung, in dem die Freiheit der Lehre stipuliert ist. Dort heißt es, daß die Freiheit der Lehre nicht von der Treue zur Verfassung entbindet. Was ist nun Treue zur Verfassung? Ich habe in dem Lehrbuch des Verwaltungsrechts von Peters nachgeschlagen. Soviel ich weiß, ist Peters Professor in Köln. Das Lehrbuch ist aus dem Jahre 1949; es dürfte also ungefähr das Letzte sein, was darüber gesagt worden ist. Darin steht ausdrücklich, daß sich die Treuepflicht auf Staat und Staatsidee erstreckt. Ferner ist gesagt, daß jeder Angestellte im öffentlichen Dienst verpflichtet ist, staatsgefährdende Umtriebe, auch wenn sie ihm nur privat zur Kenntnis kommen, dienstlich zu melden. Also hätte der Herr Bargatzky wohl auch dienstlich melden sollen, daß er für die Monarchie eintritt. Er hat das nicht getan. Er hat gar nicht einmal mit seinem vollen Titel und „Dr." unterschrieben, sondern er hat in einer merkwürdigen Zurückhaltung sonst nichts als seinen Vor- und Nachnamen gesagt.
Meine Fraktion hat darauf aufmerksam gemacht, und der Herr Minister hat geantwortet, daß er keinen Grund zu einem Disziplinarverfahren sehe.
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Das hat derselbe Herr Minister gesagt, der im Augenblick betont hat: „Ich habe durchgegriffen und ich werde durchgreifen!"
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Er hat aber eben auch das merkwürdige Wort „unkorrekt" gebraucht.
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Dieses Wort ist mir sehr charakteristisch. Dieses selbe Wort „unkorrekt" kommt auch - soviel ich mich erinnere - in der Antwort des Herrn Ministers oder seines Ministeriums an meine Fraktion vor. Es gibt in derartigen Dingen nichts Unkorrektes, sondern es gibt hier nur einen ganz klaren Tatbestand, und dieser Tatbestand sagt, daß dieser Beamte sich gegen die Bundesverfassung virtuell vergangen hat.
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Wir verlangen erstens einmal, daß der Minister derartige Beamte nicht irgendwie deckt, indem er es auf Korrektheit oder Unkorrektheit schiebt, sondern wir verlangen von einem Beamten der Republik, daß er aktiv für die Staatsordnung eintritt, die da ist,
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und daß er sie nicht bekämpft, auch nicht auf irgendwelche irgendwie verklausulierte Arten.
Meine Damen und Herren! Wir tun das nicht aus irgendwelcher Marotte; wir tun das auch nicht aus irgendwelchem Ressentiment, sondern wir tun es aus voller staatspolitischer Verantwortung. Der Herr Minister kennt genau so wie ich - wir sind ja aus demselben Jahrgang 1883 ({9})
die Verhältnisse der Weimarer Republik. Der Herr Minister war zwar, als die Weimarer Republik begann, noch nicht im Schwabenalter; aber da er kein Schwabe ist, so ist ja anzunehmen, daß seine Erkenntnis schon etwas vor dem 40. Lebensjahr lag. Wir haben diese Zeit miterlebt, und nichts hat so sehr zur Erschwerung der Politik der Weimarer Republik beigetragen wie die monarchistische Hetze der Deutschnationalen Volkspartei,
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eine unverantwortliche Hetze, vollgespickt mit allen möglichen völlig falschen Angaben.
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- Sie müssens wissen; ich habe diese Zeiten genau mitgemacht, verehrter Herr Kollege, vom ersten bis zum letzten Tage. Diese verantwortungslose Hetze der Deutschnationalen Volkspartei hat ja für die beteiligten monarchistischen Kreise dann zu einer ganz merkwürdigen Entwicklung geführt, nämlich dazu, daß man wohl sagen kann: Niemand ist in der Geschichte jemals so geprellt worden wie diese Kreise!
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Wir wußten, was wir von Hitler zu erwarten hatten; aber die deutschnationalen Kreise - sowohl Herr Hugenberg wie der Herr Reichspräsident von Hindenburg - wußten es eben nicht,
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sondern ihnen hat Hitler vorgeschwindelt, er sei auch für die Monarchie. Aber das ist ja nicht wichtig; wichtig ist: auch heute ist die Bundesrepublik Deutschland - wir werden uns hier in diesem Hause alle darüber einig sein - nicht etwa das, was man einen vor Krisen und in seiner Entwicklung gesicherten Staat nennen könnte, sondern auch heute liegen schwere Aufgaben der Außen-und Innenpolitik vor uns. In einer derartigen Zeit halten wir es für geradezu frivol, wenn jemand neue innerpolitische Streitfragen aufrühren will, statt sie liegen zu lassen.
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Das ist eine Gefährdung der Politik. - Sie sagen: alte! Wir haben es nicht getan, sondern ein Mitarbeiter des Herrn Bundesministers hat es getan. Wir wollen nicht, daß derartige Dinge einreißen. Wir wollen es deswegen nicht, weil es einfach unmöglich ist, eine geradlinige Entwicklung zu sichern, wenn derartige Dinge vorkommen. Herr Kollege Dr. Jaeger, Sie sind noch verhältnismäßig jung; ich beneide Sie darum, aber ich darf Ihnen deswegen doch sagen: Wer diese Entwicklung der Weimarer Zeit mitgemacht hat, der weiß, daß durch dieses Dulden von Unkorrektheiten und ähnlichen Vorkommnissen die Autorität der Staatsregierung sehr gelitten hat und zum Teil, möchte ich fast sagen, zerbrochen ist.
Ich möchte noch einen schönen Satz erwähnen, der bei Herrn Bargatzky vorkommt:
Wer sich heute den Kopf zerbricht über Thronprätendenten, würde sich mit Recht lächerlich machen.
Ich erwähne diesen Satz deswegen, weil er so deutlich zeigt, daß dieser Herr Bargatzky von Politik eben doch offenbar nichts weiß und unberührt ist; denn ein politisch denkender Mensch wird sich erst einmal Gedanken darüber machen, was eigentlich möglich ist. Dann wird er vielleicht zu irgendwelchen Theorien zurückkehren. Wir haben ja augenblicklich - und deswegen haben wir diese Dinge offen besprechen wollen - einen gewissen Trend zur Monarchie. Sie brauchen ja nur in die illustrierten Zeitschriften zu sehen, in denen so viel von monarchischen Dingen die Rede ist. Wir verurteilen es deswegen durchaus, weil wir eine Gefahr für den Bestand unseres Staates sehen, wenn auch andere Männer in verantwortlicher Stellung - ich meine in diesem Augenblick nicht Beamte - derartige Dinge wenigstens indirekt
unterstützen. Warum hat - ich nehme an, daß die I Pressenotiz richtig war - das Bundesministerium einen Vertreter zu der Beerdigung des Kronprinzen, des sogenannten Kronprinzen geschickt?
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- Nein, das ist nicht hochanständig, sondern es ist hochdumm,
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und zwar deswegen ist es hochdumm und geradezu völlig unsinnig, weil dieser Herr genau so ({18})
- ich rede jetzt, Sie können ja nachher auch noch sprechen - ein Privatmann wie jeder andere war und gar nichts anderes.
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Wir verbitten es uns, daß derartige Dinge geschehen, die weiter nichts sind als lächerliche Entgleisungen.
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Ich möchte deswegen noch etwas anderes erwähnen. Wenn auch zwei andere Minister - sie sind in diesem Falle ja auch nicht Beamte - es für nötig befunden haben, in Hannover an einer Fürstenhochzeit teilzunehmen, so finden wir das zumindest geschmacklos;
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denn sie haben es ja nicht als Privatpersonen getan, sondern sie sind eben Bundesminister, und man soll daraus seine bestimmten Konsequenzen ziehen.
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Wenn nun von der Deutschen Partei noch eine Resolution gefaßt worden ist, daß nur die Monarchie geeignet sei, den Charakter der Jugend usw. zu stärken,
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so ist das etwas sehr Seltsames. Sehen Sie, woher kommt denn dieser monarchistische Trend der öffentlichen Meinung oder von .Teilen der öffentlichen Meinung?
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- Herr Bargatzky behauptet, daß Bauern und Arbeiter diese Frage vielfach erörterten. Nun, ich kenne durch meine politische Tätigkeit sehr viele Arbeiter; doch ich habe von ihnen solche Erörterungen nicht gehört. Es ist aber etwas anderes. Heute liegt in diesen monarchistischen Bestrebungen und und Velleitäten genau derselbe Illusionismus, genau dasselbe Sich-selbst-nicht-beteiligen und Die-Verantwortung-auf-andere-abwälzen-wollen, die wir schon längst kennen. Die Monarchie ist der neueste Doktor Eisenbart, wie ihn sich manche Kreise vorstellen, und zwar die bürgerlichen Kreise, die es immer abgelehnt haben, selbständig und selbsttätig am öffentlichen Leben teilzunehmen.
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Wir sind durchaus nicht der Meinung, daß die Verfassungsschutzgesetzgebung das A und O, daß sie ein unbedingt wirksames Mittel ist. Es gibt andere. Es muß positive Mittel geben; und zu diesen positiven Mitteln gehört es, daß wir die Faulheit und Feigheit in einem Teil unserer Bevölkerung bekämpfen. Dazu gehört es vor allen Dingen, daß
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wir dafür sorgen, daß unsere Jugend mehr zur politischen Verantwortung erzogen wird als bisher. Das ist das Wichtige. Aber wenn sie Vorbilder haben wie dieses Vorbild eines Ministerialrats, dann kann sich jedermann darauf berufen, dann entsteht Unsicherheit auch in der Staatsleitung, und dann ist dieser Staat gefährdet. Staatspolitisch ist das untragbar. Ob die Juristen des Bundesministeriums anderer Meinung sind oder nicht, ist mir in diesem Augenblick vollkommen gleichgültig; es ist keine juristische, es ist eine im ernstesten Sinne politische Frage, Herr Minister!
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Dr. Dr. h. c. Lehr: Bundesminister der Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Fall des Ministerialrats Bargatzky habe ich auch mit Ihnen, meine Herren von der Opposition, schon erörtert. Ich darf dem Hohen Hause kurz bekanntgeben, was sich abgespielt hat.
Vor einigen Monaten erschien in englischen Zeitungen ein Artikel - ich glaube, er ist sogar von dem Oppositionsführer in England ausgegangen - über die Frage: „Die Demokratie im Gewande der Republik oder die Demokratie im Gewande des Königtums, der Monarchie." Herr Bargatzky hat sich bemüßigt gefühlt, nach dem Studium der englischen Zeitungen einen Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" zu schreiben, die dieses Thema im Anschluß an die englischen Veröffentlichungen auch aufgegriffen und behandelt hatte. In diesem Leserbrief hat er untersucht: Was spricht für eine Demokratie im Gewande 'der Republik, was für eine Demokratie im Gewande der Monarchie? - Ich habe mir, als mir das bekannt wurde, unverzüglich den Artikel geholt und ihn zunächst nach der disziplinarrechtlichen Seite daraufhin geprüft, ob irgendein Verstoß gegen den für mich maßgebenden § 3 des Bundespersonalgesetzes vorlag, in dem genau die Grenzen gezogen sind, in denen sich ein Beamter der Bundesrepublik politisch zu verhalten hat. Die eingehenden und gewissenhaften Untersuchungen meines Verfassungsreferates, die sich mit meiner nachträglichen Untersuchung deckten, kamen zu dem Ergebnis, daß es zwar außerordentlich bedauerlich sei, daß sich ohne irgendeine zwingende Veranlassung ein Beamter, der an einer so qualifizierten Stelle in meinem Ministerium ist, von sich aus mit dieser theoretischen Frage auseinandersetzt. Ich mußte ihm aber zugute halten, daß seine Auseinandersetzungen der Form nach nichts anderes waren als eine staatsrechtliche Untersuchung,
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ohne zu sagen, ob der Verfasser selber etwa auf diesem Standpunkt der Monarchie stände; also ein Für und Wider.
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Ich habe daraufhin dem Betreffenden schriftlich gesagt, daß ich sein Verhalten außerordentlich ungeschickt finde und mißbillige und daß ich es nicht mit seiner Stellung für vereinbar halte;
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auch der ganze Artikel gehörte jetzt nicht - jedenfalls nicht von einem Mitglied meines Hauses - in dieser Form in eine Zeitung.
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Meine Herren, hören Sie bitte: Diese Beförderung liegt drei Monate zurück. Im August hatte ich bei dem Herrn Bundespräsidenten diesen an sich geistig hochqualifizierten jüngeren Mitarbeiter, der sehr fleißig und ordentlich ist, vorgeschlagen. Meine Herren, aus Ihren Reihen stammt die gleiche Auffassung der Bewertung, wie ich sie gehabt habe; denn aus Ihren Reihen ist die Anregung gekommen, Herrn Bargatzky zum Bundesverfassungsgericht vorzuschlagen.
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Ich war mit Ihnen in der Bewertung dieses Mannes völlig einig, und Sie können sich so gut irren, wie ich mich irren kann.
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Wenn ich jetzt eine bereits vom Bundespräsidenten vollzogene Beförderung und Urkunde zurücknähme, dann wäre es eine schwerste disziplinarische Strafe.
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Ich muß aber im Rahmen des Gesetzes handeln und darf nicht willkürlich sein. Ich darf selbst vor einer Debatte hier nicht zurückschrecken. Was ich getan habe, kann ich verantworten!
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Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Rehling.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gestatten Sie mir ein paar kurze Bemerkungen zu den Etatspositionen, die zur Förderung der kulturellen Angelegenheiten eingesetzt sind. Ich möchte mich zunächst auf Kap. 2 Tit. 29, Förderung des europäischen Gedankens, beziehen. Seit dem Bestehen der Bundesrepublik ist die Arbeit der Regierungskoalition darauf ausgerichtet worden, eine Völkerverständigung und -versöhnung herbeizuführen und ihr zu dienen. Als Ziel haben wir uns gesetzt, an der friedlichen Einigung der europäischen Nationen mitzuwirken. Daher sind wir auch so besonders gerade an diesem Titel „Förderung des europäischen Gedankens" interessiert. Es ist doch ganz gewiß so, daß dieses vereinte Europa nicht in erster Linie durch den Abschluß von Verträgen geschaffen wird, sondern durch die Herstellung der persönlichen Beziehungen von Mensch zu Mensch und durch einen möglichst weitgehenden Austausch gerade auch junger Menschen der europäischen Nationen. Denn das wissen wir alle: wir Älteren haben noch in einem ganz bestimmten Umfange Ressentiments aus der Vergangenheit zu überwinden, die bei der Jugend nicht vorhanden sind, und deswegen ist es so besonders wichtig, daß
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gerade den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben wird, mit Vertretern anderer Nationen zusammenzutreffen.
Für die Förderung des europäischen Gedankens sind im Haushaltsplan 100 000 DM eingesetzt. Dieser Betrag scheint mir wesentlich zu niedrig zu sein. Es ist zwar die verheißungsvolle Bemerkung hinzugefügt: „Die Mittel dürfen bis zur Höhe der Einnahmen bei Kap. 2 Tit. 12 überschritten werden." Aber wenn Sie zurückblättern und bei diesem Titel nachsehen, so werden Sie feststellen, daß sowohl für das Jahr 1950 wie auch für 1951 hier nur ein Strich steht, und das ist etwas wenig.
Auch mit diesen 100 000 DM ist nicht viel zu machen, wenn mir auch sehr wohl bekannt ist, daß in den einzelnen Ländern noch Mittel für den Austausch Jugendlicher zur Verfügung gestellt werden. Die wechselseitigen Besuche von Jugendgruppen haben recht gute Ergebnisse gezeitigt - manche Vorurteile und Mißverständnisse wurden ausgeräumt -, aber sie blieben bisher doch auf einen relativ kleinen Kreis beschränkt. Ich möchte dies besonders hervorheben, weil wir gerade im Ausschuß für kulturelle und wissenschaftliche Fragen im Europarat immer erneut betont haben, wir legten größten Wert darauf, daß Jugendliche der verschiedensten Berufsgruppen und sozialen Schichten an dem Austausch beteiligt werden. Ich würde es daher sehr begrüßen, wenn der Haushaltsausschuß eine Möglichkeit sähe, im Nachtragshaushalt diese Position zu erhöhen.
Ganz besonders erfreut haben meine Parteifreunde es vermerkt, daß sich das Bundesinnenministerium im Juli bereit erklärte, unter bestimmten Voraussetzungen die Betreuung der Schüler der höheren Schulen und Fachschulen zu über) nehmen, die aus der sowjetischen Besatzungszone und dem sowjetischen Sektor von Berlin verdrängt sind, weil sie entweder aus politischen Gründen flüchten mußten oder aber durch behördliche Verfügung vom weiteren Besuch ihrer bisherigen Lehranstalten ausgeschlossen wurden. Sie würden, falls hier das Bundesinnenministerium nicht einträte, zum größten Teil nicht in der Lage sein, ihre Ausbildung zu vollenden, die einmal die Voraussetzung sein soll für die Existenz, die sie sich im Leben schaffen wollen. Ich glaube, mit wenigen Ausnahmen wird das Haus sich mit warmer Befürwortung hinter diese Arbeit des Bundesinnenministeriums stellen.
Daß der Zuschuß für die Studienstiftung des deutschen Volkes mit 150 000 DM in Kap. 2 Tit. 26 auch vom Haushaltsausschuß nicht als ausreichend betrachtet wird, habe ich den Ausführungen des Herrn Berichterstatters mit Befriedigung entnommen. Jeder von uns, der einmal versucht hat, wirklich hervorragend begabte junge Menschen in die Studienstiftung hineinzubringen, wird etwas zu sagen wissen von den Schwierigkeiten, die zu überwinden waren und von vielen, leider vergeblichen Bemühungen. Es ist doch bisher so gewesen, daß es nicht einmal möglich war, alle mit dem Prädikat „ausgezeichnet" Beurteilten in den Genuß der Studienstiftung zu bringen. Wenn es gelänge, diese Position wesentlich zu erhöhen, so würden wir nicht nur nach der sozialen Seite hin etwas sehr Beachtliches tun, sondern auch eine Maßnahme unterstützen, die sich ganz bestimmt nur zum Besten unseres gesamten Volkes auswirken kann.
Auf dem Gebiete der Erziehung - das möchte ich nicht unerwähnt lassen -- droht dadurch eine ernste Gefahr, daß wegen des Mangels an geeigneten Kräften der Lehrernachwuchs vor allem auch für die Volksschulen sehr gefährdet ist. Die Besoldung, insbesondere die der Junglehrer, ist so völlig unzureichend, daß man hierüber überhaupt nicht zu reden braucht. Die Folge ist, daß die Zahl der Anmeldungen an den Pädagogischen Akademien beständig zurückgeht. Wenn man nun aber eines Tages vor der Tatsache stehen sollte, daß man zwar in der Lage ist, die Klassenfrequenz herabzusetzen, aber nicht genügend Lehrkräfte hat, dann würde ein Notstand nur von einem anderen abgelöst werden. Wenn ich auch anerkennen will, daß eine kleine Erleichterung durch die in Aussicht genommene Erhöhung der Gehälter bevorsteht, so möchte ich doch die Herren und Damen aus dem Beamtenrechtsausschuß bitten, bei der bevorstehenden Besoldungsreform auf diesen Umstand besonders Rücksicht zu nehmen. Ich meine, wir sollten es auf alle Fälle vermeiden, den Anschein zu erwecken, als würde geistige Arbeit etwa unterbewertet.
Zum Schluß möchte ich noch kurz ein ernstes Anliegen meiner Fraktion vortragen, das unserer Sorge um die heranwachsende Jugend entspringt. Wir haben zwar seit 1945 manche Erfolge bei dem Bemühen zu verzeichnen, der materiellen Katastrophe, in die unser Volk gestürzt wurde, Herr zu werden, stecken aber in bezug auf die mindestens ebenso dringende Beseitigung der Nöte, die aus der geistig-seelischen und sittlichen Katastrophe erwachsen, noch vollkommen in den Anfängen. Immer wieder bekommen wir Zuschriften aus Kreisen der Eltern, Erzieher und der in der Jugendarbeit Tätigen, die danach fragen, wann nun endlich einmal etwas aus dem schon des öfteren diskutierten Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften würde.
Ich möchte von vornherein sagen, daß man diese Frage nicht immer nach der Methode der SchwarzWeiß-Malerei behandeln und ohne weiteres unterstellen sollte, daß wir unsererseits die Absicht hätten, die Arbeit der freischaffenden Künstler ungebührlich einzuengen. Es gibt hier wie auch bei vielen anderen Dingen zwischen Schwarz und Weiß eine gute Mitte, auf der man sich finden könnte. Ich möchte auch darauf hinweisen, daß man nicht, wie das in unserem Volke des öfteren geschieht, Freiheit mit Bindungslosigkeit gleichsetzen darf. Nach unserer Auffassung hat nur derjenige einen legitimen Anspruch auf Freiheit, der in seinem Leben und Wirken zum Ausdruck bringt, daß er sich selbst in Zucht nimmt. Tatsächlich macht sich bei uns immer wieder schmerzlich bemerkbar, daß die moralische Substanz in unserem Volke zusammengeschrumpft ist und daß infolge dieses Mangels an moralischer Substanz manches gute Gesetz, das wir hier beschlossen haben, bei der Durchführung in seiner Wirkung beeinträchtigt wird. Es sollte deswegen unser aller Anliegen sein, diesem Mangel an moralischer Substanz durch jede nur mögliche Maßnahme zu begegnen, und dazu rechnen wir auch das Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften. Selbstverständlich sind wir bereit, im Rahmen des Möglichen so die notwendigen Mittel für die körperliche Ertüchtigung der Jugend bereitzustellen. Aber wenn wir uns auf der einen Seite um die physische Gesundheit ernstlich mühen, dann sollten wir uns auf der anderen Seite auch darüber klar sein, daß die heutige Jugend auf Grund der Verhältnisse der Kriegs- und Nach({1})
kriegsjahre, die ich Ihnen nicht besonders noch darzulegen brauche, psychisch sowohl wie sittlich außerordentlich labil ist.
