Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 164. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: für zwei Wochen die Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({0}) wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Orth wegen Krankheit, Etzel ({1}) wegen Krankheit, für zweieinhalb Wochen der Abgeordnete Nellen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, für drei Wochen der Abgeordnete Ahrens wegen Krankheit, für drei Wochen ab 10. September 1951 der Abgeordnete Bazille wegen Krankheit, für sechs Monate ab 30. Juli 1951 der Abgeordnete Lausen wegen Krankheit und für vier Wochen die Abgeordnete Frau Strohbach wegen Krankheit.
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Der Präsident hat Urlaub erteilt für eine Woche den Abgeordneten Gerns, Dr. Kopf, Erler, Dr. Koch, Dr. Horlacher, Loritz, Bauknecht, Reitzner, Dr. Freiherr von Rechenberg, Dannemann, Dr. Blank ({3}), Dr. Pfleiderer, Schill, Stücklen und für zwei Tage dem Abgeordneten Schoettle.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Henßler, Dr. Nölting, Neuburger, Dr. Bucerius, Paul ({4}), Mensing, Agatz, Niebergall und Frau Thiele.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß die über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuche vom Hause genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Ich habe von Herrn Abgeordneten Dr. Seelos folgendes Schreiben erhalten:
Ich beehre mich, Ihnen mitzuteilen, daß ich mein Mandat zum 25. September niederlege. ({0})
Wie ich schon vor Jahresfrist öffentlich angekündigt habe, beabsichtige ich, mich aus dem aktiven politischen Leben zurückzuziehen. Ich konnte aber meinen Entschluß erst nach dem Abschluß gewisser Entwicklungen durchführen. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich meinen Schritt nach gewissenhafter Prüfung meiner mit dem Abgeordnetenmandat verbundenen Verpflichtungen gefaßt habe.
Ich habe Herrn Abgeordneten Dr. Seelos für seine sachliche und einsatzbereite Mitarbeit in diesem Hause gedankt.
({1})
Zur heutigen Tagesordnung darf ich darauf hinweisen, daß die Bayernpartei gebeten hat
({2})
- ich bin bei dem Antrag der Bayernpartei, Herr Kollege Renner -, die Punkte 4, betreffend Bundesgrenzschutz - Drucksache Nr. 2443 -, und 13, betreffend Verhandlungen über Abschaffung des Besatzungsstatuts - Drucksache Nr. 2548 -, von der Tagesordnung abzusetzen. Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Veränderung der Tagesordnung auf Antrag der Bayernpartei einverstanden ist.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat mich gebeten, einen Mündlichen Bericht betreffend Immunität des Abgeordneten Volkholz auf die Tagesordnung zu setzen. Ich habe das getan und schlage Ihnen vor, diesen Punkt im Zusammenhang mit den anderen Immunitätssachen nach Punkt 11 der Tagesordnung zu behandeln.
Die weiteren amtlichen Mitteilungen werden
ohne Verlesung ins Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. September beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über die Anwendung des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft in Berlin;
Drittes Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des
Gesetzes über den Verkehr mit Zucker.
Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat am 15. September 1951 die Anfrage Nr. 201 der Fraktion der SPD betreffend VertriebenenBank A. G. ({3}) beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2579 verteilt werden.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 18. September 1951 über die getroffenen Regelungen für einen einheitlichen Beginn des Schuljahrs ({4}) berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2582 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat am 24. September 1951 in Anlehnung an den diesbezüglichen Beschluß des Bundestages in seiner 154. Sitzung über die finanziellen Möglichkeiten der Wiederherstellung des Pleiner Viaduktes berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2599 verteilt.
Die nachstehenden Verordnungen der Regierung sind dem Deutschen Bundestag zur Kenntnisnahme zugestellt worden und liegen im Archiv zur Einsichtnahme auf:
Verordnung zur Sicherung der Durchführung dringlicher Ausfuhrgeschäfte ({5});
Verordnung über Herstellung, Lieferung und Bezug von Eisen- und Stahlerzeugnissen ({6}).
Zwischendurch darf ich noch darauf hinweisen, daß die für heute 10 Uhr angesetzte Sitzung des Ausschusses für Verkehrswesen spätestens nach Beendigung des Punktes 1 der Tagesordnung in Zimmer 108, Südflügel, stattfindet.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Verbilligung von Dieselkraftstoff ({7}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß eine Begründungszeit von 10 Minuten und, falls eine Aussprache stattfindet, eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen wird. - Das Haus ist damit einverstanden. Wer wird begründen? - Herr Abgeordneter Rademacher wird die Interpellation begründen. Bitte, Herr Abgeordneter!
Rademacher ({8}), Interpellant: Meine Damen! Meine Herren! Als wir seinerzeit in den verschiedenen Ausschüssen das Gesetz zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft berieten, waren wir uns darüber klar, daß die Regierung in einem besonderen Paragraphen ausdrücklich verpflichtet werden sollte, die bisher bestehenden Privilegien aufrechtzuerhalten. Andererseits sind diese Privilegien an gewisse wirtschaftliche Voraussetzungen gebunden. Für den Fall, daß diese wirtschaftlichen Voraussetzungen den damaligen Vorschriften über die Gewährung von Privilegien nicht mehr entsprechen sollten, sollte die Regierung in der Lage sein, eine entsprechende Änderung bzw. Ermäßigung der Privilegien vorzunehmen. Das war die schwierige Situation, die in dem Gesetz nicht so einfach ihren Niederschlag finden konnte.
In § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft haben wir ausdrücklich eine Verpflichtung ausgesprochen. Wir haben nämlich das „soll durch Rechtsverordnung" in ein ausdrückliches „hat durch Rechtsverordnung" umgewandelt, und das ist auch von diesem Hohen Hause angenom({9})
men worden. Damit bestand also für die Regierung eine klare Verpflichtung, die Privilegien zu gewähren. Um nun trotz der immer noch gegebenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei den einzelnen Verkehrsträgern gleichmäßige Voraussetzungen beizubehalten, hat der Bundestag gleichzeitig den Ausweg gewählt, die Entschließung anzunehmen, die in der Interpellation auf Drucksache Nr. 2466 ausdrücklich wiederholt wird. Es heißt dort wörtlich:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Ausführung des § 2 Abs. 2 Ziffer 1 mit Wirkung vom 1. April 1951 Verbilligungen zu gewähren, die dem Stand vom 31. März 1951 entsprechen, solange sich nicht die zu diesem Zeitpunkt bestehenden wirtschaftlichen Verhältnisse und die Wettbewerbsbedingungen wesentlich verändern.
Nun wird hinsichtlich der angezogenen Begünstigten, die von der Regierung nicht berücksichtigt worden sind, kaum behauptet werden können, daß sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Ich darf das an einigen Beispielen erläutern.
Die deutsche Binnenschiffahrt, die bisher 28,50 DM per Doppelzentner Verbilligung erhielt, kämpft nach wie vor gegen die Verbilligung der Treibstoffe der ausländischen Schiffahrt. Der Preis dieser Treibstoffe beträgt für den deutschen Verkehr per 100 kg 27 DM, während er für die ausländische Schiffahrt zwischen 12 und 16 DM liegt. Das sind einwandfreie Zahlen. Trotzdem hat die Regierung sich auf eine Verbilligung von 22 DM per Doppelzentner gegenüber bis dahin 28,50 DM beschränkt.
Zweitens aber, meine Damen und Herren.- und das war der eigentliche Ausgangspunkt dieser Interpellation -, hat man im Gegensatz zu der Regelung vor dem April 1951 die gesamte deutsche Fahrgastschiffahrt aus der Verbilligung herausgenommen. Ich darf Ihnen sagen, daß mir in meinem Ausschuß für Verkehrswesen ein Strom von Interpellanten aus den Kreisen der Fahrgastschiffahrt und der Fährbetriebe hier auf dem Rhein ihre verzweifelte Lage schilderten, die allein darauf zurückzuführen ist, daß - nach unserer Auffassung gegen die Bestimmungen des Gesetzes - die gesamte Fahrgastschiffahrt von dieser Verbilligung ausgenommen wurde. Außerdem kommt hinzu, daß die Fahrgastschiffahrt gerade in den großen Häfen, insbesondere in den Nordseehäfen, eine entscheidende Rolle spielt. Ich kann das am besten an den Verhältnissen meiner Heimatstadt Hamburg demonstrieren. Wir haben dort die Hamburger HafendampfschiffahrtsAG, die jährlich rund 16 Millionen Arbeiter zur Arbeit an die Kais und an die Schiffe befördert. Dieser Betrieb arbeitet heute schon mit einem Unterschuß von jährlich rund 4 Millionen DM. Der Ausfall der Begünstigung würde zudem für die Fahrgastschiffahrt eine zusätzliche Belastung von jährlich 600 000 DM bedeuten. In Bremen, Emden und Lübeck dürften die Verhältnisse ähnlich liegen. Auf die besonders schwierige Situation der Fahrgastschiffahrt auf dem Rhein habe ich bereits hingewiesen.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich haben wir auch die Landwirtschaft in den Katalog einbeziehen müssen. Da unsere Interpellation aber vom 9. Juli stammt, muß ich pflichtgemäß darauf hinweisen, daß das Bundesfinanzministerium unter dem 28. Juli eine Verordnung herausgegeben hat, wonach unter sehr präzisen Auflagen eine Menge von 166 000 t bezuschußt wird, allerdings nur mit einem Satz von 12 DM per Doppelzentner, während die Bezuschussung früher etwa der der Binnenschiffahrt entsprach.
Das, meine Damen und Herren, ist die Situation. Wir sind sehr gespannt, was die Regierung auf diese beiden präzis gestellten Fragen antworten wird, erstens auf die Frage, warum das Gesetz nicht dem Buchstaben nach, wie es bei einem Gesetz ja wohl sein soll, befolgt worden ist, indem man nämlich ganze Gruppen herausgelassen hat, zweitens auf die Frage, warum man sich über eine in diesem Hause einstimmig angenommene Entschließung einfach hinweggesetzt hat.
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Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorwurf, den der Herr Interpellant hier erhoben hat, die Bundesregierung sei von dem Gesetz und .von der Entschließung abgewichen, ist sehr weitgehend. Ich darf in aller Ruhe auf die Sachlage eingehen.
Zunächst zur Binnenschiffahrt. In Durchführung des § 2 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft vom 31. Mai 1951 hat die Bundesregierung mit der Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff für die See-, Küsten- und Binnenschiffahrt vom 6. Juni 1951 ({0}) und der Verordnung über die Ermäßigung von Eingangsabgaben für Mineralöl in der Rheinschiffahrt vom 2. August 1951 Maßnahmen getroffen, die gewährleisten, daß für die Binnenschiffahrt dieselben Wettbewerbsbedingungen gegenüber dem Ausland bestehen wie bis zum 31. März 1951. Die DKVO-Schiff gewährt nämlich der Binnenschiffahrt eine Betriebsbeihilfe von 22 DM je 100 Kilogramm Dieselkraftstoff Eigengewicht. Die Verordnung über die Ermäßigung von Eingangsabgaben für Mineralöl in der Rheinschiffahrt setzt die Eingangsabgaben - Zoll, Mineralöl- und Umsatzausgleichssteuer - für die ausländische Schiffahrt mit 10 DM je 100 Kilogramm Dieselkraftstoff Eigengewicht fest, während diese Eingangsabgaben bis zum 1. September 1951 nicht erhoben worden waren. Durch die Festsetzung der Eingangsabgaben für ausländischen Dieselkraftstoff auf 10 DM je 100 Kilogramm Eigengewicht wird der von der ausländischen Schiffahrt für Dieseltreibstoff zu zahlende Preis auf denselben Betrag gebracht, den die deutsche Binnenschiffahrt unter Berücksichtigung der Betriebsbeihilfe zu zahlen hat.
Die Zahlung der Betriebsbeihilfe und die Festsetzung von Eingangsabgaben für von der ausländischen Schiffahrt verwendeten Dieselkraftstoff müssen als eine Einheit angesehen werden. Beide Verordnungen zusammen stellen hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland die gleichen Bedingungen wieder her, die zum 31. März 1951 bestanden haben.
Auf Grund des Art. 4 der revidierten Mannheimer Rheinschiffahrtsakte vom Jahre 1868 ist die Bundesregierung verpflichtet, die zur Rheinschiffahrt gehörigen Schiffe der anderen beteiligten Staaten in jeder Hinsicht ebenso zu behandeln wie die eigene Schiffahrt. Dies ist auf Grund der erwähnten Verordnung über die Ermäßigung von
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Eingangsabgaben geschehen. Eine weitere Erhöhung der Betriebsbeihilfen kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland nicht erhöhen, weil im gleichen Augenblick die Bundesregierung verpflichtet wäre, die Eingangsabgaben für die konkurrierende ausländische Schiffahrt entsprechend zu senken und das ursprüngliche Gleichgewichtsverhältnis der Treibstoffpreise wiederherzustellen. Eine weitere Erhöhung der Betriebsbeihilfe verbessert somit nicht die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschiffahrt gegenüber dem Ausland; sie bringt lediglich eine doppelte Belastung für den Bundeshaushalt, nämlich auf der einen Seite die Erhöhung der Ausgaben für die deutsche Binnenschiffahrt und auf der anderen Seite die Minderung der Einnahmen durch entsprechende Senkung der Eingangsabgaben für die ausländische Schiffahrt.
In diesem Zusammenhang muß gesagt werden, daß bereits von ausländischer Regierungsseite - von Holland - unter Hinweis- auf die der deutschen Binnenschiffahrt gewährten Betriebsbeihilfen und die Höhe der erwähnten Eingangsabgaben Proteste wegen angeblicher Schlechterbehandlung der ausländischen Schiffahrt erhoben worden sind. Wenn auch, wie zuvor dargelegt, nach Überzeugung der Bundesregierung ein solcher Vorwurf nicht begründet ist, da die Höhe der Eingangsabgaben nach der Treibstoffpreisdifferenz bemessen wurde, um welche die ausländische Schiffahrt bis dahin besser lag, so zeigt, er doch zumindest, daß die Bundesregierung bei ihren Hilfsmaßnahmen zugunsten der deutschen Binnenschiffahrt schon mit Rücksicht auf mögliche Rückwirkungen gegenüber dem Ausland nicht weitergehen kann, als geschehen ist, nämlich die deutsche Schiffahrt der auslän- dischen Schiffahrt hinsichtlich der Treibstoffpreise gleichzustellen.
Hinsichtlich der Wettbewerbsverhältnisse der deutschen Binnenschiffahrt zur Bundesbahn ist zu bemerken, daß ja in Kürze die Massengütertarife der Bundesbahn angehoben werden müssen, wodurch die Wettbewerbslage der Binnenschiffahrt günstig beeinflußt wird.
Bezüglich der Wirtschaftslage der Binnenschifffahrt selbst darf ich feststellen, daß sich ihr Beschäftigungsstand im gesamten laufenden Jahr ständig erhöht hat. Diese Entwicklung hat sich auch im Monat Juli fortgesetzt. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamtes hat die Binnenschiffahrt nunmehr mit einer Beförderungsleistung von rund 8,3 Millionen Tonnen und 2 Milliarden Tonnenkilometern d'as bisher größte Nachkriegsergebnis erreicht.
Fahrgastschiffahrt und Fähren: Bis zum 31. März dieses Jahres wurden die für die Durchführung von Treibstoffverbilligungsmaßnahmen zugunsten der sogenannten privilegierten Verbraucher erforderlichen Mittel aus Abschöpfungserlösen aufgebracht, die beim Zentralbüro für Mineralöl durch Belastung der übrigen Treibstoffverbraucher anfielen. Die Treibstoffverbilligungen der sogenannten privilegierten Verbraucher zahlten somit die übrigen Treibstoffverbraucher. Da seit dem 1. April dieses Jahres eine Rechtsgrundlage für die Durchführung solcher Abschöpfungsmaßnahmen nicht mehr besteht, gehen alle Treibstoffverbilligungsmaßnahmen in voller Höhe als zusätzliche Belastung zu Lasten des Bundeshaushaltes, also des allgemeinen Steuerzahlers. Ihre Auswirkung für den Bundeshaushalt ist im Endergebnis dabei dieselbe, ob sie in Form eines Zoll- und Steuerverzichts oder in Form einer echten Subvention durchgeführt werden.
Die Fahrgastschiffahrt dient nun zum überwiegenden Teil, teilweise sogar ausschließlich, dem Ausflugsverkehr. Angesichts der derzeitigen Kassen- und Haushaltslage des Bundes kann es nicht verantwortet werden, den Ausflugsverkehr aus öffentlichen Mitteln - also aus Mitteln des Steuerzahlers - zu subventionieren. Bei der unvermeidbaren Beschränkung des Bezieherkreises von Subventionen muß es vielmehr den diesen Ausflugsverkehr betreibenden Reedereien zugemutet werden, so zu wirtschaften, daß sie Subventionen aus dem öffentlichen Haushalt nicht benötigen.
Was die Frage der Fähren anlangt und die Frage der sogenannten Fahrgastschiffahrt, die nicht dem Ausflugsverkehr, sondern allenfalls dem Massenverkehr dient, so ist zu sagen, daß die Stadt Hamburg ja in der Zwischenzeit im Bundesrat einen Antrag auf Ergänzung der Verordnung über die Subventionierung der Fahrgastschiffahrt und Fähren gestellt hat. Dieser Antrag ist vom Finanzausschuß des Bundesrats mit allen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt worden, und zwar mit der einfachen Begründung, daß der Antrag Hamburgs davon ausgehe, daß Hamburg heute seine Hafenschiffahrt, Fahrgastschiffahrt und Fähren aus Mitteln von Stadt und Land Hamburg subventioniere. Die Absicht des Antrags von Hamburg sei natürlich gewesen, durch eine Subventionierung des Bundes einzuspringen, wo Stadt und Land Hamburg ihrer bisherigen Tradition nach die Pflicht der Hilfe gehabt hätten. - Das war der erste Grund.
Der zweite Grund ist der gewesen, daß der Treibstoffverbrauch und der Treibstoffpreis gemessen am einzelnen Fahrgast oder einzelnen Tarif, einen so minimalen Betrag ausmacht, daß hier von einer Rückwirkung vom Standpunkt des Arbeiterverkehrs aus nicht gesprochen werden kann. In dieser Überlegung hat der Finanzausschuß des Bundesrats diese Anregung einstimmig abgelehnt.
Hochseeschiffahrt: Seit Ausbruch der Koreakrise ist die Hochseeschiffahrt der ganzen Welt von einem ungewöhnlichen Boom erfaßt, an dem auch die deutsche Hochseeschiffahrt ihren vollen Anteil hat. In Auswirkung hiervon haben sich die Frachtraten seitdem vervielfacht, im Durchschnitt etwa verdreifacht. Man kann daher ohne Übertreibung sagen, daß die deutsche Hochseeschiffahrt hinsichtlich der Ertragslage derzeit an der Spitze aller deutschen Wirtschaftszweige steht. Darüber hinaus sei an die Vergünstigungen erinnert, welche die Hochseeschiffahrt auf steuerlichem Gebiet - § 7 d Einkommensteuergesetz - und durch das Gesetz über Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen erfahren hat und noch weiter erfährt. Angesichts dieser Sachlage erscheint eine weitere Erhöhung der Treibstoffvergünstigungen zugunsten der Hochseeschiffahrt nicht vertretbar.
Fischerei: Was die kleine Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei betrifft, so betrug bei ihr der Verbilligungsbetrag bei Treibstoff bis zum 31. März dieses Jahres nicht für jede Verbrauchergruppe 33 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht. Zum Beispiel betrug der der Küsten- und Binnenfischerei gewährte Verbilligungsbetrag nur 24,50 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht.
Auf der andern Seite wird heute der Binnen-, Küsten- und der kleinen Hochseefischerei ein Zu({2})
schuß gewährt, der einem Gesamtverbilligungsbetrag von 32 DM je 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht gleichkommt. Die Küsten- und Binnenfischerei steht somit nach der nunmehr vorgenommenen Regelung beim „Bezug von 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht um 6,50 DM besser als vor dem 31. März 1951. Es muß auch festgestellt werden, daß der deutsche Fischereiverband der Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff vom 6. Juni 1951 ausdrücklich zugestimmt hat.
Große Hochseefischerei: Die große Hochseefischerei kommt durch die Maßnahmen der Bundesregierung in den Genuß einer Betriebsbeihilfe, die der Höhe von Mineralölzoll und -steuer entspricht. Sie wird also durch Zoll- und Steuerbelastungen in ihrer Konkurrenzfähigkeit nicht behindert. Kann sie darüber hinaus die Bedürftigkeit nachweisen, erhält sie außerdem einen weiteren Verbilligungsbetrag von 7 DM für 100 kg Dieselkraftstoff Eigengewicht. Eine schematische Gleichstellung mit der kleinen Hochsee-, Küsten- und Binnenfischerei konnte nicht verantwortet werden, weil die wirtschaftliche Lage der großen Hochseefischerei eine andere ist als die der kleinen Hochsee-, Küsten-und Binnenfischerei.
Meine Damen und Herren, hier darf man nicht von den Berechnungen ausgehen, die von den Verbänden zur Erzielung einer Subvention vorgelegt werden, sondern hier ist besser von den Geschäftsberichten auszugehen, die die Gesellschaften selbst der Öffentlichkeit gegenüber abgeben. Ich lese nur einen Geschäftsbericht, und zwar einen Geschäftsbericht der größten Hochseefischerei vor, der folgende Sätze enthält:
Für das laufende Geschäftsjahr rechnet die Gesellschaft ebenfalls mit zufriedenstellenden Resultaten. Während im vergangenen Jahre drei Schiffsneubauten in Fahrt gesetzt worden sind, waren es im zweiten Halbjahr 1950 sieben Schiffe. Auch das Umlaufvermögen erfuhr eine bemerkenswerte Ausdehnung. Die Liquiditätslage ist bemerkenswert gut.
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Auch der Ertrag ist relativ stark gestiegen.
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Nach Abzug aller Aufwendungen verbleibt ein beträchtlich erhöhter Reingewinn;
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4 % Dividende für Vorzugsaktien, 6 % Dividende für die übrigen.
Ich glaube, daß unter diesen Umständen eine Subvention aus öffentlichen Mitteln, die der kleine Mann bei uns bezahlt, nicht mehr dringend erscheint.
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Landwirtschaft: Die Verordnung über die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft ist am 3. August dieses Jahres im Bundesgesetzblatt erschienen. Dieser Verordnung hat auch der Bundesrat zugestimmt. Ich bemerke, daß diese Verordnung, die mit den einzelnen interessierten Kreisen und mit den Ländern abgestimmt werden mußte, selbstverständlich eine gewisse Zeit der Vorbereitung benötigte. Die Landwirtschaft hat erst mit Ausbruch des Krieges - also als kriegswirtschaftliche Maßnahme - echte Treibstoffsubventionen erhalten, während ihr bis zum Jahre 1939 nur der Zoll, und auch der nur teilweise, erlassen wurde. Der Zoll betrug damals 21 RM je Doppelzentner Zollgewicht; er wurde um 13 RM auf 8 RM für die Landwirtschaft ermäßigt. Die nunmehr durchgeführte Regelung weist gegenüber früher insofern eine Verbesserung auf, als derzeit der Zoll 14 DM je Doppelzentner Zollgewicht, das sind 16,80 DM je Doppelzentner des Eigengewichts, beträgt und dieser durch den Verbilligungsbetrag von 12 DM für die Landwirtschaft auf 4,80 DM des Eigengewichts ermäßigt wird.
Wenn ich also nunmehr zur Beantwortung der Fragen übergehe, darf ich feststellen:
1. Die Bundesregierung ist vom Gesetz und von der Entschließung nicht abgewichen.
2. Die Bundesregierung kann in der von ihr vorgenommenen Regelung keine Schädigung der Binnenschiffahrt erblicken. Sie ist vielmehr der Auffassung, bei ihren Maßnahmen den Interessen der Binnenschiffahrt voll gerecht geworden zu sein.
3. Der Erlaß einer ergänzenden Verordnung erscheint nicht notwendig, da die bislang fehlende Verordnung über Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft am 28. Juli 1951 erlassen worden ist.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage: Wird eine Besprechung der Interpellation gewünscht? Ich bitte die Damen und Herren, die sie wünschen, um ein Handzeichen. - Die erforderliche Zahl von 50 Abgeordneten ist erreicht. Die Besprechung findet im Rahmen der vorgesehenen Besprechungszeit von 40 Minuten statt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Sander.
Herr Präsident! Meine Damen t und Herren! Die Interpellation berührt in stärkstem Maße die Wettbewerbsverhältnisse der Binnenschiffahrt wie überhaupt ihren zukünftigen Bestand. Bezüglich der Höhe der Verbilligung werden zwei Hauptfragen von diesem Problem berührt:
1. Kann der deutschen Binnenschiffahrt zugemutet werden, den Wettbewerb mit der ausländischen Schiffahrt aufzunehmen, da diese nur einen um mehr als 10 DM pro 100 kg niedrigeren Preis für Dieselkraftstoff zu zahlen hat?
2. Haben die von Regierungsseite befürworteten Investitionen zur Motorisierung und Modernisierung der deutschen Binnenschiffahrt einen Zweck, wenn die Beförderungskosten bei idem derzeitigen Stande des Dieselkraftstoffpreises je Ladungstonne höher liegen als beim veralteten Dampfschleppbetrieb?
Zu der Frage 1 ist folgendes zu sagen. Bis zum 31. März 1951 betrug der Normalpreis 45 DM pro 100 kg. Die der Binnenschiffahrt durch Preisverbilligung gewährte Vergünstigung betrug 28,50 DM. Die Binnenschiffahrt hatte somit einen Nettopreis von 16,50 DM pro 100 kg zu entrichten. Nach dem 1. April 1951 ist der Normalpreis auf ca. 50 DM gestiegen, wobei in Hamburg niedrigere, am Oberrhein höhere Preise gelten. Die Verbilligung beträgt für die Binnenschiffahrt 22 DM, so daß sie einen Nettopreis von durchschnittlich 28 DM zu zahlen hat. Die Differenz zwischen dem früheren Preis von 16,50 DM und dem heutigen Nettopreis von rund 28 DM beträgt also insgesamt 11,50 DM per 100 kg, was einer Verteuerung - und das ist bedeutend - von über 60 % entspricht. Die ausländische Binnenschiffahrt zahlt einen weit
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geringeren Preis, nämlich in Holland und Belgien etwa 16,50 bzw. 17,20 DM. Der Preis der Schweizer Schiffahrt liegt infolge der zuzüglichen Transportkosten nur um weniges darüber. Also die deutsche Binnenschiffahrt zahlt 28 DM, die übrigen Rheinuferstaaten 16 bis 17 DM pro 100 kg.
Da die ausländische Schiffahrt bei allen Transittransporten und im übrigen durch Ausnutzung der durch Zollgesetze vorgeschriebenen Frist von 48 Stunden praktisch auf der ganzen Rheinstrecke, auch im innerdeutschen Verkehr, ohne zusätzliche Zollabgaben ihren billigen ausländischen Dieselkraftstoff verwenden kann, ist die deutsche Binnenschiffahrt hoffnungslos im Wettbewerb unterlegen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat zwar der Binnenschiffahrt die Rückerstattung einer Betriebsbeihilfe von 22 DM zugebilligt, diese reicht aber, wie die mitgeteilten Zahlen ergeben, keineswegs aus, um die deutsche Binnenschiffahrt auch nur annähernd in die Lage zu versetzen, mit der 'ausländischen Binnenschiffahrt konkurrieren zu können.
Gemäß dem Gesetz zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiet der Mineralülwirtschaft vom 31. Mai 1951 und der hierzu einstimmig gefaßten Entschließung des Bundestages hat die Bundesregierung daher die Pflicht, wenigstens die alte Verbilligungsspanne von 28,50 DM mit Wirkung ab 1. April 1951 zu gewähren, zumal die bevorzugte Stellung der Binnenschiffahrt hinsichtlich des Bezugs von verbilligtem Dieselkraftstoff schon seit dem Jahre
1902 besteht.'
