Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 165. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Freidhof ab 27. September 1951 für zwei Wochen wegen Krankheit.
Ich darf annehmen, daß der Urlaub genehmigt ist. Matthes, Schriftführer: Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Dr. Mommer, Agatz, Arnholz, Funk und Wönner.
Meine Damen und Herren! Darf ich vor Eintritt in die Tagesordnung noch auf folgendes hinweisen. Der Rechtsausschuß hat einen 4 Beschluß gefaßt, nach dem er vorschlägt, daß der Bundestag sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht betreffend den Verfassungsstreit über die Neugliederung im Südwestraum vertreten läßt. Er schlägt als Vertreter den Bundestagsabgeordneten Kiesinger und im Falle der Verhinderung dieses Abgeordneten den Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt vor. Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist?
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage stand nicht auf der heutigen Tagesordnung. Die Fraktionen hatten keine Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Ich widerspreche der Behandlung.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß der Bundestag die Möglichkeit haben muß, vor der am 2. Oktober stattfindenden mündlichen Verhandlung diese Frage zu regeln. Der Rechtsausschuß hat sich gestern mit dieser Frage befaßt. Ich darf den Fraktionen vorschlagen, daß sie im Laufe des Tages Gelegenheit nehmen, sich über diesen Punkt zu verständigen, um zu einem späteren Zeitpunkt der heutigen Sitzung diese Frage wieder aufzugreifen.
({0})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 24. September 1951 die Anfrage Nr. 170 der Abg. Strauß, Spies und Genossen betreffend Verwendung von Besatzungskosten ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2598 verteilt werden.
Die Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Sicherung des Besatzungsbedarfs ({2}) ist dem Deutschen Bundestag zur Kenntnisnahme von der Bundesregierung zugestellt worden und liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Ich rufe auf zunächst den Punkt 1 der Tagesordnung:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Ich habe die Ehre, gegenüber dem Hohen Hause im Auftrag der Bundesregierung folgende Erklärung abzugeben.
In letzter Zeit hat sich die Weltöffentlichkeit verschiedentlich mit der Haltung der Bundesrepublik gegenüber den Juden befaßt. Hier und da sind Zweifel laut geworden, ob das neue Staatswesen in dieser bedeutsamen Frage von Prinzipien geleitet werde, die den furchtbaren Verbrechen einer vergangenen Epoche Rechnung tragen und das Verhältnis der Juden zum deutschen Volke auf eine neue und gesunde Grundlage stellen.
Die Einstellung der Bundesrepublik zu ihren jüdischen Staatsbürgern ist durch das Grundgesetz eindeutig festgelegt. Art. 3 des Grundgesetzes bestimmt, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und daß niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache,
({0})
seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Ferner bestimmt Art. 1 des Grundgesetzes:
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
({1})
Das deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
Diese Rechtsnormen sind unmittelbar geltendes Recht und verpflichten jeden deutschen Staatsbürger - und insbesondere jeden Staatsbeamten -, jede Form rassischer Diskriminierung von sich zu weisen. In demselben Geiste hat die Bundesregierung auch die vom Europarat entworfene Menschenrechtskonvention unterzeichnet und sich zur Verwirklichung der darin festgelegten Rechtsgedanken verpflichtet.
Diese Normen können aber nur wirksam werden, wenn die Gesinnung, aus der sie geboren wurden, zum Gemeingut des gesamten Volkes wird. Hier handelt es sich somit in erster Linie um ein Problem der Erziehung. Die Bundesregierung hält es für dringend erforderlich, daß die Kirchen und die Erziehungsverwaltungen der Länder in ihrem Bereich alles daran setzen, damit der Geist menschlicher und religiöser Toleranz im ganzen deutschen Volk, besonders aber unter der deutschen Jugend, nicht nur formale Anerkennung findet, sondern in der seelischen Haltung und praktischen Tat Wirklichkeit wird. Hier liegt eine wesenhafte Aufgabe der zur Erziehung berufenen Instanzen vor, die aber freilich der Ergänzung durch das Beispiel der Erwachsenen bedarf.
Damit diese erzieherische Arbeit nicht gestört und der innere Friede in der Bundesrepublik gewahrt werde, hat die Bundesregierung sich entschlossen, die Kreise, die noch immer antisemitische Hetze treiben, durch unnachsichtige Strafverfolgung zu bekämpfen. Dem Bundestag liegen Vorschläge zu einer Ergänzung des Strafgesetzes vor, auf Grund deren unter anderm auch rassenhetzerische Propaganda mit schwerer Strafe belegt wird. Die Bundesregierung wird diese Bestimmungen, sobald sie in Kraft getreten sind, mit aller Entschlossenheit anwenden.
Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes sind sich des unermeßlichen Leides bewußt, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und in den besetzten Gebieten gebracht wurde. Das deutsche Volk hat in seiner überwiegenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verabscheut und hat sich an ihnen nicht beteiligt. Es hat in der Zeit des Nationalsozialismus im deutschen Volke viele gegeben, die mit eigener Gefährdung aus religiösen Gründen, aus Gewissensnot, aus Scham über die Schändung des deutschen Namens ihren jüdischen Mitbürgern Hilfsbereitschaft gezeigt haben. Im Namen des deutschen Volkes sind aber unsagbare Verbrechen begangen worden, die zur moralischen und materiellen Wiedergutmachung verpflichten, sowohl hinsichtlich der individuellen Schäden, die Juden erlitten haben, als auch des jüdischen Eigentums, für das heute individuell Berechtigte nicht mehr vorhanden sind. Auf diesem Gebiet sind erste Schritte getan. Sehr vieles bleibt aber noch zu tun. Die Bundesregierung wird für den baldigen Abschluß der Wiedergutmachungsgesetzgebung und ihre gerechte Durchführung Sorge tragen. Ein Teil des identifizierbaren jüdischen Eigentums ist zurückerstattet worden; weitere Rückerstattungen werden folgen.
Hinsichtlich des Umfangs der Wiedergutmachung - in Anbetracht der ungeheueren Zerstörung jüdischer Werte durch den Nationalsozialismus ein sehr bedeutsames Problem - müssen die Grenzen berücksichtigt werden, die der deutschen Leistungsfähigkeit durch die bittere Notwendigkeit der Versorgung der zahllosen Kriegsopfer und der Fürsorge für die Flüchtlinge und Vertriebenen gezogen sind. Die Bundesregierung ist bereit, gemeinsam mit Vertretern des Judentums und des Staates Israel, der so viele heimatlose jüdische Flüchtlinge aufgenommen hat, eine Lösung des materiellen Wiedergutmachungsproblems herbeizuführen, um damit den Weg zur seelischen Bereinigung unendlichen Leides zu erleichtern. Sie ist tief davon durchdrungen, daß der Geist wahrer Menschlichkeit wieder lebendig und fruchtbar werden muß. Diesem Geist mit aller Kraft zu dienen, betrachtet die Bundesregierung als die vornehmste Pflicht des deutschen Volkes.
({2})
Ich eröffne die Aussprache über diese Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löbe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland hat nach der Überzeugung der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestags die sittliche Verpflichtung, sich mit ganzer Kraft um eine Aussöhnung mit dem Staate Israel und den Juden in aller Welt zu bemühen, und zwar kommt es dabei uns Deutschen zu, den ersten Schritt auf diesem Wege zu tun. Wir Sozialdemokraten werden deshalb den eben angekündigten Schritt der Bundesregierung von Herzen unterstützen und hätten es begrüßt, wenn er schon früher und mit noch größerer Entschiedenheit getan worden wäre.
({0})
Die verbrecherischen Machthaber der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft haben die jüdischen Deutschen und die Juden in Europa unmenschlich verfolgt und sechs Millionen Menschen - Männer, Frauen, Kinder und Greise - nur wegen ihrer jüdischen Abstammung ermordet. Wir wollen dieses unermeßliche Leid nicht vergessen. Jeder rechtlich denkende Mensch schämt sich dieser Schandtaten, die unter Mißbrauch des deutschen Namens zum Entsetzen der überwiegenden Mehrheit auch des deutschen Volkes verübt worden sind.
({1})
Wir wissen uns insbesondere mit den Juden, die gleich uns als Deutsche geboren sind, unlösbar verbunden, und können ihren Beitrag aus unserer gemeinsamen Geschichte nicht fortdenken.
({2})
Deutschland und Europa haben in allen Bereichen ihres geistigen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens Männern wie Felix Mendelssohn, Heinrich Heine, Walter Rathenau oder den zahlreichen deutschen Nobelpreisträgern jüdischer Abstammung Außerordentliches zu verdanken. Jeder Deutsche ist deshalb aufgerufen, das den Juden in
({3})
unserer Mitte zugefügte Unrecht wiedergutzumachen. Jeder Deutsche ist deshalb auch aufgerufen, die Pest des Rassenhasses zu bekämpfen und durch die Ehrfurcht vor dem Mitmenschen zu überwinden.
Unser rücksichtsloser Kampf gilt auch den Nutznießern der offenen und versteckten Verfemung der Juden.
({4})
Die furchtbare Größe des Unrechts, auf die der Herr Bundeskanzler eben auch hinwies, fordert von uns Opfer. Mehr als bisher ist durch die Tat zu beweisen, daß diese Wiedergutmachung auch das Maß für die Erneuerung des Rechts in Deutschland ist. Aus dieser Gesinnung bemühen wir uns um den Frieden mit Israel.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung ein Thema angeschnitten, das uns alle tief bewegt. Ich möchte mich aus diesem Grunde auch bewußt darauf beschränken, das, was in der Regierungserklärung gesagt und zum Teil von Herrn Kollegen Löbe aufgenommen worden ist, mit Nachdruck zu unterstreichen. Wir müssen uns, jeder für sich, klar werden - und jeder muß versuchen, es dem deutschen Volk klarzumachen - Das Maß der Achtung, das wir unseren Mitmenschen und auch unseren jüdischen Mitbürgern entgegenzubringen bereit sind, wird das Maß der Achtung bestimmen, das wir für uns selbst begehren.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers ist wieder einmal eines der dunkelsten Kapitel unserer jüngsten Geschichte aufgeschlagen worden. Ich glaube nicht, daß weitere Worte geeignet sind, die Entschlossenheit und die Klarheit der Absichten zum Ausdruck zu bringen, die hinter dieser Regierungserklärung stehen. Ich möchte mich darauf beschränken, die Billigung auch im Namen meiner Freunde auszusprechen; ich möchte aber hinzufügen, daß es für uns alle eine der entscheidenden Aufgaben sein wird, die Vorstellungswelt auszuräumen und die Reste dieser Vorstellungswelt zu beseitigen, die aus einer ausschließlich materialistischen Betrachtung des Lebens hervorgeht und die zu dieser Raserei eines wahnwitzigen Biologismus geführt hat. Von ihm abzurücken und die Grundlagen zu schaffen und die Grundgedanken einer praktischen Humanität in den Vordergrund zu rücken, das scheint mir dem heutigen Anlaß angemessen zu sein.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen
Freunde habe ich zu erklären, daß wir uns angesichts des furchtbaren Ernstes dieser Frage weitere Worte der Beteuerung einer humanitas ersparen wollen. Wir billigen nicht nur die Erklärung der Regierung, wir unterstützen sie von ganzem Herzen, denn es gilt, einen Frevel, der wider göttliches und menschliches Recht begangen worden ist, wiedergutzumachen. Wir wollen uns bei dieser Wiedergutmachung an den Satz halten: Gerechtigkeit erhöhet ein Volk. Wir sind es der alten Geschichte Deutschlands schuldig, daß wir auf diesem Gebiete zu Taten kommen, die die Erneuerung unseres Staates, unseres Staatsbewußtseins und unserer Würde in der Welt im ganzen und im Tiefsten auch der seelischen Bereiche sicherstellen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion begrüßt mit voller Überzeugung und mit Dankbarkeit die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, die den ersten Schritt der Bundesrepublik zur Herstellung geordneter, friedlicher und, wie wir hoffen wollen, freundschaftlicher Verhältnisse zu unseren jüdischen Mitbürgern in Deutschland, in der Welt und insbesondere im Staate Israel darstellen soll. Unter den Verbrechen und Greueltaten dieses Jahrhunderts, das daran leider Gottes wahrlich nicht arm ist, nehmen die an unseren jüdischen Mitbürgern in Deutschland und Europa von der Verbrecherbande, die den deutschen Namen ein Jahrzehnt lang geschändet hat, begangenen einen hervorragenden Platz ein. Wir fühlen alle in uns die Verpflichtung, das namenlose Unheil und Leid, das geschehen ist, nach Kräften wiedergutzumachen, aber auch den großen materiellen Schaden nach allen Kräften wieder in Ordnung zu bringen. Wichtiger als das aber erscheint uns die auch vom Herrn Bundeskanzler betonte Verpflichtung, die geistige Atmosphäre auszuräumen, in der diese Schandtaten möglich waren und ein Zusammenleben und eine Atmosphäre von Humanität zu schaffen, in der die Wiederholung unmöglich ist, ja der Gedanke an solche Dinge nur Abscheu bei allen deutschen Mitbürgern erwecken kann. Die feierlichen Erklärungen aller Parteien hier im Bundestag und die Erklärung der Bundesregierung vor der gesamten Öffentlichkeit der Welt mögen dazu beitragen, daß das erklärliche Ressentiment bei denen, die so schweres Leid durch eine voraufgegangene Regierung Deutschlands haben ertragen müssen, aus der Welt geschafft wird. In diesem Sinne danken wir der Bundesregierung für die abgegebene Erklärung.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion steht auf folgendem Standpunkt. Wer sich zum Rechtsstaat bekennt, muß sich auch zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers bekennen, sie begrüßen und unterstützen.
({0})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird Aufgabe des Deutschen Bundestages sein, in Verfolg der Regierungserklärung die erforderlichen gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. Ich schlage Ihnen vor, daß sich der Deutsche Bundestag, bevor diese Aufgaben von ihm in Angriff genommen und erledigt werden, zum Zeichen dessen, daß er in dem Mitgefühl für die Opfer einig und gewillt ist, Folgerungen aus dem, was geschehen ist, zu ziehen, von seinen Plätzen erhebt.
({0})
- Ich danke Ihnen.
Ich rufe auf den zweiten Punkt der Tagesordnung:
Entgegennahme einer weiteren Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Dem Hohen Hause habe ich im Namen der Bundesregierung folgende Erklärung abzugeben.
Das oberste Ziel der Politik der Bundesregierung ist und bleibt die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa.
({0})
Diese Einheit muß aus der freien Entscheidung des gesamten deutschen Volkes kommen.
Die Bundesregierung hat deshalb wiederholt, zuletzt in ihrer Erklärung vom 9. März 1951, die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz Deutschland zu einer verfassunggebenden Nationalversammlung vorgeschlagen. Dabei hat sie gleichzeitig die unerläßlichen Voraussetzungen für die Durchführung freier Wahlen festgelegt.
Auf alle diese Vorschläge der Bundesregierung ist eine Antwort der sowjetischen Besatzungsmacht nicht erfolgt. Die Behörden der Sowjetzone haben sie zurückgewiesen.
Nunmehr hat Herr Grotewohl am 15. September vor der Volkskammer Erklärungen abgegeben, die sich den Vorschlägen der Bundesregierung zu nähern scheinen. Die Bundesregierung hat diese Erklärungen aufmerksam geprüft. Senat und Abgeordnetenhaus von Berlin haben sofort freie Wahlen für ganz Berlin vorgeschlagen, die leider abgelehnt worden sind.
({1})
Herr Grotewohl beharrt auf Beratungen über gesamtdeutsche Wahlen. Was bedeuten Beratungen mit Kommunisten?
({2})
Die Welt weiß aus vielfachen bitteren Erfahrungen, daß Repräsentanten des Kommunismus, wenn sie von Beratungen sprechen, entweder Diktat oder endlose Verzögerungen wollen.
({3})
Anders wäre es, wenn wir es mit frei gewählten Vertretern der Bevölkerung der Sowjetzone zu tun hätten.
({4})
Mit ihnen könnten wir uns sofort einigen.
({5})
Um nichts unversucht zu lassen, wird die Bundesregierung eine Wahlordnung für freie gesamtdeutsche Wahlen vorlegen. Diese Wahlordnung wird im wesentlichen folgende Grundsätze enthalten:
1. Das Gebiet der Wahl bildet einen einheitlichen Wahlkreis; jede Partei reicht einen Wahlvorschlag für das gesamte Wahlgebiet ein.
2. Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl wird gewährleistet.
3. Alle Beschränkungen im Personenverkehr zwischen den Besatzungszonen einschließlich Groß-Berlin werden spätestens drei Monate vor der Wahl aufgehoben.
4. Jedem ordnungsgemäß vorgeschlagenen Bewerber um einen Sitz in der Nationalversammlung wird bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung im gesamten Wahlgebiet die unbedingte persönliche Freiheit gewährleistet. Er darf weder verhaftet, vorläufig festgenommen noch gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus seinem Dienst- oder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder in seiner Bewegungsfreiheit behindert werden. Ihm ist der zur Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren.
5. Niemand darf vor, während und nach der Wahl wegen seiner politischen Hartung verhaftet, vorläufig festgenommen, gerichtlich oder dienstlich verfolgt, aus seinem Dienstoder Arbeitsverhältnis entlassen oder sonst zur Verantwortung gezogen oder benachteiligt werden.
6. Öffentliche Versammlungen der Parteien, die einen ordnungsmäßigen Wahlvorschlag eingereicht haben, und ihrer Bewerber sind unbeschränkt zugelassen und unter öffentlichen Schutz zu stellen.
7. Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckschriften, die in einem deutschen Lande erscheinen, und der Empfang von Rundfunksendungen dürfen im ganzen Wahlgebiet nicht behindert werden.
8. Das Wahlgeheimnis wird gewährleistet.
9. Die Wahlzettel und ihre Umschläge sind für alle Wahlberechtigten gleich und dürfen mit keinen Merkmalen versehen sein, die die Person des Wählers erkennen lassen. Die Kennzeichnung des Wahlzettels durch den Wähler erfolgt in einem der Beobachtung durch andere Personen entzogenen Teil des Wahllokals. Vor den Augen des Wahlvorstandes legt der Wähler seinen Wahlzettel in einem Umschlag in die Wahlurne.
10. Ein Verzicht auf diese Vorschriften ist unzulässig. Jeder Verstoß macht den gesamten Wahlakt des Stimmbezirks ungültig.
11. Die Auszählung der Stimmen findet öffentlich durch den aus Vertretern verschiedener Parteien gebildeten Wahlvorstand statt.
12. Vorbereitung und Durchführung der Wahl stehen unter internationalem Schutz und internationaler Kontrolle.
13. Der Schutz ist in allen Teilen des Wahlgebiets gleichmäßig internationalen Kontrollorganen anvertraut. Die deutschen Behörden haben den Weisungen dieser Kontrollorgane Folge zu leisten.
({6})
14. Die Kontrollorgane gewährleisten die aus diesen Bestimmungen sich ergebenden Rechte und Freiheiten der Bevölkerung. Jeder Deutsche hat das Recht, die Kontrollorgane anzurufen.
Die Bundesregierung wird diese Wahlordnung nach Annahme durch den Deutschen Bundestag den Vereinten Nationen, den vier Besatzungsmächten und den sowjetzonalen Behörden zur Stellungnahme zuleiten. Sie wird dabei vorschlagen, daß die internationalen Kontrollorgane von Vertretern neutraler Mächte gebildet werden.
Echte freie Wahlen sind aber nur möglich, wenn in der Sowjetzone tatsächliche Voraussetzungen für einen freien Ausdruck des Volkswillens gegeben sind. Bis heute sind die gesamten Verhältnisse in der Sowjetzone von jenem Zustand der Freiheit weit entfernt. Noch heute leiden Zehntausende unschuldiger Häftlinge in Zuchthäusern und Gefängnissen. Die Hunderte von Flüchtlingen, die unter Aufgabe von Hab und Gut täglich die Zonengrenze nach Westen überschreiten und in der Bundesrepublik Zuflucht suchen, sind ein erschütternder Beweis für die Rechtlosigkeit und die Unfreiheit in der Sowjetzone.
({7})
Diese Menschen treibt die quälende Unsicherheit, die Angst vor dem Staatssicherheitsdienst, der Volkspolizei, dem Konzentrationslager und der Zwangsarbeit.
Die Bundesregierung fühlt sich verpflichtet, alles zu tun, um Gewißheit zu schaffen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen' für die Abhaltung der von ihr vorgeschlagenen gesamtdeutschen Wahlen gegeben sind. Das kann vor der Weltöffentlichkeit nur dadurch geschehen, daß eine neutrale internationale Kommission unter der Kontrolle der Vereinten Nationen in der Sowjetzone und auf dem Gebiet der Bundesrepublik untersucht, inwieweit die bestehenden Verhältnisse die Abhaltung freier Wahlen ermöglichen. Die Bundesregierung wird für das Bundesgebiet eine entsprechende internationale Untersuchung sofort beantragen. Es liegt bei den Behörden der Sowjetzone, dasselbe für ihr Gebiet zu tun.
({8})
Die Vereinigung des Gebietes der Sowjetzone mit der Bundesrepublik wird der erste Schritt zur Wiedervereinigung Deutschlands sein. Das ist von schicksalhafter Bedeutung für das deutsche Volk und für den Frieden der Welt.
({9})
Ich eröffne die Aussprache über diese Erklärung der Bundesregierung. Die zu dieser Erklärung gestellten Anträge liegen Ihnen vor, meine Damen und Herren.
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der Erklärung, die wir soeben vom Herrn Bundeskanzler entgegengenommen haben, die Wiederherstellung der deutschen Einheit als das oberste Ziel ihrer Politik bezeichnet. Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt die Ankündigung der Bundesregierung, eine Wahlordnung vorzulegen, die als Instrument für freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen unter internationaler Kontrolle im Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlins dienen kann. Die Bundesregierung würde mit diesem Schritt einer Forderung entsprechen, die von der sozialdemokratischen Fraktion gestellt worden ist. Es wäre einer der Schritte, die notwendig sind, damit die vordringlichste politische Forderung des ganzen deutschen Volkes verwirklicht werde: die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
({0})
Mit der Annahme eines Gesetzes, das die freie Wahl einer deutschen Nationalversammlung unter gleichen Bedingungen in den vier Besatzungszonen und in Berlin sichern soll, wird der Bundestag eine Verpflichtung erfüllen, die ihm aus der Präambel und aus Art. 146 des Grundgesetzes entsteht.
Der Bundestag erklärt heute vor dem deutschen Volk und vor der Welt, daß er freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen unter internationaler Kontrolle zu einer deutschen Nationalversammlung für dringend erforderlich hält. Diese Nationalversammlung soll für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlins verfassunggebend, gesetzgebend, regierungsbildend und -kontrollierend sein.
Die sozialdemokratische Fraktion legt Wert darauf, daß bei dieser bedeutsamen Willenskundgebung des freigewählten Deutschen Bundestags klar gesagt werde, daß die Nationalversammlung mit den Eigenschaften eines souveränen Parlaments ausgestattet werden muß,
({1})
damit die Schwierigkeiten der Übergangszeit, die nicht zuletzt auf wirtschaftlichem, auf finanziellem und auf sozialem Gebiet liegen, gemeistert werden können. Es würde die Lösung der Aufgaben, die der Nationalversammlung gestellt werden, ungemein erschweren, ja wahrscheinlich unmöglich machen, wenn sie nicht instand gesetzt würde, gesetzgeberisch tätig zu sein, um die Folgeerscheinungen des Währungsgefälles und der Entblößung der Wirtschaft und der Haushaltungen der sowjetischen Besatzungszone von lebensnotwendigen Vorräten usw. so bald wie möglich und so reibungslos wie möglich zu überwinden.
Eine Nationalversammlung, die nicht unmittelbar eine starke, handlungsfähige provisorische Zentralregierung bilden und parlamentarisch kontrollieren könnte, würde Gefahr laufen, das Schicksal der Frankfurter Nationalversammlung von 1848/49 zu erleiden.
Lassen Sie uns vor den Augen des ganzen deutschen Volkes und der Menschheit an dieses Werk gehen! Wir werden damit, soweit es an uns liegt, einen Beitrag zur Überwindung der Spannungen leisten, die heute noch die Welt beunruhigen und unter denen unser Volk leidet. Ich sagte: soweit es an uns liegt. Wir alle wissen, daß der gute Wille einer Seite allein nicht ausreicht. Dürfen wir voraussetzen, daß auch die anderen Seiten bereit sind?
Der Bundestag hat am 9, März dieses Jahres erklärt und beschlossen:
Der Deutsche Bundestag als das freigewählte Parlament der Bundesrepublik Deutschland fordert die Bundesregierung auf, den vier Besatzungsmächten zugleich im Namen derjenigen Deutschen, denen bis jetzt das Recht der freien Wahl versagt ist, als dringendes Anliegen des ganzen deutschen Volkes das Ersuchen zu unterbreiten:
({2})
1. Die Viermächte-Konferenz möge die Voraussetzungen dafür schaffen, daß so bald wie möglich freie, allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlen zu einem Parlament für ganz Deutschland durchgeführt werden können.
2. Die Durchführung dieser Wahlen unter gleichen Bedingungen in allen Zonen setzt voraus, daß durch internationale Sicherungsmaßnahmen vor, während und nach den Wahlen die volle persönliche und staatsbürgerliche Freiheit und Gleichheit für alle Personen und politischen Parteien rechtlich und tatsächlich gewährleistet werden.
3. Das aus solchen Wahlen hervorgegangene Parlament hat als echte Volksvertretung allein die Vollmachten einer verfassung- und gesetzgebenden Versammlung. Es ist allein befugt, eine Regierung zu bilden und zu kontrollieren.
4. Die so gebildete Regierungsgewalt muß durch geeignete Vorkehrungen gegen unbefugte und rechtswidrige Eingriffe wirksam geschützt werden.
Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die Regierungen der Besatzungsmächte zu ersuchen, die Bundesregierung über alle Deutschland berührenden Fragen, die sich im Zusammenhang mit der Viermächte-Konferenz ergeben, vollständig zu informieren, zu konsultieren und keinen Deutschland berührenden Beschluß ohne Zustimmung des deutschen Volkes zu fassen.
Die Vorkonferenz der Außenministerstellvertreter in Paris wurde, wie Sie wissen, abgebrochen, ohne daß es bisher zur eigentlichen ViermächteKonferenz gekommen wäre. Die Außenminister der drei Westmächte haben in ihrem Kommuniqué von Washington am 14. September dieses Jahres der Hoffnung Ausdruck gegeben - ich zitiere -, „daß die bevorstehende Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen in Paris günstige Gelegenheiten für die Aufnahme von Verbindungen sowie für Meinungsaustausch biete. Die drei Außenminister sind ihrerseits bereit, die sich ihnen bei dieser Gelegenheit bietenden Möglichkeiten voll auszunutzen."
Wir Deutschen können die Viermächte-Konferenz weder erzwingen noch können wir sie vermeiden. Wir können von uns aus aber alles tun, damit unmißverständlich der deutsche Wille zur deutschen Einheit als ein politischer Faktor in Rechnung gestellt werden muß.
({3})
In der Rede, die Herr Grotewohl vor der sowjetzonalen Volkskammer am 15. September gehalten hat und die wohl als Kommentar zu dem Appell der sowjetzonalen Volkskammer an den Bundestag gewertet werden muß, wurde behauptet, der Bundestag habe es vorgezogen - ich zitiere -, „an Stelle einer Verständigung der Deutschen untereinander sich hilfesuchend an die vier Großmächte zu wenden, die damals in Paris versammelt waren".
- So weit Herr Grotewohl. Herr Grotewohl meint
- und ich zitiere wieder -, wir seien „dabei von der völlig irrigen Auffassung ausgegangen, daß man die Frage der Vereinigung Deutschlands ohne das deutsche Volk lösen könne".
Herr Grotewohl irrt. Unser Beschluß vom 9. März erwartet und verlangt von den Regierungen der
Besatzungsmächte nicht mehr, aber auch nicht weniger als einen Schritt. Dieser Schritt heißt, die Voraussetzungen für freie Wahlen unter gleichen Bedingungen in allen vier Zonen und Berlin durch einen Beschluß zu schaffen, der besagt, daß internationale Sicherungsmaßnahmen vor, während und nach den Wahlen die volle persönliche und staatsbürgerliche Freiheit und Gleichheit für alle Personen und politischen Parteien rechtlich und tatsächlich gewährleisten.
({4})
Die Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone und besonders die unglücklichen Menschen, die in Bautzen, in Waldheim und in den anderen Strafanstalten sitzen - viele von ihnen nur deshalb, weil sie freie Wahlen gefordert haben -, diese Deutschen werden gut verstehen, daß dieses Verlangen an die Regierungen der Besatzungsmächte alles andere als unbillig ist.
({5})
Wir sagen das so deutlich, weil wir wissen, daß diesen Deutschen, die heute am schwersten unter der vereinigung die Erwartung auf Befreiung verbinden und daß beides ein und dasselbe ist.
({6})
Wir sagen es aber auch, weil wir nicht wollen, daß diese Deutschen, die heute am schwersten unter der Spaltung unseres Landes zu tragen haben, die ganze Last des Kampfes um die Einheit aufgebürdet wird. Wir wollen sie selbst mittragen, und wir wollen vor allen Dingen auf unseren Schultern die Hauptlast tragen.
Herr Dieckmann von der sowjetzonalen Volkskammer hat eingewandt, die sowjetische Besatzungsmacht müßte in dem Verlangen nach internationaler Kontrolle, wie er sagt, „mit Recht eine beleidigende Zumutung erblicken".
({7})
Uns scheint, es wäre besser, die Regierung der Sowjetunion äußerte sich dazu selbst, statt daß andere in ihrem Namen das Wort nehmen.
({8})
Warum sollte die Sowjetunion, die selbst Mitglied der Organisation der Vereinten Nationen ist, eine beleidigende Zumutung in dem Verlangen erblicken, daß etwa diese Organisation die unparteiischen Kontrollorgane bildet?
({9})
Herr Dieckmann hat gesagt, die Besatzungsmächte
sollten überhaupt aus dem Spiel gelassen werden.
Wir meinen, die Besatzungsmächte bzw. ihre Regierungen haben nur eine Aufgabe in diesem Zusammenhang. - aber d i e haben sie und die
müssen sie eines Tages erfüllen -, und diese
Aufgabe heißt: sie sollen nicht mehr tun, als zu
beschließen, daß sie übereingekommen sind, die
Ausschreibung und Abhaltung freier Wahlen in
den vier Zonen und Berlin unter internationaler
Kontrolle zu gewährleisten. Wir verlangen von
ihnen nicht, daß sie selbst die deutsche Einheit herstellen. Das ist den Deutschen selbst vorbehalten.
({10})
Darauf kommt es an. Träger der deutschen Einheit müssen die Deutschen sein!
({11})
({12})
Form und Inhalt der Einheit bestimmen die Deutschen. Wir haben von niemandem, von keiner fremden Macht verlangt und wünschen es von keiner, daß diese Kompetenzen verwischt oder verwechselt werden.
({13})
Übrigens hat auch die kommunistische Fraktion im Bundestag am 9. März in ihrem Antrag verlangt, der Bundestag solle sich an die Vorkonferenz der Stellvertreter der Außenminister mit dem Vorschlag wenden, die Frage „Wiederherstellung der Einheit Deutschlands" auf die Tagesordnung der Konferenz zu setzen.
({14})
Allerdings forderte die kommunistische Fraktion im selben Antrag als Punkt 1, der Bundestag solle dem Verlangen der sowjetzonalen Volkskammer auf Bildung eines sogenannten gesamtdeutschen Konstituierenden Rates nachkommen. Damit sind wir an einem Punkt, der zu klären ist. Im Bundestag ist ausführlich dargelegt worden, weshalb der Vorschlag auf Bildung eines solchen gesamtdeutschen Konstituierenden Rates unannehmbar ist. Ich will nichts wiederholen. Entscheidend für diesen Entschluß des Bundestages war und bleibt, meine ich, daß der sogenannte gesamtdeutsche Konstituierende Rat die Funktion einer sogenannten gesamtdeutschen provisorischen Regierung und einer sogenannten gesamtdeutschen Repräsentanz gegenüber dem Ausland ausüben sollte, ohne aus freien Wahlen geboren zu sein.
({15})
Der sogenannte gesamtdeutsche Konstituierende Rat war das Kernstück der kommunistischen Taktik jener Zeit. Er sollte sogar mit den Mitteln der sogenannten Einheitsfront von unten zustandegebracht werden, um an Stelle der gewählten Volksvertretungen und der von ihnen gebildeten und kontrollierten Regierungen die Macht auszuüben. Herr Grotewohl sagte neuerdings, nach der Ablehnung durch den Bundestag sei die Forderung auf Bildung eines sogenannten gesamtdeutschen Konstituierenden Rates nicht mehr die Forderung der sowjetzonalen Stellen. Liegt hier - so müssen wir fragen - eine echte Änderung in den Forderungen und taktischen Maßnahmen vor? Ist die vorgeschlagene „gesamtdeutsche Beratung" nicht einfach als eine ähnlich gemeinte und geplante Einrichtung wie der sogenannte gesamtdeutsche Konstituierende Rat unter anderem Namen zu verstehen? Wenn das einwandfrei geklärt wäre, wären wir einen Schritt weiter.
({16})
Geklärt werden kann das aber nur durch das verbindliche Wort der sowjetischen Besatzungsmacht, von der wir bisher nur aus dem Munde des Oberkommandierenden der sowjetischen Besatzungszone, des Herrn General Tschuikow, gehört haben, sie stehe hinter Herrn Grotewohls Forderung. Damit wir wissen, was die Regierung der Sowjetunion wirklich will und zur Zeit für möglich und notwendig hält, muß aber der Wirrwarr der Begriffsbestimmungen geklärt werden, für den nicht wir verantwortlich sind.
1947 zwischen den Außenministerkonferenzen von Moskau im Frühjahr und von London im Herbst lautete die sowjetische Begriffsbestimmung für die Sicherung des Friedens mit Deutschland, „es müßten in ganz Deutschland die Verhältnisse herrschen, die in der sowjetischen Besatzungszone geschaffen wurden".
({17})
Ich zitiere nach der sowjetoffiziösen „Neuen Zeit". Wenn es jetzt anders sein kann, muß das klar gesagt werden.
({18})
Warum sollte die Regierung der Sowjetunion nicht zu dem Entschluß kommen können, das nationale Selbstbestimmungsrecht der Deutschen zu respektieren?! Wir Deutschen wollen j a nichts anderes, als unser Land nach dem Willen des deutschen Volkes selbst regieren zu können. Wir wollen keines anderen Landes Kolonie oder Provinz sein.
Herrn Grotewohls bisherige Antworten auf die von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands gestellten Fragen waren allerdings nicht geeignet, Mißdeutungen auszuschließen. Er meint z. B., die Sozialdemokratische Partei Deutschlands könne im Falle von Wahlen in der sowjetischen Besatzungszone nur als Lizenzpartei der dortigen Besatzungsmacht und ihrer Behörden erlaubt werden.
({19})
Herr Ackermann meint, die Frage der deutschen Einheit sei nur, wie er sagt, leninistisch zu losen. Unserer Auffassung nach ist die deutsche Einheit nur von den Deutschen nach ihrem eigenen Willen zu gestalten;
({20})
denn Einheit ist gleich Befreiung, und das gilt für die Menschen in der sowjetischen Besatzungszone als Dringendstes.
Das, meine Damen und Herren, sind die Gedanken, die den Forderungen der Sozialdemokratischen Partei, zur Verwirklichung der deutschen Einheit unverzüglich fünf konkrete Schritte zu tun, zugrunde liegen. Das sind die Auffassungen, die Sie in den beiden vorgelegten Anträgen, in dem Antrag Drucksache Nr. 2596 und dem Entschließungsantrag Drucksache Nr. 2593, finden.
Wir meinen, Berlin soll der Anfang zur Verwirklichung der deutschen Einheit sein.
({21})
Aber jetzt antwortet man uns von sowjetzonaler Seite, das sei doch ein „Nebengeleis"; oder in einer Erklärung des Nationalrats der sogenannten Nationalen Front heißt es, Berlin würde im Falle solcher Wahlen „ein Anhängsel Bonns". Wie wenig Zutrauen hat man zu sich!
({22})
Und wie stellt man plötzlich die Frage Bonn und Berlin? Am 15. September, unmittelbar vor der Sitzung der sowjetzonalen Volkskammer, in der der Appell an den Bundestag beschlossen wurde, veröffentlichte die sowjetsektorale Presse Berlins eine Rede des Leiters der Verwaltung Ost-Berlins, des Herrn Friedrich Ebert, mit der Schlagzeilenüberschrift: „Wem wird Berlin gehören?". In diesem Artikel, der am Vormittag des Tages erschien, an dessen Mittag der Volkskammerappell an den Bundestag erging, ist keine Andeutung dafür zu finden, daß es sich um einen Willen zur Einheit handelt, an dessen Anfang freie Wahlen unter gleichen Bedingungen stünden. Hat die SED mehrere Politiken? Gelten ihre Worte? Und welche von ihren Worten gelten?
Berlin ist - das ist unsere Vorstellung - Deutschlands Hauptstadt.
({23})
({24})
Mit seiner Vereinigung wäre und wird ein entscheidender Schritt zur deutschen Einheit getan.
({25})
Wir sind dazu bereit!
Und so wäre mit der Vereinigung Deutschlands ein entscheidender Schritt getan, um die heute so komplizierten Fragen der Zusammenarbeit der Völker, der Zusammenarbeit Europas, einfacher lösen zu können, als es heute möglich erscheint. Es ist ja nicht so, wie es neuerdings nicht nur in einem SED-offiziösen Artikel, sondern mitunter auch hier im sogenannten Westen dargestellt wird: entweder deutsche Einigung oder europäische Zusammenarbeit, sondern es ist doch so: europäische Zusammenarbeit in der Erkenntnis der Notwendigkeit und mit dem Ziel der deutschen Einigung.
({26})
Und es ist auch so: deutsche Einigung mit dem Ziel der europäischen Zusammenarbeit.
({27})
Wenn es andere noch nicht verstehen, müssen wir, die wir uns darüber klar geworden sind, dazu beitragen, daß sie diese Auslegung des deutschen Einheitswillens als politischen Faktor realistisch in Rechnung stellen, und zwar alle Seiten!
Es scheint mir ein verheißungsvolles Anzeichen zu sein, das ich in der Entschließung der deutschen Europäischen Konferenz in Hamburg gefunden habe. Dort ist doch unter intensiver Mitarbeit sozialdemokratischer Teilnehmer in der entscheidenden Resolution erklärt worden:
Die Einfügung eines freien Deutschland in ein freies Europa kann die Einheit Deutschlands weder in Frage stellen noch verhindern. Sie erscheint vielmehr als der angemessenste Weg zu ihr. Innerhalb
- so heißt es weiter einer europäischen Gemeinschaft muß Deutschland ein Partner sein, der die gleichen Rechte genießt wie die anderen Partner.
Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß auf dem Wege zur europäischen Gemeinschaft nichts getan oder unterlassen werden dürfe, was das Endziel, von dem hier gesprochen war, in Frage stellen oder den Grundsätzen widersprechen könnte, die eben ihre letzte Verwirklichung in dieser Gemeinschaft finden müssen. Deshalb, meine Damen und Herren, sollte man auch unter den Mitgliedern dieses Hauses nicht von den Gefahren, wie es manchmal heißt, einer „zweigleisigen Politik" sprechen, sollte nicht „entweder - oder" formulieren. In dem von mir schon erwähnten und zitierten Kommuniqué der Konferenz der Außenminister der drei Westmächte in Washington wird die deutsche Einheit als Ziel auch der Politik der Westmächte anerkannt. „Eines der Hauptziele der alliierten Politik" nennt das Kommuniqué der drei Alliierten Hohen Kommissare vom Montag dieser Woche die Wiederherstellung der deutschen Einheit. Es ist, meine ich, deutsche Sache, diese Worte und das, was dahintersteht, in dem Sinne zu entwickeln, der in den Ausführungen, die ich Ihnen hier vortrage, und in den Anträgen, in denen einige der nächsten Schritte umrissen werden, zum Ausdruck gebracht worden ist. Es kommt dabei darauf an - und das wird sich bei den Diskussionen und Auseinandersetzungen der nächsten Wochen klar herausstellen -, daß von deutscher
Seite keine eventuell zugemuteten Bindungen eingegangen werden können und dürfen, die anderen Entscheidungen zuschieben, die nur uns selber zukommen. Es kommt darauf an, daß wir planmäßig und konkret, so wie es der Vorsitzende meiner Fraktion in der Sitzung vom 9. März von der Regierung gefordert hat, für die deutsche Einheit arbeiten. In diesem Sinne kann auch die Klärung der Begriffe, auf die wir jetzt dringen müssen, und das Unternehmen einiger Schritte von großem Nutzen für unser ganzes deutsches Volk sein.
({28})
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der Fraktionen der Regierungskoalition zu der vom Herrn Bundeskanzler vorgetragenen Erklärung der Bundesregierung Stellung zu nehmen. Wir begrüßen diese Erklärung der Bundesregierung in vollem Umfang und vorbehaltlos.
Seit sechs Jahren leidet das deutsche Volk unter der durch den Eisernen Vorhang vollzogenen Trennung. Diese Trennung empfinden wir im Westen um so schmerzlicher, als wir wissen, daß unsere Schwestern und Brüder im Osten eben nicht nur von uns getrennt sind, sondern daß sie unter Verhältnissen leben müssen, in denen sie alles entbehren müssen, was zur Freiheit und zur Würde der Menschen gehört.
({0})
Gewißheit und Klarheit für das deutsche Volk
hüben und drüben zu schaffen, das unter dieser
Trennung leidet, war der Sinn und der Zweck
dieser Erklärung der Bundesregierung. Nunmehr
ist für die sowjetzonalen und für die russischen
Behörden Gelegenheit gegeben, zu zeigen, ob es
ihnen mit den Vorschlägen, die angeblich auf eine
Einigung Deutschlands hinzielen, ernst ist. Die Erklärung der Bundesregierung schafft alle Voraussetzungen dafür, zu dem von allen Deutschen
selbstverständlich erstrebten Ziele eines freien
Deutschland in einem freien Europa zu gelangen.
Zu den Anträgen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei habe ich namens meiner Freunde folgendes zu erklären.
Der Antrag der Fraktion der SPD bezüglich der Abhaltung freier Wahlen in Berlin wird von uns unterstützt. Der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 2596 hat ähnliches zum Ziele wie die Erklärung der Bundesregierung. Wir müssen versuchen, sie mit der Erklärung der Bundesregierung abzustimmen. Daher beantragen wir, diesen Antrag zum Zwecke einer solchen Abstimmung in den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Ziel der Zentrumsfraktion war es stets und ist es auch heute, an dem Zusammenschluß eines freien, geeinten Europas tatkräftig zu arbeiten. Die dringende Notwendigkeit, diesem Ziele zuzustreben - angesichts des Spannungsfeldes, das Europa in unserer Zeit darstellt -, ist, wie vom Kollegen Wehner schon erwähnt, auf der Tagung der Europäischen Bewegung in Hamburg
({0})
von allen dort versammelten Vertretern der europäischen Völker deutlich und mit leidenschaftlicher Überzeugung ausgesprochen worden. Nur ein geeintes, freies und unabhängiges Europa bietet eine dauernde Gewähr für die Erhaltung des Friedens und die Sicherung des Wohlstandes seiner Völker. Die Zentrumsfraktion begrüßt deshalb die Erklärung der Bundesregierung, nach der sie als oberstes Ziel ihrer Politik den Zusammenschluß Deutschlands und der Völker der anderen europäischen Staaten in einer europäischen Gemeinschaft erstrebt. Meine politischen Freunde und ich möchten die Bundesregierung auffordern, von diesem Ziel nicht abzulassen, und werden diese Politik in jeder Weise unterstützen.
Zur Erreichung dieses Zieles des europäischen Zusammenschlusses ist eine der wesentlichen Voraussetzungen die Wiedervereinigung Deutschlands. Zu einem geeinten Europa gehört ein geeintes Deutschland. Wer Europa will, muß auch das ganze Deutschland wollen. Als einen Schritt auf diesem Wege betrachten wir die Durchführung der gesamtdeutschen Wahlen und erklären uns auch hier mit den Zielen der Bundesregierung und den von ihr als für die Durchführung der Wahlen notwendig bezeichneten Voraussetzungen einverstanden. Wir unterstützen die Regierung auch in ihrem Bemühen, die Voraussetzungen und Sicherungen zu schaffen, die wir zur Durchführung von wirklich freien, für jeden Wahlberechtigten völlig unbehinderten Wahlen für unerläßlich halten. Bereits in meiner Rede vom 9. März dieses Jahres habe ich in diesem Hohen Hause ausgeführt, daß die Grundlagen und Voraussetzungen für diese Wahlen darin bestehen müssen, daß sowohl vor wie nach den Wahlen die Sicherheit gegeben ist, daß insbesondere in der Ostzone jeder Wähler ein Leben ohne Furcht und frei von Bedrückung führen kann, ohne Rücksicht darauf, welcher politischen Partei er seine Stimme gegeben hat. Es erscheint uns unbedingt notwendig zu sein, daß das gleiche Recht und die gleiche Freiheit für alle Parteien und ihre Anhänger vor und nach den Wahlen unter allen Umständen garantiert wird. Die von der Bundesregierung in ihrer Erklärung dargelegten Voraussetzungen und Sicherungen zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen halten wir für unerläßlich, um auch tatsächlich freie und von jedem äußeren Druck unabhängige Wahlen durchführen zu können. Sie müssen frei sein von jedem Terror und dem wirklichen Willen des Wählers zum Durchbruch verhelfen. Meine politischen Freunde und ich erheben diese Forderung um so mehr, als nur eine so zustande gekommene echte und freie Wahl die Grundlage und Autorität für eine verfassunggebende Nationalversammlung darstellen kann.
Die notwendigen Voraussetzungen für die Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen zu schaffen, insbesondere zu prüfen, inwieweit die bestehenden Verhältnisse in der Ostzone die Abhaltung freier Wahlen ermöglichen, liegt nicht im Bereich der deutschen Bundesregierung. Die Ermöglichung und Durchführung gesamtdeutscher Wahlen wird von dem Willen der vier Besatzungsmächte bestimmt sein. Wir fordern deshalb die Besatzungsmächte auf, die notwendigen Voraussetzungen für gesamtdeutsche Wahlen zu schaffen. So wie die deutsche Bundesregierung in ihrer heutigen Erklärung den Willen bekundet hat, dazu beizutragen, daß die Sehnsucht des deutschen Volkes nach einem geeinten Deutschland in Frieden und Freiheit in Erfüllung geht, so hofft und erwartet das deutsche Volk, daß die Besatzungsmächte nun ihrerseits diesem Willen des deutschen Volkes entsprechen und dadurch die Hoffnung der Völker nach einem geeinten, in Frieden und Wohlfahrt lebenden Europa der Erfüllung näherbringen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann.