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Es wäre doch geradezu unbarmherzig, wenn man auf der einen Seite wohl für die physische Gesundheit sorgte, aber auf der anderen Seite der psychisch und sittlich so labilen Jugend nicht Hilfestellung leisten würde, damit sie mit einem sittlich festen Rückgrat den Kampf des Lebens aufnehmen kann, der ja auch für die kommende Generation nicht gerade einfach sein wird.
Ich wiederhole noch einmal: Es sollte unser aller Anliegen sein, dieses sittliche Rückgrat unserer Jugend zu stärken. Meine Fraktion würde es sehr begrüßen, wenn dem Bundestag in Kürze das Gesetz über den Vertrieb jugendgefährdender Schriften zur Beratung vorgelegt werden könnte.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Hennig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium des Innern hat ein Stiefkind, von dem manche sogar meinen, es müsse gänzlich verstoßen werden. Zugunsten dieser Abteilung III, der Abteilung für Kulturpolitik im Bundesinnenministerium, möchte ich ein Wort einlegen und möchte deshalb den Herrn Präsidenten bitten, bezüglich der Redezeit - von der ich weiß, daß sie knapp geworden ist - großzügig oder mindestens nachsichtig zu verfahren. Ich hoffe, Sie werden darüber nicht böse sein, da ich sicherlich nicht nur im Interesse der Opposition spreche, wenn ich dieses Thema anrühre.
Der Etat sieht für die Abteilung III 300 000 DM für ein Gebiet mit nahezu 50 Millionen Menschen vor, bei einem Gesamtetat, von dem man - man weiß es noch nicht - vermuten kann, daß er demnächst 20 Milliarden betragen wird. Meine Damen und Herren, wir sagen ganz frei heraus: das ist ein unmöglicher und auch unwürdiger Zustand.
Wir verzichten heute bewußt darauf, konkrete Anträge zu stellen, weil wir die Behandlung des Überrollungsetats nicht aufhalten und nicht komplizieren wollen. Wir behalten uns aber ausdrücklich konkrete Anträge in dieser Richtung vor.
Ich muß aber heute wenigstens an einen Brief erinnern, den ich als Vorsitzender des Unterausschusses „Kunst" im einmütigen Auftrag aller Parteien an den Herrn Finanzminister richten mußte. Deshalb bedauere ich, - - Verzeihung, der Herr Finanzminister ist doch anwesend, so daß er jetzt Kenntnis davon nehmen kann -, ich sage also, daß wir uns dieses Briefes noch immer erinnern und der Meinung sind, daß er ernst genommen werden muß. Das Bundesministerium des Innern hat nämlich gewisse moralische Verpflichtungen. Erstens einmal die Verpflichtung, wenigstens die geringen Zuständigkeiten des Bundesministeriums auf kulturpolitischem Gebiet auch auszuschöpfen.
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- Bitte, ich habe Sie nicht verstanden!
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- Hoffentlich!
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- Nein! Verzeihen Sie! Ich meine: hoffentlich werden wir uns auf einen Weg einigen, diese Zuständigkeit zu erweitern. So hatte ich Sie verstanden. Aber der Vorwurf: „das ist Ihre Verfassungstreue!", geht doch ein bißchen zu weit. Sie werden das wohl selbst einsehen!
Nun, meine Damen und Herren, die Zuständigkeiten müssen ausgeschöpft werden. Laut Grundgesetz obliegt dem Bunde die Förderung von Forschung und Wissenschaft, um nur ein Beispiel zu nennen. Durch einen gewissen Vertrag oder ein vertragsähnliches Instrument mit den Ländern hat man sich darauf geeinigt, den Ländern die Grundlagenforschung, dem Bunde die Zweckforschung zu übertragen. Praktisch sieht es nun so aus, daß die naturwissenschaftlichen Disziplinen dabei einigermaßen erträglich wegkommen, obwohl auch da eine heillose Verzettelung herrscht, die durch eine Koordinierung durch den Bund beseitigt werden müßte. Aber die geisteswissenschaftlichen Institutionen sind in einem geradezu jammervollen Zustand. Ein deutscher Kultusminister hat neulich einmal mit Recht festgestellt, daß viele dieser Einrichtungen so beschaffen seien, daß sie in der Privatindustrie polizeilich geschlossen würden, weil sie einfach nicht die Voraussetzungen für gedeihliche Arbeit bieten. Das ist die eine Verpflichtung des Bundes gegenüber dem Geistesleben.
Um das andere Konkrete näher zu bezeichnen, komme ich auf den Brief zu sprechen, den ich damals schreiben durfte. Der Bund hat gewisse Ehrenpflichten. Der Bund hat aus dem Erbe des alten Reiches Verbindlichkeiten zu erfüllen. Solche Verbindlichkeiten sind z. B. das Germanische Museum in Nürnberg, das zu sechs Neunteln vom Reich, zu zwei Neunteln von Bayern und zu einem Neuntel von Nürnberg getragen wurde, weiter das Hochstift-Goethemuseum - die Schiller-Stiftung Marbach wurde schon erwähnt und soll auch, wie ich. mit Genugtuung gehört habe, künftig besonders etatisiert werden -, weiter die Deutsche Bibliothek in Frankfurt, besonders wichtig, weil Leipzig praktisch weitgehend ausfällt. Für die Marienkirche in Lübeck muß etwas getan werden, weil dort wundervolle Fresken des Mittelalters entdeckt worden sind, deren Freilegung 150 000 DM kostet. Bei einer Verzögerung dieser Freilegung könnten Wetterschäden diese kostbaren Funde gefährden. In der gleichen Situation wie das Germanische Museum befindet sich das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz. Das alles haben wir zusammengerechnet und haben gefunden, daß etwa 670 000 DM erforderlich sind. Wir haben damals dem Herrn Bundesfinanzminister mitgeteilt, daß wir es für nötig halten, diese Summe gesondert einzusetzen und der kulturpolitischen Abteilung des Innenministeriums nicht zuzumuten, diese 670 000 DM im Rahmen der 300 000 DM, die für die gesamte kulturpolitische Repräsentanz des Bundes dem Innenministerium zur Verfügung stehen, als abgegolten zu betrachten.
Ich möchte das Haus bitten, dieses Monitum -denn mehr soll und kann es heute nicht sein! - zu unterstreichen. Wir erwarten, daß bei nächster Gelegenheit - Ergänzungsetat oder neuer Etat - diese Mittel gesondert eingesetzt werden. Ich freue mich, ein Argument durch den Herrn Bundeskanzler bekommen zu haben, der laut „Evangelischem Pressedienst" vom 3. September 1951 in Lübeck gesagt hat - gestatten Sie, daß ich das vortrage, Herr Präsident -
Ich darf auf den Ablauf Ihrer Redezeit aufmerksam machen!
Das ist das Letzte; das ist der effektvolle Schluß!
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- Der Herr Bundeskanzler macht den effektvollen Schluß, nicht ich! - „Zur Frage eines Bundeskultusministeriums erklärte Dr. Adenauer, er wolle als überzeugter Föderalist nicht einem neuen Bundesministerium das Wort reden, das in die Zuständigkeiten der Länder eingreife. Aber da es letzten Endes nur eine deutsche Kultur und nicht etwa eine südbadische oder sonstwie regionale gäbe, habe der Bund auch kulturelle Aufgaben mit eigener Initiative wahrzunehmen. Dazu gehöre die Pflege und Erhaltung der noch vorhandenen und dem ganzen deutschen Volke eigenen Kulturdenkmäler."
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Ich hoffe, daß der Herr Finanzminister sich nach dieser Ansicht des Herrn Bundeskanzlers richtet und daß der Herr Innenminister mit Genugtuung dann eine Aufbesserung seines Etats verbuchen kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich darauf, den verantwortlichen Minister für das Innenministerium, den Herrn Dr. Dr. Lehr, nur von drei Gesichtspunkten aus etwas zu beleuchten.
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Das ist Lehr, der Polizeiminister, Lehr, der „Schützer der Jugend" - wobei ich Wert darauf lege, daß im Stenogramm die Worte „Schützer der Jugend" in Gänsebeine gesetzt werden - und Lehr, der Hüter der Verfassung.
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- Ja, auch in Gänsebeine, wenn Sie wollen, auch mit Recht, und das alles, was ich vortrage, - mit einer Einschränkung. Diese Einschränkung mache ich Ihnen am besten klar, wenn ich Ihnen eine Geschichte aus meiner fernen Jugendzeit erzähle.
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Da war einmal eine öffentliche Kundgebung eines sozialdemokratischen Wahlvereins in meiner Heimat. Die wurde natürlich ordnungsgemäß vom Ortsgendarmen überwacht. Sie wissen j a, Herr Schoettle, wie es damals war. Der Redner versuchte krampfhaft, sich durchzusetzen, aber jedesmal, wenn etwas kam, was dem Gendarmen nicht gepaßt hat, hat er sein Zündhütchen aufgesetzt und gedroht, die Versammlung zu schließen. Auf einmal platzte dem Redner der Kragen, wie man so sagt, und er meinte: „Ich spreche doch zum Thema!". Darauf der Gendarm: „Was Thema ist, das bestimme ich!"
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- Wie gesagt, das war vor mehr als 40 Jahren, Herr Schoettle. Man braucht gar nicht so genau hinzusehen, um zu erkennen, daß das auch die Demokratie von heute ist.
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Was Ordnung ist, das bestimmt der Herr Lehr!
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Und so sieht sie denn auch aus, und so ist dann auch der Bundesgrenzschutz nicht das geworden, was Sie erhofft haben, Herr Dr. Menzel, sondern was der Herr Lehr daraus gemacht hat.
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Nun zu der Sache selber. Herr Dr. Lehr hat vor einigen Wochen in Bonn in einer Studentenversammlung gesprochen und dabei erklärt, seine schönste Aufgabe sei die Sorge um die Jugend. Nun, die jungen Studenten, die ja hier an der Quelle sitzen, haben das nicht ganz geglaubt und haben verständnisinnig gelächelt. Und einer, der mir darüber berichtet hat, hat mir nachher gesagt: Ja, wir wissen, daß die Sorge des Herrn Lehr um uns nicht etwa nach der Richtung geht, unsere soziale Lage zu heben, für unser soziales Wohlergehen zu sorgen, sondern der Herr Lehr denkt mehr daran, wie er uns möglichst schnell in Uniform stecken und wieder in die Kaserne verbringen kann.
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Auch das, was heute von dem sozialdemokratischen Sprecher zu den Ergebnissen des damals so pomphaft aufgemachten Bundesjugendplans gesagt worden ist, spricht ja eine sehr eindeutige Sprache darüber, wie es mit der materiellen Hilfe aussieht, die dieses Ministerium unserer Jugend zuteil werden läßt. Unsere Jugend, die hinter der Remilitarisierung mit Recht den Krieg und damit den Tod für Millionen deutscher Jugendlicher erkennt, unsere Jugend, die die ganze Gefahr der Beschlüsse von Washington begriffen hat, soll außerstande gesetzt werden, diesen Bestrebungen Widerstand zu leisten, - unsere Jugend und überhaupt unser ganzes Volk. Deswegen das Verbot der Volksbefragung und deswegen die systematische Bekämpfung aller jungen und aller alten Friedenskämpfer in Westdeutschland durch diesen „Schützer der Verfassung". Dr. Lehr war es doch, der der westdeutschen Bevölkerung, die wie das gesamte deutsche Volk - zu mehr als 90 % mindestens - die Remilitarisierung ablehnt und den Frieden verlangt, - ({8})
- Ja, bei Ihnen scheint seit einiger Zeit eine gewisse Klarheit zu sein, nachdem das Protokoll der Besprechung Ihres Kollegen von Knoeringen mit Stabsoffizieren bekanntgeworden ist.
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- Das möchte Ihnen so passen. Ich sage Ihnen: an diesem Bericht ist jedes Wort Wahrheit, Herr Schoettle.
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Jedes Wort davon ist Wahrheit. Deshalb haben Sie es auch noch nicht gewagt, das zu bestreiten. Sie haben sich an dem direkten Beweis, daß Ihre Führung mit Adenauer zusammen die Remilitarisierung will, mit der lendenlahmen Erklärung vorbeigedrückt, das sei ja keine Konferenz gewesen, die von Ihrer Landesleitung Bayern einberufen worden sei, sondern eine Konferenz, die auf Wunsch der Offiziere durchgeführt worden ist. Aber der Inhalt - Herr Schoettle, das sage ich Ihren Wählern, das sage ich den sozialdemokratischen Arbeitern -, der Inhalt dieser Meldung stimmt! Kommen Sie doch mal mit einem Dementi heraus!
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Wir werden dann mit weiteren Berichten dienen,
die diese Gemeinsamkeit der Auffassungen und
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Pläne zwischen Ihrem Herrn Schumacher und dem Herrn Adenauer beweisen. Wir dienen Ihnen gern mit weiteren Beweisen.
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- Sie sollten mit nicht provozieren, Sie kommen dabei unter den Schlitten.
({14})
Nun, der Herr Lehr war es, der im Kabinett bekanntlich diese verfassungswidrige Verordnung betreffend Verbot der Volksbefragung durchgedrückt hat. Daß inzwischen diese Verordnung durch die Urteile einer Reihe von Gerichten der Bundesrepublik als verfassungswidrig bezeichnet worden ist, daß also Gerichte Personen freigesprochen haben, die von der Landespolizei wegen durchgeführter Volksbefragungen unter Anklage gestellt worden sind, das sollte auch dem Herrn Innenminister bekannt sein und ist ihm auch bestimmt bekannt.
Ich greife aus den zahllosen inzwischen ergangenen und bekanntgewordenen Entscheidungen nur die des Amtsgerichts von Lemgo vom 11. Juni 1951 heraus, worin es wörtlich heißt: „Die Volksbefragung steht nach Inhalt und Form im Einklang mit der rechtlichen Grundordnung der Bundesrepublik, und ihre Behinderung bzw. Verhinderung stellt einen Eingriff in die verfassungsmäßigen Rechte der Staatsbürger dar." Diese Urteile sind dem Herrn Bundesinnenminister und natürlich auch dem Herrn Bundesjustizminister bekannt. Der Herr Bundesinnenminister zieht aber daraus nicht etwa die Folgerung, daß er seine verfassungswidrige Anordnung aufheben muß. Die Polizeiorgane des Bundes, die ihm unterstehen, machen ebenso wie die Landespolizei, die j a zum Teil noch von sozialdemokratischen Ministern geführt wird, fröhlich Jagd auf die deutschen Friedenskämpfer, auf die Menschen, die von ihrem Naturrecht Gebrauch machen wollen, sich gegen die drohende Remilitarisierung und damit gegen den Krieg mit legalen Mitteln zur Wehr zu setzen.
({15})
Die gesamte westdeutsche Jugend lehnt deshalb
- und das mit Recht - die Politik des Herrn Lehr und des Herrn Adenauer ab.
({16})
- Ich spreche ja sogar im Namen Ihr er Jugend. Sie sollten auch vorsichtig sein mit Ihren Zwischenrufen! Selbst die Jugend Ihrer eigenen Partei denkt so darüber. Als sich auf einer Delegiertentagung der Jungen Union, die am 30. September 1951 in Limburg an der Lahn stattfand, der frühere hessische Finanzminister Dr. Hilpert - wir kennen ihn j a - für den Adenauerschen „Verteidigungsbeitrag" einsetzte, da übten die Sprecher der CDU-Jugend, also die Delegierten, die dort zusammengezogen worden sind, laut Wetzlarer Zeitung vom 2. Oktober, also laut Ihrer eigenen Zeitung, eine vernichtende Kritik an der Politik der Remilitarisierung.
({17})
Und da sind Worte gefallen, nachzulesen in der Wetzlarer Zeitung, die nicht kommunistisch ist, weil er, Adenauer, den Bundesinnenminister Dr. Dr. Heinemann - wörtlich so, wie Ihre Delegierten das gesagt haben -, „den Mann des Geistes und
der Versöhnung" durch einen Vertreter der totalitären Diktatur ersetzt hat.
({18})
- Das sagt Ihre Jugend. Es gibt für Ihre Zwischenbemerkung nur noch die Erklärung, daß Sie keine Bindung an Ihre eigene Jugend haben,
({19})
daß Sie nichts anderes sind als ein „alter Krautkopf" wie wir Alten allermeist.
({20})
Was ich hier über die Verfassungswidrigkeit des Verbots der Volksbefragung festgestellt habe, trifft auch auf die im Vorjahr von der Regierung Adenauer erlassene Anordnung zu, wonach alle Mitglieder gewisser, wie er es ursprünglich nannte, „verfassungswidriger" und, wie es später genannt wurde, „verfassungsfeindlicher" Organisationen aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen sind. Auch da liegen zahlreiche Gerichtsurteile vor, die alle, aber auch restlos, dahin gehen, daß diese von den Gemeinden und den Ländern ausgesprochenen Kündigungen rechtswidrig, verfassungswidrig sind. In jedem Fall, in dem eine Klage gegen eine auf Grund dieser Verordnung durchgeführte Entlassung angestrengt worden ist, ist durch Gerichtsurteil angeordnet worden, daß der Entlassene in seine alten Rechte wieder einzusetzen ist. Das wußte und weiß auch der Herr Bundesminister.
({21})
- Vielleicht sprechen Sie nachher, Sie sind ja noch etwas jünger! - Was sagte der Herr Verfassungsminister Lehr dazu, als ihm das in einer Pressekonferenz vorgehalten wurde? Er persönlich gab auf dieser Pressekonferenz darauf folgende klassische Antwort: Wir werden die Richter dazu bringen müssen, daß sie sich der Auffassung der Bundesregierung in dieser Sache anpassen.
({22})
Das sagt derselbe Minister, der auf der einen Seite laut Grundgesetz - das er bei Gelegenheit eventuell auch zu zerreißen gewillt ist, wie wir ihn kennen - die sogenannte Unabhängigkeit der Gerichte unterstützen, unterbauen und verteidigen muß. Das sagt der „demokratische" Minister. Er mutet diesen Richtern zu, daß sie, weil die Regierung einen Verfassungsbruch begeht, dies auch in ihrem Urteil tun müssen und exerzieren. So weit sind wir heute schon gekommen in unserer sogenannten Demokratie, in diesem Staat, der nach Ihrer Diktion ein Rechtsstaat ist.
Zu der Reihe der Verfassungsbrüche, die dieses Kabinett sich hat zuschulden kommen lassen, gehört auch das Verbot des Rates der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes. Der Herr Kollege Menzel hat sich so bitter darüber beschwert und hat einige Fälle dafür angeführt, daß ehemalige Kämpfer gegen den Faschismus bei der Lehr-Polizei kein Glück haben. Nun, Herr Menzel, wie schön wäre es gewesen, wenn wir gegen dieses Verbot der VVN auch eine Einheitsfront in diesem Hause gehabt hätten. Aber Sie haben dieses Verbot doch mitgemacht. So ist es in unserer sogenannten Demokratie möglich geworden, daß Gedenkfeiern der VVN in Frankfurt und Dortmund, in denen wir unserer im Kampf gegen den Faschismus gefallenen und gemordeten Kameraden gedenken wollten, unter dem Vorwand der Störung der Ordnung verboten worden sind. Es sind dabei skanda({23})
löse Dinge passiert, wie etwa in Essen, wo von dem Kranz, den eine französische Delegation am Sarkophag der jüdischen Gemeinde niedergelegt hatte, unsere Polizei die Trikolore entfernt hat.
({24})
Solche skandalösen Dinge sind passiert. Wir wissen, daß das Andenken an unsere deutschen gefallenen Antifaschisten, gepflegt von unseren Kameraden im Ausland, sehr, sehr wesentlich dazu beigetragen hat, daß im Ausland die Meinung, alle Deutschen seien Faschisten gewesen, in etwa zurückgegangen ist. Wir verdanken es unseren französischen, belgischen und holländischen Kameraden, wenn draußen in der Welt nicht mehr die Auffassung besteht, daß alle Deutschen Hitleranhänger gewesen seien. An unserem Kampf haben sie es begriffen, daß wir nicht alle Hitleranhänger waren. Allerdings ist es so, daß in der VVN ausnahmslos Leute sind, die wirklich Kämpfer gegen Hitler waren und Opfer des Faschismus geworden sind, nicht solche, die sich heute als Schwerbetroffene vorstellen und deren „Leiden" nur darin bestanden hat, daß sie zähneknirschend die hohen Pensionen, die die Nazibehörden ihnen ausgezahlt haben, in die Tasche gesteckt haben. Solche Leute sind allerdings in der VVN nicht.