Zu der zweiten Frage muß darauf hingewiesen wenden, daß die gesamte deutsche Binnenschiffahrt infolge Krieg und Kriegsfolgen weitaus überaltert ist. Am 'deutlichsten tritt der technische Vorsprung der ausländischen Binnenschiffahrt hier 'am Rheinstrom in Erscheinung. Es wäre volkswirtschaftlich nicht zu verantworten, wenn nicht 'alle Mittel aufgeboten würden, um auch die deutsche Binnenschiffahrt 'dem Stande der Ausländer anzupassen. Meine Damen und Herren, wie Sie tagtäglich selbst sehen und hier am Rhein beobachten können, haben 'die Schweizer und Holländer die besten und schönsten Schiffe. Die Schweizer Flotte ist bereits zu etwa 70 % motorisiert, was 'einer erhöhten Umlaufgeschwindigkeit und einer Senkung der Frachtsätze zugute kommt und damit der verladenden Wirtschaft zum Vorteil gereicht.
Wenn bei der derzeitigen Preisgestaltung die Betriebsstoffkosten des an sich 'veralteten Dampfschleppbetriebs für die Standardstrecke Ruhrort-Mannheim bereits 40 bis 50 Pfennig pro Tonne Kohlenladung geringer sind, bleibt es nicht aus, daß die weitere Motorisierung der deutschen Binnenschiffahrt, insbesondere 'der Umbau von Schleppkähnen zu Selbstfahrern, eingestellt wird. Die 'bisherigen Umbauten, die auch von der Regierungsseite als förderungswürdig anerkannt sind, würden als Fehlinvestitionen zu charakterisieren sein. Die Folge wäre ferner, daß die moderne ausländische Binnenschiffahrt ein immer stärkeres Übergewicht erhielte, in vermehrtem Umfange in den innerdeutschen Verkehr eindringen würde und damit erhebliche Devisenverluste in Kauf genommen werden müßten.
Diese Entwicklung muß unter allen Umständen vermieden werden. Es ist daher die Aufgabe der Regierung, durch geeignete 'Maßnahmen, sei es nach dem System des früheren Zentralbüros für Mineralöl, sei es durch die Gestaltung der Zolltarife, 'die Mittel sicherzustellen, die erforderlich sind, um der Binnenschiffahrt die alte Preisspanne zwischen normalem und Vorzugspreis von 28,50 DM zu sichern und dadurch der Binnenschiffahrt die Wettbewerbsmöglichkeit gegenüber 'der ausländischen Binnenschiffahrt zu garantieren. Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 100 000 t beträgt der 'zusätzliche 'Beihilfebetrag höchstens 61/2 Millionen DM.
Meine Damen und Herren! Ganz unverständlich ist es, daß der Herr Bundesminister der Finanzen sich bisher geweigert hat, der Fahrgastschiffahrt die gleiche Verbilligung wie der Güterschiffahrt einzuräumen. Nach dem Gesetz muß die Verbilligung der Binnenschiffahrt gegenüber gegeben werden; zur Binnenschiffahrt gehört aber nicht nur diè Güterschiffahrt, sondern auch die Personenschiffahrt. In dem Verhalten des Bundesfinanzministers ist idaher nach meiner Überzeugung ein Verstoß gegen den Willen 'des Gesetzgebers zu erblicken. Das Argument, die Fahrgastschiffahrtsunternehmen seien Vergnügungsbetriebe, geht fehl. Mit 'demselben Recht müßte sonst auch der in vielen Fällen zu Unterkosten-Tarifen durchgeführte Ausflugsverkehr der Bundesbahn unterbunden werden, da hierdurch ja auch das Defizit der Bundesbahn vergrößert wird, für das letzten Endes 'die Gesamtheit der Steuerzahler geradestehen muß.
Zum großen Teil handelt es sich hier schließlich um Betriebe, die 'dem Berufsverkehr dienen. Eine Erhöhung dieser Tarife wäre schon aus sozialen Gründen nicht möglich. Übrigens handelt es sich auch nicht in erster Linie um die Fahrzeuge der Köln-Düsseldorfer Rheindampfschiffahrt, da diese meistens mit Dampf betrieben werden. Betroffen sind vielmehr all die kleinen und Mittelbetriebe, die bei weiterer Ausschließung von 'der Betriebsbeihilfe ihre Existenz 'gefährdet sehen.
Da es sich bei der Lösung dieser Frage nicht allein um die Belange der hier in Frage kommenden Arbeitgeber, Reedereien usw. handelt, sondern auch in weit größerem Maße um die Interessen der in diesem Beruf beschäftigten Arbeitnehmer, bitten wir die 'Bundesregierung ebenfalls, durch eine ergänzende Verordnung so schnell wie möglich die Vorschriften des Gesetzes und die Entschließung der Drucksache Nr. 2193 durchzuführen.
({1})
Meine Damen und Herren! Unseren 'englischen Gästen ist in der letzten Woche aufgefallen, 'daß die Debatten des Bundestages dadurch, daß Reden vorgelesen werden, merkwürdig wenig lebendig sind.
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Ich gestatte mir daher, § 86 der Geschäftsordnung: „Die Redner sprechen im freien Vortrag", in Erinnerung zu rufen, da er offenbar in den Ferien etwas in Vergessenheit geraten ist.
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Ich stelle ausdrücklich fest, daß ich dies nicht aus einem besonderen Anlaß, sondern allgemein sage, weil ich glaube, daß sich die Redner um die Wirkung ihrer Ausführungen bringen, wenn sie ablesen.
Das Wort hat 'der Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei unserer wirtschaftlichen Gesamtlage
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muß es darauf ankommen, die Landwirtschaft lebens- und konkurrenzfähig zu erhalten.
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- Leistungsfähiger aus allgemeinen volkswirtschaftlichen und ernährungsmäßigen 'Gründen, konkurrenzfähig aber auch gegenüber dem Ausland. Aus beiden Gründen geht es daher z. B. nicht, auf der einen Seite die Zölle für landwirtschaftliche Produkte zu beseitigen oder herabzusetzen, auf der andern Seite aber die Gestehungskosten der landwirtschaftlichen Bedarfsgüter immer mehr zu erhöhen.
Ein wichtiges landwirtschaftliches Betriebsmittel ist Gegenstand der hier vorliegenden Interpellation. Der Herr Finanzminister hat zweifellos klare Aufträge vom Bundestage in dieser Frage erhalten. Ich darf dazu bemerken, daß die Landwirtschaft in dieser Hinsicht seit über 30 Jahren privilegiert war, daß ein Kilo Treibstoff für die Landwirtschaft noch im Jahre 1950 21,6 Pfennig und noch am 31. März dieses Jahres 28,6 Pfennig gekostet hat Seit dem 1. April dieses Jahres mußten aber nicht weniger als 51 Pfennig für ein Kilo Treibstoff aufgewendet werden.
Laut Bundestagsbeschluß sollte die Bundesregierung ab 1. April 1951 die gleiche Verbilligung gewähren, wie sie dem Stande vom 31. März 1951 entspricht. Die Erklärungen des Herrn Finanzministers haben uns in dieser Hinsicht in keiner Weise befriedigt. Es ist Tatsache, daß zunächst für die Landwirtschaft monatelang überhaupt keine Preisvergünstigungen gewährt wurden. Es ist weiterhin Tatsache, daß erst ab August eine übrigens geringfügige und ungenügende Verbilligung eintrat, und es ist eine weitere Tatsache, daß diese Verbilligung nur für einen Teil des landwirtschaftlichen Bedarfs. an Treibstoffen gilt.
Meine Damen und Herren, damit hat die deutsche Landwirtschaft für Treibstoffe mindestens 80010 mehr zu bezahlen als im Jahre 1950. Damit hat die deutsche Landwirtschaft weiterhin heute mindestens 40 bis 50 % mehr für Treibstoffe zu bezahlen als noch am 31. März dieses Jahres. Dies bedeutet eine unerträgliche Preiserhöhung eines zweifellos wichtigen landwirtschaftlichen Betriebsmittels. Die Landwirtschaft ist dadurch auch gezwungen, für Treibstoffe, das Mehrfache von dem aufzuwenden, was die benachbarten ausländischen Staaten aufbringen müssen.
Diese Entwicklung auf dem Gebiete des Treibstoffs ist ein Beispiel mehr für die ständig fortschreitende und ganz unmögliche Einengung der Existenz- und der Erzeugungsmöglichkeiten unserer Landwirtschaft. Es muß klar ausgesprochen werden, daß es so nicht mehr weitergehen kann. Die gesamte Landwirtschaft - und jeder, der sich der volkswirtschaftlichen Zusammenhänge bewußt ist - muß sich dagegen wenden. Daher schließt sich die Fraktion der Bayernpartei der eingebrachten Interpellation an, insbesondere der Frage 3, zu der noch zu betonen wäre, daß sie vor allem hinsichtlich der Landwirtschaft unterstrichen werden muß.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Frey.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ganz kurz fassen, und zwar nur zur Aufklärung in einer besonderen Frage. Der Herr Finanzminister hat hier gesagt, daß der Zoll für die Landwirtschaft eben in einer gewissen Größenordnung herabgesetzt worden ist. Das stimmt; aber er hat nicht dabei gesagt, für welche Menge diese Zollbegünstigung für die Landwirtschaft eingeräumt worden ist. Das ist es, was gerade von dem Herrn Vorredner so besonders begründet worden ist. Auf diesen Teil, der zollbegünstigt ist, legen wir selbstverständlich Wert; aber wir legen besonderen Wert darauf, daß die Gesamtmenge zollbegünstigt wird. Wir von der Landwirtschaft haben niemals etwas anderes verlangt, und wir möchten deswegen hier auch die Bitte aussprechen, daß man uns, wenn man uns schon immer wieder vorwirft, daß wir nicht genug rationalisieren - nicht genug nach dem Vorbild des Auslandes mechanisieren usw. -, dann auch in die Lage versetzt, unter den gleichen Bedingungen wie das Ausland, so wie es der Herr Vorredner schon ausgeführt hat, zu starten.
Es ist nun einmal so, daß die Landwirtschaft in allen Staaten mit einer Zollvergünstigung bzw. mit einer Vergünstigung für den Brennstoff zu rechnen hat. Die Zahlen dafür sind sehr interessant, und deswegen möchte ich sie Ihnen einmal für die wichtigsten Staaten nennen. Umgerechnet in Dollarwerte hat die Landwirtschaft zu zahlen in Deutschland 510 Dollar, England 290, Dänemark 317, Niederlande 330 und Norwegen 350 Dollar für die Einheit. Sie ersehen daraus, meine Damen und Herren, daß die Landwirtschaft unter allen Umständen fordern muß und daß es darauf ankommt, die gleichen Startbedingungen auch in Deutschland zu haben.
Wir haben weiter immer Wert darauf gelegt, nicht etwa für die Hochseefischerei usw., wovon hier die Rede war, zu sprechen, sondern wir haben uns immer für die Binnen- und Küstenfischerei eingesetzt. Hier haben wir es mit den kleinen Existenzen zu tun, und wir treten genau wie in der Landwirtschaft für die kleinen und mittleren Betriebe ein, die ja rationalisiert werden müssen. Deswegen müssen wir hier auch Wert darauf legen, daß ihnen die Vergünstigung, die sie bisher hatten, zukommt. Unsere Bitte an den Herrn Finanzminister geht also dahin, nochmals die Mengenzahlen zu revidieren, damit wir da zurechtkommen und für das nächste Jahr bei dieser Zollbegünstigung eine andere Quantitätsbestimmung haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers haben eine ganze Reihe von Zahlen und Gegenargumenten gebracht, die meines Erachtens einer eingehenden Prüfung bedürfen. Zur Sache selbst darf ich im Augenblick nur ganz kurz erwidern, daß man den Wiederaufbau der deutschen Binnenschiffahrt, wenn man von einem solchen im jetzigen Stadium überhaupt sprechen kann, vor allen Dingen aber den Wiederaufbau der deutschen Hochseeschiffahrt nicht aus einer gegenwärtigen Konjunktur sehen darf, sondern nur aus den ganzen wirtschaftlichen Zusammenhängen heraus. Ein Blick auf den Rhein beweist doch auch dem Laien, in welchem Zustand sich die deutsche Binnenschiffahrt gegenüber der ausländischen Schiffahrt befindet und daß unsere Flotte um ungefähr ein halbes Jahrhundert überaltert ist, so daß jede Erleichterung unbedingt gebraucht wird, wenn wir nicht
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in, die schwierige Situation kommen wollen, eines Tages von einer deutschen Binnenschiffahrt überhaupt nicht mehr sprechen zu können.
Hinsichtlich der Fahrgastschiffahrt möchte ich aber doch noch folgendes erwähnen. Sicherlich handelt es sich um Ausflugsfahrten. Vielleicht sind wir alle durch die Lieder, die fortgesetzt vor diesem Hause abgesungen werden, ein wenig beeindruckt. Aber, meine Damen und Herren, das ist natürlich keine Wirtschaftspolitik und in diesem Zusammenhange auch keine Finanzpolitik. Ich glaube, in erster Linie handelt es sich doch um Schülerfahrten, und bei der Fahrgastschiffahrt kann man, soweit es sich um die Seehäfen handelt, doch nicht damit argumentieren, daß die einzelnen Staaten, in diesem Falle also Hamburg, ja bereits eine Subvention für diese Einrichtungen bezahlen und daß es daher gar nicht darauf ankommt, diese Subvention noch um weitere 600 000 DM zu erhöhen.
Um es kurz zu machen: Ich darf dem Hohen Hause vorschlagen, die vorliegende Interpellation - das haben wir schon in früheren Fällen bei Interpellationen so gemacht - an den Ausschuß für Verkehrswesen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, damit die Zahlen, die von beiden Seiten vorgebracht worden sind, einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. Aus dem Fazit wird sich dann ja ergeben, ob' nach dem Gesetz und nach der Entschließung weitere Verordnungen erforderlich sind.
Meine Damen und Herren! Darf ich darauf aufmerksam machen, daß es in letzter Zeit wiederholt zu Schwierigkeiten geführt hat, daß Interpellationen, ohne daß Anträge zu ihnen vorlagen, Ausschüssen überwiesen worden sind. Die Ausschüsse haben geschäftsordnungsmäßig nicht die Möglichkeit, auf Grund einer Interpellation einen Antrag zu formulieren. Ich muß also dringend bitten, daß wir nach § 57 der Geschäftsordnung verfahren, wonach Interpellationen nur zur Prüfung von Anträgen, die bei der Besprechung gestellt worden sind, überwiesen werden können. Darf ich Ihnen vorschlagen, daß wir nicht die Überweisung der Interpellation vornehmen, sondern daß ein bestimmter Antrag gestellt wird, der in einer der nächsten Sitzungen ohne Aussprache dem Ausschuß überwiesen werden könnte.
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- Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Geschwindigkeitskontrollen durch amerikanische Militärpolizei ({2}).
Es ist eine Begründungszeit von 5 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten, falls die Aussprache gewünscht wird, vorgesehen.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Mende, bitte!
Dr. Mende ({3}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller verzichten aus Gründen der Zeitersparnis auf eine Begründung der Interpellation. Der Sachverhalt geht aus der Drucksache hervor. Es geht hier darum, einmal eindeutig festzustellen, welche
Rechte die deutschen Staatsbürger bei den Eingriffen haben, von denen in der Drucksache die Rede ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den von mir getroffenen Feststellungen hat die amerikanische Militärpolizei in der letzten Zeit nur noch in vereinzelten Fällen auf der Strecke zwischen München und Frankfurt am Main Geschwindigkeitskontrollen deutscher Fahrzeuge vorgenommen. Die Namen der Kraftfahrer und die Kennzeichen der beanstandeten Fahrzeuge sind dann den deutschen Dienststellen zur weiteren Veranlassung übermittelt worden. Von einer Fortnahme von Begleitpapieren und Kraftfahrzeugpapieren ist mir von den in Frage kommenden Ländern nichts mitgeteilt worden.
Der Herr hessische Minister des Innern hat mit den zuständigen amerikanischen Dienststellen eine Vereinbarung getroffen, daß bei Verkehrskontrollen der amerikanischen Militärpolizei ständig ein Gendarmeriebeamter Hessens , zugezogen wird, der allein befugt ist, gegen deutsche Kraftfahrer bei Zuwiderhandlungen gegen die Verkehrsvorschriften einzuschreiten.
Die Bundesregierung selbst hat bei dem amerikanischen Herrn Hohen Kommissar die Bitte vorgetragen, darauf hinwirken zu wollen, daß solche Kontrollen deutscher Fahrzeuge unterbleiben. Nachdem die Verordnung Nr. 9 der amerikanischen Militärregierung vom 31. Dezember 1946 über höchstzulässige Fahrgeschwindigkeiten für Kraftfahrzeuge durch eine Verordnung Nr. 7 des Hohen Kommissars der Vereinigten Staaten vom 31. Juli 1950, veröffentlicht im Amtsblatt Nr. 32 der Alliierten Hohen Kommission vom 5. September 1950 Seite 569, aufgehoben worden ist, bestehen nach Auffassung der Bundesregierung keine besatzungsrechtlichen Vorschriften, aus denen eine Befugnis der amerikanischen Militärpolizei zur Vornahme solcher Kontrollen hergeleitet werden könnte. Diese Auffassung wird auch nicht durch die Vorbehalte in Ziffer 2 e des revidierten Besatzungsstatuts widerlegt, soweit die Kontrollen in keinem Zusammenhang mit alliierten Transporten und mit der Sicherheit der alliierten Streitkräfte stehen. Eine Antwort des Hohen Kommissars ist auf die Vorstellung der Bundesregierung nicht erfolgt. Ich glaube aber, daß die Antwort durchaus positiv ausfallen wird.
Meine Damen und Herren, darf ich fragen: Ist die Interpellation damit hinreichend beantwortet,
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oder wünscht ein Abgeordneter eine Besprechung? - Offenbar nicht. Damit ist der Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesgesundheitsamtes ({1});
b) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Apothekenwesen ({2});
c) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Deutsche Arzneibuch ({3}).
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Mir ist mitgeteilt worden, daß eine Verständigung zwischen einer großen Anzahl von Fraktionen stattgefunden hat, daß diese Gesetzentwürfe ohne Begründung und Aussprache dem Ausschuß überwiesen werden sollen. Darf ich annehmen, daß das zutreffend ist? ({5})
Ich schlage Ihnen vor, diese drei Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Paßwesen ({6}).
Es wird eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgeschlagen für den Fall, daß diese Begrenzung erforderlich ist.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf bringt gegenüber dem bisherigen Rechtszustand grundsätzlich nichts Neues. Ich darf Sie im einzelnen auf die Ihnen mitgeteilte Begründung verweisen. Der Erlaß eines neuen Gesetzes ist erforderlich im Hinblick auf das veränderte staatsrechtliche Verhältnis zwischen Bund und Ländern und einige materiell-rechtliche Vorschriften wie die Bestimmungen über die Versagung oder Entziehung eines Passes und andere Bestimmungen, ferner über die Strafbestimmungen und über die Gebühren. Diese Punkte müssen durch das Gesetz oder durch die auf Grund des Gesetzes zu erlassenden Ausführungsverordnungen geregelt werden.
Ehe ich mich einigen allgemeinen Betrachtungen zuwende, gestatten Sie mir eine kurze Bemerkung über die Organisation der Paßverwaltung und über das Verhältnis zu den Besatzungsmächten. Auf dem Gebiet des Paßwesens bleibt entsprechend der bundesstaatlichen Struktur der Bundesrepublik die Durchführung des Paßgesetzes, insbesondere die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren, Sache der Länder. Hierbei wird entsprechend dem schon nach dem ersten Weltkrieg bewährten Aufbau die Verwaltung weitestgehend dezentralisiert. Die unteren Verwaltungsbehörden, d. h. also die Kreisverwaltungen und die Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte bzw. die örtlichen Polizeidirektionen, sind sachlich durchaus in der Lage, die durch die Ausstellung von Pässen anfallenden Arbeiten und Vorprüfungen vorzunehmen. Diese Stellen haben auch den Vorzug der größeren Volksnähe. Durch ihre örtlichen Kenntnisse sind sie nicht so sehr auf die Akten angewiesen, sondern sind in der Lage, auf Grund ihrer persönlichen Kenntnisse in eigener Verantwortung die entsprechenden Entscheidungen zu fällen. Dadurch wird ein großer bürokratischer Apparat gespart, der bei zentralistischer Bearbeitung unvermeidlich gewesen wäre. Die erforderliche Einheitlichkeit in der Bearbeitung des Paßwesens wird aber durch die gemäß Art. 84 des Grundgesetzes von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats zu erlassenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften sichergestellt. In der Praxis hat sich bei dem jetzigen Verfahren herausgestellt, daß angesichts der oft schnell veränderten Lage der Bundesminister des Innern die Länderverwaltungen durch Rundschreiben über die im Interesse der Einheitlichkeit wünschenswerten verwaltungsmäßigen Handhabungen orientiert.
Wie Ihnen bekannt ist, ist die deutsche Verwaltung bei Wiederaufnahme der Paßfunktionen nicht ganz frei gewesen. Es liegen noch alliierte Vorbehalte vor, und zwar in Gestalt der sogenannten Schwarzen Listen und der Bezeichnung von Personen, denen im Einzelfall ein Paß nicht oder nicht ohne Zustimmung von alliierter Seite ausgehändigt werden darf. Es handelt sich hier um eine Einschränkung unserer Souveränität, die sich auf die Dauer mit gleichberechtigter Partnerschaft nicht vereinbaren läßt. Diese Frage wird daher im Zusammenhang mit den bevorstehenden Verhandlungen mit den Alliierten auf breiter Grundlage geklärt werden müssen. Gerade im Hinblick auf diese Verhandlungen möchte ich mir zu diesem Punkt weitere Ausführungen im Augenblick versagen.
Sie wollen mir vielmehr hier noch einige allgemeine Bemerkungen gestatten. Die Paßausstellung sollte ja' nicht mehr ein Mittel zur Absperrung und zur Regulierung des Fremdenstroms sein, sondern der Paß muß - seinem eigentlichen Wesen nach - ein internationale Anerkennung genießender Identitätsausweis des Inhabers sein. Er begründet für den Inhaber zwar nicht die Staatsangehörigkeit selbst, ist aber immerhin ein wichtiges Beweismittel für die Staatsangehörigkeit. Auch gibt er dem Inhaber Anspruch auf Schutz durch die Regierung seines Landes und die Organe der Auslandsvertretungen im Auslande. Es ist daher sehr dankenswert und es wird auch von der Bundesregierung unter dem Gesichtspunkt der Integration Europas wärmstens begrüßt, daß vom Europarat der Gedanke eines europäischen Passes in die Debatte geworfen worden ist. Ein europäischer Paß würde sehr starke symbolische Bedeutung für ein vereinigtes Europa haben.
Es gibt aber einige Schwierigkeiten vor allem auf dem technischen Gebiet. Das hat schon der erste Schritt, den die Bundesregierung ihrerseits getan hat, erwiesen. Es handelte sich um den Vorschlag auf Aufhebung des Sichtvermerkzwanges auf der Grundlage der Gegenseitigkeit. Die Ablehnung, die dieser Vorschlag bisher im allgemeinen erfahren hat, ist ein Beweis dafür, wie stark das Mißtrauen und das sogenannte Sicherheitsbedürfnis heute noch das Feld beherrschen.
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Dabei wird von allen Sachkennern im Grunde genommen anerkannt, daß die wirklich gefährlichen Personen fast immer Mittel und Wege zur Ein- und Ausreise finden. So wirkt sich der Paßzwang, besonders aber der Sichtvermerkzwang, als eine schwere Belastung des Verkehrs der breiten Masse der harmlosen Reisenden aus. Es wird eine ungeheure - im Grunde genommen unproduktive - Verwaltungsarbeit geleistet, um einige wenige zu treffen, indem man Millionen von Pässen und Sichtvermerken für an sich einwandfreie Personen ausstellt. Ganz eindeutig läßt sich insbesondere erkennen, daß der Reiseverkehr von Übersee vielfach von Deutschland abgeleitet wird - nur wegen der Unbequemlichkeit des Sichtvermerkzwanges, weil Reisen in andere europäische Länder diesem Zwang meistens nicht unterliegen.
Um gewisse Kontrollen des Reise- und Fremdenverkehrs kommen wir allerdings nicht herum,
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wenn wir auch bei dieser Gelegenheit der ersten Lesung des Entwurfs betonen, daß dem Paß und vor allem dem Sichtvermerk keine so ausschlaggebende Bedeutung vom Standpunkt der Staatssicherheit beizumessen ist, daß wegen einiger, verhältnismäßig weniger subversiver Elemente einwandfreie Personen in größter Zahl durch bürokratische Erschwerungen Unbequemlichkeiten und Einschränkungen in ihrer Bewegungsfreiheit ausgesetzt werden müssen. Ich werde daher meinerseits alles tun, um die bestehenden Schranken des legitimen Reiseverkehrs so weit irgend möglich beseitigen zu helfen. .
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat - im Rahmen der Aussprachezeit von 40 Minuten - der Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf bringt nach unserer Auffassung nicht eine Beseitigung der bisher bestehenden bürokratischen Hemmungen auf dem Gebiete des gesamten Paßwesens; der Bürokratismus wird auch nach Verabschiedung dieses Gesetzes, wenn es nicht in seiner grundlegenden Tendenz entscheidend geändert wird, genau wie bisher ins Kraut schießen und damit zu Unzuträglichkeiten führen, die sich nun sogar zum Teil auf einzelne Paragraphen dieses Gesetzes stützen können.
Meine Damen und Herren, wir wissen, daß beispielsweise allein für die Ausstellung von Interzonenpässen, die zwar mit diesem Gesetz nicht in Zusammenhang stehen, weitgehend die bereits bestehenden Ämter für Verfassungsschutz eingeschaltet werden und daß sich das von dem Herrn Bundesinnenminister bereits angezogene System der Schwarzen Listen auf diesem Gebiet zu unzuträglichen Zuständen entwickelt hat. Nach unserer Auffassung kann man unmöglich einzelnen Landesregierungen die Möglichkeit geben, über die Ausstellung von Sichtvermerken selbständig Rechtsverordnungen zu erlassen. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß die in § 5 dieses Gesetzentwurfes genannten Personengruppen nicht in der Weise klassifiziert werden können, wie es hier tatsächlich geschehen ist.
Und ein Weiteres. Der Herr Innenminister Dr. Lehr war der Meinung, daß die Beschränkungen, die von der Alliierten Hohen Kommission für das Paßwesen auferlegt worden sind, eine Einschränkung der Souveränität' bedeuten. Sprechen wir es idoch tatsächlich aus, ,daß hier nicht nur eine Einschränkung der Souveränität verhanden ist, sondern daß von einer Übertragung der Paßhoheit auf die deutsche Regierung überhaupt keine Rede sein kann. Die Alliierte Hohe Kommission behält sich vor, nach den sogenannten Schwarzen Listen den Sichtvermerk oder den Paß zu verweigern. Damit stempelt sie einen gewissen Teil des ,deutschen Volkes, ,der mit der Politik der Amerikaner und der Bundesregierung nicht einverstanden ist und dagegen ankämpft, zu Menschen zweiter Klasse. Dagegen verwahren wir uns.
Und ein andere.. Die Bundesregierung nimmt für sich das Recht in Anspruch, auch für solche Personen Pässe auszustellen, die wohnsitzmäßig der Zuständigkeit der Deutschen Demokratischen Republik unterstehen. Wenn Sie das beschließen, werden Sie zwangsläufig auch Pässe als gültig anerkennen müssen, die von der Deutschen Demokratischen Republik ausgestellt sind.