({0})
Reimann ({1}): Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat heute eine für unser Volk lebenswichtige Entscheidung zu treffen. Die Annahme oder Ablehnung des Vorschlages der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik ist zweifellos die wichtigste Entscheidung, die der Bundestag seit seinem Bestehen zu fällen hat. Die ganze Schwere der heutigen Entscheidung wird klar, wenn man bedenkt, daß Deutschland sich an einem Schnittpunkt der Entwicklung befindet. Es gibt nur zwei Wege für Westdeutschland. Der eine Weg führt mit dem Washingtoner Abkommen, der Wiederaufrüstung Westdeutschlands und seiner Einbeziehung in den Atlantikpakt zum Angriffskrieg, der damit zugleich ein Bruderkrieg gegen die Deutschen in der Deutschen Demokratischen Republik wird. Der andere Weg ist der Weg der gesamtdeutschen Verständigung, der Weg der freien, gleichen, direkten und geheimen Wahlen in ganz Deutschland zur Nationalversammlung, der Abschluß eines Friedensvertrages mit dem Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland.
({2})
Das ist auch der Weg zur Überwindung der internationalen Spannungen in Europa und damit zur Erhaltung des Friedens für unser Volk und die übrigen europäischen Völker. Die hohe Verantwortung, die die Abgeordneten dieses Hauses gegenüber der westdeutschen Bevölkerung haben, müßte es daher verbieten, eine leichtfertige Entscheidung zu treffen.
Ich wundere mich, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung sich ausführlich mit technischen Fragen beschäftigt. Es ist eine Selbstverständlichkeit, Herr Bundeskanzler, daß alle Fragen, die sich auf die Wahlen beziehen, auch so gelöst werden können, ohne UN-Kontrolle. Aber heute geht es nicht um die Frage, technische Dinge zu lösen, sondern entscheidend ist, ob wir uns durchringen, als Deutsche gemeinsam alle Fragen zu besprechen, alle Fragen zu besprechen,
({3})
auf die es in diesen Dingen ankommt.
({4})
Der Bundestag darf sich nicht von Kräften, die an der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands interessiert sind, zu einer Ablehnung des Angebots der Volkskammer drängen lassen. Es ist allgemein bekannt, daß die amerikanische Hohe Kommission gesamtdeutschen Gesprächen und Verhandlungen zwischen den Deutschen aus Ost und West ablehnend gegenübersteht, da die amerikanische Deutschlandpolitik die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands zur Voraussetzung hat.
({5})
Für die Entscheidung der Abgeordneten des Bundestages dürfen jedoch nur Erfordernisse der deutschen Politik, die Belange des deutschen Vol({6})
kes ausschlaggebend sein und nicht die Forderung der amerikanischen Hochfinanz.
({7}) Das deutsche Volk fordert in seiner Gesamtheit von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages eine zustimmende Antwort auf den Vorschlag der Volkskammer, damit gesamtdeutsche Beratungen über die Durchführung der Wahlen zur Nationalversammlung in ganz Deutschland zustande kommen können. Diese Beratende Versammlung darf man nicht gleichsetzen mit dem Konstituierenden Rat; sie hat mit ihm und seinen Funktionen gar nichts zu tun.
Mir ist bekannt, daß viele Abgeordnete aller Fraktionen des Bundestages von der Notwendigkeit der Abgabe einer zustimmenden Erklärung zu dem Angebot der Volkskammer überzeugt sind.
({8})
Der Ernst der Lage und die Größe der Entscheidung erfordern, daß Sie, meine Damen und Herren, sich nicht durch Fraktionszwang
({9})
zu einer Entscheidung bewegen lassen, die in Widerspruch zu den Interessen des Volkes und zu Ihren eigenen Erkenntnissen steht.
({10})
Herr Dr. Adenauer hat in seiner Rundfunkansprache am 18. September den Vorschlag der Volkskammer abgelehnt, obwohl das Angebot weder an Herrn Adenauer gerichtet, noch Herr Adenauer von irgendeiner deutschen Stelle zu der Ablehnung beauftragt war.
({11})
Die Ablehnung des Angebots geschah mit der Begründung, eine gesamtdeutsche Beratung würde die Verwirklichung des Washingtoner Abkommens unmöglich machen.
({12})
Herr Dr. Adenauer hat damit den Inhalt des Washingtoner Abkommens enthüllt;
({13})
denn welchen Charakter kann ein Abkommen haben, das die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands und die Verweigerung des Friedensvertrages mit Deutschland zur Grundlage hat?
({14}) Das kann nur ein volksfeindlicher und antideutscher Charakter sein. Ein solches Abkommen kann nur in Widerspruch zu den nationalen Interessen des deutschen Volkes, zu den Lebensinteressen unserer Nation stehen.
({15})
Und in der Tat: dieses Washingtoner Abkommen, das von Herrn Dr. Adenauer begrüßt wurde, bedeutet eine ernste Gefährdung des Friedens und damit des Lebens unseres Volkes.
({16})
Es verweigert unserem Volke das Selbstbestimmungsrecht; es verewigt die Spaltung Deutschlands und damit die nationale Erniedrigung des deutschen Volkes; es soll den Abschluß eines Friedensvertrages mit einem geeinten Deutschland unmöglich machen und damit das Besatzungsregime aufrechterhalten.
Nach dem Washingtoner Abkommen sollen junge Deutsche wieder in eine Uniform gezwungen werden, und zwar unter Bedingungen, die es einem fremden Generalstab ermöglichen, diese Deutschen für fremde Interessen auf allen möglichen Kriegsschauplätzen der Welt in den Tod zu schicken und sie selbst in den Krieg gegen ihre eigenen Brüder in der Deutschen Demokratischen Republik zu führen.
({17})
Ihrem Wesen nach ist eine solche Armee eine Kolonialtruppe etwa in der Art der Fremdenlegion in der französischen oder in der spanischen Armee. Und wer glaubt, daß ein deutscher Junge sich einer solchen Armee zur Verfügung stellen will? Glaubt jemand, daß die deutsche Jugend diese Demütigung hinnehmen wird? Niemals!
({18})
Die Aufstellung deutscher Truppenverbände im Rahmen des Atlantikpaktes und jede Wiederaufrüstung Deutschlands ist eine Gefährdung unseres nationalen Lebens. Die bisherige Entwicklung in Westdeutschland, das Entstehen militärischer Verbände unter Führung bankrotter Generale der Hitler-Armee, beweist, daß die Remilitarisierung aufs engste mit dem Wiedererstarken des Militarismus verbunden ist und damit eine hohe Gefährdung der demokratischen Rechte des Volkes und des friedlichen Zusammenlebens mit den anderen Völkern darstellt. Zahlreiche Erklärungen der führenden Generale der militärischen Verbände, die offene Propaganda in der „Deutschen Soldatenzeitung" für die Teilnahme an faschistischen Kundgebungen in Franco-Spanien beweisen,
({19}) daß die wachsende Macht der Generale im Zuge der Remilitarisierung Westdeutschlands die Gefahr einer erneuten faschistischen Entwicklung beinhaltet.
({20})
Damit werden die Befürchtungen bekräftigt, die das Wiedererstehen des deutschen Militarismus nicht nur im deutschen Volke, sondern auch unter den Nachbarvölkern Deutschlands, insbesondere in Frankreich, hervorruft. Die Erhaltung des Friedens, die Verständigung Deutschlands mit seinen Nachbarvölkern erfordern die Einigung Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage, wozu der Appell der Volkskammer den Weg eröffnet.
Die Bundesregierung hat mit der Erklärung ihres Sprechers, die Einheit Deutschlands sei eine Fata Morgana - also, meine Herren, ein Trugbild, nicht wahr? -, bewiesen, daß sie ein Feind der deutschen Einheit ist.
({21})
Darum ist die weitere Erklärung des Sprechers der Bundesregierung, gesamtdeutsche Wahlen seien eine Angelegenheit der Besatzungsmächte, nur der Versuch, die Verantwortung für die einheitsfeindliche Haltung der Bundesregierung, für die Ablehnung gesamtdeutscher Wahlen auf die Besatzungsmächte abzuschieben. Gesamtdeutsche Wahlen sind dagegen eine Angelegenheit des deutschen Volkes und können nur durchgeführt werden, wenn sich die Deutschen in Ost und West über alle Fragen, die diese Wahlen betreffen, verständigen und hierbei alle Fragen, aber auch restlos alle Fragen klären.
({22})
Dr. Adenauer hat in seiner Rundfunkrede angedeutet, der Weg der Wiederaufrüstung Westdeutschlands sei der Weg, um mit der Sowjetunion zu Verhandlungen zu kommen. Offen wird in Westdeutschland davon gesprochen, man könne die
({23})
Sowjetunion mit militärischer Stärke zu Konzessionen zwingen. Das ist der Versuch einer Wiederholung der Politik Hitlers, der die Welt in den zweiten Weltkrieg gestürzt hat. Wie der Versuch Hitlers, die Sowjetunion durch Waffengewalt zu bezwingen, geendet hat, ist Ihnen allen bekannt. Die Wiederholung des Versuchs Hitlers unter amerikanischem Protektorat ist zum Scheitern verurteilt, wobei die Schlachten nicht östlich der Weichsel und des Njemen, sondern in Deutschland geschlagen werden.
({24})
Eine solche Politik kann nur mit der völligen Vernichtung unserer Heimat und unseres Volkes enden. Das deutsche Volk aber denkt nicht daran, bankrotten Politikern und Generalen auf diesem Wege zu folgen. Das beweist die einmütige Ablehnung der Remilitarisierung und der Aufstellung westdeutscher Söldnerarmeen in allen Schichten der Bevölkerung.
Die Fraktion der SPD hat dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, der die Irreführung und die Verhinderung einer gesamtdeutschen Beratung bezweckt.
({25})
Dr. Schumacher und Ollenhauer wissen ganz genau, daß ein nur vom Bundestag beschlossenes Wahlgesetz, ohne Verständigung mit den Deutschen in der Deutschen Demokratischen Republik,
({26})
niemals die Grundlage für gesamtdeutsche Wahlen sein kann.
({27})
Sie wollen mit Ihrem Antrag 48 Millionen Menschen, ohne sie zu fragen, ausschalten.
({28})
- Setzen wir uns zusammen und klären wir die Fragen!
({29})
Das Reichstagswahlgesetz der Weimarer Republik war unter entscheidender Mitwirkung der SPD zustande gekommen. Warum, Herr Schumacher, wollen Sie keine Beratungen der Deutschen aus Ost und West über die Schaffung eines Wahlgesetzes auf dieser Grundlage? Doch nur, weil Sie gesamtdeutsche Beratungen und damit gesamtdeutsche Wahlen verhindern wollen,
({30})
weil Sie sich auch in dieser Frage wie in allen Grundfragen der deutschen Politik prinzipiell in keiner Weise von Dr. Adenauer unterscheiden.
({31})
Das wird auch durch den nächsten Punkt Ihres Antrages bestätigt, womit Sie durch einen Schritt bei den. Besatzungsmächten die Voraussetzung für die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen schaffen wollen. Sie wollen also aus einer Angelegenheit der Deutschen, über die sich die Deutschen verständigen müssen, eine Angelegenheit der Besatzungsmächte machen.
({32})
Sie fordern scheinbar die Gleichberechtigung des
deutschen Volkes; aber in der Frage der Durchführung gesamtdeutscher Wahlen, die zweifellos das elementarste Recht unseres Volkes sind, legen Sie die Entscheidung in fremde Hände. Damit wollen Sie zweifellos gesamtdeutsche Wahlen verhindern, die Spaltung Deutschlands aufrechterhalten und die Verantwortung für diese Politik von sich selbst abschieben.
({33})
Herr Dr. Schumacher will also selber unserem Volk die Entscheidung in dieser lebenswichtigen Frage vorenthalten. Herr Dr. Schumacher, Sie haben einmal die Rolle des Herrn Bundeskanzlers gegenüber den Amerikanern mit einer Bezeichnung charakterisiert, die Ihnen den Ausschluß für 30 Sitzungstage einbrachte.
({34})
Und nun wollen Sie selber die Entscheidung in dieser Lebensfrage des Volkes in die Hände der westlichen Alliierten legen!
({35})
Sie stehen also auf demselben Standpunkt wie Herr Dr. Adenauer, der erklären ließ, die Durchführung gesamtdeutscher Wahlen sei eine Angelegenheit der Besatzungsmächte.
({36})
Wodurch unterscheiden Sie sich nun von dem durch Sie damals geprägten Begriff?
({37})
Der Antrag der SPD dient nur einem Zweck: die gesamtdeutsche Verständigung zu hintertreiben, die Abhaltung gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung unmöglich zu machen und den Abschluß eines Friedensvertrages mit dem Abzug aller Besatzungstruppen zu verhindern.
Meine Damen und Herren! Mit dem Appell der Volkskammer ist in unserem ganzen Volke eine breite Bewegung für die Wiedervereinigung der beiden Teile unseres Vaterlandes, für die Unabhängigkeit unserer Nation und für die Erringung des Selbstbestimmungsrechtes des deutschen Volkes entfacht worden. Das Volk wird ein Parlament nicht als seine Vertretung betrachten können, das an seinem elementarsten Recht und an seinem ungestümen Verlangen nach Frieden und Einheit achtlos vorübergeht. Wie auch die Entscheidung ausfallen mag, die heute hier getroffen wird, die Bewegung im deutschen Volke für Einheit, Frieden, Unabhängigkeit und Demokratie wird zu einem immer mächtiger werdenden Strom anschwellen und alle Dämme durchbrechen,
({38})
alle Hemmnisse beseitigen, bis unser Volk in einem einheitlichen, unabhängigen, friedlichen und demokratischen Deutschland sich ein neues Leben erbauen kann.
({39})
Treten wir Deutsche zusammen, ohne daß wir Bedingungen. im voraus stellen.
({40})
Alle Fragen können, werden und müssen im Interesse des Friedens und der Wiederherstellung der Einheit unseres Vaterlandes geklärt werden.
Ich stelle im Namen der kommunistischen Fraktion folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Bundestag stimmt dem Vorschlag der
Volkskammer der Deutschen Demokratischen
({41})
Republik zur Durchführung einer gesamtdeutschen Beratung zu, die folgende Aufgaben erfüllen soll:
1. Für ganz Deutschland freie, gleiche und geheime demokratische Wahlen für eine Nationalversammlung zur Schaffung eines einheitlichen, demokratischen und friedliebenden Deutschlands festzulegen.
({42})
2. Den beschleunigten Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland und den darauf folgenden Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland zu verlangen.
Der Bundestag bildet einen interfraktionellen Ausschuß, dem Vertreter aller Fraktionen. angehören. Dieser Ausschuß hat die Aufgabe, alle Anregungen, Vorschläge und Bedingungen, die nach Auffassung aller Fraktionen des Bundestages die Grundlage für die gesamtdeutsche Beratung bilden sollen, zusammenzutragen und zu prüfen. Der Herr Bundestagspräsident wird gebeten, das vom interfraktionellen Ausschuß zusammengetragene und ausgearbeitete Material dem Präsidenten der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik Herrn Dieckmann zuzuleiten und mit diesem den Termin für den Zusammentritt für die erste gemeinsame Beratung zu vereinbaren.
Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
({43})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier heute von der Wiederherstellung der deutschen Einheit, und wir haben soeben einen Antrag gehört, der freie demokratische Wahlen in ganz Deutschland zum Ziel hat. Zu ganz Deutschland gehören aber auch die ehemaligen Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie, Ostpreußen, Pommern und Schlesien!
({0})
Sie sind rechtlich heute noch ein Teil von ganz Deutschland. Ich glaube nicht, daß diese Debatte vorübergehen kann, ohne daß das einmal ausdrücklich hier gesagt wird.
({1})
Ich kann sagen, daß ich das nicht nur namens der Vertriebenen vorbringe, sondern ich befinde mich auch in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung, mit meinen politischen Freunden und sicherlich mit allen Abgeordneten dieses Hauses, die wahrhaft als Deutsche denken.
({2})
Ich darf darauf Bezug nehmen, daß in der Regierungserklärung der Bundesregierung vom Herrn Bundeskanzler mit Betonung gesagt wurde, daß das, was wir jetzt vorhaben, ein erster Schritt zur Wiederherstellung der deutschen Einheit ist. Wir begrüßen diesen ersten Schritt, meinen aber doch ausdrücklich auch darauf hinweisen zu müssen, daß es nur ein erster ist und daß der letzte nur darin bestehen kann, daß das ganze Deutschland in den Grenzen von 1937 wieder vereinigt wird.
({3})
Der Herr Vorredner hat den Herrn Bundeskanzler als Feind der Einheit bezeichnet.
({4})
Es ist ein geradezu grotesker Tatbestand, daß aus
einem solchen Mund ein solcher Vorwurf kommen kann.
({5})
Es ist von anderer Seite des Hauses mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die jetzige Regierung der Deutschen Demokratischen Republik kein geeigneter Verhandlungspartner für uns sein kann und daß man, wenn man mit ihr verhandelt, eigentlich nicht vor die rechte Schmiede geht. Ich möchte das noch unterstreichen und sagen, daß Leute, die unsere Heimat ausdrücklich preisgegeben und verraten haben, niemals das Recht haben, das Wort „deutsche Einheit" überhaupt nur in den Mund zu nehmen.
({6})
Um aber jedes Mißverständnis von vornherein auszuschließen, möchte ich namens der Vertriebenen - und ich glaube, ich kann es tun - sagen, daß uns jeder Gedanke an eine gewaltsame Zurückeroberung unserer Heimat absolut fernliegt. Ich möchte hier ein leidenschaftliches Bekenntnis zum Frieden ablegen.
({7})
Das ist kein Bekenntnis ad hoc. Wir haben dieses Bekenntnis schon vor Jahr und Tag feierlich abgelegt in der Charta der Vertriebenen, in der wir gesagt haben, wir verzichten auf Haß und Rache. Man kann uns also in dieser Hinsicht nicht verdächtigen. Wir halten aber daran fest, daß wir unsere Heimat unter allen Umständen mit friedlichen Mitteln wiederhaben wollen. Wir werden von dieser Haltung niemals abgehen und hoffen, daß wir es erreichen, daß einstmals auch diese Gebiete ein Teil von ganz Deutschland und damit ein Teil eines freien Europas sind.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens meiner Partei, des Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten, Nachstehendes zu erklären.
Wir bedauern es sehr, daß es trotz der ernsten Zeit diesmal nicht gelungen ist, eine einheitliche Erklärung der deutschen Parteien in dieser schicksalsschweren Frage herbeizuführen. Wenn wir die deutsche Einheit wollen, dann müssen wir selbst eine Einigkeit darstellen. Für uns ist die Frage der gesamtdeutschen Wahlen kein außenpolitisches Problem, sondern eine gesamtdeutsche Frage ersten Ranges. Die heutige Rede des Abgeordneten Reimann hat uns davon überzeugt, um was es in Wirklichkeit geht, und ich möchte doch einiges dazu sagen.
Niemand in Westdeutschland hat den neuerlichen Grotewohl'schen Vorschlag auf gesamtdeutsche Wahlen als einen grundsätzlichen Gesinnungs- und Kurswechsel im kommunistischen Lager aufgefaßt. Aber auffallend einmütig wurde diesmal der neue Volkskammerappell als Ausdruck einer unverkennbar zunehmenden schwierigen Stellung. der SED und ihrer sowjetischen Befehlshaber empfunden, und er muß deshalb ernster genommen werden, als es bisher geschah, um so mehr, als es Gewißheit ist, daß die Bevölkerung der Sowjetzone von gesamtdeutschen Wahlen und westlich-demokrati({0})
schen Sicherheiten die Befreiung von kommunistischer Parteidiktatur erwartet.
Die allgemeine Forderung, die Kommunisten diesmal in ihrer eigenen Propagandaschlinge zu fangen und die deutsche Wiedervereinigung im demokratischen Sinne vorzutreiben, kann nicht überraschen, sondern entspricht dem Gefühl zunehmender Stärke des Westens gegen sowjetische Bedrohung.
Für uns als Heimatvertriebene haben gesamtdeutsche Wahlen auch noch eine andere Bedeutung. Wir tragen es schwer, daß drüben in der Sowjetzone noch Millionen Deutsche leben, die genau von dem gleichen Schicksal verfolgt sind wie wir, die ihre Existenz, ihr Vermögen und ihre Heimat verloren haben und die gleiche Sehnsucht haben, mit uns in einem vereinigten Deutschland leben zu können. Der Herr Bundeskanzler hat auch zu dieser Frage in seinem Referat Stellung genommen. In hunderten Briefen an uns klagen unsere Schicksalsgefährten aus dem Osten, welchem Druck und welcher politischen Verfolgung sie ausgesetzt sind. Tausende suchen illegal bei uns in Westdeutschland Zuflucht, und wir müssen sie gegen die Übergriffe unserer eigenen Bürokratie schützen. Mit fadenscheinigen Begründungen werden diese Menschen bisher von allen Betreuungsmaßnahmen ausgeschlossen.
Ihre Not ist ebenso eine Auswirkung der Beschlüsse von Jalta und Potsdam, die nicht nur 15 Millionen Deutsche aus ihrer angestammten Heimat vertrieben, sondern darüber hinaus weitere Millionen der Willkür des bolschewistischen Systems auslieferten. Keine politische Instanz der deutschen Bundesrepublik darf sich deshalb der sittlichen Verpflichtung entziehen, für die von dieser Not Betroffenen einzutreten. Wir verlangen deshalb, daß im Vertriebenengesetz die Vertriebenen in der sowjetischen Zone und in Berlin den Vertriebenen in Westdeutschland in jeder Beziehung gleichgestellt werden. Schon diese Umstände gebieten es, daß wir durch gesamtdeutsche Wahlen ein gesamtdeutsches Parlament schaffen, in dem es keinen Unterschied zwischen Heimatvertriebenen im Westen und im Osten gibt.
Wir begrüßen deshalb die Anträge der SPD, an die Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volke baldigst Gelegenheit zu geben, in freien, allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlen unter internationaler Kontrolle eine verfassung- und gesetzgebende sowie regierungsbildende Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlin zu wählen. Ebenso werden wir dem Antrag des Zentrums über den Zusammenschluß eines freien Europas und Einbeziehung der Bundesrepublik als gleichberechtigten Partner unsere Zustimmung nicht versagen. Wir begrüßen insbesondere die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers auf das wärmste, vor allem die angekündigte Wahlordnung für gesamtdeutsche Wahlen. Ich freue mich besonders über die Erklärung des Kollegen Dr. Kather, daß auch die ostdeutschen Gebiete in unsere Sorgen und in unsere Forderungen eingeschlossen werden müßten, nicht nur die Gebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie, sondern auch die Gebiete im Sudetenland, und vor allem ist es notwendig, daß die Saar miteingeschlossen wird. ({1})
Eines muß aber klar sein: Mögen die heutigen Erklärungen der politischen Parteien dieses Hohen Hauses und auch die Regierungserklärung nicht den gleichen Wortlaut haben, aus allen geht das deutliche Verlangen und die Sehnsucht, ein einheitliches Deutschland zu schaffen, hervor, darüber hinaus unsere Brüder und Schwestern drüben aus Unfreiheit und Knechtschaft zu befreien. Wir müssen die Regierung auffordern, den nationalen Anspruch auf deutsche Einheit zur Richtschnur ihres Handelns zu machen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf ganz wenige Sätze beschränken. Die Bayernpartei hat sich immer zum deutschen Vaterland bekannt und wird sich immer zu ihm bekennen.
({0})
Wir stimmen deshalb der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zu und begrüßen die Initiative der Bundesregierung, die einen konkreten Vorschlag über die Grundlage der wiederherzustellenden Einigkeit darstellt. Die gesamtdeutschen Wahlen, auf die dieser Vorschlag hinausläuft, dürfen aber, wenn sie einmal kommen werden, auf keinen Fall etwa den staatlichen Aufbau eines künftigen Deutschland im zentralistischen Sinne präjudizieren.
({1})
Denn die gleiche Freiheit, meine Damen und Herren, die wir nach außen hin fordern, müssen wir auch im Innern verlangen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Löfflad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich
({0})
haben der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nichts mehr hinzuzufügen. Sie enthält alle die Voraussetzungen, die wir für ein Zustandekommen von gesamtdeutschen Wahlen für notwendig halten. Nun wird es an den Ostzonenbehörden liegen, zu beweisen, ob es ihnen ernst ist, ein einiges friedliches Deutschland in Freiheit und Recht zu schaffen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu der großen Planlosigkeit in den westlichen Demokratien hat der Kreml seit 1917 eine sehr gerade und sehr klare Linie. Von Stalin stammt das Wort, daß man die Taktik Dutzende von Malen ändern könne, daß das Ziel aber immer unverrückbar fest bleibe. Es kann daher in dem jetzigen Angebot, das von Herrn Grotewohl gemacht worden ist, sicherlich nicht die Initiative zum Selbstmord der SED erblickt werden, sondern vielmehr nur ein Schachzug des Kremls.
Meine Damen und Herren! Es wird ja in Deutschland immer von der deutschen Einheit in Freiheit geredet, die wir wiederherstellen wollen. Ich bin
({1})
aber der Überzeugung, daß wir die Alternative, vor der wir uns seit einiger Zeit befinden, nicht so sehr überspannen sollten. Wenn man die deutsche Einheit wiederherstellen will, dann wird im Augenblick immer der Vorschlag gemacht, hier aufzurüsten, um diesem Ziele näher zu kommen. Ich glaube, daß wir diesem Ziele wesentlich näher kämen, wenn wir uns einmal bemühten, nun herauszufinden, was die Sowjets, deren Position sich in der letzten Zeit doch erheblich geschwächt hat, wirklich wollen. Die Vorbehalte und die Vorschläge für eine Wahlordnung, die der Herr Bundeskanzler hier vorhin vorgebracht hat, können jedoch nur auf das nachdrücklichste unterstützt werden, wenn man vor unliebsamen Überraschungen mit den Söldnern Moskaus sicher sein will.
({2})
Ich muß aber der Ansicht widersprechen, daß die Wiedervereinigung Deutschlands ausschließlich Angelegenheit der Besatzungsmächte sei. Zweifelsfrei sind die Besatzungsmächte die Urheber des derzeitigen Zustands. Das enthebt uns aber nicht der Notwendigkeit, etwas mehr in diesen Dingen zu tun, als bisher getan worden ist. Es ist häufig der fatale Eindruck entstanden, daß man sich sagte, die in Bonn wollen ja diese allgemeinen Wahlen gar nicht aus der Angst heraus, daß bei solchen Wahlen die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse in Bonn ganz erheblich ins Rutschen kommen könnten.
Ein britischer Sprecher der Hohen Kommission erklärte kürzlich, daß man den offiziellen Vorschlag der Sowjets auf Wiedervereinigung Deutschlands nicht ablehnen solle, sondern daß man bei allen Vorbehalten, die man sowjetischen Offerten gegenüber haben müsse, auf die Dinge eingehen müsse. Es wurde auch sehr richtig erklärt, daß die Erklärung Tschuikows ein Beweis dafür sei, daß die zunehmende Festigkeit im Westen ihren Eindruck auf die Sowjets nicht verfehlt habe. Aber, meine Damen und Herren, wenn die Franzosen - sie haben es jetzt vor einigen Tagen sehr heftig und sehr energisch dementiert - immer noch mit der Möglichkeit liebäugeln, mit den Russen in ein direktes Gespräch zu kommen, dann sehe ich nicht ein, warum wir, die wir nun rein territorial die Anlieger, Anrainer sind, dies nicht noch mehr als die Franzosen tun sollten, die es nur mit dem Hintergedanken tun, uns etwas anzuhängen. Die jetzigen Dementis aus Paris, als eine amerikanische Meldung die Nachricht brachte, daß die Franzosen gewillt seien, mit den Russen wieder direkte Besprechungen aufzunehmen, waren mehr als pflaumenweich.
Wir hoffen, daß die Bundesregierung es in Zukunft nicht mehr bei allgemeinen Erklärungen bewenden läßt, sondern daß sie sich noch energischer als bisher auf diese Dinge einstellt und sich bemüht, ein Gespräch in Gang zu bringen. Ich glaube, wir dienen dem Frieden der Welt, den wir ja aus Lebensinteressen heraus nun weiß Gott erhalten müssen, mehr, wenn wir diesen Weg einschlagen, als wenn wir, die wir noch gar keinen Säbel haben, mit einem imaginären Säbel ständig rasseln.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter. - Ich darf die Herren unabhängigen Abgeordneten bitten, im Rahmen der für die Fraktionen vereinbarten Redezeit, sich an eine Redezeit von fünf Minuten zu halten.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Angebot, das der sogenannte Regierungschef eines Teiles Deutschlands, wie wir es vorausgesehen haben, zum zweiten Male gemacht hat, läßt die Frage aufkommen, ob man damit tatsächlich etwa das Begräbnis der da drüben herrschenden Partei ganz offiziell ankündigte, oder ob es sich vielleicht nur um ein Scheinbegräbnis handelt, das man begeht, um die eigentlichen Absichten jener Macht zu vertuschen, die hinter der SED steckt. Um den Sinn dieses Angebots überhaupt richtig verstehen zu können, müssen meiner Ansicht nach die Lage und die Absichten der Sowjetunion einmal besonders herausgestellt werden.
Eine westeuropäische Front würde für die Russen militärisch und letzten Endes auch wirtschaftlich eine eminente Schwächung bedeuten. Seine an sich neuralgischen Punkte wie das Ölzentrum Baku und der westsibirische Raum mit seiner konzentrierten Schwerindustrie würden noch mehr gefährdet werden, als sie an sich schon heute gefährdet sein dürften. Innerhalb der nächsten acht oder zehn Jahre dürfte von der Sowjetunion bei ihrem geringeren Rüstungspotential gegenüber dem Westen ein Kämpfen an zwei Fronten als ein untragbares Risiko angesehen werden, das die Russen wohl nur dann auf sich zu nehmen bereit wären, wenn sie dazu gezwungen würden. Käme es dann allerdings zu einem Vorstoß der Russen nach dem westeuropäischen Raum, so würden sie dort nicht nur versuchen, das Menschenpotential für ihre Zwecke einzusetzen, sondern sie würden ebenso die wirtschaftlichen Möglichkeiten sich dienstbar zu machen bestrebt sein. Bei einem eventuellen Rückzug bedeutete das aber nicht mehr und nicht weniger - das Vorspiel dazu haben wir ja bereits erlebt - als eine Verschleppung von Menschen und Material nach jenen Räumen, die dann als sicherer gelten können. Das hieße, nach diesem Zwischenspiel würde Deutschland nicht mehr existieren.
({0})
- Wären Sie Soldat gewesen, würden Sie etwas mehr davon verstehen!
Wie nun vorauszusehen war, hat Herr Grotewohl seinen Vorschlag gemacht; aber ich glaube, man kann über diesen Vorschlag nicht mit allgemeinen Redensarten hinweggehen.
({1})
Die Gründe der Ablehnung, die immer wieder vorgebracht werden, stehen eigentlich so fest, daß sie reichlich uninteressant genannt werden können. Interessanter erscheint mir in diesem Zusammenhang das diplomatisch-politische Ballspiel, das erneut, nur diesmal ganz offiziell, zwischen dem französischen Außenministerium und der Bonner Regierung getrieben wird, ein Spiel, das nur eindeutig auslegbar sein kann. Ausgerechnet im jetzigen Augenblick stellt der französische Außenminister die Forderung nach einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik auf, was nichts anderes bedeutete, als daß Frankreich, Luxemburg, Belgien und Holland auch über eine gesamtdeutsche Regelung mitzureden hätten. Und ausgerechnet jetzt, nämlich am 23. September 1951, erklärt die Bundesregierung, daß sie den Vorschlag Schumans vollinhaltlich billige. Die Politik, die Frankreich unter Ludwig XIV. mit bestimmten Kräften am Rhein zu betreiben versuchte, die Politik, die Napoleon mit den Staaten des Rheinbundes betrieben hat, feiert also fröhliche
({2})
und diesmal amtliche Auferstehung, feiert so sehr Auferstehung, daß der Vorschlag Schumans einerseits und die zustimmende Antwort der Bundesregierung andererseits inhaltlich aus den Dekreten Napoleons an die Rheinbundstaaten genommen sein könnten.
Was die Siegermächte im Jahre 1945 mit ihrer radikalen Teilung Deutschlands erreichten, nämlich die Schaffung eines Unruhefaktors erster Ordnung, bestätigt die uralte geschichtliche Erfahrung, daß ein Dualismus auf die Dauer gesehen zu Unfrieden, Unruhe und Auseinandersetzungen führen muß. Beide Teile versuchen nämlich, in den von ihnen beherrschten Räumen ihr Festungs- und Vorgelände aufzubauen, und Deutschland soll auf der einen wie auf der anderen Seite der leidtragende Teil sein, der in erster Linie die Haut zu Markte zu tragen hat. Alles, was man bisher erreichen konnte, war, Defensivpläne aufzustellen, die nichts anderes bedeuten als das, was ich vorhin bereits geschildert habe. Die Entscheidung darf für uns nicht die sein: Wie gliedern wir uns der einen oder der anderen Seite ein, wie ordnen wir uns dieser oder jener politischen Macht unter, sondern: Wie bleiben wir überhaupt außerhalb dieser Kräfte? Wie bewahren wir uns unsere Freiheit und unsere Selbständigkeit, die dann allerdings auf allen Gebieten so stark ausgebaut werden muß, daß sie sich gegenüber all diesen Kräften auch wirklich erhalten kann? Darin muß meiner Ansicht nach das Ziel der deutschen Politik bestehen, also nicht darin, Vasall der einen oder der anderen Mächtegruppe zu werden, sondern darin, die Freiheit Deutschlands außerhalb dieser Mächtegruppierungen zu erstreben.
Der Königsteiner Entwurf für die eventuell I durchzuführenden gesamtdeutschen Wahlen, der Ihnen j a zugeleitet worden ist, erscheint mir sehr günstig. Es kann nur empfohlen werden, ihn nicht nur im Hause, sondern darüber hinaus auch in der Regierung entsprechend zu beachten. Ich glaube allerdings, es wird kaum zu einer solchen Wahl kommen; denn, wie ich eingangs erwähnte, würde sich j a durch eine solche Wahl jene Kraft, die heute im Osten innerpolitisch die beherrschende Macht darstellt, selbst ausmanövrieren, und ich glaube, manche andere Kraft im Westen dann auch mit.
({3})
Weil man sich davor fürchtet, deshalb redet man
zwar große Töne davon, aber zu einer entscheidenden Tat in dieser Richtung wird es nicht kommen.
({4})
Noch etwas habe ich dazu zu sagen. Es ist bei allem, was man sonst an diesen Erklärungen begrüßen kann, bedauerlich, daß immer noch, wenn die Rede auf die deutschen Ostgebiete kommt, nur die Grenzen von 1937 erwähnt werden. Wenn man von den deutschen Ostgebieten spricht, kann überhaupt nur der Raum von Memel bis zum Böhmerwald als deutsches Gebiet erwähnt werden, denn er ist altes Reichsgebiet, ist altes deutsches Land. Die Forderung auf Rückgabe dieses uns widerrechtlich geraubten Gebietes muß eine Forderung eines jeden Deutschen immer und immer wieder sein und bleiben.
Im Rahmen der Aussprache hat sich als letzter der Abgeordnete Goetzendorff zum Wort gemeldet.
({0})
Goetzendorff ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mancher, der diese Debatte verfolgt, mag begründete Zweifel daran haben, ob sie geeignet ist, uns der deutschen Einheit entgegenzuführen.
({2})
Der Bundestag muß sich darüber klar werden, daß er die Verantwortung für die Dinge trägt, die vielleicht in ein, zwei Jahren kommen: für Schützengräben in deutscher Erde und für Hunderttausende neuer Toter. Ich bin der Meinung, daß es besser wäre, wenn auch der Herr Bundeskanzler einmal von seinem Podest voller Vorbehalte stiege und wenn Menschen der Bundesregierung mit Menschen der sowjetzonalen Regierung zusammenkämen, um eine Möglichkeit zu finden,
({3})
über die Vorbehalte hinweg ein gesamtdeutsches Gespräch zu beginnen.
Es ist hier gesagt worden, daß die Heimatvertriebenen ein unverzichtbares Recht auf ihre Heimat haben. Ich möchte das unterstreichen. Die Heimatvertriebenen haben dieses unverzichtbare Recht; aber sie wollen heim, und sie wollen sich nicht dazu mißbrauchen lassen, für andere die Kastanien aus dem Feuer zu holen und einen Kreuzzug gegen den Bolschewismus zu entfachen. Die Heimatvertriebenen wollen in ihre Heimat unter würdigen Bedingungen,, aber sie wollen endlich einmal Ruhe finden auf ihrer großen Wanderung. Deswegen bin ich der Meinung: es sollten, ohne daß man mit dem Kommunismus paktiert, sich deutsche Menschen finden, die in Gesprächen von Regierung zu Regierung einen Modus finden, der die Einheit Deutschlands ermöglicht.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Kiesinger.
Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß ich meinen Antrag auf Überweisung des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion an den gesamtdeutschen Ausschuß - diese Überweisung sollte j a nur zum Zwecke der Detailabstimmung mit der Regierungserklärung erfolgen - zurückziehen kann, und erkläre namens der Fraktionen der Regierungskoalition, daß wir diesem Antrag zustimmen werden.
({0})
- Ihre kindlichen Begriffe von den Beziehungen dieses Hauses zu anderen Stellen
({1})
will ich jetzt nicht kritisieren, Herr Reimann.
({2})
Ich stelle folgenden Antrag:
Der Bundestag billigt die Erklärung der Bundesregierung.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Fraktion der Kommunistischen Partei, den der Herr Abgeordnete Reimann verlesen hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte
({0})
um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt ist.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums, Drucksache Nr. 2621. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, Drucksache Nr. 2593, betreffend freie Wahlen in allen Sektoren Berlins. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß der Antrag Drucksache Nr. 2593 mit allen Stimmen gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen ist.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auf Drucksache Nr. 2596. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit allen Stimmen bei unsicherer Stimmabgabe auf der äußersten Linken angenommen ist.
({2})
- Die Erklärung des Herrn Abgeordneten Renner ist zu Protokoll genommen. Ich denke, daß damit den Notwendigkeiten genügt ist.
({3})
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Kiesinger:
Der Bundestag billigt die Erklärung der Bundesregierung.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({4})
.Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß dieser Antrag gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion ohne Enthaltungen angenommen ist.
({5})
Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, bitte ich, bekanntgeben zu dürfen: Der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen bittet die Ausschußmitglieder, sich zu einer kurzen Sitzung um 12 Uhr in Zimmer 12 einzufinden. Es bleibt dabei, Herr Abgeordneter Wehner!
Ferner bittet der Ausschuß zum Schutz der Verfassung mitzuteilen, daß die für morgen angesetzte Sitzung ausfällt und voraussichtlich am Donnerstag, dem 11. Oktober, mit der gleichen Tagesordnung stattfindet.
Ich darf darauf hinweisen, daß bei mir angeregt worden ist, mittags - etwa um 1 Uhr - eine kurze Pause zu machen, damit die Fraktionen die Möglichkeit haben, zu dem Antrag des Rechtsausschusses über die Vertretungen im Verfassungsstreit vor dem Bundesverfassungsgerichtshof
Stellung zu nehmen. Ich würde Ihnen vorschlagen, daß wir die Sitzung etwa von 1 bis 2 Uhr unterbrechen. Sind Sie damit einverstanden?
({6})
- Das ist der Fall.
Ich rufe nun auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ({7});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend § 52 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({8});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Anpassungsmaßnahmen für Altpensionäre und Althinterbliebene ({9});
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Erhöhung der Bezüge für Pensionäre und den unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personenkreis ({10});
e) Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Erhöhung der Pensionen ({11});
f) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht ({12}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Aufhebung der bisherigen Kürzung der Grundgehälter der Hilfsschullehrer ({13}).
Darf ich annehmen, daß der Herr Bundesminister der Finanzen den Gesetzentwurf begründen wird? - Die Bundesregierung verzichtet auf eine mündliche Begründung.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen zu diesem Punkt eine Aussprachezeit von insgesamt 120 Minuten vor.
Darf ich zunächst den Herrn Abgeordneten Dr. Kleindinst bitten, den mündlichen Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht betreffend Aufhebung der bisherigen Kürzung der Grundgehälter der Hilfsschullehrer zu erstatten.
Dr. Kleindinst ({14}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag des Zentrums bezweckt, durch Streichung der für die Hilfsschullehrer geltenden Bestimmung der Reichsbesoldungsordnung die Möglichkeit zu schaffen, für sie durch Beschluß des Bundestages eine Sonderregelung zu treffen.
Der Sachverhalt ist folgender. Im Jahre 1931 hat die Preußische Regierung im Zuge von Sparmaßnahmen die Kürzung der Bezüge der Hilfsschullehrer um 500 Mark durchgeführt. Dann ist im nationalsozialistischen Staat die reichseinheitliche Besoldung gekommen, und im Jahre 1943 sind die Bezüge der Hilfsschullehrer wieder um 200 Mark erhöht worden. Der Bund selbst besoldet keine Hilfsschullehrer, weil das Schulwesen nicht Angelegenheit des Bundes, sondern der Länder ist. Die Reichsbesoldungsordnung besteht aber noch.
Der Beamtenrechtsausschuß hatte Bedenken, dem Antrag des Zentrums zuzustimmen, und zwar aus folgendem Grund. Da gegenwärtig erst die grundsätzlichen Fragen des Beamtenrechts und eine Verbesserung der Besoldung erledigt werden müssen, kann einzelnen Anträgen auf Besserstellung in der
({15})
Besoldungsordnung oder auf Vergünstigungen in ihr nicht Rechnung getragen werden.
({16})
Der Ausschuß glaubte in seiner überwiegenden Mehrheit, daß jetzt nicht damit begonnen werden dürfe, derartigen Anträgen stattzugeben, weil die größeren Fragen von allgemeiner Bedeutung im Vordergrund stehen. Er hat deshalb dem Bundestag vorgeschlagen, den Antrag der Fraktion des Zentrums der Bundesregierung zur Erwägung bei der Neugestaltung der Besoldungsordnung zu überweisen. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Abgeordnete Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf - Drucksache Nr. 2504-versucht die Regierung, eine Frage zu regeln, über die in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit sehr viel diskutiert worden ist, eine Frage, die einen geradezu unhaltbar gewordenen Zustand betrifft: die Regelung der Beamtengehälter. Die Regierung hat nun mit dem Gesetzentwurf den Versuch unternommen, die Beamtengehälter den Zeitverhältnissen anzupassen und eine Reihe von sogenannten Zwiespältigkeiten in der Rechtsauslegung zu beseitigen. Ich sage ausdrücklich, es ist ein Versuch der Regierung, diese Regelung durchzuführen, ein Versuch, der unserer Meinung nach nicht voll gelungen ist. Insbesondere kann auch die Begründung zur Vorlage der Regierung unserer Auffassung nach nicht voll überzeugen.
Wir müssen bei der Betrachtung dieser Regelung - nennen wir sie einmal eine „kleine Besoldungsreform" - von der Grundtatsache ausgehen, daß unsere Besoldungsordnung aus dem Jahre 1927 stammt und seit dieser Zeit keine Änderung erfahren hat, mit der einzigen Ausnahme, daß schon im Dezember 1930 durch die Brüningsche Notverordnung eine Kürzung der Gehälter um 6 % Platz gegriffen hat. Selbst wenn man diese Gehälter im allgemeinen als richtig bezeichnen wollte - ich bin der Meinung, daß auch die Besoldungsordnung von 1927 der Kritik nicht mehr standhält, wenn man die Zeitverhältnisse und die geschichtliche Entwicklung berücksichtigt -, bleibt doch festzustellen, daß sie keineswegs mehr ausreichen und somit auch beamtenrechtlich ihren Zweck nicht mehr erfüllen.
Wir haben nach 1945 auf dem Gebiete der Beamtenbesoldung zwei Regelungen bekommen. Die erste Regelung erfolgte 1948 durch eine Anordnung, die vom Wirtschaftsrat kam, und sah eine 15 %ige Erhöhung der Grundgehälter vor. Wir haben weiterhin eine Erhöhung um 20 Mark bekommen, die sich aus Verhandlungen über das Königsteiner Abkommen ergab. Während die erste Erhöhung für Gehälter bis zu 250 Mark in Frage kam, wurde die zweite Erhöhung für Gehälter bis zu 350 Mark, auslaufend auch bis zu 370 Mark gegeben. Alle anderen Gehälter, wie sie sich aus der Besoldungsordnung von 1927 ergeben, sind bisher unberührt. geblieben, haben also keinerlei Änderung nach oben, aber eine Änderung nach unten in Höhe von 6 % erfahren. Diese Gehaltskürzung um 6 % ist allgemein durch eine Verordnung aufgehoben worden und sie soll nun durch dieses Gesetz, und zwar durch die Bestimmung in Kapitel I, legalisiert werden, so daß für die kommende Zeit die bisher gezahlten Gehälter als rechtsgültig in Frage kommen.
Ich glaube, wenn wir einmal die Regierungsvorlage überblicken, dann werden wir feststellen können, daß die Regierung hier den Versuch macht, einen bestehenden Notstand auf Kosten eines Berufsstandes selbst zu regeln. Der Satz von 20 %, wie er hier als Gesamtregelung vorgeschlagen wird, hat auch draußen in der Öffentlichkeit wiederholt zu falschen Schlußfolgerungen geführt. Wichtig und richtig ist doch festzuhalten, daß bereits ab 1. April eine Erhöhung der Bezüge um 15 % auf dem Vorschußwege erfolgte und daß nun durch die neue Vorlage nichts anderes erfolgen soll als die Erhöhung dieser Bezüge um weitere 5 Prozent. Es ist nämlich draußen viel diskutiert worden, und die Beamten haben vielfach an den Knöpfen abgezählt, was es nun gibt: also keine 15 + 20 = 35, sondern 15 + 5 = 20 %. Das ist die Erhöhung, die effektiv in Erscheinung tritt, und zwar für die aktiven Beamten.
Wenn man einmal die gesamte Verordnung unter die Lupe und die Begründung dazu nimmt, dann wird man, glaube ich, nicht umhin können, der Regierung zu sagen, daß diese Vorlage sehr spät erfolgt, obwohl der Regierung bekannt ist, in welcher Notlage sich die Beamten befinden, besonders die Beamten der niederen und mittleren Besoldungsgruppen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat im Januar dieses Jahres in einer eingehenden Denkschrift Zahlen veröffentlicht über die Überziehung der Gehälter, über die Weigerung der Darlehnskassen und Hilfskassen, weitere Darlehen zu geben, weil an eine Zurückzahlung dieser Darlehen und Vorschüsse nicht gedacht werden kann. Daß fast ein ganzes Jahr lang über die Erhöhung der Gehälter geredet wird, ist ein Zustand, der auf dem schnellsten Wege, auch im Interesse des Beamten und des Staates und der Dienststellen allgemein, beseitigt werden muß.
({0})
- Ja, die Steuern! Ich komme noch darauf zurück.
Ich habe gestern hier den Ausspruch unseres Kollegen Dr. Wuermeling gehört, der auf dem Standpunkt steht, an den althergebrachten Grundsätzen des Beamtenrechts solle nicht gerüttelt werden.