Aber ich klage den Herrn Innenminister an, daß er diesen Verfassungsbruch vorgenommen hat und daß wir heute in der Situation sind, daß nicht nur in seinem Ministerium, sondern in allen Behörden - von der Wirtschaft ganz zu schweigen - heute die Mörder wieder sitzen, während wir nicht einmal das Recht haben, unserer gemordeten Kameraden zu gedenken. Das ist die Lage, Herr Menzel. So muß man an die Dinge herangehen. Man soll aber nicht einzelne „Schönheitsfehler" bei der Grenzschutzpolizei so breit herausstellen, zumal wenn der Charakter dieser Grenzschutzpolizei für einen Menschen, der die Dinge vom Klassenstandpunkt aus zu sehen gewohnt ist, doch schon offenkundig war, als diese Grenzschutzpolizei gegründet wurde. Wie kann man denn von einem Innenminister und einem „Demokraten", wie es der Herr Lehr ist, von einem ehemaligen Deutschnationalen, von einem, der in der Zeit der Weimarer Republik mit keinem Funken auch nur demokratisch gedacht hat, erwarten, daß er eine demokratische Polizei aufziehen wird? Diese Polizei ist eine Polizei im Geiste des Herrn Lehr. Er hat von der „großen Bewährungsprobe" gesprochen, die sie bestanden hat. Diese Bewährungsprobe hat darin bestanden, daß man mit Revolvern, mit leichten Kanonen und mit Karabinern versucht hat, westdeutsche Jugend aufzuhalten, die nach Berlin gehen wollte und auch gegangen ist, die trotz aller Grenzschutzpolizei auch durchgekommen ist, j a - zu Ehren einiger dieser Beamten sei gesagt - mit direkter Hilfe der Grenzschutzpolizei. Was wollten die Jungen? Sie wollten sich in Berlin zum Frieden und zur Einheit Deutschlands bekennen.
({25})
Der Herr Lehr macht seine Grenzschutzpolizei gegen sie mobil und stellt das als eine „erste Bewährungsprobe" heraus.
Ich komme zu der Art, mit der er heute die kennzeichnenden Zwischenfälle in Braunschweig und anderswo abzutun versucht hat. Er hat gesagt, daß gewisse Beamte im Zuge einer „betrunkenen Angelegenheit" ihre alten, gewohnten Lieder gesungen hätten. Ich kann dem Herrn Minister nur nahelegen: sorgen Sie für die vollständige Trockenlegung Ihrer Polizei, verhüten Sie, daß die Leute in Massen zusammenkommen und trinken! Sonst wird sich eines schönen Tages herausstellen, daß 80 oder 90 °/o der Führung Ihrer demokratischen Polizei das sind, was sie gelernt haben, alte Faschisten. Und gelernt ist gelernt! In diesen Leuten, die aus diesen sozialen Schichten herkommen, die diese politische Vergangenheit haben, steckt der Nazi-Gestapo-Geist drin. Das kann auch gar nicht anders sein, wenn sich hier ein Minister, wie es geschehen ist, hinstellt und entschuldigend die Vorgänge drüben auf der anderen Seite des Rheines im Sommer dieses Jahres, wo deutsche für den Frieden demonstrierende Jugend von seiner Polizei zusammengeknüppelt worden ist, so erklärt: sie haben die Prügel bekommen, die sie verdient haben. Es kann nicht anders sein, wenn unter dieser reaktionären faschistischen Polizeiführung sogar gelegentlich auch Mannschaften sich dazu hergeben, mit dem Knüppel die Adenauer-Ordnung zu sichern. Die demokratische Ordnung wird nicht durch einige demonstrierende Jugendliche bedroht, sondern durch die Organe, für die der Herr Minister selber verantwortlich ist.
Herr ehemaliger Innenminister und Kollege Menzel, als damals das Problem der Schaffung der Grenzschutzpolizei behandelt wurde, haben wir Ihnen doch klar gesagt, wie die Dinge laufen werden. Haben wir das etwa sagen können, weil wir klüger sind als Sie? Sie hätten als Landesinnenminister auf Grund etwa der eigenen Erlebnisse in der Polizeischule Ihres eigenen Landes, wo bei Abschiedsfeiern die Polizeischüler die Severing-Büste zerschlagen haben, doch wissen müssen, in welchem Geist bei uns Polizei erzogen wird. Nein, wir sind nicht klüger als Sie; wir sind auch keine Propheten. Wir sehen die Dinge aber vom Standpunkt unserer Klasse aus. Wir haben damals gesagt: diese Grenzschutzpolizei ist eine Polizei des Bürgerkrieges. Das ist sie, und soweit sie es noch nicht ist, wird sie es. Sie können gar nicht vorsichtig genug sein. Sie wird eines schönen Tages tatsächlich im Ruhrgebiet eingesetzt werden, so wie Ihre Landesbereitschaftspolizei jetzt z. B. bei den großen Streiks in Hessen mit der Wasserspritze gegen die Arbeiter eingesetzt worden ist. So laufen die Dinge in dieser Demokratie, und die Kollegen der SPD sollten sich einmal an unsere Erfahrungen in der Vergangenheit erinnern und hier nicht nur warnende Worte reden, sondern mit uns zusammen dafür sorgen, daß Abhilfe geschaffen wird.
Ich komme zum Schluß. Der Herr Minister hat gemeint, die „Bewährungsprobe" sei bestanden. Ich sage ihm zum Abschluß: alle seine verfassungswidrigen Anordnungen, alle seine Versuche, den Willen unseres Volkes gegen die Remilitarisierung und gegen den Krieg, das Bekenntnis unseres Volkes für den Frieden und die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu unterdrücken, sind illusorisch. Er hält den Strom mit diesen seinen verfassungswidrigen Mittelchen nicht auf. Deutsche Jugend findet den Weg zu deutscher Jugend, und deutsche Jugend wird wissen, sich auch gegen die Vernichtungspläne zu verteidigen, die wir im Zuge des Washingtoner Abkommens hier in Westdeutschland hinnehmen sollen.
({26})
Das deutsche Volk wird auch, dessen bin ich sicher, den Weg finden, sich aus eigener Kraft zusammenzusetzen und das zu beschließen und durchzuführen, was in seinem Interesse not tut, nämlich die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands,
({27})
den beschleunigten Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug aller Besatzungstruppen,
mit denen zusammen ja auch der Herr Lehr abzieht.
({28})
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen, die Herr Dr. Menzel hier gemacht hat, als er den „Leidensweg der Bemühungen der SPD" um die Verbesserung der Polizei schilderte, möchte ich bemerken: Gott sei Dank, daß diese Bemühungen bisher nicht im totalen Umfang realisiert werden konnten und daß es bei der „Menstapo" in Nordrhein-Westfalen geblieben ist.
({1})
- „Menstapo" ist doch ein schöner Ausdruck. ({2})
- Richtig, das ist Geschmacksache. Was aber die andere Kritik anlangt, so sind wir allerdings gleicher Auffassung. Wir haben bei der ersten Beratung des Gesetzes über die Einrichtung des Bundesgrenzschutzes hier ausgeführt, daß es uns zweckdienlicher erscheine, die vorhandene Kommunalpolizei in ihrer Zusammensetzung, Ausrüstung und Ausbildung etwas zu verbessern, und daß man sich die Einrichtung einer so kostspieligen Angelegenheit sehr überlegen sollte. Wir haben erklärt, wenn man dies unbedingt tun wolle, dann müsse man es auch mit dem entsprechenden Fundament tun. Wir haben damals ({3}) Ihre Anträge auf Änderung des Grundgesetzes durchaus unterstützt, weil uns das sachlich der vernünftigste Weg zu sein schien. Es ist nun ein anderer Weg eingeschlagen worden, und manches ist auf Grund eines falschen Aufbaues unseres Erachtens nicht so gelaufen, wie es an sich hätte laufen müssen.
Ich wende mich nun dem Grenzschutz zu, so wie er ist. Hier ist Kritik daran geübt worden, daß sowenig alte Polizeibeamte hineingenommen worden sind. Meine Damen und Herren, wenn man einen Grenzschutz aufbauen will, der vernünftig eingesetzt werden soll, dann kann man meines Erachtens dafür, für den eigentlichen Frontdienst - so muß man es in diesem Fall mal als Fachausdruck bezeichnen - nicht alte Polizisten nehmen. Die gehören in den Kommunaldienst hinein, nicht aber in den Bundesgrenzschutz; und die Ablehnungen, die da erfolgt sind, haben meines Erachtens keinen Anlaß zu großer Kritik gegeben.
Nun ist der sogenannte Braunschweiger Vorfall hier auch zitiert worden. Es wurde immer erklärt: Die Bevölkerung hat protestiert. Wer ist denn die Bevölkerung? Irgendein vis-à-vis wohnender Gewerkschafts- oder Parteisekretär. der es irgendwie mal gehört und in seine Zeitungen hineingebracht hat! Das ist dann der Bevölkerungszorn gewesen, und aus dem Gesinge einiger Polizisten hat Ihre Presse ein NS-Sängerfest in Braunschweig gemacht. Das war es in keiner Weise. Und nun fordern Sie hier drakonische Maßnahmen.
({4})
- Das werde ich Ihnen - - sagen, Herr Dr. Greve!
({5})
- Ich stottere nicht, ich will es mir nur gut überlegen.
({6})
Sie kommen aus Ihrem Muspott heraus und singen die Internationale, und die anderen kommen aus dem anderen Muspott heraus und singen ihre Lieder.
({7})
Meine Damen und Herren, wenn Sie nun aber hier Kritik üben wollen, so haben Sie doch wenig konkrete Vorschläge gemacht. Es wurde hier von Fragebogen gesprochen. Herr Greve, viel umfänglichere Fragebogen sind meines Erachtens erforderlich. Ich würde also in einem neuen Fragebogen den Bewerber fragen: a) Haben Sie jemals in der HJ NS-Lieder gesungen? b) Welche Parteien haben Sie seit 1945 gewählt? c) Warum haben Sie nicht SPD gewählt? Eidesstattliche Erklärungen vielleicht.
({8})
Ja, das sind doch konkrete Dinge. Eidesstattliche Erklärungen, alles das, was man früher vielleicht getan hat, in Zukunft nicht wieder zu tun. Und selbstverständlich die Auswahl der Leute in engem Konnex mit den lokalen Entnazifizierungsausschüssen. Vielleicht können wir die Gewerkschaften auch hinzuziehen, um eine möglichst breite Basis für eine möglichst umfassende Beurteilung der Leute zu schaffen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt noch 300 000 Mann Militär aufbauen wollen, Sie werden Ihr blaues Wunder erleben, was Sie da prüfen müssen und was Ihnen da noch alles passieren wird. Denn es ist doch nun wirklich nicht abzustreiten, daß eine gewisse Generation, auf die Sie nun einfach rein numerisch nicht verzichten können, eben aus einer anderen Ecke kommt, als Sie das gern haben möchten.
({9})
- Ach so, natürlich! Ein Liederverzeichnis für den Grenzschutz scheint mir außerordentlich dringlich, vielleicht als Nr. 1 die Internationale und als zweites „Fuchs, du hast die Gans gestohlen",
({10})
wenn Fridericus Rex oder ähnliche Dinge nicht mehr kommen sollen.
({11})
- Herr Greve, wenn ich mich immer so laut über Sie ärgern würde, wie Sie sich jetzt gerade über mich ärgern, würde überhaupt niemand mehr sein Wort hier verstehen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich glaube, es dient dem Fortgang der Verhandlungen nicht, wenn hier zuviel Zwiegespräche geführt werden.
von Thadden ({0}): Meine Damen und Herren, es wurde weiter von einem Sprecher der Linken kritisiert, daß die Bundesregierung durch einen Minister beim Begräbnis des Kronprinzen vertreten war. Ich bin der Auffassung, daß dies kein Gegenstand einer so heftigen Kritik sein sollte. Herr Professor Bergstraeßer sagte, das sei ein Privatmann wie viele andere auch, zu deren Begräbnis die Bundesregierung auch keinen Repräsentanten hinschicke. Ich bin der Auffassung, Herr Professor Bergstraeßer, daß der ehemalige deutsche Kronprinz nicht ein Privatmann wie Millionen andere ist, sondern daß er für viele, viele Menschen, auch für viele Menschen, die Ihre Partei zumindest wählen, der Repräsentant einer Zeit ist, die besser war als die Zeit, die mit der Revolte roter Matrosen 1918 eingeleitet wurde.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der sehr verehrte Herr Kollege Bergstraeßer hat ein Thema angeschnitten, dessen Ernst nicht zu verkennen ist, und hat Meinungen vertreten, die ich nicht unwidersprochen hinnehmen kann.
({0})
Sie haben eine alte, etwas rostige, ich möchte sagen: etwas schartige Streitaxt ausgegraben, und Sie haben Ansichten vertreten, die zur Zeit des aktuellen politischen Kampfes in der Weimarer Republik von Ihrem Gesichtspunkt aus eine Berechtigung hatten. Ich glaube aber, für die heutigen Verhältnisse kann man diese Ansichten nicht vertreten.
Es ist eine längst erwiesene Tatsache, daß die monarchische Staatsform - wir haben sie in England - mit einer echten Demokratie sehr wohl vereinbar ist. Im Gegenteil, die Erfahrung in Schweden, in Dänemark und in anderen Ländern hat bewiesen, daß die monarchische Staatsform die Repräsentanz des Volkes und des Staates durch einen erblichen Monarchen, sehr viel für das Staatsbewußtsein, die Festigkeit des Volkes beigetragen hat. Ich erinnere an geschichtliche Tatsachen.
({1})
Preußen hätte in den Jahren 1806 bis 1813 die fremde Besatzung nicht mit so viel Würde überstanden, wenn nicht die Liebe zu seinem Königshaus gewesen wäre.
({2})
- Für Sie mag das alles lächerlich sein; für uns sind das Tatsachen von großer Tragweite,
({3}) und ich bekenne als gewählter Abgeordneter dieses Hauses, daß ich von ganzem Herzen Monarchist bin.
({4})
Meine Damen und Herren, es wurde hier die Auffassung vertreten, - ({5})
- Lassen Sie mich reden! Sie haben ja auch geredet! Ich kann hier nicht nur brüllen!
({6})
- Es wurde hier die Auffassung vertreten, daß der monarchische Gedanke
({7})
mit dem Geist des Grundgesetzes unvereinbar sei.
({8})
Dieser Auffassung muß ich mit aller Entschiedenheit entgegentreten,
({9})
denn eine freiheitliche Demokratie ist in der Welt von den Monarchien bedeutend dauerhafter und Notzeiten besser überstehend vertreten worden als unter der republikanischen Staatsform.
({10})
- Darüber kann man streiten.
({11})
Ich bin eigentlich erstaunt darüber, daß der Herr Bundesinnenminister einem Beamten, dem Ministerialrat Bargatzky, für einen sehr abgewogen, zurückhaltend und solide geschriebenen Artikel die Mißbilligung ausgesprochen hat. Ich stelle hier fest, daß dieser besonders befähigte Beamte einen objektiven, staatsrechtlichen Beitrag geschrieben hat, ohne irgendwie erkennen zu lassen, daß er den monarchischen Gedanken vertrete oder gar propagiere. Wir können doch nicht in eine derart muffige Atmosphäre geraten, daß kein Mensch mehr eine Meinung sagen kann, die einem anderen nicht gefällt, die aber, an objektiven Maßstäben gemessen, vertretbar ist. Auch wenn er Beamter ist, muß er seine Meinung sagen können.
({12})
Das ist doch eine absolut abwegige und, ich möchte behaupten, undemokratische Gesinnung,
({13})
eine ausgesprochen undemokratische Gesinnung.
({14})
Und nun lassen Sie mich bitte noch zu zwei Fragen Stellung nehmen.
({15})
Es wurde kritisiert, daß ein Bundesminister an der Beisetzung des letzten deutschen Kronprinzen teilgenommen hat. Ich muß bekennen, daß mich diese Teilnahme sehr bewegt und sehr gefreut hat.
({16})
Denn an diesem Tage, an dem man den letzten
deutschen Kronprinzen zu Grabe getragen hat, hat
man auch etwas von meiner, von unserer Heimat
({17})
und von unserer Tradition zu Grabe getragen. Ich sage das als Flüchtling. Als bei der Beisetzung der Hohenfriedberger Marsch zum letztenmal aufgeklungen ist,
({18})
da ist eine Epoche zu Ende gegangen, auf deren Werte wir stolz sein werden bis an das Ende unserer Tage.
({19})
Meine Damen und Herren, es ist ferner angegriffen worden, daß zwei meiner Fraktionskollegen und Minister an der Hochzeit des Prinzen Ernst August in Hannover teilgenommen haben.
({20})
- Vielleicht werden Sie diese Dinge nicht verstehen.
({21})
Aber darüber kann man nicht streiten, weil es Gefühlsdinge sind, über die letzthin kein Streit möglich ist. Ich kann Ihnen nur unsere Auffassung sagen: Auch wenn diese beiden Kollegen Minister dieser Bundesrepublik sind, - wer will ihnen verwehren, an einem solchen Tage ihrer alten Treue und ihrer Anhänglichkeit an das Haus Braunschweig-Lüneburg, an das Haus Hannover Ausdruck zu geben? Wo kommen wir denn da hin!
({22})
- Gewiß, im 20. Jahrhundert! Sie sollten sich darüber freuen, daß auch in diesem 20. Jahrhundert Gemütswerte und Faktoren eines Staatsbewußtseins noch lebendig geblieben sind, die unsere Geschichte und unser Land durch ein ganzes Jahrtausend getragen haben, in glücklichen und in unglücklichen Stunden.
Meine Damen und Herren, ich bin der festen Überzeugung - ich glaube, Churchill hat es gesagt -: wenn man nicht 1918 die deutsche Monarchie zerstört hätte, wenn man nicht die Monarchie in Österreich-Ungarn zerstört hätte,
({23})
wäre Europa viel Unglück erspart geblieben.
({24})
- Ich stelle fest, daß man in diesem Hause über
Imponderabilien, über Auffassungen bereits nicht
mehr frei sprechen kann, ohne daß ein Teil dieses
Hauses in ein Gewüte und in ein Getöse ausbricht.
({25})
Mit mir bleiben viele meiner politischen Freunde unverbrüchlich bei unserer Auffassung; das nehmen Sie zur Kenntnis!
({26})
Und dabei fühlen wir uns mit getragen von vielen
in diesem Volke, die über diese im Grunde unpolitische Frage nicht ein bißchen anders denken.
({27}) Meine Damen und Herren, es war nötig, zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen, damit nicht in den Annalen dieses Hauses eine völlig falsche Auffassung über die Begriffe Demokratie und Monarchie niedergelegt wird.
Lassen Sie mich zum Abschluß noch einige Worte zur Polizeifrage sagen. Wir sind im großen und ganzen von dem Bericht des Herrn Innenministers über die Organisation der Grenzschutzpolizei befriedigt.
({28})
Diese Einrichtung hat mit Parteipolitik gar nichts zu tun, sondern sie ist ein Instrument, das wir nicht damit diffamieren sollten, daß man Verdächtigungen, wie man sie damals gegen die Reichswehr vorgebracht hat, von Anfang an auch gegenüber dieser Formation verwendet. Es handelt sich um Polizeiformationen, und der gesamte Aufbau - davon kann sich jeder überzeugen - ist der von Polizeiformationen.
({29})
Wir würden es begrüßen, wenn es irgendwie möglich wäre, den Art. 131 des Grundgesetzes, d. h. die Unterbringungsverpflichtungen, im Rahmen des Aufbaues dieser Polizeiformationen möglichst zu berücksichtigen, und zwar, wenn angängig, mehr als bisher.
Wir erkennen aber auch die außerordentlichen organisatorischen Schwierigkeiten an, die durch die Notwendigkeit gegeben sind, in so kurzer Frist ein zuverlässiges, frisches und nach modernen und neuartigen Gesichtspunkten aufgebautes Instrument zu bilden. Wir wünschen und hoffen, daß im Interesse der Staatssicherheit diese Formation noch erheblich erweitert wird. Sie ist keine militärische Formation, sondern ihrem ganzen Wesen nach eine mit polizeilichen Aufgaben betraute Formation. Wir hoffen, daß es möglich sein wird, in derselben Linie wie bisher diesen Verband erheblich zu erweitern, und hoffen noch mehr, daß insbesondere die Bereitschaftspolizeien in den Ländern weiter ausgebaut werden. Dabei können wir nicht umhin, unser erhebliches Erstaunen über die Haltung des Landes Niedersachsen in den ganzen Polizeifragen zum Ausdruck zu bringen. Was der Herr Kollege Menzel hier im Hinblick auf die Grenzbegehung gesagt hat, stellt hinsichtlich der Haltung des Landes Niedersachsen eine sehr fadenscheinige Entschuldigung dar.
({30})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Wir haben soeben ein weihevolles Bekenntnis zur Bundesmonarchie gehört,
({0})
und das von einem Manne, der nicht nur Abgeordneter dieses Hauses, sondern auch ehrenamtlicher oder parlamentarischer Staatssekretär in einem Bundesministerium ist.
({1})
Anscheinend hat über diese Erkenntnis auch der Herr Innenminister eine lebhafte Freude empfunden. Ich glaube, daß angesichts dieser Situation von dem verantwortlichen Mann der Bundesregierung, nämlich von dem, der die Richtlinien der Politik bestimmt, dazu Stellung genommen werden muß. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion die Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers und die Aussetzung der Beratung, bis der Herr Bundeskanzler im Hause erschienen ist.