Wir haben also gegen dieses Gesetz großes Mißtrauen, weil es, wie gesagt, eine Klassifizierung bestimmt und in der Frage der Schwarzen Listen keine Klarheit bringt. Wir wünschen, daß endlich mit aller Offenheit und Klarheit die Frage der Schwarzen Listen in der breitesten Öffentlichkeit behandelt wird.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsdienststrafordnung ({0}).
Darf ich annehmen, daß die Regierung auf die schriftliche Begründung Bezug nimmt? - Eine mündliche Begründung wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, es ist eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen. Wird sie in Anspruch genommen? - Herr Abgeordneter Dr. Miessner, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Dienststrafrecht ist einer der wesentlichen Teile des deutschen Beamtenrechts. Die besondere Tätigkeit des Beamten, nämlich die Ausübung von Hoheitsrechten im Namen der Allgemeinheit, erfordert auch eine besondere Disziplin innerhalb des Beamtenkörpers. Die Beamtenschaft selbst begrüßt daher eine strenge Handhabung des Dienststrafrechts zur Ausmerzung „schwarzer Schafe" in den. eigenen Reihen.
Für das ganze 'Disziplinarrecht ist allerdings entscheidend, daß die Ahndung von Dienstvergehen in .die Hände unabhängiger Richter gelegt ist, daß wir also eine wirkliche Disziplinar gerichtsbarkeit - ich betone den letzten Teil des Wortes - haben. Der Staatsdiener muß wissen, daß sein Lebensschicksal - und die schwerste Strafe ist ja schließlich die Entfernung aus dem Dienst und damit die Vernichtung seiner Existenz - letztlich in der Hand des deutschen Richters liegt, zu dem er vollstes Vertrauen hat.
Die Freie Demokratische Partei begrüßt es daher, daß diese bewährten Grundsätze in . der Vorlage nicht angetastet sind und daß jetzt auch endlich das höchste Disziplinargericht errichtet wird, denn wie auf jedem anderen Rechtsgebiet ist auch hier ein höchstes Gericht zur Wahrung der einheitlichen Rechtsanwendung unerläßlich.
Der Bundesrat hat nun einige Änderungsvorschläge zu der Regierungsvorlage gemacht, denen wir im wesentlichen zustimmen können. So stimmen wir insbesondere der Anregung des Bundesrates zu, dem Beschuldigten in einem erweiterten Umfang die Möglichkeit der Verteidigung durch einen Anwalt zu geben. Die Inanspruchnahme eines rechtskundigen Verteidigers gehört nun eben einmal zu den wesentlichen Teilen eines ordentlich ablaufenden Gerichtsverfahrens.
Auch dem Vorschlag des Bundesrates, im Falle eines gleichzeitigen Strafverfahrens vor den ordentlichen Strafgerichten das. Disziplinarverfahren - wie bisher - bis zur Beendigung des ordentlichen Verfahrens auszusetzen, stimmt die
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FDP zu. Ich darf kurz die Begründung des Bundesrats verlesen, die die Gründe am prägnantesten wiedergibt:
Die allenfalls zu erwartende geringe Beschleunigung des Strafverfahrens fällt gegenüber der Gefahr, daß zwei sich widersprechende Urteile ergehen, und der damit verbundenen Komplizierung des Verfahrens nicht entscheidend ins Gewicht. Außerdem bringt die Regelung des Entwurfs eine erhebliche Erschwerung der Verteidigung des Beschuldigten mit sich, der sich in zwei Verfahren gleichzeitig verteidigen muß.
Ganz abgesehen von diesen sehr beachtlichen Gründen scheint mir aber auch noch ein anderer Grund dafür zu sprechen; daß es abwegig wäre, dem allgemeinen Strafverfahren nicht auch zeitlich den unbedingten Vorrang zu geben; denn schließlich hat die Allgemeinheit ein Recht darauf, daß auch gegenüber dem Beamten zunächst die allgemeinen Strafgesetze angewendet werden; und es ist nur logisch, daß erst nach Feststellung des allgemeinen Strafrechtstatbestandes die speziellen und zusätzlichen Folgerungen im Disziplinarwege hinterherkommen.
Eine kurze Anregung im einzelnen sei noch erlaubt. Man könnte sich Gedanken machen, ob 'die vorgesehene Skala der Strafen des Dienststrafrechts ausreicht. In der Vergangenheit und auch gegenwärtig hat der Disziplinarstrafrichter hinsichtlich des Strafmaßes nur die Möglichkeit, zwischen Gehaltskürzung und Dienstentlassung zu wählen. Vielleicht ist hier eine gewisse Auflockerung der Strafenskala, vielleicht eine Zwischenstufe, am Platze.
Es geschieht z. B., daß auch bei Dienstentlassung in gewisser Höhe Unterhaltsgeld gezahlt wird, besonders dann, wenn der betreffende Beamte Frau und Kinder hat, die man nicht unnötig schwer treffen will. Wenn aber nur „Unterhaltsgeld" gewährt wird und kein Versorgungsanspruch mehr besteht, so hat das folgende Konsequenz. Stirbt der Beamte, also der Delinquent, dann fällt 'damit das Unterhaltsgeld weg, und gerade diejenigen, die ja mit dem Vergehen nichts zu tun haben, nämlich die Ehefrau und 'die Kinder, werden nun wirtschaftlich aufs härteste .durch den Wegfall dieses Unterhaltsgeldes gestraft, während den Täter selbst - und das ist das Kuriosum - diese Härte nicht getroffen hatte. Dies aber nur als Anregung! Im Grunde ist die FDP unter Berücksichtigung der Änderungsvorschläge des Bundesrates mit der Gesetzesvorlage einverstanden, da die bewährten Grundsätzedes Disziplinarrechts fortgeführt werden.
Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst, Sie hatten sich gemeldet. Wünschen Sie, das Wort zu nehmen?
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- Herr Abgeordneter Jacobi, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat in der schriftlichen Begründung der heute zur Beratung stehenden Vorlage von der Notwendigkeit einer Fortbildung der Reichsdienststrafordnung und sogar von Reformgedanken gesprochen, die bei der Neufassung berücksichtigt werden müßten. In der Tat gibt es in der Vorlage einige wesentliche Neuerungsvorschläge gegenüber den bisherigen dienststrafrechtlichen Verfahrensregeln, so u. a. die
Öffentlichkeit des Verfahrens, die Wiedereinführung der Verjährung in der Form einer Beschränkung der Dienststrafverfolgung und das Institut des Generalanwalts, der als Vertreter der öffentlichen Interessen oder, wie es in der Vorlage so scheußlich heißt, „der öffentlichen Belange" fungieren soll.
Bei all diesen Bestimmungen finden sich Ansätze für eine Fortbildung der bisherigen Praxis; das muß zugegeben werden. Die kühne Verheißung wirklicher Reformen aber scheint weder hier noch an anderer Stelle erfüllt zu sein, und die sozialdemokratische Fraktion würde es begrüßt haben, wenn man sich im federführenden Bundesministerium des Innern bei den Vorarbeiten zu der Novelle ein wenig ernsthafter mit der Aufgabe befaßt hätte, einen wesentlichen Schritt auf dem Wege zu einer wirklich fortschrittlichen und demokratischen Weiterentwicklung des Beamtenrechts zu gehen. In dieser Richtung bedeutet die Vorlage für uns eine Enttäuschung. Die Kritik, die wir üben wollen, ist jedoch eine sachliche Kritik, und wir hoffen, daß sie bei den Ausschußberatungen in entsprechenden Änderungsbeschlüssen ihren Niederschlag finden wird. Für heute mag es genügen, einige wenige Punkte hervorzuheben, in denen uns die Vorlage nicht auszureichen scheint oder Bedenken auslöst.
Die Neufassung des § 3 Abs. 2 läßt die Möglichkeit offen, auch nach eingetretener Verjährung gegen mißliebige Beamte mit der Behauptung vorzugehen, daß eine höhere Bestrafung als eine solche durch Verwarnung, Verweis oder Geldbuße gerechtfertigt sei. Herr Kollege Miessner hat vorhin davon gesprochen, daß es eine der Aufgaben der Reichsdienststrafordnung in ihrer neuen Fassung für die Bundesrepublik sein müsse, schwarze Schafe auszumerzen. Nun gibt es aber auch Fälle - und davon zeugt ja schon das Institut der Selbstanklage -, in denen es nicht nur darauf ankommt, jemand auszumerzen, der Beamter ist, sondern unter Umständen Anwürfe, die gegen ihn erhoben werden, zu klären und ihm eine Möglichkeit der Selbstreinigung zu geben. Es gibt unter Umständen auch gefärbte Schafe, die durch einen mißgünstigen Dienstvorgesetzten in Schwierigkeiten gebracht werden können. Jedenfalls scheinen uns eingehende Überlegungen bei der weiteren Beratung des § 3 Abs. 2 notwendig zu sein. So könnte man u. a. etwa an ein zwangloseres Zwischenverfahren denken.
Die Neufassung des § 13 sieht vor, daß künftig auch bei schwebenden Strafverfahren gleichzeitig das Dienststrafverfahren durchgeführt werden kann. E s ist keinesfalls sicher, daß eine solche Regelung der Beschleunigung dient, wie es wohl die Absicht ist, sondern man muß die Dinge in der Tat auch unter dem Gesichtspunkt sehen, den Kollege Miessner schon angedeutet hat, ob nicht durch die vorgesehene Regelung unnötige Komplikationen ausgelöst werden. Wir kommen nämlich im Falle der Durchführung von zwei getrennten Verfahren auch zur doppelten Erhebung von Beweisen. Es kann also Widersprüche und verschiedenartige Wertungen geben. Damit würde in dieses Gesetz und in die durch dieses Gesetz ausgelöste Praxis ein sicherlich nicht gewolltes Element der Rechtsunsicherheit hineingebracht. Wir werden bei den Ausschußberatungen auf diese möglichen Schwierigkeiten zu achten haben.
Die Bedenken des Bundesrats hierzu sind zitiert worden. Sie erscheinen uns beachtlich und werden
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4 nach unserer Auffassung durch die Stellungnahme der Bundesregierung auf Seite 42 der Vorlage nicht ausgeräumt.
Ebensowenig überzeugt uns der vorletzte Halbsatz des § 13 Abs. 3, der das einstimmige Votum des richterlichen Kollegiums vorsieht. Von der mehr grundsätzlichen Frage abgesehen, ob es richtig ist, das Prinzip des richterlichen Abstimmungsgeheimnisses zu durchbrechen - das hier zur Farce wird -: Richter sind auch Menschen, und ein Querkopf im Kollegium kann durch sein Veto unter Umständen eine sonst klare Entscheidung verhindern. Wir glauben, daß man auch bei dieser Regelung vom Grundsatz der Mehrheitsentscheidung nicht abgehen sollte.
Der § 21 sieht die Streichung der Worte „und hält der Dienstvorgesetzte ein Strafverfahren für angezeigt" vor. Mag hierbei auch nicht beabsichtigt sein, das bisher übliche Opportunitätsprinzip durch das Legalitätsprinzip, also die Verpflichtung zu ersetzen, jede dienststrafbare Handlung zu verfolgen, so kann diese Streichung doch möglicherweise zu Unklarheiten führen, selbst wenn man an das in § 3 Abs. 1 ausdrücklich hervorgehobene pflichtgemäße Ermessen denkt. Gerade bei § 21, der von den Vorermittlungen handelt, sollte - dies als freundlicher Hinweis für die Ausschußberatungen - auf eine möglichst klare Regelung Wert gelegt werden.
Zur Frage der Selbstanklage, die in § 28 behandelt wird, ebenfalls nur ein Hinweis. Es bedarf unseres Erachtens einer Rekursmöglichkeit gegen die ablehnende Entscheidung der Einleitungsbehörde. In Hessen und Nordrhein-Westfalen ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Auch Bayern kennt entsprechende Rechtsbehelfe. In unserem Falle sollte die Anrufung der Dienststrafkammer erwogen werden.
Gestatten Sie mir, noch kurz drei Punkte hervorzuheben, ohne damit die Problematik der Vorlage erschöpfen zu wollen. Im Verlauf einer langen Entwicklung hat sich der Begriff „Vertreter des öffentlichen Interesses" eingebürgert. Ist es notwendig, wie es die Vorlage tut, statt dessen mit dem Fanatismus einer umstrittenen Sprachreinigungswut von dem „Vertreter der öffentlichen Belang e" zu sprechen? Ist es des weiteren vonnöten, für den Inhaber dieser Funktion die anspruchsvolle Bezeichnung „Generalanwalt" zu wählen? Genügt es nicht, wenn der Vertreter des öffentlichen Interesses schlicht und treu ohne einen hochtrabenden Titulus fungiert? Und wenn man schon einen solchen. Titel sucht, würde es nicht ausreichen, ihn „Bundesanwalt für Dienststrafangelegenheiten" zu nennen? Wir bitten jedenfalls, nach dieser Richtung hin im Ausschuß entsprechende Erwägungen anzustellen.
Genau geprüft werden sollte auch die Frage - sie wird durch die vom Bundesrat mit Zustimmung der Bundesregierung vorgeschlagene Neufassung des § 56 Abs. 1 Satz 1 angerührt -, zu welchem frühestmöglichen Zeitpunkt der Beamte sich eines Beistandes bedienen kann. Uns erscheint es zweckmäßig, diese Möglichkeit bereits im nichtförmlichen Verfahren zu eröffnen; denn schon bei der verantwortlichen Vernehmung bedarf unter Umständen besonders ein rechtlich nicht geschulter Beamter des Rates von rechtskundiger Seite. Hier taucht im übrigen die Frage auf, ob nicht auch die Beamtengewerkschaften als Beistände zugelassen werden sollten, eine Frage, die bei der Ausschußberatung besonders ernsthaft geprüft 'werden müßte.
Ein letzter Punkt: Der § 108 sieht besondere Vorschriften für richterliche Beamte vor. Sie entsprechen der Regelung, die in Nordrhein-Westfalen für alle Beamten gilt, und sichert die Unabhängigkeit von der Dienstbehörde für die Fragen des Dienststrafverfahrens. Auch für den Bund sollte die Erstreckung einer solchen Regelung auf alle Beamtenkategorien sorgsam erwogen werden.
In diesen Komplex gehört schließlich auch die Frage, ob es richtig ist, die Bundesdienststrafkammer für Richter nur aus Richtern, also Standeskollegen, zusammenzusetzen. Ich denke dabei weniger an das Wort, daß eine Krähe der anderen kein Auge aushackt; ich habe im Gegenteil eine ganz andere Befürchtung, nämlich die, daß unter Umständen eine überspitzte Ehrauffassung hier zu unangemessenen Entscheidungen führt. Jedenfalls ist nach unserer Auffassung nicht einzusehen, warum die Dienststrafgerichte für die Bundesrichter anders zusammengesetzt sein sollen als die Dienststrafgerichte für alle anderen Beamten.
Das alles sind. Hinweise, die in der heutigen ersten Lesung nicht vertieft werden konnten und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Wir werden sie bei den Ausschußberatungen in Erinnerung bringen und ergänzen. Wir beantragen, die Vorlage an den Ausschuß für Beamtenrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als mitberatenden Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine Damen und Herren! Wenn uns seitens der Bundesregierung oder aus dem Hause eine beamtenrechtliche Vorlage unterbreitet wird, dann betrachten wir sie zunächst unter dem Gesichtspunkt, ob durch diese Vorlage den bewährten Grundlagen des Berufsbeamtentums Rechnung getragen wird oder ob ihnen irgendwie Abtrag geschieht. Wenn wir die Vorlage unter diesem Gesichtspunkt beurteilen, so können wir sie in ihrer grundsätzlichen Linie von unserem Standpunkt aus nur bejahen. Denn durch diese Vorlage soll an den alten strengen Maßstäben des Disziplinarrechtes nichts geändert werden. Wir als Vertreter und Anhänger des hergebrachten Berufsbeamtentums müssen diesen Grundgedanken bejahen. Im übrigen bringt ja das Gesetz eigentlich nur mehr oder weniger technische Anpassungen an die heute gegebenen Verhältnisse, so daß es mir nicht notwendig und auch nicht zweckmäßig zu sein scheint, jetzt hier in der ersten Lesung im Plenum die Eihzelheiten des Gesetzes zu behandeln. Wir behalten uns vor, die hier von den Vorrednern im einzelnen dargelegten Gesichtspunkte in den Ausschußberatungen zu prüfen.
Wenn der Redner der Opposition in diesem Gesetzentwurf eine fortschrittliche und demokratische Weiterentwicklung vermißte, dann scheint sich in dieser Divergenz unserer Meinungen die Divergenz in den Auffassungen über die zu erhaltenden hergebrachten Grundlagen des Berufsbeamtentums widerzuspiegeln.
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Ich möchte die Gelegenheit benutzen, um auch in diesem Zusammenhang wieder zu sagen, daß wir
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daran festhalten, daß jeder Versuch, die Grundlagen des Berufsbeamtentums und des Beamtenrechts auf die arbeitsrechtliche Ebene zu verlagern, von uns abgelehnt wird, weil das in Widerspruch zu der hergebrachten Einrichtung des Berufsbeamtentums stünde.
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- Im Grundgesetz steht, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist.
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Dieser Neuordnung werden wir uns in keiner Weise verschließen,
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auch nicht einer Modernisierung der Vorschriften, die modernisiert werden müssen. Aber wir verwahren uns grundsätzlich gegen einen etwaigen Gedanken, die Dinge auf die Ebene des Arbeitsrechts hinübergleiten zu lassen.
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Im übrigen möchte ich mich dem Antrag des Vorredners anschließen, den Gesetzentwurf dem Beamtenrechtsausschuß als federführendem Ausschuß zu überweisen, habe aber auch keine Bedenken, wenn der Rechtsausschuß noch zusätzlich bei der Behandlung beteiligt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag stellen, den Gesetzentwurf federführend an den. Beamtenrechtsausschuß zu überweisen, Und beantrage zusätzlich die Überweisung an den Rechtsausschuß.
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Weitere Wortmeldungen. liegen nicht vor. Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht als federführenden Ausschuß einverstanden ist.
Es ist weiter beantragt worden, den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung mitberatend zu beteiligen. Darf ich fragen, welche Damen und Herren dafür sind? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; diese Überweisung ist abgelehnt.
Ich frage, welche Damen und Herren für die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als mitberatenden Ausschuß sind. - Ich bitte um die Gegenprobe.
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Das erste war die Mehrheit; diese Überweisung ist erfolgt.
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Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für
Rechtswesen und Verfassungsrecht ({3}) ({4}).
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Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die allgemeine Aussprache der dritten Beratung eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor.
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Kleindinst. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Kleindinst ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung von Bundesdienststrafgerichten war notwendig, um förmliche Dienststrafverfahren überhaupt durchführen zu können. Das Grundgesetz hat den Bund in Art. 96 über die oberen Bundesgerichte ermächtigt, für Dienststrafverfahren gegen Bundesbeamte und Bundesrichter Bundesdienststrafgerichte zu errichten. Außerdem waren organisatorische Erfahrungen im Dienststrafwesen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes zu berücksichtigen. Schließlich mußte der Gesetzentwurf dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes Rechnung tragen.
Die Bestimmungen für die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten sind als Änderungen des organisatorischen Teils der bereits 1950 berichtigten Reichsdienststrafordnung von 1937 vorgesehen, deren materieller Teil durch den besonderen Gesetzentwurf geändert werden soll, der soeben den Ausschüssen zur Beratung überwiesen worden ist. Der dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Beamtenrecht überwiesene Gesetzentwurf über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten, Drucksache Nr. 1754, ist von einem gemeinsamen Unterausschuß der beiden Ausschüsse am 2. Juli laufenden Jahres bearbeitet worden. Der Ausschuß für Beamtenrecht hat ihn am 5. Juli und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht am 6. Juli und 14. September beraten.
In den Ausschüssen bestand über die einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurfs weitgehend Übereinstimmung. Der Gegensatz der Stellungnahmen trat bei der Beschlußfassung über den vorläufigen Sitz des Bundesdienststrafhofes hervor.
Im einzelnen ist das Folgende hervorzuheben. Der Gesetzentwurf sieht Bundesdienststrafkammern als selbständige Dienststrafgerichte vor, weil der Bund über Mittelbehörden der allgemeinen Verwaltung nicht verfügt, und einen Bundesdienststrafhof. Die Bundesdienststrafkammern errichtet der Bundesminister des Innern aus rechtsstaatlichen Gründen nicht, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, nach Bedarf, sondern allgemein durch Verordnung und nicht durch Verwaltungsverfügung; § 32. Die Worte „Inland" und „Ausland" sind durch die Worte „Geltungsbereich des Grundgesetzes" und außerhalb des „Geltungsbereiches des Grundgesetzes" ersetzt. Der Vorsitzende, seine Stellvertreter und die rechtskundigen Beisitzer müssen auf Grund der vorgeschriebenen Prüfungen die Fähigkeit zum Richteramt an einem allgemeinen Verwaltungsgericht oder einem ordentlichen Gericht haben, damit die fachlichen Voraussetzungen für die Rechtsprechung allgemein bei ihnen gesichert sind. Ferner müssen die Beisitzer nur bei ihrer Ernennung den dienstlichen Wohnsitz im Bezirk der Bundesdienststrafkammer haben, um den sofortigen Einfluß des Wechsels dieses dienstlichen Wohnsitzes auf das Amt als Beisitzer auszuschließen. Durch die Streichung des Abs. 5 des
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§ 35 wird die Verwendung von Hilfsrichtern unmöglich gemacht. Die Ernennung des Vorsitzenden einer Bundesdienststrafkammer zum Vorsitzenden weiterer Bundesdienststrafkammern zu seiner vollen Auswertung soll sich auf die Wahrnehmung des Vorsitzes von höchstens zwei weiteren Kammern beschränken. Die Ernennung des Vorsitzenden und seiner Stellvertreter auf Lebenszeit ist nunmehr dem Bundespräsidenten übertragen. Bei der Versetzung eines Beisitzers soll das Amt erst mit Ablauf eines Monats nach Zustellung der Versetzungsverfügung erlöschen. Außerdem kann der Beamte dem Erlöschen seines Beisitzeramtes widersprechen. Beide Bestimmungen wahren die richterliche Unabhängigkeit und vermeiden geschäftliche Schwierigkeiten. Der Bundesdienststrafhof soll nicht als Teil des künftigen Bundesverwaltungsgerichts, sondern als selbständiges Gericht geschaffen werden, das mit dem Bundesverwaltungsgericht lediglich zur gemeinsamen Benutzung der geschäftlichen Einrichtungen verwaltungstechnisch verbunden ist.
Diese Änderungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung gehen zum größten Teil auf die Vorschläge des Bundesrates, zum kleineren Teil auf Anträge und Anregungen aus den Ausschüssen des Bundestages zurück.
Dagegen konnte die Mehrheit in den Ausschüssen sich dem Vorschlag des Bundesrates nicht anschließen, als vorläufigen oder endgültigen Sitz des Bundesdienststrafhofes Berlin zu bestimmen. Die Minderheit der Ausschüsse ist diesem Vorschlag des Bundesrates gefolgt und hat Bedenken getragen, der Bestimmung eines anderen vorläufigen Sitzes zuzustimmen, weil er schließlich doch zum endgültigen werden könnte. Für die Mehrheit der Ausschüsse war die Überlegung maßgebend, daß das Gesetz über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten der Festlegung des Sitzes des Bundesverwaltungsgerichtes nicht vorgreifen solle und daß die Verlegung der Frankfurter Einrichtung nach Berlin zu Schwierigkeiten führen müsse.
Die Änderung in § 4 der Überleitungs- und Schlußvorschriften hinsichtlich der Erstreckung der Zuständigkeit der Bundesdienststrafgerichte auf die unter das Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes 'fallenden Personen sowie auf Ruhestands-b eamte, versorgungsberechtigte Personen und frühere Beamte, auch wenn sie nicht Bundesbeamte gewesen sind, der Bund aber ihre Versorgungsbezüge trägt, bringt lediglich eine bessere Fassung der entsprechenden Bestimmungen des Gesetzentwurfes der Bundesregierung und des Vorschlages des Bundesrates.
Für den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantrage ich, den Gesetzentwurf in der aus der vorgelegten Zusammenstellung ersichtlichen Fassung zustimmen zu wollen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf zur Einzelbesprechung der, zweiten Beratung: Abschnitt I § 1, - § 2, - die Ziffern 1, - 2, - 3, -4, - 5, - 5 a, - 6, - 6 a. - Zu diesen Paragraphen und Ziffern liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen und Ziffern zùzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Diese Paragraphen und Ziffern sind bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 7. Zu Ziffer 7 liegen zwei Abänderungsanträge vor, 'der Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 309, und der Antrag der Abgeordneten Dr. Tillmanns, Dr. Krone und Genossen, Umdruck Nr. 310. Wer wünscht, den Antrag Umdruck Nr. 309 zu begründen? - Der Antrag wird nicht begründet.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um den Schwierigkeiten wegen des Dienstsitzes aus dem Wege zu gehen, ist in den Ausschußberatungen zu diesem Abschnitt bestimmt worden, daß der Bundesdienststrafhof bei dem Bundesverwaltungsgericht errichtet wird, und in der folgenden Ziffer 7, um die es sich hier handelt, ist festgelegt worden, daß der Bundesdienststrafhof vorläufig als selbständige Behörde mit dem Sitz in Frankfurt am Main errichtet wird. Ich möchte einmal kurz auf das Für und Wider der Frage Frankfurt am Main oder Berlin eingehen.
Die Wahl Frankfurts mit seinen günstigen Verkehrsverbindungen hat zunächst folgende Vorteile. Erstens einmal können die Bundesdienststrafgerichte auf dem Unterbau der noch bestehenden Dienststrafgerichte der ehemaligen Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt am Main weiterarbeiten. Dadurch werden zweitens sachliche und persönliche Unkosten vermieden. Drittens: Die Organisation der Bundesdienststrafgerichte kann durch die Zusammenziehung der Richter erster Instanz am Sitz des Bundesdienststrafhofs, so wie es sich im Bereich der Verwaltung des ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiets als zweckmäßig erwiesen hat, vereinfacht werden. Durch die Bildung einer Hauptgeschäftsstelle für sämtliche Bundesdienststrafkammern am Sitz des Gerichts zweiter Instanz ergibt sich eine besonders vorteilhafte Organisation. Das spricht für Frankfurt.
Die Schwierigkeiten bei einer Verlegung nach Berlin sind in unseren Augen die folgenden. Erstens: der Bundesdienststrafhof als zweite und letzte Instanz - der neue Tatsachen und Beweismittel zulassen kann, da er nicht Revisionsgericht ist - müßte also Zeugen und Sachverständige zur Verhandlung nach Berlin laden. Zweitens: da in der Hauptverhandlung vor dem Bundesdienststrafhof zwei nicht richterliche Beisitzer aus der Beamtenschaft mitwirken müssen, ergibt sich auch für diese die Notwendigkeit, nach Berlin zu reisen und sich dort während der Dauer der Sitzung aufzuhalten. Drittens: die Erfahrung hat gezeigt, daß in der überwiegenden Zahl aller Fälle die Beschuldigten, sofern sie nicht in der Lage sind, die Kosten für einen Verteidiger aufzubringen, selbst vor dem Bundesdienststrafhof erscheinen müssen. Für die Mehrzahl der betroffenen Beamten würde das aber eine Reise nach Berlin bedeuten, die für sie sehr kostspielig ist. Sie müßten vielleicht der Kosten wegen auf ihre Verteidigung 'verzichten. Die Vertretung durch einen Verteidiger dürfte für sie in den Fällen, in denen sie die Reisekosten für sich selbst nicht aufbringen können, erst recht unerschwinglich sein. Selbst die Beamten, die bisher einen Verteidiger bezahlen konnten, dürften die Inanspruchnahme eines Verteidigers ihres Vertrauens finan({0})
ziell nicht mehr tragen können, wenn dieser nach Berlin fahren müßte. Die Verlegung des Bundesdienstrafhofs nach Berlin würde praktisch unter den heutigen Verhältnissen den Beschuldigten die Verteidigung in so großem Ausmaß beschränken, daß wir nicht glauben, Ihnen diese Verlegung empfehlen zu können. Die allgemein bekannten Schwierigkeiten, die mit einer Reise nach Berlin verbunden sind, sprechen jedenfalls zur Zeit gegen eine Verlegung des Bundesdienststrafhofs dorthin.