({1})
Nach dem Beamtenrecht muß aber die Treuepflicht des Beamten mit der Fürsorgepflicht des Staates in Einklang gebracht werden.
({2})
Ich glaube, dieser Versuch der Regierung und die lange Hinauszögerung lassen sich dadurch erklären, daß die Regierung in ihrer gesamten Politik - auch auf dem Gebiete der Preis-, Lohn- und Gehaltspolitik - mit vorübergehenden Zuständen gerechnet hat. Wenn wir an die immer wieder gehörten Versicherungen des Wirtschaftsministers denken, daß das nur vorübergehende Zustände seien und die Löhne und Preise und Gehälter sich auspendeln würden, dann haben wir die Begründung dafür, warum die Regierung nicht schon früher an die Regelung dieser Frage herangegangen ist. Die Relation, die einmal geschaffen war, als die Besoldungsordnung in Kraft trat, ist längst überholt, und es ist heute vielfach so, daß Beamte, die als Vorgesetzte von Arbeiter- und Angestelltengruppen tätig sind, in ihrem Verdienst weit unter dem der Leute ihrer Kolonnen liegen.
({3})
Dabei möchte ich feststellen, daß kein Mensch etwa behaupten will, die Löhne der Arbeiter und Angestellten seien über Gebühr erhöht worden. Ich will damit nur sagen: das Unglück liegt eben darin, daß die Beamten in bezug auf ihre Gehälter bisher auch von der Regierung stiefmütterlich behandelt worden sind.
Eine andere Frage, die in diesem Zusammenhang behandelt werden muß, ist die der Pensionen der Ruhestandsbeamten. Ich sehe in diesem Gesetzentwurf in all seinen Kapiteln keine Regelung der Pensionen, wenigstens der der Altpensionäre. Ich glaube, auch hier ist es notwendig, einiges Grundsätzliche zu sagen.
Wir haben bisher bei den Altpensionären Pensionen nach den Gehältern von 1927 gehabt. Diese Pensionen sind bisher nicht erhöht, sondern im Gegenteil gekürzt worden. Wir finden in dieser Vorlage Bestimmungen über die Aufhebung, also den Wegfall einiger Verordnungen über Gehaltskürzungen, finden aber keine Vorschriften über den Wegfall von Bestimmungen, die die Kürzung von Pensionen zum Ziele hatten. So sind z. B. die Verordnung zur Sicherung von Währung und Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom Oktober 1948 und eine gleichlautende Verordnung vom März 1949 immer noch in Kraft. Es ist also in der Gesamtheit eine wesentliche Kürzung auch der Beamtenpensionen zu verzeichnen. Wie unhaltbar dieser Zustand ist, braucht man nicht noch einmal besonders zu betonen.
Ich glaube aber, daß es notwendig ist, auf eines hinzuweisen. Es ist in der Öffentlichkeit vielfach ein falsches Bild über die Höhe der Pensionen entstanden, und es hat nicht an Hinweisen darauf gefehlt, daß die Pensionen nicht nur für den Bundeshaushalt, sondern auch für die Staatshaushalte der einzelnen Länder eine ungeheure Belastung darstellen. Kein Mensch wird diese Begründung etwa als nichtssagend abtun können, soweit man die Belastung in ihrer Gesamtheit betrachtet. Sieht man aber die Pensionen im einzelnen an, dann kommt ein ganz anderes Bild heraus. Die Durchschnittspension beträgt z. B. bei der Deutschen Bundesbahn heute 158 DM.
({4})
Bei der Bundespost ist es nicht viel anders. Etwas höher ist sie in den Kommunal- und Staatsverwaltungen, überhaupt in den Verwaltungen, weil wir dort vielfach Pensionäre aus der mittleren, aus der gehobenen und aus der höchsten Laufbahngruppe haben. Wenn schon die Durchschnittspension auf 158 DM steht, wieviel Pensionen muß es dann geben, die noch darunter liegen? Selbstverständlich liegen einige Pensionen auch einmal über der Durchschnittspension. Es ist mit einer rechtsstaatlichen Auffassung und mit dem Grundsatz der Unteilbarkeit des Rechts nicht vereinbar, daß Beamte, die jahrelang ihren Dienst geleistet haben, zum Teil wegen geringer Besoldung, zum Teil wegen der Abzüge eine Pension erhalten, die sie geradezu zwingt, die Fürsorge- und Wohlfahrtsämter in Anspruch zu nehmen.
({5})
Ich glaube, es ist notwendig, das grundsätzlich herauszustellen, weil wir der Meinung sind, daß diese Fragen eine wesentliche Rolle bei der endgültigen Regelung spielen müssen.
Der Bundesfinanzminister hat seiner Vorlage eine Reihe von Begründungen mitgegeben. Ich möchte mich nur mit einer davon beschäftigen. Der
Bundesfinanzminister hat zur Begründung für die Weglassung einer Regelung für die Altpensionäre auf die Leistungsunfähigkeit des Bundes hingewiesen. Aber ich glaube, wenn es darum geht, einen Rechtszustand zu schaffen, und wenn es darum geht, rechtliche Schlußfolgerungen zu ziehen, dann darf man das Schwergewicht der Begründung nicht allein auf die fiskalische Seite legen.
Die Entwicklung der Verhältnisse hat mehrere Länderregierungen veranlaßt, schon vorweg eine Regelung vorzunehmen. Es ist erfreulich, festzustellen, daß eine ganze Reihe von Ländern die Pensionäre und die aktiven Beamten gleichmäßig behandelt hat.
Wenn Sie eben durch einen Zwischenruf auf die erhöhten Steuern hingewiesen haben, dann darf ich demgegenüber folgendes sagen. Ich bin persönlich der Meinung: dort, wo sich für den Staat aus den Gesetzen eine Verpflichtung ergibt, hat der Staat für die Deckung zu sorgen;
({6})
und das haben auch die Länderregierungen getan, indem sie ihre Etats überprüft haben, ob nicht durch die Streichung des einen oder anderen Postens diese vordringliche Frage doch gelöst werden kann.
({7})
- Ja, was heißt „mehr Ausgaben beantragt"?! Wenn wir einmal all das überprüfen, was sich aus den ganzen Dingen haushaltsmäßig ergibt, ich glaube, dann hätten wir auch hier die Möglichkeit, eine Rangordnung für Ausgaben aufzustellen, bei der die Beamten bestimmt nicht an letzter Stelle stünden.
({8})
Ich glaube, es war notwendig, auf diese Dinge hinzuweisen. Wir sind der Meinung, daß wir endlich - das ist die notwendige Schlußfolgerung aus der Gesetzgebung - zu einer gleichmäßigen Behandlung kommen müssen.
Gestatten Sie mir noch einen Hinweis. Nach § 12 in Kap. V werden diese Regelungen erst in Kraft treten, wenn die Verkündung des Gesetzes erfolgt. Der Bundesfinanzminister legt Wert darauf, vorweg die Möglichkeit zu haben, in Ausführungsbestimmungen eine Reihe von Dingen zu klären. Wir sind der Meinung, daß die Erhöhung um 20 % nicht nur für die aktiven Beamten, sondern auch für die Pensionäre selbstverständlich sein und daß man die Regelung nicht lange hinausschieben, sondern die Unruhe und den Mißmut, die sich draußen bei den Beamten bemerkbar gemacht haben, auf dem schnellsten Wege aus der Welt schaffen sollte.
Das, glaube ich, war zu der grundsätzlichen Seite hin notwendigerweise zu sagen. Wir behalten uns vor, das, was zu der Vorlage zu sagen nötig ist, noch im Ausschuß zum Ausdruck zu bringen.
({9})
Ich schlage vor, nunmehr so zu prozedieren, daß jene Fraktionen, die die Anträge b, c, d und e gestellt haben, sie nun- mehr begründen und daß ihre Redner in der Diskussion gleichzeitig zu den Ziffern a und f des Punktes 3 sprechen. - Das Haus ist einverstanden.
Wer begründet die Anträge für die Bayernpartei? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Dr. Etzel ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 13. September auf Antrag der Koalitionsparteien die Absetzung des damaligen Punktes 7 - der heutigen Ziffern a bis e des dritten Punktes - der Tagesordnung beschlossen. Die Antragsteller begründeten ihren Vorschlag damit, daß über diese Beratungsgegenstände noch Verhandlungen zwischen der Regierung und den Fraktionen schwebten. Es ist zu hoffen, daß diese Verhandlungen inzwischen erfolgreich abgeschlossen werden konnten.
Zu Ziffer b darf ich folgendes bemerken. Es wird wohl von keiner Seite bestritten, daß die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes in dem Bundesgesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes besonders schlecht weggekommen sind. In der seinerzeitigen Debatte des Bundestags ist das auch zugegeben und die Erwartung zum Ausdruck gebracht worden, daß diese Benachteiligung durch eine nachfolgende gesetzliche Maßnahme beseitigt wird. Diesem Ziele dient der Antrag der Bayernpartei vom 6. Juli, Drucksache Nr. 2439.
In der Schlußphase des letzten Reiches ist die Walze der Desorganisation erbarmungslos über die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes hinweggegangen. Wieder einmal waren es die wirtschaftlich und sozial Schwachen, die vor allem die Auswirkungen einer von ihnen nicht zu verantwortenden verfehlten Politik, die Folgen eines schuldigen Systems und die brutalen Stöße der Torschlußpanik über sich ergehen lassen und erdulden mußten. Innerhalb kurzer Frist waren sie übergangslos vor das Nichts gestellt. Plötzlich waren ihre Arbeitsverträge nur noch Fetzen Papier. Löhne und Gehälter wurden nicht mehr ausgezahlt, Kündigungsfristen nicht eingehalten, an die Post zu Auszahlungszwecken überwiesene Beträge wurden nicht mehr abgefertigt, sondern blieben einfach liegen. So wurden später beim Postscheckamt Stuttgart über 6 Millionen und auf dem Postscheckamt Karlsruhe 3,5 Millionen solcher Gelder eingestampft. Jetzt noch haben die Betroffenen Schwierigkeiten, Dienstbescheinigungen bei den Abwicklungsstellen der ehemaligen Wehrmacht zu erhalten. Eine baldige Regelung ist daher unabweisbar.
Zu Ziffer c, Drucksache Nr. 2445, darf ich folgendes ausführen. Die Notwendigkeit, die Bezüge nicht nur der aktiven Bundes- und Länderbediensteten, sondern auch der Pensionäre und Hinterbliebenen anzupassen, wird allgemein bejaht. Seit dem Oktober 1950, also seit einem vollen Jahre, harrt das Problem der einheitlichen und gesetzlichen Lösung. Dadurch, daß vorläufige Teilregelungen auf dem Verwaltungswege erfolgten und einzelne Länder - unter sich wiederum unterschiedlich - dem Bund in der Anpassung vorausgingen, herrscht eine unerfreuliche Wirrnis. Der auf der Drucksache Nr. 2504 vorliegende Gesetzentwurf unternimmt es, die Altpensionäre und Althinterbliebenen von der Neuregelung auszuschließen. Er gibt damit in einem entscheidenden Punkte die im Kabinettsbeschluß vom 8. Mai dieses Jahres vorgesehene Regelung preis. Die Darlegung der Begründung des Gesetzentwurfs, daß die „notwendige Neuregelung der für die Altpensionäre zugrunde zu legenden Dienstbezüge erst im Zusammenhang mit der grundlegenden Besoldungsreform vorgenommen werden und bei einer Besserung der Haushaltslage im nächsten Jahre in Kraft treten" könne, bedeutet nicht mehr als eine fragwürdige Vertröstung der Machtlosen. Die mit dem Hinweis auf die Haushaltslage versuchte Rechtfertigung der Zurücksetzung und Benachteiligung der Altpensionäre geht fehl, da es sich um eine Angelegenheit des Rechts handelt. Der Ausschluß der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen wäre ein Tiefschlag gegen das in Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes und in den Länderverfassungen - z. B. in Art. 95 der bayerischen Verfassung - anerkannte Berufsbeamtentum, zu dessen Wesen nicht nur die fachliche Vorbildung, die grundsätzlich lebenslängliche Anstellung, der lebensberufliche öffentliche Dienst und die wechselseitige Treuepflicht zwischen dem öffentlichen Dienstherrn und dem Staatsdiener, sondern auch der Schutz und die Achtung der erworbenen Rechte gehören. Der Versorgungsanspruch ist ein Element des Berufsbeamtentums; er ist ein Bestandteil der erdienter Bezüge, die in ihrem realen Wert, in ihrer Kaufkraft, tunlichst erhalten bleiben müssen. Tatsächlich haben die öffentlichen Bediensteten, deren Besoldungsregelung noch auf das Jahr 1927 zurückreicht, nicht nur an der Verbesserung des Lebensstandards nicht teilgenommen, sondern ihn auch in keiner Weise aufrechterhalten können. Sie sind, zudem durch die Währungsumstellung aufs schwerste getroffen, heute weitgehend und weithin verschuldet.
Das Berufsbeamtentum ist einer der wenigen Aktivposten, die uns verblieben sind. Wir hätten allen Anlaß, nicht auch ihn noch preiszugeben, sondern die Berufsbeamtenschaft als unentbehrlichen Faktor festgefügten und gut funktionierenden staatlichen Lebens und als wichtige gesellschaftliche Stütze und Säule inmitten proletarisch absinkender Massen zu erhalten. Tatsächlich aber sind zu keiner Zeit gefährlichere und massivere Angriffe gegen das Berufsbeamtentum geführt worden als seit dem Jahre 1945. Wir haben es uns allzu bequem gemacht und uns daran gewöhnt, unsere Komplexe - wie in der Entnazifizierung - auf der Linie des geringsten Widerstandes abzureagieren und unseren Schwierigkeiten in der widerstandsschwächsten Richtung auszuweichen, hier also zu Lasten des geduldigen, disziplinierten, stellen-und zeitweise vielleicht auch eingeschüchterten Berufsstandes der öffentlichen Beamten. Es verdient Anerkennung, daß sich in ihm gleichwohl ein hohes Maß von Berufsethos erhalten hat.
Um so leichter glauben wir es uns gegenüber den durch Tod gelichteten und durch Alter oder Gebrechen geschwächten Kreisen der Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen machen zu können. Der Respekt vor treu geleisteter Lebensarbeit und unsere eigene Würde sollten uns davor bewahren, hemdsärmelig vorzugehen.
In der Vergangenheit ist bei Regelungen der Beamtenbesoldung niemals der Grundsatz der Einheitlichkeit verletzt worden. Weder in der Zeit der Monarchie, noch während der Weimarer Republik, noch unter der Herrschaft des Nationalsozialismus ist das geschehen. Eine solche Differenzierung blieb der Bundesrepublik vorbehalten. Die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Regelung ignoriert die Tatsache, daß die Teuerung für alle, die aktiven Beamten und die Altpensionäre und Althinterbliebenen, gleich ist, setzt an die Stelle eines Rechtsanspruchs eine Fürsorgemaßnahme und benachteiligt, da die an die aktiven Beamten zu zahlenden Zulagen ruhegehaltsfähig sein sollen, die Altpensionäre und Althinterbliebenen gegenüber den künftigen Pensionären und Hinterbliebenen,
({2})
schafft also zwei Gruppen verschiedenen Rechts. Gemeinwesen, die Garanten des Rechts sein sollen, dürfen auch unter dem Einfluß finanzieller Schwierigkeiten nicht in einer solchen diskriminierenden Weise verfahren. Woher wollen wir die Berechtigung nehmen, den Besatzungsmächten gegenüber auf die Geltung, Wirksamkeit und Unverbrüchlichkeit anerkannter Rechtsgedanken und Rechtsgrundsätze zu verweisen, wenn wir selber nach innen ihnen zuwiderhandeln?
In der vorliegenden Fassung kann der Entwurf unmöglich Gesetz werden. Namens der Fraktion der Bayernpartei darf ich an das Hohe Haus die dringende Bitte richten, dem Antrag auf Drucksache Nr. 2445 ohne Ausschußüberweisung zustimmen zu wollen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Bei dem zur Beratung stehenden Gesetzentwurf der Regierung handelt es sich nach meiner Meinung auch wieder nur um ein Flickwerk in Angelegenheiten der Beamtenbesoldung. Die Regierung beschreitet hier den gleichen Weg wie bei der Regelung der Rechte der Beamten, die ebenfalls durch ein Flickwerk an dem Beamtengesetz aus dem Jahre 1937 erfolgt ist. Aus der von der Regierung gegebenen Begründung geht diese Tatsache eindeutig hervor. In der Begründung wird gesagt, daß eine grundsätzliche Neuregelung des Besoldungsrechts erst mit der endgültigen Regelung des Beamtenrechts erfolgen soll. Ich erinnere Sie an die Zeit, als wir hier das Flickwerk des Beamtenrechtsgesetzes behandelt haben. Damals wurde von einer vorläufigen Regelung der Rechte der Beamten gesprochen. Regierung und Regierungsparteien haben damals erklärt, es handele sich um ein Gesetz für eine nur kurze Übergangszeit; ein neues Beamtengesetz werde dem Hause sehr bald zugeleitet werden. Inzwischen ist ein Jahr vergangen. Zwar liegt nunmehr der Entwurf eines neuen Gesetzes vor. Aber ich glaube mich keineswegs zu irren, wenn ich die Vermutung ausspreche, daß ein weiteres Jahr vergehen wird, bis dieses Gesetz vom Hause verabschiedet sein wird. Die Regierungsparteien haben damals alle Anträge, die bei der Beratung der Änderung des Gesetzes von 1937 gestellt wurden und die die berechtigten Forderungen der Beamtenschaft enthielten, mit der Begründung abgelehnt, es sei zweckmäßig, derartige Forderungen bei dem in Kürze zu erwartenden Gesetz zu berücksichtigen.
Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß ein Jahr vergangen ist und daß ich mich wahrscheinlich nicht irre, wenn ich behaupte, daß ein weiteres Jahr vergehen wird, bis zu den Forderungen der Beamtenschaft in Verbindung mit der Vorlage des Beamtengesetzes endgültig Stellung genommen werden kann. Die Regierung will nach ihrer Begründung zu dem jetzt vorliegenden Gesetz betreffend die Besoldungsreform, die sehr dringlich und erforderlich ist, die endgültige Besoldungsreform ebenfalls hinausschieben, bis das neue Beamtengesetz Tatsache geworden ist. Bis dahin will sich die Regierung mit dem von mir gekennzeichneten Flickwerk begnügen. Das bedeutet, daß die Beamten noch sehr lange auf eine wirkliche, ihren Forderungen gerecht werdende Gehaltsreform warten müssen.
Was die in dem vorliegenden Gesetzentwurf vorgesehenen Gehaltserhöhungen und Zulagen betrifft, so entsprechen diese unserer Auffassung nach keineswegs der durch die Teuerung entstandenen Lage. Die Beamtenorganisationen weisen mit absoluter Berechtigung darauf hin, daß eine Steigerung der Lebenshaltungskosten von 70 und mehr Prozent zu verzeichnen ist. Die geringen Teuerungszulagen und die nunmehr vorgesehene Gehaltserhöhung werden dieser Situation in keiner Weise gerecht. Die Regierungsvorlage sieht nur eine Gehaltserhöhung um ganze 20 % und bei den niedrigen Gehaltsgruppen eine zusätzliche Ausgleichszulage vor. Aber angerechnet werden die inzwischen gewährten Teuerungszulagen, die von der inzwischen eingetretenen Teuerung längst wieder überholt sind. Damit - das ist unsere Auffassung - können sich die Beamten keineswegs zufrieden geben.
Insbesondere besteht unter der gesamten Beamtenschaft eine berechtigte Empörung über die Tatsache, daß selbst bei dieser provisorischen, vorübergehenden Regelung die Altpensionäre nicht berücksichtigt werden sollen. Die Altpensionäre werden auf die später kommende Gehaltsreform vertröstet.
({0})
- Herr Wuermeling, ich habe Ihnen früher schon einmal gesagt: Mit so einer Platte kann man doch nichts machen. Wenn Sie ein ernst zu nehmender Politiker sein wollen, dann haben Sie zu der Frage hier im Augenblick in Westdeutschland Stellung zu nehmen. Ich stelle die Frage: Wovon sollen diese Altpensionäre angesichts der fortschreitenden Teuerung leben, die in ihrer Mehrzahl eine sehr bescheidene Pension erhalten? Die Regierungsbegründung sagt darüber nichts aus. In der Begründung der Regierung wird kurz und bündig erklärt:
Der Forderung der Altpensionäre, auch in die Neuregelung einbezogen zu werden, kann im gegenwärtigen Zeitpunkt aus Haushaltsgründen nicht entsprochen werden. Die notwendige Neuregelung der ihrer Versorgung zugrunde zu legenden Dienstbezüge kann erst im Zusammenhang mit der grundlegenden Besoldungsreform vorgenommen werden und bei einer Besserung der Haushaltslage im nächsten Jahr in Kraft treten.
Das ist wörtlich die Begründung der Regierungsvorlage zu der Frage einer Aufbesserung der Ruhegehälter der Altpensionäre. Es gibt, meine Damen und Herren, meiner Meinung nach recht sonderbare Optimisten in der Regierung, wenn, wie geschehen und von mir ausgeführt, von einer Besserung der Haushaltslage im nächsten Jahr gesprochen wird. Wenn davon die Erfüllung der berechtigten Forderung der Altpensionäre abhängig gemacht wird, dann kann man jetzt schon mit Bestimmtheit sagen, daß die Altpensionäre auch im nächsten Jahr keine Besserung ihrer Lage durch die Regierung zu erwarten haben.
Ich stelle die Frage: Wie kann die Regierung von einer Besserung der Finanzlage im nächsten Jahr sprechen, wenn sie bereit ist, uns eine neue Wehrmacht zu bescheren, die mit einem Kostenaufwand von 24 bis 30 Milliarden auf die Beine gestellt werden soll?
({1})
({2})
Den Beamten und Altpensionären sei gesagt: Remilitarisierung und Besatzungskosten sind unvereinbar mit der Besserung der sozialen Lage der arbeitenden Bevölkerung und damit auch mit der wirtschaftlichen Lage der Beamten und der Behördenangestellten. Wir Kommunisten - das erkläre ich zum Schluß - sind jederzeit bereit, die berechtigten Forderungen der Beamten und Behördenangestellten weitestgehend zu vertreten.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Pannenbecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Unterstützung meiner Fraktion habe ich bereits am 28. März einen Antrag vorgelegt, die Bezüge der Beamten, Ruheständler und der übrigen Versorgungsberechtigten mit Wirkung vom 1. April 1951 ab um 20 % zu erhöhen. Der Antrag meiner Fraktion hängt im Beamtenrechtsausschuß.
({0})
- Herr Kollege Wuermeling, Sie sagen, weil der Deckungsvorschlag fehlt. Vielleicht darf ich annehmen, daß Ihre Fraktion einen entsprechenden Antrag bisher nicht eingebracht hat, weil sie ebenfalls nicht in der Lage ist, einen Deckungsvorschlag vorzulegen.
({1})
- Darauf warte ich.
Der Herr Finanzminister hat ein halbes Jahr gebraucht, um zu dem Problem überhaupt Stellung zu nehmen. Die Vorlage ist eben Flickwerk genannt worden. Ich will mich dieses Ausdrucks nicht bedienen, bin aber der Meinung, daß es mindestens nur ein Stückwerk ist, was die Regierung durch den Herrn Bundesfinanzminister hier vorgelegt hat.
({2}) Wenn unser Antrag so viel Zeit gebraucht hat, nämlich ein halbes Jahr, um überhaupt Gegenstand einer Debatte im Plenum zu werden, dann hätte man wenigstens annehmen dürfen, daß der Herr Finanzminister in diesem halben Jahre ganze Arbeit geleistet hätte.
Inzwischen sind einige weitere Anträge dem Bundestag vorgelegt worden - sie datieren aus dem Monat Juli -, nämlich der Bayernpartei, der Deutschen Partei und der Freien Demokratischen Partei, die sich ebenfalls mit dem Problem befassen und die, Herr Abgeordneter Wuermeling, soviel ich weiß, auch keinen Deckungsvorschlag enthalten. Wir freuen uns darüber, daß auch andere Fraktionen unseren Antrag durch ihre Anträge unterstützt haben.
Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Böhm hat in der Hauptsache und sehr ausführlich zu den Dingen Stellung genommen. Ich kann mich im wesentlichen darauf beziehen und auch auf das, was der Herr Kollege Etzel von der Bayernpartei soeben gesagt hat. Unser Anliegen geht nicht zuletzt dahin, daß die Ruheständler, Witwen und Waisen bei einer Erhöhung der Bezüge der aktiven Beamten unter allen Umständen und in derselben Höhe miterfaßt werden.
({3})
Es ist erfreulich, daß auch die nach unserem Antrag gestellten Anträge dasselbe wollen.
Auf diesem Gebiete gibt es - das ist eben schon gesagt worden - kein teilbares Recht. Man kann nicht, Herr Bundesfinanzminister, ausschließlich mit haushaltsrechtlichen Gründen operieren und sagen: In diesem Augenblick geht es nicht, die Ruheständler, Witwen und Waisen müssen bis zur neuen Besoldungsregelung warten. Es ist vorhin voti dem Optimismus der Regierung im Hinblick auf die Gestaltung des neuen Etats gesprochen worden. Auch ich bin der Meinung: wenn das eintreten soll, was aus diesem Optimismus spricht, dann werden die Ruheständler, Witwen und Waisen in den nächsten Jahren überhaupt keine Erhöhung ihrer Bezüge bekommen.
Mit dem Antrag der Bayernpartei, der zu dem Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes gestellt worden ist, sind wir einverstanden; wir werden genauestens prüfen, was sich nach der Richtung hin noch tun läßt.
Nicht einverstanden sind wir dagegen damit, daß der Zentrumsantrag betreffend die Wiedergewährung von Zulagen an Hilfsschullehrer der Regierung lediglich zur Erwägung überwiesen wird mit dem Anheimgeben, bei der neuen Besoldungsregelung zu überlegen, was da noch getan werden kann. Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht darum, die Bezüge der Hilfsschullehrer zu erhöhen, sondern darum, ihnen die Zulage, die man ihnen genommen hat, vor der Neuregelung der Besoldung wieder zu geben. Der Regierungsvertreter hat im Beamtenrechtsausschuß erklärt, das werde zu Berufungen führen. Ja, meine Damen und Herren, wenn noch mehr Leute so geschädigt worden sind und sich dann darauf berufen, daß hier etwas wiedergutgemacht worden ist, dann muß geprüft werden, wie auch das an anderer Stelle geschehene Unrecht wiedergutgemacht werden kann. Das mit den Berufungen ist ein alter bürokratischer Einwand, auf den man sich meiner Meinung nach nicht zurückziehen kann, wenn es gilt, Unrecht aus der Welt zu schaffen.
Ich unterstreiche noch einmal: Es geht um die Erhöhung der Beamtenbezüge um 20 %, die wohl bescheiden genug ist. Ich bleibe auch bei diesem meinen Antrag vom März vorigen Jahres und beantrage jetzt nicht eine größere Erhöhung der Bezüge. Wir fügen uns da dem, was eben möglich ist. Wenn ich jedoch meinen Antrag auf Erhöhung der Bezüge um 20 °Io aufrechterhalte, dann tue ich das heute mit dem nachdrücklichen Hinweis darauf, daß es unter keinen Umständen angängig ist, die Ruheständler, Witwen und übrigen Versorgungsberechtigten von dieser Erhöhung, und zwar rückwirkend vom 1. April 1951, auszuschließen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der seit Monaten offenen Frage der Bezüge der Beamten, Ruhegehaltsempfänger und Hinterbliebenen habe ich namens der Fraktionen der Regierungskoalition, CDU/CSU, FDP und DP, folgende Erklärung abzugeben:
Die Regierungsparteien sind der Auffassung, daß der Grundsatz des Beamtenrechts und die durch Art. 33 des Grundgesetzes verfassungsmäßig gesicherte Grundlage des Berufsbeamtentums die gleichmäßige Berücksichtigung der Ruhegehälter u n d der Hinterbliebenenbezüge erfordern. Leider ermöglicht die Lage der Finanzen des Bundes und
({0})
auch die der meisten Länder und Gemeinden in diesem Rechnungsjahr noch nicht die volle Erfüllung der begründeten und berechtigten Forderungen.
({1})
Wenn die Regierungsparteien aber dem soeben hervorgehobenen Grundsatz Rechnung tragen wollen, so besteht zur Zeit nur die Möglichkeit einer gleichmäßigen 15 %igen Zulage zu den genannten Bezügen. Die Regierungsparteien sind übereinstimmend der Auffassung, daß allein diese Regelung den Belangen des Berufsbeamtentums entspricht, während die einseitige Berücksichtigung der aktiven Beamten diese Grundsätze preisgeben würde.
Selbstverständlich erstreben die Regierungsparteien die Durchführung dieses Grundsatzes auch für den Personenkreis des Gesetzes nach Art 131 des Grundgesetzes, sind aber auch hier an die dafür zur Verfügung stehenden Mittel gebunden. Am dringlichsten erscheint uns dabei die Aufbesserung der bekanntlich besonders niedrigen Übergangsgehälter, die zum Teil unter den Beträgen der Überbrückungshilfe, ja sogar der Arbeitslosenfürsorge liegen. Wieweit sich eine solche Zulage allerdings auch für die Pensionäre unter den 131ern verwirklichen lassen wird, kann erst nach Abschluß dieses Haushaltsjahres und bei weiterem Vollzug des Gesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes übersehen werden. Im übrigen werden die Regierungsparteien bei der kommenden Ausschußberatung auch die Frage eines prozentualen Zuschlages zum Kindergeld noch besonders prüfen.
Lassen Sie mich nun, meine Damen und Herren, diese gemeinsame Erklärung namens der Regierungsparteien noch kurz begründen und erläutern. Wenn man heute von der Plattform des Bundeslages endlich einmal auch über eine bescheidene Teuerungszulage zu den Beamtengehältern sprechen kann, so ist das wirklich hohe Zeit. Der treue Staatsdiener, der selber den Streik zur Durchsetzung seiner berechtigten Forderungen ablehnt, muß es nun seit Jahren mit ansehen, daß über seine Gehaltsaufbesserung immer nur geredet wird, während andere Berufsstände schon längst das Doppelte und mehr an Teuerungszulagen von dem erhalten haben, was bei ihm erst diskutiert wird.
({2})
Gewiß, die Kassenlage des Staates ist stark angespannt; aber wenn schließlich die deutsche Wirtschaft innerhalb ihres Sektors bestimmte Teuerungszulagen für notwendig und tragbar hält, so kann diese selbe deutsche Wirtschaft ihre Staatsdiener, die mittelbar genau so zum Funktionieren des deutschen Wirtschaftslebens beitragen, hier nicht mit anderen Maßstäben messen.
({3})
Eine Besoldungserhöhung im öffentlichen Dienst ist daher bei der eingetretenen Teuerung und der bitteren Not der Beamtenschaft heute in jeder Hinsicht eine zwingende Notwendigkeit, nicht zuletzt auch im Interesse der Allgemeinheit; denn es könnte sehr leicht der Zustand eintreten, daß als Folge einer ständigen Unterbezahlung die besten Kräfte der Beamtenschaft abwandern, wie es verschiedentlich, insbesondere bei der Finanzverwaltung, bereits zu verzeichnen ist.
({4})
Es darf auch nicht dahin kommen, daß etwa die Begabten und Tüchtigen unseres Volkes es wegen der bekannt schlechten Besoldung ablehnen, überhaupt noch in den Staatsdienst zu gehen;
({5})
denn von einem solchen Qualitätsrückgang der Beamtenschaft würde die Allgemeinheit selbst den größten Schaden haben, und eine qualitativ schlechte Verwaltung würde überdies letzten Endes auch die teuerste sein.
({6})
Wir wollen es ruhig einmal aussprechen, daß die Bezüge der aktiven Beamten und Pensionäre und der verdrängten Staatsdiener billigerweise um rund ein Drittel erhöht werden müßten; denn das allein würde der eingetretenen Teuerung entsprechen. Leider können wir jedoch als Regierungsparteien, die in erster Linie die Verantwortung tür den Gesamthaushalt tragen, einen solchen Antrag für das laufende Rechnungsjahr nicht stellen.
({7}) Wie die Dinge nun einmal liegen, steht gegenwärtig nur etwa die Hälfte der an sich notwendigen Mittel zur angemessenen Erhöhung der Beamtenbezüge haushaltsmäßig zur Verfügung. Danach blieb uns bei der gegebenen Begrenzung der Mittel in diesem Haushaltsjahr nur noch ihre gerechte Aufteilung unter die verschiedenen Beamtengruppen übrig. Der Weg aber, die gesamten Mittel fast ausschließlich den aktiven Beamten in Form einer 20 %igen Teuerungszulage zukommen zu lassen, erschien den Regierungsparteien nicht als der richtige.
Die Regierungsparteien sind sich nicht nur unter sich, sondern ich glaube - wie die Debatte ergeben hat - auch mit den übrigen Parteien des Hauses darüber einig, daß oberster Grundsatz nur die gleichmäßige Behandlung aller Beamtengruppen sein kann.
({8})
Aktive Beamte einerseits und Ruhegehaltsempfänger andererseits können daher hinsichtlich der prozentualen Teuerungszulage nicht unterschiedlich behandelt werden.
({9})
Da nun die aktiven Bundesbeamten bereits seit
1. April dieses Jahres vorschußweise eine
Teuerungszulage von 15 % erhalten, so waren nach
Meinung der Regierungsparteien die darüber hinaus noch vorhandenen Mittel zunächst für eine
ebensolche prozentuale Aufbesserung der Ruhegehaltsbezüge zu verwenden; denn wenn sich schon
der Staat gegenüber seinen Beamten wie hier auf
finanziellen Notstand berufen muß, so muß dieser
Notstand dann eben von allen gleichmäßig getragen werden und darf die Last nicht etwa nur
auf die schwächste Gruppe, nämlich die Pensionäre,
die sich nicht wehren können, abgewälzt werden.
({10})
15 %, meine Damen und Herren, für alle ist daher besser als 20 % für die einen und für die andern nichts!
({11}) Über den Kabinettsbeschluß vom 13. Juni 1951 mit seiner Nivellierungstendenz will ich hier lieber nicht reden. Die Empörung der gesamten Beamtenschaft darüber ist zur Genüge bekannt.
Das Problem der 131er nun ist haushaltsrechtlich besonders schwerwiegend, weil die hierfür benötigte Summe im Bundeshaushalt - wo dieser Betrag ja vorwiegend aufzubringen ist - den Betrag der insgesamt für die Aufbesserung zur Ver({12})
fügung stehenden Summen um ein Vielfaches übersteigt. Es muß aber möglich sein, wenigstens den Teil der 131er, der nun wirklich zu den Ärmsten gehört - das sind die Empfänger von Übergangsgehältern -, in die prozentuale 15 °/oige Aufbesserung einzubeziehen.
({13})
Das ist j a auch in der Erklärung eingangs zum Ausdruck gekommen. Bei den Pensionären muß zunächst abgewartet werden, wie die Anforderungen der Haushaltsmittel aus diesem Titel weiter sein werden. Wir haben die zuversichtliche Hoffnung, daß sich zumindest nach Abschluß des Haushaltsjahres, vielleicht aber auch schon während des Haushaltsjahres übersehen läßt, daß noch genug Mittel zur Verfügung sind, um dann auch den Pensionären unter den 131ern eine entsprechende Aufbesserung zu geben; denn letztlich muß das Ziel immer die unbedingte Gleichstellung aller Beamtengruppen bleiben. Wollte man auf die Dauer anders verfahren, so wäre das nicht nur eine harte Unbilligkeit gegenüber der einen oder andern Gruppe, sondern auch ein Akt ausgesprochen politischer Torheit.
Nun noch eine kurze Betrachtung zu den Bezügen der Angestellten im öffentlichen Dienst, deren Gehälter j a bereits um 20 % erhöht sind. Wenn die Regierungsparteien das den Grundsätzen des Berufsbeamtentums entsprechende Verhältnis zwischen Beamtengehältern und Ruhegehältern gewahrt wissen wollen, so ergibt sich mangels Deckung für einen gleichmäßigen Teuerungszuschlag von 20 % - wie ausgeführt - die eigentlich nicht tragbare Konsequenz, daß den Angestellten im öffentlichen Dienst nun 20 % gezahlt werden, während die Beamten und Ruhegehaltsempfänger bei 15 % nur 3/4 des den Angestellten bezahlten Teuerungszuschlags erhalten würden. Diese Kürzung des Teuerungszuschlags für die Beamten und Ruhegehaltsempfänger wirkt sich naturgemäß besonders hart in den Familien mit Kindern aus, bei denen nun einmal die Erhöhung der Lebenshaltungskosten viel schwerer wiegt als bei den kleinen Haushaltungen. Wir werden deshalb im Ausschuß mit allem Nachdruck bemüht sein, dieser besonderen Lage durch einen Teuerungszuschlag zu den Kinderzulagen wenigstens ab dem zweiten Kind Rechnung zu tragen. Die finanzielle Auswirkung eines solchen Zuschlags von vielleicht 20 % zu den Kinderzulagen ist so gering, daß sie im Rahmen der finanziellen Gegebenheiten, angesichts ihrer praktischen und grundsätzlichen Bedeutung, kaum auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen dürfte.
Ich möchte zum Schluß noch etwas Formelles erwähnen, nämlich daß dieser Punkt von der Tagesordnung der 162. Sitzung am 13. dieses Monats aus gutem Grunde abgesetzt worden ist. Nachdem nun einmal eine gewisse unterschiedliche Auffassung hinsichtlich der Vorlage zwischen der Regierung und den Koalitionsparteien bestand, hielten es die Regierungsparteien für richtig, nach Prüfung der zahlenmäßigen Unterlagen gleich mit bestimmten Vorschlägen, wie das heute geschehen ist, hervorzutreten.
({14})
Dazu bedurfte es aber noch einiger Besprechungen, die inzwischen stattgefunden haben; denn mit haushaltsrechtlich ungedeckten Anträgen ist dem betroffenen Bevölkerungskreis nicht gedient!
({15})
Diese Absetzung von der Tagesordnung war daher, ebenso wie der seinerzeitige Beschluß des Haushaltsausschusses auf Zurückstellung der Entscheidung über eine Erhöhung der Zulage von 15 auf 20 %, nur von tiefstem Verantwortungsbewußtsein getragen.
({16})
Ich möchte dies der Öffentlichkeit gegenüber, die j a die neuliche Absetzung von der Tagesordnung und auch seinerzeit den Haushaltsausschuß kritisiert hat, noch ausdrücklich betonen.
Ich beantrage nun namens der Fraktionen CDU/ CSU, FDP und DP, die Regierungsvorlage Drucksache Nr. 2504 und alle dazu gestellten Anträge dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen; das sind die Anträge der Bayernpartei Drucksache Nr. 2439 und 2445, die Anträge der FDP Drucksache Nr. 2470 und der Deutschen Partei Drucksache Nr. 2511. Unter Bezugnahme auf die soeben gemeinsam abgegebene Erklärung der Regierungsparteien verzichten die Deutsche Partei und die Freie Demokratische Partei auf eine eigene Begründung ihrer Anträge.
Sie ziehen sie also zurück?
Dr. Miessner ({0}), Antragsteller: Nein, wir ziehen sie nicht zurück, wir verzichten lediglich auf die gesonderte Begründung, da die Begründung durch die gemeinsame Erklärung der Regierungsparteien bereits gegeben ist.
Ich will nun zum Schluß aus Gründen der Loyalität noch erwähnen, daß der Zentrumsantrag, der ja in der gleichen Richtung liegt und über den hier bereits gesprochen wurde, dem Ausschuß für Beamtenrecht schon überwiesen ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sehen es als eine außerordentlich bedauerliche Tatsache an, daß in dem Regierungsentwurf eine Erhöhung der Pensionen aus Haushaltsgründen nicht vorgesehen ist. Dieser Auffassung der Regierung können wir unter keinen Umständen beipflichten, weil wir der Meinung sind, daß sich das veränderte Preisgefüge auf alle Menschen, was ihre Lebenshaltung anlangt, gleichmäßig ausgewirkt hat, und weil aus Gründen des gleichen Rechts alle diejenigen, die dem Staat ein Leben lang treu gedient haben, den gleichen Anspruch haben wie diejenigen, die dem Staat noch dienen können. Gehalt und Versorgungsbezüge des Beamten sind immer als eine Einheit betrachtet worden, und wir sollten uns davor hüten, jetzt anders zu verfahren. Wir stimmen auch der Auffassung, die vom Kollegen Miessner vorgetragen worden ist, in vollem Umfange zu, daß, wenn überhaupt eine Erhöhung der Besoldung stattfinden soll, es dann für alle gleichmäßig geschieht, wenn auch vielleicht mit dem Nachteil für alle, daß der Prozentsatz auf 12 oder vielleicht sogar auf 10 % herabgesetzt wird. In keinem Falle aber darf es ein geteiltes Recht für diesen Personenkreis geben.
({0})
Ruhestandsbeamte, Witwen und Waisen leiden im
besonderen unter den schwierigen Verhältnissen,
({1})
die durch die Preiserhöhung eingetreten sind. Ihre Bezüge sind bereits nach der Währungsreform nicht unwesentlich gekürzt worden. Wir wären nie in der Lage, einem Gesetz zuzustimmen, das Beamte und Pensionäre ungleichmäßig behandelt, und wir warnen von den schwerwiegenden politischen Folgen, die ein solches Unrecht notwendigerweise nach sich ziehen muß.
Wir begrüßen deshalb die Anträge der Freien Demokratischen Partei, der Deutschen Partei und der Bayernpartei, die die Bezüge der Pensionäre in die Erhöhung der Besoldung mit einbeziehen. Ich nehme an, daß der Antrag der Fraktion der Freien Demokratischen Partei nicht nur die Pensionäre aus den unter Art. 131 fallenden Personengruppen in die Besoldungserhöhung mit einbeziehen will, sondern ebenfalls die Empfänger von Übergangsgehalt.
({2})
Hierzu, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Ausführungen machen.
Der verdrängte Beamte hatte nach der Verordnung über die Zahlung von Überbrückungshilfe früher die Möglichkeit, zusammen mit der Arbeitslosenfürsorge zu Bezügen von etwa 300 DM zu kommen. Wir haben im Ausschuß anläßlich der Beratung des Gesetzes nach Art. 131 darauf aufmerksam gemacht, daß bei einem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. April die notwendige Folge die sein müßte, daß diese Personen rückwirkend mit dem 1. April die Arbeitslosenfürsorge zurückzahlen müßten. Dieser Zustand ist jetzt eingetreten. Der Vertreter des Bundesfinanzministeriums hatte damals im Ausschuß erklärt, daß das Bundesfinanzministerium dafür sorgen werde, daß solche Rückzahlungen nicht eintreten. Nun liegen die Dinge so, daß die Empfänger von Übergangsgehalt heute im allgemeinen weniger bekommen, als ihnen nach den Fürsorgerichtsätzen zustehen würde. Deshalb, glaube ich, sollte es eine Herzensangelegenheit des Hohen Hauses sein, gerade diesen Personenkreis in die Erhöhung mit einzubeziehen.
Wir stimmen ebenfalls dem Antrag der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 2439 zu, der eine einigermaßen gerechte Abfindung der verdrängten Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes und ihre Wiedereinstellung herbeiführen will. Ich verweise hierbei auf einen Antrag, den meine Gruppe anläßlich der zweiten Lesung des Gesetzes nach Art. 131 gestellt hat, nämlich zumindest diesen Personenkreis unter gleichen Bedingungen in die Unterbringungspflicht mit einzubeziehen. Dieser Antrag ist damals mit einer schwachen Mehrheit abgelehnt worden. Wir haben die Hoffnung, daß wir auch hier eine Lösung finden, die diesem Personenkreis gerecht wird. Wir stimmen im übrigen der Überweisung der gestellten Anträge an die zuständigen Ausschüsse zu.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, wir können über Punkt 3 a) bis e) en bloc abstimmen. Wir brauchen keine gesonderte Abstimmung; es ist hier in jedem Falle die Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß vorgeschlagen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Zu Punkt 3 f, Drucksache Nr. 2585. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegen einige Stimmen angenommen. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über das Inkrafttreten von Vorschriften des
Gesetzes über die Beförderung von Personen
zu Lande ({0}).
Es ist vom Ältestenrat vorgeschlagen worden, die Regierung möge sich mit der Verweisung auf die gedruckte Begründung begnügen und das Haus möge damit den Antrag als eingebracht annehmen. Außerdem soll auf Aussprache verzichtet werden.
- Es erhebt sich kein Widerspruch. Ich schlage vor, daß die Vorlage an den Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen wird. Ist das Haus einverstanden?
({1})
- Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Behandlung von Zuwendungen an betriebliche Pensionskassen und Unterstützungskassen bei den Steuern vom Einkommen und Ertrag ({2}).
Hier hat der Ältestenrat Ihnen denselben Vorschlag zu machen. Der Entwurf soll an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen werden. Ist das Haus einverstanden?
({3})
- Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen vom 28. August 1951 betreffend Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem reichseigenen Grundstück in Wilhelmshaven an der Gökerstraße ({4}).
Auch hier wird Ihnen der Vorschlag gemacht, ohne besondere Begründung und Aussprache den Antrag an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({5}) über den Entwurf einer Verordnung über Zolländerungen ({6}).
Hier, meine Damen und Herren, ist noch die Redezeit zu regeln. Der Ältestenrat hat keinen eigenen Vorschlag zu machen.
({7})
- Sie beantragen 90 Minuten. Ist das Haus einverstanden?
({8})
- Dann ist die Redezeit auf 90 Minuten festgesetzt. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Serres zur Berichterstattung.
Dr. Serres ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Behandlung steht heute die Verordnung über Zolländerungen. Diese Verordnung hat ihre Rechtsgrundlage in § 4 des Zolltarifgesetzes. Danach ist die Bundesregierung auf Grund einer Generalvollmacht er({10})
mächtigt, Rechtsverordnungen zu erlassen, mit denen sie die bestehenden Zollsätze ermäßigen oder aufheben kann.
Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht. Sie hat uns zunächst in einem Schreiben an den Herrn Präsidenten des Bundestags eine Vorlage - vom 9. Juli dieses Jahres - gemacht, und darin die ersten Vorschläge über Zollbegünstigungen unterbreitet. Es hat sich jedoch herausgestellt, daß diese Vorlage unzureichend war. Das Kabinett hat durch die beteiligten Ministerien selber erklärt, daß man mit der Abstimmung unter den Ressorts nicht rechtzeitig fertiggeworden sei und sich vorbehalte, eine neue Verordnung vorzulegen. Das ist mit Schreiben vom 6. September dieses Jahres geschehen. Mit diesem Schreiben an den Herrn Präsidenten des Bundestags hat das Bundeskabinett die Verordnung vorgelegt, die nunmehr heute zur Beratung steht.