({2})
Wünscht jemand zu diesem Antrag das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Strauß!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So ernstgemeint die Worte meines Kollegen Mellies waren, so bin ich doch der Meinung, daß wir im Zusammenhang mit dem Haushalt des Bundesministeriums des Innern andere Dinge zu besprechen hätten, als hier eine Debatte über Republik oder Monarchie vom Zaune zu brechen und damit fortzufahren. Wir haben uns jetzt eine Stunde lang Sensationen aus dem Leben der Fürstenhäuser angehört, Angriffe auf sie und die Rechtfertigung. Wir haben heute andere Dinge zu tun, als uns ausgerechnet diese Kollegs anzuhören. Ich bitte, den Antrag des Herrn Abgeordneten Mellies abzulehnen.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen zu diesem Antrag nicht vor. Ich darf annehmen, daß der Antrag des Herrn Kollegen Mellies, der für die Fraktion gestellt ist, hinreichend unterstützt ist. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers gemäß § 95 der Geschäftsordnung sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
Enthaltungen? ({1})
Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag auf Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers ist abgelehnt. Das Wort hat der Abgeordnete Neumayer.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion bedauert es außerordentlich, daß die Verhandlungen über den Etat des Innenministeriums nunmehr förmlich zu einer Auseinandersetzung über die Frage Monarchie oder Republik geführt haben. Wir haben die Teilnahme eines Vertreters des Herrn Innenministers bei der Beerdigung des deutschen Kronprinzen als einen Akt der Höflichkeit, als einen Akt des Taktgefühls empfunden und als solchen begrüßt. Das hat aber nichts damit zu tun, daß wir uns entsprechend dem Grundgesetz zu der demokratischen Republik bekennen.
Nun wurde dem Innenministerium vorgeworfen, daß ein Ministerialrat Bargatzky einen Artikel über Monarchie und Republik geschrieben und sich über die Zweckmäßigkeit der einen oder anderen Staatsform geäußert habe. Dieser Artikel war doch zweifellos veranlaßt durch eine Bemerkung, die kein geringerer als Winston Churchill in einer englischen Zeitung oder in einer Rede gemacht hat, nämlich die Bemerkung, ob es nicht vielleicht doch ein Fehler oder eine Kurzsichtigkeit gewesen sei, daß man im Jahre 1918 die Monarchie gestürzt habe. Daraufhin ist dieser Artikel erschienen. Er hat nichts weiter als eine sachliche Auseinandersetzung, eine Abwägung der Vorteile und Nachteile der einen oder anderen Regierungsform gebracht.
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte, doch die Freundlichkeit zu haben, Herrn Abgeordneten Neumayer die Möglichkeit zu geben, sich verständlich zu machen.
Ich kann darin beim besten Willen keine Staatsgefährdung erblicken, wie es hier behauptet worden ist. Wo kämen wir denn hin, wenn eine sachliche Auseinandersetzung über verschiedene Regierungsformen nicht mehr möglich sein sollte? Wäre es nicht einem Universitätsprofessor, der doch schließlich auch Beamter ist, erlaubt, vor seinen Hörern die Vorzüge und Nachteile des einen und anderen Systems auseinanderzusetzen? Läge darin eine Verletzung der Treuepflicht, Herr Professor Bergstraeßer, von der Sie ausdrücklich gesprochen haben? Hat dieser Beamte seine Treuepflicht gegenüber dem Staat verletzt? Es liegt doch nichts weiter vor als eine sachliche Auseinandersetzung ohne eine eigene Stellungnahme. Wir haben von dem Herrn Innenminister gehört, daß er die Sache sofort untersucht und keinen Grund zu irgendwelchen Beanstandungen gefunden hat. Ich glaube, das dürfte genügen und weitere Auseinandersetzungen über diese Frage ersparen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nun noch einiges zu der Polizeifrage sprechen. Der Leidensweg - ich kann sagen: die Tragödie der Schaffung einer deutschen Polizeimacht ist zu bekannt, als daß ich dem Hohen Hause noch einmal diesen Weg vor Augen führen müßte. Schon vor nahezu Jahresfrist war uns von den Besatzungsmächten die Möglichkeit gegeben worden, eine Bereitschaftspolizei von 30 000 Mann aufzustellen; und wenn wir heute nur eine Bundesgrenzschutzpolizei von 10 000 Mann glücklich auf die Beine gestellt haben, so ist das wahrlich kein Ruhmesblatt in der Geschichte dieses jungen Parlaments.
Es wurde zunächst befürchtet, daß Befugnisse der Länder verletzt würden, wenn eine Bereitschaftspolizei des Bundes geschaffen würde. Der Blick für das große Ganze, für die zwingenden Erfordernisse der Zeit - nicht nur die Sicherheit nach außen, auch die Sicherheit im Innern muß der Bund gewährleisten - war, und das zeugt von einer gewissen Engstirnigkeit, getrübt. Es war aus diesen Gründen nicht möglich, die Bereitschaftspolizei zu schaffen.
Statt ihrer wurde zunächst die Grenzschutzpolizei eingerichtet. Nun wendet sich Herr Kollege Dr. Menzel gegen die Unterbringung in Kasernen, die angeblich nicht vereinbart gewesen sei. Der Standort der einzelnen Formationen sei ein anderer, als ursprünglich angegeben worden sei. Demgegenüber möchte ich als Mitglied des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ganz entschieden feststellen, daß der Herr Bundesminister des Innern uns damals über den beabsichtigten Standort der einzelnen Formationen aufs genaueste informiert hat und daß er uns ebenso darüber nicht im Unklaren gelassen hat, daß die Grenzschutzpolizei kaserniert werden solle. Es hat sich damals eine übereinstimmende Auffassung gebildet, die ihren Niederschlag in der Resolution, die dieses Hohe Haus angenommen hat, gefunden hat.
Meine Damen und Herren, und nun wird gewünscht, diese Grenzschutzpolizei sei - damit sie ihren Charakter als Grenzschutz nicht verliere - nur innerhalb einer Reichweite von 30 Kilometern
({0})
von der Grenze zu verwenden. Diesem Wunsch ist Rechnung getragen worden. Aber wenn heute einmal außerhalb dieser 30-Kilometer-Grenze innere Unruhen ausbrechen? Da vertritt man bei Ihnen, meine sehr verehrten Herren, die Auffassung, daß der Grenzschutz nicht herangezogen werden könne. Ich glaube, man braucht darüber keine weiteren Worte zu machen. So engstirnig darf man doch nicht sein, daß man den Grenzschutz ausgerechnet an eine Zone von 30 Kilometern hinter der Grenze bindet, und wenn meinetwegen 50 oder 100 Kilometer hinter der Grenze etwas passiert, soll der Grenzschutz nicht eingreifen dürfen. Das würde ja eine derartige Schwächung des Ganzen bedeuten, daß der Grenzschutz als solcher seine Wirksamkeit verlieren würde.
Genau so ist es im Falle des Art. 91. Was hätte der Art. 91, der dem Bundesinnenminister das Recht gibt, die Länderpolizei im Falle einer inneren Gefahr an sich zu ziehen, für einen Zweck, wenn ihm nicht auch gleichzeitig gestattet wäre, den Grenzschutz einzusetzen? Wozu soll denn dieses Instrument, das wir glücklicherweise jetzt endlich geschaffen haben, dienen, wenn es nicht zur inneren Sicherheit verwendet werden darf? Wenn man derartige Ansichten hört, so muß man sagen: „Difficile est satiram non scribere" - es ist schwer, keine Satire zu schreiben. Es ist bedauerlich, daß ich etwas Derartiges in einem deutschen Parlament sagen muß, aber die Verhältnisse zwingen mich dazu, mit aller Deutlichkeit zu betonen, daß diese Angriffe, die gegen den Grenzschutz gerichtet werden, von uns aufs schärfste zurückgewiesen werden müssen. Wir hoffen, daß der Grenzschutz, so wie er jetzt steht, ein Instrument ist, das die Regierung befähigt, mit Unruhen im Innern fertig zu werden.
({1})
Weiter wird behauptet, die Auswahl der Persönlichkeiten sei nicht demokratischen Grundsätzen entsprechend erfolgt. Es seien hier Mißgriffe vorgekommen. Es wird auf den Vorfall in Braunschweig hingewiesen. Wir haben vom Herrn Innenminister gehört, daß er sofort eine Untersuchung eingeleitet hat. Meine Damen und Herren! Auch wir wünschen nicht, daß hier eine Polizei ersteht, die alte Nazimethoden einführt. Davon soll gar keine Rede sein. Ich bin überzeugt, daß das auch nicht der Wunsch des Innenministeriums selbst ist. Der Herr Kollege Menzel war ja lange genug Innenminister, um zu wissen, daß man sich nicht für jeden Beamten verbürgen kann. Es kann da einmal etwas vorkommen, was der Minister selber nicht billigt; aber die Hauptsache ist doch, daß sofort eingegriffen und die Sache auch sofort in Ordnung gebracht worden ist.
Ich möchte auch keinen Zweifel über unsere Auffassung lassen, daß diese Grenzschutzpolizei die Ordnung auch im Innern aufrechtzuerhalten hat, wenn Umtriebe von radikaler Seite, sei es von rechts oder von links, gegen die Ordnung des Staates erfolgen.
Schließlich wird gerügt, daß zu viele Soldaten in den Grenzschutz aufgenommen worden seien. Ja, meine Damen und Herren, will man denn die Soldaten immer noch weiter diffamieren, daß sie nicht befähigt seien, hier in einem ihnen doch sehr naheliegenden Berufsstande unterzukommen?
({2}) Wir sind auch dafür, daß alte Polizeibeamte, wenn sie die entsprechende Befähigung aufweisen und noch nicht zu alt sind, hier wieder eingestellt werden sollen. Aber es ist ja hier, wie der Herr Innenminister ausgeführt hat, ein reger Wechsel eingetreten. Es sind auf der einen Seite alte Polizeibeamte eingestellt worden, auf der anderen Seite sind Soldaten, Angehörige der früheren Wehrmacht, einberufen worden. - Soviel zum Grenzschutz.
Aber das eine möchte ich noch einmal sagen: Wir werden die Hoffnung nicht aufgeben, daß es doch noch gelingen wird, hier in diesem Hohen Hause die Bereitschaftspolizei durchzusetzen, diese Bereitschaftspolizei, die bis jetzt wegen der Schwierigkeiten, die ich vorhin kurz gestreift habe, noch nicht geschaffen werden konnte. Diese Bereitschaftspolizei muß das ceterum censeo des Bundesinnenministers sein und bleiben, bis sie als das Instrument auf die Beine gestellt worden ist, das wirklich der Bundesrepublik ausreichenden Schutz gegen alle Umtriebe gewährt.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einige kurze Ausführungen zu einer andern Frage machen. Das Bundesinnenministerium ist auch das Beamtenministerium. Wir sind immer dafür eingetreten, daß die Sauberkeit des Beamtentums und die Sauberkeit der Verwaltung gewahrt werden. Die Verwaltung ist die Flagge, unter der das Staatsschiff segelt. Eine saubere Verwaltung wird auch das Vertrauen der Bevölkerung zu dem Staat und zur Verwaltung herbeiführen. Damit eng verbunden ist auch das Ansehen, das sich der junge Staat in den Augen der Bevölkerung erringen muß. Je tüchtiger und je sauberer unsere Verwaltung ist, desto enger wird sich auch der Staatsbürger mit seinem Staate verbunden fühlen. Dann werden auch solche Erscheinungen, wie wir sie leider in der Nachkriegszeit in weiten Schichten der Bevölkerung feststellen mußten, wieder ausgemerzt werden, Erscheinungen, die in keiner Weise zu unseren Verhältnissen paßten, Erscheinungen, die neben bitterer Not oft völlig unerhörten Luxus zeitigten, die das Schiebertum neben dem ordentlichen Kaufmann groß werden, die den Schwarzhandel blühen ließen. Alle diese Erscheinungen werden weniger durch gesetzgeberische Maßnahmen als durch die Sauberkeit des Staates beseitigt werden können. Wenn das Vertrauen der Bevölkerung zu dem Staat, wenn die Achtung vor dem Staat wieder auflebt, wenn der Staatsgedanke als solcher in den Herzen unserer Bevölkerung wieder Wurzeln schlägt, dann werden auch solche von uns mißbilligten Erscheinungen wieder verschwinden. Deshalb betrachte ich es auch als eine wesentliche Aufgabe des Bundesinnenministeriums, dafür zu sorgen, daß die Sauberkeit im Staate garantiert und damit auch der Staatsgedanke selbst in der Bevölkerung wieder stärker verankert wird, als dies bisher leider noch der Fall ist.
Im übrigen stimmen wir dem Antrag des Haushaltsausschusses zu und billigen den Etat, den der Herr Bundesinnenminister vorgelegt hat, in der vom Haushaltsausschuß vorgeschlagenen Form.
({3})
Zu einer kurzen Erklärung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte doch der Anregung vieler Mitglieder dieses Hauses folgen und auf die Debatte, die wir vorhin hatten, mit einem
({0})
Wort zurückkommen. Es gibt ein schönes deutsches Dichterwort, das heißt: „Wohl dem, der seiner Väter gern gedenkt." Es könnte ja auch einmal der Haushalt des Bundesministers des Innern für das Jahr 1951/52 ein Anlaß sein, von diesem Wort Gebrauch zu machen.
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- Ich will konziliant sein, Herr Schröter. Wir sind, Gott sei's geklagt, nicht in der Lage, jeder Periode aus unserer Geschichte gern zu gedenken, insbesondere nicht der Periode, die unserer Tätigkeit hier voranging. Im Gegenteil, es gibt meines Erachtens - darüber sind wir uns wohl alle einig - keine wichtigere Aufgabe für diesen Bundestag, als diese Periode, dies es Erbe unserer Väter - um bei dem Dichterwort zu bleiben
- zu überwinden, zu beseitigen, uns davon frei zu machen. Wir sollten uns keine halbe Stunde, nein, keine Viertelstunde von dieser Aufgabe abdrängen lassen, die wir in bezug auf unsere jüngste Vergangenheit haben: sie in den Hintergrund zu rücken und zu überwinden. Wenn wir diese Aufgabe besser gelöst haben, als wir sie bisher gelöst haben, dann können wir von mir aus auch über 1806 und 1813 sprechen; aber heute nicht!
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bundesministerium des Innern betont in seiner Spitze und durch seine Vertreter immer wieder mit Recht, daß es das Verfassungsministerium ist, und es steht darum diesem Hause an - das ist besonders die Ansicht meiner Fraktion -, daß auch die Haushaltsansätze und die Politik, die mit Hilfe dieser Haushaltsansätze gemacht wird, unter den Gesichtspunkt gestellt werden, wieweit Geist und Wortlaut des Grundgesetzes nach seinen verschiedenen aktuellen Richtungen beachtet werden. Schließlich ist ja die Grundlage jener Fundamentalsatz des Grundgesetzes im Art. 20 Abs. 1: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat", womit die beiden Strukturprinzipien unseres Staates betont sind: die Demokratie und der Föderalismus. Ich glaube, daß zumindest die übergroße Mehrheit dieses Hauses in das Bundesinnenministerium und vor allem in seinen Chef das volle Vertrauen setzt, daß er ein überzeugter Demokrat ist und nicht von jener Sorte der Weimarer Zeit, die den Feinden der Demokratie zuviel Spielraum gelassen hat. Die Ablehnung, die dem Herrn Bundesinnenminister Dr. Lehr immer wieder so energisch von kommunistischer Seite entgegen-tönt, ist vielleicht der beste Beweis für seine entschlossene demokratische Haltung, und es war wohl nicht notwendig, hier vorhin eine Art von Gespensterkrieg aufzuführen.
Meine Damen und Herren, man hat mir nun zum zweitenmal in diesem Hause vorgeworfen, daß ich angeblich zu jung oder jedenfalls sehr jung sei. Dann lassen Sie mich wenigstens als einen Vertreter der jungen Generation sagen: Es gibt weiß Gott aktuellere Fragen als die, was im Jahre 1806, 1813 und 1918 richtig oder falsch gewesen ist. Wenn wir schon die Gewissensfrage nach Republik oder Monarchie stellen wollen, dann möchte ich doch einmal einige Sozialisten fragen; denn königstreue Sozialisten soll es ja nicht nur in Großbritannien und in Schweden, es soll sie, wie man immer wieder hört, auch in Bayern geben.
({0})
Jedenfalls kann ich Ihnen erzählen, daß es in einem deutschen Lande einen Ministerpräsidenten sozialdemokratischer Prägung gegeben hat, der nach seinem Amtsantritt im Jahre 1945 seinem Kronprinzen alsbald seine Aufwartung gemacht hat - sicherlich nur, weil er ihn als Privatperson betrachtet hat!
({1})
- Sie müssen es ja am besten wissen. - Im übrigen, Herr Kollege Marx:
({2}) Wenn es keine größeren Sorgen für den Bestand der Bundesrepublik gäbe - die wirklich in ernster Gefahr schwebt - als die monarchistische Idee, dann könnten Sie und ich gemütlich schlafen.
({3})
Bei der Demokratie habe ich keine Sorgen, meine Herren. Aber es ist so, daß in der schon leicht nördlichen Atmosphäre Bonns
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nicht immer das andere Prinzip unserer Bundesrepublik - unserer Bundes republik! -, nämlich der Föderalismus, in gleicher Weise beachtet wird. Der Föderalismus hat ja schon einen großen Nachteil gegenüber der Demokratie:
({5})
Während man bei dem Wort Demokratie im allgemeinen weiß, wie man es schreibt, wissen es beim Wort Föderalismus recht viele Leute nicht. Sie schreiben nämlich dann statt Föderalismus „Förderalismus", und obwohl bestimmt, wenigstens nach meiner Überzeugung, der Föderalismus für das deutsche Staatsleben sehr förderlich ist, bin ich doch reichlich erstaunt, wenn sogar in dem Presse-und Funkbericht, der uns alle Arbeitstage hier vorgelegt wird, in Nr. 25 vom 5. Juli die Überschrift heißt: „Bundesfiskus und Förderalismus".
({6})
Meine Damen und Herren, wenn das am grünen Holze einer Bundesstelle geschieht, was soll am dürren Holze, sagen wir einmal, einer liberalen Partei geschehen?!
({7})
Da fordert man dann vielleicht das Bundeskultusministerium!
({8})
Zu meinem großen Bedauern habe ich ja feststellen müssen, daß in letzter Zeit auch sehr prominente Vertreter der Bundesrepublik sehr skeptische Äußerungen über den Föderalismus getan haben, und einer, von dem ich vermute, daß er im Augenblick über mir sitzt, soll sogar laut Zeitungsmeldungen - sicherlich nicht als Präsident, sondern als Abgeordneter - den Föderalismus als eine Gefahr für die deutsche Einheit bezeichnet haben. Ob es wahr ist, entzieht sich meiner Kenntnis.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ich könnte - wenn es der Herr Präsident erlaubt - mit einem einzigen Satz erwidern, den bestimmt kein Bayer, sondern ein als Föderalist nicht übermäßig betonter Mann, der Ministerpräsident Arnold von NordrheinWestfalen, geschrieben hat und der lautet: „Die
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Kraft zu der deutschen Gesamtstaatlichkeit ist nicht aus dem Zentralismus gekommen, der ja kurz zuvor" - nämlich 1945 - „bankrott gemacht hatte, sondern aus dem Willen der Länder, die nicht einem partikularistischen Egoismus huldigten, sondern sich in voller Verantwortung Deutschland verpflichtet fühlten." Meine Damen und Herren, hier ist dargetan, daß der deutsche Bund, soweit er im Westen wieder gebildet worden ist, aus der Kraft der deutschen Länder und ihrem Willen zur Einheit gewachsen ist und aus diesem Willen auch in Zukunft leben wird.
({10})
Es wurde heute in der Debatte - da schon von Verfassungsschutz gesprochen wird - mit Recht ausführlich von Grenzschutz gesprochen, der ja die Grenzen dieser demokratischen Republik zu schützen hat. Sicherlich würden manche Mißverständnisse, die da und dort aufgetaucht sind, bei einer psychologisch etwas klügeren Behandlung vermieden worden sein. Wenn man etwa jene Form der Vereidigung gewählt hätte, wie man sie in Bayern bei der Bereitschaftspolizei in Rebdorf bei Eichstätt gewählt hat, würden wohl alle Bedenken, es könnte sich um das Wiederaufleben einer militärähnlichen Organisation handeln, von vornherein verschwunden sein. Aber vielleicht braucht man dazu eben eine längere staatliche Tradition, als sie in dieser Bundesrepublik vorhanden ist. Vielleicht sind auch manche Mißverständnisse dann verschwunden, wenn aus unserm Haushaltsplan der Satz gestrichen ist, der da heißt: „Die Amtsbezeichnungen der Polizeivollzugsbeamten stehen noch nicht fest". Ich nehme an: Hauptmann oder Regierungsrat ist hier die Frage; ich weiß es nicht genau. Vielleicht kann man auch diese Frage in einem zivilen Sinne lösen und damit den Polizeicharakter des Grenzschutzes erneut unterstreichen.
Aber ich fürchte, daß eine ganz andere Gefahr besteht. Wenn nämlich in der Presse und in Äußerungen von Beamten immer wieder von den Polizeikräften des Bundes gesprochen wird, obwohl der Bund ja gar keine andere Polizeikraft hat als den Bundesgrenzschutz., der ja keine Polizei für das Innere, sondern eine Polizei für den Schutz der Grenzen nach außen ist, dann kriegt man natürlich Bedenken, ob hier nicht still und heimlich von dieser oder jener Seite - selbstverständlich nicht vom Herrn Minister selber - die Absicht verfolgt wird, einen Ersatz für die nicht erreichte Bundespolizei zu schaffen. Meine Damen und Herren, ich muß auf die Rede meines Vorredners hin deutlich erklären, daß wir uns mit aller Entschiedenheit gegen jede Verfassungsänderung wenden werden und daß die Bereitschaftspolizeien der Länder, die nach dem Verwaltungsabkommen, das im Zusammenhang mit dem Grenzschutz, der den Schutz nach außen zu übernehmen hat, abgeschlossen worden ist, durchaus in der Lage sind, Infiltrationen und Erhebungen von der äußersten Rechten oder der äußersten Linken energisch entgegenzutreten.