Ich möchte diese Erwägungen dem Hohen Hause doch vorgetragen haben und Sie bitten, sie bei Ihren Entscheidungen berücksichtigen zu wollen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck Nr. 310 liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Tillmanns, Dr. Krone und Genossen vor, der für § Ziffer 7 des vorliegenden Gesetzentwurfs, also für § 114 der Reichsdienststrafordnung folgende Fassung vorschlägt:
Solange das Bundesverwaltungsgericht noch nicht besteht, wird der Bundesdienststrafhof als selbständige Behörde mit dem Sitz in Berlin errichtet.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es sollte in diesem Hause nicht notwendig sein, über die Frage der Stellung und der Bedeutung Berlins überhaupt noch Worte zu- verlieren. Sie kennen den Vorschlag; den die Bundesregierung über die Sitzverlegung von Bundesbehörden vorgelegt hat, und Sie wissen, daß dabei Berlin reichlich zu kurz gekommen ist. Für Berlin ist in diesem Plan als einzige oberste Bundesbehörde nur das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Bundesdienststrafhof ein Teil des Bundesverwaltungsgerichts ist, wenn er auch als selbständige Behörde bestehen bleiben oder gebildet werden soll.
Ich muß gestehen, daß ich mich im Gegensatz zu den Auffassungen des Herrn Bundesministers des Innern befinde. Es kann sich bei dieser Frage nicht um die Überwindung technischer Schwierigkeiten allein handeln, sondern die Frage der Verlegung oberster Bundesbehörden nach Berlin ist von ungeheurer politischer Bedeutung. Ich glaube, wir sollten gerade in diesem Augenblick nicht kleinlich sein und nicht über technische oder sonstige Schwierigkeiten stolpern und uns ,dem Antrag auf Umdruck Nr. 310, den Bundesdienststrafhof als selbständige Behörde nach Berlin zu verlegen, nicht verschließen. Ich bitte Sie, diesem unserem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesdienststrafhof war niemals eine selbständige Behörde und soll es auch in Zukunft nicht sein. Er soll Teil des Bundesverwaltungsgerichts sein. Die Bundesregierung selbst hat beschlossen, daß das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz in Berlin haben müsse, und hat diesen Beschluß in großer Feierlichkeit durch den Herrn Staatssekretär im Bundesjustizministerium Dr.
Walter Strauß auf .dem Frankfurter Juristentag verkünden lassen. So soll denn das wieder einmal ein leeres Versprechen bleiben? Soll immer nur etwas in Aussicht gestellt und nachher, wenn es sich um die Tat handelt, nicht vollzogen werden?
Ich kann die Ausführungen, die der Herr Bundesminister des Innern hier soeben gemacht hat, nur bedauern. Sie lassen jedes Verständnis für die politischen Notwendigkeiten gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt vermissen.
({0})
Wir bestehen darauf, daß der Beschluß der Bundesregierung, das Bundesverwaltungsgericht nach Berlin zu legen, aufrechterhalten bleibt, und deshalb muß nun der Anfang damit gemacht werden, daß der Bundesdienststrafhof als erster Teil des Bundesverwaltungsgerichts auch nach Berlin kommt. Ich glaube wohl, daß es jedem Bundesbeamten zugemutet werden kann, sein Recht in der wirklichen Bundeshauptstadt zu suchen, und daß man sich hier nicht hinter technische Ausflüchte verschanzen darf. Wir haben die politische Entscheidung zu fällen, daß wir hier zu unserem Wort stehen: Bundesverwaltungsgericht und deshalb auch Bundesdienststrafhof kommen sofort nach Berlin und nirgend anderswohin.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir scheint, die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers tragen einen gewissen logischen Mangel. All die Argumente, die für Frankfurt vorgebracht sind, kann man vorbringen, wenn man damit sagen will, daß der Dienststrafhof endgültig und für alle Zeiten nach Frankfurt kommen soll. Nachdem aber die Bundesregierung erfreulicherweise nicht nur einmal, sondern mehrmals erklärt hat, daß das Bundesverwaltungsgericht seinen Sitz in Berlin haben wird, und nachdem man zugibt, daß der Dienststrafhof ein Teil des Bundesverwaltungsgerichts ist, handelt es sich doch nur um die Frage, die kurze Zeit zu überbrücken, bis die Bundesregierung das Bundesverwaltungsgericht errichtet; eine hoffentlich kurze Zeit. Aber für diese Zeit nun die Anstrengungen einer Sondereinrichtung zu machen, das, meine Damen und Herren, scheint doch etwas überflüssig zu sein; denn dieser Dienststrafhof kann morgen in Berlin seine Tätigkeit beginnen. Erlauben Sie mir, eine Parallele zu erwähnen.
Wir haben das Bundesverfassungsgericht - es ist in diesem Hause darum gekämpft worden, ob es nicht politisch sinnvoll wäre, gerade das Bundesverfassungsgericht nach Berlin zu legen - nach Karlsruhe gelegt. Nun, meine Damen und Herren, Sie wissen alle, daß die Senate de Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe nicht arbeiten können, weil es trotz aller Wünsche und trotz aller Versprechungen bisher noch nicht möglich war, den Herren in Karlsruhe eine Unterkunft zu verschaffen. Ich habe mir erlaubt, dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts den Vorschlag zu machen, er solle doch erwägen, mit seinen Richtern zunächst einmal zu beschließen, vorläufig in Berlin zu tagen, bis die zuständigen Instanzen in der Lage gewesen sind, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe unterzubringen.
({0}) Wir bringen die Herren schon unter.
({1})
Und nun ein weiteres, meine Damen und Herren. Die Argumente für Frankfurt im Falle des Bundesdienststrafhofes sind mir deshalb so unangenehm, weil ich befürchte, man könnte daraus irgendwelche Folgerungen ziehen, ähnliche Folgerungen, wie sie - und darauf muß ich leider das Haus aufmerksam machen - sich offenbar schon in der Frage der Verlegung des Versicherungsaufsichtsamtes nach Berlin ergeben haben.
({2})
Ich halte es als Berliner für meine Pflicht, das Haus darauf aufmerksam zu machen, daß aus Kreisen der 'Ministerien und der Versicherungswirtschaft jetzt mit allen Mitteln versucht wird, zu verhindern, daß noch in diesem Jahr das Aufsichtsamt nach Berlin kommt.
({3})
Das Haus sollte sich darum kümmern, ob Beschlüsse dieses Hauses durchgeführt werden oder nicht.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, darf ich zunächst, um einen technischen Zweifel zu beheben, eine Frage stellen: Die beiden Anträge, Umdruck Nr. 309 und 310, die dasselbe Ziel haben, unterscheiden sich in der Formulierung. Gibt es eine Möglichkeit, die beiden Anträge aufeinander abzustimmen, damit wir hier keine Differenzen haben, Herr Dr. Krone?
({0})
- Also darf ich annehmen, Herr Abgeordneter Krone, daß der Antrag Umdruck Nr. 310 zugunsten von Antrag Umdruck Nr. 309 zurückgezogen ist, der als gemeinsamer Antrag angesehen wird.
Weiter, meine Damen und Herren, zum Technischen: Das ° Haus hat damals auf Vorschlag des Geschäftsordnungsausschusses beschlossen, bei Entscheidungen zwischen zwei Orten in der Form einer Wahl abzustimmen. Das Haus ist in der Gestaltung seiner Geschäftsordnung frei. Darf ich mir im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens den Torschlag erlauben, daß wir, unter Aufrechterhaltung des damaligen Beschlusses, in diesem Fall, in dem mir die Situation verhältnismäßig eindeutig zu sein scheint, über den Antrag Umdruck Nr. 309, der jetzt als einziger Abänderungsantrag vorliegt, in der üblichen Weise abstimmen? Ich darf das Haus bitten, damit einverstanden zu sein, daß wir in dem Augenblick, in dem Zweifel an dem Ergebnis der Abstimmung besteht, in der Form der Wahl durch Stimmkarten abstimmen. - Das Haus scheint damit einverstanden zu sein.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 309 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
({1})
Ich rufe auf Abschnitt II, § 3, - § 4, - § 5, -§ 6, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Einzelbestimmungen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wünscht jemand zur allgemeinen Aussprache das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall.
Ich rufe auf in der Fassung ,der Beschlüsse der zweiten Beratung Abschnitt I, d. h. die §§ 1 bis 2 Abschnitt II, § 3, - § 4, - § 5, - § 6, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufener Bestimmungen in der dritten Beratung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Errichtung von Bundesdienststrafgerichten. Ich bitte die Damen und Herren, di€ dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmer wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte un. die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen zwe: Stimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe als nächsten Punkt der Tagesordnung Punkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen ({3}) ({4}).
({5}) Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Winkelheide.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten in der dritten Beratung vor. - Bitte, Herr Abgeordneter!
Winkelheide ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues, Drucksache Nr. 2388, wurde von der Bundesregierung eingebracht und vom Bundestag in erster Lesung am 6. Juli 1951 beraten. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen hal sich in sieben' Sitzungen mit der Gestaltung dieses Gesetzes befaßt. Beteiligt an den Beratungen war der Wirtschaftsausschuß bezüglich der Abgabe für Kohle. Das Ergebnis der Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 2590 hier vor.
Welche Tatsachen rechtfertigen das vorliegende Gesetz und das Opfer, das wir als Bundestag dem deutschen Volke und der Wirtschaft ohne Unterschied zumuten?
Bei der Schwere seines Berufs braucht der Bergmann eine menschenwürdige Wohnung. Nur der Bergmann ohne Wohnungssorgen ist in der Lage, die Leistung zu steigern. Die Zahlen über die Fluktuation in der Belegschaft des Ruhrbergbaus sprechen geradezu von einer Flucht aus dem Bergbau, die anhalten wird, wenn nicht alles Erdenkliche auf dem Gebiete des Bergarbeiterwohnungsbaues getan wird.
Es ist eine wirtschaftliche Notwendigkeit, durch den besonders geförderten Bergarbeiterwohnungsbau die Voraussetzung einer Steigerung der Förderungsziffern zu erreichen. Der Abwanderung, die nachfolgende Zahlen verdeutlichen, muß durch den Wohnungsbau Einhalt geboten werden, damit der Bergmann seßhaft wird und im Ruhr- bzw. Kohlengebiet eine neue Heimat findet. Die Grundlagen für einen seßhaften Bergarbeiterstand kön({7})
nen außer durch andere Maßnahmen vorwiegend durch die Schaffung gesunder Wohnungen erreicht werden.
Im Ruhrgebiet waren im August 1951 446 781 Bergleute beschäftigt, im gesamten Bundesgebiet 515 239. Die Fluktuation zeigt sich in folgenden Zahlen: 1946 hatte der deutsche Bergbau einen Zugang von 89 568, einen Abgang von 57 000, 1947 einen Zugang von 125172, einen Abgang von 54 486, 1948 einen Zugang von 92 354, einen Abgang von 73 816 und 1950. einen Zugang von 78 158 und einen Abgang von 69 052. In den ersten acht Monaten dieses Jahres stellt sich die Fluktuation wie folgt dar: Zugang 61 916, Abgang 49 890.
Das Programm für den Bergarbeiterwohnungsbau kann nicht allein vom Bergbau bzw. allein von den Ländern, in denen Bergbau betrieben wird, erfüllt werden. Neben den 23 000 Bergarbeiterwohnungen, die sich in Bau und Planung befinden, fehlen 92 000 Bergarbeiterwohnungen. Das ganze deutsche Volk fühlt sich bei Durchführung dieser wirtschaftlich notwendigen Aufgabe solidarisch verbunden. Einige Zahlen mögen die Leistungen des Bergbaues im Wohnungsbau veranschaulichen: Der Wohnungsbestand des Bergbaues vor dem Kriege war 311 362 Wohnungen. Nach dem Kriege gab es noch 73 870 unbeschädigte Wohnungen im Bergbau. Durch Instandsetzungen, Wiederaufbau, Ausbau von Dachgeschossen und durch Teilung von Wohnungen wurden bis zum 30. Juni 1951 insgesamt 220 320 Wohnungen wiederhergestellt. Noch beschädigte, aber bewohnte Bergarbeiterwohnungen gibt es 26 103, so daß am 1. Juli 1951 insgesamt 320 239 bewohnte Bergarbeiterwohnungen vorhanden waren. Davon sind zecheneigene Wohnungen 229 858. Da in dieser Zahl 61 023 Wohnungen enthalten sind, die von Werksfremden bzw. Invaliden bewohnt sind, beträgt. die Zahl der verfügbaren Wohnungen für Bergarbeiter 168 835, wozu aus dem privaten Sektor 90 435 für den Bergbau verfügbare Wohnungen kommen. So sind zur Zeit von aktiven Bergarbeitern insgesamt 259 270 Wohnungen bewohnt. In einer Notunterkunft wohnen 3400 Familienväter und getrennt von der Familie 46 000 Bergarbeiter.
Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Bergarbeiterwohnungsgesetzes sieht eine Abgabe von 2 DM pro Tonne Steinkohle und eine solche von 1 DM pro Tonne Braunkohle vor. Wir wissen um die Belastung, aber die Dauer dieser Belastung soll auf drei Jahre begrenzt werden. Die Abgabe fließt nicht in den allgemeinen Topf und ist kein Vermögen der Deutschen Kohlenbergbauleitung, sondern stellt ein Treuhandvermögen dar, das, wie Sie aus dem Gesetz ersehen, durch Treuhandgesellschaften verwaltet wird und ausschließlich dem Bergmann zugute kommen soll. 92 000 Wohnungen in zwei Jahren, das ist das Ziel. Die Mittel aus der Abgabe sind zusätzliche Mittel; man schätzt auf 200 Millionen Aufkommen pro Jahr. Ferner werden nach diesem Gesetz, dessen Durchführung eine letzte Kraftanstrengung des gesamten deutschen Volkes bedeutet, die Arbeitgeber, d. h. die Bergwerksunternehmen, noch zusätzliche Arbeitgeberdarlehen geben. Wir hoffen, daß dieses Gesetz dazu anregen wird, auch ERP-Mittel freizumachen, damit auch sie in den Bergarbeiterwohnungsbau fließen, weiter, daß die Landesmittel sich nicht verringern, ebenso, daß über den allgemeinen Kapitalmarkt die erststelligen Hypotheken in den Bergarbeiterwohnungsbau gelenkt werden, damit der
Bau von 92 000 Wohnungen in zwei Jahren gesichert ist.
Wenn der Wohnungsbau für eine Steigerung der Kohlenförderung wirksam werden soll, so muß schnell gehandelt werden. Deshalb ist der Wohnungsbau-Ausschuß von der ursprünglichen Regierungsvorlage, die 1 DM Abgabe pro Tonne vorsah, abgewichen und hat 2 DM für die Tonne Steinkohle und 1 DM für die Tonne Braunkohle vorgeschlagen.
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Die Mehrheit des Wirtschaftsausschusses hat diesem Beschluß zugestimmt. Nur so wird es möglich sein, 92 000 Bergarbeiterwohnungen bereits in zwei Jahren zu erbauen.
Die Geltungsdauer des Gesetzes ist auf drei Jahre begrenzt. Der Bundestag kann also nach Ablauf der Jahre erneut zu diesem Problem Stellung nehmen. Die Zahl der Abwanderungen und die Zahl der von der Familie getrennt lebenden Bergleute sowie das Ziel - 92 000 Bergarbeiterwohnungen in zwei Jahren - rechtfertigen die Vorlegung eines solchen Gesetzes und die Belastungen, die dem deutschen Volk und der deutschen Wirtschaft mit dem heutigen Beschluß zugemutet werden. - Soviel zur Rechtfertigung dieses Gesetzes.
Das Ihnen vorliegende Gesetz bietet dem baulustigen Bergmann die Möglichkeit, für sein Bauobjekt die Form des Eigenheims, der Kleinsiedlung oder des Wohnungseigentums zu wählen. Das Gesetz bevorzugt geradezu den einzelnen Bergmann; er wird in die Lage versetzt, ein Eigentum zu erwerben, das ihm in seinem gefahrvollen Beruf das Gefühl der Sicherheit für seine Familie gibt und ihn seßhaft macht.
Das vorliegende Bergarbeiterwohnungsgesetz wurde vom Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen nach drei Lesungen einstimmig verabschiedet Der Wirtschaftsausschuß hat über die Abgabe mid die Geltungsdauer des Gesetzes mit-beraten und hat mit Mehrheit zugestimmt. Auf die Erläuterung der einzelnen Paragraphen kann daher verzichtet werden. Nur bei einigen wenigen Punkten möchte ich die Absicht und die Auffassung des Ausschusses zum Ausdruck bringen.
Die klare Gliederung in drei Teile soll das Gesetz einfach und volksnahe machen. Der erste Teil behandelt die Abgabe, der zweite die Verfahrensvorschriften und der dritte die Schlußvorschriften.
Zu der Abgabe - davon handelt der erste Teil des Gesetzes - vertrat der Ausschuß die Auffassung, daß es eine echte Abgabe sein müsse, an der keiner verdienen soll. Unter Absatz ist unter den gegenwärtigen Verhältnissen der gesamte Verkauf und Versand aller Zechen und Kokereien einschließlich Landabsatz, Lieferungen an Verbrauchsstellen, die überwiegend im Besitz von Bergwerksunternehmen stehen, bzw. solche Verbraucher, die die Majorität des Gesellschaftskapitals eines Bergwerksunternehmens besitzen, ferner die Lieferungen der Zechen und Kokereien untereinander zu verstehen. Nicht „Absatz" im Sinne dieser Definition sind der Zechenselbstverbrauch, die Lieferungen von Deputatkohlen und die Brennstofflieferungen von Zeche zu Zeche innerhalb derselben Gesellschaft. Auf den Absatz in 'diesem Sinne erstreckt sich die Tätigkeit der Kohlenverkaufsorganisationen söwohl bei der Steinkohle als auch bei der Braunkohle. Da nach § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues die Lieferungen von Kohle der Bergwerksunternehmen untereinander schlechthin , von der
({9})
Erhebung der Abgabe ausgenommen sind, gibt die obige Definition eine ausreichende Umgrenzung des Begriffes Absatz.
Nach den vorgesehenen Satzungen für die gemäß Gesetz Nr. 27 zu gründenden neuen Verbundunternehmen des Kohlenbergbaus und der Eisenindustrie werden auch die Lieferungen von Kokskohle an Hüttenkokereien bzw. von Koks an die Hüttenwerke der im Verbund stehenden Unternehmen als Absatz betrachtet werden müssen.
Auch der Staat soll nicht verdienen. Deshalb muß der Betrag der Abgabe im Kohlenhandel unter der Rechnung als „Abgabe" aufgeführt werden.
Es sei nochmals betont, daß es die Auffassung des Ausschusses gewesen ist, daß die Abgabe für Kohle einzig und allein dem Bergarbeiterwohnungsbau dienen soll. Das Gesetz will aber einen Anreiz geben, Bergarbeiterwohnungen auch darüber hinaus zu schaffen. Wenn z. B. ein Privatbauherr mindestens vier Bergarbeiterwohnungen baut, dann kann er eine Wohnung für sich beanspruchen, falls er einen wesentlichen Beitrag geleistet hat.
Der zweite Teil enthält die Verfahrensvorschriften. Wesentlich ist die Einsetzung eines Bezirksausschusses, der die Planung für die Schwerpunkte des Bergarbeiterwohnungsbauprogramms aufstellt. Am Bezirksausschuß sind alle am Bergarbeiterwohnungsbau interessierten behördlichen Stellen und Organisationen beteiligt. Es gibt in Zukunft für dieses Sonderbauprogramm nur eine Bewilligungsstelle, die über den Antrag des Bauherrn zu entscheiden hat.
Der Schlußteil des Gesetzes koordiniert dieses Gesetz mit dem Ersten Wohnungsbaugesetz und ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, wie in Sonderheit die Vorschriften der Gesetze über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht gerade auch bei der Durchführung dieses Gesetzes angewendet werden sollen.
Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, dem vorliegenden Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung zuzustimmen. Der Ausschuß hat das Gesetz einstimmig beschlossen. Möge sich diese Einstimmigkeit auch auf dieses Hohe Haus übertragen, damit wir sichtbar über alle Parteien hinweg den deutschen Bergmann erkennen lassen, daß der Bundestag sehr ernst die Lösung des Problems des Bergarbeiterwohnungsbaues anstrebt.
({10})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren. Es liegt lediglich ein Abänderungsantrag der Zentrumsfraktion auf Umdruck Nr. 312 vor. Darf ich im Interesse der Vereinfachung des Verfahrens vorschlagen, daß die Abänderungsanträge zu den §§ 1, 3, 11, 13 und 17 im Zusammenhang begründet werden?
({0})
- Ich habe sie eben bekommen. Ich nehme an, daß sie gerade verteilt werden; sie wurden unter Aufgebot aller Kräfte vervielfältigt.
({1})
- Dann darf ich vorschlagen, daß zunächst § 1 aufgerufen wird. Wer wünscht, den Abänderungsantrag zu begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um die zweite Beratung eines
Gesetzes; in einer zweiten Beratung hat jeder Abgeordnete das Recht, unabhängig von der Meinung einer Fraktion seine eigene Meinung hier zum Ausdruck zu bringen und -
Nicht nur in der zweiten Beratung, dieses Recht haben die Abgeordneten immer!
- ich bin noch nicht fertig, Sie haben mich unterbrochen, Herr Präsident - einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ich bin auf dem Wege hierher danach gefragt worden.
Meine Damen und Herren! Wir haben gestern erst die Drucksache bekommen, und bei einem so ungewöhnlichen Gesetz ist es ja ein etwas schnelles Verfahren, schon heute darüber zu beraten und zu beschließen. Es handelt sich hier um nicht mehr und nicht weniger als um die Einführung einer neuen Verbrauchssteuer, einer neuen indirektèn Steuer für einen sicher edlen und förderungswürdigen Zweck. Aber man fragt sich natürlich, ob ein an sich edler Zweck - es handelt sich um einen Entwurf, den wir alle begrüßen und den wir alle hier wiederholt gefordert haben - jedes Mittel rechtfertigt, das von der Regierung vorgeschlagen wird. Aber alle Bedenken, die bei uns zum Ausdruck gekommen sind, werden uns nicht hindern, dem Gesetz unsere Zustimmung zu geben. Ganz im Gegenteil! Wir wollen mit unseren Abänderungsanträgen nur die Mängel, die wir entdeckt zu haben glauben, zu korrigieren versuchen.
Der Antrag zu § 1 - ({0})
- Ich selber bin nicht Mitglied des Ausschusses.
({1})
- Mein Parteifreund, der im Ausschuß war, hat diese Vorschläge nicht bringen können, weil wir gestern erst Gelegenheit zur Beratung hatten.
({2})
Wir haben zu § 1 Abs. 2 einen Abänderungsvorschlag gebracht, der darauf hinzielt, nicht nur die Fremdlieferungen der Kohlenbergbauunternehmungen, also den Absatz im technischen Sinne mit der Abgabe zu belasten, sondern jede Lieferung mit Ausnahme des Selbstverbrauchs. Es ist nicht einzusehen, warum die Lieferungen einer Kohlengrube an im eigenen Konzern befindliche Stahlwerke, Gießereien, Elektrizitätswerke oder Kokereien der Kohlenabgabe nicht unterfallen sollten. Wir haben deshalb vorgeschlagen, außer dem Ausdruck „abgesetzte Tonne Steinkohle" in § 1 hineinzubringen: „sowie für Lieferungen an Bergbauunternehmen oder sonstige Verbrauchsstellen, die daraus Strom, Gas und Eisen erzeugen". Im Ausschuß ist über diese Frage ja auch eingehend debattiert worden. Man hat diesen Gedanken grundsätzlich auch akzeptiert, hat aber geglaubt, mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Formulierung diesen Grundgedanken nicht aufnehmen zu sollen. Meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten der Formulierung sind nicht von entscheidender Bedeutung, vor allem deshalb nicht, weil es sich ja um eine relativ geringe Anzahl von Fällen handelt. Es ist durchaus möglich, diese geringe Anzahl von Fällen durch eine Pauschalierung absolut gerecht und korrekt zu erfassen. Lassen wir aber diese Bestimmung, die an sich der Be({3})
schlußfassung des Ausschusses entspricht, aus dem Gesetz heraus, dann ist hinterher nicht mehr die Möglichkeit gegeben, etwa im Wege der Rechtsverordnung eine erweiterte Steuererhebung durchzuführen. Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß es sich hier um ein Steuergesetz handelt. Eine Ausdehnung einer solchensteuerrechtlichen Vorschrift im Wege der Rechtsverordnung ist aber nach den Bestimmungen des Grundgesetzes unmöglich. Der Finanzminister oder der sonst zuständige Minister kann im Wege der Rechtsverordnung die Pauschalierung lediglich dann durchführen, wenn ihm die Rechtsgrundlage dafür im Gesetz selbst geboten wird. Entsprechend den Wünschen des Ausschusses schlagen wir eine Formulierung vor, die sicherstellt, daß auch die Innenlieferungen mit der Kohlenabgabe belastet werden können. Das ist die Begründung zunächst zu Ziffer 1.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, diesen Antrag abzulehnen.
({0})
In § 10 Abs. 2 ist die Bundesregierung ermächtigt worden, durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Erhebung der Abgabe durch die Bundesfinanzbehörden und die Weiterleitung des Aufkommens zu erlassen. Darüber hinaus hat der Berichterstatter in sehr klarer Form die Definition gefunden, was wir unter Abgabe verstehen. Ich möchte auch noch einmal ausdrücklich betonen, daß im Ausschuß Einmütigkeit darüber vorhanden war, daß auch die geförderte Kohle, die im eigenen Hüttenbetrieb weiter bearbeitet wird, für die Abgabe heranzuziehen ist. Ich glaube, damit sind die Sorgen des Herrn Kollegen Bertram bereinigt, und bitte, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Prinzip halten wir den Antrag, den die Zentrumsfraktion zu § 1 gestellt hat, für erfreulich. Wir sind jedoch der Meinung, daß in der Tat von Herrn Kollegen Dr. Bertram keine genügende Erklärung dafür abgegeben worden ist, warum dieser Antrag erst heute kommt.
({0})
Daß Sie, Herr Kollege Dr. Bertram, gestern erst in den Besitz der Vorlage gekommen sind, kann nicht durchschlagen. Wir haben in einer ganzen Reihe von Sitzungen sowohl des Wiederaufbauausschusses als auch des Wirtschaftspolitischen Ausschusses über diese Materie gesprochen, und es hätte in vielfacher Form die Möglichkeit bestanden, zu den Dingen Stellung zu nehmen.