Die Besonderheit nach § 4 des Zolltarifgesetzes liegt darin, daß diese von der Bundesregierung zu erlassende Rechtsverordnung der Zustimmung des Bundestags unterliegt. Wir haben damit, meine Damen und Herren, ein verfassungsrechtliches Novum, über das ja schon bei der Verabschiedung des Zolltarifgesetzes diskutiert worden ist. Außerdem ist vorgesehen, daß der Bundesrat zu der Verordnung gehört werden muß. Der Bundesrat hat inzwischen zu der Verordnung Stellung genommen. Bei den Verhandlungen in der Unterkommission Zolltarif und im Außenhandelsausschuß, der j a federführend war, hat Herr Minister Lübke als Vertreter des Bundesrats die Stellungnahme des Bundesrats bekanntgegeben. Die Verordnung ist diesem Hohen Hause in der 162. Sitzung am 13. September dieses Jahres vorgelegt worden. Das Plenum hat die Verordnung zur weiteren Beratung dem Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat die Verordnung, wie üblich, der Unterkommission Zolltarif überwiesen, in der seit langer Zeit eine Reihe von Kollegen des Ausschusses für Außenhandelsfragen für die Behandlung von Zolltariffragen tätig sind und daher über besondere Sachkenntnis verfügen. Die Beschlüsse der Unterkommission Zolltarif sind von dem Ausschuß für Außenhandelsfragen in seiner Sitzung am 25. September dieses Jahres gebilligt worden. Die Bedeutung der Verordnung liegt darin, daß sie eine Ergänzung zum bestehenden Zolltarifgesetz und zu den Protokollen von Torquay, die die Vertragszollsätze enthalten, darstellt.
Lassen Sie mich kurz noch einige allgemeine Bemerkungen vorausschicken, bevor ich in die Einzelbesprechung der Verordnung eintrete. Wir haben zunächst, entgegen der Auffassung des Kabinetts, davon abgesehen, Termine in die Verordnung über Zolländerungen hineinzunehmen. Das Bundeskabinett hatte z. B. für verschiedene Positionen eine zeitliche Begrenzung etwa bis Ende 1952 oder bis Ende 1953 vorgesehen. Wir waren in der Unterkommission Zolltarif und auch im Ausschuß für Außenhandelsfragen übereinstimmend der Auffassung, daß diese Terminierung unzweckmäßig sei und nicht dem Sinne des § 4 des Zolltarifgesetzes entspreche. Wir haben daher diese gesamten Terminierungen in der Verordnung gestrichen, allerdings mit Ausnahme der wenigen Fristen, die für saisonale Zollbegünstigungen vorgesehen sind.
Im einzelnen hatte die Unterkommission Zolltarif zu den Bestimmungen der Verordnung über Zolländerungen Stellung zu nehmen; sie hat außerdem aber auch noch zusätzlich Wünsche, die von verschiedenen Seiten an uns herangetragen worden sind, diskutiert und . sich zu eigen gemacht, die nun noch nachträglich in die Verordnung hineingebaut worden sind. Die Beschlüsse der Unterkommission Zolltarif und des Ausschusses für Außenhandelsfragen sind zum Teil einstimmig, zum Teil aber auch nur mit Mehrheit gefaßt worden. Grundsätzlich möchte ich voranstellen, daß vor allem die SPD-Fraktion verlangt hat, die Zollbegünstigungen per 1. Juli dieses Jahres wiederherzustellen. Diesen Anträgen ist, von der Mehrheit des Ausschusses im allgemeinen nicht stattgegeben worden. Bis zum 30. Juni dieses Jahres waren verhältnismäßig weitgehende Zollbegünstigungen in Kraft; für die Übergangszeit vom 1. Juli bis 1. Oktober dieses Jahres, zu welchem Zeitpunkt die Verordnung über Zolländerungen in Kraft tritt, hat der Herr Bundesfinanzminister die bestehenden Zollbegünstigungen entweder ganz oder zum Teil durch Verwaltungsanordnung aufgehoben, wozu er bis dahin ermächtigt war. Die neue Regelung tritt nunmehr am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft.
Meine Damen und Herren! Kurz einige Erläuterungen der Details der Verordnung: Der § 1 enthält Unterpositionen von 1 bis 70, die sich auf die verschiedenen Positionen des Zolltarifs beziehen. In Ziffer 1 der Verordnung, die als Anhang der Drucksache Nr. 2592 beigefügt ist, finden wir zunächst die Position „Rinder zum Schlachten unter Zollsicherung, in der Zeit vom 1. April bis 30. Juni." Sie sehen hier erstmalig die saisonale Terminierung, die wir hier vorgenommen haben. Die Vorlage der Bundesregierung sah einen ermäßigten Zollsatz von 5 % vor. Nach Anhörung von sachverständigen Kollegen des Ernährungsausschusses hat die Unterkommission Zolltarif mit Mehrheit beschlossen, Ihnen einen Satz von 7 % in Vorschlag zu bringen, wobei ich bemerke, daß sich der Bundesrat der Regierungsvorlage - mit 5 % -angeschlossen hatte.
In Ziffer 2 ist von der Unterkommission Zolltarif eine neue Position aufgenommen worden; sie betrifft Schweine, lebend, im Stückgewicht von mehr als 35 Kilogramm. Hier ist von der Mehrheit des Ausschusses ein ermäßigter Zollsatz von 8 % vorgesehen.
Unter Ziffer 3, Fleisch von Rindern, gefroren, also Gefrierfleisch, sah die Regierungsvorlage Zollfreiheit vor. Nach Anhörung von Sachverständigen aus dem Ernährungsausschuß hat sich die Mehrheit des Ausschusses dahin entschieden, einen ermäßigten Zollsatz von 10 % für Gefrierfleisch einzuführen. Die Begründung liegt darin, daß Bedenken bestanden, beispielsweise in Schleswig-Holstein, die See-Grenzschlachthäuser ohne jeden Schutz zu lassen. Wir haben uns daher entschlossen, diesen Zollsatz von 10 % vorzuschlagen. Auch der Bundesrat hat sich einstimmig auf diesen Standpunkt gestellt, also ebenfalls den ermäßigten Satz von 10 % vorgeschlagen.
Die nächste Position, Fleisch von Schweinen, frisch, gekühlt oder gefroren, ist neu hinzugekommen. Wir haben uns mit Mehrheit für einen Satz von 16 % entschieden.
Unter Position 5, Lebern von Schweinen, frisch, gekühlt oder gefroren, in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April, ist auch ein Satz von 7 % gegenüber 5 % der Regierungsvorlage vorgeschlagen.
Die nächste Ziffer 4, Schweinespeck, frisch, bzw. Schweinespeck, gekühlt oder gefroren, ist mit je 100/o in der Fassung der Regierungsvorlage gebilligt
({11})
worden, ebenso die Ziffer 5, Schellfisch usw., mit 5 %.
Die folgende Position unter Ziffer 6 ist neu aufgenommen worden. Sie bezieht sich auf Hühnereier. Wir haben es grundsätzlich bei dem neuen Vertragszollsatz von 15 % bewenden lassen, haben uns allerdings mit Mehrheit entschlossen, für die Zeit vom 1. September bis 15. Februar, also die Zeit, in der der Eieranfall in Deutschland verhältnismäßig gering ist, einen ermäßigten Zollsatz von 5 % in Vorschlag zu bringen.
Die anschließende Position unter Ziffer 7 ist wieder gemäß der Regierungsvorlage mit Zollfreiheit angenommen worden. Desgleichen gilt für Ziffer 8, Pilze mit 15 % und Ziffer 9, Erbsen - es handelt sich hier um Vorprodukte für die Suppenindustrie -, Zollfreiheit. Ebenso ist für die Ziffern 10 und 11, Weizen und Roggen, Zollfreiheit vorgesehen. Auch sie sind vom Ausschuß einstimmig angenommen worden. Bei der Position 12, Reisfuttermehl, haben wir einen ermäßigten Zollsatz von 12 °/o gebilligt, und zwar um der ersten Verarbeitungsstufe in Deutschland einen gewissen Schutz zu gewähren. Ziffer 13, Korbweiden, ist mit Zollfreiheit angenommen worden.
Die Ziffer 14 ist neu in die Verordnung aufgenommen worden; sie bezieht sich auf Schweineschmalz. Wir haben hier mit Mehrheit beschlossen, für rohes Schweineschmalz 10 %, für gereinigtes Schweineschmalz 20 % und für gereinigtes Schweineschmalz, das durch Transport usw. beschmutzt ist und zum Einschmelzen bestimmt ist, 10 %. Der Bundesrat hatte andere Sätze vorgeschlagen, und zwar in der soeben genannten Reihenfolge die Sätze von 7, 7 und 15 %. Die Ziffer 15 sieht Zollfreiheit für Fleischextrakte vor; sie ist einstimmig angenommen worden.
Neu ist aufgenommen worden die Ziffer 16 für Rüben- und Rohrzucker. Der Ausschuß hat sich hier einstimmig für Zollfreiheit entschieden. Ziffer 17, Tomatenmark, sieht, entsprechend der Regierungsvorlage, 10 % vor bei Einfuhr in luftdicht verschlossenen Behältnissen mit einem Rohgewicht von 5 kg oder mehr. Dagegen haben wir eine kleine Änderung gegenüber der Regierungsvorlage bei Tomatenmark vorgenommen, das in Fässern eingeführt und hier in Deutschland weiterverarbeitet wird; dafür haben wir einen ermäßigten Zollsatz von 5 % beschlossen. Neu ist ferner die Ziffer 18 in die Verordnung aufgenommen worden, die in der Regierungsvorlage nicht enthalten war. Sie befaßt sich mit Obstpülpe. Hier haben wir, gestaffelt. ermäßigte Sätze von 5, 5, 10 und 15 % vorgesehen.
Wesentliche Bedeutung hat ferner die Ziffer 19, die sich mit Erdöl befaßt. Die Unterposition 5, die die verschiedenen Herkunftsarten des Erdöls enthält, ist vom Ausschuß einstimmig im Sinne der Regierungsvorlage angenommen worden. Dagegen haben sich bei der Position 6, Heizöl, Meinungsverschiedenheiten ergeben. Der Satz von 1 DM für Heizöl ist nur durch Mehrheitsbeschluß zustande gekommen.
Meine Damen und Herren, wir können dann einen verhältnismäßig großen Sprung machen, und zwar von Position 20 bis Position 47. Es handelt sich im wesentlichen um den Chemiesektor, und zwar um solche Positionen, die bisher zu den verbotenen Industrien gehörten. Sie werden sich vielleicht entsinnen, daß wir bei der Verabschiedung des Zolltarifgesetzes für diese Positionen vielfach einen Zollsatz von 40 % vorgeschlagen hatten, um jeweils die Möglichkeit zu haben, den effektiven Zollsatz im Wege der Zollbegünstigung niedriger festzusetzen. Das ist nunmehr mit dieser Verordnung geschehen. Sie werden feststellen, daß für die Mehrzahl der Positionen Zollfreiheit vorgesehen ist. Was einige wenige Ausnahmen betrifft, so verweise ich auf Ziffer 22, Phosphorchlorid, und Ziffer 23, Ätzkali, mit 15 bzw. 2 % sowie auf Ziffer 31, Mononatriumphosphat, mit 10 %. Wo hier noch Zollsätze vorgesehen sind, sind die Beschlüsse nur mit Mehrheit zustandegekommen.
Ab Ziffer 48 folgen dann einige Positionen, die mit Holz in Zusammenhang stehen. Zunächst wurde für Leitungsmaste, Ziffer 48, im Sinne der Regierungsvorlage Zollfreiheit angenommen. Dasselbe gilt für Ziffer 49, Nadelholz. Ziffer 50 sieht einen Zollsatz von 10 % für Geflechte aus Holzspan vor. Es handelt sich hier um Vorprodukte der Hutindustrie; das Produkt wird für die Fertigung von Erntehüten benötigt. Ziffer 51 enthält eine Ermäßigung der Position Holzzellstoff zur Herstellung von Kunstseide oder Zellwolle aus künstlicher Spinnmasse auf 5 %. Dieser Beschluß ist in beiden Ausschüssen ebenfalls nur mit Mehrheit zustandegekommen. Zwischendurch war eine Entscheidung gefallen, Zollfreiheit herzustellen. Diese Entscheidung ist aber später wieder revidiert worden. Ziffer 52 bringt Zollfreiheit für Zeitungsdruckpapier und übriges Druckpapier. In der Unterziffer 5 ist allerdings die Rollenbreite in 31 cm geändert worden. Die Ziffer 53, Fäden aus Asbest, 23 %, wurde nur mit Mehrheit angenommen.
Dann ist noch kurz die Ziffer 54 zu erläutern. Wir kommen hier in das Gebiet von Eisen und Stahl. In der ursprünglichen Vorlage der Regierung waren hier die Positionen 50 bis 52 vorgesehen. Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, die Positionen 50 und 52 zu streichen, sie also nicht in die Zollbegünstigung aufzunehmen. Ich erspare mir längere Ausführungen dazu. Der Grund ist im wesentlichen der gewesen, daß man mit Rücksicht auf die schwebenden Schumanplan-Verhandlungen keinen präjudizierenden Beschluß fassen wollte. Die Ziffer 51 ist bestehen geblieben und ist jetzt Ziffer 54. Sie sieht für Ferrosiliziummangan Zollfreiheit vor. Allerdings hat der Ausschuß einen einstimmigen Beschluß zu diesen Positionen 50 bis 52 dahingehend gefaßt, daß bei allen Eisen- und Stahlpositionen keine gegenüber dem Stand vom 30. Juni 1951 höheren Belastungen eintreten sollen. Außerdem war der Ausschuß der Auffassung, daß Zollerlaß im Billigkeitswege in dem bisherigen Umfang für Artikel mit gebundenen Inlandspreisen ausgesprochen werden solle.
Es folgen dann die Positionen 55 bis 70. Hier handelt es sich um NE-Metalle. Grundsätzlich haben wir, entsprechend der Vorlage der Bundesregierung, für die NE-Metalle Zollfreiheit ausgesprochen, für die erste Stufe der Verarbeitung - beispielsweise bei Kupfer: Stangen, Profile und Drähte bzw. Tafeln und Bleche usw. - dagegen einen kleinen Zollschutz eingeführt, im Falle von Kupfer - das sind die Ziffern 56 und 57 - je 5 %. Entsprechende Regelungen haben wir bei den übrigen NE-Metallen getroffen. Soweit hier noch Zollsätze angesetzt worden sind, sind die Beschlüsse auch nur mit Mehrheit gefaßt worden.
Das waren die Erläuterungen zu § 1 der Verordnung mit den Ziffern 1 bis 70.
§ 2 besagt schließlich, daß diese Verordnung am 1. Oktober 1951 in Kraft tritt. Sie tritt damit
({12})
gleichzeitig mit dem neuen Zolltarifgesetz und mit den Vertragszollsätzen gemäß den Protokollen von Torquay in Kraft.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, der mitberatend eingeschaltet war, hat gestern ebenfalls noch die Verordnung über Zolländerungen beraten. Er hat sich mit Mehrheit den Beschlüssen der Unterkommission Zolltarif und des Ausschusses für Außenhandelsfragen angeschlossen.
Es bleibt mir zum Schluß, meine Damen und Herren, nur noch übrig, Ihnen den Antrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen - Drucksache Nr. 2592 - vorzutragen. Er lautet:
Der Bundestag wolle beschließen,
1. der Verordnung in der nachstehenden Fassung zuzustimmen;
2. den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zollbegünstigungen - Nr. 2356 der Drucksachen - durch Beschluß zu Ziffer 1 für erledigt zu erklären;
3. die zu dieser Verordnung vorliegenden Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich darf Sie bitten, diesem Antrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich möchte die Aussprache zu diesem Punkt jetzt nicht eröffnen. Wir müßten sie um 13 Uhr für eine Stunde unterbrechen, und es scheint mir nicht tunlich zu sein, die Diskussion über diese Frage, die einheitlich sein sollte, zu zerreißen. Außerdem ist das Haus wohl kaum beschlußfähig, und nach den Anträgen zu urteilen, die eingegangen sind, wird mehrmals abgestimmt werden müssen. Damit wir aber die Zeit bis 13 Uhr nutzbringend verwenden können, möchte ich Ihnen vorschlagen, daß wir die Punkte der Tagesordnung noch erledigen, bei denen der Ältestenrat vorschlägt, auf Aussprache zu verzichten. Das wären die Punkte 10 bis 13. Ist das Haus einverstanden?
({0})
Dann rufe ich auf Punkt 10:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Kuntscher, Tobaben, Dannemann und Genossen betreffend Erhöhung der Mittel für den Küstenschutz und den Schutz küstenbedingter Gebiete ({2}).
Das Wort hat der Abgeordnete Frühwald als Berichterstatter.
({3})
- Dann stellen wir diesen Punkt zurück. Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({4}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Finanzhilfe für Schleswig-Holstein,
über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Wohnungsbaudarlehen an Besatzungsverdrängte,
über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entlassung des Bundespressechefs Dr. Brand,
über den Antrag der Fraktion der BP betreffend Benutzung von Dienstwagen zu
parteipolitischen Zwecken durch Mitglieder des Bundeskabinetts ({5}).
Das Wort hat der Abgeordnete Eckstein als Berichterstatter.
({6})
- So macht das Restaurant die besten Absichten des Präsidenten zunichte!
Ist der Abgeordnete Krone da? - Der Abgeordnete Wacker? Das sind die nächsten Berichterstatter. - Nicht? Dann kann ich meine Absicht nicht verwirklichen.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir nunmehr die Unterbrechung eintreten lassen und die Sitzung um 14 Uhr wieder aufnehmen.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der CDU/CSU um 13 Uhr eine Fraktionssitzung abhalten will.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({7})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 2 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder aufgenommen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Beratung fort mit Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({0}) über den Entwurf einer Verordnung über Zolländerungen ({1}).
Der Bericht war bereits erstattet. Wir treten nunmehr in die Aussprache ein. Es war eine Gesamtaussprachezeit von 90 Minuten vorgesehen. - Ich nehme an, daß das Haus zustimmt.
Ich weiß nicht, ob hier heute morgen schon Wortmeldungen vorgemerkt worden sind. - Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Kalbitzer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf einer Verordnung über Zolländerungen wird gelegentlich als Entwurf einer Verordnung über Zollherabsetzungen bezeichnet. Eine solche Darstellung ist Spiegelfechterei. Denn gegenüber der Zeit bis 30. Juni dieses Jahres bringt diese Verordnung eine wesentliche Zollerhöhung. Die erhöhten Zölle, die seit dem 1. Juli bereits in Kraft sind und die durch diese Verordnung zum Teil noch weiter erhöht werden sollen, sind einer der Gründe der allgemeinen Preissteigerung und verstärken damit eine der Tendenzen, die zu einer Entwertung unserer Währung führen.
Wir haben die Vertreter der Regierung im Finanzausschuß gestern abend befragt, wieviel Mehreinnahmen diese Verordnung dem Etat bringen soll. Eine ausreichende Antwort hierauf war leider nicht zu erhalten.
({0})
Nur für sieben Einzelpositionen dieser Liste waren Zahlenangaben - naturgemäß Schätzungszahlen - vorhanden, nach denen bereits eine Mehrbelastung von 80 Millionen DM entsteht, so daß es gerechtfertigt ist, zu behaupten, daß die Gesamtmehrbelastungen durch diese Zollerhöhungen mehrere hundert Millionen DM ausmachen.
({1})
Die Vertreter des Finanzministeriums stehen auf dem Standpunkt, daß diese Erhöhungen von Industrie und Handel aufgefangen und sich nicht auf den letzten Verbraucher auswirken werden. Zu unserem Bedauern - offen gesagt - hat sich der Herr Wirtschaftsminister, Herr Professor Erhard, obwohl er in den Diskussionen wiederholt nach seinem Standpunkt gefragt worden ist, nicht geäußert, wie er zu der unerhörten Behauptung steht, Industrie und Handel machten derartige Gewinne, daß Mehrbelastungen durch Zölle in Höhe von mehreren hundert Millionen DM sich nicht auf den Endverbraucherpreis auswirkten.
({2})
Es ist überhaupt bemerkenswert, daß das Wirtschaftsministerium keinen generellen Standpunkt zu diesen Zollerhöhungen eingenommen hat, obwohl der Wirtschaftsminister bei einer früheren Zolldebatte hier im Plenum schon einmal von mir daraufhin angesprochen worden ist. Vielmehr hat sich das Wirtschaftsministerium jeweils nur zu kleinen Einzelfragen geäußert. Dabei sind doch die Zölle eines der wesentlichen marktkonformen Lenkungsmittel, zu denen sich die Wirtschaftspolitik Professor Erhards im Prinzip bekennt. Durch die fiskalische Betrachtung der Zölle seitens des Finanzministers wird die beabsichtigte Wirkung vollständig wieder aufgehoben.
Das fiskalische Interesse des Finanzministers an diesen Hochschutzzöllen kommt den Wünschen des Bauernverbandes in vielen Punkten sehr entgegen. Wir haben es erlebt, daß die Sätze des Regierungsentwurfs, für den das Bundesfinanzministerium verantwortlich zeichnet, durch den Außenhandelsausschuß, der sich in diesem Falle als Außenhandels verhinderungs ausschuß betätigt hat, noch erhöht worden sind, und zwar in einer entscheidenden Sitzung vor wenigen Tagen. 75 Prozent der bei dieser Ausschußsitzung Anwesenden gehörten zum Bauernverband
({3})
und ersetzten die anderen Vertreter der Regierungskoalition in diesem Ausschuß. Wortführer der Koalition in diesen Diskussionen ist ein Vertreter eben dieses Bauernverbandes geworden. Der Erfolg dieser Taktik war, daß Zollerhöhungen von ursprünglich - d. h. bis 30. Juni - 0 % auf 7 % für lebendes Vieh und auf 20 % für Fleischwaren eingetreten sind. Die Begründung, die die Vertreter des Bauernverbandes gaben, war im wesentlichen die, auch die Industriezölle seien so hoch. daß man entsprechende Agrarzölle brauche. Nun. diese teilweise tatsächlich überhöhten Industriezölle sind aber doch von den Herren innerhalb der Koalition, die sich heute als Vertreter des Bauernverbandes bezeichnen, mitbeschlossen worden!
({4})
Die Vertreter des Bauernverbandes können sich letzt doch nicht mit Protesten wegen überhöhter Zölle auf Industrieprodukte aus der Verantwortung ziehen.
({5})
Wenn die Bauern heute zu einem großen Teil über zu hohe Preise von Industrieprodukten klagen, so ist dazu zu sagen, daß an diesen Verhältnissen, sowohl was den Zoll als auch die allgemeine Wirtschaftspolitik dieser Regierung angeht. die Herren des Bauernverbandes innerhalb der Koalition mit verantwortlich sind.
({6}) Es ist völlig unmöglich, sich jetzt, wenn am Horizont neue Wahlen auftauchen, aus der Verantwortung zu ziehen
({7})
und etwa, wie es tatsächlich geschehen ist, mit dem Finger auf die Sozialdemokraten zu weisen, als ob wir mit dieser Politik etwas zu tun hätten.
Wir haben die Herren des Bauernverbandes in dieser letzten Ausschußsitzung auch beim Wort genommen und ihnen vorgeschlagen, mit uns zusammen gegen Zölle auf Industrieprodukte, industrielle Roh- und Halbrohstoffe zu stimmen. Die Herren des Bauernverbandes haben sich sehr wohl gehütet, für eine Ermäßigung der industriellen Zölle einzutreten.
({8})
Es ist also eine unerhörte Verdrehung der Tatsachen und Verantwortlichkeiten, wenn man jetzt anfängt, sich vor seiner Wählerschaft und der Öffentlichkeit über die Wirtschaftspolitik der Regierung Adenauer zu beklagen. Das wäre eine Taktik, die der sehr ähnlich sähe, die in dem bekannten Sprichwort gekennzeichnet wird: Haltet den Dieb!
Ein zweites Argument der Bauernvertreter war die bekannte Not der Landwirtschaft. Nun ist es nicht zu bestreiten, daß es in der Landwirtschaft echte Notzustände gibt; aber dieser Hinweis auf die Not der Landwirtschaft hat durch seinen jahrzehntelangen Mißbrauch an Wert eingebüßt. Wir geben ohne weiteres zu, daß die Probleme der Flurbereinigung, schlechte Böden in gebirgigen Gegenden, betriebswirtschaftliche Rückständigkeit einzelner Betriebe und einzelner Gebiete der Landwirtschaft Schwierigkeiten machen, und wir sind die ersten, die bereit sind, in diesen Situationen direkt zu helfen. Wir sind aber nicht bereit, durch allgemeine Preiserhöhungen, durch die allgemeine Abwälzung von Lasten auf den Preis auch die rentablen Betriebe durch Übergewinne weiter zu finanzieren. Wir würden die Gruppeninteressen gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Interesse in den Vordergrund rücken, wenn wir uns einer solchen Taktik, der traditionellen Taktik des Bauernverbandes, bedienen würden.
Lassen Sie mich dafür bitte ein Beispiel sagen. Der Kollege Struve hat dieser Tage im Außenhandelsausschuß erklärt, die Schweinepreise seien mit mindestens 12 DM pro Doppelzentner überteuert. Der Herr Staatssekretär Sonnemann hat auch erst vor wenigen Tagen erklärt, die Schweinepreise seien heute mit etwa 30 DM überteuert. Ich will gar nicht darüber rechten, welche Überteuerung wirklich vorhanden ist, möchte aber feststellen, daß es in dieser Situation ganz unangebracht ist, nun außerdem noch 8 % Zoll zu erheben; damit wird eine Regulierung des Marktes unmöglich gemacht.
Die Zölle auf lebendes Vieh, für das in dieser Situation zugegebenermaßen Überpreise gezahlt werden, bedeuten eine Gefährdung der Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Fleisch. Ich will nur auf die lakonische Mitteilung der dänischen Regierung verweisen, daß sie Lebendvieh nicht nach Deutschland exportieren werde, wenn Deutschland dafür Zölle erhebe. Objektiv besteht doch in der Welt eine Knappheit an Fleisch. Die Fleischexporteure haben es heute nicht nötig, in ein Land zu exportieren, das sich durch Hoch({9})
schutzzölle gegen Fleischimporte wendet; sie werden das Fleisch in Länder verkaufen, in denen solche Zölle nicht existieren.
({10})
- Jawohl, Sie geben mir das Stichwort, Herr Dr. Preiß. In Torquay sind Verhandlungszölle verabredet worden, aber für eine Situation, die der heutigen entgegengesetzt ist, nämlich für Zeiten reichlichen Angebotes, in denen die Landwirtschaft gegen eine ruinöse Konkurrenz des Auslandes geschützt werden müßte. Meine Parteifreunde und ich haben dem zugestimmt, weil wir durchaus die Notwendigkeit anerkennen, die Landwirtschaft vor ruinöser Konkurrenz zu schützen. Aber in der heutigen Situation, in der Überpreise gezahlt werden, können wir diese Taktik nicht verfolgen. Es hat im Außenhandelsausschuß seinerzeit Einmütigkeit - Einmütigkeit, wiederhole ich - darüber geherrscht, daß in der Situation der Knappheit, wie sie während der Torquay-Konferenz auf dem Weltmarkt bereits sichtbar wurde, die Zölle in Deutschland nicht erhoben werden, vielmehr Zollbegünstigungslisten, und zwar weiterreichende als die jetzt vorliegenden, in Kraft treten sollten. Wenn Sie sich an diese Abrede, die man im Frühjahr bei den Diskussionen im Ausschuß erreicht hatte, halten würden, könnten wir auch dieser heutigen Zollbegünstigungsliste durchaus zustimmen. Diese Abmachung ist aber von Ihrer Seite nicht gehalten worden, und deshalb können wir das heute nicht mitmachen.
({11})
Von Vertretern der Landwirtschaft ist zur Begründung dafür, daß trotz der Überpreise, deren Bestehen von Herrn Struve anerkannt worden ist, noch Einfuhrzölle erhoben werden müßten, auch das Versagen der Vorratsstelle für Fleisch angeführt worden. Ich habe diese Behauptung nur zur Kenntnis genommen, muß hier aber öffentlich feststellen, daß für ein solches Versagen der Vorratsstelle für Fleisch die Partei des Herrn Struve und die Regierungskoalition verantwortlich sind, nicht wir. Und wenn sich die Vertreter der Landwirtschaft heute über das Versagen einer solchen Stelle beschweren sollten, dann müssen sie sich an die eigene Nase fassen.
({12})
Ebenso unverantwortlich wie diese Zölle auf wichtige Grundnahrungsmittel, die heute aus eigener Produktion nicht in ausreichender Menge geliefert werden können, ist es in dieser Situation, auch für industrielle Roh- und Halbwaren Zölle einzuführen, für Produkte, die in Deutschland nicht in ausreichender Menge hergestellt werden können und deren Einfuhr auch nicht etwa eine Konkurrenz für die deutsche Produktion bedeutet. Die Weltmarktpreise für industrielle Roh- und Halbfabrikate sind heute so exorbitant hoch, daß die deutsche Industrie durch diese Preise durchaus nicht gefährdet wird und deshalb ein Zollschutz nicht erforderlich ist. Es handelt sich ja hier - lassen Sie mich das besonders betonen - nicht um eine langfristige Zollpolitik, sondern um eine der heutigen weltwirtschaftlichen Lage angepaßte Zollpolitik, die sich ändern muß, wenn sich die weltwirtschaftliche Lage ändern sollte.
Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums hat nun zu dieser Sachlage behauptet, die Zölle auf Zellwolle für die Kunstseide- und Kunstwollproduktion habe die Industrie akzeptiert. Das ist ein interessanter Hinweis darauf, daß sich die Industrie hier herbeiläßt, etwas zu konzedieren, was sie doch nicht selber bezahlt, sondern bei der Knappheitssituation auf den Konsumenten abwälzt. Es ist leicht, etwas zu konzedieren, was man nicht selber zu bezahlen braucht. Wenn ernstlich behauptet wird, daß die Industrie diese Zölle nicht auf die Konsumenten abwälzt, dann liegt darin die Behauptung, daß die Industrie so hohe Übergewinne machte, daß sie diese Zölle jetzt verkraften kann, - für die Eigenproduktion an Zellwolle, wenn ich nicht irre, allein 10 Millionen DM!
Kurz und zusammengefaßt: Die vorliegende Regelung ist ein Gegenseitigkeitsgeschäft zwischen Vertretern des Bauernverbandes und dem Herrn Finanzminister unter wohlwollender Assistenz der Industrie, und der Verbraucher wird auch in dieser Situation ausgequetscht wie eine Zitrone.
({13})
Diese Kurzsichtigkeit hilft den Bauern auf die Dauer nichts; das ist meine feste Überzeugung. Auf die Dauer kann der Landwirtschaft nur eine größere und stetige Nachfrage der Konsumenten helfen. Die Politik des Herrn Finanzministers, hier weiter indirekte Steuern zu erheben, ist eine Methode, bei deren Anwendung der Konsument belastet wird. Damit schlachtet man die Henne, die die goldenen Eier legen soll, und drängt die Konsumenten in ihrer Existenz weiter an den Abgrund.
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zölle sollen nach der Regierungsvorlage für verschiedene landwirtschaftliche Erzeugnisse gesenkt werden. Ich muß trotz der Ausführungen des Herrn Vorredners auf diesem Ausdruck „gesenkt" beharren; denn es ist nach dem jetzt geltenden Zolltarif eine Senkung.
({0})
Nun sollen die Zölle für die landwirtschaftlichen Erzeugnisse nach dem Antrag der SPD zum Teil überhaupt beseitigt werden. Nach dem Ausschußvorschlag wiederum wird ein Mittelweg zwischen diesen beiden Vorschlägen gesucht. Dabei ist grundsätzlich die Frage aufzuwerfen, ob Zölle, die mühsam in internationalen Verhandlungen erreicht werden konnten. nun aus mehr oder weniger zeitbedingten Gründen gewissermaßen verschenkt werden sollen - verschenkt insofern, als nicht der geringste Gegenwert dafür zu erwarten ist.
Was übrigens den Regierungsentwurf anbetrifft, so entsteht der Eindruck, daß die Regierung den Anträgen von Interessenvertretern mit zum Teil kleinster Basis offenbar sehr viel Gewicht beigemessen hat. Soweit zur Zeit Zollermäßigungen berechtigt erscheinen mögen. handelt es sich -jedenfalls soweit sie landwirtschaftliche Erzeugnisse betreffen - um zeitbedingte Erscheinungen. Dabei ist zuzugeben, daß der Wertzoll, wie er letzt in Geltung kommen soll. bei hohen Weltmarktpreisen ein weniger schönes Bild ergeben mag. Aber es ist doch die Frage, ob solche nie zu vermeidenden Preisschwankungen sogleich zum Anlaß für Zollsenkungen oder gar Zollbeseitigungen genommen werden sollen. So ist es z. B. bei den Schweinepreisen - der Herr Vorredner hat sie erwähnt - zur Zeit doch bereits so. daß sie im Nachgeben sind und nach allen statistischen Berechnungen in kürzester Zeit ein stärkeres Ah-sinken zu erwarten ist.
({1})
({2})
Es wird zweifellos so sein. Wir haben da j a unsere Erfahrungen. Es gab bei den Schweinepreisen immer ein Auf und Ab. Es war immer so, und es wird auch in Zukunft immer so sein.
({3})
Nebenbei bemerkt ist es so, daß Preise morgen schon wesentlich niedriger sein können und übermorgen vielleicht nicht mehr den notwendigen und ausreichenden Erlös für unsere Landwirtschaft zu sichern vermögen.
Wenn der Herr Vorredner von der „sprichwörtlichen Not der Landwirtschaft" gesprochen hat, so gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, dazu doch zwei Worte! Das eine ist die Feststellung, daß die Landwirtschaft immer verantwortungsbewußt gehandelt hat, das zweite die Feststellung, daß die Landwirtschaft ihre Erzeugnisse auch für Papiermark abgegeben hat, als es ihr nicht möglich war, etwas dafür zu bekommen.
({4})
- Jawohl, sonst wäre das Volk verhungert. Das ist zweifellos so.
Nun zurück zur Sache. Es muß auch Bedenken begegnen, wenn die in der Vorlage enthaltenen Zollsenkungen ohne jede zeitliche Begrenzung vorgenommen werden sollen. Zollsenkungen ohne zeitliche Begrenzung sind unseres Erachtens nur zu vertreten, wenn die unbedingte Gewähr besteht, daß die Zollsätze im Falle ungünstiger Preisentwicklungen jederzeit und sofort an die Sätze herangebracht werden können, die in Torquay ausgehandelt worden sind. Nur unter dieser Voraussetzung ist eine Senkung ohne zeitliche Begrenzung tragbar.
Man sieht, daß die vorgeschlagenen Zolländerungen bei sorgfältiger Betrachtung erheblichen Zweifeln begegnen. Die Fraktion der Bayernpartei vermag daher dem Entwurf des Außenhandelsausschusses nur unter starken Vorbehalten zuzustimmen und muß die Anträge der SPD ablehnen.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Kalbitzer hat im Zusammenhang mit den Erörterungen in den Ausschüssen dauernd von dem Deutschen Bauernverband gesprochen. Ich weiß nicht, was dieser Hinweis eigentlich soll. Ist es Ihnen, Herr Kollege Kalbitzer, nachdem Sie mit Ihren Freunden sich dauernd zum Fürsprecher der Gewerkschaften machen, unangenehm, daß nun in unseren Reihen ab und zu auch einmal Leute auftreten, die Informationen vom Deutschen Bauernverband bekommen? Es ist schon das Recht des deutschen Bauernstandes, sich zusammenzuschließen,
({0})
nicht nur, um seine Interessen zu vertreten. Der deutsche Bauernstand hat vielmehr wiederholt bewiesen, daß er durchaus in der Lage ist, Vorschläge zu machen, die den Interessen auch anderer Volksgruppen und nicht zuletzt der Gruppen der Arbeiter Rechnung tragen, die Sie zu vertreten immer besonders für sich in Anspruch nehmen.
({1})
Nun zum Sachlichen. Herr Kollege Kalbitzer, so einfach dürfen wir uns die Dinge nun nicht machen, daß wir die Debatte über das Problem der Zölle einfach auf die Ebene ziehen: soll der Verbraucher mehr zahlen oder der Erzeuger mehr haben? Dem Problem liegt doch folgender Gedanke zugrunde. In Torquay hat man auf internationaler Ebene versucht, die Interessen der einzelnen Volkswirtschaften aufeinander abzustimmen. Wir als Deutscher Bundestag haben versucht, innerhalb der Wirtschaftsgruppen die Interessen von Industrie und Landwirtschet aufeinander abzustimmen. Ich glaube, wir als 'Vertreter des deutschen Volkes haben die Pflicht, uns darum zu mühen, daß diese Interessen so aufeinander abgestimmt werden, daß die deutsche Wirtschaft lebt und vorankommt, einerlei ob es Landwirtschaft, Handwerk oder Industrie ist. Wer soll die Lasten aus der großen und noch täglich wachsenden Hypothek . all unserer Verpflichtungen denn tragen, wenn die Wirtschaft bei uns nicht floriert und nicht vorankommt? Herr Kollege Kalbitzer, glauben Sie mir, nicht nur den deutschen Bauern, auch anderen Gruppen in Deutschland ist es klar, daß das Ausland nicht uns zuliebe ab und zu Lebensmittel billiger anbietet. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Grundlage nicht nur für die Ernährung schlechthin, die Grundlage auch für eine preiswerte Ernährung liegt im deutschen Grund und Boden und in der Arbeit der deutschen Bauern und Landarbeiter.
({2})
Die in Torquay vereinbarten Sätze sollen jetzt am 1. Oktober in Kraft treten. Es ist eigenartig - da haben Sie, Herr Kollege Kalbitzer, allerdings recht -, daß man nun von vornherein damit anfängt, die Zölle auf dem landwirtschaftlichen Sektor einer Korrektur zu unterziehen, in der Überlegung, daß gewisse Lebensmittel nicht zu teuer werden sollen. Wir gehen an diese Betrachtung objektiv heran, weil wir als deutsche Bauern wissen, daß unsere Ware zu entsprechenden Preisen hier den Absatz finden muß. Aber wir nehmen für uns die Einschränkung in Anspruch, daß die Grundlagen für die Erhaltung der Produktion und für eine verstärkte Produktion dabei nicht gestört werden dürfen.
({3})
Wenn wir so an die Dinge herangehen, dann werden wir auch zu einer Verständigung bei den Dingen kommen, die Sie mit Recht herausgestellt haben. Es ist für die deutsche Landwirtschaft unmöglich, daß die Preise für Betriebsmittel andauernd steigen und wir mit unseren Preisen festgehalten werden sollen.
Im übrigen besteht kein Zweifel - darüber hat auch bei der Beratung der Marktordnungsgesetze in diesem Hause völlige Einmütigkeit bestanden -, daß wir in der Landwirtschaft nach anderen Grundsätzen arbeiten und vorgehen müssen als in der gewerblichen Wirtschaft. Der gewaltige Aufstieg der gewerblichen Wirtschaft, die Erhöhung der Beschäftigtenzahl sind nicht nur in volkswirtschaftlicher Hinsicht, sie sind auch in politischer Hinsicht für unser Volk ein Segen. Auf der anderen Seite müssen auch wir von der Landwirtschaft für uns in Anspruch nehmen, daß der Grundsatz der Deckung der Betriebskosten und damit der Deckung der Gestehungskosten seine Gültigkeit behält.
Wenn man nun glaubt, mit Zöllen, abgelesen an den Marktberichten eines einzelnen Tages oder
({4})
von Wochen, hier Politik machen zu können, Herr Kollege Kalbitzer, dann sind wir grundsätzlich verschiedener Auffassung.
({5}) Die Zölle sind Bestandteil eines volkswirtschaftlichen Systems, und unsere Marktordnungsgesetze - da gehe ich mit Ihnen einig - sind eigentlich das Instrument für den gerechten Ausgleich der Preise. Denn weder der Bauer noch der Verbraucher ist an diesem Auf und Ab der Lebensmittelpreise interessiert.
Daß hier die Vorratsstellen in der Vergangenheit nicht richtig funktioniert haben, liegt daran, daß dem Herrn Bundesfinanzminister entweder nicht das nötige Geld zur Verfügung stand oder er es nicht zur Verfügung gestellt hat. Hier muß ein grundsätzlicher Wandel eintreten,
({6})
wenn das System unserer gemeinsamen Politik in diesem Fall funktionieren soll.
Nun noch ein besonderes Wort zu einzelnen Positionen, Herr Kollege Kalbitzer. Der Zoll beträgt ab 1. Juli beispielsweise für Rinder und Schlachtvieh 16 DM; nach dem Vorschlag, den wir gemacht haben, beträgt er ab 1. Oktober 11 DM, also 5 DM weniger, als im Augenblick in Kraft sind. Machen Sie bitte nicht den Fehler, eine Zeit, in der die beabsichtigten Zollsätze gelten sollen, mit einer Zeit zu vergleichen, in der alles zollfrei war. Wenn Sie den deutschen Bauern unter den sehr viel schwierigeren Verhältnissen ohne Zollschutz produzieren lassen wollen, wenn Sie uns in diesem Punkte der Konkurrenz des Farmerbetriebs noch mehr ausliefern wollen, dann allerdings haben Sie recht. Dann möchte ich aber wissen, wie Ihre These gemeint ist, wenn Sie auch für den Bauern eintreten und wenn Sie in Ihren Versammlungen vor allen Dingen für den Kleinbauern eintreten. Der Erlös der Kleinbauern beruht zu 90 % auf dem Verkauf von Veredlungsprodukten, und das Ziel unserer gemeinsamen Politik ist und muß bleiben, daß diese Veredlungsarbeit des Bauern geschützt und gestützt wird.
Deshalb haben wir mit Freuden einem Zoll von Null für Futtergetreide zugestimmt, und ich möchte auch von dieser Stelle die Bundesregierung bitten, sich nicht leiten zu lassen von den augenblicklichen Erscheinungen, von dem starken Angebot von Brotgetreide. Hier ist übrigens, entgegen den Befürchtungen und gegenüber den Mahnungen, die von der Opposition ausgesprochen wurden, die Frühdruschprämie ein hundertprozentiger Erfolg gewesen.
({7})
Sie ist ein Erfolg unserer Politik und beweist, daß auf diese Art und Weise die Brotversorgung in der Bundesrepublik auch im kommenden Jahre sichergestellt ist.
Aber täuschen wir uns nicht: Die Versorgungsdecke bei Futtermitteln ist knapp, und hier können wir mit Zoll nichts machen. Hier müssen Dollars zur Verfügung gestellt werden, freie Dollars, damit jetzt am Weltmarkt die nötigen Mengen gekauft werden. Tun wir das, dann funktioniert die Produktion, die wir auf dem Fleischsektor zu über 90 % deutscher Bauernarbeit verdanken.
({8}) Und hier sind wir stolz auf den Erfolg der Landwirtschaft, den wir in Deuschland neben dem Aufstieg der Industrie zu verbuchen haben.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, so an die Dinge herangehen, dann werden Sie nicht nur an dem angeführten Beispiel - Rinder -, sondern auch an anderen Beispielen erkennen, daß gegenüber den Zollsätzen, die ab 1. Juli in Kraft getreten sind, jetzt keine Erhöhung, sondern eine Ermäßigung eingetreten ist. Wir sind als Vertreter der deutschen Landwirtschaft diesen Schritt gern mitgegangen, allerdings unter einer Voraussetzung: In dem Augenblick, in dem sich die Dinge ändern, werden wir erneut vor das Hohe Haus hintreten, werden mit entsprechender Begründung unsere berechtigten Wünsche anmelden und uns auf die in Torquay vereinbarten Sätze berufen müssen.
Ich weiß nicht, ob es in diesem Zusammenhang angebracht ist, zu der Sparte Gefrierfleisch etwas Besonderes zu sagen. Herr Präsident, darf ich fragen, ob nicht diese Sache in der Einzelberatung behandelt werden soll?
Darüber liegen keine Beschlüsse vor.
Dann möchte ich abschließend sagen: Das Gefrierfleisch ist insofern für uns von besonderer Bedeutung, als wir in den Seegrenzschlachthäusern Flensburg, Lübeck und Kiel, die in den vergangenen Jahrzehnten eigens für diese Verarbeitung geschaffen sind, die Möglichkeit haben, die Lebensmitteseinfuhren aus den skandinavischen Ländern in Deutschland zu bearbeiten und zu verarbeiten. Wir müssen einmal aus diesem Grunde auf einen gerechten Gefrierfleischzoll bestehen.
Zum andern mache ich aber kein Hehl daraus, Ihnen zu erklären: Wenn die deutsche Landwirtschaft in den vergangenen Jahren trotz des gewaltigen Anstiegs des Fleischverbrauchs mit über 90 % Produktion bewiesen hat, was ihr möglich ist, so wird sie bei entsprechender Zurverfügungstellung von Futtermitteln auch in der Lage sein, den gesteigerten Ansprüchen Rechnung zu tragen: Sie wird aus eigener Veredelungsproduktion - daran dürften wir alle interessiert sein - die Gewähr dafür bieten, daß in Deutschland eine hundertprozentige Fleischversorgung sichergestellt wird.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Freudenberg.
Freudenberg ({0}): Meine Damen und Herren! Ich spreche als stellvertretender Vorsitzender des „Außenhandelsverhinderungsausschusses".
({1})
Ich glaube, Herr Kollege Kalbitzer, Sie können sich gerade heute nicht beklagen, denn im Außenhandelsausschuß ist ja der Beschluß gefaßt worden, den § 4 in das Zolltarifgesetz einzubauen, so daß derartige Verordnungen nun nicht mehr von der Regierung und dem Bundesrat erlassen werden können, sondern daß sie dem Bundestag zum Beschluß vorgelegt werden. Sie sollten also mindestens insofern anerkennen, daß wir uns im Außenhandelsausschuß sehr stark Gedanken darüber gemacht haben, welche Verantwortung wir vor der Innen- und insbesondere natürlich vor der Außenwirtschaft zu tragen haben.
({2})
Herr Kalbitzer, ich glaube nicht, daß es ganz richtig ist, wenn Sie dem Hohen Hause nur einige Negativzahlen genannt haben.
({3})
Es muß hier ausgesprochen werden: Wenn wir mit dem § 4 nicht Vorsorge getroffen hätten, wüßte ich keineswegs, ob dann nicht der Zuckerzoll doch erhoben werden würde.
({4})
Sie haben recht, wenn Sie auf die Zeit vor dem 30. Juni zurückgreifen, so bedeutet die jetzige Verordnung eine Erhöhung. Aber es muß auch ausgesprochen werden, daß Erhöhungen, die nach dem 30. Juni von der Regierung vorgenommen wurden, die damals noch nicht an den § 4 gebunden war, nunmehr gesenkt werden. Der Zoll wird z. B. für Gefrierfleisch in Zukunft nicht, wie in den letzten Wochen, 35 DM für den Doppelzentner betragen, sondern nur 22,90 DM. Dasselbe gilt für lebende Rinder, bei denen der Zoll von 16 DM auf 10,20 DM herabgesetzt worden ist.