Die Stärke des Grenzschutzes ist seinerzeit auf 10 000 Mann festgesetzt worden. Ich werde nicht deswegen, weil man vielleicht bei genauer Nachrechnung findet, daß diese Zahl um 6 oder 7 Mann überschritten ist, hier etwas sagen. Aber eine andere Partei, die Bayernpartei, hat hier den Antrag Nr. 2443 eingebracht, der vorerst nur von der Tagesordnung abgesetzt ist, wonach sie ausdrücklich festgelegt haben will, daß die Zahl der Grenzschutzbehörden - nicht Beamten; Behörden! - auf 10 000 Mann festgesetzt wird.
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Ich weiß nicht. wie das ist. Eine deutsche Behörde hat im allgemeinen mehr als einen Mann, und bei 10 000 Behörden werden dann wahrscheinlich an die 100 000 Mann herauskommen. Ich hoffe, daß dieses Meisterstück der Gesetzgebung möglichst bald zurückgezogen wird.
Allerdings ist es beim Grenzschutz so, daß noch einige andere Fragen auf der Tagesordnung stehen. Es ist notwendig - und die Weltjugendfestspiele haben es bewiesen -, daß wir über einen kasernierten Grenzschutz verfügen, der im Ernstfall in der Lage ist, größere Massierungen an den Grenzen abzuwehren oder festzunehmen. Aber, meine Damen und Herren, es ist nicht notwendig, daß sich der Grenzschutz überall mit der Rucksack-Kontrolle und der Paßnachschau beschäftigt. Es ist deshalb sehr begrüßenswert, daß man den Landesgrenzschutzpolizeien, wo diese bestehen, diese Tätigkeit auch in Zukunft beläßt.
Ich darf daran erinnern, daß in der Sozialdemokratischen Partei in dieser und in anderen Fragen sehr starke Meinungsverschiedenheiten bestanden haben. Einer ihrer Redner hat heute noch die Bundesbereitschaftspolizei gefordert, und der Herr Staatsminister des Innern, Dr. Hoegner, hat energisch gegen die Bundesbereitschaftspolizei Stellung genommen - in früheren Zeiten haben die Redner der Sozialdemokratie in diesem Hause gegen die bayerische Grenzpolizei Stellung genommen - und Dr. Hoegner will deswegen das Bundesverfassungsgericht anrufen. Ich kann mir nicht ganz erklären, wieso zwei Seelen in der Brust einer sonst so geschlossenen Partei leben; aber ich will gern annehmen, daß sich im Laufe der Zeit immer mehr der Geist der Vernunft, der ja meistens aus dem Süden kommt, durchsetzen wird.
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Das müssen Sie mir hier schließlich noch gestatten! Ich freue mich, wenn kein solcher Widerstand, weder vom Bundesinnenministerium noch von der Sozialdemokratischen Partei, mehr erhoben wird.
Allerdings habe ich eine andere Sorge. Dem Vernehmen nach - ich weiß es nicht genau - soll die Inspektion der Bereitschaftspolizeien der deutschen Länder, die ja auf Grund des Verwaltungsabkommens vorgesehen ist, einer Abteilung unterstellt werden, deren Kommando zugleich der Kommandeur des Bundesgrenzschutzes hat. Mir scheint, daß diese Unterstellung sozusagen der Bereitschaftspolizeien der Länder unter den Bundesgrenzschutz für den Ernstfall nach dem Geist des Grundgesetzes und des Verwaltungsabkommens nicht der richtige Weg ist. Ich kann nicht sagen, ob dies bereits beschlossen ist; aber eine beruhigende Erklärung in dieser Hinsicht würde meine Freunde sehr erfreuen.
Im übrigen soll dem Vernehmen nach auch die Absicht bestehen, zu dem Bundesinspekteur für die Länderbereitschaftspolizeien noch drei Mittelbehörden zu schaffen, die heute vielleicht im Bundesinnenministerium aufgestellt werden, um sie später in die deutschen Länder zu legen. Wenn ein Land wie Bayern eine Bereitschaftspolizei von 2000 Mann aufstellt, braucht diese keiner Mittelbehörde mehr unterstellt zu werden. Das machen wir allein, und wir möchten uns solche Mittelbehörden, die auch im Verwaltungsabkommen
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nicht vorgesehen sind, energisch verbitten. Wir hoffen auch da auf ein aufklärendes Wort von zuständiger Stelle.
Der Grenzschutz ist aber schließlich nicht das einzige Gebiet, über das wir uns beim Bundesinnenministerium zu unterhalten haben. Leider hat man sich heute schon sehr stark und in einer Weise, die ich nicht billigen kann, über ein Gebiet unterhalten, auf dem der Bund kaum Zuständigkeiten hat. Ich meine das Gebiet der Kulturpolitik. Ich bin zwar mit dem, was sachlich von verschiedenen Rednern gefordert worden ist, durchaus einverstanden; aber ich bin der Meinung, daß hier in erster Linie die Zuständigkeit der deutschen Länder gegeben ist und daß die Aktivität für die kulturellen Leistungen unseres Volkes in den deutschen Landtagen entfaltet werden sollte, wo ja dieselben Parteien sitzen wie in diesem Hohen Haus.
Es wurde gefordert, das Bundesministerium des Innern solle seine mageren Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Kulturpolitik ausschöpfen. Kein Wort dagegen; es tut dies ja! Aber ich habe immer mehr Sorge, daß die Zuständigkeiten an allen Ecken und Enden überschritten werden. Wenn ich so verschiedene Titel anschaue, die in diesem Haushalt enthalten sind, vom Zuschuß für die Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus über die Auszeichnung bester Jahresleistungen der Filmproduktion, über den Zuschuß für das Freie Deutsche Hochstift bis zu den Kosten des Deutschen Gesundheitsmuseums in Köln und der Marburger Blindenanstalt usw., dann kann ich nur sagen: der Bund hat nun einmal nach dem Grundgesetz keine Zuständigkeit für Geschichtspflege, keine Zuständigkeit für Filmproduktion, keine Zuständigkeit für die Kulturpflege,
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keine Zuständigkeit für Museumswesen, und es wäre schon besser, wenn der Bund diese Gelder, wenn er sie gibt, den Ländern zur Verfügung stellte, damit diese gemäß dem Willen ihrer Landtage darüber verfügen.
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Sie werden sich wahrscheinlich wundern, meine Damen und Herren, wenn ich als Vertreter eines steuerschwachen Landes mich gegen das Wesen oder Unwesen der Dotationen wende; aber Sie müssen das eine bedenken: Obwohl nun einmal die Länder auf diesem Gebiete zuständig sind, kann der Bund auf dem Umweg über die Dotationen einen sachlichen Einfluß geltend machen; denn er gibt die Dotationen naturgemäß unter bestimmten Auflagen. Wer zahlt, schafft an; das ist ein alter Grundsatz, der sicher auch im Bund gelten wird, heute und erst recht unter einem anderen Innenminister. Deshalb fürchten wir, daß auf diese Weise ein Einfluß auf die Kulturpolitik der deutschen Länder ausgeübt wird, der nicht dem Wesen des Grundgesetzes und dem Willen der jeweiligen Landtage entspricht.
Wir sind außerdem der Meinung, daß auf diese Weise eine kulturpolitische Abteilung notwendig wird, die man sich jedenfalls weitgehend sparen könnte, weil von den zwölf Referaten nur fünf eine Zuständigkeit im Grundgesetz haben, während sieben rein beobachtende Abteilungen sind. Ich hatte schon einmal die Ehre, vor Ihnen darüber zu sprechen, als wir den Etat des Herrn Bundesinnenministers Dr. Heinemann besprochen haben. Ich kann mich daher kurz fassen und heute nur wiederholen. Aber eines möchte ich mir doch nicht versagen zu bemerken: wenn nämlich der Herr
Bundesfinanzminister einmal einen Bundessparkommissar einsetzen sollte, so könnte ich mir kaum ein Gebiet denken, bei dem sachlich und vor allen Dingen personell sein Rotstift eine so leichte Arbeit haben würde wie auf diesem Gebiet des Bundesinnenministeriums.
Meine Damen und Herren! Ich verfüge leider nicht - aber auch mit Absicht, wie ich bemerken möchte, nicht - über die Möglichkeit von Informationen, von denen wir neulich in der Presse gelesen haben, daß sie anderen Seiten dieses Hauses oder sogar außerhalb dieses Hauses zur Verfügung stehen sollen. Aber ich möchte bemerken: würde ich darüber verfügen, dann würde ich vielleicht etwas Näheres darüber wissen, wie der Rundfunkgesetzentwurf der Bundesregierung oder des Bundesinnenministeriums ausschaut. Was man darüber so in Zeitungsandeutungen liest, ist nicht beruhigend. Ich möchte deshalb für heute nur erklären: da der Bund, wie ich schon einmal ausgeführt habe, nicht einmal das Recht zur Rahmengesetzgebung auf diesem Gebiete hat und einzig und allein auf technischem Gebiet eine Regelung treffen darf, möchte ich hoffen, daß diese Bestimmungen eingehalten werden, daß allerdings zur Regelung der technischen Bestimmungen das Bundesrundfunkgesetz gelegentlich auch einmal erscheinen wird.
Man hat in der Presse vor einiger Zeit - ich habe hier die „Frankfurter Rundschau" vor mir liegen - davon gesprochen, es sei im Schoße des Innenministeriums beabsichtigt - ob es stimmt, weiß ich nicht -, einen Gesetzentwurf einzubringen, der den vielen Verfassungsänderungen, die von verschiedenen Seiten immer wieder geplant werden, dadurch die Spitze abbricht, daß man ein für allemal dem Bund die Möglichkeit gibt, alle oder einen großen Teil der eigenen Verwaltungsangelegenheiten der Länder in Auftragsverwaltungen umzuwandeln. Ich will nicht annehmen, daß dieser Gesetzentwurf schon morgen aktuell wird; denn man wird sich ja über die parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse vollkommen im klaren sein. Ich möchte aber grundsätzlich bemerken: wenn wir schon Einzelkorrekturen des Grundgesetzes für außerordentlich bedenklich halten in einem Augenblick, wo dieses erst zwei Jahre in Kraft ist, müssen wir uns solchen generellen Korrekturen, sollten sie wirklich beabsichtigt sein, mit aller Entschiedenheit widersetzen.
Allerdings muß ich leider immer wieder in Ausschüssen, in der Presse, in Reden von den verschiedensten Persönlichkeiten hören: Ja, wenn das und das im Grundgesetz eben nicht erlaubt ist, dann ändern wir es einfach, dann geben wir dem Bund die Kompetenzen. Mir scheint, daß das auf Grund einer geistigen Haltung geschieht, die nicht unwidersprochen bleiben kann.
Ich habe vor einiger Zeit - wie wahrscheinlich alle von Ihnen - ein Rundschreiben einer mir sonst völlig unbekannten preußischen Landespfandbriefanstalt erhalten, in dem bemerkt war, daß diese „Preußische Landespfandbriefanstalt" in Zukunft ihren Namen in „Deutsche Pfandbriefanstalt" ändern wird. Zum Symbol dieser Umbenennung schwebte darüber, sauber eingeprägt, nicht etwa der Bundesadler, sondern der alte preußische Adler.
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Meine Damen und Herren, das scheint mir ein bißchen symbolisch zu sein, wenn ich das sagen darf, dafür, daß verschiedene Kreise leider, vielleicht sogar in diesem Haus, der Meinung sind, die
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Bundesrepublik sei nicht der Nachfolger des Deutschen Kaiserreichs und der Weimarer Republik, wovon das erstere bestimmt ein eindeutiger Bundesstaat war, die letztere allerdings nur noch rudimentär, sondern sei der Nachfolger des alten Freistaates Preußen. Das ist vielleicht der Untergrund dafür, daß man alle möglichen Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten an den Bund ziehen will. Dem möchten wir schon jetzt mit aller Entschiedenheit widersprechen. Auch ehemals preußische Beamte müssen sich daran gewöhnen, daß sie nunmehr Bundesbeamte sind, und sicherlich wird auch der Herr Bundesinnenminister sich nicht mehr als preußischer Oberpräsident fühlen, sondern als der Innenminister einer Bundesrepublik. Davon, meine Damen und Herren, daß dies bei ihm und seinen Beamten deutlich und klar in Zukunft in Erscheinung tritt, wird es abhängen, ob und inwieweit die ChristlichSoziale Union dem Bundesinnenministerium ihre Unterstützung leihen kann.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehlers, - ein Redner aus dem Norden; zum Ausgleich!
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Kollege Dr. Jaeger in so freundlicher Weise auf die „Süddeutsche Zeitung" vom 6. Oktober Bezug genommen hat, in der ich zu einem Gegner des Föderalismus gestempelt werde, möchte ich doch ein kurzes Wort dazu sagen. Ich möchte mich nach allem, was vorhin geschehen ist, nicht darauf berufen, daß ich von Blut und Boden her eigentlich Welfe bin, denn das könnte wieder mißverstanden werden.
({0})
Etwas habe ich ja vielleicht für meinen föderalistischen Ruf getan, als ich in der Frage des Südweststaates hier gesprochen habe, obwohl ich auch nicht den Eindruck hatte, daß mich das nun gerade in Freiburg besonders populär gemacht hat.
({1})
Aber ich darf nun doch einmal sagen, daß auch hier wieder einer der Fälle vorliegt, in denen eine Presseberichterstattung ein erstaunlich schiefes Bild über das gibt, was geschieht. Das soll allerdings öfter vorkommen. Aber das hier einmal festzustellen, scheint mir wichtig zu sein.
Ich habe mich gewundert, daß über einen Vortrag, den ich auf Einladung in einer geschlossenen Gesellschaft von Politikern, Wirtschaftlern und Wissenschaftlern in Frankfurt gehalten habe, nicht nur deutsche Stellen, sondern auch andere Stellen am nächsten Morgen bereits sehr genaue Informationen hatten.
({2})
Ich habe dort das Thema behandelt: „Die Funktion des Parlaments im öffentlichen Leben Deutschlands". Ich bin der Auffassung, daß das ein Thema ist, das zu behandeln mir ja immerhin nicht ganz untersagt werden kann.
({3})
Ich habe geglaubt, in diesem Vortrag zum Ausdruck bringen zu sollen, daß der Deutsche Bundestag nach dem Grundgesetz neben anderen Funktionen die Funktion der Repräsentation der deutschen Einheit hat, und habe das an Einzelheiten aus der gegenwärtigen Situation und auch in einem Vergleich mit dem Deutschen Reichstag dargelegt und mir dabei gestattet, darauf hinzuweisen, daß das gegenwärtige Wahlgesetz, insbesondere in der Form der Landesergänzungslisten, weit mehr als das frühere Reichstagswahlgesetz eine Vertretung auch der Interessen der Länder durch die Abgeordneten des Bundestages zur Folge hat. Das kann ernsthaft nicht bestritten werden, und das, was Herr Kollege Dr. Jaeger hier eben gesagt hat, ist ja ein lebendiger Beweis dafür.
Ich habe darüber hinaus - und ich meine, daß das einem Präsidenten des Deutschen Bundestages auch nicht untersagt sein kann - in diesem geschlossenen, interessierten Kreise die Frage erörtert, wie sich nun das Grundgesetz mit seinen Einrichtungen im Blick auf das parlamentarische Leben bisher bewährt habe, insbesondere welche Bedeutung der Bundesrat gewonnen habe und wie diese Konstruktion des Bundesrates sich im Blick auf die Gesamtverantwortung der Bundesrepublik bewährt habe. Ich habe mir dabei unter anderem gestattet, auf die Ausführungen Bezug zu nehmen, die Herr Kollege Dr. Horlacher am 16. März 1951 hier zum Thema Bundesrat gemacht hat. Herrn Dr. Horlacher habe ich zitiert, um auf keinen Fall in Verdacht zu kommen, daß ich eine kritische Stimme nun gerade von einem Zentralisten oder einem Norddeutschen zitiere. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich damit offenbar keinen Angriff auf die föderalistische Staatsform geführt habe, sondern nur Fragen aufgeworfen habe, die - wenn ich recht sehe - uns alle bewegen und uns alle bewegen müssen. Ich vermag allerdings auch nicht einzusehen, daß es nun in diesem Staate als einziges eine Größe geben könnte, die außerhalb der politischen, sachlichen Debatte stände, nämlich den Bundesrat. Die Frage, wie seine Gestaltung und Arbeit sich bewährt hat oder ob man darüber reden müßte, ob andere Konstruktionen für den föderalistischen Aufbau und die Förderung des Föderalismus vorzuziehen seien, ist durchaus aktuell. Ich verstehe nicht ganz die Empfindlichkeit, die sich dort gezeigt hat.
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Meine Damen und Herren, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, in geschlossenen Kreisen sachliche Gespräche über Fragen, die uns um unserer Verantwortung willen bewegen, zu führen, würde ich zwar nicht für den Föderalismus, aber für die von Herrn Dr. Jaeger auch zitierte Demokratie sehr schwarz sehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eingangs als Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität die Bemerkung, daß es nicht tunlich sein sollte, das Staatsoberhaupt und den amtierenden Präsidenten eines Parlaments in einer parlamentarischen Debatte zu zitieren, weil nämlich sonst der amtierende Präsident sich ablösen lassen muß, um darauf zu antworten. Zumindest sollte es ein Akt der Fairneß sein, vorher dem amtierenden Präsidenten zu sagen, daß man ihn zitieren will, damit er sich vorher ablösen lassen kann.
({0})
Im übrigen ist es, wie gesagt, eine Gepflogenheit in
({1})
allen Parlamenten der Welt, das Staatsoberhaupt und den amtierenden Präsidenten tunlichst aus der Debatte herauszuhalten.
Und nun eine zweite Bemerkung. Ich glaube, daß ich auch Ihr Empfinden zum Ausdruck bringe, wenn ich hier feststelle, daß wir in dem Niveau der heutigen vierstündigen Debatte in die schwärzesten Tage der ersten parlamentarischen Gehversuche vor zwei Jahren zurückgefallen sind.
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Und gerade Sie, Kollege von Thadden, haben damals aus einer Zeitung zitiert, daß man hier geistiges Florettfechten und nicht Holzhammermethoden praktizieren sollte. Ich glaube, Sie haben heute gerade diesen Ihren damaligen Satz für sich selbst vergessen.
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Und es ist hier weiter von dem „Lübecker Lehr-Lauf" - ein nettes Bonmot des Herrn Dr. Menzel übrigens - über die Berufung des Naturrechts der Notwehr für die jungen Friedenskämpfer des Herrn Kollegen Renner - sehr interessant, daß Kommunisten sich auf das Naturrecht berufen -,
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über das Liebeswerben um die SPD von Herrn Renner bis zu Druckfehlerzitierungen und dem „liberalen Dürrholz" diskutiert worden.
Bevor ich auf das „liberale Dürrholz" zum Schluß eingehe, nun einige Worte zur Sache, nämlich zu der Frage der Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens. Der Herr Kollege Dr. Menzel hat von einer Intervention gesprochen, die Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr im Falle Peter von Zahn geübt hätte. Ich glaube, es war damals weniger eine Intervention beim Nordwestdeutschen Rundfunk als vielmehr ein Versuch, zu einer Neuordnung des besatzungs-atmosphärisch entstandenen deutschen Rundfunks zu kommen. Und wer wollte leugnen, daß diese Neuordnung des deutschen Rundfunks längst fällig ist? Es ist hier schon einmal darüber gesprochen worden, und ich möchte auch diese Gelegenheit dazu benutzen, den Herrn Bundesinnenminister aufzufordern, bei den Hohen Kommissaren dringend vorstellig zu werden und für die Aufhebung des Kontrollratsgesetzes Nr. 3 und der daraus und aus entsprechenden Verordnungen resultierenden britischen und französischen Beschränkungen einzutreten. Wenn wir nicht erleben wollen, daß nicht föderalistische, sondern partikulare Abmachungen und Faits accomplis stattfinden - im Süden oder im Norden -, müssen wir baldigst das Bundesrundfunkgesetz hier im Plenum debattieren können, und es muß die Priorität vor dem Pressegesetz haben. Ich richte daher im Namen meiner Fraktion an den Herrn Bundesinnenminister die Bitte, dringend das Bundesrundfunkgesetz als Vorlage zunächst vor das Kabinett und dann vor das Hohe Haus zu bringen.
Und nun zum Jugendplan. Auch hier ist nur kurz darüber gesprochen worden, und der Bundesinnenminister sagte zu, im kommenden Jahr noch mehr Mittel freizumachen. Man sollte dann aber aus den Fehlern lernen, die sich in der Durchführung des Bundesj ugendplanes in der Vergangenheit ergeben haben. Ich möchte nur die Lorelei und den Lorelei-film des Herrn K r o h m a n n zitieren, und ich glaube, man sollte den Funktionären der Jugend mit mehr Mißtrauen, der J u g e n d selbst aber mit mehr Vertrauen begegnen.