Im übrigen scheint uns wesentlich zu sein, noch einmal das zu unterstreichen, was zu § 1 der Herr Berichterstatter ausgeführt hat. Er hat eine Art Legaldefinition versucht. Die Zentrumsfraktion hat durchaus richtig erkannt, daß es in § 1 einen Punkt gibt, der der Klärung bedarf. Wir haben uns gerade in der Sitzung des Wiederaufbauausschusses am Montag sehr eingehend über diesen Punkt, nämlich die Frage unterhalten, was denn unter dem Eigenverbrauch, dem Selbstverbrauch der Bergbauunternehmen zu verstehen ist, und sind zu der Meinung gekommen, daß hier eine sehr enge Interpretation notwendig ist. Ich darf das, was der Kollege Winkelheide nach dieser Richtung bin gesagt hat, noch einmal ausdrücklich unterstreichen und betonen, daß nach einmütiger Auffassung des Ausschusses unter „Lieferungen der Kohlenbergbauunternehmen untereinander" nicht die Lieferungen von Kohle selbst zu verstehen sind, sondern lediglich die Lieferungen von in Energie, Wärme oder Preßluft umgesetzter Kohle, also der reine Selbstverbrauch. Wenn das in den Durchführungsbestimmungen in klarer Weise zum Ausdruck gebracht wird und als Meinung des Plenums in dieser Beratung eindeutig festgelegt wird, dann scheint uns keine Notwendigkeit zu bestehen, den Anderungsantrag der Zentrumsfraktion aufrechtzuerhalten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist dem Ausschuß für Finanzen und Steuern nicht übergeben worden, obwohl er als Steuergesetz in diesen Ausschuß gehört hätte. Ich bin der Ansicht, wenn er in diesem Ausschuß behandelt worden wäre, wäre die fragliche Vorschrift mit Rücksicht auf die außerordentlich strenge -Bestimmung des Grundgesetzes im Ausschußbericht schon anders gefaßt worden. Wenn wir hier vorschlagen, daß die Lieferungen an Bergbauunternehmen oder sonstige Verbrauchsstellen, die aus der Kohle Strom, Gas und Eisen erzeugen, belastet werden sollen, so ist das deshalb notwendig, weil im Gesetzestext allgemein Lieferungen von Bergbauunternehmen untereinander befreit sind. Diese generelle Befreiung kann auch auf Grund des Berichts des Berichterstatters, auch auf Grund der übereinstimmend geäußerten Meinung aller Abgeordneten durch eine Rechtsverordnung nachträglich nicht mehr beseitigt werden. Wir begehen einen Kunstfehler, wenn wir die einheitliche Meinung des Hauses nicht auch in der grundlegenden Steuerbestimmung des § 1 entsprechend zum Ausdruck bringen. Gerade wenn Sie der Ansicht sind, daß diese Bestimmung so ausgelegt werden sollte - Sie sind j a mit mir der gleichen Ansicht -, dann beseitigen Sie die Zweifel, die bisher nach meiner festen Überzeugung bei diesen Dingen bestehen!
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Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu § 1 nur wenige Worte. Der § 1 ist der wesentlichste Paragraph dieser Gesetzesvorlage. In § 1 wird nicht nur festgelegt, wer etwas aufzubringen hat, sondern auch, wer die Zeche letzten Endes bezahlen soll. Wir haben nichts dagegen, daß eine Abgabe erhoben wird, daß irgend jemand etwas für soziale Zwecke aufzubringen hat. Dagegen wird man nichts einzuwenden haben. Es kommt nur darauf an, wer es aufbringen soll. Wir stehen auf dem Standpunkt: Wer hat, der soll geben, und die breite Masse des Volkes hat eben nicht. Diejenigen, die schon einmal pro Tonne etwas gegeben haben, sollen auch jetzt wieder abgeben. In diesem Falle wird alles auf die breite Masse der Verbraucher abgewälzt. Deshalb können wir dem § 1 unsere Zustimmung nicht geben.
Wir geben dem § 1 unsere Zustimmung auch deshalb nicht, weil es sich nur um eine Abgabe für
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die Kohle handelt, die im Inland abgesetzt wird. Wir verschenken Kohle ans Ausland und schließen sie von dieser Abgabe für soziale Zwecke aus! Das halten wir nicht für gut.
Ein weiterer Grund für unsere Ablehnung ist folgender. Es ist ja nicht so, daß nur die Hausbrandkohle teurer wird und daß dadurch die Massen belastet werden sollen. Alle anderen, insbesondere die Industrie, können die Belastung wieder abwälzen, so daß von hier aus eine Preiswelle nach der anderen erzeugt wird.
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Wir stellen zu § 1 daher folgenden Abänderungsantrag:
In § 1 Abs. 4 werden die Worte „für die im Inland abgesetzte" und „zuzüglich des Betrages der Abgabe" gestrichen.
- Bitte, Herr Präsident!
Ich habe den Antrag bereits hier, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich darf zur Klarstellung sagen: wenn die Worte „für die im Inland abgesetzte" gestrichen werden sollen, dann heißt es: „ Die Abgabe wird Kohle durch einen Zuschlag zu dem Preis aufgebracht." Das scheint mir nicht ganz sinnvoll zu sein. Ich schlage vor, wenn Sie den Antrag stellen, das Wort „Kohle" auch zu streichen.
({0})
Das Wort hat ,der Herr Bundesminister für
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte die vorliegenden Anträge abzulehnen.
Zunächst zu .dem Antrag der KPD. Es ist nicht richtig, daß nur die im Inland abgesetzte Kohle belastet wird.
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- Doch! Hören Sie doch einmal zu! Sie müssen das Gesetz lesen! Der Abs. 4 bestimmt bloß die Erhebung der Abgabe im Inland; im Auslandsverkehr wird die Abgabe eingerechnet in den Preis, der um 31/2 Dollar pro Tonne erhöht worden ist.
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- Ach du lieber Gott, ich glaube, Sie verstehen das nicht richtig!
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Die Abgabe wird im Verkehr mit dem Ausland nicht durch einen Zuschlag zum Preis erhoben, dagegen im Inland durch einen Zuschlag zum Preis, der für den letzten Verbraucher ,die Last tragbar machen soll, weil dieser Preiszuschlag bei allen Spannenberechnungen und bei der Umsatzsteuer wegfällt und in jeder Rechnung besonders ausgebracht werden muß.
Das zweite ist: der kleine Verbraucher, der vor allem beim Hausbrand belastet wird, trägt im wesentlichen, nur die niedrigere Steuer, weil der Hausbrand zu einem überwiegenden Teil aus Braunkohlenbriketts besteht.
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Das macht also für die 20 Zentner der Winterzuteilung eine Mark oder für den Zentner fünf
Pfennig. Das sind die wesentlichen Gründe, aus denen der Ausschuß einstimmig 'zu dieser Formulierung kam.
Den Antrag der Zentrumsfraktion bitte ich zurückzuziehen oder abzulehnen. Die Dinge sind im Wohnungsausschuß sehr gründlich besprochen worden, und ich möchte an dieser Stelle dem Wohnungsausschuß für seine intensive Arbeit und für die große Schnelligkeit, mit der er diese Arbeit in sehr langen Aussprachen gefördert hat, besonders danken. Die Geschäftslage des Hohen Hauses hat es ja nicht gestattet, dieses Gesetz noch vor den Parlamentsferien zum Beschluß zu erheben. Um so dankbarer bin ich, daß jetzt so schnelle Arbeit geleistet worden ist. Bei dieser Arbeit ist die Frage der Lieferungen der Kohlenbergbauunternehmungen untereinander sehr gründlich besprochen worden. Sie ist kompliziert. Die vorliegende Fassung ist richtig. Was von den Gedanken des Herrn Kollegen Bertram Meinung des Hohen Hauses ist, wie der Herr Kollege Jacobi bereits ausgeführt hat, das wird in einer Rechtsverordnung niedergelegt werden können. Der Wortlaut des Gesetzentwurfs steht ,dem nicht entgegen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Nachdem der Antrag des Zentrums in dieser Weise begründet worden ist, besteht natürlich die Gefahr, daß eine Ablehnung dieses Antrags dann gerade eine einengende Auslegung dieses Gesetzes heraufbeschwört. Um dem unter allen Umständen zu begegnen, möchte ich den Vorschlag machen und ihn zum Antrag an das Hohe Haus erheben, daß in § 1 hinter „Lieferung 'der Kohlenbergbauunternehmen untereinander" in Klammern eingefügt wird „reiner Zechenselbstverbrauch".
Ich glaube, wenn wir das tun, dann ist nach jeder Richtung hin den Bedenken, die vom Zentrum erhaben worden sind, Rechnung getragen. Ich möchte auch meinen, daß dann der Antrag des Zentrums zurückgezogen werden könnte.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Wir ziehen unseren Antrag zurück, nachdem dem Anliegen Rechnung getragen ist.
Ich stelle fest: der Antrag
Ziffer 1 auf Umdruck Nr. 312 wird zurückgezogen
({0})
- für den Fall, daß dieser Antrag angenommen wird. Dieser Antrag lautet, hinter dem Wort „untereinander" in der vorletzten Zeile des Abs. 2 des § 1 einzufügen: „({1})". Ist der Antrag klar, meine Damen und Herren?
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Ich komme also zunächst zur Abstimmung über den Antrag, den der Herr Abgeordnete Dr. Preusker eben gestellt hat. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Einfügung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag in Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 312 der Fraktion des Zentrums zurückgezogen.
Ich komme sodann zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der KPD, in § 1 Abs. 4 die
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Worte „für die im Ausland abgesetzte Kohle" und die Worte „zuzüglich des Betrages der Abgabe" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § .1 in der durch Annahme des von Herrn Abgeordneten Dr. Preusker gestellten Antrags abgeänderten Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe § 2 auf. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. § 2 ist angenommen.
Zu § 3 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion des Zentrums auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 2 vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren, darf ich im Interesse der Vereinfachung - nachdem der Text jetzt verteilt worden ist - vorschlagen, daß sämtliche Abänderungsanträge des Zentrums zusammen begründet werden? Der Weg ist immer etwas weit von dort hinten nach hier vorn.
Meine Damen und Herren! Wir haben zu § 3 einen Abänderungsantrag gestellt, der sich unserer Meinung nach eigentlich ganz von selbst versteht. Wir wollen doch dafür sorgen - das ist hier in diesem Hohen Hause wiederholt zum Ausdruck gekommen -, daß zunächst der Eigenheimbau der Bergarbeiter gefördert wird. Es ist in § 3, der die drei Buchstaben a, b und c enthält, keine Rangordnung vorgesehen. Es wäre deshalb durchaus möglich - und das befürchten wir -, daß diejenigen Stellen, die einen stärkeren wirtschaftlichen Einfluß auf die vorgesehenen Treuhandstellen haben, bevorzugt bedient werden. Es ist jetzt auch schon so gewesen, daß bei der Wohnungsbaufinanzierung die stärkeren und größeren Objekte leichter finanziert werden konnten als die kleinen Einzelobjekte, die sehr viel Arbeit machen.
Wenn wir deshalb vergessen, in dieses Gesetz unter Buchstabe a einen Vorrang hineinzuschreiben, so besteht tatsächlich die Gefahr, daß das effektive Schwergewicht bei b und c liegt und daß a zu kurz kommt; d. h. die Eigenheime werden zu kurz kommen und die großen, zusammenhängenden Siedlungen werden bevorzugt werden. Wegen dieses natürlichen Schwergewichts, das sich eben daraus ergibt, daß große Sachen leichter abzuwickeln sind, ist es erforderlich, daß in diesem Gesetz ein Vorrang für die unter dem Buchstaben a Genannten geschaffen wird, um die bürokratischen Hemmungen, die in der Abwicklung liegen und die vielleicht gar nichts mit bösem Willen zu tun haben, dabei zu überwinden. Deshalb unser Antrag. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
Wollen Sie die anderen Anträge auch begründen, Herr Dr. Bertram?
Wir haben ferner beantragt, im § 11 neben dem Bundeswohnungsbauminister den Bundeswirtschaftsminister zu nennen'. Wir sind der Ansicht, daß es sich bei diesem Gesetz ja nur dem äußeren Anschein nach um ein Wohnungsbaugesetz handelt. Materiell handelt es sich ja um ein produktionspolitisches Gesetz. Es soll die Förderung des wichtigsten Grundstoffes, den wir haben, nämlich der Kohle, verstärkt werden. Aber die Entscheidung, wo es erforderlich sein wird, die Förderung von Kohle zu intensivieren, ist in erster Linie in die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums zu legen. Nicht der Bundeswohnungsbauminister und auch nicht die örtlichen Stellen können entscheiden, wo der Schwerpunkt der künftigen Förderung zu liegen hat, weder ländermäßig noch regional. Deshalb ist "es unbedingt erforderlich, daß in diesem produktionspolitischen Gesetz dem Bundeswirtschaftsminister ein Mitspracherecht eingeräumt wird. Das ist der Sinn unseres Antrags zu § 11 Abs. 1. Wir finden ferner, daß es sich hier doch um Mittel des Bundes handelt. Es handelt sich um eine Steuer des Bundes, und der Bund gibt die Mittel her. Deshalb wäre es erforderlich, ganz allgemein dem Bundesminister für den Wohnungsbau im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister die allgemeine Lenkung der Mittel anzuvertrauen. Diese Stellen müssen über die Verwendung der Mittel entscheiden. Der Paragraph würde sddann heißen: „Über die Verwendung der Mittel, insbesondere . . ..", und dann die Aufzählung der Mittel nach a, b und c.
Vergessen worden ist unserer Ansicht nach, daß ja früher oder später dieses Sondervermögen einmal wieder zurückfließt. Es wird getilgt, es wird verzinst. Wo werden früher oder später diese Rückflüsse nach Abwicklung des ganzen Wohnungsbauprogramms bleiben?
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- Ich weiß es! Es müßte aber in diesen § 11 eine Bestimmung aufgenommen werden, wonach die beteiligten Ministerien insbesondere auch über die Rückflüsse und über die Zinserträge zu bestimmen haben.
Zu § 13 haben wir bezüglich der Besetzung der Bezirksausschüsse vorgeschlagen, zwei Vertreter der Bundesregierung in die Bezirksausschüsse mit hineinzunehmen. Es ist doch so, daß die Mittelverteilung praktisch in den Bezirksausschüssen erfolgt; und in den Bezirksausschüssen sitzt kein einziger Vertreter des Geldgebers, nämlich des Bundes. Ich kann mir nicht vorstellen, daß wir als Bundesparlament einen Bezirksausschuß konstruieren sollen, in dem kein einziger Vertreter vorhanden ist, der die Bundesinteressen als solche wahrnimmt. Deshalb halte ich es für erforderlich, daß Vertreter der Bundesregierung in den Bezirksausschüssen mitwirken, ohne daß etwa der Bund dabei notwendigerweise die Mehrheit hätte; aber die Mitwirkung von Bundesvertretern in den entscheidenden Stellen ist unseres Erachtens unerläßlich.
Zu § 17 Abs. 2, wo es sich um das Treuhandvermögen handelt, haben wir ebenso beantragt, die Worte einzufügen „sowie etwaige Rückflüsse und Zinserträge", um sicherzustellen, daß zu dem Treuhandvermögen nicht nur die ersten Mittel, nicht nur die Erstausstattung gehören, die der Bundeswohnungsminister mit dem Bundeswirtschaftsminister den Treuhandstellen zur Verfügung stellt, sondern daß dazu auch dasjenige gehört, was an Tilgung und Zinsen hereinkommt.
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- Früher oder später, Herr Preusker, müssen die Mittel dem Haushalt des Bundes ja zugeführt werden; sie werden haushaltsmäßig auch abgerechnet werden müssen, wie es bei den ERP-Mitteln der Fall ist. Um eine eindeutige Rechtsgrundlage dafür zu schaffen und nicht die Gefahr zu laufen, daß
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diese Rückflüsse und Zinserträge für irgendwelche Sonderinteressen einkassiert werden, wie es geschehen könnte, wenn nichts darüber gesagt ist, halten wir diese Bestimmung für erforderlich.
Ich darf also zunächst § 3 zur Besprechung stellen. Wollen Sie dazu sprechen, Herr Abgeordneter Wirths?
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- Bitte schön!
Meine Damen und Herren! Wenn wir uns angewöhnen, all das, was in den Ausschüssen verhandelt wird, hier nochmals vorzutragen, dann können wir entweder die Ausschüsse abschaffen oder die Plenarsitzungen ins Unendliche verlängern.
({0})
Alles, was Herr Dr. Bertram hier vorgetragen hat, ist in den Ausschußberatungen eingehend behandelt worden.
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Wenn er die Protokolle des Ausschusses gelesen hätte, hätte er gesehen, daß wir uns gerade über den § 3 eingehend unterhalten haben. Und die Vorschläge, die er jetzt hier gemacht hat, sind nicht einmal von seinem Vertreter im Ausschuß vorgebracht worden, sondern ergaben sich aus der allgemeinen Debatte.
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Nun ist doch folgendes festzustellen. Wir haben das erste Bundeswohnungsbaugesetz, das eine Aufzählung der Bauherren vornimmt. Wir haben uns im vorliegenden Gesetz entschlossen, bestimmte Gruppen von Bauherren zu bevorzugen.' Das haben wir aus einer ganzen Reihe von Gründen getan, über die ich gleich etwas sagen werde. Wenn wir schon eine bevorzugte Gruppe von dreien im Gesetz haben, können wir doch unmöglich eine davon noch ein weiteres Mal bevorzugen. Das gäbe ja eine dreistufige Rangordnung. Im Regierungsentwurf war ursprünglich die erste Gruppe, nämlich die der Arbeitnehmer des Bergbaus hinten; dann, haben wir sie nach vorne geholt und gesagt: wir tun das, um die Stellen darauf hinzuweisen, daß die Arbeitnehmer bei der Verteilung der Mittel bevorzugt berücksichtigt werden sollen, wenn sie Eigenheime oder Wohnungseigentum schaffen wollen. Dann ist noch durch den Herrn Wiederaufbauminister von Nordrhein-Westfalen beantragt worden, die Worte einzufügen: „selbst oder durch einen Bauträger". Damit haben wir ja das erfaßt, was Herr Dr. Bertram will. In der Praxis liegt ja tatsächlich sehr viel bei den betreuenden Stellen. Im Ausschuß ist erklärt worden, daß diese Stellen auch den einzelnen Arbeitnehmer betteuen sollen, der sich ein Eigenheim bauen will.
Der Buchstabe b ist deshalb aufgenommen worden, weil wir nach dem Inkrafttreten des Bundeswohnungsbaugesetzes die Erfahrung gemacht haben, daß zu wenig für den Wiederaufbau getan worden ist. Wir haben - ich weiß die Zahl nicht auswendig - soundsoviel zerstörte Wohnungen, die im Besitz von Siedlungsgesellschaften, von Zechen und zum Teil im Besitz von Privaten sind. Diese Wohnungen haben ebenfalls der Unterbringung der Bergleute gedient. Man mußte also auch hier eine Bevorzugung zugunsten des Wiederaufbaues dieser Wohnungen festlegen.
Drittens haben wir dann noch in Buchstabe c die Bauherren hereingebracht, die insbesondere in der Rechtsform des Wohnungseigentums oder des Dauerwohnrechts Wohnungen für die Arbeitnehmer des Bergbaus schaffen wollen.
Schließlich hat man - ich möchte sagen: logischerweise - auch noch die dazu genommen, die auf Grund eines Nutzungsvertrages Dauerwohnungen für den Bergbau schaffen wollen.
Das ist also der grundlegende Gedanke gewesen. Man wollte eine gewisse Hervorhebung dieser drei Gruppen gegenüber der Behandlung schaffen, die das Bundeswohnungsbaugesetz festgelegt hat.
Ich möchte Sie bitten, den Antrag des Zentrums abzulehnen, soweit er sich auf die Änderung des § 3 bezieht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf das wesentlichste Argument des Kollegen Bertram ist der Kollege Wirths soeben nicht eingegangen, nämlich auf das Argument, daß, wenn ein großes Projekt und mehrere kleine Projekte von einzelnen Bergarbeitern, die ein Eigenheim bauen wollen, vorliegen, im Zweifel das große Projekt vorgezogen wird und der kleine Mann, hinten runterfällt.
Der Kollege Wirths hat im übrigen gesagt, daß das, was wir wollen, auch den im Ausschuß angestellten Überlegungen zugrunde gelegen hätte. Demnach steht doch nichts im Wege, unserem Antrag zuzustimmen:
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- Nein, es steht nicht drin.
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Die Reihenfolge der Aufzählung in § 3 bedeutet keineswegs eine Reihenfolge im Rang, und das Schwergewicht der Tatsachen wird dahin führen, daß dann der einzelne Mann, der sein Eigenheim erstellen will, dabei schlecht fährt, daß er durch die anderen zurückgedrängt wird und ins Hintertreffen gerät.
Nun komme ich aber auf das einzige Argument, das Kollege Wirths in der Begründung seiner Haltung anführt: Wir haben das alles im Ausschuß sorgfältig überlegt. Darauf erwidere ich: Jawohl, aber nicht mit dem Ergebnis, das wir wünschen. Dann steht es doch jedem Abgeordneten selbstverständlich frei, gerade gegen ein solches Votum des Ausschusses - mehr ist es doch nicht - das 'Plenum anzurufen. Dazu sind wir doch hier. Die Ausschüsse sind doch nicht in der Lage, die Entscheidungen des Plenums vorwegzunehmen, sondern können sie höchstens vorbereiten. Es spielt doch gar keine Rolle, wer diese Anregungen im Ausschuß gegeben und zur Aussprache gestellt hat; wir können trotzdem diesen Wunsch nachträglich vertreten. Wir halten es für sehr wichtig, ja für einen Kernpunkt des Gesetzes, daß der einzelne Arbeiter, der ein Eigenheim erstellen will, gefördert wird. Wir sind deshalb der Meinung, daß das Plenum selbst zu dieser .Frage Stellung nehmen muß; sonst kommt es nur zu einer Art von Förderung der großen Gesellschaften, des allgemeinen Wohnungsbaus und gerade nicht zu dem, was wir für notwendig halten, nämlich zur Förderung des einzelnen baulustigen Arbeiters selbst.
Wenn nun gefragt wird, wohin wir kommen sollen, wenn solche Sitten einreißen, daß gegen die Be({2})
schlüsse der Ausschüsse das Plenum angerufen wird, so zeugt dieser Hinweis von einer Verkennung des Sinnes der Plenardebatten überhaupt. Dem parlamentarischen System entginge das Kernstück, wenn man dazu überginge, hier überhaupt nicht mehr zu debattieren und sich nicht mehr in echter Auseinandersetzung darum zu streiten, um zu einem abschließenden Gesamtergebnis im Plenum zu kommen, und wenn man alles den Ausschüssen überließe. Im übrigen sehe ich auch nicht ein, weswegen dieser von uns nicht gebilligte Grundsatz nur bei unseren Anträgen ab und zu einmal hervorgeholt wird, während Abänderungsanträge anderer Parteien ohne weiteres zur Diskussion und zur Abstimmung gestellt werden, ohne daß diese Gesichtspunkte dabei überhaupt eine Rolle spielen, und mit Recht. Man darf auch nicht so argumentieren: Der Ausschuß hat das gemacht, folglich haben wir uns dem zu fügen. Wir werden uns gestatten, daran zu erinnern, wenn andere Parteien wieder, wie es schon so oft vorgekommen ist, gegen Ausschußentscheidungen an das Plenum appellieren, und wir werden dann daran erinnern, daß man uns, wenn wir einmal an der Reihe waren, mit diesem Argument gekommen ist, aber auch bisher nur uns.
Schließlich ist es merkwürdig, daß Sie, Herr Kollege Wirths, gegen den Antrag selbst, gegen das Anliegen, das Kollege Bertram eben vorgetragen hat, öffentlich jedenfalls, in der Debatte keinerlei Gesichtspunkte angeführt, sondern nur gesagt haben, Sie seien der Ansicht, aus der bloßen Reihenfolge der Aufzählung ergebe sich der Rang; jedoch ergibt sich aus der Reihenfolge, was unter Juristen keinem Zweifel unterliegt, bezüglich der Rangfolge der Befriedigung nicht das geringste. Da Sie aber mit dem .Sinn und Zweck einverstanden sind, kann nur das Ressentiment übrigbleiben, daß der Ausschuß anders beschlossen hat, als, wie Sie zugeben müssen, das Plenum jetzt zweckmäßigerweise beschließt.
Ich bitte Sie deswegen, von diesem rein formalen Bedenken, das nicht gerechtfertigt ist, abzusehen und dem Antrag zu 2) stattzugeben. Denn es ist sicher, das ganze Haus wünscht, daß nicht die anonyme Gesellschaft, nicht der Staat oder irgendeine von ihm aufgestellte Gesellschaft, nicht das große Projekt, sondern die Einzelsiedlung des einzelnen Menschen, das Einzeleigentum den Vorzug verdient. Wer das allerdings nicht will, der muß gegen unseren Antrag stimmen.
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Jedenfalls hat uns dieser Antrag zu einer echten Debatte geführt.
Das Wort hat der Abgeordnete Albers.
Meine Damen und Herren! Es kann ganz selbstverständlich im Ausschuß nicht alles das, was heute morgen hier vorgetragen wurde, auch wieder in den letzten Einzelheiten geprüft werden. Ich bin davon überzeugt, daß auch in den Ausschüssen niemals letzte Weisheit vorherrscht; die letzte Weisheit kommt ja aus diesem Plenum.
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Weil eben der Herr Vorredner doch wieder auf den Kernpunkt zurückgekommen ist und weil ich selber das Gefühl habe, daß die Aufgliederung in a), b) und c) das Anliegen, das wir in den Ausschußberatungen insgesamt hatten, nicht erfüllt, bin ich bereit - und ich glaube auch im Namen vieler meiner Freunde zu sprechen -, dem Abänderungsantrag bzw. dem Zusatzantrag der Zentrumspartei die Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi. - Das ist erledigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Reismann hätte mit der hier eben vorgetragenen Meinung über die Behandlung abweichender Anträge im Plenum völlig recht, wenn sie von seiner Fraktion im Ausschuß gestellt worden wären und wenn er da mit seiner Ansicht nicht durchgekommen wäre.
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- Nein, nein, das haben Sie eben nicht!
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- Aber hören Sie mal! Es ist doch so: Sie haben im Ausschuß mitgearbeitet und haben im Ausschuß erklärt: Wir schließen uns der Auffassung hier an. Sie haben aber die Argumente, die Sie eben vorgetragen haben, im Ausschuß nicht vorgebracht.
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Wenn Sie das getan hätten und heruntergefallen wären, dann hätten Sie zweifellos das Recht, Herr Dr. Reismann, hier im Plenum erneut die Frage aufzugreifen. So war es aber nicht.
Nun aber zum Tatsächlichen! Es ist doch aus einer ganzen Reihe von praktischen Gründen gar nicht möglich, nur die Arbeitnehmer unter Punkt a) bevorzugt zu behandeln. Ich habe eben schon er- , klärt, wir müssen dafür sorgen, daß die zerstörten Wohnungen wieder aufgebaut werden, gleichgültig, wer der Eigentümer im Augenblick ist.
Dann haben Sie vergessen, obwohl ich darauf aufmerksam gemacht hatte, zu überlegen, daß ja der Arbeitnehmer entweder selber ein Eigenheim bauen oder einen Bauträger nehmen kann. Wenn Sie nun mit Ihrer Auffassung recht hätten, dann wäre ja die Arbeit der Bezirksausschüsse ziemlich überflüssig. Denn diese müssen doch die Programme machen. Es wird unter Umständen darauf ankommen, daß man an einem Standort meinetwegen 500 Wohnungen baut, und zwar schnell, und rationell; dann müssen Sie die vorziehen. Und es kann vorkommen, daß an einem anderen Platz etwa einzelne Eigenheime - ein Dutzend oder dutzendweise - gebaut werden.
({3}) auch erwähnt!)