Nun haben Sie gesagt, Herr Kalbitzer, das ganze Vertragswerk, das hier vorliegt, sei ein Gegenseitigkeitsgeschäft zwischen Bauernverband und Regierung. Ich bin Ihnen besonders dankbar, daß Sie nicht gesagt haben, es sei ein Gegenseitigkeitsgeschäft zwischen Bauernverband und Industrie.
({5})
- Herr Kalbitzer, ich glaube, es hätte mehr im Sinne Ihrer Ausführungen gelegen, wenn Sie von einem Gegenseitigkeitsgeschäft zwischen Bauernverband und Industrie unter Assistenz der Regierung gesprochen hätten.
({6})
Aber nun, Herr Kalbitzer, glauben Sie, daß man Zollverträge abschließen und Zollverordnungen erlassen kann, ohne daß man abzuwägen versucht, was der einen Seite recht und der andern Seite billig ist?
({7})
Wir müssen uns doch, gerade auch, wenn wir an den Konsumentenstandpunkt denken, restlos darüber klar sein, daß wir eine Verantwortung tragen, die über allem anderen steht: die Verantwortung dafür, aus unserem Boden herauszuholen, was nur irgendwie herausgeholt werden kann.
({8})
Dabei müssen wir berücksichtigen, daß die Produktionsverhältnisse in Deutschland gerade auch auf landwirtschaftlichem Gebiet doch in keiner Weise mit den Produktionsverhältnissen in anderen Ländern verglichen werden können.
({9})
Aber noch ein weiteres ist zu erwägen. Wir haben es doch gerade erst vor einem Jahr empfunden, wie gefährlich es ist, wenn Deutschland zum Sog von Importen wird - ich denke dabei besonders an Dänemark und Frankreich -, einerlei ob auf landwirtschaftlichem oder gewerblichem Gebiet, einfach deswegen, weil Überproduktionen nach Westdeutschland eingeführt wurden, die uns vieles über den Haufen geworfen haben. Ich möchte mich aus diesem Grunde auch der von einem meiner Vorredner vorgetragenen Bitte an den Herrn Finanzminister anschließen, die von diesem Hause geschaffenen Ein- und Ausfuhrstellen nun wirklich dadurch zur Arbeit kommen zu lassen, daß man ihnen auch die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt. Dann wird es in zukünftigen Verhandlungen möglich sein, noch gerechter abzuwägen, was für die gesamtdeutsche Entwicklung wirklich notwendig ist.
Aber nun noch ein sehr ernstes Wort zu Ihnen, Herr Kalbitzer. In den monatelangen Beratungen sowohl im Zollunterausschuß wie auch im Außenhandelsausschuß haben wir im Grunde erfreulicherweise doch immer eine gemeinsame Linie gefunden und die verschiedenen Standpunkte gegeneinander abgewogen. Das Entscheidende, was wir damals beschlossen haben und was auch bei der Verabschiedung der heutigen Verordnung nicht übersehen werden darf, liegt doch darin: wir haben das jetzige Zolltarifgesetz so labil gemacht, daß mit Hilfe des § 4 die Dinge jeweils der wirtschaftlichen Notwendigkeit angeglichen und angepaßt werden können. Daher bedaure ich es, daß Sie nun bei der ersten entscheidenden Anwendung dieses § 4 allzusehr in die rein negative Einstellung verfallen sind. Ich glaube, in dem einen oder anderen Punkt wäre es durchaus möglich gewesen, das eine oder andere noch zu ändern, wenn dem nicht ein allzu stures ewiges Nein von Ihrer Seite entgegengestanden hätte.
({10})
Ich bin überzeugt, wir hätten manchen Beschluß leichter fassen können. Jetzt allerdings mußten wir zu diesen Beschlüssen kommen, denn wenn wir vor dem 1. Oktober diese Verordnung nicht verabschieden, dann - und das wissen Sie, Herr Kollege Kalbitzer, so gut wie ich, und das muß das ganze Haus wissen - treten Sätze in Kraft, die weder Sie noch wir vor dem deutschen Volk verantworten können.
({11})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir teilen die Auffassung, daß in einer Zeit der Verknappung, mag sie herkommen, woher sie will, die in Torquay ausgehandelten Zollsätze nicht in allen Positionen in voller Höhe wirksam werden dürfen. Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, weil die im Ausland nur zu überhöhten Preisen möglichen Einkäufe lebensnotwendiger Güter nicht so verteuert werden dürfen, daß sie für den Verbraucher nicht mehr erschwinglich sind. Aber wir begrüßen es doch, daß in den Verhandlungen nicht, wie anfänglich vorgesehen, in den meisten Positionen ein völliger Abbau bzw. ein Abbau bis auf einen nicht mehr wirksamen Zoll durchgesetzt worden ist. Denn wir müssen uns darüber klar sein: wenn auch in der letzten Zeit auf den Märkten zeitweilig ziemlich hohe Preise für Schweine gezahlt worden sind, für die Bauern ist das durchaus nicht ein reiner Gewinn, denn auch die Gestehungskosten sind erheblich gestiegen.
({0})
Wo immer der Bauer zu Wort gekommen ist, er hat nie - darin sind wir uns mit dem deutschen Bauerntum völlig einig - überhöhte Gewinne gefordert oder kaufmännisch darum gerungen, sondern er hat immer nur seine Gestehungskosten decken und darüber hinaus nur einen Gewinn erzielen wollen, der für ihn und seine mitarbeitende Familie ein entsprechendes Einkommen sicherte.
Ich glaube auch, daß mit den Zollsätzen, wie wir sie in den Ausschüssen erarbeitet haben, dieser Auffassung und diesen Wünschen im Interesse des
({1})
Verbrauchers und der Landwirtschaft zugleich Rechnung getragen worden ist. Wir bedauern, daß die Zollsätze bei Fischen so weit heruntergesetzt worden sind, daß sie nun praktisch keinen eigentlichen Schutz mehr für die Fischerei bedeuten. Ich gebe aber der Hoffnung Ausdruck, daß der Anregung, die im Ausschuß gemacht worden ist, in anderer Weise zu helfen, entsprochen wird und daß auch unsere schwer kämpfende Fischwirtschaft draußen mit anderen Mitteln den Schutz oder die Hilfe erhält, deren sie unbedingt bedarf.
Wir begrüßen es besonders auch - das ist bei der Begründung ganz klar und eindeutig zum Ausdruck gekommen; es steht auch im Gesetz drin -, daß wir dieses Gesetz nur „bis auf weiteres" beschlossen haben. Wenn wir uns - das ist von Herrn Struve ganz eindeutig zum Ausdruck gebracht worden - einzelne Märkte vor Augen halten, dann ist das kein Bild der Gesamtrentabilität oder der Entlohnung der landwirtschaftlichen Arbeit. Wenn Sie sich heute einmal im Lande umsehen und sich die Preise nicht nur auf den Schlachtviehmärkten, sondern auch einmal die Ferkelpreise vor Augen führen, so stellen Sie dort ein erhebliches Absinken in den letzten Wochen fest. Das hat zur Folge, daß in einer zu berechnenden Zeit die Ferkel zusammen mit den auch noch vielfach zur Mast gestellten Sauen auf den Markt kommen und die Preise wahrscheinlich erheblich absinken werden. Ich möchte nun doch abschließend dem Wunsch und der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Wort „bis auf weiteres" dann nicht vergessen, sondern ebenso schnell dann auch die Sicherheit für die Landwirtschaft geschaffen wird - und nun möchte ich einmal mit Ihren Worten, Herr Kollege Kalbitzer, sprechen -, um die Landwirtschaft vor der ruinösen Konkurrenz des Auslandes zu schützen:
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lange.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß man hier zu einem Teil in völliger Verkennung des Charakters des § 4 des Zolltarifgesetzes diskutiert hat. Wir sollten uns doch darüber klar sein, daß der § 4 des Zolltarifgesetzes eine Änderung der autonomen oder in Torquay ausgehandelten Zollsätze vorsieht mit dem Ziele, diese Zollsätze so weit zu verändern, daß sie der gegebenen wirtschaftlichen Situation entsprechen.
({0})
In dieser Hinsicht ist es durchaus richtig, daß die ganze Verordnung die Worte „bis auf weiteres" enthält, und da ist - ich werde ja die Ehre haben, den Entschließungsantrag unserer Fraktion noch zu begründen - das nur richtig, was Kollege Kalbitzer ausgeführt hat.
Es ist weiterhin auch von uns eindeutig unterstrichen worden, daß wir gar keine Auseinandersetzung über die Frage des ausreichenden Ein- oder Auskommens der Bauernschaft und ihrer Familien haben wollen. Dieses Auskommen gestehen wir der Landwirtschaft und den Angehörigen in der Landwirtschaft genau so zu, wie Sie als Vertreter der Bauernschaft selbst es für sich in Anspruch nehmen.
({1})
Aber man soll sich doch über folgendes klar werden. Wenn man vernünftige Produktionsverhältnisse schaffen will, kann man sie zweifellos nicht
über den Zoll erreichen, sondern kann diese vernünftigen, rationellen Produktionsverhältnisse eben
nur durch Rationalisierungsmaßnahmen, durch entsprechende Produktionsverbesserungen erreichen.
({2})
- Es ist zweifellos richtig, Herr Kollege Preiß, daß das einiges Geld kostet, und dafür sollten Mittel zur Verfügung gestellt werden, nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für andere Dinge, die notwendigerweise getan werden müssen. Ich denke hier an die Industrie und da nicht zuletzt an die Grundstoffindustrie.
Man sollte sich darüber klar sein, daß man nicht auf einem abseitigen Gebiet irgendwelche Dinge tun kann, um beispielsweise von der Basis des am schlechtesten organisierten Betriebes ausgehend den Schutz festzustellen, der notwendigerweise durch den Zoll erreicht werden soll.
({3})
- Nein, das ist nicht unerhört, sondern das wird weitgehend so vertreten, weil man einfach nicht bereit ist, entsprechenden Maßnahmen, die einer Produktionsverbesserung dienen, wirksam das Wort zu reden.
({4})
- Gut, Herr Dr. Preiß.
Nun aber ein Wort zu dem, was hier bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Freudenberg praktisch so als Schlußbemerkung gelaufen ist. Es ist doch zweifellos ein sehr starkes Stück, Herr Kollege Freudenberg, wenn Sie in diesem Zusammenhang von einem sturen Verhalten der sozialdemokratischen Vertreter im Ausschuß sprechen.
({5})
- Nein! Es ist doch so - da muß mit aller Deutlichkeit noch einmal darauf hingewiesen werden, was Kollege Kalbitzer schon vorher ausgeführt hatte -, daß wir uns im Ausschuß, ais wir den autonomen Zoll und auch Torquay verhandelten, sehr klar darüber waren, daß, um keine weitere Erhöhung der Lebenshaltungskosten durch die praktisch in einer Reihe von Positionen erfolgten oder erfolgenden Zollerhöhungen eintreten zu lassen, Zollermäßigungen auf Grund der Ermächtigung, über die wir uns dann im § 4 verständigt haben, Platz greifen sollen, möglicherweise sogar in einem Umfange, wie sie bis zum 30. Juni bestanden haben.
Man muß doch davon ausgehen, was einmal gewesen ist, nämlich der Zollfreiheit einer Reihe von Positionen, wobei Industrie und Landwirtschaft - sagen wir Erzeuger auf der einen und Handel auf der anderen Seite - immer noch sehr, sehr gut leben konnten. Wir sollten uns doch darüber klar sein, daß weitergehende Belastungen, als sie bei den Grundnahrungsmitteln vertretbar sind, auch nach Ihrer Meinung, doch zu einer ganz entscheidenden Verschiebung des Preisgefüges und gleichzeitig zu einer erheblichen Schwächung der Kaufkraft führen. Es ist also so, daß wir in gar keinem Fall, da es sich hier zu einem wesentlichen Teil um Agrarzölle handelt, der Landwirtschaft die Dinge bestreiten, die auf Grund der gestiegenen Produktionskosten für sie notwendig sind. Aber regeln Sie das bitte auf einem anderen Wege, nicht über Zölle, sondern lassen Sie den Zoll als außenhandelspolitisches Instrument in seiner ursprünglichen Bedeutung bestehen.
({6})
Wir sind auch durchaus mit der Äußerung und mit der Feststellung einverstanden - das hat auch der von unserer Seite gegebene Beifall gezeigt -, daß aus dem deutschen Boden herausgeholt werden soll, was nur zur Sicherstellung unserer Ernährung herausgeholt werden kann. Aber wir sind uns doch darüber einig, daß der Boden im Geltungsbereich des Grundgesetzes einfach nicht zu 100 % hergibt, was zur Versorgung unserer Bevölkerung notwendigerweise vorhanden sein muß.
Wenn man sich in diesem Zusammenhang - ohne jetzt auf Einzelpositionen eingehen zu wollen - noch einmal die Verordnung über die Zolländerungen ansieht, dann kann man doch nur sagen, daß die Landwirtschaft im Hinblick auf die notwendige Fleisch- und Fettversorgung eingestandenermaßen im Augenblick nicht in der Lage ist, diese Lücke zu schließen. Aus diesem Grunde haben wir auch in dem Entschließungsantrag auf Umdruck Nr. 318 die Regierung noch einmal ersucht, in einer weiteren Verordnung über Zolländerungen die Rinder zum Schlachten unter Zollsicherung zollfrei hereinzubringen.
({7})
-- Wir sind - Herr Struve, mit diesem Einwand habe ich gerechnet - sehr wohl bereit, in dem Augenblick, in dem die deutsche Landwirtschaft in der Lage ist, die Versorgungslücke zu schließen,
({8})
wieder auf den alten Zollsatz zurückzugehen, so daß keinerlei Gefährdung der Produktion der Landwirtschaft entsteht. Aus dem gleichen Grunde haben wir diesen Antrag auch für Schweine im Lebendgewicht von mehr als 35 kg pro Stück gestellt. Für Schweineschmalz und Schweinespeck zur Ergänzung unserer Fettdecke gilt dasselbe. Für Eier wiederholen wir in diesem Zusammenhang den Antrag, den wir im Ausschuß gestellt haben - ich will ihn noch einmal formulieren -: Für die Zeit vom 16. Februar bis 31. August 5 % und für den Rest der Zeit Zollfreiheit, d. h. Zollfreiheit in der Zeit, in der bei uns die Hühner nicht so fleißig sind.
Im übrigen ist in diesem Zusammenhang noch hinzuzufügen: Wir müssen unter allen Umständen seitens der Bundesregierung erwarten, daß für Rohstoffe oder für die Erzeugnisse der ersten industriellen Verarbeitungsstufe, die bei Mangellagen den Rohstoffen gleichzusetzen sind, zur Sicherung der Versorgung unserer Industrie auch Zollfreiheit oder weitgehende Zollbegünstigung - stärker als jetzt ab 1. Oktober vorgesehen - Platz greift. Denn wir wünschen nicht, daß sich hinter einem möglichen Zollsatz erhöhte Gewinnspannen der Industrie, des Handels, oder wer immer es sein mag, verstecken können,
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
- ohne daß in diesem Zusammenhang das erreicht werden kann, was normalerweise sichergestellt werden muß, nämlich die notwendige Entlastung der breiten Masse unseres Volkes, um damit eine weitere Erhöhung der Lebenshaltungskosten zu verhüten.
({0})
Ich bitte Sie also, dem Antrag Umdruck Nr. 318, den meine Fraktion als Entschließungsantrag gestellt hat, die Zustimmung zu geben.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2592 Ziffern 1, 2 und 3. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, die Mitglieder des Vorstandes sind nicht ganz meiner Auffassung. Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag des Ausschusses sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist nach übereinstimmender Auffassung des Vorstandes die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 318. Ich bitte die Damen und Herren - ich darf annehmen, daß dieser Entschließungsantrag allen vorliegt -,
({0})
die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, da die Einigkeit hier nicht herzustellen ist - es haben drüben einige Bauern zunächst anders gestimmt -,
({1})
bitte ich, im Wege des Hammelsprungs abzustimmen. Wer für die Entschließung ist, der gehe bitte durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür, Enthaltungen durch die Mitte.
({2})
Ich wäre dankbar, wenn der Saal im Interesse einer Beschleunigung der Abstimmung möglichst bald geräumt werden könnte.
Sind die Türen hinreichend besetzt? - Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({3})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. - Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD haben gestimmt 127 Abgeordnete, dagegen 144 bei 6 Enthaltungen. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Darf ich Ihnen folgendes vorschlagen, meine Damen und Herren. Ich möchte die Frage über die Vertretung des Bundestags bei dem Verfassungsrechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgerichtshof, die uns heute morgen bereits beschäftigte, um 16 Uhr zur Erledigung bringen. Ich darf bitten, daß die Damen und Herren sich darauf einrichten.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({4}); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({5}) ({6}) mit den dazugehörigen Mündlichen Berichten des Haushaltsausschusses ({7}) ({8}).
({9}).
({10})
Dazu gehört eine große Anzahl von Einzelplänen bis zum Haushaltsplan XXVI, Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten.
Zur Geschäftsordnung hat ums Wort gebeten Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat vor einigen Tagen beschlossen, diejenigen Haushaltspläne, deren Beratung voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, heute nicht vorzunehmen, sondern ihre Beratung auf eine der nächsten Sitzungen zu verschieben. In der Linie dieser Beschlüsse des Ältestenrats würde es auch liegen, wenn wir heute darauf verzichten würden, die Beratung des Haushaltsgesetzes vorzunehmen, und wenn wir weiter die Beratung des Einzelplans XXI - Haushalt der Bundesschuld
- und Einzelplan XXIII - Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung - mit der Beratung des Haushalts des Finanzministeriums verbinden würden, wie dies auch früher immer üblich war.
Ich stelle deshalb den Antrag, Punkt 8 k der Tagesordnung: Einzelplan XXI - Haushalt der Bundesschuld - und Punkt 8 1: Einzelplan XXIII
- Haushalt der Allgemeinen Finanzverwaltung - von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und auch von der Beratung des Haushaltsgesetzes abzusehen.
Darf ich annehmen, daß das
Haus mit diesem Vorschlag einverstanden ist? ({0})
Das ist offenbar der Fall.
Meine Damen und Herren! Wir würden dann zunächst in die zweite Beratung der einzeln aufge- führten Haushaltspläne, mit Ausnahme der Einzelpläne XXI und XXIII, eintreten und uns dann schlüssig werden, in welcher Weise wir die dritte Beratung vornehmen. Ich vermute im Augenblick, daß es am zweckmäßigsten sein wird, die dritte Beratung im Zusammenhang mit der endgültigen Erledigung des Haushaltsgesetzes selbst und der noch nicht erledigten Haushaltspläne in Aussicht zu nehmen. Ich rufe also zunächst jeweils die
zweite Beratung
auf, und zwar jetzt:
Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Bausch.
Ich darf wohl vermuten, daß es der allgemeinen Meinung des Hauses entspricht, wenn die Berichterstattung bei allen Haushaltsplänen möglichst kurz gehalten wird.
Bausch ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes erfordert im Rechnungsjahre 1951 einen Zuschuß von 962 100 DM. Diese Summe ist um 180 100 DM geringer als der Zuschuß, der für 1950 für diesen Einzelplan benötigt wurde. Der Rückgang ist im wesentlichen auf die Einsparung der Miete für die Viktorshöhe zurückzuführen.
Der Haushaltsausschuß beantragt laut Drucksache Nr. 2601, den Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes - unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie haben diese vorbildlich kurze Berichterstattung gehört. Ich eröffne die Einzelbesprechung. - Keine Wortmeldungen. - Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses, den Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes - entsprechend der Drucksache Nr. 2601 unverändert anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan III -- Haushalt des Deutschen Bundesrats ({0}).
Berichterstatter ist ebenfalls Herr Abgeordneter Bausch.
Bausch ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Auch bezüglich des Haushalts des Bundesrats - Einzelplan III - kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß der Bedarf für diesen Haushalt um 177 200 DM geringer als im Vorjahre ist. Der Zuschußbedarf beläuft sich auf 1 402 500 DM. Der Haushaltsausschuß ist deshalb auch hier zu dem Entschluß gekommen, Ihnen vorzuschlagen, den Einzelplan III - Haushalt des Deutschen Bundesrats - unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
({2})
Ich eröffne die Besprechung.
- Keine Wortmeldung. - Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzelplan III zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan V a - Haushalt des Deutschen Vertreters im Rat der Internationalen Ruhrbehörde und des Deutschen Delegationsbüros in Düsseldorf ({0}).
Für den Einzelplan V a ist Berichterstatter Herr Abgeordneter Blachstein. Bitte, Herr Abgeordneter.
Blachstein ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verweise auf die Drucksache Nr. 2601 und bitte das Hohe Haus, entsprechend dem Antrag des Ausschusses den Einzelplan V a unverändert .zu beschließen.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine kommunistische Stimme angenommen.
({0})
Ich rufe auf:
Einzelplan XIII - Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Bärsch.
- Herr Abgeordneter Dr. Bärsch scheint nicht hier zu sein. Darf ich mich in seiner Vertretung der Aufgabe entledigen, das Haus zu bitten, den Einzelplan XIII anzunehmen?
({2})
({3})
- Das Haus scheint damit einverstanden zu sein. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion - diesmal vollständig - angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan XV - Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene ({4}).
Abgeordnete Frau Dr. Probst als Berichterstatterin bitte!
Frau Dr. Probst ({5}), Berichterstatterin: Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich bitte, dem Einzelplan XV zuzustimmen. Der Überrollungshaushalt sieht eine Erhöhung von 150 000 DM gegenüber dem Haushalt 1950/51 vor. Ich bitte um Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag des Haushaltsausschusses.
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich bitte die Damen und Herren, da offenbar keine Wortmeldungen vorliegen, - ({0})
- Herr Abgeordneter Müller, wofür oder wogegen? Wollen Sie das Wort nehmen?
({1})
- Bitte, Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Es ist nicht ganz uninteressant, daß die Beratung der einzelnen Pläne ohne eine Stellungnahme der einzelnen Fraktionen, insbesondere also auch der Regierungsfraktionen, vorübergeht. Ich denke, daß der Haushalt, der jetzt zur Beratung steht, doch Veranlassung geben müßte, einige Bemerkungen zu dem zu machen, was seitens des Ministeriums in dieser nicht unwichtigen Frage insgesamt geleistet worden ist.
({0})
- Jawohl, denn gerade wir haben besondere Veranlassung,
({1})
Herr Schütz und Herr Kuntscher, gegenüber den Tendenzen, die von bestimmten Seiten unter den Umsiedlern und Flüchtlingen als Politik vertreten werden, vor der Öffentlichkeit einmal die politischen Absichten, die mit dieser Politik in den Organisationen verfolgt werden, einmal in ihrem gesamten Umfang aufzuzeigen. Aber ich glaube, es wird zweckmäßig sein, zunächst auf einige wenige Fragen einzugehen, zunächst auf die Frage nämlich, was die Regierung seit ihrem Bestehen getan hat, um für die rund 7 Millionen Umsiedler und Flüchtlinge die Frage des Arbeitsplatzes, die Frage der Wohnungsbeschaffung, die Frage der Unterstützung der Bauern unter den Flüchtlingen und Umsiedlern, die Frage der Fürsorge, die Frage der Flüchtlingsbetriebe usw. zu lösen. Wir haben in Westdeutschland auf der Grundlage der von mir bereits genannten Zahl einen Anteil von 16,2 % der Umsiedler an der Gesamtbevölkerung. Demgegenüber beträgt dieser Anteil im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik 24,3 %. Die Voraussetzungen für entscheidende Maßnahmen zur Seßhaftmachung der Umsiedler und Flüchtlinge sind also hier objektiv günstiger als im Gebiet der DDR.
Lassen Sie mich nun einige Fragen in der bereits angedeuteten Richtung aufgreifen. Es ist Ihnen ja nicht unbekannt, daß auch heute noch, genau so, wie wir es bei dem vorigen Etat bereits feststellen mußten, der prozentuale Anteil der Umsiedler und Flüchtlinge an der Gesamtzahl der Arbeitslosen nach wie vor mehr als 40 v. H. beträgt; die Anzahl der Jugendlichen ist dabei besonders erschreckend hoch. Ich glaube, daß die Möglichkeiten, ihnen allen Arbeit zu beschaffen, Lehrwerkstätten und Lehrlingsstellen zu geben, absolut gegeben wären, wenn nicht die Politik der Regierung und auch des Ministeriums des Herrn Dr. Lukaschek in einer völlig falschen Orientierung die Arbeitsmöglichkeiten, in erster Linie in der Richtung der Entwicklung der Grundstoffindustrien für die Kriegsproduktion, sehen würde, anstatt insbesondere die Fertigindustrie auszubauen und durch bestimmte Maßnahmen für alle dafür zu sorgen, daß die Arbeitslosen Arbeitsplätze bekommen.
Eine weitere Frage der Entwicklung ist - das ist ja eine allgemeine Erscheinung -, daß diejenigen, die sich in Arbeit befinden, genau so wie die Rentner und die Fürsorgeempfänger, im Zuge der allgemeinen weiteren Aufspaltung der Schere zwischen Preisen und Löhnen immer mehr in eine Elendslage geraten. Ich glaube, daß das eine Feststellung ist, die eine scharfe Anklage gegen die Politik dieser Regierung seitens der Flüchtlinge und Umsiedler bedeutet, und ich denke, daß gerade auch Sie, Herr Schütz, Gelegenheit nehmen müßten, um diese Tatsachen zum Anlaß zu nehmen, gegen diese Regierung Stellung zu nehmen und eine entsprechende Politik auch in den Organisationen selbst zu betreiben.
Die zweite Tatsache. Da festgestellt worden ist, daß in Westdeutschland ein Wohnungsbedarf von insgesamt etwa 6 Millionen vorhanden ist, so beläuft sich nach den Erklärungen in den Ausschüssen der Wohnungsbedarf der Flüchtlinge und Umsiedler auf etwas über 1 Million. Im vergangenen Jahre wurde ein großes Wohnungsbauprogramm verkündet, wobei man mit einer Zahl von 350 000 Wohnungen operiert hat. Die Regierung muß aber feststellen, daß das Wohnungsbauprogramm des vergangenen Jahres nicht durchgeführt ist und voraussichtlich erst bis zum Ende dieses Jahres zum Auslaufen kommen wird. Die Frage aber, was nun weiter zu geschehen hat, nämlich die erforderlichen Mittel für den weiteren Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen und, darin einbeschlossen, die Wohnungen für die Flüchtlinge und Umsiedler zu erstellen, hat die Regierung bisher nicht beantwortet und auch nicht beantworten können, weil die Mittel nach der Angabe der Regierung dafür nicht zur Verfügung stehen. Nicht nur, daß der Finanzminister einen Betrag von 100 Millionen DM gesperrt hat; entscheidend ist, daß man solche Mittel deswegen nicht zur Verfügung stellen kann - und das ist eine Frage, die die Umsiedler und Flüchtlinge besonders interessiert -, weil diese Mittel für die Abdeckung der Kosten der Besatzung, für die Kriegsvorbereitung, für die Remilitarisierung benötigt werden.
Ich möchte hier auf die Frage, welche Quellen die Regierung daneben erschließen könnte, um Hilfsmaßnahmen durchzuführen, die insbesondere für die Unterbringung der Flüchtlinge und Umsiedler erforderlich sind, gar nicht eingehen; darüber werden wir uns später zu unterhalten haben. Aber gerade im Zusammenhang mit dem Pro({2})
gramm der Umsiedlung aus den besonders stark belegten Gebieten werden die Frage des Wohnungsbaues und die Frage des Arbeitsplatzes sehr entscheidend sein. Wenn vor kurzem in der Zeitung gemeldet worden ist, daß Umsiedler, die aus Schleswig-Holstein in die Nähe von Baden-Baden sollten, von dem dortigen Oberbürgermeister einen Brief erhalten haben, der die Aufnahme mit der Begründung ablehnt, daß kein Wohnraum vorhanden sei, dann charakterisiert das nicht nur die Situation, sondern bestätigt auch die Berechtigung unserer Forderung. Wir haben damals die Forderung erhoben, daß, bevor diese Umsiedlung durchgeführt wird, durch Delegationen der Umsiedler an Ort und Stelle erstens die Frage der Unterbringung und zweitens die Frage des Arbeitsplatzes gelöst wird. Gerade aus diesen Kreisen wird immer und immer wieder die Forderung auf die Durchführung einer gerechten Wohnraumverteilung erhoben.
Auf diesem Gebiet ist in der Deutschen Demokratischen Republik eine andere Regelung eingetreten, indem dort im Jahre 1948/49 umfassende Maßnahmen zur gerechten Wohnraumverteilung durchgeführt worden sind. Es wurden dadurch nicht nur bis Anfang 1949 über 20 Millionen Quadratmeter Wohnraum erfaßt, sondern im August und September 1949 wurden weitere Maßnahmen in dieser Richtung ergriffen, durch die allein in Thüringen über 400 000 Quadratmeter Wohnraum insbesondere für die ehemaligen Umsiedler neu zur Verfügung gestellt werden konnten. Auf Grund eines Gesetzes, das im vergangenen Jahr im Oktober zur weiteren Hilfe für die Umsiedler erlassen worden ist, sind weitere Mittel über den Rahmen des großen Wohnungsbauprogramms in der Deutschen Demokratischen Republik hinaus bereitgestellt worden, um insbesondere bei den volkseigenen Betrieben usw. weitere über 10 000 Wohnungen zu erstellen.
Ich habe als weitere Frage die der Lage in der Landwirtschaft, der Bauern angeschnitten. Ich möchte auf eine Pressenotiz zurückkommen, die am 30. Juli in der „Heilbronnar Stimme" erschienen ist. Dort wird berichtet, daß der Landwirtschaftsminister von Württemberg-Hohenzollern eine Mitteilung gemacht hat, die folgendermaßen lautet:
Für die 294 000 unabhängigen Bauern, die als Heimatvertriebene in die Bundesrepublik gekommen sind, stehen etwa 650 000 ha Land zur Verfügung.
Dr. Weiß - also der Landwirtschaftsminister von Württemberg-Hohenzollern - erklärt in diesem Zusammenhang, daß nach Abzug der Nebenerwerbssiedlungen etwa 550 000 ha zur Verfügung ständen. Es würden damit rund 34 000 Vollbauernstellen mit durchschnittlich 15 ha geschaffen werden können.
Ich glaube, Sie selber werden an Hand einer Überprüfung der Ländereien all derjenigen Güter, die über 100 ha umfassen, zu der Feststellung kommen müssen: Wenn eine Bodenreform im gesamten Gebiet durchgeführt würde, die das Land von über 100 ha den Grundbesitzern wegnimmt, würden die Voraussetzungen geschaffen für Zehntausende von Bauernstellen für Umsiedler und Flüchtlingsbauern.
({3})
- Ich spreche hier nicht von Württemberg-Hohen- I zollern, sondern ich spreche vom gesamten Bundesgebiet, Herr Kollege!
({4})
Wenn Sie dabei nicht nur Niedersachsen, wenn Sie Nordrhein-Westfalen, wenn Sie auch Teile des Gebiets von Hessen nehmen - ich greife nur einige Länder heraus -, dann werden Sie mir zugeben müssen, daß eine Regierung, wenn sie wirklich die Absicht hätte, den Umsiedlerbauern zu helfen und sie seßhaft zu machen, Zehntausenden von ihnen Grund und Boden und damit Nahrung für sich und ihre Familie geben könnte. Aber dafür hat man weder das Geld, noch hat man den Willen, hier entscheidende Schritte zu tun. Ich möchte demgegenüber nur die Tatsache feststellen, daß im Zuge der Bodenreform in der Deutschen Demokratischen Republik über 91 000 Neubauern-stellen für ehemalige Umsiedlerbauern zur Verfügung gestellt worden sind. Das ist dort geschehen, und damit ist eine Frage gelöst worden, die unter politisch anderen Bedingungen gelöst werden konnte, weil dort der Großgrundbesitz und die Herren von der Schwerindustrie nicht mehr das Wort haben, sondern das Volk selbst.
({5})
Und wie ist es nun mit den Flüchtlingsbetrieben und ihrer Lage bestellt? Ich glaube, meine Damen und Herren, für diese sind nicht nur die mit der Politik der Ruhrbehörde zusammenhängenden Fragen von Bedeutung. Tatsache ist, daß durch den Export von Kohle, Eisen und Stahl - entsprechend der Aufrüstungs- und Kriegspolitik - diese Rohstoffe der deutschen Wirtschaft und dem Handwerk entzogen werden und daß damit auch den Flüchtlingsbetrieben die Existenz erschwert wird. Die Zahl der Konkurse unter ihnen nimmt ständig zu. Auch die Frage der Kredite spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Ihnen ist bekannt, daß, wenn überhaupt Kredite erhältlich sind, der hohe Zinsfuß diesen Flüchtlingsbetrieben kaum die Möglichkeit gewährt, ihre Existenz aufrechtzuerhalten. Demgegenüber wird ihnen in der Deutschen Demokratischen Republik eine großzügige Hilfe,
({6})
die in die Milliarden geht, gewährt. Das positive Ergebnis ist, daß allein im Verlauf der letzten fünf Jahre 61 000 neue Handwerksbetriebe im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik gegründet werden konnten! Das ist nur ein Beweis für die Großzügigkeit und die Entschlossenheit der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik, den früheren Umsiedlern zu helfen.
({7})
Ich möchte noch eine Bemerkung zu dem Etat selbst machen. Wenn wir uns einmal die Kundgebungen der letzten Zeit vor Augen führen, dann ist der Tenor auf ihnen derselbe wie der, den heute vormittag der Abgeordnete Dr. Kather und nach ihm der Abgeordnete Kollege Tichi angeschlagen haben. Die gesamte Politik dieser Regierung gegenüber den Umsiedlern und Flüchtlingen basiert doch nur auf der Weigerung, sie als völlig gleichberechtigt - nicht gleichgestellt, sondern gleichberechtigt - anzuerkennen und ihnen damit die Existenz und das Gefühl zu geben, daß sie als Gleichberechtigte eine neue Heimat gefunden haben.
({8})
Die Politik einer Regierung, die diesen Forderungen nicht gerecht werden will, kann dann doch nur eine andere Aufgabe haben. Und das kommt auch in dem Haushalt zum Ausdruck, wenn wir die Titel 31 und 32 ins Auge fassen und in diesem Zusammenhang nur noch erwähnen, daß auch aus dem Etat des Herrn Kaiser bestimmte Mittel für die genannten Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Sinn und Aufgabe ist ja dabei nicht nur, wie es hier heißt, 500 000 DM für die Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial oder 250 000 DM für kulturelle und sonstige Betreuung zur Verfügung zu stellen. Wir haben ja bereits im Ausschuß darüber gesprochen, daß damit auch Gelder für die Unterhaltung der Organisationen selbst gewährt werden. Die entscheidende Aufgabe, die mit diesen Mitteln verfolgt wird, ist doch die, durch entsprechende Propaganda die Umsiedler und Flüchtlinge mit dem illusionären Versprechen auf eine etwaige Rückkehr in ihre Heimatgebiete davon abzuhalten, hier in Westdeutschland um ihre Existenz, um ihre wirkliche Eingliederung den Kampf zu führen. Das liegt in der Linie jener Propaganda, die ja nicht nur hier von Bonn aus, sondern von Bonn im Sinne des Petersbergs durchgeführt wird. Sie sollen die Armee - ({9})
- Jawohl, darüber gibt es gar keinen Zweifel! - Sie sollen die Reservearmee stellen und das Reservoir sein für die Aufgaben, die im Interesse der amerikanischen Milliardäre und ihrer Kriegspolitik durchgeführt werden sollen. Wir möchten auch von dieser Stelle aus die Umsiedler und Flüchtlinge davor warnen, sich zur höheren Ehre seiner Majestät des Dollars herzugeben, um damit in einem Krieg alles, auch ihr Leben, zu verlieren. Die Aufgabe der Flüchtlinge wird vielmehr darin bestehen, sich gegen diese Politik Bonns, des Peters-bergs und Washingtons zu wenden und sich hier in Westdeutschland selbst im Kampf für den Frieden zugleich ihre eigene Existenz zu sichern.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß sie die Politik, wie sie im Interesse der Vertriebenen getrieben wird, für völlig unzulänglich hält. Wir haben auch dem Herrn Minister für die Vertriebenen gegenüber wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß wir von seiner Sonnenscheinmethode, die er einmal von dieser Stelle aus verkündet hat, nicht viel halten. Und das Ergebnis gibt ja auch dem recht, was wir ihm damals gesagt haben. Wir wollen allerdings objektiverweise zugestehen, daß er nicht alles selbst schaffen kann und daß bei dieser Plan- und Entschlußlosigkeit der Bundesregierung auch für die Vertriebenen nichts geschehen kann.
Wenn sich aber der Vertreter der Kommunisten hier hergestellt, so sehr um die Vertriebenen geworben und sich. so sehr um ihr Los und ihr Schicksal besorgt gezeigt hat, dann kann ich nur an ein Wort erinnern, das ich schon einmal von dieser Stelle gesprochen habe: Man müßte doch mit den kommunistischen Vertretern wirklich Mitleid haben, wenn sie sich hier abquälen müssen, die Aufträge ihrer Auftraggeber auszuführen.
({0})
Denn wenn sie mit etwas ehrlicher und anständiger
Gesinnung zu dieser Frage sprechen würden, dann
würde ihnen das Wort im Halse steckenbleiben.
({1})
Sie wissen doch ganz genau, daß es Ihre politischen Freunde mit ihrer stillschweigenden Duldung gewesen sind, die damals die Vertriebenen dort nach dem Westen in Bewegung gesetzt haben, Sie sind es doch, die für die Oder-Neiße-Linie als Ostgrenze eintreten und damit die Rückführung der Vertriebenen tatsächlich verhindern, und Sie sind es auch, die durch die ganze Politik der Beunruhigung in der Welt dafür Sorge tragen, daß eine vernünftige Regelung nicht erfolgen kann. Und wenn Sie hier die Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik so gepriesen haben, dann geben Sie uns doch ein einziges Mal eine Antwort auf die Frage, wie es denn kommt, daß aus diesem Paradies der Deutschen Demokratischen Republik immer noch jeden Tag Tausende und aber Tausende nach dem Westen strömen, weil sie das Leben dort drüben einfach nicht mehr weiter ertragen können!
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns anläßlich der letzten Haushaltsberatung hier eingehend mit dem Vertriebenenproblem auseinandergesetzt. In der gleichen Stunde, in der uns aus dem Banat und aus dem Südosten Zehntausende von Hilferufen gegen die neuerlichen Verschleppungen und qualvollen Vertreibungen unserer südostdeutschen Brüder und Schwestern erreichen, hat einer der Mitschuldigen oder einer der Bundesgenossen der Schuldigen den Mut, sich hierherzustellen und so zu tun, als ob er seine Hände in Unschuld waschen könnte.
({0}) Meine Damen und Herren, diese Methode der Kommunisten „Haltet den Dieb", während noch das Blut an ihren Händen klebt, wird in diesem Hause festgestellt.
({1})
240 000 werden es sein,
({2})
die in diesem Jahr aus der Deutschen Demokratischen Republik, in der es die „vorbildlichen Siedlungsverhältnisse" gibt, über die Grüne Grenze herüberkommen. Womit erklärt sich denn die kommunistische Fraktion diesen Zustand?
({3})
Der Herr Müller hat von einer Reservearmee gesprochen. Ja, das war der Plan des Kreml, die zwölf Millionen dadurch zur Reservearmee für den Bolschewismus zu machen, daß er sie nach dem Westen trieb.
({4})
({5})
Aber er hat sich getäuscht. Diese 12 Millionen wissen ganz genau, daß an dem Unglück, das sie zu tragen haben und zu dessen Überwindung die ganze westliche Welt aufgerufen ist, einzig und allein S i e schuldig sind. Und deshalb haben es die Vertriebenen bisher abgelehnt und werden es auch in Zukunft ablehnen, sich zur Reservearmee des Bolschewismus degradieren zu lassen.
({6})
Der Herr Abgeordnete
Müller wünscht noch einmal das Wort zu nehmen.
({0})
Warme Würstchen, die Ihre Kollegen, Herr Arndgen, sehr gern in Empfang genommen haben! Wenn Sie auf diese Lügenmeldung hereingefallen sind, würde das ja nur Ihrer geistigen Konzeption entsprechen.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch ganz kurz einige Bemerkungen machen. Ich beneide Sie nicht, Kollege Mellies, daß Sie sich zum Verfechter der Politik der Bundesregierung gemacht haben.
({0})
Ich komme nun zu der Frage, die Herr Schütz angeschnitten hat, als er über diejenigen sprach, die aus dem Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik kommen.
({1})
Vielleicht sind Sie so liebenswürdig und lesen einmal die „Stuttgarter Zeitung" nach, die darüber berichtet - auch der „Rheinische Merkur" hat das geschrieben, der bestimmt nicht kommunistenverdächtig ist -, daß vom Herbst 1949 bis zum Herbst 1950, also in einem Jahr, über 150 000 deutsche Facharbeiter aus dem Westen nach der Deutschen Demokratischen Republik gegangen sind.
({2})
Der „Rheinische Merkur" schreibt außerdem, daß eine große Anzahl von Vertretern der Wissenschaft und der Intelligenz den gleichen Weg gegangen sind
({3})
- daß Sie das nicht hören wollen, verstehe ich; aber Sie müssen den Tatsachen Rechnung tragen-, ungeachtet derjenigen, die als nichtgelernte Arbeiter bzw. als Nichtfacharbeiter aus dem Westen nach der Deutschen Demokratischen Republik gegangen sind.
({4})
Meine Damen und Herren! Noch eine andere Bemerkung. Sie, Herr Schütz, sind in dieser Weise aufgetreten. Ich möchte die Frage an Sie richten, ob Sie mit derselben Emphase
({5})
seinerzeit, als Zehntausende oder hunderttausend gegen das „tausendjährige" Reich Hitlers und Henleins kämpften, auch gegen diese Herrschaft Hitlers und Henleins gekämpft haben. Wenn Sie das getan hätten, würden Sie heute anders sprechen; dann wären Sie überhaupt erst legitimiert, hier aufzutreten.
({6})
- Wenn Sie mit mir zusammen gewesen wären, dann hätten Sie verschiedene Jahre Zuchthaus und Konzentrationslager durchgemacht.
({7})
Das wäre erst die Legitimation für Ihr Auftreten hier gewesen.
Aber ich möchte Ihnen noch einige Dokumente zum Zwecke der Beweisführung vor Augen halten, die Ihnen auch sehr unangenehm sind. Sie kennen Herrn Mikolaiczyk und seine Memoiren, die er veröffentlicht hat. Vielleicht kennen Sie aus diesen im „Tagesspiegel" veröffentlichten Memoiren auch die Stelle, wo er auf die Unterredung und das Ergebnis der Beratung mit Churchill zu sprechen kommt. Ich zitiere wörtlich:
Churchill wurde plötzlich vergnügt. „Ich sehe jetzt eine neue Hoffnung für ein Übereinkommen", sagte er begeistert. „Zur Frage der Curzon-Linie muß ich im Namen der britischen Regierung erklären, daß diese Linie angesichts der großen Verluste, die die Sowjetunion erlitten hat, und im Hinblick auf die Verdienste der Roten Armee an der Befreiung Polens dessen Ostgrenze bilden muß. Wir werden dafür sorgen, daß sie dafür durch Gebiete in Ostdeutschland, in Ostpreußen und Schlesien entschädigt werden. Sie werden einen schönen Zugang zum Meer, einen guten Hafen in Danzig und die unschätzbaren Mineralien Schlesiens erhalten."
Sie können diese Ausführungen im Protokoll des britischen Unterhauses nachlesen.
Aber nicht nur Churchill gab diese Erklärung ab, durch die damals die Festlegung der Oder-Neiße-Linie als endgültige Grenze zum Ausdruck gekommen ist. Am 2. Februar 1944, also 17 Monate vor der Potsdamer Konferenz, schrieb der englische Unterstaatssekretär Mr. Cadogan:
Die britische Regierung ist der Ansicht, daß
Polen das Recht haben müsse, sein Gebiet bis
zur Oder-Neiße-Linie einschließlich des Stettiner Haffs auszudehnen.
({8})
Und am 27. Februar 1944 erklärte der englische Kriegspremier Winston Churchill vor dem britischen Unterhaus:
Ich fühle mich nicht alarmiert durch die Aussicht auf eine Loslösung der Bevölkerung, auch nicht einmal durch die großen Transferierungen, die unter modernen Verhältnissen eher möglich sind, als es jemals der Fall war.
({9})
- Sie wollen das natürlich nicht hören; das weiß ich! - Am 17. November 1944 erklärte
Was die künftigen Grenzen Polens angeht, so
hat die amerikanische Regierung gegen das
geplante, eine Entschädigung Polens durch
({0})
deutsche Gebiete vorsehende Abkommen zwischen Polen, Rußland und England nichts einzuwenden.
({1})
Falls die polnische Regierung und das polnische Volk den Wunsch haben sollten, nach der neuen Grenzziehung ihre nationalen Minderheiten umzusiedeln, soll dem von amerikanischer Seite nichts entgegenstehen; wir werden diese Umsiedlungen nach Kräften erleichtern.
Präsident Truman hat dieselbe Linie bezogen.
({2})
Ich glaube, meine Damen und Herren, damit ist die Argumentation, mit der Sie so gern draußen bei den Umsiedlern und Flüchtlingen hausieren gehen, um sie, nachdem die Pläne Englands und Washingtons mit einem Polen, das ihnen gefügig sein sollte, nicht gelungen sind, unter der Parole: „Zurück in die alte Heimat!" für deren Ziele, für deren Krieg zu gewinnen, erledigt. Ich bin davon überzeugt, daß die Politik dieser Regierung mithelfen wird, bei den Umsiedlern und Flüchtlingen über den Mißbrauch, der mit ihnen im Interesse der Kriegstreiber getrieben wird, Klarheit zu schaffen, und daß sie sich dafür nicht zur Verfügung stellen werden.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat bei seinen Zitaten vergessen, die letzte amtliche Entscheidung zu zitieren, nämlich das Potsdamer Protokoll, in welchem wörtlich steht, daß die ostdeutschen Gebiete Polen zur vorläufigen Verwaltung unterstellt werden und daß die endgültige Festsetzung der deutschen Ostgrenze einem Friedensvertrage vorbehalten bleibt. Ich wiederhole: Polen zur vorläufigen Verwaltung unterstellt! Es dürfte nicht schwer sein, das Wort „Verwaltung" so zu interpretieren, wie es gemeint war, und über den Sinn der Worte, daß die endgültige Festsetzung erst in einem Friedensvertrag stattfinden soll, dürfte selbst der Herr Kollege Müller nicht im Zweifel sein.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan XV - Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Haushalt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe den
Einzelplan XVII - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats ({0}) auf.
Als Berichterstatter wird Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer den Herrn Abgeordneten Frühwald vertreten.
Dr. Dr. Nöll von der Nahmer ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Ich darf auf die Drucksache Nr. 2601 verweisen. Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, diesen Haushaltsplan unverändert anzunehmen. Er ist einer der kleinsten Einzelpläne und schließt mit 490 500 DM ab.