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Und nun zu Ihrer Zitierung, Herr Kollege Dr. Jaeger! Sie haben recht: wir haben vier Grundgesetzänderungsanträge gestellt, weil wir glauben, daß in gewissen Dingen die Situation im Jahre 1951 anders ist als im Jahre 1948/49 bei der Debatte um das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat. Man sollte doch daraus die Konsequenzen ziehen. Schließlich spricht das Grundgesetz selbst im Art. 146 von der Möglichkeit einer neuen Verfassung! Die alte Verfassung soll an dem Tage die Kraft verlieren, an dem eine in freier Entscheidung beschlossene Verfassung in Wirksamkeit treten kann. Warum sollen wir nicht auf dem Wege zu diesem Fernziel einige wichtige Änderungen schon jetzt vornehmen? Ich sehe darin gar keine Gefahr für den Föderalismus, zu dem auch ich mich bekenne. Aber vielleicht verstehe ich ihn anders. Ich interpretiere ihn aus foedus, dem Bündnis. Also das Zusammenhalten, das Zusammenführen ist der integrierende Bestandteil einer föderalistischen Staatsform. Was sich aber im Augenblick tut, ist mehr Auseinanderstreben, ist nicht mehr foedus, sondern ist das ganze Gegenteil. Das ist das, was uns Sorge macht, Herr Kollege Jaeger. Es scheint doch manchmal so, daß hier nicht Föderalismus, sondern schon ein überspitzter Partikularismus zur Debatte steht.
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Sehen Sie bitte so unsere Sorgen; dann werden Sie in Zukunft auch nicht mehr von dem „liberalen Dürrholz" sprechen, sondern vielleicht von einem grünen Ast der Liberalen, die früher als Sie erkannt haben, daß der Zentralisator heute die deutsche Not ist, daß uns die deutsche Not allein schon zwingt, Lösungen auf der oberen Ebene zu suchen, nachdem sie auf der mittleren und unteren während zweier Jahre eben nicht gefunden werden konnten.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter.
({0})
Er ist offenbar nicht im Saale. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor? - Doch, der Herr Bundesminister des Innern.
({1})
- Herr Bundesminister, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß mit Ihren Ausführungen die Debatte wieder eröffnet wird. Ich weiß nicht, ob Sie die Gefahr laufen wollen, daß die Debatte noch eine Stunde weitergeht. - Der Herr Bundesminister des Innern verzichtet.
Meine Damen und Herren, ich komme, nachdem wir die zweite Beratung abgeschlossen haben, zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 2607. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bitte Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag Drucksache Nr. 2607 ist angenommen.
Ich rufe Punkt 17 b) der Tagesordnung auf:
Einzelplan VIII - Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen ({2}).
({3})
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Seuffert. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen, und weise darauf hin, daß eine Aussprachezeit von 90 Minuten in Aussicht genommen ist in der Hoffnung, daß sie heute nicht mehr in Anspruch genommen werden.
Seuffert ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Ihr Einverständnis damit, daß ich den Ausschußbericht über die Beratung des Haushaltes des Bundesministeriums der Finanzen kapitelweise zusammenfasse und dabei nur die wesentlichsten Punkte berühre, in denen Änderungen gegenüber dem Vorjahre vorgenommen worden sind oder in denen eine Ausschußdebatte wichtigerer Art stattgefunden hat.
Das Kap. 1 - Bundesministerium der Finanzen - erfordert in diesem Jahre 1,2 Millionen DM mehr als im Vorjahre. Dieser Betrag setzt sich aus einer Reihe kleinerer Posten zusammen, die verändert worden sind. Der Ausschuß hatte dazu im einzelnen nichts zu bemerken. Der Mehraufwand im ganzen entspricht dem ständigen Anwachsen der Aufgaben.
Diskutiert wurde über die Abteilung V, Geld und Kredit. Darauf bezieht sich ja auch ein dem Hohen Hause vorliegender Antrag. Im Ausschuß wurde im Anschluß an die Meinungsäußerung verschiedener Ausschüsse und auch dieses Hohen Hauses selbst darauf hingewiesen, daß die Behandlung der Fragen Geld und Kredit nicht dem Finanzministerium, sondern dem Wirtschaftsministerium zu- stehen soll und daß deswegen diese Abteilung in das Wirtschaftsministerium überzuführen sei. Zu einem Beschluß in dieser Richtung ist der Ausschuß jedoch nicht gekommen.
Vielleicht darf ich in diesem Zusammenhang auf eine Frage eingehen, die mit dem Kap. 8 - Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen - zusammenhängt. Nachdem in dem inzwischen verabschiedeten Gesetz eindeutig die Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums festgelegt ist, hat der Ausschuß vorgesehen, im Haus- halt anzumerken, daß die Überführung dieses Kapitels in den Haushalt des Wirtschaftsministeriums vorzusehen sei, allerdings, wie ich als Berichterstatter feststellen darf, nach der Meinung des Ausschusses nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern alsbald. Auch auf diesen Punkt bezieht sich ein heute vorliegender Antrag.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch ergänzend bemerken, daß das Amt für Wertpapierbereinigung, auf das sich dieser Antrag ebenfalls bezieht, auch im Ausschuß besprochen wurde. Man war dort allerdings einstimmig der Ansicht, daß diese ihrer Natur nach vorübergehende und relativ bald auslaufende Aufgabe, die von Anfang an vom Bundesfinanzministerium behandelt worden ist, auch von diesem abgewickelt werden könnte.
Von den übrigen Abteilungen des Finanzministeriums wurde zur Besatzungskostenabteilung festgestellt, daß sie nunmehr als die alleinige Verhandlungspartnerin bei Verhandlungen in Fragen der Besatzungskosten, soweit sie sich auf der Verwaltungsebene gegenüber den Alliierten ergeben, vorgesehen sei. Das Verhältnis zu anderen Stellen in anderen Ministerien wurde zwar als nicht ganz befriedigend angesehen, aber es wurde festgestellt, daß es sich zur Zeit auf dem Wege zu einer Ordnung befinde.
Zum Tit. 31 ist zu bemerken, daß der Zuschuß für das Institut für Besatzungsfragen im Betrage von 65 000 DM gebilligt worden ist. Nachdem die
Fragen der Besatzungskosten in die Bundes- zuständigkeit übergegangen sind, sind die Zuschüsse verschiedener Länder zu diesem Institut in Frage gestellt. Der Ausschuß stellte fest, daß, falls das Institut ganz auf Bundeskosten übernommen werden sollte, seine Ausgaben ordentlich etatisiert werden müßten.
Das Kap. 2 - Bundesfinanzhof - weist gegenüber dem Vorjahr einen Mehransatz von 650 000 DM auf. Das ist lediglich darauf zurückzuführen, daß der Ansatz zum ersten Male für ein ganzes Jahr gemacht worden ist.
Die Bundesbaudirektion, eine Behörde, die nur für die Bauaufgaben in Bonn besteht, weist eine Vermehrung von 25 000 DM im Ansatz auf, die der Ausschuß nicht beanstanden zu sollen glaubte. In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen, daß das frühere Kap. 12, die frühere Beschaffungsstelle hier in Bonn, inzwischen aufgelöst worden ist.
Im Kap. 4, Bundesfinanzverwaltung - Steuer, finden Sie eine Ausgabensteigerung von 12 Millionen DM, und zwar deswegen, weil wir nach den inzwischen abgeänderten Vereinbarungen in diesem Jahr 12 Millionen DM mehr an die Länder für Beteiligung an der Verwaltung der Bundessteuern zahlen.
Im Kap. 5, Bundesfinanzverwaltung - Zoll, finden Sie dagegen bei den Einnahmen eine Minderung von 7 Millionen DM, weil die Länder für die Verwaltung der Biersteuer 7 Millionen weniger zahlen. Im übrigen ist in der Bundesfinanzverwaltung - Zoll eine Vermehrung des Gesamtansatzes um 6 Millionen DM festzustellen. Zwar sind für 17,5 Millionen DM mehr Personalkosten entstanden, dagegen sind bei den Sachkosten 11,5 Millionen gegenüber dem Vorjahr weniger angesetzt, dies allerdings hauptsächlich aus dem Grunde, weil eine Reihe dieser Ausgaben in den außerordentlichen Haushalt übernommen worden sind.
Der Ausschuß bittet Sie, im Tit. 11 dieses Kapitels den Text der Anmerkung zu andern, um ein eigenartiges naturwissenschaftliches Phänomen auszumerzen, das hier aufgetreten war, indem von der „Umwandlung verwaltungseigener Hunde in beamteneigene Hunde" die Rede war.
Im Tit. 15, Unterhaltung der Dienstgebäude, ist der Ansatz um 250 000 DM, die für die Freimachung von Diensträumen etwa notwendige Räumungsentschädigungen an verwaltungsfremde Mieter bestimmt sind, erhöht worden, und zwar lediglich aus dem Grunde, weil ein entsprechender Ansatz im außerordentlichen Haushalt mit genau der gleichen Zweckbestimmung gestrichen und an diese Stelle überführt worden ist.
Zu Tit. 26, in dem für Ausbildungskosten der Beamten 2 Millionen DM angesetzt sind, wurde auf Grund einer Ausschußdebatte festgestellt, daß sowohl von der Regierung beabsichtigt wie vom Ausschuß gewünscht wird, daß die hier in Bonn installierte Zollschule in dem Gebäude verbleibt, das ihr angewiesen worden ist.
Im Kap. 6, Bundesvermögens- und Bundesbauverwaltung, finden Sie nur die Bundesvermögensverwaltung. Denn wie der Bericht in der Einleitung der Vorlage ergibt, ist eine Bundesbauverwaltung einstweilen noch nicht eingerichtet worden. Die Bundesvermögensverwaltung, die hier neu auftritt, ist in den Ausgaben mit 58 Millionen DM angesetzt, denen allerdings 32 Millionen DM Einnahmen aus dem Bundesvermögen gegenüberstehen. Die
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allgemeinen Ausgaben des Bundesvermögens mit rund 33 Millionen DM finden Sie in der Anlage 1 zum Haushalt näher auseinandergesetzt. Der Zuschuß, den dieses Vermögen in den reinen Vermögensausgaben erfordert, ist gegenüber dem Vorjahre etwas gemindert und beträgt 1 360 000 DM. Der Rest der Ausgaben von 58 Millionen DM setzt sich aus 6 Millionen DM Vergütungen an die Länder und einigen größeren Posten für Rückerstattungsansprüche usw., aus immerhin 14 Millionen DM Personalkosten für über 2300 Angestellte zusammen, ein Verhältnis, das natürlich unter Umständen einmal vom Standpunkt der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung diskutiert werden könnte, obwohl freilich berücksichtigt werden muß, daß dieses Bundesvermögen nicht nach dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit, sondern weitgehend nach dem Gesichtspunkt des Gemeinnutzens und der öffentlichen Aufgaben verwaltet werden muß.
Im Kap. 7, Amt für Soforthilfe, finden Sie eine durch Personalerhöhung und wachsende Aufgaben begründete Anschwellung des Ansatzes um 60 000 DM.
Zum Kap. 8, Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen, habe ich über die Ausschußberatungen und deren Ergebnis bereits berichtet. An den sachlichen Ansätzen mit insgesamt 1,9 Millionen DM fand der Ausschuß nichts zu ändern.
Das Kap. 9, Amt für Wertpapierbereinigung, erfordert wegen Personalverstärkung 60 000 DM Mehrausgaben, aus demselben Grunde das Kap. 10, Bundeshauptkasse, 75 000 DM.
Die geringe Ausgabenerhöhung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder erklärt sich, da es sich um eine Pauschumlagenberechnung handelt, aus dem Anwachsen des Bundespersonals, das hier beteiligt ist, überhaupt.
Im außerordentlichen Haushalt finden Sie insgesamt 23 Millionen DM Ausgaben durchweg für Wiederaufbauten und Neubauten von Dienstgebäuden und Diensteinrichtungen und durchweg für den Aufbau der Zollverwaltung. Es ist ungefähr derselbe Betrag, der im Vorjahr angesetzt war, nur daß er im Vorjahr nicht in einem außerordentlichen Haushalt, sondern in verschiedenen Positionen des ordentlichen Haushalts untergebracht war.
Insgesamt erfordert das Bundesministerium der Finanzen einen Zuschuß von rund 358 Millionen DM.
In der Anlage 1 zum Haushalt finden Sie des näheren die Einnahmen und Ausgaben des Bundesvermögens zusammengestellt, wie sie sich nach dem Voranschlag darstellen. Ich darf auf diese Anlage verweisen. Aufgefallen ist mir lediglich, daß die gesamten Bundesforsten für das gesamte Jahr an Wildschädenausgaben lediglich 250 DM angesetzt haben, ein Ansatz, der dafür zu sprechen scheint, daß der Herr Bundesfinanzminister den Wildschweinen doch nicht so freundlich gesinnt ist, wie das neuerdings behauptet worden ist.
In der Anlage 2 finden Sie noch übersichtsweise mitgeteilt, daß für die Einnahmen und Ausgaben des Soforthilfefonds für das Rechnungsjahr 1,6 Milliarden auf beiden Seiten vorgesehen sind.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen die .Annahme der Drucksache Nr. 2609 und damit mit den geringfügigen Änderungen, die vorgesehen sind, die Annahme der Drucksache Nr. 2500.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Besprechung der zweiten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Professor Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur einen Punkt aus dem Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen berühren, der allerdings von prinzipieller Bedeutung ist. In der 159. Sitzung des Deutschen Bundestages am 10. Juli dieses Jahres habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß die Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol ihrer gesetzlichen Pflicht zur Vorlage der Jahresberichte und -bilanzen bis zum 31. März dieses Jahres nicht genügt hat. In der gleichen Sitzung hat auf meinen Antrag hin der Bundestag einstimmig den Herrn Bundesfinanzminister beauftragt, diese Berichte bis spätestens 15. September dieses Jahres vorzulegen. Dieser Termin ist seit vier Wochen verstrichen. Der Herr Bundesfinanzminister hat nicht einmal um eine Nachfrist gebeten, die ihm das Parlament selbstverständlich bewilligt hätte. Er hat auch nach dem 15. September keine Erklärung abgegeben. Es handelt sich also um eine ganz offene Mißachtung des Parlaments, welche sich der Deutsche Bundestag unter keinen Umständen gefallen lassen kann.
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Was der Herr Bundesfinanzminister zu seiner Entschuldigung sagen könnte, wird er nicht sagen wollen. Ich will es deswegen sagen. Er selber ist an der Geschichte schuldlos; davon bin ich überzeugt. Er war in der 159. Sitzung nicht anwesend. Ich bin davon überzeugt, daß ihm hiervon gar nicht berichtet worden ist. Wir haben doch oft genug erlebt, daß der Herr Bundesfinanzminister - und das muß doch jeder anerkennen, er mag sonst sachlich zu ihm stehen, wie er will - hier im Parlament seinen Mann steht. Es ist auch gar nicht zu begreifen, warum er nicht um eine solche Nachfrist gebeten hat. Man darf also unterstellen, daß Herr Minister Schäffer von der ganzen Angelegenheit nichts weiß.
Damit komme ich zum Kern der Sache. Dieser Kern ist sehr wesentlich. Der Herr Kollege Jaeger hat vorhin gesagt, daß er die Demokratie - von einer anderen Ecke her - nicht in Gefahr sehe. Ich sehe sie durchaus in Gefahr, nämlich in der Gefahr, von der Bürokratie überspielt zu werden.
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Ich sehe die deutliche Gefahr - das ist auch an anderer Stelle heute schon angeklungen -, daß der Bundestag von den Beamten der Ministerien einfach mißachtet wird. Dazu ist doch wohl einiges zu sagen.
Ich will jetzt nicht sachlich zu der Monopolverwaltung für Branntwein sprechen; das wird zu anderer Zeit geschehen. Ich möchte nur den Herrn Bundesfinanzminister daran erinnern, daß er uns am 5. Juli dieses Jahres im Ausschuß für Finanzen und Steuern zugesagt hat, alsbald nach den Parlamentsferien die Novelle zum Branntweinmonopolgesetz einzubringen. Ich möchte sagen: wir erwarten sie. Sie ist sehr notwendig. Sie muß eine völlige Neuordnung der Branntweinbesteuerung bringen, in der, davon bin ich überzeugt, Herr Minister Schäffer. noch ganz erhebliche Steuerreserven stecken werden, die Ihnen ganz gut gefallen könnten. Darüber müssen wir zu gegebener Zeit sprechen. Aber was sich bisher hier tut, kann nicht unwidersprochen bleiben.
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Ich habe zweimal erlebt, daß der Herr Bundesfinanzminister seinem Branntweinsteuerreferenten den klaren Auftrag gegeben hat, Ermittlungen beim Oberfinanzpräsidium in Kiel anzustellen, auf Grund deren der Herr Bundesfinanzminister seine Entscheidung treffen wollte. Ich weiß, daß in beiden Fällen dieser Auftrag in einer Form ausgeführt worden ist, die die klare Ermittlung verhinderte.
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Ich habe daraufhin am 12. August 1951 Herrn Minister Schäffer geschrieben:
Es ist somit objektiv festzustellen, daß Sie ein mir mündlich und schriftlich gegebenes Versprechen nicht gehalten haben. Daß es subjektiv Sie nicht trifft, sondern auf einer Unbotmäßigkeit eines Ihrer Beamten beruht, weiß ich. Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, daß ich im Interesse sachlicher Arbeit Lärm in der Öffentlichkeit vermeide. Ich bin deswegen auch in der 159. Sitzung des Deutschen Bundestages bei meinen kritischen Bemerkungen über die Bundesmonopolverwaltung zurückhaltend geblieben und habe nur angedeutet, daß die Beamtenherrlichkeit à la Führerprinzip in der Bundesmonopolverwaltung wieder durch parlamentarisch kontrollierte Zustände abgelöst werden müßte.
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Gott sei Dank
- habe ich weiter geschrieben stehen mir noch alle Möglichkeiten der parlamentarischen Behandlung des Falles offen, wie ja auch noch vieles andere zur Bundesmonopolverwaltung zu sagen sein wird.
Ich habe am 12. Juli unmittelbar nach der 159. Sitzung Herrn Staatssekretär Hartmann persönlich Mitteilung gemacht, in welcher Weise Sie von einem Ihrer Beamten desavouiert und ich brüskiert worden sei, und mich damit einverstanden erklärt, daß die Sache unter der Hand bereinigt wird.
Was ist daraufhin geschehen? Auf diesen Brief hin bekomme ich einen freundlichen Brief des Herrn Bundesfinanzministers,
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der keine Antwort auf meinen Brief ist, der auf die Beschwerden überhaupt nicht eingeht, der aber das Aktenzeichen desselben Beamten trägt, über den ich mich gerade beschwert hatte.
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Da hört ja doch eigentlich die Gemütlichkeit auf!
Nun hätte ich das loyalerweise trotzdem hier nicht gesagt, wenn ich nicht am 12. September Herrn Minister Schäffer persönlich auf all diese Dinge aufmerksam gemacht und ihm gesagt hätte: „Es bleibt mir nichts anderes als der Weg ins Parlament übrig. Lassen Sie doch diese Dinge bereinigen!" Aber es ist nichts Derartiges geschehen. Ich sagte ihm: Der Fall, von dem wir ausgegangen sind, interessiert jetzt nicht. Es interessiert nur das Verhalten Ihres Beamten, der offen zu erkennen gegeben, es auch gesagt hat, daß er sich gegen diesen Abgeordneten und gegen seinen Minister durchsetzen will.
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Und deswegen ist die Tatsache, daß die Berichte,
die spätestens am 15. September vorgelegt werden
mußten, nicht vorgelegt worden sind, von so ' prinzipieller Bedeutung. Die gesamte Alkohol erzeugende, verarbeitende und verbrauchende Industrie wartet natürlich auf diese Berichte. Sie wartet, weil diese Berichte überfällig sind, mit gespannter Aufmerksamkeit, und sagt nun nach dem 15. September: Nun j a, das kann der Herr Ministerialrat sich alles auch dem Parlament gegenüber leisten.
Über die Fehlkonstruktion im Ministerium, daß da tausend Leute zur Erledigung ihrer Angelegenheiten immer und immer wieder nach Bonn reisen müssen, zur Erledigung von Dingen, die zweckmäßigerweise dezentralisiert der Verwaltung unterstellt werden und die im Ministerium nur regierungsmäßig überwacht werden müßten, will ich in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Die gesamte an der Sache interessierte Öffentlichkeit muß nun aber auch bemerken, daß das Parlament sich eine solche Behandlung nicht gefallen lassen kann.
Das, meine Damen und Herren, was ich hier eben gesagt habe, ist kein Angriff der Opposition gegen die Regierung; es ist kein Angriff der Opposition gegen den Herrn Finanzminister, sondern ich bin der Meinung, daß es eine Angelegenheit von uns allen ist,
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ohne Rücksicht auf die' Partei, daß solche Zustände
in einem Ministerium unmöglich gemacht werden.
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Es ist eine Frage des Ansehens dieses Hauses, der Selbstachtung dieses Hauses und der Würde dieses Hauses, um deretwillen ich das gesagt habe, und ich konnte auch nicht die Dinge nun unter der Hand sich bereinigen lassen - sie würden nie bereinigt werden -, sondern es mußte nun, so leid es mir tut, vor dem Forum des Deutschen Bundestages gesagt werden.
Ein Staat mit starker Bürokratie und schwacher Legislative geht zugrunde; wir sind in größter Gefahr, daß die Legislative, die unsere Aufgabe ist, von der Exekutive mißachtet wird.
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Ich habe also einen Warnungsruf ausgestoßen, ver-, ehrte Kolleginnen und Kollegen, daß wir wachsam sind, um unserer Demokratie und um unseres Rechtsstaates willen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Mündliche Bericht auf Drucksache Nr. 2609 bringt sehr geringe Änderungen, zu denen ich nichts sagen möchte. Er enthält aber an zwei Stellen, nämlich bei Kap. 8 und bei Kap. E 18, Bundesaufsichtsamt für das Versicherungs- und Bausparwesen, den Vermerk:
Vorläufig hier veranschlagt; die Übertragung auf Einzelplan IX - Bundesministerium für Wirtschaft - ist vorgesehen.