- Ja, natürlich ist der Bauträger in a) erwähnt, gerade deswegen, um Bauträger darauf hinzuweisen, daß sie durch die Hergabe von Mitteln bevorzugt werden, wenn sie eben für die Arbeitnehmer des Bergbaues Eigenheime oder Wohnungseigentumhäuser bauen. Das ist der Sinn der ganzen Angelegenheit.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! Das Haus ist sich vollkommen darüber einig, daß der Eigenheimbau und der Bau von Eigenwohnungen den Vorrang haben soll. Das kommt meines Erachtens auch ganz klar in der Fassung des Gesetzes zum Ausdruck. Im übrigen
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ist der Bergarbeiterwohnungsbau in der Finanzierung eine ebensolches Puzzlespiel wie der Wohnungsbau überhaupt, und ich würde bitten, einmal zu sehen, wie die Entwicklung läuft. Dafür haben wir nämlich den § 11 Abs. 2, der dem Bundeswohnungsbauminister die Möglichkeit gibt, Auflagen zu machen, nämlich Auflagen, um die Wohnungsbaurichtlinien des Bundes oder Wünsche des Wohnungsbauausschusses des Bundestages in die Wirklichkeit umzusetzen. Das sollte meines Erachtens genügen.
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Meine Damen und Herren! Ich darf noch einmal sagen, im Ausschuß wurde das Anliegen vertreten, daß dieses Geld, das vom ganzen deutschen Volke aufgebracht wird, nicht dazu dienen soll, Mammutwohnungsbaugesellschaf ten oder ähnlichen Organen zu Vermögen zu verhelfen.
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Vielmehr ging durch alle Reihen des Hauses der Wunsch, daß von diesem Geld vorzugsweise, bevorzugt - so steht es im Gesetz - Einzeleigentum in Form von Eigenheimen und Kleinsiedlungen sowie in Form des Dauerwohnrechts und des Wohnungseigentums für den Bergmann geschaffen wird. Die Gliederung der Regierungsvorlage ist in dieser Form umgestellt worden. Wenn wir nunmehr dem Antrag des Kollegen Bertram zustimmten, würde es unendlich schwierig sein, diese Frage rein technisch durchzuführen. Es würde einfach so sein, daß nun jeder einzelne Bergmann zu den Bewilligungsstellen kommt. Für den einzelnen Bergmann ist es sehr schwer, selbst zu bauen. Er soll sich weitgehend der Bauträger bedienen; sie sollen ihm helfen, daß sein Haus erstellt wird. Dann wünschen wir insgesamt, daß das Haus, wo es irgend möglich ist, in das Eigentum des einzelnen Bergmannes übergeführt wird.
Deshalb halte ich es aus rein technischen Gründen nicht für möglich, diese zusätzliche Bestätigung unseres gemeinsamen Anliegens noch einmal hineinzubringen. Herr Kollege Albers meint genau dasselbe und würde an sich damit einverstanden sein. Die technischen Schwierigkeiten hindern uns aber daran, dem Antrag des Kollegen Bertram zu folgen. Demzufolge bitte ich, so bedauerlich es ist, ihn abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Es ist keine Begrenzung der Redezeit beschlossen. Darf ich den Vorschlag machen, daß danach die Debatte abgeschlossen wird.
Die Auffassung, die der Herr Kollege Lücke soeben vertreten hat, daß eine Rangordnung bereits im Gesetz vorhanden sei, ist nicht zutreffend. Wenn in einem Gesetz eine Aufzählung mit a), b) und c) vorhanden ist, rangieren a), b) und c) völlig gleichwertig nebeneinander.
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- Nein, das steht da nicht. Es steht da, daß bevorzugt zu berücksichtigen sind a), b), c). Das heißt, alle Gruppen unter a), b) und c) rangieren völlig gleichberechtigt nebeneinander. Wollen wir den Rang, den auch Sie wollen, Herr Kollege Lücke, müssen wir ihn in das Gesetz hineinschreiben.
Nun kommt der zweite Gesichtspunkt. Herr Kollege Lücke sagt: Wir brauchen auch die Bauträger. Selbstverständlich! Aber in Buchstabe a) steht ausdrücklich drin: versicherungspflichtige Arbeitnehmer, die Eigenheime usw. selbst oder durch einen Bauträger schaffen. Die Möglichkeit des Baues durch einen Bauträger ist also in Buchstabe a) vorgesehen. Somit ist auch dieses Bedenken sachlich nicht stichhaltig.
Wenn der Herr Wohnungsbauminister meint, er könne im Wege der Auflagen eingreifen, so glaube ich, daß er dazu sein Ministerium doch wesentlich ausdehnen müßte. Er kennt ja die einzelnen Bauvorhaben gar nicht. Wie will er eingreifen, wenn die Mittel verteilt sind?
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- Gestatten Sie, wenn er eine Auflage machen
wollte, müßte er jedes einzelne Baugesuch kennen.
({2})
- Ich sage ja nur, der Weg der Auflage ist hier nicht gangbar. Der Weg der Auflage ist der Weg einer Einzelverfügung, und der Weg einer Einzelverfügung ist nicht gangbar.
Ich bitte Sie deshalb nochmals, unserem Antrag zuzustimmen.
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Mitglieder der Bundesregierung haben das Recht, jederzeit das Wort zu nehmen. Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen hier in eine Debatte über ganz grundsätzliche Fragen hinein. Wenn ich gebeten habe, den Zusatzantrag der Zentrumsfraktion im Hinblick auf den § 11 Abs. 2, den ich notwendig brauche, nicht anzunehmen, so deswegen, weil wir mit Hilfe des § 11 Abs. 2 nicht Auflagen im Einzelfall - das kommt gar nicht in Frage -, sondern Gesamtrichtlinien durchsetzen können. In meinem Hause wird erwogen, eine allgemeine Richtlinie herauszugeben, die vorsieht, daß in jedem Falle, gleichgültig, ob Eigenheime oder Stockwerkswohnungen gebaut werden, dem Mieter die Möglichkeit eingeräumt wird, Eigentum zu erwerben. Das geht in der praktischen Durchführung viel weiter als der Antrag des Zentrums.
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Die Herren vom Wohnungsbauausschuß wissen, daß die Formulierung hier Schwierigkeiten bereitet und daß noch einiges überlegt wird. Aber das,, was ich in der Praxis durchführen will, ist viel mehr, als der Antrag des Zentrums, wenn er durchgehen würde, jemals erreichen könnte.
Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag des Zentrums betreffend § 3 Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 3. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen,
({0})
eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe § 4 auf.
({1}) - Bitte, Herr Abgeordneter Harig!
Meine Damen und Herren! Soeben wurden durch die Annahme des § 1 die Lasten auf die breiten Massen der arbeitenden Menschen abgewälzt. Nun soll durch § 4 dem arbeitenden Menschen auch noch ein Teil seiner Freiheit, die ihm im Grundgesetz gewährleistet ist, genommen werden. Wir lesen in § 4 Abs. 1 Buchstabe b) die Worte: „die nach mindestens fünfjähriger Beschäftigung ohne ihr Verschulden gegen ihren Willen ausgeschieden sind". Was heißt das? Das heißt, diejenigen, die noch keine fünf Jahre im Bergbau beschäftigt sind und vorher aufhören, fliegen aus der Wohnung. Es handelt sich hier in erster Linie um Neubergleute, um diejenigen, die wir dahin bekommen wollen, daß sie Kohlen abhacken. Diese sollen jetzt ihrer demokratischen Rechte zum Teil beraubt werden. Wenn man dann nämlich nicht mehr alles tut, was von einem verlangt wird, wenn man nicht mehr pariert, fliegt man gleichzeitig aus der Wohnung heraus.
({0})
Aus diesem Grunde können wir diesem Paragraphen unsere Zustimmung nicht geben.
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Wenn jemand aus irgendwelchen Gründen seinen Arbeitsplatz wechseln will, fliegt er gleichzeitig mit seiner ganzen Familie, mit seinen Kindern auf die Straße.
({2})
Wenn jemand mit dem Lohn, den man ihm gibt, nicht einverstanden ist und aus dem Grunde seinen Arbeitsplatz wechseln möchte, fliegt er auf die Straße. Sehen Sie, deshalb können wir dem Paragraphen in dieser Form nicht zustimmen. Daran ändert 'auch die Tatsache nichts, daß man in Ziffer 2 desselben Paragraphen die Landesregierungen ermächtigt, irgendwelche Rechtsverordnungen zu erlassen. Wir wissen nämlich, wie diese Rechtsverordnungen aussehen, insbesondere in Zeiten wie denen, in welchen wir jetzt leben.
Ich darf ganz bescheiden daran erinnern, daß wir ähnliches schon einmal gehabt haben; und zwar wurde 1916 das Gesetz über den Vaterländischen Hilfsdienst erlassen. Auf Grund dieses Gesetzes durfte auch niemand ohne Genehmigung seinen Arbeitsplatz wechseln. Dieser Paragraph bringt für die Menschen, die jetzt neu in den Bergbau hineinkommen sollen, etwas Ähnliches.
Deswegen, weil man hier die demokratischen Rechte beschneidet, haben wir folgenden Abänderungsantrag formuliert:
In § 4 Abs. 1 Buchstabe b werden die Worte „die nach mindestens fünfjähriger Beschäftigung" gestrichen.
Ich darf mir erlauben, den Antrag heraufzureichen.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst der soeben begründete Antrag des Abgeordneten Harig und Fraktion vor, in § 4 Abs. 1 Buchstabe b die Worte „die nach mindestens fünfjähriger Beschäftigung" zu streichen. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über § 4 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nun auf die §§ 5, - 6, - 7, - 8, - 9, -10. Dazu liegen Abändérungsanträge nicht vor, Wortmeldungen auch nicht. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf § 11. Dazu liegt der Zentrumsantrag auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 3 vor. Die Begründung ist vorhin schon gegeben worden. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 3 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen einige Stimmen abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über, § 11 in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.
- Das ist die Mehrheit. Damit ist § 11 angenommen.
Ich rufe nun auf § 12. Dazu liegen Abänderungsanträge nicht vor, auch keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die § 12 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 13. Dazu liegt der Abänderungsantrag der Zentrumsfraktion auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 4 vor. - Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auch diesen Abänderungsantrag, nach dem zwei Vertreter der Bundesregierung in den Bezirksausschüssen erscheinen können, abzulehnen. Wir würden hier zweifellos auf berechtigte Widerstände der Länder stoßen. Nach der Vorlage hat der Bundeswohnungsbauminister das Recht, in diese Ausschüsse einen Vertreter zu entsenden, wenn er es für nötig hält. Es wird wohl gar nicht immer nötig werden; denn die grundsätzlichen Dinge werden ja vorher sowohl mit den beteiligten Bundesressorts wie mit den beteiligten Ländern und den anderen Beteiligten - Kohlenbergbauleitung, IG-Bergbau - durchgesprochen. Daher bitte ich, diesen Antrag, der sicher sehr gut gemeint ist, abzulehnen, weil er uns wahrscheinlich im Bundesrat Schwierigkeiten schaffen würde.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 4. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte
({0})
um die Gegenprobe. - Das ,letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 13 in der vorliegenden Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; damit ist § 13 angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 14, - 15, - 16. Dazu liegen Abänderungsanträge nicht vor. Das Wort wird auch nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf § 17. Dazu liegt vor der Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 312 Ziffer 5. Das Wort ist nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 17 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 17 ist angenommen.
Ich rufe nun auf die §§ 18, - 19, - 20, - 21, -22, - 23, - 24, - 25, - 26, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen erfolgen nicht. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe in der Einzelberatung auf die §§ 1 bis 26. Dazu wünscht das Wort Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole den schon in der zweiten Lesung gestellten Antrag, dem § 3 folgenden Abs. 2 hinzuzufügen:
Die Berechtigten gemäß Abs. 1 Buchstabe a haben Vorrang vor den Berechtigten gemäß Abs. 1 Buchstaben b und c.
Es ist ein rechtlicher Irrtum, wenn hier von einigen Mitgliedern des Hauses die Annahme vertreten wird, daß durch die Aufzählung a, b und c dieses c einen schlechteren Rang habe als a. Wenn wir einen Vorrang wollen, müssen wir das ins Gesetz ausdrücklich hineinschreiben, sonst wird nach dem wirtschaftlichen Schwergewicht die größte Gruppe auch das meiste Geld bekommen. Wir haben es ja in den letzten Jahren bei der Wohnungsbewirtschaftung erlebt: die größten Objekte sind bei der Finanzierung immer und überall bevorzugt worden. Diese Gefahr einer Bevorzugung der größeren Objekte müssen wir beseitigen. Sie kann nicht durch irgendeine unklare Meinung eines der Verfasser dieses Gesetzentwurfes beseitigt werden, sondern nur durch eine klipp und klare Bestimmung im Gesetz selbst. Wenn ferner darauf hingewiesen wird, daß auch die Wiederherstellung beschädigter Gebäude nach Ziffer b berücksichtigt werden sollte, so muß ich dazu erklären, daß das ohne weiteres auch einen Platz in der Reihe a hat.
Will ein Bergarbeiter ein beschädigtes Eigenheim wiederherstellen, so ist er, wenn Sie meinem Antrag zustimmen, nach Ziffer a bevorrechtigt.
Ich bitte Sie also dringend, unsern Antrag anzunehmen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe zunächst auf § 1 und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu § 3. Dazu liegt der soeben von Herrn Dr. Bertram gestellte Abänderungsantrag vor.
({0})
- Ich weiß; kommt noch! - Abänderungsanträge in der dritten Lesung bedürfen der Unterstützung von 10 Mitgliedern des Hauses. Ich bitte diejenigen, die den Antrag unterstützen, die Hand zu erheben. - Das sind zweifellos mehr als 10 Mitglieder. Damit kommt dieser Antrag also zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag unter Ziffer 2 des Antrages Umdruck Nr. 312 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist bei einer Reihe von Enthaltungen abgelehnt.
({1})
- Ist die Abstimmung unsicher?
({2})
- Wenn Unsicherheit über das Ergebnis der Abstimmung besteht, lasse ich über den Abänderungsantrag Umdruck Nr. 312 Ziffer 2 nochmals abstimmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, bei der Gemengelage der abgegebenen Stimmen bleibt uns nichts anderes übrig, als einen Hammelsprung durchzuführen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Räumung des Saales zu beschleunigen, und die Damen und Herren Schriftführer bitte ich, an den Türen ihren Posten einzunehmen.
({4})
- Bitten Sie irgendein Mitglied des Hauses, Ihnen bei der Auszählung zu helfen. - Ich bitte, den Saal zu räumen.
({5})
- Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihre Plätze an den Türen einzunehmen!
({6})
- Ist jetzt alles so weit bereit?
({7})
Es fehlt immer noch ein Schriftführer; ich bitte, ein
Mitglied des Hauses zu ersuchen, das Amt des
({8})
Schriftführers für diese Auszählung zu übernehmen. Sind die Türen nun besetzt?
({9})
- Dann kann die Auszählung vonstatten gehen. Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
({10})
Ich bitte um Beschleunigung. In einer Minute müssen die Türen geschlossen werden. Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet. Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Auszählung ist folgendes: mit Ja haben 143 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 117 und enthalten haben sich 2. Damit ist der Abänderungsantrag angenommen.
({11})
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 3 in der abgeänderten Form zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und mehreren Enthaltungen ist der § 3 angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf, da gerade das Haus so vollzählig besetzt ist, zwei Mitteilungen bekanntgeben: Die Sitzung der deutschen Vertreter in der Beratenden Versammlung des Europarats findet heute 16 Uhr 30 - bei früherer Beendigung der Sitzung des Plenums unmittelbar nach dieser Beendigung - in Zimmer Nr. 102 des Südflügels statt. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ist auf 16 Uhr in das Zimmer Nr. 106 einberufen.
Wir fahren nun in der Abstimmung fort. Ich rufe auf § 4, - § 5, - § 6, - § 7, - § 8, -§ 9, - § 10, - § 11, - § 12,-§§ 13 bis 16,§§ 17 bis 20, - §§ 21 bis 24, - § 25, - § 26, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem. Gesetz im ganzen ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen in der Schlußabstimmung angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Zur Zeit tagt der Ältestenrat. Es ist mir nahegelegt worden, die Punkte 9 bis 10 mit Rücksicht auf die Teilnehmer an der Ältestenratssitzung zurückzustellen. Ich rufe daher jetzt auf Punkt 11:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({12}) betreffend Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 13. Juli 1951 ({13}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Ewers ({14}), Berichterstatter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Anwalt aus Eggenfelden hat namens unseres Kollegen Fröhlich gegen unseren Kollegen Goetzendorff Strafantrag wegen Beleidigung gestellt. Die Beleidigung hat sich in einem Strafprozeß - Privatklageverfahren - ergeben, das Kollege Fröhlich gegen einen gewissen Dr. Josef Hrudnik, praktischer Tierarzt in Tann, Niederbayern, geführt hat. Dieser Hrudnik hatte anscheinend öffentlich vom Kollegen Fröhlich erklärt, er sei aus der WAV-Fraktion ausgeschlossen worden, weil er in der Frage Bonn-Frankfurt durch die Korruptionsfälle, die im Spiegel-Ausschuß erörtert worden seien, belastet sei und deshalb nicht mehr Mitglied seiner Fraktion bleiben könne. Herr Hrudnik hat in dem Verfahren angegeben, er habe seine Kenntnis von dem Vorsitzenden des KDH - das heißt, glaube ich, Kartell der Heimatvertriebenen -, Günter Goetzendorff empfangen und nur das wiedergegeben, was er von Herrn Goetzendorff wisse. In dem Strafantrag wird darauf hingewiesen, daß in einer Rundschrift, die Herr Goetzendorff in Bayern an die Vorstandsmitglieder des KDH gerichtet habe, schon vor einiger Zeit darauf hingewiesen worden sei, der Ausschluß des Abgeordneten Fröhlich aus der WAV-Fraktion wegen seiner Belastung durch die Ermittlungen des Spiegel-Ausschusses stehe unmittelbar bevor. Nunmehr möchte Herr Abgeordneter Fröhlich gegen Herrn Goetzendorff ein Offizialverfahren einleiten, weil dieser behauptet hat, er - Fröhlich - sei durch die Ermittlungen des sogenannten Spiegel-Ausschusses überführt, daß er seinerzeit an Bestechungsaktionen passiv teilgenommen habe.
Uns sind die weiträumigen und schwierigen Dinge, die mit den aus Kreisen der Bayernpartei stammenden Vorwürfen zusammenhängen, aus dem sehr eingehenden Bericht des entsprechenden Ausschusses und unseren Erörterungen im Bundestag bekannt. Der Immunitätsausschuß stellt dazu fest: Im Bericht des Untersuchungsausschusses des Bundestags ist die Persönlichkeit des Abgeordneten Hans-Gerd Fröhlich nicht erwähnt, und nach dem Ermittlungsergebnis des Ausschusses kann von einer Beteiligung seiner Person an all den Dingen, die dort peinlicherweise erörtert werden mußten, nicht die Rede sein.
Bei dieser Sachlage ist der Immunitätsausschuß der Meinung, daß selbstverständlich jedem Kollegen des Bundestags, der im politischen Kampf mit angeblichen Korruptionsverbrechen auf Grund der Untersuchungen des Spiegel-Ausschusses in Zusammenhang gebracht wird, Gelegenheit gegeben werden muß, sich von solchen, die Ehre des Abgeordneten und damit indirekt die des Parlamentes berührenden Vorwürfen in einem Strafverfahren zu reinigen. Es handelt sich in diesem Sinne nicht um eine eigentlich politische Angelegenheit, sondern eben um in die persönliche Sphäre des angegriffenen Abgeordneten weit hineinreichende Vorwürfe, nämlich Vorwürfe allgemeiner Unwürdigkeit, Abgeordneter zu sein. Die Ehre des Parlaments erfordert in einem solchen Falle eine gerichtliche Klarstellung, und wir glauben, unserem Kollegen Fröhlich die Möglichkeit eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten, der ihm und seiner Ehre zu nahe getreten ist, nicht versagen zu dürfen.
Der Ausschuß beantragt hiernach einstimmig die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff in diesem Verfahren. Wir nennen das nicht mehr „Aufhebung der Immunität", sondern: die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte die({0})
jenigen, die der Ausschußvorlage Drucksache Nr. 2564 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun die eingeschobene Immunitätssache auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zur Durchführung der Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz gemäß Schreiben des Abgeordneten Strauß vom 8. August 1951, Christlich-Soziale Union in Bayern vom 8. August 1951 und des Bundesministers der Justiz vom 20. September 1951 ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß legt Ihnen die Drucksache Nr. 2591 vor, die den Vorschlag enthält, die nachgesuchten Genehmigungen zur Durchführung der Strafverfahren - also mehrerer - gegen den Abgeordneten Volkholz zu erteilen. Es liegen folgende Strafanträge vor:
1. Strafantrag des Herrn Abgeordneten Franz Strauß, Oberregierungsrat, wegen verleumderischer Beleidigung durch Herrn Volkholz, § 187 StGB;
2. Strafantrag der Christlich-Sozialen Union in Bayern, vertreten durch den Landesvorsitzenden, Ministerpräsident Dr. Ehard, wegen verleumderischer Beleidigung, § 187 StBG; 3. Strafantrag des bayerischenStaatsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Dr. Wilhelm Hoegner wegen Beleidigung, § 185 StGB; 4. Strafantrag des Landesvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in Bayern, Waldemar von Knoeringen, wegen Beleidigung, § 185 StGB; 5. Strafantrag des Landesverbands der SPD in Bayern, vertreten durch den Landesvorsitzenden Waldemar von Knoeringen, ebenfalls wegen Beleidigung.
Sie haben bei der Fülle von Strafanträgen einen
Anspruch darauf, den Inhalt der zur Last gelegten
Äußerungen zu erfahren. Ich beehre mich, Ihnen
den Wortlaut aus den Akten bekanntzugeben:
In der Nr. 179 der „Neuen Zeitung" vom 2. August ,1951, Ausgabe Frankfurt, ist ein Offener Brief an Herrn Abgeordneten Ludwig Volkholz, unterzeichnet Christian von Loegen, abgedruckt, in dem über den Inhalt der Rede des Abgeordneten Ludwig Volkholz nachfolgende Auszüge enthalten sind.
Die „Neue Zeitung" fügt in einer Bemerkung der Redaktion hinzu, daß für diese Äußerungen die Bestätigung von drei weiteren Ohrenzeugen vorliege, die bekunden, daß der auszugsweise wiedergegebene Text der Rede zu-, mindest sinngemäß, in vielen Sätzen sogar wörtlich, richtig dargestellt ist.
Abgeordneter Ludwig Volkholz in seiner Rede am 8. Juli 1951 in Zwiesel:
- Ich bitte um Ihre besondere Aufmerksamkeit! - Wie Sie ja 'alle wissen, ist 'der „Spiegel-Ausschuß nur wegen der Hetze der CSU und der SPD gebildet worden. Warum? Weil diese hohen und höchsten Funktionäre Angst vor mir haben.
({3})
Denn sie wissen genau, daß das Volk hinter mir steht,
({4})
und fürchten, ihr Einfluß vor allem hier im Walde könnte immer mehr schwinden; aber ich, der Volkholz, sage Euch, diese hohen Herren werden bald ausgespielt haben, weil ich das Volk aufkläre über die korrupten Machenschaften, die in höchsten Ämtern und Regierungsstellen getrieben werden. Und deshalb, nur deshalb muß ich beseitigt werden, nur deshalb wurden gegen mich angebliche Schuldbeweise und Schuldbekenntnisse konstruiert. Ich sollte um jeden Preis zur Strecke gebracht werden, ehe ich reden und anklagen konnte. Zur Vorgeschichte des „Spiegel-Ausschusses" muß ich einmal etwas zurückgreifen. Woher kamen eigentlich die Leute, die sich heutigentags in den Parlamenten, Ämtern und Regierungen breitgemacht haben?
Vielleicht erinnern Sie sich noch daran, daß von 1944 auf 1945 der ganze Abschaum des Volkes, 'der sich in anderen Ländern nicht mehr halten konnte oder aus dem Norden gekommen war, sich in Bayern angesammelt hatte.
({5})
Zu diesen kamen dann nach dem Zusammenbruch noch jene Leute unter dem Schutze amerikanischer Bajonette, die sich's im KZ oder im Auslande hatten gutgehen lassen,
({6})
während wir an der Front unser Leben und unsere Gesundheit einsetzten und zu Millionen beides verloren haben, während jene idort in Sicherheit saßen. Ich meine z. B. den Hoegner' aus der Schweiz oder den Knoeringen und seine Leute aus London, die ja auch jetzt noch mit London arbeiten.
Und aus diesem zusammengewürfelten Gesindel wurden von den Amis die sogenannten Lizenzparteien gebildet und eingesetzt. Ist es denn da ein Wunder, wenn Korruption und Vaterlandsverrat selbstverständlich geworden sind in unserem Leben? Sehen Sie sich doch den Carlo Schmid von der SPD mit seinem vollgefressenen Schmerbauch an
({7})
und mit seinem Monatseinkommen von DM 8 000! Oder den Vaterlandsverräter Schumacher, den Vorsitzenden der SPD, der zwar großartig schreit: „Ich bin gegen die Remilitarisierung!" und dann zu den Besatzungsmächten rennt und denen ins Ohr flüstert: „Wenn ihr uns die Gleichberechtigung schenkt, schenke ich euch etwas viel besseres: die allgemeine Wehrpflicht!" Ist das kein Landesverräter?!
Der Schumanplan ist ja auch nur für jene hohen Parteifunktionäre geschaffen worden, die sich dadurch einen guten Posten oder ähnliche Vorteile auf Kosten des Volkes versprechen,
({8})
genau wie das Mitbestimmungsrecht ja lediglich eine Diktatur der Gewerkschaftsfunktionäre über das Volk herbeiführen soll. Der Deutsche steht ja auch noch unter dem Neger oder Chinesen. Für die Neger z. B. werden Schulen gebaut, aber wir sind ja nur weiße Deutsche, wir brauchen keine Schulen, wir müssen dumm gehalten werden.
({9})
({10})
Wir halben ja in der sogenannten Demokratie keine Freiheit, wir sind ja nur der Sklavenstaat der amerikanischen Lizenzparteien CSU und SPD, der gleichen CSU und SPD nämlich, die sich glänzend als Instrumente des Morgenthau-Plans bewähren!
Und dann die CSU: Wenn deren Generalsekretär Strauß kommt und einen Meineid schwört, wie er's gemacht hat, dann kräht kein Hahn danach. Er heißt ja auch nicht Volkholz. Dabei habe ich nicht einmal gewußt, daß auf mein Konto DM 1 000 eingezahlt worden waren. Das habe ich erst vom „Spiegel-Ausschuß" erfahren.
({11})
Haben Sie, meine lieben Zuhörer, schon mal gehört, daß gegen das Zentrum Stellung genommen wurde? Sicherlich nicht! Und dabei sind doch gerade das Zentrum ebenso wie die CSU und die SPD die eigentlichen Kriegsverbrecher, nicht aber die Nazis, die dann später eingetreten sind.
Ich werde diesem korrupten Gesindel die Maske vom Gesicht reißen, und ich versichere Ihnen allen: Wenn alle anderen hohen Herren längst nicht mehr auf ihren Stühlen sitzen werden, ich werde alle überdauern.
({12})
Denn hinter mir steht das Volk, hinter mir steht der bayerische Wald.
({13})
Meine Versammlungen auf dem Lande sind jedesmal überfüllt. Das Volk hat bereits die Ohren auf. Man hätte mir gar keine bessere Reklame machen können als wie die mit dem „Spiegel-Ausschuß", und ich kann nur hoffen und wünschen, daß noch recht viele SpiegelAusschüsse folgen möchten.
So weit das Zitat aus den Akten. Ich könnte Ihnen noch die einzelnen Strafanträge bekanntgeben, die sich in der Sache des Herrn Kollegen Strauß gegen den Herrn Kollegen Volkholz auf die Behauptung beziehen, Herr Kollege Strauß habe einen Meineid geleistet. Aber das steht ja auch schon darin.
Ich darf mich darauf beschränken, Ihnen im Namen des Ausschusses, der bei einer Stimmenthaltung, sonst einstimmig, beschlossen hat, zu empfehlen, den folgenden Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität anzunehmen.