Zur Aussprache hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Luetkens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Etat des Ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats ist an sich ein Staatssekretärposten vorgesehen. Der Posten ist nicht besetzt. In dem Stellenplan dieses Ministeriums findet sich eine Eintragung, daß mit der Wahrnehmung der Geschäfte ein Bundestagsabgeordneter, der Abgeordnete Dr. von Merkatz, beauftragt sei. Diese Ordnung kann vom Standpunkt des Grundgesetzes und nach den parlamentarischen Gepflogenheiten nur dahin verstanden werden, daß ein Fraktionskollege aus Freundschaft seinen Kopf einem Ministerium zur Verfügung stellt, damit die Arbeit dort besser geleistet werden kann. Aber es ist nur ein privates Arrangement. Mit Rücksicht auf diese Umstände erlaube ich mir, den Herrn Minister für Angelegenheiten des Bundesrats zu fragen, ob es richtig ist, daß der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz regelmäßig an den Sitzungen des Kabinetts teilnimmt. Wenn das der Fall ist, bitte ich ihn, dem Hause darzulegen, auf Grund welcher Bestimmung der Geschäftsordnung des Kabinetts die regelmäßige Teilnahme eines Bundestagsabgeordneten an Kabinettssitzungen möglich ist.
Das Wort hat der Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr von Merkatz nimmt mit Zustimmung des Kabinetts die Geschäfte eines parlamentarischen Staatssekretärs in meinem Hause wahr.
({0})
- Weil ich keinen Staatssekretär habe, Herr Dr. Luetkens; ich habe ihn eingespart. Herr von Merkatz hat nur während meines Urlaubs an den Sitzungen des Kabinetts teilgenommen. Sonst nehme ich ständig selbst teil.
Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Wir haben soeben aus dem Munde des Herrn Ministers die überraschende Kunde vernommen, daß in seinem Ministerium ein parlamentarischer Staatssekretär beschäftigt ist. Bisher hat die Bundesregierung es immer abgelehnt, parlamentarische Staatssekretäre zu bestellen. Ich nehme nicht an, daß die Bundesregierung jetzt sofort zu der Angelegenheit Stellung nehmen kann. Das würde natürlich sehr erwünscht sein. Das Haus muß unbedingt darüber Klarheit haben, ob in einem Bundesministerium ein parlamentarischer Staatssekretär vorhanden ist.
Ich darf annehmen, daß, wenn die Bundesregierung diese Frage zu beantworten wünscht, dies im Zuge der dritten Beratung erfolgen soll.
({0})
({1}) - Herr Abgeordneter Renner, ich muß vermuten,
daß ausgerechnet Sie kein Interesse haben, uns
daran zu mahnen, eine Debatte wegfallen zu lassen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Einzelplan XVII - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Einzelplan sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, dieses Ergebnis ist sehr zweifelhaft.
({3})
Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs abzustimmen. Darf ich bitten, den Saal zu räumen.
({4})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({5}) Ich bitte, die Abstimmung zu beenden. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 143 Abgeordnete, mit Nein 124, Enthaltungen '7. Damit ist der Haushalt angenommen.
Meine Damen und Herren, darf ich diese ausgezeichnete Besetzung des Hauses benutzen, um, wie angekündigt, um 16 Uhr die
Beratung der Frage der Vertretung des Bundestages beim Bundesverfassungsgericht in dem Rechtsstreit über die Neugliederung im Südwestraum
zu erledigen? Ich hatte Ihnen entsprechend der Empfehlung, der gutachtlichen Äußerung des Rechtsausschusses vorgeschlagen, als Vertreter den Bundestagsabgeordneten Kiesinger und, falls dieser verhindert sein sollte, den Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt zu beauftragen.
Diese gutachtliche Äußerung auf meinen Vorschlag ging von der Voraussetzung aus, daß sich der Bundestag die Auffassung zu eigen mache, daß seine Vertretung bei dem Rechtsstreit notwendig und geboten sei. Notwendig ist sie nicht. Ob sie geboten ist, liegt in der Entscheidung des Bundestages. Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung entschieden, daß eine Vertretung des Bundesrates nicht erfolgen soll.
Inzwischen ist ein Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Schmücker, Dr. Dresbach, Dr. Krone und Fraktion der CDU/CSU eingegangen:
Der Deutsche Bundestag wolle beschließen: Der Bundestag sieht von einer schriftlichen Stellungnahme und der Entsendung eines Vertreters in dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht über die Neugliederung der südwestdeutschen Länder ab.
Ich darf unterstellen, meine Damen und Herren, daß Sie eine Begründung und Aussprache über dieses Thema nicht wünschen.
({6})
- Also, bitte schön; wer wünscht dazu das Wort zu nehmen? - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Decker.
Der Punkt wurde erst heute auf die Tagesordnung gesetzt. Namens meiner Fraktion widerspreche ich der Behandlung.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin den Punkt auf die Tagesordung gesetzt. Widerspruch ist nicht erfolgt. Damit steht der Punkt auf der Tagesordnung.
({0})
- Ich habe um 15 Uhr ausdrücklich ohne Widerspruch des Hauses erklärt, daß ich diesen Punkt um 16 Uhr erledigen würde. Widerspruch ist nicht erfolgt. Der Abgeordnete Dr. Jaeger, der heute morgen widersprochen hatte, hat mir ausdrücklich erklärt, daß er nicht widerspreche.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur eine Frage zu stellen: Ich bitte die für diesen Plan kompetente Stelle, dem Bundestag zu sagen, welche Ausgaben durch die Entsendung dieser beiden Herren uns, d. h. der Bundesregierung bzw. dem Haushalt des Bundestages, entstehen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich will diese Frage sofort gern beantworten. Nach dem Gesetz über den Bundesverfassungsgerichtshof werden Parlamente durch eines oder mehrere Mitglieder vertreten. Diese Mitglieder nehmen damit einen Auftrag als Mitglied des Parlaments wahr. Ich habe die Auffassung, daß sie dazu erstens ihre Freifahrkarte in Anspruch nehmen und daß sie zweitens das Recht haben, während der Tage, an denen sie die Vertretung ausüben, das übliche Tagegeld von 30 DM in Anspruch zu nehmen, vermag also zu sagen, daß die Vertretung in diesem Verfahren voraussichtlich unter 100 DM Kosten verursachen wird, jedenfalls wesentlich billiger ist, als jeder Abgeordnete des Bundestages den Bund kostet.
({0})
Das Wort zur Begründung des Antrags der CDU/ CSU hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie werden mir - das darf ich vorausschicken - glauben, daß mir die Bundesgenossenschaft, die mir offenbar da plötzlich von der äußersten Linken angetragen wurde, gar nicht willkommen und beileibe nicht bestellt gewesen ist
({0})
und daß die Auffassungen, aus denen heraus ich zur Frage des Südweststaates und zur Frage der Neugliederung früher Stellung genommen habe, weiß Gott, mit den Grundsätzen, die dort vorhanden sind, nicht das mindeste zu tun haben.
({1})
Damit darf ich zur Sache selber kommen. Ich hatte heute vormittag Widerspruch eingelegt, weil die Fraktionen nicht Gelegenheit gehabt hatten, sich zu besprechen. Nachdem das Haus uns die Gelegenheit inzwischen gegeben hat, habe ich den Widerspruch loyalerweise nicht erneuert.
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß dieser Fall neuartig und bisher in der Geschäftsordnung gar nicht vorgesehen ist. Da in Zukunft vermutlich
({2})
das Bundesverfassungsgericht uns des öfteren mit Anfragen beehren wird, ob wir einem Verfahren beitreten oder nicht, wäre es vielleicht zweckmäßig, wenn der Geschäftsordnungsausschuß sich mit einer entsprechenden Bestimmung beschäftigen würde, die wir in die Geschäftsordnung einbauen könnten.
Für heute möchte ich aus der Tatsache aber keinerlei Schwierigkeiten erwachsen lassen, damit das Haus in dieser letzten Sitzung vor der Verhandlung in Karlsruhe Gelegenheit hat, sich schlüssig zu werden, ob es einen Vertreter entsenden will oder nicht. Ich bin mir darin mit den übrigen Herren im Rechtsausschuß einig, daß dies keine prinzipielle Entscheidung für alle kommenden Fälle, sondern nur eine Entscheidung für diesen Fall selbst sein soll.
Ich möchte Ihnen vorschlagen, sich gemäß dem Antrag meiner Fraktion, der vorhin vom Herrn Präsidenten verlesen wurde, dem Beispiel des Bundesrates anzuschließen und auf eine Beteililigung des Parlaments, des Bundestages, zu verzichten.
Schon im Rechtsausschuß entstanden rechtliche Zweifel über die Möglichkeit und vor allen Dingen den Grad der Beteiligung und der Äußerungsmöglichkeiten eines Vertreters des Bundestages. Darüber konnte keine Einstimmigkeit erzielt werden.
Aber ohne Sie mit diesen etwas schwierigen Rechtsfragen zu befassen, darf ich darauf hinweisen, daß, wie soeben schon gesagt worden ist, eine solche Vertretung notwendig ist. Denn nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht, das wir beschlossen haben, ist der Antragsgegner des Landes Baden die Bundesregierung. Es gehört also zu den gesetzlichen Pflichten der Bundesregierung, die Rechtmäßigkeit des seinerzeit vom Herrn Bundespräsidenten verkündeten Gesetzes zu begründen und zu verteidigen. Außerdem sind die Bundesregierung und der Herr Bundesminister des Innern, der hierfür wohl zuständig ist, dem Parlament auch parlamentarisch verantwortlich dafür, daß sie dieses nun einmal im Bundesgesetzblatt verkündete Gesetz gehörig verteidigen, und sie können von der Mehrheit dieses Hauses, das dieses Gesetz beschlossen hat, nach den Regeln des Parlamentarismus zur Verantwortung gezogen werden. Da nun gar nicht vorgesehen ist, daß der Bundestag in eigener Person als Antragsgegner auftritt, er vielmehr nur die Gelegenheit hat, sich zu äußern, schließlich aber auch nichts anderes sagen kann, als der berufene Vertreter des Innenministeriums sagen würde, ist es in jeder Weise überflüssig und keineswegs notwendig, einen Vertreter zu entsenden. Dies gilt um so mehr, meine Damen und Herren, als das Gesetz seinerzeit hier im Hause mit der knappsten Mehrheit beschlossen worden ist
({3})
und auch der Rechtsausschuß seinen Beschluß gestern nur mit einer Stimme Mehrheit gefaßt hat, nämlich mit 12 gegen' 11 Stimmen. Wäre der Herr Vertreter der Zentrumspartei nicht unglückseligerweise verhindert gewesen, an der Abstimmung teilzunehmen, hätte der Rechtsausschuß überhaupt kein Gutachten beschließen können, weil jeder Antrag bei Stimmengleichheit niedergestimmt worden wäre.
({4})
Im übrigen, meine Damen und Herren, glaube ich, daß das Wort, das ein Herr vom Bundesrat einmal gesprochen haben soll, ihm stehe die Südweststaat-Frage schon bis zum Halse, bei den meisten von Ihnen, ob Sie nun pro-badisch oder pro-südweststaatlich eingestellt sind, Widerhall finden wird. Lassen wir doch diesen Prozeß, meine Damen und Herren, zwischen dem Land Baden und den Vertretern der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht ruhig ablaufen! Es ist ein Gericht, das mit außerordentlich guten Richtern besetzt ist und alle Gesichtspunkte ohnehin von Amts wegen prüfen wird. Lassen wir diesen Prozeß ablaufen, ohne ihm politische Momente beizumengen, die durch den Vertreter des Bundestages zwangsläufig in die Sache hineingetragen würden! Schließen wir uns dem Vorbild des Bundesrates an, der uns in manchen Dingen des politischen Taktes schon immer ein Vorbild gewesen ist!
({5})
Fassen wir, meine Damen und Herren, einen nicht weniger weisen Beschluß als der Bundesrat und halten wir uns aus dieser Angelegenheit heraus, nicht wegen der Kosten, die wir sparen - denn die sind wirklich gering -, sondern deswegen, weil auf diese Weise der Prozeß ausschließlich auf der Basis des Rechtes geführt wird, die für uns allein maßgebend sein kann!
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag unserer Fraktion zuzustimmen.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion bitte ich, den Antrag des Herrn Kollegen Jaeger und seiner Freunde abzulehnen. Mit dem Herrn Kollegen Jaeger bin ich und sind, glaube ich, wir alle darin einig, daß unsere heutige Entscheidung keinen Präzedenzfall bedeutet. Wir werden regelmäßig im einzelnen zu prüfen haben, ob der Bundestag sich an Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt.
({0})
Keinesfalls aber, Herr Kollege Jaeger, werden wir auch umgekehrt sagen dürfen, daß sich der Bundestag an keinem Verfahren beteiligt und daß eine solche Beteiligung, wie Sie hier behauptet haben, eine Beimengung politischer Momente sei. Davon kann überhaupt keine Rede sein. Sie selbst haben das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht mitbeschlossen, das diese Beteiligung des Bundestages und auch des Bundesrates an derartigen Verfahren vorsieht. Es ist also eine gesetzlich ausdrücklich eröffnete und für wünschenswert gehaltene Möglichkeit, sonst hätten wir das ja in dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht nicht bestimmt.
Also nochmals: Einig sind wir darin, daß es kein Präzedenzfall ist. Einig sind wir auch darin, daß der Bundestag als solcher sich nicht in eine Parteirolle vor dem Bundesverfassungsgericht begeben soll. Das entspricht nicht dem Rang des Parlaments als des Organs für die Gesetzgebung. Infolgedessen ist es unmöglich, etwa den Bundestag durch seine Repräsentanz, d. h. durch den Herrn Präsidenten des Bundestages oder einen der Herren Vizepräsidenten, vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten zu lassen.
Nun aber zu Ihren Argumenten im einzelnen! Sie haben sich darauf gestützt, daß es Pflicht der Bundesregierung sei, das Südweststaatgesetz, kurz gesagt, vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu verteidigen, und deshalb eine schriftliche
({1})
oder eine durch einen Vertreter vorgetragene mündliche Stellungnahme des Bundestages sich erübrige, da der von uns beauftragte Vertreter, Herr Kollege Kiesinger, doch nichts anderes werde sagen können als der Vertreter des Herrn Bundesministers des Innern.
Zunächst bin ich der Auffassung und traue ich Herrn Kollegen Kiesinger zu, daß er sehr vieles zu sagen weiß und daß vielleicht der Herr Vertreter des Bundesministers des Innern nun einiges von Herrn Kiesinger würde hören können, was rechtlich dazu zu sagen ist. Aber davon abgesehen ist gerade Ihr Hauptargument, nämlich daß es sich um die Verpflichtung der Bundesregierung handle, aus zwei Gründen nicht durchschlagend. Erstens sieht das Gesetz ja ausdrücklich vor, daß neben der Bundesregierung auch eine Beteiligung des Parlaments, der beiden gesetzgebenden Körperschaften, zulässig und unter Umständen zweckmäßig ist, und zweitens fehlt es uns in diesem Falle leider an dem Vertrauen, daß die Bundesregierung das Ihre tun wird. Darüber will ich in aller Offenheit reden. Nach unserer Auffassung allerdings ist es die Verpflichtung der Bundesregierung, für dieses Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht einzustehen; denn es ist jedenfalls ein Gesetz - mag es aus dem Hause kommen oder mag es eine Vorlage der Bundesregierung sein -, das von den dafür zuständigen beiden gesetzgebenden Körperschaften in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen wurde, vom Staatsoberhaupt, dem Herrn Bundespräsidenten, ausgefertigt und verkündet worden ist. Infolgedessen gehört es ohne Rücksicht auf politische Erwägungen oder gar Koalitionserwägungen, die ja doch Erwägungen der Opportunität sind, zu den elementarsten Verpflichtungen der Bundesregierung, den Bestand und die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu vertreten.
({2})
Sollte die Bundesregierung das nicht tun, so sage ich heute schon, daß sie ihre Verpflichtung auf das schwerste verletzt und uns Veranlassung geben wird, in diesem Hause auch darüber noch zu sprechen.
Gewisse Anzeichen deuten darauf hin; denn Sie wissen ja, Herr Kollege Jaeger - das Hohe Haus weiß es deshalb nicht, weil wir ja keinen Bericht erstattet haben -, daß der Herr Bundesjustizminister an unserer Sitzung im Rechtsausschuß teilnahm - auch deshalb teilnahm, weil ich beantragt hatte, ein Mitglied der Bundesregierung herbeizurufen -, um uns Aufschluß zu geben, wie die Bundesregierung sich zu diesem Rechtsstreit stellen werde. Wir haben eine Auskunft bekommen, von der der Herr Bundesminister der Justiz selbst gesagt hat, daß sie nicht befriedigend sei und uns nicht befriedigen könne,
({3})
deshalb nicht befriedigen könne, weil sich die Bundesregierung hinter formalen Argumenten verschanzen will. Erstens sei der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts nicht zuständig. Die
Bundesregierung will im Wege eines Zwischenurteils erzielen, daß das Verfahren an den Ersten
Senat des Gerichtshofs abgegeben wird. Als zweites formales Argument führt die Bundesregierung
an, daß sie gar nicht der richtige Antragsgegner
sei, weil es sich nicht um ein ihrer Initiative entsprungenes Gesetz handle, infolgedessen sie ihre
Passivlegitimation letzten Endes bestreiten wolle.
Deshalb j a auch die Verweisung an den Ersten Senat, damit die Bundesregierung möglichst aus dem Rechtsstreit ausscheiden kann.
Sehen Sie, hier dringen Erwägungen der Opportunität durch, der Politik und der Koalitionsrücksichten, obgleich das unmöglich ist. Denn wie man auch immer zur Bundesregierung stehen mag, sie ist nicht die Bundesregierung der CDU oder FDP, sondern sie sollte jedenfalls die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland sein!
({4})
Und deshalb sollte sie ein Gesetz, das von den gesetzgebenden Körperschaften beschlossen ist, vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ohne Rücksicht auf Koalitionswünsche und nur im Interesse des Rechts vertreten.
({5})
Das gleiche gilt auch für uns. Gerade weil wir mit gewissen Bedenken der Haltung der Bundesregierung entgegensehen, kann und muß der Bundestag ein berechtigtes Interesse daran haben, rechtlich in Karlsruhe zu Gehör zu kommen, wobei ich den Vorschlag des Rechtsausschusses doch zur Vermeidung von Mißverständnissen dahin erläutern darf, daß nur e i n Vertreter des Bundestages dorthin fahren soll. Also wird Herr Kollege Kiesinger allein hinfahren, da er bereit ist - wie ich zu meiner Freude gehört habe -, diesen Auftrag zu übernehmen. Ich fahre nicht hin. Dies, um jedes Mißverständnis auszuschließen.
Für den Bundestag liegt also die Frage so, daß er unter diesen besonderen Umständen und deshalb, weil es ein Gesetz ist, das aus seiner Mitte hervorgegangen ist, Veranlassung hat, auch Stellung zu nehmen und durch einen Vertreter beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu Gehör zu bringen, welche verfassungsrechtlichen Erwägungen die Mehrheit dieses Hauses dazu bestimmt haben, das Gesetz so, wie es erlassen worden ist, zu fassen. Politische Ausführungen hat der Herr Kollege Kiesinger dabei nicht zu machen; denn um Politik handelt es sich vor den Schranken des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr. Die Zweckmäßigkeit des Gesetzes steht nicht mehr zur Diskussion, auch nicht der politische Wille, der sich in dem Gesetz verkörpert hat, sondern einzig die Frage, ob das Südweststaatgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Diese Frage ist hier von uns ja außerordentlich sorgfältig geprüft und von der Mehrheit dieses Hauses bejaht worden. Daher empfiehlt es sich, daß eines unserer Mitglieder unmittelbar und mündlich dem Bundesverfassungsgericht darlegt, welche verfassungsrechtlichen Erwägungen dieses Hohe Haus dazu bestimmt haben, das Gesetz für mit dem Grundgesetz vereinbar zu halten, und daß dieses Mitglied sich selbstverständlich darüber hinaus auch mit den weiteren rechtlichen Erwägungen, die insbesondere von Südbaden her geltend gemacht werden, auseinandersetzt, soweit unser Beauftragter es als in den Rahmen seiner Pflichten fallend erachtet, weil er glaubt, dieses Hohe Haus werde jedenfalls in der Mehrheit solchen Argumenten gegenüber eine derartige Stellung einnehmen.
Ich bin aber auch überzeugt, daß es eigentlich in diesem Hohen Hause wohl niemanden geben kann und darf, der die Grundauffassung teilt, auf der die Klage Südbadens aufgebaut ist. Das ist keine Frage mehr des Föderalismus oder des Unitarismus, die eine politische Frage ist und die vor dem Bundesverfassungsgerichtshof nicht mehr aus({6})
zutragen sein wird, sondern die Stellungnahme der südbadischen Regierung und die von ihr vorgelegten Rechtsgutachten gehen ja davon aus, daß sie völkerrechtliche Erwägungen, Erwägungen des internationalen Rechts auf diese innerdeutsche Frage übertragen.
({7})
- Doch, Herr Kollege Laforet, das ist die Basis, auf der der ganze Angriff der Klage beruht. Ich hoffe, Herr Kollege Kiesinger wird im Namen des ganzen Hohen Hauses in Karlsruhe zur Geltung bringen, daß es sich für uns bei diesem Gesetz um eine innerdeutsche Angelegenheit handelt, bei der das deutsche Volk aus seiner Souveränität heraus nach dem Grundgesetz zu bestimmen befugt ist, welches Verfahren bei dieser Neugliederung eingeschlagen werden soll.
({8})
Ich bedaure schließlich, daß die Vertretung dem Herrn Bundesminister des Innern übertragen worden ist, den auch Sie, Herr Kollege Jaeger, für zuständig gehalten haben. Hier handelt es sich ja nicht mehr um die politische Gestaltung des Verfassungsrechts, auch nicht mehr um den exekutiven Schutz der Verfassung, sondern um die Rechtsfrage, ob die Verfassung bei dem Südweststaatgesetz gewahrt ist oder nicht. Das ist eine Frage, für die der Herr Bundesminister der Justiz allein zuständig sein sollte. Ich bedaure, daß hier wieder eine eigentümliche Geschäftsverteilung bei der Bundesregierung vorgenommen worden ist.
Aus all diesen Gründen sind wir der Auffassung, daß unter den obwaltenden Umständen dieser Fall Veranlassung gibt, einen Bevollmächtigten, einen Vertreter des Bundestages zu bestellen, der in rechtlicher und nur in rechtlicher Hinsicht gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Auffassung dieses Hohen Hauses zur Verfassungsmäßigkeit des Südweststaatgesetzes zu vertreten hat. Denn ein Gesetz, erlassen und verkündet, ist kein Gesetz einer Mehrheit mehr, auch kein Gesetz einzelner Fraktionen, sondern ein Gesetz des Bundestages; und dazu sollten wir stehen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Mit den Rednern, die gesprochen haben, stimme ich erstens dahin überein, daß wir hier nur über einen Einzelfall diskutieren, über die Vertretung des Bundestages in diesem Fall, nicht aber generell. Zum zweiten stimme ich mit ihnen darin überein, daß vor dem Bundesverfassungsgerichtshof nur die Rechtsfrage schwebt.
Zum dritten darf ich nun meinerseits hinzufügen: Wenn wir der Auffassung sind, daß die politische Frage an dem Tage erledigt ist, an dem hier abgestimmt, spätestens an dem Tage, an dem das Gesetz veröffentlicht worden ist, und wenn jetzt nur noch die Rechtsfrage zur Erörterung steht, dann wollen wir, die Legislative, nicht in diesem Augenblick dadurch in die Rechtsprechung hineinreden, daß wir Rechtsfragen, die jetzt in Karlsruhe zur Entscheidung stehen, unsererseits noch erörtern. Ich möchte also auf den Punkt nicht eingehen.
({0})
Hier dreht es sich nur um die sachliche Frage: Soll der Bundestag vor Gericht vertreten sein oder nicht? Und diese Frage bejahen meine Freunde allerdings im gleichen Umfang wie der Herr Vertreter der SPD. Wir sind der Auffassung, der Bundestag sollte sich nicht in jedem Falle bei Fällen dieser Art vertreten lassen, sondern darüber von Fall zu Fall, je nach der Wichtigkeit, abstimmen.
Herr Kollege Arndt führt als einen Grund dafür, daß sich der Bundestag vertreten lassen müsse, an, nach seiner Meinung sei aus den Verhandlungen im Rechtsausschuß die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Regierung die Auffassung von der Rechtsgültigkeit des von uns beschlossenen Gesetzes in Karlsruhe nicht mit dem nötigen Nachdruck vertreten werde. Er schließt das aus den Andeutungen des Herrn Bundesjustizministers im Rechtsausschuß über die Richtung, in der die Regierung die Auffassung von der Rechtsgültigkeit dieses Gesetzes verteidigen will. Wenn aber die Verteidigung zunächst mehr in formeller Beziehung geführt wird, so schließt das, glaube ich, keineswegs aus, daß im zweiten Gang und in omnem eventum auch die Frage der materiellen Rechtsgründe in gehöriger Form zum Zuge kommen wird.
Deshalb glaube ich nicht, daß die Behauptung, die Bundesregierung sei bei der Vertretung der Rechtsgültigkeit dieses Gesetzes nicht zuverlässig, begründet ist und für uns ausschlaggebend sein könnte. Ausschlaggebend ist für uns die Tatsache, daß es sich erstens um einen sehr wichtigen Fall handelt, zum zweiten, daß das Gesetz, das hier verteidigt werden soll, nicht ein von der Regierung eingebrachtes Gesetz, sondern ein Initiativgesetz dieses Hohen Hauses gewesen ist, und zum dritten, daß der Kläger schließlich nicht ein Staatsbürger, nicht eine kleine Kommune, sondern nun mal ein deutsches Land ist, womit auch die Wichtigkeit dieses Falles unterstrichen ist. Das sind die Gründe, die uns bestimmen, hierfür zu sprechen.
Ich darf aber noch eines hinzufügen: Wir haben im Rechtsausschuß auch die Frage erörtert, was der Vertreter des Bundestags in Karlsruhe vorzutragen habe. Ich glaube, eigentlich können nur Juristen darüber streiten,
({1})
denn normalerweise sollte man der Meinung sein, daß, wenn jemand jemanden zu seinem Vertreter bestellt, dieser Vertreter die Sache, die zu vertreten ist, so schneidig, so tatkräftig und so umsichtig führt, wie es eben nur geht. Wenn deshalb der Standpunkt vertreten wird, der Vertreter, den der Bundestag bestimme, solle seinerseits auch die Argumente der Minderheit vortragen, dann kommt mir das genau so vor, als wenn der Vorstand einer Genossenschaft mit fünf gegen zwei Stimmen die Erhebung einer Klage beschlossen hat und nun seinem Anwalt den Auftrag gibt: Du hast jetzt aber nicht nur zu sehen, daß wir den Prozeß gewinnen, sondern du hast auch unsere beiden Vorstandsmitglieder zu vertreten, die den Prozeß nicht führen wollten; gib dir die größte Mühe und laß jeden in die Schwäche unserer Position ja nur richtig hineingucken. Und zum dritten: ich habe nicht den Eindruck, daß das Land Baden bei der Erhebung seiner Klage nach dem gleichen Rezept verfahren ist.
({2})
Also die Gründe, die hier vorzutragen sind, ergeben sich aus der von mir angedeuteten Richtung ganz von selbst.
({3})
Wenn schließlich im Ausschuß noch der Gedanke vertreten wurde, es dürften nicht noch mehr Gründe als die hier besprochenen vorgetragen werden, so wollen wir doch, meine Damen und Herren, der Phantasie unserer Kollegen Kiesinger und Arndt wirklich keinen Zaum anlegen. Wenn sie noch Gründe finden, die hier nicht besprochen worden sind, dann sollen sie sie nicht nur in Gottes Namen vortragen, sondern wir halten es für ihre Pflicht, sie vorzutragen.
({4})
Also, lieber Herr Kollege Jaeger, auch auf die Gefahr hin, daß Sie der Meinung sind, der Bundesrat wäre taktvoller als wir - notabene würde das höchstens auf Sie zurückfallen -,
({5})
und auf die Gefahr hin, diesen Widerspruch Ihrerseits herauszufordern, bin ich der Meinung, daß wir den Vertreter bestellen und entsprechend beschließen sollten. Und, verehrter Herr Kollege Jaeger, auch auf die Gefahr hin, daß es Ihnen zum Halse heraushängt - so habe ich Sie wohl richtig verstanden -: beschlossen wird es doch!
({6})
Meine Damen und Herren! Wegen dieser Aussicht bitte ich doch, die Debatte nicht über Gebühr auszudehnen. - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gedenke nicht, den Disput fortzusetzen, den der Rechts- und Verfassungsausschuß gestern in der Debatte über die vorliegende Frage geführt hat. Ich darf aber zwei Obersätze voranstellen. Erstens ist hier einmütig zum Ausdruck gekommen, daß das Bundesverfassungsgericht nur Rechtsfragen zu entscheiden, nicht aber politische Entscheidungen zu fällen habe. Zweitens besteht wohl Übereinstimmung darüber, daß das Bundesverfassungsgericht nicht ein Hilfsinstitut irgendeiner Figur - und wenn es auch ein verfassungsmäßiges Organ ist - des politischen Kampffeldes sein darf, sondern daß es dem Sog der politischen Kräfte und Einflüsse entrückt sein muß. Wir sind der Meinung, daß die Besetzung des Bundesverfassungsgerichts bei der erfolgten sorgsamen Auswahl einer Elite erstrangiger Persönlichkeiten alle Garantien einer möglichst hundertprozentigen Rechtsfindung erfüllt. Die Möglichkeit, erforderlichenfalls die Auffassungen der nicht unmittelbar als Antragsteller oder Antragsgegner Beteiligten zu erkunden, gibt ja das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht ohne weiteres. Es muß jeder Anschein vermieden werden, als ob das Bundesverfassungsgericht in seiner weiteren Entwicklung ein den jeweiligen Mehrheiten gefälliges, regierungsfrommes Organ sei oder zu einem solchen herabgewürdigt werden könne.
({0})
Alle Faktoren der politischen Arena sollten, soweit sie nicht Antragsteller und Antragsgegner sind, hinsichtlich der unmittelbaren Beteiligung an einer vor das Verfassungsgericht gebrachten Meinungsverschiedenheit oder Streitigkeit größte und sorgfältigste Abstinenz üben.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Jaeger und Genossen.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
der Abgeordneten Dr. Jaeger und Fraktion der
CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu
erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das
letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann, meine Damen und Herren, wiederhole ich auf Grund des Gutachtens des Rechtsausschusses meinen Vorschlag, als Vertreter des Bundestags den Bundestagsabgeordneten Kiesinger und, falls dieser verhindert sein sollte, den Bundestagsabgeordneten Dr. Arndt zu bestellen. Ich bitte die Damen und Herren, die mit dieser Bestellung einverstanden sind, die Hand zu erheben. - Das ist unzweifelhaft die Mehrheit des Hauses. Es ist so beschlossen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der Beratung des Punktes 8 der Tagesordnung fort:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die Feststellung des
Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({1});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses
({2}) ({3})
mit den dazugehörigen Mündlichen Berichten
des Haushaltsausschusses ({4});
Änderungsantrag: Umdruck Nr. 315.
Einzelplan XX - Haushalt des Bundesrechnungshofs ({5}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling. Ich erteile ihm das Wort.
Dr. Wuermeling ({6}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Drucksachen Nr. 2500 und Nr. 2601 zu Einzelplan XX. Das Gesamtbild dieses ÜberrollungsHaushaltsplanes für den Bundesrechnungshof ist folgendes. Erstens: keine Veränderungen des Personalbestandes. Zweitens: verrechnungstechnische Mehrausgaben von rund 200 000 DM im, Zusammenhang mit der anderweitigen Verbuchung der Beträge der früheren sechsprozentigen Gehaltskürzung, - wie bei allen Haushaltsplänen. Drittens: annähernd 100 000 DM Ersparnisse bei sonstigen Personalausgaben und bei den Sachausgaben. Abschlußsumme der Ausgaben hiernach 3 966 000 DM.
Entsprechend der Regierungsvorlage hat der Haushaltsausschuß des Bundestages die Vorlage unverändert angenommen.
({7})
Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Plenum ebenfalls die Annahme der unveränderten Regierungsvorlage.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan XX zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
({0})
Ich rufe nun auf:
Einzelplan XXII - Haushalt der finanziellen
Hilfe für Berlin ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Mellies.
({2})
- Abgeordneter Mellies ist zur Zeit nicht anwesend; dann stellen wir diesen Plan zurück.
Ich rufe auf:
Einzelplan II - Haushalt des Deutschen Bundestages ({3}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens.
Dr. Leuchtgens ({4}), Berichterstatter: Der Einzelplan II schließt in Einnahme mit 30 900 DM und in Ausgabe mit 15 621 000 DM zusammen für den ordentlichen und außerordentlichen Etat ab. Die persönlichen Ausgaben belaufen sich auf 2,7 Millionen DM. , die sachlichen Kosten auf 2,4 Millionen DM, die allgemeinen Haushaltsausgaben auf 10,4 Millionen DM.
Der Haushaltsausschuß hat beschlossen, den vorliegenden Einzelplan II gemäß Drucksachen Nrn. 2500 und 2602 zu genehmigen. Ich bitte, diesem Beschluß beizutreten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Ich will mich als Redner ebenso kurz fassen. Ich habe zwei Fragen:
1. Wo bleibt die Geschäftsordnung? Als wir vor zwei Jahren in einer kleinen Kommission die vorläufige Geschäftsordnung beraten haben, die heute noch gilt, sagte ich voraus, daß wir in einem Jahre noch keine neue Geschäftsordnung haben würden. Ich wurde damals ausgelacht. Ich stelle fest, daß jetzt zwei Jahre verstrichen sind.
2. Da nun die erste Halbzeit für uns herum ist und das Wahlgesetz nur für die Wahl zum 1. Bundestag gegolten hat, frage ich die Regierung: Wie weit sind die Vorarbeiten für ein neues Wahlgesetz?
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Ich will zu einer Frage des Etats für den Bundestag einiges sagen. Der Bundestag beschäftigt nach dem Etat 112 Beamte, 181 Angestellte und 215 Arbeiter. Wie sieht es da mit der Entlohnung aus?
Bei den Beamten kommen im Durchschnitt gerechnet 600 DM im Monat heraus. Ich will damit nichts gegen die Beamtenschaft sagen, aber Tatsache ist, daß, wenn man hier von einem Durchschnitt spricht, ein Teil bedeutend mehr bekommt und ein anderer Teil bedeutend weniger; und dieser Teil, der bedeutend weniger bekommt, ist natürlich der größere Teil. Aber immerhin gibt es einen Durchschnitt von etwa 600 DM im Monat bei der Beamtenschaft.
Bei den Angestellten sind es etwa 300 DM; und da trifft genau dasselbe zu, daß nämlich ein größerer Teil der Angestellten bei weitem nicht diese 300 DM hat und nur ein kleiner Teil über 300 DM bezieht.
Bei den Arbeitern des Bundestages sieht es ungefähr so aus, daß sie im Durchschnitt 200 DM Entlohnung im Monat bekommen; und auch hier trifft dasselbe zu: Ein großer Teil bekommt sogar weniger als diese 200 DM, und ein kleiner Teil hat etwas über 200 DM. Ein Arbeiter erhält demnach etwa ein Drittel und ein Angestellter etwa die Hälfte des Durchschnittsverdienstes eines Beamten.
Meine Damen und Herren! Damit will ich nur in groben Zügen auf den unhaltbaren Zustand hinweisen, daß fast alle Arbeiter und Angestellten und ebenso die unteren und mittleren Beamten ganz unzureichend bezahlt werden und daß es dringend an der Zeit ist, durch eine baldige Gehaltsreform und Neugestaltung der Tarife für die Arbeiter und Angestellten Verhältnisse zu schaffen, die es diesen im Dienste des Bundes stehenden Arbeitern, Angestellten und Beamten ermöglichen, mit ihren Familien einigermaßen erträglich zu leben.
In diesem Zusammenhang halte ich es für angebracht, auch einen berechtigten Wunsch der Amtsgehilfen des Bundestages vorzutragen. Diese Amtsgehilfen wurden in der ersten Zeit nach dem sogenannten Bonner Tarif, d. h. dem Tarif für Angestellte der Behörden der Stadt Bonn, entlohnt. Dieser Tarif war für die Amtsgehilfen des Bundestages weitaus günstiger als der zur Zeit für sie geltende. Es dürfte angebracht sein, hier schnellstens für eine Änderung zu sorgen, damit die Amtsgehilfen des Bundestages mit ihren im Dienst der Bonner Stadtbehörde stehenden Kollegen wieder gleichgestellt sind.
({0})
Das Wort hat der mit der Vertretung des Herrn Bundeskanzlers beauftragte Bundesminister für den Marshallplan.
Blücher. Stellvertreter des Bundeskanzlers: Meine Damen und Herren! Wegen der Wichtigkeit der Frage des Herrn Abgeordneten Dr. Becker die folgende Antwort: Die Vorarbeiten für die Vorlage des Wahlgesetzes sind weit fortgeschritten, und ich hoffe, daß im Laufe des kommenden Winters die Beratungen über dieses Gesetz im Parlament durchgeführt werden können.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Zu der Frage des Herrn Kollegen Dr.
Becker: Wo bleibt die neue Geschäftsordnung?
glaube ich, zunächst einmal feststellen zu dürfen,
daß damit kein Vorwurf an die Adresse des Ausschusses für Geschäftsordnung gemeint ist. Zur
Sache selbst bin ich trotzdem einigermaßen erstaunt; denn die Herren Vertreter der FDP im
Ausschuß für Geschäftsordnung haben ebenso
intensiv an der neuen Geschäftsordnung mitgearbeitet wie die übrigen Mitglieder des Ausschusses. Die neue Geschäftsordnung - das darf ich
zur Aufklärung sagen - ist in ihrem ersten Exemplar mir gestern abend im Druck vorgelegt worden. Sie wird in diesen Tagen dem Hause zugehen.
({0})
- Sie ist schon verteilt. Ich habe sie in meiner Mappe noch nicht gesehen. Also ist die Frage damit schon beantwortet, und ich habe nur die Hoffnung, daß sich das Hohe Haus entschließt, diese
({1})
mit aller Hingabe und mit aller Gründlichkeit vorbereitete neue Geschäftsordnung sehr bald, Anfang Oktober, zu verabschieden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Drucksache Nr. 2602 - Haushalt des Deutschen Bundestages - zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nun auf:
Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete ({0}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Miessner. - Der Herr Berichterstatter ist nicht anwesend.
Dann rufe ich den nächsten Einzelplan auf: Einzelplan V - Haushalt des Bundesministeriums für den Marshallplan ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Blachstein.
Blachstein ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich bei dem Einzelplan V - Haushalt des Bundesministeriums für den Marshallplan - sehr kurz fassen. Es ist im wesentlichen der gleiche Haushalt wie im vorigen Jahr: Die geringfügigen Änderungen, die der Ausschuß vorgenommen hat, finden Sie auf der Drucksache Nr. 2606. Ich bitte Sie, dem Antrag des Ausschusses folgend, den veränderten Haushalt in der vorgelegten Form anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort .hat Herr Abgeordneter Rische.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei einer Behandlung des Einzelplans V ist meiner Meinung nach eine eingehende Würdigung des außerordentlichen Haushalts unbedingt notwendig, um die wahren Kanäle
({0})
der amerikanischen Politik in Westdeutschland aufzuzeigen; denn er ist bezeichnend für die Politik des Ministeriums für den Marshallplan. Zum Haushalt des Ministeriums für den Marshallplan gibt es eine sehr umfangreiche Anlage. Ich meine den Bericht der Bundesregierung über die Durchführung des Marshallplans in der Zeit vom 1. Oktober 1949 bis zum 31. März 1951.
({1})
Einleitend ist in diesem Bericht eine Gesamtwürdigung des Marshallplans für Westdeutschland enthalten. In vier Punkten ist eine politisch-wirtschaftliche Würdigung des amerikanischen Planes gegeben. Es verlohnt sich also, diese vier Punkte einmal näher und kritisch zu beleuchten.
In Punkt 1 des Berichts heißt es u. a.: „Marshallplan und wirtschaftliche Gesundung sind heute fast zu einem Begriff verschmolzen." Angesichts der großen Schwierigkeiten in der von Fieberkrämpfen erschütterten westdeutschen Wirtschaft ist die Frage mehr als berechtigt, welchen Interessen eine solche Propagandaformel denn eigentlich dient.
({2})
Was kann man bei einer wirklich ernsthaften Prüfung dieser Behauptung für Westdeutschland feststellen? Wie steht es mit der wirtschaftlichen Gesundung der Bundesrepublik? Wer hat sich gesund gemacht? Wem dienten und dienen die amerikanischen Bluttransfusionen über den Marshallplan in Westdeutschland?
({3})
- Der Marshallplan hat die westdeutsche Wirtschaft, werter Herr Kollege, nicht gesunden lassen,
({4})
sondern sie in einen unheilvollen Kreislauf ausschließlich amerikanischer und Rüstungsinteressen gepreßt. Es ist der Kreislauf amerikanischer Dollars, politischer Abhängigkeit von den amerikanischen Geldgebern, der Unterordnung aller wirtschaftlichen Belange des eigenen Landes unter ein ständiges Diktat der amerikanischen Geldgeber und Rüstungsinteressenten.
({5})
Heute zeigt sich doch für jeden einsichtsvollen Menschen in aller Schärfe, welche Ziele die vom ehemaligen USA-Außenminister Marshall eingeleitete „wirtschaftliche Außenpolitik" der USA hat. Diese Politik dient der Vorbereitung eines neuen, eines dritten Weltkrieges und damit faktisch der Vernichtung der Wirtschaft aller am Marshallplan beteiligten Länder. Westdeutschland ist davon ganz besonders betroffen. Dafür einige Beweise. Während einige Industriezweige in Westdeutschland den Vorkriegsstand in einem ganz erheblichen Ausmaß überschritten, liegen andere Industriezweige nach wie vor weit darunter. Der Maschinenbau - in einer modernen Kriegswirtschaft ist er von besonders großer Bedeutung - lag im Durchschnitt des Jahres 1950 bei 125 % des Standes von 1936 und stieg in den ersten fünf Monaten des Jahres 1951 auf 150 %. Die elektrotechnische Industrie erreichte in den ersten fünf Monaten des Jahres 1951 sogar einen Stand von 350 %. Ähnlich ist die Lage im Fahrzeugbau und in der chemischen Industrie. Beide wurden über den Stand von 1936 hinaus kräftig und mit amerikanischer Hilfe nachhaltig ausgebaut. Der Grund dafür, meine Damen und Herren, ist sehr einfach. Diese Industrien sind nach dem Maschinenbau und den kriegsentscheidenden Grundstoffindustrien besonders wichtig für die von den Amerikanern forcierte Wiederaufrüstung der westdeutschen Wirtschaft.
({6})
Andere Industriezweige dagegen, vornehmlich die Industriezweige der Konsumgüterproduktion, liegen nach wie vor weit unter dem Vorkriegsstand. Die Schuherzeugung beispielsweise blieb 1950 um 22 % und 1951 um 9 % unter dem Vorkriegsstand. Die sozialen Auswirkungen der Aufrüstungspolitik im Zeichen des Marshallplans lassen sich auch in der Nahrungs- und Genußmittelindustrie in den ersten fünf Monaten des Jahres 1951 in aller Deutlichkeit aufzeigen. Diese Industrien verzeichneten einen Rückgang von 2 % gegenüber dem Durchschnitt von 1950. Die für die Beurteilung des sozialen Standes einer Volkswirtschaft aufschlußreiche Bauindustrie liegt
({7})
immer noch unter dem Vorkriegsstand und zeigt gerade in diesen Tagen auf Grund der Vorenthaltung der in Deutschland jedenfalls für eine deutsche Friedensindustrie reichlich vorhandenen Kohle starke Erschütterungen.
Die in Punkt 1 des Berichtes des Ministeriums für den Marshallplan angeführte „Wirtschaftliche Gesundung durch den Marshallplan" hat sich bei dem gegenwärtigen Stand der Wirtschaft und ihren verhängnisvollen Entwicklungstendenzen als eine bloße Propagandaformel erwiesen. Es zeigt sich ferner, daß sich die westdeutsche Wirtschaft im Zeichen des Marshallplans nicht normalisiert, sondern rücksichtslos unter Mißachtung aller Belange der Friedensindustrie, vornehmlich der Konsumgüterproduktion, in der Richtung der Kriegswirtschaft verändert.
Eine besondere Eigenschaft ist es schließlich, daß im Zeichen des Marshallplanes gerade jene Industriezweige gefördert werden, die unmittelbar mit amerikanischem Kapital durchsetzt sind. Ich will hier nur den Fahrzeugbau und die Kunstfaserindustrie als eklatante Beispiele dafür anführen. Wo bleibt also die von den Predigern des Marshallplanes verkündete „Normalisierung des Wirtschaftslebens", die Begründung von Sicherheit und Aufstieg? Es kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß eine Rüstungswirtschaft mit Normalisierung und wirtschaftlichem Aufstieg nicht das geringste zu tun hat. Mit ihr beginnt der unheilvolle Kreislauf von Tod und Vernichtung, den die deutsche Wirtschaft in zwei Weltkriegen und in zwei Perioden der Vorbereitung dieser Weltkriege selber hat miterleben können.
Von dem Herrn Bundesminister für den Marshallplan wird in der Öffentlichkeit keine Gelegenheit versäumt, die „segensreichen Wirkungen" - wie er sagt - des Marshallplans für unser Volk und für die Bundeswirtschaft zu schildern. Ich möchte darum an den Herrn Marshallplanminister zwei Fragen stellen: Die erste lautet: Stimmt es, Herr Minister, daß bei den vor einigen Monaten in Westdeutschland, in Paris mid in Washington geführten Marshaliplanverhandlungen von den Amerikanern gefordert wurde, daß die deutsche Wirtschaft nunmehr restlos auf Rüstungsproduktion umgestellt wird? Wurde in diesem Zusammenhang zur Bedingung erhoben: entweder Rüstungsproduktion, Annullierung bzw. Einschränkung des Ost-West-Handels, oder Anerkennung aller übrigen für die deutsche Wirtschaft diskriminierenden Maßnahmen wie Anerkennung des Raubes der 10 Milliarden DM deutschen Auslandsvermögens? Wurde diese Bedingung gestellt und wurde sie sogar mit der Androhung der Senkung der Marshallplangelder verbunden? Aus der deutschen Presse ist zu entnehmen, daß solche eindeutig diskriminierenden Forderungen seitens der Marshallplanverwaltung erhoben wurden.
In einer Rede, die Präsident Truman über die Verlängerung der amerikanischen Wirtschaftshilfe für Westeuropa hielt - der Bericht wurde vom Wirtschaftsberater Gray angefertigt -, sind in einem Acht-Punkte-Programm die Bedingungen für die Weiterführung der sogenannten Marshallplanhilfe für die westeuropäischen Länder, also auch für die Bundesrepublik Deutschland, auseinandergesetzt worden. In Punkt 1 dieser Bedingungen heißt es:
Um die gewünschte Stärkung der westeuropäischen Verteidigungsfähigkeit zu erleichtern,
sollten die USA über die militärische Hilfe
hinaus die Wirtschaftshilfe nach ihrem vorgesehenen Ablauf im Jahre 1952 um weitere drei oder vier Jahre verlängern.