Hier möchte ich anknüpfen, nachdem der Haushaltsausschuß keine Anträge gestellt hat.
Es ist in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses schon oft davon die Rede gewesen, daß die Zuständigkeitsregelung für einen ziemlich großen Komplex, nämlich für Währungs-, Geld- und Kreditwesen, Banken, Börsen und Versicherungen nicht befriedigt. Wir haben den Eindruck - und haben ihn schon lange -, daß die große Mehrheit
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dieses Hauses von der jetzigen Zuständigkeitsregelung ebenfalls nicht befriedigt ist. Ich habe in der Haushaltsdebatte am 10. November 1950 dazu gesprochen und unsere Bedenken angemeldet. Wir sind der Auffassung, daß die Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft nunmehr endgültig festgelegt werden sollte und daß es wirklich keinen Zweck hat, das gewünschte Ziel durch Einzelbeschlüsse hier und da zu erreichen versuchen; denn dadurch wird in der Zwischenzeit die Verwirrung nur noch größer.
Ein Beispiel aus neuester Zeit: Wir haben kürzlich eine Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau vorgenommen und haben den Bundesminister für Wirtschaft als zuständig für die Aufsicht über diese Kreditanstalt bestellt. Das ist ein unzweckmäßiges Verfahren und hat kürzlich, wie Sie, glaube ich, schon morgen hören werden, im Vermittlungsausschuß zu schwierigen Debatten geführt. Das Stadium der Erwägungen in dieser Angelegenheit sollte beendet werden. Mehr brauche ich wohl zu unserem Antrag Umdruck Nr. 324 nicht zu sagen. Ich könnte mir denken, daß der Einwand des Herrn Seuffert hinsichtlich der Wertpapierbereinigungsabteilung zutreffend ist. Darüber müßten wir noch sprechen.
Nun einige allgemeine Ausführungen zum Haushalt des Bundesfinanzministeriums. Wir werden demnächst den Nachtragshaushalt bekommen und Gelegenheit haben, auf Einzelheiten einzugehen. Wir haben ohnehin in diesem Hause nicht wenig Gelegenheit, uns mit dem Ministerium, von dem ich spreche, zu beschäftigen. Man kann, wenn man gerecht sein will, in keinem Augenblick verkennen, daß der Finanzminister ein sehr schweres Amt hat und daß die zu allen Zeiten und in allen Ländern geringe Beliebtheit eines Finanzministers sich durch die Verhältnisse, in denen w i r nun einmal leben müssen, und durch die daraus sich ergebenden Notwendigkeiten auf finanz- und steuerpolitischem Gebiet sicherlich nicht vergrößert.
Lassen Sie mich einmal fragen: Wer erleichtert denn eigentlich dem Finanzminister seine schwere Aufgabe? Er hat uns öfter bescheinigt, daß w i r es ganz bestimmt nicht tun.
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- Ja, ich glaube, Sie dürfen nicht ohne weiteres sich als die Weißen usw. hinzustellen.
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- Warten Sie ab, ich komme darauf! Er hat in der Tat manchmal recht gehabt, wobei ich zwischen Koalition und Opposition nicht unterscheide. Ich will aber diese Dinge nicht wieder aufrühren. Ich glaube, daß meine Freunde dem Bundesfinanzminister einen guten Dienst erwiesen haben, als sie seinerzeit, schon bald nach Beginn der Tätigkeit dieses Hauses, den § 48 a in die Geschäftsordnung hineingebracht haben, und ich nehme an, der Herr Minister wird mit mir darin einig sein, daß, wenn man gewisse Höhepunkte der Bewilligungsfreudigkeit aus der Vergangenheit als überwunden ansieht, die Dinge sich gebessert haben.
Wer könnte nun weiter dem Bundesfinanzminister seine Arbeit erleichtern? Ich möchte glauben: die Länder. Das aber ist bisher ganz bestimmt nicht der Fall. Wir haben gerade bei der Auseinandersetzung über das Gesetz betreffend die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahre 1951 hinreichend Gelegenheit gehabt, Studien zu diesem Kapitel zu treiben. Nicht nur dieses Haus, sondern auch unser Finanz- und Steuerausschuß, darüber hinaus selbstverständlich der Bundesrat und schließlich in den letzten Wochen der Vermittlungsausschuß sind in Anspruch genommen worden und haben sich gegenseitig heftige Schlachten geliefert und wacker gekämpft. Ich könnte nicht sagen, daß das in unserem jungen Staatswesen verwunderlich ist. Es erscheint mir auch nicht verwunderlich, daß man in diesem Jahr geglaubt hat, in der Materie selbst, von der ich spreche, von der Praxis des Vorjahres abweichen und die Interessenquoten über Bord werfen zu sollen. Aber der allgemeine Eindruck, sicherlich auch der Öffentlich- keit, ist der, daß, wenn Bund und Länder reichlich, sagen wir, starr - ich möchte keinen anderen Vokal an die Stelle des a setzen ({3})
auf den Wortlaut des Grundgesetzes und auf ihre Kompetenzen gepocht haben, damit mehr Zeit und Kraft verbraucht worden sind, als uns heute für solche Angelegenheiten zur Verfügung stehen. Denn letzten Endes geschehen diese Dinge, und das ist das Schlimmste, auf dem Rücken des Staatsbürgers.
Ich kann es nicht als ein gutes Zeichen ansehen, daß der Streit über dieses Gesetz, den der Vermittlungsausschuß nun hoffentlich endgültig geschlichtet hat - wenn Sie nämlich dem Vermittlungsvorschlag zustimmen -, sich so weit auswirkte, daß der Finanzminister sich gezwungen sah, den Betrag, um den es sich handelte, nämlich immerhin eine kleine halbe Milliarde, durch Streichungen an allen möglichen Ecken und Enden und durch Sperrung von Titeln zu decken, wenn man so etwas „decken" nennen will. Auch hier ein ganz kurzes Beispiel: Der Baurat Soundso in Soundso merkt eines Tages, daß er eine Schleuse oder eine Brücke oder was es sonst ist, nicht ausbessern oder wiederherstellen kann, und das ist dann die Folge eines großen politischen Spiels in Bonn, weil nämlich der Bundesfinanzminister, um die Länder ein wenig freundlicher, will ich sagen - ich sage-nicht: gefügiger -, zu stimmen, sich genötigt gefühlt hat, an allen möglichen Stellen die Sperrungen vorzunehmen, von denen ich schon schon sprach. Ich nenne das nicht einen Schildbürgerstreich. Täte ich das, so müßte ich fragen: wer hat wen zu diesem Schildbürgerstreich oder zu dieser Art Schildbürgerstreich ermuntert oder aufgefordert, vielleicht sogar gezwungen? Die Dinge waren so verharscht - sagt man in Bayern -, daß man gar nicht mehr auseinander zu kommen wußte, ohne daß der eine dem andern grobe Unannehmlichkeiten machte. Aber: die Schuld liegt nicht auf der einen Seite, sondern auf beiden Seiten. .
Über solche Dinge müssen wir hinwegkommen. Wenn man nicht, wie ich es nicht tun möchte, die Fehler immer gleich im Grundgesetz sieht, könnte bei einem größeren Verständnis der Länder für den Bund und manchmal vielleicht auch umgekehrt sehr vieles gebessert werden. Also Schlußbetrachtung: Die Länder erleichtern bisher dem Herrn Bundesfinanzminister, wiewohl er doch ein sehr treuer Sohn eines dieser Länder ist, die Arbeit wenig.
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Dritte Frage: Macht sich der Herr Bundesfinanzminister nun vielleicht selbst sein Leben schwerer, als es nötig ist? - Diese Frage möchte ich bejahen. Das beste Beispiel dafür, meine Damen und Herren, ist natürlich die Aufwandsteuer. Nehmen Sie nicht an, daß ich der zweiten und dritten Lesung - die
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wir vielleicht bekommen, vielleicht auch nicht bekommen; ich bete gelegentlich für das letztere - vorgreifen will. Aber ich sage Ihnen: die Verlautbarungen des Bundesfinanzministers in der Presse und auch sonst über diese Aufwandsteuer, über die einzelnen Phasen, Stationen, Zwischenstationen, Entwicklungstendenzen, haben eine große Unruhe nicht nur für die Wirtschaft - die ist ja schon ein wenig abgebrüht und muß es auch sein -, sondern für jeden Staatsbürger und für jede Staatsbürgerin gebracht. Erlauben Sie, daß ich das in diesem Fall entsprechend dem Art. 3 des Grundgesetzes über die Gleichberechtigung sage. Diese Unruhe war in der Form, wie sie entstanden ist, vermeidbar. Diese Verlautbarungen waren nicht immer Phantasien. Sie kamen auch nicht immer aus trüben Quellen - das hätte man in den letzten Wochen merken müssen, denn diese trüben Quellen waren ja an gewissen Stellen verstopft worden; hoffentlich bleiben sie verstopft -, sondern wir müssen dem Herrn Finanzminister schon sagen, daß die so erzeugte Unruhe nicht erträglich ist und ihr Maß in Zukunft doch ganz erheblich eingeschränkt werden muß und kann; denn ganz ohne Unruhe geht's natürlich in unseren turbulenten Zeiten nicht.
Man kann auch nicht immer wieder und in kurzen Abständen verschiedene Zahlen und Zahlenaufstellungen an die maßgeblichen Stellen heranbringen und dann ein Bekenntnis darüber verlangen, daß man an diese Zahlen glaubt. Wir haben ja über diese Zahlen - bei den Einnahmen Schätzungen, bei den Ausgaben Realitäten -, im Sommer sehr heftig mit dem Bundesfinanzminister diskutiert. Leider hat der eine den anderen nur wenig überzeugen können. Und dennoch ist manches von dem, was wir seinerzeit vorgebracht haben, auch heute noch richtig. Bitte, schauen Sie in die Übersicht über die Steuereinnahmen der letzten Monate. Ich spreche nicht zur Sache, ich spreche von der Methode, die psychologisch so sehr viel ausmacht und unter der dann auch die Sache leidet.
Es hat neulich einmal in Bayern - allerdings in Franken - jemand zu mir gesagt, das Bundesfinanzministerium - nicht der Bundesfinanzminister, sondern das Ministerium - komme ihm vor wie eine Schnecke, die ihre Fühler mal in diese und mal in jene Richtung ausstrecke und sich, wenn sie irgendwo Widerstand finde, zurückziehe, aber nur zu dem Zweck, bei erster Gelegenheit - und auch bei zweiter und dritter - ihre Fühler wieder .auszustrecken. Meine Damen und Herren, das ist für interne Überlegungen, für Vorbereitungen usw. vielleicht ein ganz gutes Verfahren, aber nicht für Referentenentwürfe und erst recht nicht für Gesetzentwürfe. Und diesen Schneckenfühlereindruck, den haben wir halt gelegentlich,
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und den hat auch die Öffentlichkeit. Ich spreche für den Finanzminister, wenn ich ihn bitte,
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an diese Auswirkung doch gelegentlich zu denken.
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- Ja, das mag sein; aber ich habe auch nur von den Fühlern der Schnecke gesprochen, nicht von der ganzen Schnecke. Lassen Sie mich nur dabei bleiben.
Dann schauen Sie sich die Übertreibungen auf der Gegenseite an. Es ist furchtbar, was nun diese zum Teil überflüssige Unruhe an Übertreibungen bringt. Ich will nicht von den Kamelen reden, von diesen ja sonst ganz sympathischen und gutwilligen Tieren, ich will auch nicht von den Argumenten anderer Leute reden, die sagen: Also soll das Einpfennig-Fabrikat einer gewissen Industrie genau so besteuert werden wie die Diamanten.
Darf ich vielleicht zwischendurch einmal wieder an die Redezeit erinnern!
Herr Präsident, ich bin gleich am Ende. - Es sollte also an der Methode etwas geändert werden.
Ich möchte heute einen Appell an den Bundesfinanzminister richten, doch vielleicht trotz der turbulenten Zeiten in größeren Zeiträumen und auch manchmal in größeren Zusammenhängen zu denken. Ich weiß, daß das ungemein schwer ist. Ich weiß, daß es vielleicht für niemanden so schwer ist wie für den Bundesfinanzminister. Aber ist es schon einmal intensiv versucht worden? Ich mache dahinter ein Fragezeichen. Wenn ich das Wort von der guten Sozialpolitik paraphieren darf - oder wie Sie das nennen wollen - die nur möglich ist bei einer guten Wirtschaftspolitik, dann möchte ich hier sagen: Eine gute und stabile Wirtschaftspolitik ist auch nur möglich bei einer guten und stabilen Finanzpolitik. Wenn der Herr Bundesfinanzminister sein Ansehen an vielen Stellen - ich spreche nicht vom Kabinett ({0})
erhöhen will - und das kann ja nur in unserem Sinne und auch im Sinne- der Koalition sein -, dann sollte er - und dafür würden wir ihm dank- I bar sein - den guten Ratschlägen, die ich für meine Freunde versucht habe hier darzulegen, ein wenig Gehör schenken.
Ich beschränke mich auf diese Ausführungen. Wir werden mit der bisherigen Genauigkeit - entschuldigen Sie, wenn ich das als erstes sage - und mit dem bisherigen Eifer und ohne grundsätzliches Mißtrauen alle Vorschläge des Finanzministers prüfen und würden uns selbst am meisten freuen, wenn er es uns ermöglichte, ihm öfter Beifall zu zollen, als wir das gelegentlich in der jüngsten oder jüngeren Vergangenheit tun konnten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Bei der Höhe der heutigen Steuersätze ist Finanzpolitik im wesentlichen nur ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Dieser Grundsatz, daß Finanzpolitik ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik zu sein hat, ist von unserem Finanzminister in vieler Hinsicht und oft verletzt worden. Dieser Grundsatz, für uns einer der obersten, wäre aber dringend zu beachten. Der Bundesfinanzminister könnte schon etwas Gutes tun, wenn er nicht ständig etwas Neues erdenken und erfinden, sondern sich in erster Linie mit einer Verbesserung des Bestehenden begnügen würde. So ist er ständig bemüht, neue Steuern zu erfinden oder einmal von ihm erdachte in ständig neuen Variationen uns vorzulegen.
Da ist z. B. die hochgepriesene Luxussteuer, die dann hinterher Sonderumsatzstetuer hieß und jetzt
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Aufwandsteuer genannt wird. Es ist aber in allen drei Fällen dasselbe steuerliche Kind, das der Herr Bundesfinanzminister hier von uns zur Geburt bringen lassen will. Die wichtigste Aufgabe für den Bundesfinanzminister wäre es aber, nicht neue Steuern zu erfinden oder Steuerpläne, die er einmal gehegt hat, immer wieder vorzulegen, sondern die Steuern gerecht und gleichmäßig erheben zu lassen. Und hier scheinen mir, glaube ich, die allergrößten Reserven zu liegen. Wenn wir auf diesem Gebiete Verbesserungen fänden, würde wahrscheinlich die größte Sorge um ein Haushaltsdefizit beseitigt werden.
Ich will nicht theoretisieren, sondern einmal aus der Praxis erzählen, woran ich dabei denke. Ein Oberregierungsrat läßt sich von mehreren Steuerpflichtigen, deren Akten er zuständigkeitshalber zu bearbeiten hat, Darlehen gemäß § 7 c des Einkommensteuergesetzes in einem Gesamtbetrag von 50 000 DM gewähren und errichtet sich dafür ein Haus, das zwar hochbelastet ist, für das er aber keine Zinsen zu zahlen hat. Es ist natürlich nicht anzunehmen, daß hierbei ein Fall einer Bestechung vorliegt; aber immerhin ist die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen, daß ein Zusammenhang zwischen der Steuerprüfung einerseits und der Darlehensgewährung andererseits vorliegt.
Ein anderer Fall: Ein Prüfer des mittleren Dienstes läßt sich von einem einzigen Steuerpflichtigen ein größeres Darlehen, ebenfalLs nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes gewähren. Der Oberfinanzpräsident gibt sogar seine Genehmigung dazu.
Ein anderes Beispiel. Ein Prüfer erscheint bei einer Firma und legt Kontrollmitteilungen anderer Firmen auf den Tisch. Kontrollmitteilungen sind Mitteilungen, die durch denselben oder andere Prüfer über Geschäftsvorfälle bei Geschäftsfreunden des zu prüfenden Betriebs gemacht wurden und in denen insbesondere auch Umsatzvorgänge festgehalten worden sind. Dieser besagte Prüfer läßt die Kontrollmitteilung auf dem Tisch liegen, weist darauf hin, daß er die und die Kontrollmitteilungen habe, entfernt sich unter einem nichtigen Vorwand, der Chef der zu prüfenden Firma beseitigt die Kontrollmitteilungen, und der Prüfer ist mit diesem Vorgang nicht nur einverstanden, sondern hat ihn durch die Art seiner Prüfung selbst herbeigeführt. Entsprechende Vorteile für den Prüfer in Form von bestimmten Zuwendungen folgen.
({1}) - Ich bin ja kein Staatsanwalt, Herr Pelster!
Ein anderes Beispiel. Zahlreiche Prüfer der Finanzämter leisten den Steuerpflichtigen ihres Bezirks Hilfe als Steuerberater. Das werden Sie auch aus Ihrem Bezirk wissen, Herr Pelster. Es ist nicht selten, daß der zuständige Sachbearbeiter sogar seine Dienststunden dazu benutzt, um mit den Steuerpflichtigen die Bilanzen fertigzumachen. In einzelnen Fällen ist beobachtet worden, daß Beamte ihre Dienstzeit dazu verwenden, den Steuerpflichtigen Rechtsrat zu gewähren und bei Verhandlungen mit Dritten zur Seite zu stehen.
Alle diese Fälle beweisen, daß der Betriebsprüfungsdienst nicht so funktioniert, wie er hätte funktionieren sollen. Die Tatsache, daß auf diesem Gebiet etwas getan werden müßte, ist, glaube ich, von keinem Einsichtigen zu bestreiten.
Man kann mir nun einwenden, daß diese Herren zu wenig verdienten und daß die Verdienste, von denen sie bei ihren Prüfungen Kenntnis erhielten, zu hoch seien und sie dann den übermäßigen Versuchurigen erlägen. Ich will das gar nicht bestreiten; aber dann müßte in mehrfacher Hinsicht der Dienst der Buch- und Betriebsprüfer verbessert werden.
Der erste Weg wäre der, den betreffenden Prüfern ganz allgemein den Weg in die höhere Beamtenlaufbahn zu öffnen und nicht nur die leitenden Beamten als Regierungsräte und Oberregierungsräte zu den einzelnen Firmen zu schicken, sondern die Prüfer selbst aus dem höheren Dienst heraus zu nehmen.
Der zweite Weg wäre der, daß von allen Beamten eidesstattliche Versicherungen darüber zu fordern wären, daß sie nicht in ihrer Freizeit die Steuerpflichtigen noch beraten und ihnen Rechtsrat oder Steuerrechtsrat erteilen.
Drittens müßten grundsätzlich alle Genehmigungen zur Entgegennahme von irgendwie gearteten Vorteilen usw. - auch von Darlehen nach § 7 c des Einkommensteuergesetzes - versagt werden.
Viertens wäre es erforderlich, daß die zugelassenen Steuerberater, Helfer in Steuersachen, Wirtschaftsprüfer, Fachanwälte für Steuerrecht usw. dafür geradezustehen hätten, daß die von ihnen erstellten Bilanzen sowohl den Belangen des Steuerrechts als auch denen des Fiskus entsprechen. Wir haben in England die Institution des Chartered Accountant. Durch diese Institution sind in England Prüfungen weitgehend überflüssig geworden, und der Staat kann sich hundertprozentig auf diese Art der Prüfung durch eine derartige freiwillige Selbstkontrolle verlassen.
Wenn man fünftens in besonderen Fällen den steuerberatenden Berufen zugestehen würde, die Buch- und Betriebsprüfung ihrerseits vorzunehmen, natürlich unter Zubilligung angemessener Honorare, so würden zahlreiche von den Prüfern versehentlich oder aus anderen Gründen nicht entdeckte Verstöße aufgedeckt werden. Es würde ferner, sobald die Prüfer wüßten, daß sie von sachverständiger Seite kontrolliert werden, eine Quelle der Korruption verschüttet werden.
Es würde sechstens grundsätzlich zu erwägen sein, statt den staatlichen Buch- und Betriebsprüfungsdienst auszubauen - und das ist ja wohl der Gedankengang des Bundesfinanzministers -, die Hilfsstellung der steuerberatenden Berufe für die staatliche Steuererfassung dadurch zu verstärken, daß man rücksichtslos Zulassungen widerruft, wenn auch nur die geringste Inkorrektheit eines Angehörigen eines steuerberatenden Berufs festgestellt wird. Diesen Angehörigen eines steuerberatenden Berufs müßte außer der Aufstellung der Bilanz zur Pflicht gemacht werden, dieselbe Prüfung anzustellen, die der Prüfer des Finanzamts anzustellen hat. Durch dieses Verfahren muß vor allem erreicht werden, daß diejenigen Steuerpflichtigen, die steuerehrlich sind, nicht mehr über Gebühr herangezogen werden. Es hat sich in der letzten Zeit - und darüber wird auch mit Recht heftig Klage geführt - herausgestellt, daß diejenigen Steuerpflichtigen, die ehrlich sind, sehr schwer herangezogen werden, während andere mit leichter Hand behandelt worden sind.