Die nachgesuchten Genehmigungen zur Durchführung der Strafverfahren gegen den Abgeordneten Volkholz werden erteilt.
({14})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 2591 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
({0})
Wir kommen nunmehr zum Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit ({1}) zur Antwort der Regierung in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages auf die Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Uraltkonten in West-Berlin, deren Berechtigte im Gebiet der Bundesrepublik wohnen ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Seuffert.
Seuffert ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Ausschußbericht geht zurück auf die Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Uraltkonten in West-Berlin, die mit Drucksache Nr. 1786 eingereicht worden ist. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat diese Interpellation in der 123. Sitzung am 7. März 1951 beantwortet und hat dabei den Sachverhalt dargestellt.
Bei den Uraltkonten West-Berlins handelt es sich um die Guthaben bei Groß-Berliner Kreditinstituten aus der Zeit vor dem 9. Mai 1945. Diese Konten sind bei der Berliner Währungsumstellung bzw. im Anschluß daran im Verhältnis von 20 zu 1 auf D-Mark umgestellt worden, wenn der Gläubiger am 1. Oktober 1949 seinen Wohnsitz oder Sitz in West-Berlin hatte oder Angehöriger der Vereinten Nationen war.
Die erste Frage ist nun, ob und wann diese Umstellung der Uraltkonten auf diejenigen Konteninhaber ausgedehnt werden kann, die am 1. Oktober 1949 ihren Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet hatten; und die zweite Frage ist, was mit den Konten von Ausländern und mit den sogenannten Guthaben überlokaler Art geschehen soll, d. h. Guthaben von Stellen und Geschäftseinrichtungen, die zwar ihren Sitz in Berlin hatten, deren wirtschaftliche Tätigkeit und Bedeutung jedoch über Berlin hinausragt.
Bisher ist bei der Umstellung davon ausgegangen worden, daß diejenigen Konten zuerst umgestellt werden sollten, deren Umwertung der Berliner Wirtschaft zugute kam. Es besteht kein Zweifel darüber, daß das bei den soeben genannten weiteren Kategorien nicht in diesem Maße der Fall sein würde. Der Herr Bundesfinanzminister hat festgestellt, daß diese Frage nur durch einen Berliner Gesetzgebungsakt geregelt werden kann. Er hat aber die Verpflichtung des Bundes anerkannt, für die Interessen der Bundesangehörigen im Bundesgebiet einzutreten und die entsprechenden finanziellen Leistungen gegenüber Berlin auch auf sich zu nehmen. Darüber schweben seit längerer Zeit Verhandlungen. Es handelt sich bei den Konteninhabern, die im Bundesgebiet wohnen, um etwa 100 Millionen DM Ausgleichsforderungen, bei den sogenannten überlokalen Guthaben um etwa 112,5 Millionen DM solcher Forderungen. Das würde bei Übernahme von 90 O/o der Verzinsung dieser Forderungen eine jährliche Belastung des Bundes von schätzungsweise 5,67 Millionen DM ergeben.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat sich bekanntlich grundsätzlich bereiterklärt, eine derartige Verpflichtung durch den Bund zu übernehmen. Er hat die Interpellation damals zu einem Zeitpunkt beantwortet, in dem die finanziellen Beziehungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik durch eine Verwaltungsvereinbarung geregelt waren. Er hat sich dagegen ausgesprochen, außerhalb einer solchen Vereinbarung die Verpflichtung zu übernehmen, jedoch die Regelung im, Rahmen der allgemeinen Regelung der finanziellen Beziehungen zu Berlin zugesagt.
In der Debatte über die Interpellation haben auch die Redner, die dazu gesprochen haben, sich
({4})
gegen den Weg der Verwaltungsvereinbarung erklärt und eine grundsätzliche Regelung gefordert. Die Interpellation ist sodann dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen worden. Dieser hat sich in seiner Sitzung vom 6. Juli 1951 mit der Sache befaßt und hat dabei festgestellt, daß der inzwischen dem Bundestag vorgelegte gemeinsame Initiativgesetzentwurf der Fraktionen über die Regelung der finanziellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Land Berlin, Drucksache Nr. 2417, vorsieht, die Regelung etwa zu übernehmender Verzinsung von Ausgleichsforderungen einem besonderen Gesetz vorzubehalten, und daß diese Bestimmung, wie dem Ausschuß mitgeteilt wurde, mit Zustimmung des Senats von Berlin in den Gesetzentwurf aufgenommen worden ist.
Nach nochmaliger Besprechung der Angelegenheit schlägt Ihnen der Ausschuß für Geld und Kredit vor, die Bundesregierung zu bitten, die von dem Herrn Bundesminister der Finanzen in der 123. Sitzung des Deutschen Bundestages am 7. März 1951 angekündigten Maßnahmen zugunsten der Uraltkonten in West-Berlin, deren Inhaber am 1. Oktober 1949 ihren Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet hatten, beschleunigt durchzuführen. Angesichts der Tatsache, daß nicht einmal der soeben erwähnte Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2417, geschweige denn das in diesem Gesetzentwurf vorbehaltene Gesetz zur Regelung aer Frage der Ausgleichsforderungen bisher vom Bundestag behandelt worden ist, kommt dieser Empfehlung natürlich ein gewisses Gewicht zu. Die Empfehlung des Ausschusses ist einstimmig beschlossen worden, und ich darf deswegen die Hoffnung aussprechen, daß auch hier einstimmig und ohne weitere Debatte dem Antrag des Ausschusses Folge gegeben wird.
Ich danke dem Herrn Berichtersatter.
Im Ältestenrat war vereinbart worden, im Hinblick auf die Erledigung der Angelegenheit, die der Herr Berichterstatter erwähnt hat, von einer Aussprache abzusehen. Ich kann also die Aussprache für geschlossen erklären.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2465 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Da Punkt 13 abgesetzt ist, rufe ich Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Bundesforstgesetzes ({0}).
Der Ältestenrat hat dazu folgende Zeiteinteilung vorgeschlagen: Begründung 10 Minuten, Aussprache 60 Minuten. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Schmidt ({1}).
Dr. Schmidt ({2}) ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion will mit diesem Antrag einer Gesetzgebung den Weg ebnen, die an sich schon längst fällig ist. Bereits im Jahre 1920 lag der Entwurf eines Reichsforstgesetzes vor; aber leider versackte dieser kühne Antrag im Streit von Reich und Ländern. Inzwischen ist auf dem Gebiet der Forstwirtschaft eine ganz andere Situation eingetreten, und ich bin der Meinung, daß diese Situation unsere volle Aufmerksamkeit und auch entsprechende Maßnahmen erfordert. Wir können es uns in Westdeutschland nicht leisten, daß dieser Zweig der Urproduktion vernachlässigt oder daß in diesem Zweig der Urproduktion unwirtschaftlich gearbeitet wird.
Ich möchte die Lage der Forstwirtschaft mit einigen Zahlen beleuchten und darf dabei auf den Sonderdruck Nr. 31 der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald hinweisen, in dem ausführliches Zahlenmaterial zu finden ist. Wir haben mit den Ostgebieten rund 5 Millionen Hektar Wald verloren, es verbleiben uns in dem Westgebiet '7 Millionen Hektar. Der Verlust der Ostgebiete bedeutet einen Ausfall an Nutzholz von rund 15 Millionen Festmetern jährlich. Darüber hinaus sind durch den Übereinschlag und durch den Raubbau insbesondere nach 1945, der bis in die jüngsten Tage angedauert hat, von dem verbliebenen Wald mehr als 100 Millionen Festmeter der nachhaltigen Nutzung entzogen worden. Die weiteren Folgen sind verminderte Zuwachsleistung, ferner ein geringerer Nutzungsgrad, wenn man diesen Raubbau stoppen will. Auf der andern Seite steht ein Holzbedarf im Bundesgebiet von durchschnittlich 35 bis 40 Millionen Festmetern. Der Einschlag im Jahre 1950 betrug rund 30 Millionen Festmeter. Für das Jahr 1952 ist ein Einschlag von nur 22 Millionen Festmetern vorgesehen, der dem normalen Zuwachs entspricht. Wir haben also durchschnittlich 15 Millionen Festmeter zu wenig. Man spricht daher mit Recht von dem Engpaß Holz, der wegen der Devisenlage und der Weltholzlage auch durch eine Einfuhr nicht beseitigt werden kann. Wir werden also diese Situation auf Jahrzehnte hinaus haben und haben deswegen allen Grund, die Förderung der Holzwirtschaft zu betreiben.
Sie wissen, daß in den letzten Jahren viele Versuche unternommen worden sind, diese Förderung in ideeller Weise zu betreiben. Ich denke hier an die Bildung von Forstvereinen, denken Sie an die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, deren erster Vorsitzender der Herr Innenminister ist, denken Sie an die Propagierung der Pflanzung schnellwüchsiger Baumarten wie Pappeln usw. Aber das sind alles kleine Mittel, die zwar gut und nützlich sind und die man auch in der Zukunft haben muß. Aber diese Mittel sind nicht entscheidend. Entscheidend ist, die Reserven in 'den bestehenden Wäldern zu mobilisieren und die Waldbestände in quantitativer wie in qualitativer Hinsicht auf das nötige Maß zu bringen. Das ist der Zweck unseres Antrags. Nebenbei wird man dadurch auch den landeskulturellen Erfordernissen gerecht werden.
Ich will nicht Einzelheiten des Gesetzgebungswerkes vortragen, die wir uns wünschen. Aber ich darf in drei generellen Punkten andeuten, was wir im Forstgesetz zu sehen wünschen. Wir wünschen erstens ein generelles Rodungs- und Waldverwüstungsverbot. Wir wünschen zweitens eine Verpflichtung zur Aufforstung der Kahlflächen und der Ödländereien. Allein dadurch wird es möglich sein, mehrere hunderttausend Hektar Wald zu gewinnen. Drittens wünschen wir die Zusammenführung der Kleinwaldflächen zur gemeinsamen Bewirtschaftung und Verwertung.
Dazu gestatten Sie mir einige wenige Bemerkungen. Von dem gesamten deutschen Wald sind über 40 °/o in Privathand, und davon wiederum sind zwei Drittel - das sind also über ein Viertel des gesamten deutschen Waldbestandes - in Händen
({4})
von Kleinwaldbesitzern mit Beständen bis 50 ha. Es ist heute allgemein anerkannt, daß in diesem Kleinstwald die Leistungen wesentlich geringer sind als in dem Großwald, sei es im Staatswald, sei es in den Gemeindewäldern, sei es in den Forstgenossenschaften. Es kommt uns auf die Steigerung des Ertrages in diesen Kleinstwaldflächen an. Die Form des Zusammenschlusses ist gleichgültig. Sie können sie wählen in der Form der Forstverbände, der Forstgenossenschaften, in der Form von Forstwirtschaftsvereinen und dergleichen mehr. In jedem Fall - und das möchte ich hier ausdrücklich sagen - wünschen wir, daß das Eigentum an diesen Kleinstwaldflächen voll und ganz erhalten bleibt. Mir ist klar, daß man bei rund 700 000 Kleinwaldbesitzern den Zusammenschluß nicht immer freiwillig wird herbeiführen können. Es dürfte daher zweckmäßig sein, daß man ab und zu den heilsamen Zwang dabei ins Auge faßt.
({5}) Auch wird es zweckmäßig sein, allen Beteiligten reichlich Gelegenheit zu geben, die eigene Organisationsbildung zu betreiben. Es ist selbstverständlich, daß diese Zusammenschlüsse von fachlich vorgebildeten Kräften betreut werden usw.
Ich kann mir vorstellen, daß in der nachfolgenden Debatte darauf hingewiesen wird, daß in den Ländern bereits ähnliche Forstgesetze bestünden. Ich habe mir die Mühe gemacht, diese Gesetze durchzuarbeiten. Es gibt nur ein Land, das Land Nordrhein-Westfalen, das eine Forstgesetzgebung hat, die den von mir skizzierten Wünschen ungefähr entspricht. Auch die Bemerkungen, daß der Bund dafür nicht zuständig sei, treffen nicht zu. Der Bund ist auf Grund der Art. 72 wie 74 des Grundgesetzes zur Förderung von Land- und Forstwirtschaft durchaus berechtigt.
({6})
Es soll ein Rahmengesetz sein.
Wir erwarten, daß diese Gesetzesvorlage, falls der Antrag angenommen wird, nicht allzu lange Zeit auf sich warten läßt, zumal alle Instanzen, Forstverbände und -vereine, wie Deutscher Forstwirtschaftsrat, und die zuständigen Stellen in den Ministerien sich mit dieser Frage bereits befaßt haben. Jedenfalls werden wir einer Verschleppung nicht tatenlos zusehen. Zum Schluß, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, darf ich Ihnen auch die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers in seiner Regierungserklärung vom September 1949 ins Gedächtnis zurückrufen. Damals sagte er - ich darf wörtlich zitieren -:
Die Forstwirtschaft, ... die eine der wichtigsten Rohstofflieferanten für die deutsche Wirtschaft ist, muß möglichst rasch wieder zu normalen Wirtschaftsverhältnissen zurückgeführt werden. Es ist für schnellste ,Aufforstung der Kahlflächen und Förderung der Holzerzeugung in bäuerlichen Betrieben zu sorgen.
Das ist die Begründung unseres Antrages. Ich
möchte Sie bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schulze-Pellengahr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Antrag der SPD muß man zunächst einmal prüfen, ob eine Notwendigkeit für eine solche Gesetzgebung im allgemeinen besteht. Das muß man hundertprozentig bejahen. Denn infolge der Inanspruchnahme durch die Wirtschaft in den vergangenen Kriegs- und Nachkriegsjahren ist ein erheblicher Raubbau, an den Waldbeständen betrieben worden. Ferner hat die Brennholzversorgung erhebliche Lücken in die Waldbestände gerissen. Schließlich sind durch Direktoperationen der Besatzungsmächte gerade die wertvollsten Bestände unseres Waldbesitzes vernichtet worden. Wir haben heute im Bundesgebiet etwa 4 bis 5 % Kahlflächen, die der Aufforstung unbedingt bedürfen, in erster Linie auch, um die Klimagestaltung in Ordnung zu halten, um die Wasserhaltung zu regeln und um die Erosion des Waldbodens zu verhindern.
Die Gesetzgebung als solche ist also unbedingt notwendig. Etwas anderes ist es, ob man eine solche Gesetzgebung praktischerweise auf Länderebene oder auf Bundesebene vollzieht. Der Bund besitzt j a keine eigenen Forsten; die Forsten sind alle im Besitz der Länder. Unter diesem Gesichtspunkt wäre also kein Forstgesetz notwendig. Das Grundgesetz gibt allerdings auf Grund der konkurrierenden Gesetzgebung die Möglichkeit, ein Rahmengesetz zu erlassen.
Über die rein rechtliche Seite dieser Frage wird -mein Kollege Herr Laforet sich verbreiten. Zu der praktischen Seite der Frage muß ich allerdings ausführen, daß - wie schon der Herr Berichterstatter erwähnte -- in Nordrhein-Westfalen ein Forstgesetz sehr fortschrittlicher Natur besteht. In diesem Forstgesetz wird nicht nur der Waldbesitzer verpflichtet, die Kahlflächen innerhalb einer sehr kurzen Zeit wiederaufzuforsten; er wird auch dazu verpflichtet, unbestockte Flächen, d. h. Flächen, die über 10 Jahre als Kahlflächen daliegen, in annehmbarer Zeit wiederaufzuforsten. Die Holzeinschläge, die über die Leistungsfähigkeit des Waldes hinausgehen, bedürfen der Genehmigung. All diese Dinge sind in dem genannten Forstgesetz in sehr fortschrittlicher und vorbildlicher Weise geregelt worden. Man kann die Dinge in dieser Beziehung also auch auf Länderebene regeln. Ich glaube, sie können auf diese Weise besser geregelt werden, auch wenn man die konkurrierenden Belange des Bundes berücksichtigt. Das Grundgesetz schreibt z. B. in Art. 74 Ziffer 17 vor, daß Förderungsmittel für die forstwirtschaftliche Erzeugung gegeben werden sollen. Das kann doch bei weitester Auslegung nur dahin verstanden werden, daß die forstwirtschaftliche Erzeugung durch Hergabe von Geldmitteln an die Länder, die diese Gelder wiederum an die einzelnen Waldbesitzer als Aufforstungsbeihilfe verteilen können, gefördert werden soll.
Der Art. 74 Ziffer 20 schreibt nun allerdings vor, daß der Bund in der konkurrierenden Gesetzgebung auch für die Schädlingsbekämpfung zuständig ist. Bezüglich dieses Punktes wäre vielleicht ein Rahmengesetz notwendig, weil die Schädlingsbekämpfung ja über die Grenzen der einzelnen Länder hinausgeht und eine gemeinsame Angelegenheit des ganzen westdeutschen Raumes ist.
Ich bitte deshalb um die Klärung der rechtlichen Belange vorwegzunehmen, diesen Antrag der SPD dem Rechtsausschuß und im Falle der Zustimmung diesen Antrag auch dem Agrarausschuß zu überweisen, der dann in vorbereitenden Besprechungen eventuell ein Rahmengesetz in sehr lockerer Form schaffen könnte, um diesen Dingen dann in etwa Genüge zu leisten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Forstrecht ist nach dem Grundgesetz grundsätzlich Sache der Länder. Der frühere Streit über die Zuständigkeit von Reich und Land ist vom Parlamentarischen Rat im Sinne der Länder entschieden worden. Der Bund ist zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des Forstrechts in der konkurrierenden Gesetzgebung nur hinsichtlich der Einfuhr und Ausfuhr forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, hinsichtlich des Schutzes beim Verkehr mit forstwirtschaftlichem Saat- und Pflanzgut und hinsichtlich des Schutzes des Waldes gegen Krankheiten und Schädlinge, im übrigen aber nur zur Förderung der forstwirtschaftlichen Erzeugung zuständig. Bei der Förderung steht vor allem die Unterstützung großer wissenschaftlicher Anstalten zum Schutze des deutschen Waldes in Frage.
Wir sehen mit Stolz auf den deutschen Forstmann. Er hat für den deutschen Wald nach den ganz verschiedenen Verhältnissen der einzelnen Gegenden Ausgezeichnetes geleistet. Er wird auch die Waldverwüstung, wie sie eingetreten ist, je nach der Lage in den einzelnen Waldgebieten wieder beseitigen und den Erfordernissen der außerordentlichen Bedeutung des Waldes für .die Badenkultur und die Wirtschaft Rechnung tragen.
Bei der Ein- und Ausfuhr, bei dem Schutz im Verkehr mit forstwirtschaftlichem Pflanz- und Saatgut wie beim Kampf gegen die Schädlinge werden wohl einzelne Gesetze des Bundes der Rechtseinheitlichkeit halber helfen müssen. Im übrigen ist die Gesetzgebung in der Forstwirtschaft im einzelnen, die Einrichtung der Behörden, die Regelung der Forstnutzungsrechte allein Sache der Länder. Nur wenn die Rechts- und Wirtschaftseinheit zur Förderung der forstwirtschaftlichen Erzeugnisse eine bundesgesetzliche Regelung erfordert - z. B. bei dem Verbot der Verwendung von Nutzholz zu Brennholz -, ist der Bund auf dem Gebiete des Forstrechts zuständig. Unter die Rahmenvorschrift des Art. 75 fällt das Forstrecht überhaupt nicht.
({0})
Der vorgelegte Antrag ist so allgemein gefaßt, daß er schweren verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt; er kann in dieser Fassung nicht angenommen werden. Auch ich beantrage, daß der Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Rechtsausschuß überwiesen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion, die Bayernpartei, hat gegen den Antrag der Sozialdemokratie auf Erlaß eines Bundesforst-gesetzes ganz erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Der Art. '74 Ziffer 17 des Grundgesetzes betreffend die konkurrierende Gesetzgebung spricht zwar von der Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und von der Ein- und Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Aber wenn ein Bundesforstgesetz erlassen würde, so kann man doch wohl mit Bestimmtheit annehmen, daß es ganz erheblich über den Kompetenzenkreis hinausgreifen und etwa - und das wäre naheliegend - einen zwangsweisen Zusammenschluß des Bauernwaldes und auch eine zwangsweise Beförsterung vorschreiben würde. Derartige Bestimmungen wären aber bestimmt nicht unter Art. 74 des Grundgesetzes zu subsumieren. Darüber hinaus sind wir der Ansicht, daß die in Art. 74 Ziffer 17 des Grundgesetzes genannten Aufgaben sehr viel besser regional, also durch die Länder gelöst werden und daß die Forstgesetzgebung eine Ländersache sein muß.
Bei aller Bejahung der Notwendigkeit, aus dem Wald unter Berücksichtigung der heutigen wirtschaftlichen Lage und Devisenlage das Äußerste herauszuholen, selbstverständlich ohne dabei die Produktionskraft des Waldbodens zu erschöpfen, sind wir doch der Ansicht, daß der gesetzliche Zwang, daß Polizeimaßnahmen und bürokratische Eingriffe nicht das Allheilmittel sind, um volkswirtschaftlich notwendige Ziele zu erreichen. Wir erzielen gar nichts, wenn wir mit der Beförsterung und mit einem zwangsweisen Zusammenschluß kommen. Denn hinter diesen Maßnahmen wittert der nun einmal etwas mißtrauische Waldbauer kollektivistische Maßnahmen, die er selbstverständlich ablehnt. Unsere bayerischen Waldbauern verfügen über ein sehr gesundes, kräftiges Mißtrauen und wissen auch im gegebenen Moment, was gespielt wird. Unsere Waldbauern möchten die Freiheit ihrer Scholle haben; sie sind darauf ebenso bedacht wie auf die Erhaltung ihrer Forstrechte. Mit Zwang geht es nicht. Mit Zwang sollte man auch nicht versuchen, die Flüchtlingsförster in größerer Anzahl, als das jetzt schon geschieht und möglich ist, unterzubringen. Dafür sind wir aber in Bayern durch ein verständnisvolles Zusammenarbeiten zwischen der Berufsvertretung und den Waldbesitzern sehr viel weitergekommen. Unsere Waldbauern haben sich einer sachkundigen und unvoreingenommenen Beratung gegenüber stets sehr aufgeschlossen gezeigt. Es sind auf diesem Wege ohne Zweifel bereits sehr schöne Erfolge in der Steigerung der forstwirtschaftlichen Erzeugung zu verzeichnen.
Wir lehnen also jeden Zwang auf diesem Gebiet und erst recht einen solchen in Form eines Bundesgesetzes ab. Meine Fraktion beantragt daher, den vorliegenden Antrag abzulehnen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meines Erachtens sind die Ausführungen der beiden Herren Vorredner nicht geeignet, die Argumente zu entkräften, die der Antragsteller vorbrachte.
({1})
Der Hinweis auf das Grundgesetz ist zweifelsohne berechtigt. Aber sollte das nicht ein Anlaß sein, das Grundgesetz - es könnte ja ein Antrag gestellt werden - entsprechend abzuändern?
Ich bin der Auffassung, daß die Situation unserer Forstwirtschaft aus den verschiedensten Gesichtspunkten durchaus eine bundeseinheitliche Regelung notwendig macht. Wenn man glaubt, auf Grund der verfassungsrechtlichen Vorschriften den Entwurf eines solchen Gesetzes nicht vorlegen zu können, wie es die Antragsteller verlangen, dann sollte sich der Ausschuß vornehmlich mit der Frage befassen, wie durch eine Änderung des Grund
({2})
gesetzes in dieser so wichtigen Materie entsprechend Ordnung geschaffen werden kann. Das scheint uns dringend notwendig zu sein.
Das Schlußwort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt.
Dr. Schmidt ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Geheimrat Laforet, ich bewundere Ihren Mut, den Sie haben, dem Rechtsausschuß noch mehr Arbeit aufzuhalsen, als er an sich schon hat; denn, wie ich weiß, sitzt er bis über die Ohren in Arbeit. Ich kann es nicht verstehen, daß Sie diesen Wunsch haben, zumal im Grundgesetz klar zum Ausdruck kommt, daß auch die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung in die konkurrierende Gesetzgebung fällt, und zumal der Bundeskanzler selber in seiner Regierungserklärung ausgeführt hat, daß es sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht hat, die forstwirtschaftliche Erzeugung zu fördern.
Nun wurde von allen Rednern zugegeben, daß im Kleinstwald noch große Reserven vorhanden sind, und ich konnte ahnen, daß von seiten der Bayernpartei das Schreckgespenst einer Sozialisierung des Waldes hier aufgezeigt werden würde. Aber ich weiß genau so, daß in allen Walddörfern und bei allen Waldbesitzern Regungen vorhanden sind, sich freiwillig zusammenzuschließen. Nur werden diese Regungen unterdrückt durch ganz bestimmte Kreise, die an einem Zusammenschluß und an einer Förderung des bäuerlichen Waldes gar kein Interesse haben. Ich verweise auch auf das Land Österreich, in dem diese Fragen vorbildlich gelöst sind.
Ich stelle den Antrag, mit diesem Antrag den Ernährungsausschuß als federführenden Ausschuß und den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß zu befassen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung an den Ausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten und zur Mitberatung an den Rechtsausschuß beantragt. Ist das ,Haus damit einverstanden?
({0})
- Wer also für die Überweisung an den Ausschuß für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
({1})
- Herr Abgeordneter, nach der Geschäftsordnung geht der Antrag auf Ausschußüberweisung immer vor.
Ich bitte die Damen und Herren, die für eine Überweisung an den Rechtsausschuß als mitberatenden Ausschuß sind, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe jetzt zunächst den Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend
a) Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Gundelach,
b) Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Abgeordneten Gundelach sowie gegen den verantwortlichen Drucker der Firma „Rhein-Main-Druck" in Frankfurt am Main wegen Beleidigung des Bundestages
gemäß Schreiben des hessischen Ministers
der Justiz vom 17. April 1951 ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ewers. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Ewers ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei dieser Sache um eine etwas ältere Angelegenheit, nämlich darum, daß die KPD im Februar dieses Jahres von Bonn aus eine politische Flugschrift verbreitet hat, die in Frankfurt am Main bei dem genannten Verlage gedruckt worden ist. Ich möchte ein fotokopiertes Exemplar hier einmal vorzeigen. Es hat die Form eines Zeitungsblattes, das sich als „Extrablatt" kennzeichnet und nach dem Aufdruck zum Preise von 5 Pfennig vertrieben werden sollte.
Diese Flugschrift hat zunächst hier im Hause den Ältestenrat beschäftigt, der schon am 1. März durch Abgabe an die Staatsanwaltschaft in Frankfurt die Strafverfolgung in die Wege leiten wollte. Von dort aus ist die Sache auf dem Dienstwege hierher zurückgekommen, und zwar deshalb, weil erstens der Unterzeichner dieses Flugblattes, Herr Kollege Gundelach, der für den Inhalt verantwortlich ist, nur verfolgt werden konnte, wenn die Immunität aufgehoben oder die Strafverfolgung genehmigt war, und weil zweitens eine Ermächtigung zur Strafverfolgung, da es sich nach dem Inhalt um eine Beleidigung des ganzen Bundestages handelt, zunächst einmal durch einen Beschluß des Bundestages hätte beschlossen werden müssen.
Diese Sachlage, durch die die Angelegenheit um ein halbes Jahr verspätet ist, gibt unserem Ausschuß Veranlassung zu der Bitte, mit Dingen, bei denen es sich um irgendwelche Strafangelegenheiten handelt, die mit dem Bundestage zusammenhängen, zunächst einmal den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu befassen, der solche Dinge ja laufend behandelt und die richtigen Kanäle und Methoden vielleicht eher findet als der Ältestenrat, der grundsätzlich mit anderen Fragen befaßt ist. Das nur eine außerhalb der Tagesordnung bei diesem Anlaß sich bietende Anregung unseres Ausschusses für Geschäftsordnung!