Es geht also um die Verstärkung der sogenannten Verteidigungsfähigkeit. In Punkt 4 wird schließlich gesagt:
Bei der gemeinsamen Planung der Sicherheitsprogramme sollte der Wichtigkeit eines großen europäischen Exportvolumens entsprechende Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Wohin beispielsweise die Richtung des gegenwärtigen deutschen Exportvolumens weist, sollte jedem einsichtigen Menschen klar sein. Der deutsche Export ist im wesentlichen auf die Bedingungen der amerikanischen Rüstungswirtschaft abgestellt. Die deutsche Schwerindustrie ist zum Zulieferanten dieser amerikanischen Kriegsindustrie geworden. Mir scheint, daß sich die Bundesregierung dieser Forderung auf ausschließliche Verwendung der Marshallplanmittel für die Zwecke der Rüstungsindustrie, also für die Zwecke eines neuen Krieges faktisch gebeugt hat. Dafür gibt es auch einige amtliche Beweise.
Ich will hier nicht nur die westdeutsche Presse, sei es selbst die amerikanische „Neue Zeitung", zitieren. Ich zitiere aus dem Memorandum, welches der Bundeswirtschaftsminister anläßlich seiner Amerikareise führenden amerikanischen Rüstungsfabrikanten als Zeichen des geforderten guten Willens der Bundesrepublik überreichte. Nach diesem Bericht hat Professor Erhard in Washington im Gespräch mit den Herren der amerikanischen Rüstungswirtschaft angeregt - wie es wörtlich heißt -, „die Gesamtlage der deutschen Bundesrepublik innerhalb des westlichen Verteidigungssystems erneut zu prüfen". In diesem Bericht, der der westdeutschen Öffentlichkeit bewußt vorenthalten wurde, wird die ganze katastrophale Lage der westdeutschen Wirtschaft geschildert, die unter Arbeitslosigkeit und Kohlenmangel in den nächsten Wochen einer verzweifelten Krisensituation entgegengeht. Es heißt in diesem Bericht - ich zitiere jetzt daraus -:
({8})
Gewiß kann und sollte Westdeutschland große Beiträge zur westlichen Verteidigung beisteuern.
In Punkt 2 heißt es weiter:
Es sollte seine eigenen industriellen Kapazitäten und seine Reserven an Arbeitskräften und an schöpferischem und erfinderischem Geist seiner Wissenschaftler und Ingenieure, die Fähigkeiten und die Arbeitskraft seines Volkes mobilisieren, um die westliche Verteidigungsproduktion zu unterstützen, indem es einen Teil seiner zivilen Produktion auf Verteidigungszwecke umstellt und seine Produktionskapazität erhöht.
In Punkt 3 heißt es:
Es muß seine Bevölkerung klug auf eine direkte Teilnahme an der militärischen Verteidigung Westeuropas vorbereiten, und zwar in der Form, die endgültig von den europäischen Ländern und von den USA festgelegt werden wird.
({9})
Hier handelt es sich also nicht etwa um die Gewinnung der Bevölkerung für deutsche Interessen,
({10})
für deutsche Pläne, sondern eindeutig, wie hier klipp und klar steht, für die Pläne des amerikanischen Rüstungskapitals.
In Abs. 2 dieser Denkschrift der Herren Erhard und Friedrich heißt es:
Westdeutschland sollte in größtmöglichem Ausmaß an der westlichen Verteidigungsproduktion beteiligt sein und sollte ebenfalls in den wirtschaftlichen Gremien der NATO mitarbeiten und nicht aus reinen Wettbewerbsgründen der Industrie anderer europäischer Länder präjudiziert werden. Man sollte sich darüber klar sein, daß die Verteidigungsanstrengungen anderer europäischer Länder bedeutsam erhöht werden müßten, wenn Deutschland ausfiele.
Da haben Sie das Programm der wirtschaftlichen Vorbereitung eines neuen, eines dritten Weltkrieges. Wie dieses Memorandum beweist, muß man in den nächsten Wochen verstärkt mit der Entwicklung der Rüstungsproduktion rechnen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die weitere Frage an den Herrn Bundesminister für den Marshallplan richten: Wie, Herr Bundes-Marshallplanminister, ist die in Punkt 2 Ihres Berichts über die Durchführung des Marshallplans enthaltene These über die Wiedererreichung der Lebensfähigkeit aus eigener Kraft durch die Bluttransfusion des Marshallplans zu verstehen? Können Sie für die Wiedererreichung der Lebensfähigkeit der Wirtschaft der Bundesrepublik aus eigener Kraft und in wirklicher Unabhängigkeit und Freiheit die notwendigen Beweise liefern?
({11})
Hier entsteht schließlich die Frage nach den Verlusten, die der deutschen Volkswirtschaft durch die Bindung an den Marshallplan laufend seit Jahren entstanden sind. Lassen Sie mich einmal zu dieser Frage einige Worte sagen. Die einseitige Bindung der gesamten westdeutschen Wirtschaft an die Interessenpolitik der amerikanischen Kriegstreiber bedeutet für unser deutsches Volk wachsende Verschuldung nach innen und ganz besonders nach außen. Die Auslandsschulden der Bundesrepublik wachsen dank Marshallplan von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr um Milliarden. Hinzu kommen die ständigen entwürdigenden Diskriminierungen gegenüber der deutschen Wirtschaft und besonders gegenüber dem deutschen Export.
Die mit dem Marshallplan verbundene politische und wirtschaftliche Unfreiheit zeigt sich schließlich am deutlichsten in der Rohstofflage und in der Kohlenlage der Bundesrepublik. In einem interessanten Exposé anläßlich der Amerikareise des Herrn Bundeswirtschaftsministers, verfaßt vom Rohstoffkommissar Friedrich, werden hohe Devisenverluste durch den Export deutscher Kohlen in die Rüstungszentren des Nordatlantikpaktblocks nachgewiesen. Die Deviseneinbuße durch den Export von Kohle wird mit 150 bis 200 Millionen Dollar angegeben.
({12})
Diese Summe allein übersteigt um ein Vielfaches die Summe der sogenannten amerikanischen Zuwendungen für die Investitionsprogramme des westdeutschen Steinkohlenbergbaus.
In diesem Exposé werden weiter empfindliche Verluste durch die Beschränkung des Ost-WestHandels angegeben. Eine Summe von 100 bis 120 Millionen Dollar wird von Herrn Friedrich offen genannt.
({13})
Diese Summe entspricht nun keinesfalls den wirklichen Verlusten, die durch die Spaltung Deutschlands entstanden sind. Allein im innerdeutschen Handel gingen der westdeutschen Wirtschaft durch das Fehlen des Warenaustausches jährlich fünf Milliarden DM verloren. Nach der jetzt endlich, Gott sei Dank, doch erfolgten Unterzeichnung des Interzonenvertrags macht der Verlust im laufenden Jahr wenigstens nur noch einen Teil dieser Summe aus.
({14})
- Mein Herr, Sie wollen auch Geschäfte treiben, hören Sie zu: Die Verluste des großen Ost-West-Handels mit den volksdemokratischen Ländern der Sowjetunion und Volkschinas sind im Hinblick auf die wirtschaftliche Potenz dieser Mächte schlechterdings in Zahlen überhaupt nicht abzuschätzen.
Ich will mich bei der Aufzählung der Verluste auf die Anführung dieser Hauptpunkte beschränken. Schon allein diese zeigen jedem einsichtigen Menschen, daß der Marshallplan keinem Vergleich standhält, wenn man ihm eine Wirtschaft gegenüberstellt, die unabhängig und frei von allen Fesseln einzig und allein den Belangen Deutschlands und des Friedens dient. Wir fordern daher den Herrn Bundesmarshallplanminister auf,
({15})
sich einmal zu dieser Frage zu äußern ùnd die Verlustbilanz des Marshallplans auf den Tisch des Hauses zu legen.
({16})
Die deutschen Kaufleute und Fabrikanten müssen sich ebenfalls den Wert des Marshallplans überlegen; sie sollten sich keinesfalls von dem amerikanischen Diktat und der einseitigen Politik der Bundesregierung vom potentiell größten Markt Deutschlands abdrängen lassen. Die Amerikaner tun das auch keineswegs. Sie sind gern bereit - das beweisen sie täglich -, mit der Sowjetunion auch unter den Bedingungen des kalten Krieges Handel zu treiben und Geschäfte zu machen.
({17})
Es bedarf jedoch dazu einer radikalen Abkehr von den Bedingungen der Kriegswirtschaft, wie sie heute in Westdeutschland herrschen, und einer Hinkehr zu einer deutschen Friedenswirtschaft. Eine solche Möglichkeit bietet zweifellos eine Verständigung der Deutschen unter sich, wie sie in dem Appell der Volkskammer der Deutschen Demokratischen Republik an den Bundestag angeboten ist.
({18})
Sie werden sagen: das ist der Pferdefuß. Sie haben recht damit. Das ist tatsächlich der Pferdefuß, nämlich hier wird der Weg zur Gesundung und Förderung des Handels und des Verkehrs der Deutschen unter sich und zur Schaffung der notwendigen Freiheit, die wir nun endlich für unsere gesamte deutsche Wirtschaft so dringend benötigen, aufgezeigt. Ein Nein zu diesem Vorschlag ist nicht nur eine große - entschuldigen Sie, meine Damen und Herren -, unverzeihliche politische Dummheit, sondern auch ein selbstmörderisches Begin({19})
nen, jedenfalls für die deutsche Wirtschaft und für unser deutsches Volk.
({20})
Wir sind der Auffassung, daß es darum innerhalb der entscheidendsten Schichten unseres Volkes - ich denke da an die Arbeiterschaft und die Kreise der Friedensindustrie - genügend einsichtsvolle Menschen gibt, die endlich zu einer vernünftigen Wirtschaftspolitik zurückkehren wollen, die sich über ein einheitliches Deutschland und über die Entwicklung und Förderung der Friedensindustrie von allen Fesseln - mögen es auch die goldenen des Marshallplans sein - lösen wollen.
Die Fesseln des Marshallplans werden durch die diktatorischen Bedingungen des Schumanplans über die deutsche Kohle und den deutschen Stahl und das deutsche Menschenpotential noch fester angezogen. Die Kriegsabsichten des Marshallplans sind durch den Schumanplan noch eindeutiger, noch sichtbarer geworden.
In diesem Zusammenhang ist zu sagen, daß besonders auch Punkt 3 des Berichts der Bundesregierung über die Durchführung des Marshall-plans, der die politische und psychologische Seite des Planes behandelt, nichts anderes als ein Trugbild darstellt. Wenn darin gesagt wird, ein sehr großer Teil der Hilfeleistungen wird „schlicht verschenkt", wie es wörtlich heißt, so kann ich darauf nur erwidern: Die Amerikaner gäben keinen Dollar her, wenn sie nicht wüßten, daß er in Form von Profiten hundertfach aus den abhängigen Ländern zurückkehrt.
({21})
Der Tribut, den wir in Westdeutschland zahlen sollen, soll das Blut der jungen Generation unserer Nation auf den kommenden Schlachtfeldern der amerikanischen Rüstungsmilliardäre sein.
({22})
Das haben prominente amerikanische Politiker mehr als einmal in zynischer Form zugegeben, erst zuletzt General Eisenhower, der erklärte: Die Amerikaner liefern die Waffen und die Europäer die Menschen.
In Punkt 4 des Berichts gibt es einen Satz, den ich deshalb ganz besonders unterstreichen möchte, weil er den ganzen Sinn der Marshallplanpolitik in Westdeutschland charakterisiert. Dieser lautet:
Abgesehen davon aber
- gemeint ist der Wechsel in der Haltung der anderen Völker gegenüber Deutschland war Westdeutschland für den Marshallplan in seiner ganzen Tragweite von Anfang an besonders aufgeschlossen.
Darüber kann es überhaupt keinerlei Zweifel geben, daß sich die Amerikaner in ihrer Politik gerade auf Westdeutschland konzentrieren und aus Westdeutschland ein Arsenal für ihre Kriegspolitik machen wollen. Darum haben die amerikanischen Interessenten nicht umsonst ihre deutschen Mitstreiter zu ihrem Hauptverbündeten in Europa gemacht. Nicht umsonst feiert darum die Wehrwirtschaft in Westdeutschland eine erneute Auferstehung. Nicht umsonst wird die Kriegszwangswirtschaft wieder aufgebaut. Gerade darum gibt es in Westdeutschland Rohstoffkommissare und steht der westdeutsche Außenhandel fast restlos im Dienste des amerikanischen Rüstungsprogramms.
Alle Illusionen über die schöne freie Wirtschaft sind in wenigen Monaten im Zeichen der Durchführung dieser amerikanischen Politik mit einem Schlag zerplatzt, wie Seifenblasen zerplatzt. Selbst der amerikanische Hohe Kommissar McCloy kann nicht umhin, in seinem Bericht über die Zeit vom 1. Oktober bis zum 15. Dezember 1950 festzustellen:
Westdeutschland ist für Europa immer noch der Hauptlieferant gewisser rüstungswichtiger Chemikalien.
Weiter heißt es in diesem fünften Vierteljahresbericht:
Der größte Teil der deutschen Vorkriegskapazität in Westdeutschland in der Schwerindustrie, der für einen Verteidigungsbeitrag in Frage kommt, liegt in dem Gebiet der Bundesrepublik. Diese Kapazität, die einst gegen Europa mobilisiert wurde, kann heute einen gewaltigen Beitrag zu den Erfordernissen der Verteidigung sowohl Deutschlands als auch der Atlantikmächte liefern.
Diese Bedeutung der Bundesrepublik diktiert die gesamte amerikanische Deutschlandpolitik und ist Sinn und Ziel des Marshallplans. Kann es darüber einen Zweifel geben, daß die amerikanische Deutschlandpolitik in bezug auf die Wirtschaft auf der Spaltung Deutschlands und auf der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands beruht? Nur Leute wie Herr Pferdmenges und seine Kumpane
({23})
aus der Rüstungsindustrie können an einer solchen Rüstungswirtschaft interessiert sein. Und nur Politiker, die die deutschen Belange längst aus den Augen verloren haben, können an der Unterstützung einer solchen Politik interessiert sein und eine solche Politik zum Schaden unseres deutschen Volkes und der deutschen Wirtschaft unterstützen.
({24})
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch ein paar Worte zum ordentlichen Haushalt selbst, wie er in der Drucksache Nr. 2500 enthalten ist. Auf Seite 10 wird unter Tit. 32 eine Summe von 800 000 DM ausgewiesen, die sich aus Veröffentlichungsverpflichtungen aus dem ERP-Vertrag herleiten. Der gemeinsame Betrag von ECA und Bundesministerium beträgt jedoch rund 7,3 Millionen DM. In den Erläuterungen zu Tit. 32 vermisse ich die 15 Millionen DM, die laut Mitteilung des Marshallplanministeriums der marshallplanfreudigen Presse aller Parteien mit Ausnahme selbstverständlich der Presse der KPD zur Förderung des ideologischen Krieges ausgezahlt wurden.
({25})
Vielleicht werden diese Summen und auch noch andere Summen aus dem Tit. 29 des außerordentlichen Haushalts gedeckt. Der Minister könnte uns darüber auch eine Auskunft geben. Für sonstige Ausgaben stehen nämlich in dieser Position rund 55 Milionen DM verzeichnet. Aus dieser Summe werden auch einige Spionage-Agenturen und Nachrichtendienste der westlichen Alliierten finanziert. Wenn es in der Erläuterung zu Tit. 29 des außerordentlichen Haushalts heißt: „Die Ausgabenmittel sind noch keiner Zweckbestimmung zugeführt", so ist es für uns klar, welchen Zwecken dieser Reservefonds der amerikanischen Politik in Deutschland dient. Es wäre außerordentlich interessant, diesen Haushalt der großen Zahlen sowie den Bericht des Ministeriums über die Verwendung der Mittel einer noch eingehenderen Untersuchung zu unterziehen.
({26})
Ich möchte hier noch Seite 20 der Drucksache Nr. 2500 einmal ein klein wenig überprüfen. Dort werden die Ausgaben im Rahmen des Haushalts, also die Investitionen, ein wenig näher vermerkt. Danach erhalten besonders der Kohlenbergbau, die Energiewirtschaft, dazu die Industrien, die weiterhin Energie herstellen, die Eisen- und Stahlindustrie sowie der Verkehr noch bedeutende Zuwendungen aus den Marshallplanmitteln. Wenn man sich aber diese Seite etwas näher ansieht, muß man feststellen, daß solche Industriezweige, die der Konsumgüterproduktion dienen, bei der Zuteilung im Rahmen des Jahres 1951 ausgeschlossen sind, darunter der Industriezweig Nichteisenmetalle, Eisen verarbeitende Industrie, chemische Industrie. Dazu kommen noch die Textilindustrie, die Lebensmittelindustrie, Handel und Gewerbe; und für die Handelsflotte sind ganze 500 000 DM eingesetzt. Für den Wohnungsbau hat man großzügigerweise 100 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Uns ist jedoch bekannt, daß die meisten Gelder aus diesem Fonds dazu verwandt werden, Kasernen zu bauen oder Ersatzwohnungen für Menschen, die im Auftrage der alliierten Besatzungsmächte aus Kasernen vertrieben werden. Für die Forschung ist kein Pfennig eingesetzt, und für die Exportindustrie wird nicht ein einziger Pfennig bewilligt. Kredite für Vertriebene gibt es nicht. Der Nachfinanzierungsbedarf der verarbeitenden Industrie und des Fremdenverkehrs ist nicht bedacht worden. Die Aufwendung für den Erwerb einer Beteiligung an der Vertriebenenbank-AG in Bonn ist ebenfalls nicht mehr in diesem kolossalen Bericht enthalten. Und warum, meine Damen und Herren? Das ist ganz einfach zu erklären. Die neuen Investitionen fließen einzig und allein in die Kriegsindustrie, weil die Amerikaner daran interessiert sind, daß gerade diese Industriezweige im Rahmen der Vorbereitung des dritten Weltkrieges gefördert werden. Dieser Haushalt ist darum schon jetzt ein Teil des kommenden Wehretats der Bundesrepublik, der nach anderen Informationen zur Zeit bereits in den drei zuständigen Ministerien im Hinblick auf die Verwirklichung der Washingtoner Beschlüsse aufgestellt wird.
Meine Fraktion muß darum in Übereinstimmung mit allen gutwilligen Menschen aus allen Schichten unseres deutschen Volkes diese Politik des Marshallplans, diese Politik der Förderung der Rüstungswirtschaft aus Interesse an der Erhaltung einer Friedenswirtschaft, an der Erhaltung des Friedens ablehnen. Wir sind nämlich der Meinung, daß diese Politik die deutsche Wirtschaft zerstört und unser deutsches Volk in eine neue Katastrophe führt.
({27})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für den Marshallplan.
({0})
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle zwei Anträge zur Geschäftsordnung. Erstens den Antrag, das Haus zu fragen, ob es Wert darauf legt, die Grundfragen oder, wie Herr Rische gesagt hat, die Hauptfragen des Herrn Vorredners, auf die er sich beschränkt hat - wie er sich ausdrückte -, durch den Herrn Minister für den Marshallplan beantwortet zu erhalten.
({0})
Zweitens beantrage ich, für die noch ausstehenden Etats die Redezeit auf 40 Minuten festzusetzen.
({1})
Den zweiten Antrag stelle ich im Auftrage der Regierungskoalition.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
({0})
- Herr Abgeordneter Rische, Sie haben so lange das Wort gehabt, daß Sie jetzt einmal schweigen können!
({1})
Meine Damen und Herren! Ich bedaure den ersten Antrag des Herrn Abgeordneten Wellhausen sehr. Ich glaube, einen solchen Antrag sollten Abgeordnete ihrer eigenen Würde und der Würde des Parlaments wegen nicht stellen.
({0})
Es scheint so, als wenn Sie selbst nicht recht begriffen haben, was Sie sich damit antun, wenn Sie das Haus beschließen lassen wollen, daß ein Minister auf die Frage, die ein Abgeordneter hier aufwirft, nicht antworten soll. Denn das, was heute einem anderen Abgeordneten passiert, kann morgen Ihnen passieren. Ich spreche dabei nicht etwa für die kommunistische Fraktion, sondern ich spreche im Interesse des ganzen Hauses. Ich glaube, wir haben einige Ursache, uns das gründlich zu überlegen.
Außerdem wäre die gegenwärtige Situation nicht entstanden, wenn man meinem Vorschlag im Ältestenrat gefolgt wäre und für die Einzelpläne Redezeiten festgesetzt hätte, wie das sonst üblich gewesen ist. Man hat es leider nicht für notwendig gehalten. Aus diesem Grunde sind wir in diese Situation gekommen, die ich vorausgesehen habe.
({1})
- Aber, mein verehrter Herr Kollege Mende, Sie sind noch nicht so lange im Ältestenrat - aber Sie sind lange genug in diesem Hause -, sonst sollten Sie wissen, daß derartige Gelegenheiten immer ausgenutzt werden. Ich habe soeben schon einigen anderen Kollegen aus dem Hause gesagt: ich wundere mich sehr, daß bei dieser Sachlage die Kollegen von der kommunistischen Fraktion nicht zu jedem Einzelplan eine Stunde geredet haben, wenn der Ältestenrat großmütig genug ist, ihnen eine solche Möglichkeit zu geben.
Wenn jetzt die Redezeit für die Einzelpläne festgesetzt werden soll, halte ich die Redezeit von 40 Minuten für zu kurz. Ich bitte Sie dringend,
({2})
Herr Kollege Wellhausen, weil wir ja jetzt über die Redezeit für die Einzelpläne nicht mehr abstimmen können, mindestens damit einverstanden zu sein, daß eine Redezeit von 90 Minuten festgesetzt wird. Sie wird in den meisten Fällen sicher nicht ausgenutzt werden. Aber dann kann bei den einzelnen Plänen das, was zu sagen ist, wirklich gesagt werden.
({3})
Zur Geschäftsordnung?
({0})
- Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An die Adresse des Herrn Wellhausen: Wir haben in der vorigen Woche den Besuch einiger Herren aus dem Land der sogenannten „Väter der Demokratie" erlebt. Einer dieser Herren hat hier einen Vortrag gehalten. Einen Teil dieses Vortrages habe ich mir sehr gut gemerkt. Als Charakteristikum englischer Demokratie hat er herausgestellt, daß die Abgeordneten des Parlaments das Recht hätten, jederzeit ihre Regierung zu kontrollieren und von ihrer Regierung Auskunft zu fordern. Sie haben bei dieser Rede mächtig Beifall geklatscht. Ich habe mir die Worte gut im Herzen bewahrt - wie man so zu sagen pflegt - und habe mir geschworen, sie Ihnen bei nächster Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Ich habe nicht gedacht, daß die Gelegenheit dazu so schnell kommen würde.
({0})
- Herr Mayer, Sie sind in meinen Augen nie ein Repräsentant der Demokratie gewesen.
Herr Abgeordneter Renner, wollen Sie bitte nur zur Geschäftsordnung und zu den Anträgen, die gestellt sind, sprechen!
Zur Geschäftsordnung! Das war ja ein Antrag, zu dem ich gesprochen habe.
Nein, nein, Sie haben eine Historie erzählt.
Nun ein weiteres Wort an den Herrn Kollegen Mellies. Wenn man schon Demokrat ist, soll man ganz Demokrat sein, Herr Mellies. Dann soll man hier nicht die Hand dazu reichen, daß ein im Ältestenrat gefaßter Beschluß, nur weil die Diskussion der einen oder der andern Gruppe dieses Hauses unangenehm ist, abgewürgt wird. Wir haben sowieso den traurigen Tatbestand vor uns, daß wir hier mit einem Überrollungshaushalt beehrt werden, wobei ich die Überrollung ganz klar darin sehe, daß unser Volk überrollt wird.
Bitte, sprechen Sie zur Geschäftsordnung!
Ich widerspreche dem Antrag und bitte, es bei dem alten Beschluß des Ältestenrats, d. h. bei der unbeschränkten Redezeit, zu belassen.
Meine Damen und Herren, die Aussprache zur Geschäftsordnung ist vorläufig einmal geschlossen. Der Herr Abgeordnete Wellhausen hat zwei Anträge gestellt, erstens den Antrag, das Haus möge den Herrn Bundesminister ersuchen, - ({0})
- Das Haus soll befragt werden, gut! Dieser Antrag ist geschäftsordnungswidrig. Einen solchen Antrag kann ich nicht zur Abstimmung stellen. Er würde eine Abweichung von der Geschäftsordnung darstellen. Infolgedessen bin ich gar nicht imstande, darüber abstimmen zu lassen.
Zum zweiten ist der Antrag gestellt worden, die Redezeit zu beschränken; einerseits ist beantragt worden: auf 90 Minuten, andererseits ist beantragt worden: auf 40 Minuten. Gegenüber dem bisherigen Beschluß ist die Forderung der Begrenzung der Redezeit auf 40 Minuten die weitestgehende. Ich muß also zuerst darüber abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die für eine Beschränkung der Redezeit bei den nächsten Haushaltsplänen auf 40 Minuten sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich muß die Abstimmung wiederholen; es ist etwas unsicher. Wer für die Beschränkung auf 40 Minuten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist also so beschlossen.
Wir fahren nun fort. Das Wort hat der Herr Bundesminister für den Marshallplan.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, angesichts des zum Teil überreichlich bekannten Stoffes, den der Herr Abgeordnete Rische vorgetragen hat, kann ich mich bei meiner Antwort auf verhältnismäßig wenige und dafür um so klarere Feststellungen beschränken. Es ist zunächst selbstverständlich, daß wir mit jedem Mittel nachzuweisen bereit sind - und wir haben es dabei sehr leicht -, daß der Marshallplan in dem Augenblick, als er anlief, tatsächlich die einzige Möglichkeit war, zusammen mit der damals eingeleiteten Wirtschaftspolitik und mit der Währungsreform jene starke Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft zu erreichen, von der wir wissen.
Ich will aber nicht zu diesen Allgemeinheiten, sondern zu den konkreten Fragen, die Herr Rische freundlicherweise glaubte stellen zu müssen, sprechen, obwohl er zum Teil weiß oder sich sagen sollte, daß es besser wäre, auch westdeutsche Quellen zu lesen statt ausschließlich ostdeutsche oder russische. Wenn er das nämlich täte, käme er z. B. nicht auf die Herstellung solcher Zusammenhänge, die in sich unmöglich sind, wie er z. B. Verhandlungen über Marshallplanhilfe oder ihre Verwendung im Zusammenhang mit deutschem Auslandsvermögen konstruiert hat. Die Dinge gehören nicht zusammen, und es ist auch noch niemals darüber im Zusammenhang gesprochen worden.
({0})
- Nicht ein einziges Mal, Herr Rische. Das ist Ihnen unangenehm, aber lassen Sie mich bitte in Ruhe ausreden.
Das Zweite: Es ist - ich sage das aus einem sehr übergeordneten politischen Interesse - auch kein Pfennig für irgend etwas, was man Rüstungsbetrieb nennt, über Gegenwertmittel verwandt und niemals ein solches Ansinnen an uns gestellt worden.
Und das Dritte: Da muß ich allerdings sagen, daß es mir sehr schwer wird, nicht ein Bibelwort als Charakteristik für Herrn Rische zu gebrauchen. Aber ich befürchte, mir dann den Tadel des Herrn Präsidenten zuzuziehen.
({1})
({2})
Ich kann nicht verstehen, warum Herr Rische - ich glaube, das Wort ist parlamentarisch zulässig - Krokodilstränen wegen des Ostwesthandels weint. Denn dieser Handel ist nur insofern eingeschränkt, als es sich um wehrwichtige oder kriegswichtige Güter handelt. Und wenn wir ihn durchführen wollen und uns drei Monate darum bemühen, zu Rande zu kommen, dann machen Sie überflüssige Schikanen.
({3})
- Das machen Ihre Vormünder aus Moskau.
({4})
- Bitte, lassen Sie mich doch reden. Ich habe Sie ja auch nicht unterbrochen.
Herr Rische scheint sich sehr, sehr wenig mit Zahlen beschäftigt zu haben. Wenn er sich nämlich mit Zahlen beschäftigt hätte, dann würde er die von mir ausgesprochene Behauptung von der Steigerung der deutschen Lebensfähigkeit nicht mit einer solchen Frage beantwortet haben. Wenn ein Land mit ganz geringem Verbrauch, mit äußersten Einschränkungen für alle, im Jahre 1948/49 mit einer Dollarhilfe von 1400 Millionen Dollar mühselig auskam und wenn wir bei ungleich gesteigertem Verbrauch und ungleich gesteigerter Produktion ih diesem Jahr mit einem Dollardefizit von 400 Millionen trotz gesteigerter Weltmarktpreise zurechtkommen, so ist das immerhin in drei Jahren ein Schritt, der uns beweist, daß wir in sehr absehbarer Zeit die deutsche Lebensfähigkeit in der Tat erreicht haben werden. Um diese Dinge geht es ja, und ich glaube, man müßte, ehe man fragt, die Dinge genauer kennen.
Nun zu etwas anderem, dem ewigen Leitmotiv von der Verschuldung. Ich muß erstens sagen, daß ein sehr beträchtlicher Teil der Mittel in der Tat keine Schuld darstellen wird. Ich muß auf der anderen Seite aber auch klarstellen, daß diese Schulden nicht uferlos durch Konsum in öff entlichen Schulden untergegangen sind, sondern daß ihnen ja gerade die allerbedeutendsten neuen Anlagen für die Güterproduktion als neue Werte gegenüberstehen. Wir haben keine eingleisigen Bahnstrecken, bei uns hat nicht eine Besatzungsmacht die eine Hälfte weggeschleppt. Wir haben auch nicht dauernde Entnahmen, sondern wir haben in der Tat mit der Hilfe des Marshallplans an vielen Stellen überhaupt erst einmal wieder frisches Leben wecken können. Darum geht es!
({5})
Dann weint Herr Rische über die Verteilung der Marshallplanmittel. Fangen wir bei dem größten Posten an: mehr als 20 % allein für die Steigerung der Energieerzeugung! Nehmen wir dann die nächsten großen Posten für die Kohle und den Bergarbeiterwohnungsbau. Denken wir auch daran, daß Vertriebenenkredite - und hier darf ich einmal von mir sprechen: als Ergebnis meiner allerpersönlichsten Initiative - nur mit Hilfe des Marshallplans gewährt werden konnten.
({6})
Herr Rische, Sie verraten in diesem Augenblick eine verhängnisvolle Unkenntnis wirtschaftlicher Zusammenhänge, weil Sie gerade darüber weinen, daß wir in diesem Stadium keine Kredite an die
Konsumgüterindustrie geben. Wir wissen nämlich, daß es sehr notwendig ist, die heutige Produktionskapazität der Konsumgüterindustrie in bezug auf dauernde Absatzfähigkeit gewissenhaft zu untersuchen. Wenn man das alles zusammennimmt, dann ist es klar, daß hier nicht gefragt, sondern ausschließlich getrommelt wurde.
({7})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, man sollte weiter, bevor man solche Reden hält, arbeiten, und wenn da z. B. von irgendwelchem Geheimnis hinsichtlich der Verwendung der Mittel gesprochen wird, - ich glaube, es ist eine Beleidigung für den Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses, und es ist eine Beleidigung für das ganze Hohe Haus, wenn ihm in öffentlicher Rede im Bundestag unterstellt wird, es ließe sich durch unklare Zahlen oder nicht nachprüfbare Angaben düpieren und übertölpeln.
Was nun die Gelder für die Presse betrifft, so ist es zwar nicht meine Angelegenheit, mich da hineinzumischen; ich glaube aber in der Tat, daß auf der anderen Seite ein Staat kein Interesse an der Unterstützung einer Presse haben kann, die ihn verneint und ihn zu unterminieren bestrebt ist.
({8})
Darum geht es. Sie haben nämlich nur von der zu Ihrem Kummer nicht bedachten kommunistischen Presse gesprochen.
({9})
Sie haben darüber gesprochen, und ich antworte auf das, was Sie gesagt haben.
Das gleiche gilt von der Behauptung über unzulängliche Einzelarbeit hinsichtlich der Untersuchung: In welcher Weise ist die Forschung gefördert worden? Ich glaube, der erste, wirklich ganz große Schritt zur Förderung der Forschung ist nur mit Hilfe der Gegenwertmittel möglich gewesen, und auch das ist allgemein bekannt.
Wogegen ich mich aber wehren muß, das ist wieder einmal eine nicht beweisbare und bestimmt ohne jeden Versuch einer Prüfung aufgestellte Behauptung hinsichtlich der Verwendung der Mittel für den Wohnungsbau. Die Mittel für den Wohnungsbau werden nur für den sozialen Wohnungsbau verwendet, für sonst nichts.
({10})
Das möchte ich mit aller Deutlichkeit gesagt haben.
Im übrigen weiß ich, daß es nicht für jedermann angenehm ist, einsehen zu müssen, daß es neben der Gewalt auch noch die Möglichkeit gibt, das böse Wort vom Fluch des Goldes dadurch aufzuheben, daß materielle Kräfte eingesetzt werden, um den Frieden zu retten durch die Stärkung und Sicherung der Wohlfahrt der freien Völker. Das aber ist der Sinn des Marshallplans, und deswegen ist er in der Tat eine Waffe der Freiheit und eine Bedrohung der Diktatur.
({11})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Nein, jetzt nicht!
({1})
({2})
- Nein, das ist nicht üblich.
({3})
- Nein, das ist nicht der Fall.
({4})
Wenn nach Abschluß einer Debatte die Regierung noch einmal das Wort ergreift, ist die Debatte neu eröffnet. Von einer Neueröffnung kann hier keine Rede sein.
({5})
- Nein! ({6})
- Nein, nein! Sie haben das Haus lange genug, eine volle Stunde, in Anspruch genommen. Ihre Redezeit ist damit erschöpft.
({7})
- Also, meine Damen und Herren, ich erteile das Wort jetzt nicht zum zweiten Male. Die Debatte ist jetzt geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan V zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das erstere war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Ich rufe nun auf:
Einzelplan XXII - Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin ({8}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Mellies.
Melles ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrere Fraktionen des Hohen Hauses haben vor einigen Wochen einen Gesetzentwurf eingereicht, 'der die finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund und Berlin auf eine neue Grundlage stellen soll. Inzwischen haben auch zwischen dem Senat von Berlin und der Bundesregierung Verhandlungen stattgefunden mit dem Ziel, dieses schwierige Problem einer Klärung zuzuführen. Wir werden also in absehbarer Zeit vor einer neuen Regelung stehen. Der Ihnen jetzt vorliegende Haushalt bezweckt lediglich, die Hilfe, die im verflossenen Jahr Berlin geleistet worden ist, auch noch in den nächsten Wochen und Monaten zu leisten, eben so lange, bis die neue Regelung, die, wie ich eben sagte, in absehbarer Zeit zu erwarten ist, von diesem Hause beschlossen sein wird.
Ich bitte Sie deshalb namens des Haushaltsausschusses, dem jetzt vorgelegten Haushaltsplan Ihre Zustimmung- zu geben.
({10})
Ich danke zunächst dem Herrn Berichterstatter. - Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Redezeiten für die Beratungen über die nächsten Einzelhaushaltspläne durch den soeben gefaßten Beschluß festgesetzt worden sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der Kürze des Berichts möchte ich nicht verfehlen, auf den Inhalt dieses Etats hinzuweisen, soweit er in Zahlen faßbar ist. Die westdeutschen Steuerzahler sollen allein nach diesem Etat, ganz abgesehen von dem, was noch kommt, und ganz abgesehen von dem, was nebenher noch geleistet wird und was kürzlich von einem Sprecher der CDU auf eine Milliarde beziffert worden ist, 600 Millionen für die Nothilfe Berlin bezahlen und darüber hinaus noch einen Zuschuß in Höhe von 10 Millionen für diese Stumm-Polizei. Leider habe ich in diesen fünf Minuten keine Gelegenheit, zu erklären, warum ich von „dieser" Stumm-Polizei spreche; die werden wir uns beim Etat des Innenministeriums noch einmal vorknöpfen.
Nun eine andere Sache. Da ich nur fünf Minuten Zeit habe, kann ich nur eines herausgreifen, was mir aber wichtig genug erscheint. Heute morgen haben einige Herren der Sozialdemokratie eine betonte Überraschung an den Tag gelegt angesichts der Tatsache, daß wir ihren Antrag, in Berlin vorweg, sozusagen als Probegalopp, Gemeindewahlen durchzuführen, abgelehnt haben. Ich wiederhole deshalb, um jede Unklarheit auszuschließen, die Stellungnahme unserer Fraktion zu diesem Problem.
Wir erblicken in dem Vorschlag der Volkskammer eine geeignete Möglichkeit zur Durchführung gesamtdeutscher Wahlen. Für uns ist Berlin eine Stadtgemeinde, nichts mehr und nichts weniger. Wir sehen in Berlin nach wie vor die Hauptstadt Deutschlands und möchten diesen Zustand möglichst schnell auf der Basis der Einheit verwirklicht haben. Wenn Sie, meine Herren Sozialdemokraten, der Auffassung sind, daß Berlin ein Sonderfall sei, so wird man sich doch darüber einigen können, daß diese Frage bei gesamtdeutschen Beratungen zu einem besonderen Punkt der gemeinsamen Beratungen gemacht wird. Nur muß man diese gemeinsamen deutschen Beratungen wollen. Dann ist das Problem Berlin gelöst, und dann sind auch alle Bedenken und Vorbehalte, die Sie zu diesem Punkt gemäß dem Washingtoner Abkommen zu machen sogar verpflichtet sind, leicht aus der Welt zu schaffen. Also keine faulen Ausflüchte, keine Roßtäuscherkniffe! Das Problem Berlin wird zusammen mit dem Problem Gesamtdeutschland gelöst.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren, ich glaube, das Haus und die deutsche Öffentlichkeit können Herrn Renner für seine Ausführungen nur dankbar sein, weil man feststellen konnte, wie den Kommunisten angesichts der Abstimmung von heute morgen jetzt noch der Angstschweiß auf der Stirn steht.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Neumann.
Meine Damen und Herren! Die Erklärung, die der Herr Abgeordnete Renner ab({0})
gegeben hat, gibt mir die Möglichkeit, einmal den Widerspruch der kommunistischen Meinungen ganz kurz vorzutragen. Bekanntlich ist am 30. November 1948 die Spaltung der Stadt Berlin durch die Kommunisten vorgenommen worden,
({1})
und ein neuer demokratischer Magistrat ist von den Stadt- und Bezirksverordneten gewählt worden, Herr Renner. Nach der von den vier Alliierten erlassenen Verfassung ist die Stadtverordnetenversammlung dann beschlußfähig, wenn die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Damals hatten wir von 130 Abgeordneten 26 Abgeordnete der SED, und diese 26 Abgeordneten haben dann den neuen „demokratischen" Magistrat am 30. November im Berliner Admiralspalast gewählt. Es war sehr interessant, daß bereits am 2. Dezember 1948 die sowjetische Besatzungsmacht, die die damalige provisorische Verfassung mit unterschrieben hat, den neuen, undemokratisch gebildeten Magistrat anerkannte. Herr Renner, Sie sind in Berliner Fragen nicht so bewandert, darf ich deshalb zitieren, was Herr Friedrich Ebert am 30. November 1948 vor der Berliner Universität gesagt hat:
({2})
Um alle Unklarheiten zu vermeiden, erkläre ich hiermit unmißverständlich, daß der neue Magistrat nur ein Provisorium darstellt. Wir werden unverzüglich darangehen, eine neue Verfassung und eine neue Wahlordnung auszuarbeiten. Danach werden wir wahrhaft demokratische Wahlen durchführen lassen und abtreten sowie dem neu gewählten demokratischen Magistrat die Amtsgeschäfte übergeben.
Das ist nun drei Jahre her, und wir haben überhaupt nichts von dem gesehen, was sie damals versprochen haben.
({3})
- „Sie", das sind die Kommunisten.
Was Herr Ebert sagt, mag für Sie vielleicht nicht verbindlich sein, deswegen möchte ich den Mann sprechen lassen, der ja wohl Ihr erster Chef ist, den Generalsekretär der SED und stellvertretenden Ministerpräsidenten der - wie Sie es nennen - Deutschen Demokratischen Republik. Damit werden Sie gleich sehen, wie schief Sie mit Ihrer Auffassung liegen. Herr Walter Ulbricht hat auf dem Parteiaktiv der Berliner Organisation der SED am 3. August 1950 gesagt:
Bei den Wahlen am 20. Oktober 1946 in Berlin gelang es den anglo-amerikanischen Kriegstreibern mit ihrer Hetze gegen die Oder-Neiße- Linie, gegen das volksdemokratische Polen und gegen die Sowjetunion einen Teil der Bevölkerung irrezuführen. Die Führung der SED
- Herr Renner, das sagte Herr Ulbricht am 3. August 1950 hat vor längerer Zeit die Frage Neuwahlen gestellt. Wir sind der Meinung, daß die Lage in Berlin sich so weit entwickelt hat, daß die Bevölkerung auf Grund der Erfahrung der letzten Jahre ein richtiges Urteil abgeben wird, wer Freund und wer Feind des Volkes ist. Wir sind für Gesamtberliner Wahlen, und zwar auf der Grundlage der Wahlordnung, die gemeinsam mit den jetzigen Westberliner Vertretern vor der Spaltung Berlins vereinbart wurde.
Das ist das, was Herr Ulbricht am 3. August 1950 erklärt hat.
Ich habe am Sonnabend im Berliner Abgeordnetenhaus namens der sozialdemokratischen Fraktion - und die andern Fraktionen haben diesen Standpunkt unterstützt - erklärt: Bitte, wenn Herr Ulbricht dieser Meinung ist, wir sind ja bereit, das Volk in Berlin auf dieser Grundlage zu befragen. Wir haben keine Angst gezeigt vor demokratischen Wahlen. Wir haben uns am 20. Oktober 1946, am 5. Dezember 1948 und am 3. Dezember 1950 zur Wahl gestellt, und ich stelle fest, daß es die Kommunisten waren, die bisher nicht den Mut hatten, in ihrem Sektor freie demokratische Wahlen auszuschreiben. In Berlin haben wir die Möglichkeit, auf Grund der von allen vier Alliierten zur Oktoberwahl 1946 ausgeschriebenen Wahlordnung und auf Grund der Verfassung, die von allen vier Alliierten geschaffen worden ist, ohne jede Einschränkung sofort das Exempel zu machen, und, Herr Renner, wir, die demokratischen Parteien, haben am Sonnabend einmütig erklärt, daß wir bereit sind, auf dieser Grundlage zu wählen.
Nun zu Ihrer Äußerung, daß 600 Millionen DM wieder herausgeschmissen werden und daß der arme Steuerzahler in Westdeutschland das tragen muß.
({4})
- Ja, Herr Renner, wir in Berlin sind von der ersten Besatzungsmacht, die zuerst ab 22. April 45 die ganze Stadt übernahm, zu 85 % ausgeplündert worden.
({5})
Wir sind von der Besatzungsmacht, die Sie so lieben, ein Jahr blockiert worden; unsere Wirtschaft ist dadurch in unendliche Schwierigkeiten gekommen. Wir sind dann mit Hilfe dieser Besatzungsmacht am 30. November 1948 gespalten worden, und auch daraus ergeben sich wirtschaftliche Schwierigkeiten für diese Stadt. 180 Grenzsperren hat die Partei, die Sie vertreten, mitten durch Berlin gezogen,
({6})
180 Barrikaden, und das alles im Namen der Einheit und der Freiheit!
({7})
Bitte, ich sage nochmals; wenn Sie für die Einheit sind, wenn Sie für die Freiheit und das einheitlich% Berlin, diese Hauptstadt Deutschlands, sind, dann sagen Sie doch Ihren Leuten, daß sie in Berlin den Probefall der freien Wahlen, der ohne jede Bevormundung und ohne Befragung der Alliierten möglich ist, machen sollen, und die Einheit Berlins ist da. Dann würde es sich auch erübrigen, daß Sie Unterstützungen in der Höhe an die Stadt geben müssen, wie Sie sie heute zu unserem Leidwesen immer noch gewähren müssen.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner hat noch zwei Minuten von der Redezeit von fünf Minuten, die seiner Fraktion zustehen.
Darf ich außerhalb dieser drei Minuten die Feststellung treffen, daß der Sprecher der SPD neun Minuten statt fünf Minuten gesprochen hat. Das ist die Demokratie!
Herr Abgeordneter Renner, die Uhr, die die Redezeiten anzeigt, wird von Ihrem Fraktionskollegen Gundelach bedient.
Die Uhr geht nicht richtig!
Herr Gundelach hat die Uhr auf acht Minuten eingestellt, und die acht Minuten sind nicht verbraucht.
Aber fünf Minuten standen ihm nur zu.
Nein, acht! - Sie haben zwei Minuten zu sprechen.
Das sind so kleine Streitigkeiten, bei denen Sie dank der Tatsache, daß Sie die Macht haben, immer gewinnen.
Die eine Feststellung: Herr Neumann, sind Sie so begriffsstutzig, zu glauben, die hier anstehenden Probleme mit der Wiederholung all dieser hundertmal hier und in der Welt vorgetragenen historischen Unwahrheiten abtun zu können?
({0})
Hier geht es doch nicht um eine Wahl in Berlin, hier geht es um eine Stellungnahme zum Vorschlag der Volkskammer. Und dieser Vorschlag läuft darauf hinaus, gesamtdeutsche Wahlen vorzubereiten. Sie wollen diesen Vorschlag durch den Trick unterminieren und konterkarieren, daß Sie fordern, man solle zuerst einmal in Berlin im Sinne eines Probegalopps Gemeindewahlen durchführen. Wie ernst es Ihnen mit dem Vorschlag ist, den Ihr Berliner Magistrat in der vergangenen Woche gemacht hat, geht am besten daraus hervor, daß Sie bei der Begründung Ihres Beschlusses wieder dieselben Unwahrheiten gesagt und dieselbe Hetze betrieben haben wie hier. Das geht aus der Art hervor, wie Sie diesen Ihren Beschluß in gewollt beleidigender Form an Ihren sogenannten Partner in der DDR herangebracht haben. Das war gewollt beleidigend. Und da Sie mit Absicht beleidigt haben, kann man Ihnen mit Recht vorwerfen, daß hinter Ihrem angeblich auf Einheit ausgerichteten Beschluß nichts anderes gestanden hat als der Wille, diesem Parlament ein fait accompli zu liefern, um es ihm leichter zu machen, den Vorschlag der Volkskammer für einen Augenblick aufzuhalten; denn nur für einen Augenblick wird Ihr Nein Dauer haben, dafür wird das Volk sorgen! Das ist das, worum es geht, Herr Neumann, und wir haben darum nein gesagt, weil wir Gesamtdeutschland sehen und wollen
({1})
und in Ihrem Beschluß nichts anderes sehen als
ein Ablenkungsmanöver, einen Roßtäuschertrick.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Meine Damen und Herren! Als Berliner Vertreter nur eine kurze Bemerkung. Die Bundesregierung hat heute morgen in ihrer Erklärung unter anderem gesagt, daß nach leidvollen Erfahrungen, die die Welt seit Jahren gemacht, hat, Beratungen mit Kommunisten entweder Diktat oder endlose Verzögerung bedeuten.