Wenn diese weit verbreiteten Mängel des Buch-und Betriebsprüfungsdienstes der Finanzämter beseitigt werden könnten, dann würde, glaube ich, eine der Hauptursachen für die Divergenz im Aufkommen von Lohnsteuer einerseits und Einkommen- und Körperschaftsteuer andererseits wegfallen. Ich kann mir vorstellen, daß der Bundesfinanzminister sich selbst sehr große Sorge darüber
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macht, daß die Einkommensteuer der Veranlagten seit 1949 in ständigem Rückgang begriffen ist, obwohl die allgemeine Wirtschaftslage sich aufwärts entwickelt hat, während die Lohnsteuer sich in ständigem Anstieg befindet und zusammen mit der Lohnsteuer, die für die Arbeitnehmer im Notopfer Berlin enthalten ist, sogar einen recht steilen Anstieg entsprechend der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung aufweist.
Hier ist der Hebel zunächst anzusetzen. Sobald diese divergierende Entwicklung des Steueraufkommens der Veranlagten einerseits und der Lohnsteuerpflichtigen andererseits aufhören würde, würden wir es nicht nötig haben, uns hier ständig mit neuen Steuerplänen herumzuärgern. Es kommt darauf an, daß das Bestehende verbessert wird und daß die ehrlichen Steuerzahler vor neuen Steuern geschützt werden, die sie nur deshalb zahlen sollen, weil die Steuersünder nicht gefaßt werden können.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Gülich hat konkrete Beanstandungen vorgebracht, die sich auf die Verwaltung des Branntweinmonopols beziehen. Ich glaube, den Fall zu kennen, der der eigentliche Gegenstand der Beschwerde ist. Ich glaube sagen zu können, daß ich mich - wenn ich mir die Akten leider Gottes jetzt auch nicht mehr beschaffen konnte - daran erinnere, daß wir häufig persönlich über diesen Fall gesprochen haben
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und daß es sich dabei um eine Angelegenheit handelte; in der vielleicht der Gedanke auftrat, daß
eine bestimmte Firma schlechter als die andere
behandelt worden sei. Ich glaube, es ist dieser Fall.
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- Jawohl, ich möchte aber auf Grund dessen, was ich nach meiner Erinnerung feststellen kann, den Vorwurf nicht anerkennen, daß der Beamte gegen Weisungen gehandelt habe und daß er Berichte, die eingefordert werden mußten, nicht eingefordert habe. Nach meiner Überzeugung ist der Bericht - ich glaube, es sogar mitgeteilt zu haben - angefordert worden. Es ist der Firma in dem Verfahren auch die Hilfe erteilt worden, die sie berechtigterweise verlangen konnte. Es ist allerdings, wie das häufig ist, nicht möglich gewesen, allen Wünschen zu entsprechen. Ich bin aber sehr gern bereit, die Einzelheiten mit den Daten, wenn ich die Akten zur Verfügung habe, im Ausschuß oder Ihnen persönlich noch bekanntzugeben.
Die Beanstandung, die der Kollege Bertram erhoben hat, bezieht sich in erster Linie auf die allgemeine Steuerverwaltung in den Ländern. Das ist also ein Thema, das zunächst dahin gehört, wo die Zuständigkeit der Verwaltung liegt. Das ist heute noch das einzelne Land. Ich möchte aber den dringenden Wunsch aussprechen: Wenn Fälle bekannt sind, in denen Mißstände auftreten, ob es sich nun um Bundes- oder Landesverwaltung handelt, die Behörde nicht als den Feind zu betrachten, dem man die Unterlagen nicht geben dürfe, weil man sonst dem Staatsanwalt diene, sondern daran zu denken, daß wir alle letzten Endes Steuerzahler sind und daß wir zum Schutze des Steuerzahlers auch für die Durchführung der Steuerverwaltung einzutreten haben, genau so wie ich es für eine Pflicht halte, daß man, wenn ein anderer Betrug an der Staatskasse etwa in der Form eines Rentenschwindels oder sonstwie geschieht, die zuständigen Behörden mit Namen, Zeit und Ort verständigt. So zu handeln halte ich für eine Pflicht.
Den Wunsch, daß der Bundesfinanzminister nicht immer mit neuen Steuerplänen kommen möge, hat niemand so herzlich wie der Bundesfinanzminister selbst. Aber wenn der Herr Kollege Wellhausen gesagt hat, daß es drei sind, die es dem Bundesfinanzminister schwer machen, so darf ich hier von dem ersten sprechen, vom Bundestag. Der Bundestag möge doch einmal in der Geschichte des letzten Jahres nachlesen, wie oft der Finanzbedarf des Bundes durch Gesetzgebungswerke in diesem Hause, durch Anträge in diesem Hause unvermutet geändert worden ist.
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Ich erinnere an das, was ich am 26. April hier sagen mußte: daß, nachdem die Vorausbelastungen im neuen Haushalt berechnet waren - und die Zahl der Vorausbelastungen war sehr hoch, über 41/2 Milliarden DM -, die Zusammenstellung der Anträge, die ganz kurze Zeit danach in diesem Hause gestellt worden sind, eine Summe von weiteren 3 800 Millionen DM ergeben hat.
Meine Damen und Herren! Solange der Finanzbedarf des Bundes auch nicht nur einigermaßen übersehbar ist, solange können Sie dem Finanzminister keinerlei Vorwurf machen, wenn er dem steigende Finanzbedarf - auch einem Finanzbedarf, der in diesem Zeitabschnitt vielleicht manchmal nicht notwendigerweise auftreten müßte - jeweils auch die Deckung entgegensetzen muß; denn er fühlt die Verpflichtung des Art. 110 des Grundgesetzes in erster Linie als seine Verpflichtung, obwohl es eine Verpflichtung sämtlicher Körperschaften ist, die an der Haushaltsgesetzgebung und Haushaltsaufstellung mitwirken und zur Mitwirkung berechtigt sind. Dieser Berechtigung steht die Verpflichtung des Art. 110 des Grundgesetzes zum Abgleich der Einnahmen und Ausgaben im gleichen Jahre gegenüber.
Es ist richtig, daß daneben auch die Länder dem Bundesfinanzminister die Dinge nicht leicht machen. Ich kann den Ländern gegenüber dabei darauf verweisen, daß sich der Bund bemüht hat, ihnen nichts Unbilliges abzuverlangen; denn die Erhöhung der Einnahmen aus der Einkommen-und Körperschaftsteuer ist ja von vornherein unter dem Gentlemen Agreement gemacht worden, daß der Bundesanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer so hoch werden dürfe, wie sich die Haushaltslage der Länder durch diese Gesetzgebung verbessert.
Es ist nicht leicht gewesen, das Problem zu lösen. Immerhin ist eine Lösung wenigstens im Wege der Einigung im Vermittlungsausschuß zustande gekommen, wobei allerdings im Vermittlungsausschuß der Bundesfinanzminister - und zwar mit Zustimmung des Vermittlungsausschusses - betonen mußte, daß er nicht mehr in der Lage ist, eine Abgleichung auf dem Wege neuer Einnahmen zu finden, sondern sie nur dadurch finden kann, daß bei zwei Posten die Sperrungen aufrechterhalten werden müssen. Das ist ein Signal auch an die Öffentlichkeit und sämtliche Körperschaften, die hier beteiligt sind, ein Signal dahin, daß die Mög({3})
lichkeiten der Einnahmebeschaffung nach Meinung des Bundesfinanzministers erschöpft sind und neue Möglichkeiten über jene Vorschläge hinaus, die er - nicht erst in neuer Zeit, sondern seit langen Monaten - gemacht hat, nicht gegeben sind.
Nun wird der Bundesfinanzminister mit einer Schnecke verglichen, die die Fühler ausstreckt, einzieht und wieder ausstreckt. Es liegt an der Technik, Sie haben recht, Herr Kollege Wellhausen; es liegt daran, daß auf der einen Seite von sehr vielen Kreisen und Faktoren verlangt wird, über die jeweiligen Pläne unterrichtet zu werden, und daß in dem Augenblick, in dem die Unterrichtung dieser Faktoren stattfindet, meistens dann auch die Öffentlichkeit von Dingen, die vielleicht erst Pläne sind, von Dingen, die erst Themen sind, als festen Tatsachen unterrichtet wird und dann in der Öffentlichkeit das, was Beunruhigung genannt wurde, eintritt. Es ließe sich viel besser arbeiten, wenn wir das System hätten, wie es z. B. der Kollege in England hat, der mit niemandem spricht, bevor er seine Pläne ausarbeitet, und der in seiner Budgetrede seine Pläne als Neuigkeit bringt und infolgedessen auch als geschlossenes Ganzes bringen kann. Dort hat sich eine alte, eingelebte Demokratie, die aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat, ein System geschaffen, das gerade aus dem Grundgedanken der Wahrung des Haushaltsrechts des Parlaments kommt. Denn im Haushaltsrecht des Parlaments liegt es, daß die Beschlüsse gleichzeitig das Ganze eines Jahres übersehen müssen und infolgedessen im Laufe des Jahres nur in Notfällen Änderungen und Erschütterungen ausgesetzt sein sollten. Das ist ein System, das eine alte, eingelebte Demokratie hat. Ich gebe zu, jeder Mensch hat seine Fehler; auch der gegenwärtige Bundesfinanzminister wird seine Fehler haben,
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wenn er vielleicht auch den Fehler hat, sie am allerwenigsten einzusehen; aber das ist ein allgemein menschlicher Fehler. Er nimmt an, er hat sie. Aber er darf darauf verweisen, daß der Fehler vielleicht auch darin liegt, daß wir aus den Mängeln erst zu lernen haben. Wir sollten uns gegenseitig sagen: Wenn wir wünschen, daß wir viel und vorzeitig über Steuerpläne reden, und es dann in die tiffentlichkeit kommt, dann dürfen wir nicht dem die Schuld geben, der gutmütig genug ist, den Wünschen entgegenzukommen und mit allen Teilen zu reden. Wir müssen daran denken, wie sehr dabei Voraussetzung ist, daß diese Pläne nicht allzu früh und falsch und als feste Tatsachen - während es sich noch um Gespräche handelt - in die Öffentlichkeit getragen werden.
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Werden sie in die Öffentlichkeit getragen und werden sie falsch hineingetragen, so ist es unvermeidlich, daß der Verantwortliche eine Richtigstellung falscher Meldungen geben muß; sonst tritt eine Beunruhigung ein in einem Maße, das zu vermeiden ist.
Sie haben von der Aufwandsteuer gesprochen. Bezüglich der Aufwandsteuer ist eine Beunruhigung in die Öffentlichkeit hineingetragen worden - vielleicht sogar bewußt -, die mit den Plänen selbst gar nicht mehr in einem inneren Zusammenhang stand. Was habe ich für Proteste gegen eine Besteuerung von Fahrrädern, gegen eine Besteuerung einfachen Schuhwerks und von allem möglichen anderen erhalten, nur deswegen, weil das, was in die Öffentlichkeit kam, ungenau und damit falsch war.
Ich bitte also dringend - im Eingeständnis meiner eigenen menschlichen Schwächen -, diese menschlichen Schwächen dadurch möglichst auszubessern, daß Sie, das Hohe Haus, möglichst vollkommen sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Professor Gülich, mit der geschäftsordnungsmäßig nicht zulässigen Versicherung, nur eine Minute zu reden.
Ich bedaure, daß Herr Minister Schäffer nicht so vollkommen gewesen ist, wie er es sehr gut hätte sein können;
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denn er hat auf meine Darlegungen überhaupt nicht geantwortet,
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sondern zu einem Fall gesprochen, von dem ich ausdrücklich gesagt habe, daß er hier überhaupt nicht interessiere. Sie haben gar nichts zu der Feststellung gesagt, daß der Herr Bundesfinanzminister einen einstimmig vom Hause erteilten Auftrag ignoriert hat, und Sie haben, wie ich ausdrücklich feststellen möchte, nicht widersprochen, daß Sie persönlich von der ganzen Sache nichts gewußt haben.
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Dies nach Ihren Darlegungen noch einmal festzustellen, erscheint mir notwendig; denn mit Ihrer Haltung, Herr Kollege Schäffer, haben Sie ja die Richtigkeit dessen unterstrichen, was ich von der Beamtenherrlichkeit gesagt habe.
Der Fall, der zugrunde lag, interessiert nicht. Es ging aus von einer Denkschrift des Landesfinanzministers von Schleswig-Holstein, der ich einmal gewesen bin, neue Brennrechte für Schleswig-Holstein zu schaffen, und in Verfolg dieser Angelegenheit ist dann allerdings im Bundesfinanzministerium eine Methode befolgt worden, der im Interesse der Gerechtigkeit widersprochen werden mußte. Es ist nicht so, wie es nach den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers scheint, daß ich für die Interessen einer einzelnen Firma eingetreten wäre. Ich will hier aber nicht, obgleich es ganz interessant wäre, diesen Tatbestand aufrollen, sondern gebe mich damit zufrieden und habe mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß Sie im Ausschuß für Finanzen darüber Aufschluß geben wollen. Dies scheint mir das richtige Forum zu sein. Meine Akten sind vollständig; ich brauche nicht einmal mein Gedächtnis. Lassen Sie uns vor diesem Forum die Angelegenheit, die zu klären ist, klären. Im übrigen, Herr Finanzminister, haben Sie auch kein Wort darüber gesagt, wann Sie denn nun eigentlich die fälligen Berichte vorzulegen gedenken. Auch das, muß ich sagen, haben wir vermißt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gülich! Ich gebe Ihnen offen zu, daß ich nicht in der Lage bin, darauf zu antworten, wie es sich mit dem Beschluß wegen der Vorlage der Abrechnung verhält. Ich persönlich kann mich an den Beschluß nicht erinnern. Ob ich unterrichtet worden
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bin, ob ich es vergessen habe, - warum soll ich es nicht eingestehen? -: ich bin momentan nicht in der Lage, darauf eine Antwort zu geben.
Weitere Wortmeldungen ({0})- Herr Abgeordneter Müller, Sie melden sich so stürmisch. Sie hatten sich vorher nicht gemeldet. Ich habe Sie nicht übersehen. - Im Rahmen der 8 Minuten Redezeit.
Meine Damen und Herren! Ich hatte bei der Beratung des vorangegangenen Haushalts die Möglichkeit, zwei Feststellungen zu treffen: erstens daß die Politik des Herrn Finanzministers maßgebend durch die Politik der gesamten Regierung bestimmt wird, die in der Linie der Remilitarisierung und Aufrüstung liegt,
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- jawohl, Feststellungen, die nicht zu umgehen sind und denen Sie sich werden beugen müssen - und zweitens, daß diese Finanzpolitik darauf abgestellt ist, in Sonderheit die Massen unseres Volkes zu belasten. Ich hatte dabei nachgewiesen, daß 82 % der gesamten Einnahmen des Bundes und der Länder, sei es durch die Lohnsteuer, sei es durch die indirekten und Massensteuern, vom Volk aufgebracht werden müssen.
Die Auswirkungen dieser Finanzpolitik zeigen sich bei diesem Haushalt in noch erschreckenderem Umfange, und zwar in der gleichen Richtung. Ich darf nur darauf hinweisen, daß gegenüber dem Ansatz des vergangenen Jahres die Umsatzsteuer um 825 Millionen erhöht worden ist, die Umsatzausgleichsteuer um 75 Millionen, die Kaffeesteuer um 70 Millionen, die Zündwarensteuer um 12 Millionen, die Salzsteuer um 5 Millionen, während die Zölle um weitere 200 Millionen erhöht worden sind, und dazu kommt der große Posten der Mineralölsteuer, der ebenfalls um 430 Millionen DM höher eingesetzt worden ist. Insgesamt ist also bei den Massensteuern ein Betrag von 1397 Millionen mehr eingesetzt worden, und die breiten Massen werden sie tragen müssen.
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Nun wird der Herr Finanzminister Äußerungen abstreiten, die hinsichtlich weiterer Maßnahmen und weiterer Absichten bezüglich der Steuerpolitik aus den Regierungsparteien und aus der Regierung selbst bekanntgeworden sind. Ich spreche im Augenblick nicht von der Aufwandsteuer und nicht von der Autobahnsteuer; dazu werden wir Stellung nehmen, sobald die Vorlagen da sind. Aber wenn auch der Finanzminister Pläne bezüglich neuer Steuern abstreiten will, - über eine Frage dürfte wohl Klarheit bestehen: Wenn die von dem kommenden Kriegsministerium Blank vorgeschlagene, von Herrn Dr. Adenauer dem Peters-berg unterbreitete und zugesagte Aufstellung von 12 Divisionen durchgeführt wird, dann werden die Summen, die von der Stelle Blank genannt worden sind, nämlich 2 Milliarden für die Aufstellung einer Division, also für 12 Divisionen ein Gesamtbetrag von 24 Milliarden, aufgebracht werden müssen. Diese Absichten wegen neuer Steuern werden dann zweifellos in die Tat umgesetzt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur die beabsichtigte Erhöhung des Benzinpreises, die Einführung eines Besatzungskostenzuschlages, die Erhöhung der Altbaumieten und das Notopfer Berlin erwähnen.
Die Feststellung, die ich vorhin hinsichtlich der Tatsache getroffen habe, daß das Volk die gesamte Last zu tragen hat, wird durch eine Darstellung in dem „Generalanzeiger für Bonn und Umgegend" vom 2. Oktober dieses Jahres erhärtet, in der darauf hingewiesen wird, daß der Anteil der Steuern am Kaufpreis zum Beispiel bei Bier 21 %, bei Zucker 38 %, bei Salz 40 %, bei Branntwein 43 %, bei Kaffee und Tee 46 %, bei Zündwaren 57 %, bei Zigaretten 72 % beträgt. Die Zeitung kommt zu der Feststellung, daß der Anteil der Steuern an den Lebensmittelpreisen 50 % und mehr beträgt. Hier wird also bewiesen, daß die Finanzpolitik der Herren der Adenauer-Regierung ausschließlich auf eine Belastung des Volkes, der breiten Massen, hinausläuft. Die genannte Zeitung stellt fest, daß die steuerliche Belastung pro Haushalt vor dem Kriege 108 Mark betrug, während sie sich jetzt auf 250 Mark beläuft, d. h. also um etwa 150 % höher ist.
Meine Damen und Herren, Sie werden angesichts dieser Feststellungen nicht leugnen können, daß im Volk gegenüber dieser Politik der Regierung der Herren Dr. Adenauer und Schäffer, der Politik, die Mittel für die Remilitarisierung und für die Besatzungskosten aus dem Volk aufzubringen, immer größerer Widerstand erwächst. Der Herr Finanzminister ist nicht verlegen in seinen Methoden, das Geld beizutreiben. Im Vermittlungsausschuß ist hinsichtlich der Wegnahme eines bestimmten Anteils der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die den Ländern .zufließen, eine Einigung erzielt worden. Es kann aber nicht geleugnet werden, daß mit dieser Methode der Wegnahme der den Ländern zustehenden Mittel die Konsequenz verbunden ist, daß die Länder nun ihrerseits den Ausfall der Einnahmen auf dem Wege über weitere Erhöhungen insbesondere auf die Kreise und Gemeinden abwälzen. Es ist eine Tatsache, daß die Umlagen, seien es die Verkehrstarife, seien es die Tarife für Gas, Wasser oder Strom, beinahe überall schon erhöht worden sind. Die Stadt Frankfurt hat jetzt die Straßenbahntarife erhöht. Das heißt, die Politik von Bonn wirkt sich in ihrer letzten Konsequenz auch auf die Kommunalpolitik aus, und auf dem Wege über die Länder- und Kommunalpolitik werden wiederum die Massen unseres Volkes belastet.
Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen. Ich denke, daß es einen Weg gibt, diese unerhörte, auch Teile unserer Wirtschaft belastende, zum Teil ihre Existenz unterminierende Finanz- und Steuerpolitik, insbesondere aber soweit sie sich in ihren Auswirkungen auf die Massen des Volkes erstreckt, zu überwinden. Das kann geschehen, wenn nicht eine Politik betrieben wird, die zum Kriege führt,
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nämlich auf dem Wege über die Aufrüstung, sondern eine Politik, die den Frieden sichert, eine Politik, die nur darin bestehen kann - und ich möchte Sie bitten, das auch in Ihrer Eigenverantwortlichkeit gegenüber Ihren Wählern zu berücksichtigen -, dem Frieden zu dienen, indem wir zur deutschen Einheit und zum Abzug der Besatzungstruppen kommen. Dann wird unserem Volk diese unerhörte Belastung genommen werden, und die Mittel können dann für soziale und kulturelle, also für friedliche Zwecke verwendet werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie erwarten wohl nicht, daß ich auf das, was eben vorgetragen wurde, antworte. Ich will nur den Antrag stellen, den Antrag Umdruck Nr. 324 zu überweisen an den Haushaltsausschuß sowie an die Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen, Wirtschaftspolitik und Geld- und Kreditwesen; federführend der Haushaltausschuß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es ist zunächst beantragt, den Abänderungsantrag Umdruck Nr. 324 dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Überweisung sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Überweisungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 2609, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist angeregt worden, daß wir damit die heutige Sitzung beenden. Ich darf annehmen, daß wir damit dem Interesse des Hauses entsprechen. Ich bitte die Damen und Herren, für die morgige Sitzung, in der wir die heute nicht erledigten Punkte der Tagesordnung erledigen wollen, die Drucksachen wieder mitzubringen, da sie nicht noch einmal verteilt werden können.
Für den Fall, daß es noch nicht mitgeteilt sein sollte, gebe ich bekannt, daß die Sitzung des Ausschusses für Außenhandelsfragen morgen, Donnerstag, den 11. Oktober, statt um 9 Uhr bereits um 8 Uhr 45 beginnt.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung, die 167., auf morgen, Donnerstag, den 11. Oktober, 13 Uhr 30, und schließe die 166. Sitzung.