Ich glaube, wir haben soeben einen anschaulichen 1 Unterricht darüber erhalten, was Beratungen mit Kommunisten über deutsche Einheit bedeuten und wie sie verlaufen würden.
({0})
Man würde nicht einmal mehr über feststehende Tatsachen, die allgemein bekannt sind und die wir alle am eigenen Leibe erfahren haben, sich einigen können, sondern wir würden erleben, daß diese Tatsachen als Lügen hingestellt werden. Ich frage: Was hat in einer solchen Situation und wenn in dieser Weise gesamtdeutsche Fragen behandelt werden sollen, eine solche Beratung überhaupt für einen Sinn?
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache zu diesem Punkt der Tagesordnung ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung in zweiter Beratung. Wer für die Annahme des Einzelplans XXII ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Ich rufe nunmehr auf:
Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete ({0}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Miessner als Berichterstatter.
({1})
- Vielleicht kann das Haus auf den Bericht verzichten*)
({2})
- Kein Widerspruch. Dann bitte ich um Wortmeldungen. Das Wort hat der Abgeordnete Fisch. ({3})
Meine Damen und Herren! Sie scheinen die Angelegenheit des Europarates in diesem Hause nicht sehr ernst zu nehmen, sonst würden Sie nicht so gern bereit sein, auf den Bericht zu verzichten. Ich muß mich leider an die kurze Redezeit halten und möchte mich darum auf einige wenige Fragen beschränken.
Als im vergangenen Jahr die Diskussion darüber geführt wurde, ob die Bundesrepublik Deutschland in die Europa-Union aufgenommen werden solle, schrieb der „Manchester Guardian":
Wenn wir die Bundesrepublik in die Europa-Union aufnehmen, so tragen wir erheblich dazu bei, daß die Spaltung Deutschlands nie behoben wird.
Das war vor eineinhalb Jahren. In der Zwischenzeit hat es sich erwiesen, wie richtig diese Prognose der englischen Zeitung war. Diese Prognose mußte darum richtig sein, weil der ganze Plan der Europa-Union von vornherein - aus amerikanischem Ursprung stammend - darauf abzielte, die Spaltung Deutschlands zu verewigen, den Westen Deutschlands für ständig an das künstliche Gebilde Westeuropa zu binden und aus ihm einen geeigneten Raum für den militärischen Aufmarsch der amerikanischen Kriegsstrategen zu machen. Das hat sich in der Zwischenzeit erwiesen. Von all den Voraussagen über die menschenbeglückenden Taten der
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage 1, Seite 6760.
({0})
Europa-Union ist ja nur an zwei Stellen etwas Reales übriggeblieben. Wenn wir uns erinnern, was noch vor einem Jahre anläßlich einer Debatte hier im Hause von dem Sprecher der Regierungskoalition an positiven Leistungen der europäischen Union vorausgesagt wurde, wie z. B. die Schaffung eines Grundgesetzes für die soziale Sicherung oder eine ganze Reihe anderer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Maßnahmen fortschrittlichen Charakters, und wenn wir damit vergleichen, was in dieser Zeit Wirklichkeit geworden ist, so bleiben zwei Dinge: erstens die Förderung der europäischen Kohle- und Stahlunion - lies: des Überkonzerns der Kohle- und Stahlherren, lies: Schumanplan - und zweitens das Projekt der sogenannten europäischen Armee, die nichts anderes darzustellen hat als die europäische Fremdenlegion unter Eisenhowers Kommando. Das, meine Damen und Herren, ist die Bilanz des vergangenen Jahres, in dem Westdeutschland Mitglied des Gremiums von Straßburg gewesen ist.
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen; Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich darf zum Schluß auf eine interessante Tatsache hinweisen. In dem Etat, der uns vorgelegt wird, werden unter den Ziffern 32 und 33 Summen in der Gesamthöhe von 185 000 Mark ausgewiesen, die für die Begleichung des Beitrags des deutschen Rats der europäischen Bewegung an den Internationalen Rat als Dachorganisation der europäischen Bewegung bestimmt sind. Was ist das für eine Organisation? Vor einigen Tagen -
Ich rufe Sie zum Schluß!
Ja ich bin sofort fertig. Vor einigen Tagen hat diese Organisation in Hamburg eine Tagung abgehalten, auf der Herr Henle, der Befürworter des Schumanplans, den Berichterstatter machte und auf der auch der Schwiegersohn des Herrn Churchill in der unerhörtesten Weise zum Kriege aufrief und die Deutschen zur Leistung eines militärischen Beitrags aufforderte, wobei er damit drohte, daß, wenn dies nicht freiwillig geschehe, Deutschland eines der wichtigsten Bombenziele der westalliierten
({0})
Bombenkommandos würde.
Herr Abgeordneter Fisch, Ihre Redezeit ist mehr als abgelaufen. Ich entziehe Ihnen das Wort.
({0})
- Stellen Sie es fest. Das Wort bleibt Ihnen entzogen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Von der kommunistischen Fraktion ist ein Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 321 vorgelegt worden, Kap. 1 Tit. 32 und 33 zu streichen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die Streichung ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. - Ich lasse über den Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Einzelplan ist gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Einzelplan V, Haushalt des Bundesministeriums für den Marshallplan, ist erledigt.
Ich rufe auf:
Einzelplan VII - Haushalt des Bundesministeriums der Justiz ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Erler.
({2})
Er hat einen schriftlichen Bericht auf Umdruck Nr. 311 erstattet. Begnügt sich das Haus mit der Entgegennahme des schriftlichen Berichts? ({3})
Es ist so beschlossen.*)
Dann eröffne ich die Aussprache. Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht ist nach § 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ein allen anderen Verfassungsorganen gleichrangiges selbständiges Verfassungsorgan. Die sozialdemokratische Fraktion hält es deshalb nicht für richtig,- daß der Haushalt des Bundesverfassungsgerichts in den Haushalt des Bundesjustizministeriums eingeordnet ist. Mindestens so wie der Bundesrechnungshof muß auch das Bundesverfassungsgericht künftig seinen eigenen Haushalt haben. Dieser Gerichtshof unterliegt in keiner Weise einer Dienstaufsicht des Herrn Bundesjustizministers, und er ist auch keine ihm nachgeordnete Behörde. Wir bemängeln daher, daß der gegenwärtige Haushalt diesen Fehler enthält, und wünschen, für die Zukunft einen eigenen Haushalt des Bundesverfassungsgerichts zu sehen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Einzelplans VII - Haushalt des Bundesministeriums der Justiz - ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Einzelplan VII ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan X - Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Brese.
Brese ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 für das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der noch durch Nachträge seine Ergänzung finden soll, bedeutet im wesentlichen die Übernahme des Haushaltsplans für das vergangene Rechnungsjahr 1950 und bringt nur die notwendigsten Änderungen und Ergänzungen. Sie finden hierzu noch den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses mit beigefügtem Material. Der gesamte Zuschußbedarf des Einzelplans X hat sich gegenüber dem Vorjahre um rund 82,5 Millionen DM erhöht, wobei die vorjährigen ERP-Zuschüsse in Höhe von 75 Millionen DM ausgeschaltet worden
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage 2, Seite 6761.
({2})
J sind, da sie nicht zum Vergleich herangezogen werden können. Von dieser Erhöhung entfallen auf das Ministerium selbst 80,8 Millionen DM und auf die nachgeordneten Dienststellen 1,4 Millionen DM. Die Erhöhung des Zuschusses, die bei diesem Ministerium eingetreten ist, macht zwar die nicht unerhebliche Summe von 80,8 Millionen DM aus. Das erklärt sich aber daraus, daß auf der Einnahmeseite der vorjährige Ansatz in Höhe von 57,5 Millionen DM für Abschöpfungen, die im Rahmen des Einfuhrverfahrens vorgenommen wurden, im Überrollungshaushalt gänzlich in Fortfall kommt.
Darüber hinaus haben einige wichtige Positionen aus sachlich zwingenden Gründen eine Erhöhung erfahren. Hierbei handelt es sich im wesentlichen um folgende: Die für die Förderung der ländlichen Siedlung veranschlagten Mittel sind von 5 Millionen DM auf 10 Millionen DM, die für die Förderung besonderer Vorhaben auf dem Gebiete der Wasserwirtschaft, der Küstenschutzmaßnahmen veranschlagten Mittel von 14 Millionen DM auf 24 Millionen DM und die für die Erschließung des Emslandes veranschlagten Mittel von 4 Millionen DM auf 16,2 Millionen DM erhöht worden. Diese Erhöhungen mußten schon in diesem Überrollungshaushalt vorgenommen werden, insbesondere deshalb, weil die Arbeiten auf diesen Gebieten saisonbedingt sind und im wesentlichen vor dem Eintritt schlechter Witterung durchgeführt werden müssen, so daß eine Ausbringung in den Nachträgen zu spät gekommen wäre. Der Haushaltsausschuß begrüßt diese Maßnahmen auch, weil sie von großer Bedeutung sind.
Außerdem sind die folgenden Erhöhungen bemerkenswert. Der Zuschuß für die Forschungsan) stalt für Landwirtschaft in Braunschweig-Völkenrode ist zwar erhöht worden; es handelt sich hier aber im wesentlichen um die Auswirkung der Gehalts- und Lohnerhöhungen. Bei dem Zuschuß für die Forschungsanstalt für Hauswirtschaft in Bad Godesberg erscheint ein Betrag von 100 000 DM. Es handelte sich im Vorjahre nur um eine halbjährige Veranlagung. Mit Rücksicht auf die Erhöhung des Preises für Dieselöl und den Wegfall bisheriger Preisverbilligungen erfolgte bei den Mitteln für den Betrieb der Fischereischutzboote eine Erhöhung des Ansatzes um 80 000 DM. Weiterhin wurde aus wichtigen Gründen die Erhöhung der Mittel für die Förderung der Landtechnik zur Durchführung von Forschungsaufträgen auf dem Gebiete des landwirtschaftlichen Bauwesens um 100 000 DM und der Mittel für die landwirtschaftliche Absatzförderung und ernährungswirtschaftliche Verbraucheraufklärung, denen verständlicherweise eine besonders große Bedeutung zukommt, um 100 000 DM erforderlich.
Beim Kap. 1 Tit. 62 der Ausgaben mußten die Kosten für die Beteiligung an internationalen Einrichtungen auf rund 948 000 DM erhöht werden, da dieser Betrag bisher nur für ein Vierteljahr veranschlagt worden war.
Neu ist, wie Sie aus der Ihnen vorliegenden Drucksache ersehen, Tit. 66 bei Kap. 1. Es handelt sich um einen notwendigen Ansatz für die Herausgabe von Zuckerscheinen und Zuckerkarteikarten in Höhe von 21 000 DM. Diese Position ist, wie Sie sich erinnern werden, ein Ausfluß der im § 5 Abs. 4 des Zuckergesetzes vom 5. 1. 1951 enthaltenen Ermächtigung, wonach den Zuckerfabriken und dem Zuckerhandel bestimmte Lieferauflagen erteilt werden können.
Insgesamt sind die Haushaltsansätze im wesentlichen unverändert geblieben. Das, was Sie in der Drucksache aufgeführt finden, sind überwiegend redaktionelle Änderungen. Das erste gilt auch für die Kosten der Vorratshaltung, über die schon in den vergangenen Berichten einiges gesagt wurde. Die Bevorratung würde, wenn das volle Einlagerungsprogramm, wie es dem Gesetz über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung vom 14. 7. 1951 zugrunde liegt, durchgeführt werden würde, einen Kostenaufwand von rund 154,6 Millionen DM an Stelle der ausgebrachten 96,5 Millionen DM ergeben. Diese Frage hat der Haushaltsausschuß noch nicht behandeln können.
Ein besonderes Wort ist dann noch zu den unter Kap. E 11 Tit. 20 ausgebrachten Kosten für den Preisausgleich für eingeführte Lebensmittel, für Konsumbrot, Düngemittel usw. zu sagen. Die Bundesregierung hatte in ihrer Vorlage noch keinen Betrag eingesetzt, weil bei der Aufstellung des Haushalts noch keine endgültige Entschließung über die Preisgestaltung und infolgedessen über das Ausmaß der notwendigen Subventionen vorlag. Der Haushaltsausschuß hat es aber bei der derzeitigen Lage und aus Gründen der Haushaltsklarheit für richtig befunden, daß zunächst einmal der Vorjahresbetrag von 524 900 000 DM wieder eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um eine vorläufige Bemessung der ausgebrachten Beträge. Sie finden den vom Haushaltsausschuß gemachten Vorschlag in der Drucksache Nr. 2611 verzeichnet und im Material erläutert.
Wenn ich nun noch einmal auf die Erhöhung des Zuschusses für die nachgeordneten Dienststellen zurückkomme, die ich bereits mit 1,4 Millionen DM angegeben hatte, so ist hierzu zu bemerken, daß die Veränderungen im wesentlichen auf zwei Umstände zurückzuführen sind. In den vorjährigen Haushalt waren Mittel für das neu zu errichtende Institut für Pflanzenqualität nicht aufgenommen worden, weil zunächst ein Gutachten des Rechnungshofes hierüber abgewartet werden sollte. Nachdem das Gutachten nunmehr vorliegt, ist dieses Institut im Rahmen der Bundesanstalt für Lebensmittelforschung in Karlsruhe in Kap. 4 veranschlagt worden. Im Hinblick hierauf ist bei dem Zuschußbedarf für diese Anstalt eine Erhöhung um 200 000 DM eingetreten.
Bei der Außenhandelsstelle, Kap. 10, liegen die Dinge so, daß sich durch die Errichtung der neuen Einfuhr- und Vorratsstellen im Rahmen der bekannten Marktordnungsgesetze organisatorische Änderungen bei der Außenhandelsstelle ergeben haben. Diese Änderungen wirken sich auf der Einnahmeseite in einer Verringerung der aufkommenden Gebühren in Höhe von rund 5,8 Millionen DM auf 4 Millionen DM aus, während sich auf der Ausgabenseite durch eine entsprechende Verringerung des Personalbestandes und der sonstigen Verwaltungsaufwendungen eine Ausgabenverminderung mit der Gesamtwirkung ergibt, daß der Überschuß der Außenhandelsstelle eine Minderung von 1,48 Millionen DM auf 480 000 DM erfahren hat.
Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß, abgesehen von den oben erwähnten Fällen der Außenhandelsstelle und der Bundesanstalt für Lebensmittelforschung in Karlsruhe, der Personalbestand sowohl bei den Ministerien wie auch bei den nachgeordneten Dienststellen keine Änderungen aufweist. Auch im übrigen bewegen sich die
({3})
Verwaltungsausgaben grundsätzlich auf der gleichen Höhe wie im Vorjahre. Es kann daher gesagt werden, daß der gesamte Einzelplan X wie in den Vorjahren unter Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit aufgestellt worden ist. Ich empfehle namens des Haushaltsausschusses seine Annahme.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend dem vereinbarten Charakter dieser Aussprache ist es nicht möglich, auf alle Einzelheiten des Haushaltsplans einzugehen. Wir behalten uns daher vor, im Rahmen des Haushaltsnachtrages einige Anträge zu stellen, insbesondere was die wissenschaftlichen Forschungsinstitute und die Aufgaben auf dem Gebiet der Siedlung angeht. Es ist heute auch nicht möglich, das ganze Feld der Agrarpolitik abzuschreiten. Der Verzicht, schon durch die sehr abgekürzte Redezeit erzwungen, fällt nicht sehr schwer; denn es würde doch wieder darauf hinauslaufen, hier bedauernd feststellen zu müssen, daß keine ernsthaften Anstrengungen gemacht werden, um dem Landwirt zu helfen, billiger und mehr zu produzieren. Es wird vielmehr immer mit der Politik, mit der schlechtesten Sorte von Politik, fortgefahren, die Preise zu erhöhen, obwohl sich jeder längst ausrechnen kann und ausgerechnet hat, daß für den Landwirt dabei gar nichts anderes herauskommt als eine dauernde Vertiefung der Konflikte in unserem Volk, als eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebenshaltung von Millionen Menschen und zum Schluß die Gefährdung des Absatzes gerade der für die Landwirtschaft interessantesten Waren. Durch die gleichzeitigen Preissteigerungen für industrielle Erzeugnisse wird der Landwirtschaft hier sehr viel mehr weggenommen, als ihr durch diese scheinbaren Preiserhöhungen gegeben wird.
Ohne die Debatte wieder auf dieses Thema hinlenken zu wollen, möchte ich bei der Gelegenheit sagen, daß auch die heute von der Mehrheit beschlossene Zollerhöhung - es handelt sich nicht um eine Zollsenkung, sondern es handelt sich hier um eine Zollerhöhung, um die Einführung von Zöllen für Lebensmittel, die früher eben wegen ihrer großen Bedeutung für die Ernährung der breiten Schichten der Bevölkerung zollfrei eingeführt worden sind - nur ein weiterer Schritt auf diesem Wege ist. Dabei ist das zugleich auch ein Beweis für eine außerordentlich schlechte, negative Agrarpolitik. Die Zeit ist, wie wir alle hoffen, sehr kurz bemessen, in der wir uns noch mit solchen Mitteln von den Nachbarländern abschließen können. Sie alle wissen, daß wir nur am Leben bleiben werden, wenn dieses Europa zu funktionieren beginnt und so schnell wie möglich zu funktionieren beginnt; und Zollpolitik ist die allerschlechteste Vorbereitung auf dem Wege zu dieser von uns allen gewünschten Entwicklung. Mit dieser bequemen Politik wird doch nichts anderes getan, als daß man der Landwirtschaft in den Arm fällt und ihr die Möglichkeiten abschneidet, sich auf die Verhältnisse einzustellen, mit. denen sie einmal fertig werden muß. Was heute so leicht gegeben wird, weil es so bequem ist, wird einmal außerordentlich teuer bezahlt werden müssen. Auf diese Weise werden nicht nur das Schmalz und der Speck, sondern es wird noch etwas ganz anderes teurer werden.
Es ist vielleicht eine unerwünschte Folge der zum Teil recht massiv vorgetragenen Klagen und Behauptungen, wenn in der Öffentlichkeit das Interesse an den agrarischen Problemen zunimmt. Ich persönlich begrüße dieses zunehmende Interesse, und die Tatsache, daß die Rentabilität unserer Landwirtschaft für die Volkswirtschaft von außerordentlich großer Bedeutung ist, rechtfertigt das Interesse ja auch. Ich hoffe, daß die agrarischen Probleme und gewisse Forderungen auf eine möglichst nüchterne Weise betrachtet werden, und ich könnte mir denken, daß dabei Maßstäbe angelegt werden, deren Richtigkeit und deren wirtschaftliche Zweckmäßigkeit von niemandem bestritten werden kann, die allerdings bisher unserer Landwirtschaft noch nicht angelegt worden sind, insbesondere von denen nicht, die sich eine recht bequeme Weise der Vertretung agrarischer Interessen zurechtgelegt haben.
Ich möchte den Rest meiner Redezeit dazu benutzen, Sie auf einen Ausschnitt aus dem Gesamtproblem hinzulenken, das heute dringend Ihrer ganzen und ernsten Aufmerksamkeit empfohlen werden muß, auf unsere Versorgungslage. Wir werden zwar auch in diesen Tagen und Wochen immer wieder mit der Versicherung gefüttert, daß der Anschluß gesichert sei und daß irgendwelche Versorgungsschwierigkeiten nicht auftreten würden. Es ist begreiflich, daß diejenigen, die besondere Verantwortung für die Dinge tragen - welche so ungereimt wie unser wirtschaftliches Leben sind - sich gern mit solchen Feststellungen trösten lassen. Es wird dabei leider übersehen, daß immer dann, wenn der Anschluß gerade noch erreicht werden konnte, der Preis dafür außerordentlich hoch war. Sie erinnern sich vielleicht, meine Damen und Herren, daß wir im vergangenen Jahre von dem Herrn Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft auf eine sehr konkrete Frage von mir gehört haben, daß die Verzögerung der Subventionszusage für einzuführenden Zucker - wir müssen nun einmal eine außerordentlich große Menge Zucker aus dem Ausland einführen - uns in Wirklichkeit 6 Millionen DM gekostet hat. Es haben, glaube ich, alle oder mindestens einige von Ihnen das Material der Marktforschungsstelle Zucker erhalten, und hier wird kaum jemand sein, sicherlich nicht auf Ihrer Seite, der die Sachkenntnis dieser Stelle anzweifelt. Sie werden in diesem Material gelesen haben, daß dasselbe Verfahren, d. h. dieselbe Entschlußlosigkeit, uns in diesem Jahre 50 bis 60 Millionen DM und die dazugehörigen Devisen gekostet hat. Das als ein kleiner Wermutstropfen in den Becher der Freude darüber, daß wir den Anschluß erreicht haben.
Es hat auch keinen Sinn, wenn hier gesagt wird: Mit dem Brotgetreide ist es in Ordnung; es fehlt nur an Futtergetreide. Jeder weiß, daß das ein und dasselbe ist und daß es am Schluß eher an Brotgetreide als an Futtergetreide fehlen wird. Unsere Brotversorgung, unsere Fettversorgung und unsere Zuckerversorgung hängen in sehr hohem Maße davon ab, daß die entsprechenden Mengen, die hier nicht erzeugt werden können, aus dem Ausland eingeführt werden. Es ist keine übertriebene Behauptung, wenn ich sage, daß sich heute auch unter den Verantwortlichen niemand auch nur andeutungsweise darüber im klaren ist, mit welchen Mitteln diese Einfuhren denn bezahlt werden sollen.
({0})
Das Problem wird um so schwieriger, als bekanntlich die Marshallplanmittel, die dafür bisher zur Verfügung gestanden haben, auch wesentlich gekürzt worden sind. Ich glaube, es ist nicht mehr länger zu ertragen, daß man uns sagt: Wir schaffen's schon, wir kriegen schon das nötige Geld, in Wirklichkeit aber nichts tut. Wir fordern mit allem Nachdruck, daß die Bundesregierung sehr schnell ein Einfuhrprogramm mit den notwendigen Prioritäten vor uns allen hier ausbreitet und daß sie sich auf dieses Einfuhrprogramm so eindeutig festlegt, daß dann auch eine vernünftige Vor-disposition über die zur Verfügung stehenden Devisen möglich wird.
Ich richte meine Vorwürfe in dieser Beziehung keineswegs an die Adresse des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Ich weiß, daß dafür in Wirklichkeit das verantwortlich ist, was man in diesem Hause „Wirtschaftspolitik der Regierung" zu nennen pflegt. Wir sind jetzt schon wieder mitten in der Periode, in deren Verlauf durch mangelnde Vorbereitung, durch mangelnde Planung, durch Mangel an vernünftiger, weitschauender Disposition der Anschluß schließlich nur durch eine sehr erhebliche Beanspruchung von Steuergeldern und über den Preis zu Lasten des Verbrauchers gefunden wird. Wenn sich diese Auswirkungen auf dem Zuckergebiet allein von einem Jahr auf das andere von 6 Millionen auf 60 Millionen DM steigern, - ich überlasse es Ihrer Phantasie, sich auszumalen, was dann im nächsten Jahre sein wird.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ja, ich bin gleich fertig.
Im übrigen ist in der Frage der Zuckerversorgung durch die diversen und sich widersprechenden Erklärungen der zuständigen Ministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einerseits und der Finanzen andererseits eine sehr erhebliche Beunruhigung bei all denen, die mit Zucker zu tun haben, nicht zuletzt bei den Verbrauchern, entstanden. Diese Beunruhigung ist auch dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß wir heute in den Zeitungen lesen, man habe sich nun in der Regierung auf einen Zuckerpreis von 132 DM, so wie es der Bundesrat vorgeschlagen hat, geeinigt. Wir müssen dazu erst einmal hören, ob nun der Herr Bundesfinanzminister von den - ich muß sagen - Drohungen zurücktritt, daß Zucker eben nicht eingeführt werden kann, wenn es nicht möglich sein wird, den Zuckerpreis so hoch zu bringen, daß aus dem Zuckerpreis, also aus dem Preis, den die Verbraucher zahlen, etwas an Subventionen abgeschöpft werden kann.
Herr Abgeordneter Kriedemann, kommen Sie zum Schluß!
Ich habe das Haus zum Schluß zu bitten, den Antrag, der Ihnen auf Umdruck Nr. 319 ({0}) vorgelegt worden ist, mit der Änderung statt „Vorlagen" „Vorschläge", anzunehmen. Wir haben die Hoffnung, daß Sie unserem Antrag zustimmen werden, weil nur auf eine solch eindeutige Weise das wiederhergestellt werden kann, was an Vertrauen in bezug auf die Zuckerversorgung jetzt verlorengeht.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Meine Damen und Herren! Seit der letzten Etatsberatung hat sich die Lage der westdeutschen Landwirtschaft und der Verbraucher wesentlich verschlechtert. Das ist bei der Politik der Bundesregierung nicht verwunderlich. Wer für den Marshallplan, für die Liberalisierung ist, wer vor allem den Atlantikpakt und die sogenannte „Sicherheit" vertritt, der kann natürlich nicht die Interessen der Landwirtschaft in dem Maße berücksichtigen, wie das notwendig ist. An dieser Politik der Bundesregierung profitieren nur die Konzernherren. Sie haben ihre Kriegsschäden beseitigt, während der deutsche Bauernstand unter den Auswirkungen des Krieges leidet. Er wird genau so miserabel behandelt wie die Verbraucher im allgemeinen. Die Folgen dieser Politik der Bundesregierung und der Regierungsparteien zeigen sich auf allen Gebieten des landwirtschaftlichen Lebens: Steuerliche Belastung, die sich immer erweiternde Preisschere zwischen Industrie- und Agrarprodukten. Hinzu kommt, daß allein im Jahre 1951 die Landwirtschaft mehr als 400 000 ha Land an Wiesen, Äckern und Wäldern für Flugplätze, Truppenübungsplätze und Befestigungsanlagen abgeben mußte. Hinzu kommen ferner die riesigen Manöverschäden.
Als Folge dieser Politik ist die von Jahr zu Jahr steigende Verschuldung der Landwirtschaft zu verzeichnen. Auf Grund dieser Lage in der westdeutschen Landwirtschaft hält die Landflucht an und steigert sich von Stunde zu Stunde. Die Interessen der deutschen Landwirtschaft und der Verbraucher, unseres deutschen Volkes verlangen, daß mit dieser Politik Schluß gemacht wird, daß Schluß gemacht wird mit der Politik, die dem amerikanischen Imperialismus Rechnung trägt und versucht, unsere Landwirtschaft in diese Kriegspolitik zu zwängen. Wir sind der Meinung, daß Schluß gemacht werden muß mit der Liberalisierung, die die deutsche Landwirtschaft ruiniert und für das Gros der Verbraucher alles andere als gut ist.
Der deutschen Landwirtschaft kann nur geholfen werden durch eine radikale Steuersenkung und durch eine großzügige Kredithilfe. Dem deutschen Bauern kann nur geholfen werden, wenn Schluß gemacht wird mit der Wiederaufrüstungspolitik, den Manövern und dem Landentzug für militärische Zwecke. Das Interesse der deutschen Landwirtschaft, der großen Mehrheit unseres Volkes erfordert freien Handel in ganz Deutschland und Ausbau des Handels mit dem Osten. Weil der Etat dieser Politik nicht entspricht, stimmen wir Kommunisten dagegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß bei der Debatte über den Haushalt des Ernährungsministers die Versorgungslage in den Mittelpunkt unserer Betrachtung gezogen wird. Ich bin dabei mit dem Herrn Kollegen Kriedemann einer Auffassung, daß es dringend notwendig ist, die Grundlagen für eine geordnete Versorgung im kommenden Wirtschaftsjahr sicherzustellen. Da glaube ich allerdings, Herr Kollege Kriedemann, durch die eingeleiteten Maßnahmen ist die Brotversorgung durchaus gesichert; denn die Angebote und Käufe der Vorratsstellen übertreffen bei weitem die des Vorjahres. Der Engpaß wird sich hier nach meinem Dafürhalten auf dem Futtermittelsektor ergeben, und zwar auch aus dem einfachen Grund, weil die Kartoffelernte
({0})
in diesem Jahr nicht den Erwartungen entspricht. Deshalb ist es dringendes Gebot der Stunde und gemeinsame Angelegenheit von Bundestag und Bundesregierung, sofort dafür zu sorgen, daß entsprechende Käufe getätigt werden. Wir können dann auch eine geordnete Fleischversorgung sicherstellen.
Was den Zucker betrifft, Herr Kollege Kriedemann, so verstehe ich eigentlich den Antrag der SPD nicht. Das ganze Haus war sich darüber einig, daß wir einen Zuckerrübenpreis von 6 DM pro Doppelzentner sicherstellen müssen. Diese 6 DM pro Doppelzentner haben die deutsche Landwirtschaft veranlaßt, den Anbau erheblich zu erweitern. Die eigenen Ernten an Zuckerrüben und damit auch der eigene Zuckerertrag sind gestiegen. Trotzdem ist ein gewaltiger Bedarf vorhanden. Wir wissen aber, daß der Zucker im Ausland wesentlich teurer ist als im Inland. Ich glaube, wir können mit Befriedigung` davon Kenntnis nehmen, daß die Bundesregierung dem Vorschlag des Bundesrats gefolgt ist und einen Verbraucherpreis von 1,32 DM pro Kilogramm vorgesehen hat. Auf die Dauer wird die deutsche Hausfrau dankbarer sein, wenn sie Zucker für 1,32 DM kaufen kann, als wenn sie umgekehrt bei 57 Pfennig für das halbe Kilo überhaupt keine Ware mehr bekommt.
({1})
Ich glaube, daß die eingeleiteten Maßnahmen die deutsche Landwirtschaft veranlassen werden, den Zuckerrübenanbau noch mehr zu erweitern, so daß wir auch auf diesem Gebiete zunehmend zu besseren Verhältnissen kommen. Trotzdem dürfte die Mahnung, auf dem Gebiet der Zuckerversorgung besondere Maßnahmen einzuleiten, am Platze sein. Nach den uns zur Verfügung gestellten Zahlen ist in letzter Konsequenz der steigende Verbrauch - vor allem auf dem Industriesektor - nach meinem Dafürhalten schuld daran, daß wir mit der Mundzuckerversorgung manchmal in Engpässe hineinkommen.
Die deutsche Landwirtschaft hat wiederholt den Vorschlag gemacht, durch eine Preiserhöhung für gewisse Produkte der Süßwarenindustrie, die durch besondere Besteuerung herbeigeführt werden könnte, eine bessere Versorgung mit Mundzucker zu gewährleisten. Wenn das deutsche Volk devisenmäßig in der Lage ist, mehr Auslandszucker einzuführen, können wir die Dinge so lassen, wie sie im Augenblick sind. Ich glaube aber, es liegen Gründe vor, hier vorsorgliche Maßnahmen einzuleiten.
Zum anderen möchte ich noch sagen, Herr Kollege Kriedemann, daß letzten Endes die Versorgungslage durch die besonders guten Ernten der letzten Jahre gefestigt und verbessert wurde. Diese guten Ernten sind nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß der Düngeraufwand von Jahr zu Jahr gestiegen ist. In diesem Jahr allerdings ist das Barometer bei der Phosphorsäureversorgung auf Sturm gestiegen. Auch aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters geht hervor, daß die einzige Subvention, die der deutschen Landwirtschaft überhaupt noch gegeben wird - nämlich bei der Superphosphatversorgung - mit etwa 50 Millionen DM zu Buche steht. Das genügt keinesfalls. Wir haben auf diesem Gebiet eine etwa 40 O/o ige Preissteigerung, und ein erheblicher Rückgang im kommenden Jahr wird unausbleiblich die Folge sein. Die Bundesregierung muß vom Hause gebeten werden, sich diesen Posten noch einmal anzusehen und nach Wegen zu suchen, die es ermöglichen, daß der Absatz nicht nur auf der Höhe dieses Jahres gehalten, sondern noch weiter gesteigert wird. Das wird aber nur durch eine weitere und verstärkte Subventionierung der Phosphatdüngemittel möglich sein.
Die Schlüsse, die Sie, Herr Kollege Kriedemann, aus dem Ergebnis der Zollverhandlungen gezogen haben, vermag ich nicht zu ziehen. Die Preissteigerung oder die verteuernde Wirkung dieser Maßnahmen, die Sie befürchten, tritt nicht ein. Preissteigerungen könnten nur dann eintreten, wenn Erzeugnisse irgendeines Produktionszweiges knapper werden und die Nachfrage auf dem Weltmarkt noch größer wird. Wir können aber dieses Problem nur dadurch lösen, daß wir dann mit verstärktem Angebot aus eigener Produktion die Preise auf einen Stand bringen, wie wir ihn gemeinsam für richtig halten.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Über die Entschließung der Fraktion der SPD kann erst in der dritten Lesung abgestimmt werden. Weitere Anträge liegen nicht vor. Wer für die Annahme des Einzelplans X ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Einzelplan ist angenommen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Mellies!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, kurz darüber zu beraten, wann heute abend Schluß gemacht werden soll. Es sind noch einige Besprechungen angesetzt. Ich würde mir daher erlauben, im Namen der sozialdemokratischen Fraktion vorzuschlagen, die Beratungen hier um 19 Uhr zu beenden.
({0})
Wird hierzu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Das Haus ist einverstanden. Dann bitte ich, den Beschluß zur Kenntnis zu nehmen, daß noch bis 19 Uhr verhandelt wird.
Ich rufe auf:
Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit ({0}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Arndgen als Berichterstatter.
Arndgen ({1}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit - zeigt für das Rechnungsjahr 1951 in Einnahme einen Ansatz in Höhe von 1 163 000 DM und in Ausgabe von 1 864 556 600 DM. Damit bedarf dieser Haushalt eines Zuschusses in Höhe von 1 863 393 600 DM.
Sie werden mir gestatten, daß ich entsprechend der Übung des heutigen Tages die einzelnen Zahlen dieses Haushaltsplans nicht anführe; aber ich fühle mich verpflichtet, auf einige wenige Positionen, die geändert wurden, näher einzugehen, weil diese sozialpolitisch von Bedeutung sind.
Zunächst ist zu sagen, daß in Kap. 1 Tit. 31 für die Arbeitslosenfürsorge gegenüber dem Vorjahr
({2})
ein Mehr von 240 300 000 DM angesetzt worden ist, so daß der jetzige Haushalt für die Arbeitslosenfürsorge einen Ansatz von 882 Millionen DM vorsieht, damit eine ausreichende Versorgnug der länger in Arbeitslosigkeit stehenden Menschen gewährleistet ist.
Zweitens: In dem Haushaltsplan ist ein neues Kap. 1 b mit einem Tit. 31 eingesetzt, der einen Betrag von 10 Millionen DM vorsieht. Aus diesem Betrag sollen Zuschüsse zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge gewährt werden.
Weiter sieht dieser Haushaltsplan eine wesentliche Erhöhung des Ansatzes für die Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter vor, und zwar in Höhe von 119 520 000 DM, so daß für diesen Posten jetzt 581 Millionen DM angesetzt sind.
Ferner ist für die Grundbeträge der knappschaftlichen Rentenversicherung der Ansatz um 4 Millionen DM auf 60 Millionen DM erhöht. Für Zuschüsse zur knappschaftlichen Renten- und Krankenversicherung sind etwa 8 Millionen DM neu eingesetzt, so daß auch diese Summe wesentlich erhöht wurde.
Ich glaubte, auf diese wenigen Zahlen hinweisen zu müssen, weil sie zeigen, daß nach der sozialen Seite hin in diesem Jahre Fortschritte für die von diesen Versicherungszweigen betreuten Personenkreise zu verzeichnen sind.
Im übrigen verweise ich auf die Drucksache Nr. 2612 und bitte, dem Antrag des Haushaltsausschusses zu diesem Einzelplan zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Einzelplans XI ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir den dazu gehörigen
Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten ({0})
vorziehen und unmittelbar im Anschluß hieran behandeln. Ist das Haus damit einverstanden, daß insoweit von der Reihenfolge abgewichen wird?
({1})
- Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Gengler als Berichterstatter.
Gengler ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soziale Bedeutung und der tief in das Finanzgefüge der Bundesrepublik eingreifende materielle Umfang des Sozialhaushaltes des Bundes machen es erforderlich, einige Erläuterungen zu geben.
Bereits bei der Beratung des Haushalts 1950 im April 1951 wurde darauf hingewiesen, daß der Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - Einzelplan XXVI - und von Einzelplan XI die Kap. 1 a - Arbeitslosenhilfe -, 1 b - betriebliche Altersfürsorge - und 1 c - Sozialversicherung - zusammen den Sozialhaushalt bilden, dessen Aufwendungen nach Art. 120 des Grundgesetzes vom Bund zu tragen sind.
Von dem Grundsatz des Überrollungshaushaltes ist hier insoweit abgewichen worden, als a) neue gesetzliche Bestimmungen eine Änderung erfor-
derten, b) genauere Unterlagen für die Berechnung der Ansätze vorhanden waren.
Bei der Kriegsfolgenhilfe - Kap. 1 - und der Umsiedlung und Auswanderung - Kap. 2 - waren die Änderungen des Prinzips der Veranschlagung und des Umfangs der Beteiligung der Länder zu berücksichtigen. Im Jahre 1950 hatten die Länder von diesen Aufwendungen eine Interessenquote von 25 vom Hundert bzw. 15 vom Hundert aufzubringen. Diese Interessenquote wurde haushaltsmäßig als Einnahme des Bundes behandelt und im Einzelplan XXIII veranschlagt, so daß die Aufwendungen bei Kap. 1 und 2 in voller Höhe veranschlagt werden mußten. Vom 1. April 1951 ab gilt jedoch die Regelung, daß der Bund von den gesamten Aufwendungen der Kriegsfolgenhilfe und der Umsiedlung und Auswanderung 85 vom Hundert zu tragen hat. Entsprechend dieser auf dem Zweiten Überleitungsgesetz beruhenden Änderung sind im Haushalt 1951 bei Kap. 1 und 2 die Einnahmen und Ausgaben nur zu 85 vom Hundert veranschlagt worden. Hieraus erklärt sich im wesentlichen die Verminderung der Ansätze bei Kap. 1 und 2 gegenüber den Ansätzen für 1950.
Neu ist, daß nach der in das Erste Überleitungsgesetz eingefügten Bestimmung des § 11 Abs. 3 der Bund bis zum 31. Dezember 1952 aus den Mitteln der Kriegsfolgenhilfe Zuschüsse oder Darlehen zur Errichtung von Wohnungen für bisher in Lagern untergebrachte Kriegsfolgenhilfeempfänger und zur Errichtung von Lehrlingswerkstätten und anderen der Erziehung und Erwerbsbefähigung von jugendlichen Kriegsfolgenhilfeempfängern dienenden Einrichtungen gewähren kann. Haushaltsmäßig gibt hierzu der bei Kap. 1 neu aufgenommene Tit. 37 die Möglichkeit.
Bei Kap. 2, Umsiedlung und Auswanderung, ist gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 der Ansatz für die Kosten der Auswanderung erhöht, der Ansatz für die Kosten der Umsiedlung um den gleichen Betrag gesenkt worden. Die im Rechnungsjahr 1950 vorbereitete Auswanderung von Kriegsfolgenhilfeempfängern ist inzwischen stärker angelaufen, so daß höhere Ausgaben zu erwarten sind, während das Rechnungsergebnis für das Jahr 1950 gezeigt hat, daß die Umsiedlung - Transportkosten usw. - nicht so hohe Kosten verursacht.
Bei Kap. 3 a und 3 b sind dieselben Beträge veranschlagt worden wie im Rechnungsjahr 1950. Die Mehrbelastung des Bundes auf Grund des Gesetzes nach Art. 131 vom 11. Mai 1951 erscheint im Nachtragshaushalt. Sie beträgt 426 Millionen DM.
Die Ansätze bei Kap. 4, Kriegsopferversorgung, sind unter Berücksichtigung der Auswirkungen des Bundesversorgungsgesetzes festgesetzt worden. Außerdem wurden die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten, die im Haushalt 1950 in einem Gesamtbetrag ausgebracht waren, den Wirtschaftsbestimmungen entsprechend aufgegliedert veranschlagt. Im außerordentlichen Haushalt sind nur Mittel zur Fortführung der im Rechnungsjahr 1950 oder früher begonnenen Bauvorhaben vorgesehen.
Schließlich sei auf eine bei der Beratung des Haushaltsausschusses vorgenommene kleine Änderung hingewiesen. Der bei Kap. 4 Tit. 35, Berufsfürsorge für Kriegsbeschädigte, veranschlagte Betrag von 3 Millionen DM ist an dieser Stelle gestrichen und bei Kap. 1 Tit. 31 hinzugesetzt worden. Die Berufsfürsorge für Kriegsbeschädigte ist ein Teil der sozialen Fürsorge und liegt deshalb den
({3})
Fürsorgebehörden ob. Infolgedessen waren auch die Mittel bei den Kosten der individuellen Fürsorge zu veranschlagen.
Die Änderungen der Ansätze im Einzelplan XI Kap. 1 a, Arbeitslosenhilfe, und Kap. 1 c, Sozialversicherung, gegenüber den Beträgen für 1950 beruhen ausschließlich darauf, daß für die Bedarfsberechnungen genaueres Zahlenmaterial benutzt werden konnte, als dies bei der Aufstellung des Haushaltsplans 1950 möglich war.
Neu hinzugekommen ist Kap. 1 b, Zuschuß zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersfürsorge. Hier ist der Betrag von 10 Millionen DM ausgebracht, der nach dem Bundestagsbeschluß vom 14. Dezember 1950 bereitzustellen war, um einen Ausgleichsfonds zugunsten von Angehörigen solcher betrieblichen Unterstützungskassen und Fürsorgeeinrichtungen zu schaffen, die infolge der durch den Krieg und seine Auswirkungen erlittenen Verluste die für die Leistungen erforderlichen Mittel nicht aufbringen können.
Ein Überblick über die großen Gruppen der Sozialaufwendungen - in diesem Fall ohne Nachtragshaushalt - ergibt in runden Zahlen folgendes Bild, wobei die Einnahmen von den Ausgaben abgesetzt sind.
Der hiernach ermittelte reine Zuschußbedarf beträgt:
Kap. Zweckbestimmung Haushaltsansatz 1951 Haushaltsansatz 1950 Rechnungsergebnis
Mill. DM Mill. DM 1950
Mill. DM
Einzelplan XXVI
1 Kriegsfolgenhilfe . . . 449,7 557,5 511,9
2 Umsiedlung und Aus-
wanderung 26,3 29,0 13,6
3 a Versorgung verdrängter
Beamter und ihrer
Hinterbliebenen . . . 300,0 300,0 270,3
3 b Versorgung der Berufs-
soldaten und berufs-
mäßigenAngeh5rigen d.
Reichsarbeitsdienstes
und ihrer Hinterblie-
benen 150,0 150,0 114,7
4 Kriegsopferversorgung 3033,7 2733,3 2336,3
Einzelplan XI
1 a Arbeitslosenhilfe . . . 987,2 759,9 995,5
1 b Betriebliche Altersfür-
sorge 10,0 - -
1 c Sozialversicherung . . 861,3 729,9 700,2
5818,2 5259,6 4942,5
Im ganzen ist noch zu berücksichtigen, daß
a) bei der Kriegsfolgenhilfe und Umsiedlung und Auswanderung der Unterschied zwischen den Ansätzen für 1950 und 1951 auf der Änderung der Veranschlagung von 100 v. H. für 1950 gegenüber 85 v. H. für 1951 beruht,
b) die Auswirkungen des Gesetzes nach Art. 131 erst im Nachtragshaushalt in Erscheinung treten werden,
c) bei der Kriegsopferversorgung die Auswirkungen des Bundesversorgungsgesetzes bereits in
vollem Umfange veranschlagt worden sind.
Die Mehrbelastung des Bundes durch das Rentenzulagengesetz und Teuerungszulagengesetz wird
ebenfalls im Nachtragshaushalt veranschlagt. Ferner wird im Nachtragshaushalt die Einbeziehung des Landes Berlin in die Regelung des Überleitungsgesetzes berücksichtigt werden. Für den Rest des Rechnungsjahres beträgt hier die zusätzliche Mehrbelastung des Bundes
a) für das Rentenzulagengesetz 937 Millionen DM,
b) für Arbeitslosenhilfe und Teuerungszulagen 235 Millionen DM.
Die Gesamtübersicht über den Sozialaufwand des Bundes, soweit er in den Einzelplänen XXVI und XI enthalten ist, ergibt unter Einschluß des im Nachtragshaushalt angeforderten Mehrbetrags von 1793 Millionen DM einen Gesamtbetrag von 7611,2 Millionen DM.
Das Gesamtbild der Soziallasten ist folgendes:
1. Eigentlicher Sozialaufwand 7 693 Millionen DM
2. Finanzhilfe für Berlin 372 Millionen DM
3. Sozialer Wohnungsbau 400 Millionen DM
4. Subventionen, die nach
ihrem Wesen den Soziallasten zugerechnet werden
können 752 Millionen DM
Zusammen: 9 217 Millionen DM.
Diese fast 91/4 Milliarden DM soziale Aufwendungen stellen allein 47,7 % des 19 335 Millionen DM betragenden Gesamthaushalts des Bundes dar. Enthalten sind hierin nicht die außerhalb des Bundeshaushalts laufenden Sozialleistungen des Soforthilfefonds, der 1950 mit annähernd 2 Milliarden DM zu veranschlagen war.
In diesen fast 91/4 Milliarden DM sozialer Leistungen sehen wir einen wesentlichen Teil der Kriegsfolgen und der schlimmen Erbschaft des Dritten Reiches. Wir sehen darin weiterhin den Umfang der sozialen Nöte, andererseits auch den Umfang der großen sozialen Leistungen des Bundes. Diese sozialen Leistungen des Bundes übertreffen den früheren Reichshaushalt vor 1933 im ganzen. Sie zeigen die Größe der neuen Aufgaben und der Kriegsfolgelasten. Die Mittel hierfür müssen täglich durch die Arbeit des ganzen Volkes erarbeitet werden. Zu einem wesentlichen Teil ist dabei auch die Frage des Steuerzahlers beantwortet, wohin sein Geld kommt und wofür es verwendet wird.
Im Auftrag des Haushaltsausschusses beantrage ich die Zustimmung zum Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - mit den auf der Drucksache Nr. 2619 enthaltenen Änderungen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Einzelplans XXVI, Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist es nun nachgerade 19 Uhr geworden. Weitere Mitteilungen sind nicht zu machen.
Ich berufe die nächste, die 166. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Mittwoch, den 10. Oktober 1951, 13,30 Uhr, ein und schließe die 165. Sitzung des Deutschen Bundestages.