Zur Sache selbst! Es ist ein zweiseitiges Flugblatt in Zeitungsgröße, das auf beiden Seiten unter voller Ausnutzung des Raumes bedruckt ist. Die Eigenschaft dieses Flugblattes als Zeitung ist nicht nur aus der Überschrift „Extrablatt" zu erkennen,
sondern insbesondere daraus, daß die Artikeleinteilung, 'die Raumeinteilung mit den nötigen Schlagzeilen, die auf den Inhalt hinweisen sollen, durchaus zeitungsmäßig aufgemacht ist. Für eine ordentliche Zeitung fehlen höchstens die Annoncen, die aber in einem Extrablatt einer Zeitung ohnehin nie enthalten zu sein pflegen.
({5})
In diesem Extrablatt ist nicht nur das Papier schlecht, auch der Druck und der Umdruck sind schlecht. Aber das nur nebenbei.
({6})
. Der Inhalt ist vielgestaltig. Er setzt sich aus einer großen Anzahl verschiedener, verschieden gedruck({7})
ter und verschieden gespalteter Überschriften zusammen. Bis auf den letzten Artikel, der einen Aufruf der KPD enthält mit der Überschrift: „Werktätige Männer und Frauen Westdeutschlands", behandelt das Blatt ausnahmslos Dinge des „Spiegel"-Ausschusses. Die Dinge, die da unter wechselnden Überschriften und in wechselnden Beleuchtungen, zum Teil unter wörtlicher Abschrift von einzelnen Protokollen, in Rede und Gegenrede behandelt werden, betreffen, wie gesagt, die bei uns eingehend erwogene „Spiegel"-Angelegenheit, die ja einen hohen Stapel von Protokollseiten über die Ausschußsitzungen angehäuft hat.
Die erste zeitungsmäßige Mitteilung ist die Überschrift: „100 Abgeordnete mit 2 Millionen DM bestochen". Das wird also als Meldung eines Extrablattes in einer Schlagzeile der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben. Ich bitte, zunächst die Zeit zu beachten. Es handelt sich um den Februar dieses Jahres. Der Bericht des Ausschusses ist etwa erst ein Vierteljahr später im Bundestag erstattet worden. Bis dahin wußten also die Öffentlichkeit und das Parlament über Einzelheiten nicht hinlänglich Bescheid. Diese Überschrift ist für einen bestimmten ersten entscheidenden Leitartikel oder die erste Leitmeldung gedacht, die die Hauptmeldung des ganzen Blattes ist. Der Inhalt dieser Meldung unter dieser Überschrift bezieht sich aber nur auf die Tatsache, daß unser Kollege Pferdmenges und ein Dr. Heinrichsbauer für politische Parteien namhafte Mittel aus Wirtschaftskreisen aufgebracht haben. Die Überschrift soll also den Inhalt dieser Mitteilung decken und besagt in Verbindung mit dem Text, der darunter steht, daß die Herren Pferdmenges und Heinrichsbauer 2 Millionen DM an 100 Abgeordnete gezahlt hätten, die dadurch bestochen worden seien, im Interesse von Bonn oder Frankfurt oder für sonstige Zwecke abzustimmen. Anderes kann der Leser dieses Extrablattes daraus nicht entnehmen.
Der nächste Artikel hat die Balkenüberschrift: „Erdölindustrie kauft Abgeordnete des Bonner Parlaments", bekanntlich die Affaire des Kollegen Aumer, die den Ausschuß eingehend beschäftigt hat. Dieser weitere Artikel hat eine Reihe von selbständigen Abschnitten, deren Überschriften ich kurz wiedergebe, um Ihnen zu zeigen, was hier alles behandelt wird. Der erste Unterabschnitt heißt: „Im Unterausschuß wird bekannt". Dann kommt: „Politik ist Geschäft", weiter: „Wie Abgeordnete gemacht werden", das Wort „gemacht" in Anführungsstrichen. Dann kommt: „Bankiers und Industrielle korrumpieren die CDU", dann: „CDU und FDP fürchten die Wahrheit". Der letzte Abschnitt, eingeleitet durch drei Gedankenpunkte, heißt: „SPD-Abgeordnete auch". Das alles wird hier erläutert. Im Rahmen dieser verschiedenen Überschriften wird auch aus dem bekannten sogenannten Gedächtnisprotokoll des früheren Kollegen Dr. Baumgartner der Satz zitiert, daß irgendeiner -- ich weiß gar nicht mehr, wer - die Geschichte mit den 2 Millionen DM an 100 Abgeordnete erzählt habe. Es steht also an einer ganz versteckten anderen Stelle die Angabe, daß es sich um Geschwätz eines unserer Mitglieder handelt, das wir nicht tief genug bedauern können; ein Sachverhalt, der mit den Herren Pferdmenges und Heinrichsbauer und mit ihren Sammlungen für Wahlzwecke nicht das geringste zu tun hat.
Der Inhalt des Flugblattes in seiner Gesamtheit mit all seinen, zum Teil, wie gesagt, unter Mitteilung des Protokollinhalts gegebenen Nachrichten kommt in seinen Schlußfolgerungen richtig durch das zum Ausdruck, was sozusagen zu Reklamezwecken den Schlußraum der ersten Seite ausfüllt. Dort steht: „Bonn bedeutet Korruption, Aufrüstung und Krieg". Die beiden letzten Schlagwörter kennen wir ja von hier als Leitmotiv der KPD. Hier ist aber insbesondere das Wort „Korruption" neu. In allen diesen Artikeln wird durch Unklarheit, durch Herausreißen aus jedem Zusammenhang im Ergebnis etwa gesagt: Abgeordnete aller Fraktionen von der SPD bis ganz rechts mit alleiniger Ausnahme der KPD sind durch hintertürige Machenschaften und Dinge, die man verschweigen muß, bestochen. Das kommt hinsichtlich der SPD dadurch zum Ausdruck, daß in verschiedenen Artikeln mitgeteilt wird, die SPD habe ihren Nachforschungseifer in demselben Augenblick außerordentlich gebremst, als ihr von CDU-Kreisen entgegengehalten worden sei: „Sehen Sie sich vor, wir packen sonst auch aus!" Das alles bringt den unbefangenen Leser dieses Artikels zu dem Ergebnis: Eine Krähe hackt der anderen nicht die Augen aus, hier werden trübe Sachen gemacht, hier ist eine korrupte Gesellschaft zusammen, die sich angeblich mit Gesetzesmàcherei befaßt, in Wirklichkeit aber nur ihre eigene Schande bemäntelt.
Dieses Flugblatt war, als es am 1. März den Ältestenrat beschäftigte, zweifellos sehr gefährlich. Damals lag der Ausschußbericht noch nicht vor und war auch innerhalb kurzer Zeit nicht zu erwarten. Inzwischen konnte sich jeder, der um Obiektivität bemüht ist und der nicht einer Agitation zum Opfer fallen will, durch Beschaffung des Ausschußberichtes und durch Nachlesen dessen, was darüber hier im Plenum des Bundestages von den verschiedenen Rednern gesagt worden ist, überzeugen, um was es sich bei dieser peinlichen Korruptionsangelegenheit handelt. Daß sie peinlich ist, ist klar. Denn aus dem Umstand, daß der Bundestag mit sehr großer Mehrheit beschlossen hat, fünf Abgeordneten die Niederlegung ihres Mandats zu empfehlen, ergibt sich klar, daß nach Ansicht der überwiegenden Mehrheit des Hauses in dem Ausschuß über den einen oder anderen etwas ermittelt worden ist, was das Niveau des Hauses drückt.
({8})
- Ihre Extrablätter genügen uns vollkommen. ({9})
Bei dieser Sachlage war der Ausschuß sich über folgendes völlig im klaren. Wenn der Staat, den wir aufbauen wollen, auf sich hält und wenn in ihm das Parlament als die gesetzgebende Instanz eine sehr bedeutsame und nach Möglichkeit achtunggebietende Rolle spielen soll und will, kann sich das Parlament als Einrichtung derartiges nicht bieten lassen. Wir haben daher, wie schon Herr Dr. Mende vor einigen Wochen mitgeteilt hat, in unserem Ausschuß den grundsätzlichen Beschluß gefaßt: Angriffe, die sich gegen die Ehre des Parlaments oder die Ehre so vieler Abgeordneten richten, daß dadurch die Gesamtehre berührt wird, sollten grundsätzlich strafrechtlich verfolgt werden. Großzügige Nachsicht mag man in eigenen persönlichen Angelegenheiten walten lassen. In Dingen der Achtung vor dem Staatswesen ist derartiges unangebracht.
Nur wegen des Zeitablaufs kam es für uns eventuell in Betracht, die Dinge nunmehr, im Herbst
({10})
oder Anfang Winter 1951, auf sich beruhen zu lassen, da die Öffentlichkeit über dieses Flugblatt, dessen Verbreitungszahl uns umbekannt ist, hinreichend aufgeklärt ist und inzwischen wesentlich wichtigere neue Dinge die Öffentlichkeit mit Recht erregen.
({11})
Wir hätten das getan, wenn nicht der Abgeordnete Renner, der an diesem Tage ausnahmsweise der Ausschußsitzung beiwohnte, uns gesagt hätte: Wenn euch das so bequem scheint, bitte schön, in Ordnung. Diese Bemerkung zeigt, daß man glaubt, öffentlich die Meinung vertreten zu können: Wenn wir in diesem Falle diese alten Kamellen im Prozeß nicht wieder aufwärmen lassen, tun wir das nur, um den Bundestag zu schonen. Davon kann allerdings gar keine Rede sein. Daran, daß diese Dinge im Februar, als das Aktenmaterial noch nicht vorlag und seine Auswertung noch nicht erfolgt war, ungeheuer gefährlich waren, und daran, daß das ganze Extrablatt von A bis Z den Zweck hat, die demokratische Einrichtung unseres Staates zu unterhöhlen und den Bundestag in der Öffentlichkeit als eine geradezu schmutzige Gemeinschaft von verbrecherisch gesonnenen Menschen zu schildern, besteht kein Zweifel. Darüber, daß die Resultate der Beratungen im „Spiegel"-Ausschuß bei sachgemäßer Betrachtung der dort behandelten Dinge dazu nicht 'die geringste Veranlassung boten, sollte sich jeder im klaren sein, der die Arbeiten und die unsäglichen Mühen 'dieses Ausschusses verfolgt hat.
Aus diesem Grunde können wir dem Hause auch trotz des Zeitablaufs nicht empfehlen, über diese Dinge zur Tagesordnung überzugehen. Das Recht muß nun seinen Lauf nehmen. In diesem Falle sind zwei Beschlüsse nötig. Ich sage ganz offen: die Reihenfolge der Beschlüsse ist meines Erachtens falsch. Zunächst muß man die Voraussetzung für ein Strafverfahren durch Ermächtigung schaffen: ohne Ermächtigung kann nach dem geltenden Recht - sowohl nach dem neuen ab 1. Oktober wie nach dem alten Strafgesetzbuch - das Parlament überhaupt nicht als Beleidigter in einem Strafverfahren auftreten. Die Gerichtsstellen müssen ermächtigt werden, diese Dinge zum Gegenstand eines Strafverfahrens zu machen. Wir müssen also in erster Linie - das steht hier an zweiter Stelle - die Ermächtigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen Gundelach und gegen den Drucker dieses Flugblattes erteilen. Darüber hinaus müssen wir die Genehmigung dazu erteilen, daß das Strafverfahren gegen den Abgeordneten Gundelach ungeachtet seiner Abgeordneteneigenschaft durchgeführt wird.
In diesem Sinne und in dieser Reihenfolge bitte ich, den Beschlüssen des Immunitätsausschusses zu entsprechen.
({12})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter wird von mir - das schicke ich meinen Ausführungen voraus - gebeten, mich sofort der Lüge zu strafen, wenn ich hier irgend etwas sage, was seiner Meinung nach nicht den Tatsachen entspricht.
Was ist los? Die Kommunistische Partei hat im Februar ein Flugblatt herausgebracht, das den
Titel trägt „100 Abgeordnete mit 2 Millionen DM bestochen".
({0})
Der Herr Berichterstatter hat hier von diesem Pulte aus gesagt, daß die Basis dieses Gerüchts oder dieser Meldung ein verantwortungsloses Geschwätz eines Kollegen sei, der in diesem Hohen Hause sitzt. Also die Oberschrift über dem Artikel geht zurück - immer nach dem Herrn Berichterstatter - auf Äußerungen eines Parlamentariers - nicht Kommunisten -, dem man heute nachsagt, er habe unverantwortliches Geschwätz gemacht.
({1})
Der Herr Berichterstatter hat hier nicht zum Ausdruck gebracht, was im Ausschuß gesagt worden ist, daß sich nämlich der Inhalt dieses Flugblattes restlos mit den Ergebnissen deckt, die der Untersuchungsausschuß selber festgestellt hat.
({2})
- Das hat er gesagt. Er hat gesagt: Bedauerlicherweise ist der Inhalt eine Wiedergabe des Protokolls. Also, der Inhalt ist klar. Was da drinsteht, ist identisch mit dem Inhalt des Protokolls. Und worauf bezieht sich diese Meldung „100 Abgeordnete mit 2 Millionen DM bestochen"? Sie bezieht sich doch nicht auf die kleinen Leutchen da, die von Ihnen so hart 'behandelt worden sind, weil sie sich, wie ich damals gesagt habe, unmanierlich haben bestechen lassen. In diesem Artikel wird doch ein ganz anderes und viel wichtigeres Problem behandelt, das Problem: Woher kommen die Gelder, die der Herr Pferdmenges an gewisse Fraktionen dieses Hauses verteilt hat, und zu welchem Zweck sind sie gegeben worden? Das ist die Streitfrage, und darüber ist bedauerlicherweise in diesem Ausschuß keine Klarheit geschaffen worden. Da ist zwar festgestellt worden: Der Herr Pferdmenges hat Gelder erhalten. Es ist auch festgestellt worden, daß er sie von führenden Organisationen der Schwerindustrie erhalten hat. Es ist auch festgestellt worden, daß er sie an die Parteien der Regierungskoalition abgegeben hat. Es ist auch festgestellt worden, daß der andere Herr, der eine sehr sehr dunkle Rolle in dieser Angelegenheit spielte, Herr Heinrichsbauer, gesagt hat, daß alle Fraktionen, alle Parteien mit Ausnahme der Kommunisten von ihm Geld bekommen haben.
({3})
- Das steht im Protokoll drin; ich bitte Sie, das Protokoll nachzulesen.
({4})
- Herr Heinrichsbauer hat gesagt, daß er an alle abgegeben habe, selbstverständlich nicht an die Kommunisten. - Also bitte, schlagen Sie das Protokoll nach! Ich habe es studiert; aber Sie müssen heute notgedrungen dementieren, was da 'drinsteht!
Als wir hier im Plenum das Ergebnis der Untersuchungen des Ausschusses besprachen, war es ein Herr vom Zentrum, der sagte, daß auch „goldene Ketten" Ketten seien. Er führte sinngemäß aus, daß die Schwerindustrie und die Großbanken über Herrn Pferdmenges die Haltung der Fraktionen in entscheidenden Dingen beeinflussen. Ich gehe weiter: ich sage, daß die Haltung der Regierungs({5})
koalition in entscheidenden Fragen von den Interessen des Großunternehmertums bestimmt wird.
({6})
Herr Abgeordneter Renner, wir sprechen hier über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Gundelach. Ich bitte, sich an die Sache zu halten.
Der Herr Sprecher des Zentrums hat damals zu Recht gesagt, daß diese goldenen Ketten auch Ketten seien. Er wollte damit sagen, daß die Parteien, die das Geld von Unternehmern erhalten, die Politik der Unternehmer machen müssen. So liegen doch die Dinge, und mehr steht in unserem Aufruf auch gar nicht drin.
Nun ein weiteres Wort. Im Ausschuß ist gesagt worden, - ({0})
- A propos! Verzeihen Sie das harte, aber richtige Wort: der Umfall im Ausschuß, der hier nur zart angedeutet worden ist, kam gar nicht an der Stelle, als ich sagte: „Nun, machen Sie ruhig den Prozeß!", sondern der kam an der Stelle, als ich sagte: „Ich verstehe, daß Sie Magenbeschwerden haben!"
({1})
Da kam Ihr Umfall! Vorher wären Sie liebend gern bereit gewesen, die Sache zu begraben.
({2})
- Doch, liebend gern wären Sie bereit gewesen, die Sache zu begraben! Und als ich sagte: „Bitte, freie Bahn dem Tüchtigen, macht doch den Prozeß!",
({3})
da kam das zweite Argument. Der Herr Berichterstatter des Hauses war es, der sagte: Natürlich besteht die Gefahr, daß man auf einen Richter stößt, der nicht das notwendige Fingerspitzengefühl für die Belange von Bonn mitbringt.
({4})
- Das hat er gesagt!
({5})
- Wieso „unanständig"? Das habe ich nur wiederholt!
({6})
- Er hat wörtlich gesagt: Es ist fraglich, ob sich ein Richter findet, der das notwendige Fingerspitzengefühl für die Belange von Bonn mitbringt oder in sich trägt.
({7})
Ich überlasse es der Öffentlichkeit, darüber zu urteilen, ob es unanständig ist, daß ich das wiedergebe, oder ob es unanständig ist, daß man so etwas von einem Richter erwartet, bei dem man doch voraussetzt, daß er auf Grund des Gesetzes sachlich urteilt. Ich bin der Meinung - und das ist die Meinung unserer Fraktion - , daß es gut und der Reinlichkeit und Ehre des Parlaments nur dienlich 'wäre, wenn sich in dieser Angelegenheit ein Staatsanwalt und ein Richter fänden, die alle, alle
({8})
Ergebnisse des Untersuchungsausschusses klärten und sich z. B. auch mit dem Tatbestand beschäftigten, der am Donnerstag voriger Woche in der „Süddeutschen Zeitung" behandelt worden ist. Dort hieß
es, in Bonn hätten über hundert Organisationen, größere Verbände und wirtschaftliche Gruppen, ihren Sitz eingerichtet, um besser und direkt auf die Abgeordneten einwirken zu können.
({9})
Das muß man lesen!
({10})
- Ganz recht, wie man Abgeordnete macht!
Ich kann jedenfalls nur das wiederholen, was ich schon im Ausschuß gesagt habe: Beschließen Sie, was Sie wollen! Wir werden bemüht sein, dafür zu sorgen, daß in dieser Gerichtsverhandlung die letzten Hintergründe dieser Geldhergabe über Pferdmenges, die Quellen und Zwecke dieser Geld-hergabe geklärt werden. Uns interessieren gar nicht die fünf kleinen Sünder da, gegen die übrigens noch niemand etwas unternommen hat, denen bisher noch nichts geschehen ist. Sie stürzen sich typischerweise wieder auf einen Kommunisten und haben trotzdem Sorge, es könnte im Zusammenhang mit diesem Prozeß dazu kommen, daß die ganze Affäre, die ganze Korruption jetzt aufgedeckt wird.
({11})
Ich schließe mit einem Wort des Herrn Berichterstatters. Er sagte: Hoffen wir, daß mit diesem Beschluß die Sache in den richtigen Kanal gerät. Ich warne Sie vor dem Kanal, in den Sie die Sache leiten wollen. Ich warne Sie rechtzeitig! Es könnte sich nämlich, wenn der Richter seine Pflicht tut und alle Zusammenhänge klärt, herausstellen, daß dieser Kanal dann einen ungeheuren - verzeihen Sie das Wort - Gestank von sich gibt!
({12})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Ich möchte zunächst betonen, daß ich weniger als Abgeordneter denn als Berichterstatter spreche. Herr Kollege Renner, Sie haben zwar sehr freimütig gesagt, ich dürfe Sie unterbrechen und Sie der Lüge zeihen, wenn Sie von der Wahrheit abweichen, aber Sie haben das nicht wahrgemacht. Ich habe Sie einmal zu unterbrechen versucht, als Sie zwar nicht gelogen, aber objektiv unrichtige Ausführungen gemacht haben.
({0})
- Ich komme gleich darauf. - Ich habe das späterhin unterlassen, weil Sie mir ja doch nicht folgen und mir an Lautstärke zweifellos überlegen sind, zumal Sie den Lautsprecher zur Verfügung hatten, während ich vom Platze aus nur mit meiner Stimmgewalt reden kann.
Unterbrechen wollte ich Sie, als Sie erklärten, die Textbehauptung des ersten Artikels „Hundert Abgeordnete bestochen" rühre von einem Mann her, der angeblich nur geschwätzt habe. Von „angeblich" kann keine Rede sein. Der Abgeordnete Schmidt hat ja im Ausschuß selbst bekundet, daß er diese Behauptung ohne jeden Grund und überhaupt ohne jede Unterlage aufgestellt habe. Das steht objektiv fest. Wer sich diese Behauptung heute zu eigen macht, macht sich damit ohne weiteres strafbar, da seien Sie ganz ruhig! Kein Mensch kann müßiges Geschwätz, das als solches nunmehr feststeht, aufgreifen. Er muß, wenn er es
({1})
verbreitet, wie es hier geschehen ist, dafür vor Gericht gradestehen, vor jedem Gericht.
({2}) Das vorweg.
Zweitens: Ich habe nicht gesagt, daß der gesamte Inhalt der tatsächlichen Meldung richtig sei. Denn dann hätte das Flugblatt nicht ein oder zwei Seiten, sondern 500 Seiten umfassen müssen. Die Auszüge, die Sie aus den sehr viele Seiten umfassenden Protokollen zu machen für richtig gehalten haben, mögen richtig sein. Geprüft habe ich Sie nicht, das ist nicht meine Aufgabe. Ich zweifle aber nicht daran, daß sie richtig sind. Das mag geprüft werden. Aber daß die Schlußfolgerungen, die Sie daraus ziehen, richtig seien - genau das Gegenteil davon habe ich gesagt, das betone ich nochmals. Denn bekanntlich kann man ja besonders infam lügen, indem man etwas, was gesprochen worden ist, aus dem Zusammenhang herausreißt und die spätere Richtigstellung wegläßt. Deswegen ist die Mitteilung wahrheitsgemäßer Einzelheiten, wenn sie aus dem Zusammenhang herausgerissen sind, noch keineswegs eine richtige Darstellung.
Und nun das Fingerspitzengefühl. Gewiß doch, ich habe im Ausschuß davon gesprochen und es ist mir sehr unangenehm, daß man für solche Redewendungen, die man so in die Debatte wirft, nun geradestehen muß: „daß man einen Richter mit Fingerspitzengefühl brauche, um die Gemeinheit dieses Flugblattes zu erkennen".
({3})
Das habe ich erklärt. Aber „daß er ein Gefühl für Bonn haben müsse", davon habe ich auch nicht den Schatten einer Andeutung gemacht, sondern ich habe gesagt, daß dieser Richter ein einfühlender Kopf sein müsse, der die Gemeinheit von so zusammengestellten Meldungen erkenne.
Was aber die Bestrafung anlangt, lieber Herr Renner, da ist überhaupt kein Zweifel möglich; denn es ist ja doch im Ausschuß festgestellt worden - und auch kein Gericht wird etwas anderes feststellen können -, daß weder Herr Pferdmenges noch Herr Heinrichsbauer auch nur einem einzigen Abgeordneten jemals eine Mark gezahlt hätten.
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Den Parteien haben sie es gezahlt!. Der Untersuchungsausschuß hat festgestellt - und zwar einmütig -, daß das nach dem Parteiengesetz in Zukunft vielleicht einer Regelung bedürfe, daß aber von einer strafbaren Bestechung gar nicht die Rede sein könne. Auch Sie und Ihre Partei müssen von Geld leben, und so ein Flugblatt kostet Geld, und ob Ihre Mittel ausreichen, um selber so etwas zu finanzieren, weiß ich nicht.
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- Wir leben nicht auf dem Mond, sondern auf der deutschen Erde, und die deutsche Erde ist ja immer noch eine Noterde.
Diese Tatsache ist also mit aller Deutlichkeit festgestellt, weswegen ja auch z. B. niemand daran gedacht hat, unserem hochverehrten Herrn Kollegen Pferdmenges wegen der Tatsache, daß er sich um Geld bemüht hat, auch nur den geringsten Vorwurf zu machen. In dem ganzen Beschluß des Untersuchungsausschusses ist ja überhaupt nicht die Rede von einem solchen Vorwurf. Höchstens ist' angezweifelt worden, ob es mit der Stellung des Finanzministers vereinbar ist, solche Gelder zu verwalten. Aber daß ein Abgeordneter, der in entsprechenden Kreisen verkehrt und Ansehen genießt, Geldwerbungen für Parteien machen kann, hat bisher noch niemand angezweifelt.
Jedenfalls diese Schlagzeile hier: „Das Geschwätz unseres Kollegen Schmidt" rechtfertigt das, was Sie über Pferdmenges und über Heinrichsbauer mitteilen, in gar keiner Weise, und dafür werden die entsprechenden Stellen bestraft werden. Da bedarf es keines Fingerspitzengefühls; das steht fest.
({6})
Es ist nur so - das muß ich offen sagen -: wenn der Betreffende durch ein allzu mildes Gericht eine Strafe von, sagen wir einmal, 150 DM bekommt, dann sind wir der Meinung, daß eine solche Straftat ein Vergehen ist, das im Interesse unseres jungen, werdenden Staates mit einer nicht unter einem Jahr liegenden Strafe geahndet werden dürfte.
({7})
Das allein ist die Gefahr; in diesem Sinne bedarf es eines Fingerspitzengefühls für die Dinge, die hier als Ehrenkränkung anliegen. In dem Sinne habe ich das Wort gesprochen, und Sie werden nirgendwo einen Zeugen finden, der sagt, ich hätte ausgeführt, daß der betreffende Richter ein Fingerspitzengefühl „für Bonn" haben müsse. Ich habe lediglich erklärt, er müsse ein Fingerspitzengefühl für die Natur der Beleidigung haben.
Ich glaube, meine Herren, über diese Dinge ist jetzt genug gesprochen worden. Ich würde es jedenfalls bedauern, wenn wir uns wieder in eine Erörterung. über die den Untersuchungen des „Spiegel"-Ausschusses zugrunde liegenden Tatbestände einlassen würden. Davon kann keine Rede sein. Es handelt sich darum, die Herstellung eines Flugblattes zu ahnden, das zur Zeit, als es in der breitesten Öffentlichkeit publiziert wurde, das größte Unheil hätte anrichten können, wenn es von politisch zwar interessierten, aber ununterrichteten Lesern zur Kenntnis genommen wurde. Das ist der Tatbestand, vor dem wir stehen, und darüber haben wir zu entscheiden. Der Immunitätsausschuß hat Ihnen einstimmig - ich meine, Herr Kollege Renner, Sie hatten auch dafür gestimmt; ich müßte mich sehr irren, wenn es nicht so wäre - zu empfehlen, erstens die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den Abgeordneten Gundelach und den Drucker zu erteilen und zweitens die Immunität des Abgeordneten Gundelach zum Zwecke der Durchführung dieser Strafverfolgung aufzuheben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Richtigstellung vorweg: Der Herr Berichterstatter meinte, ich hätte im Ausschuß auch für diesen Vorschlag gestimmt. Tut mir sehr leid, das kann ich nicht getan haben aus dem simplen Grunde, weil ich in dem Ausschuß nicht abstimmungsberechtigt bin.
({0})
Nun zur Sache selber. Er, hat mir vorgehalten, daß ich nicht in der Lage sei, ihm zu folgen. Ich bin der Meinung, das ist eine allzu starke Zumutung, mir nahezulegen, ihm zu folgen! Was ist los? Er hat hier gesagt, daß diese Überschrift die Aussage eines Abgeordneten aus diesem Hause beinhalte. Dieses Flugblatt ist im Februar geschrieben. Zu dem damaligen Zeitpunkt war nichts
({1})
bekannt als die Aussage dieses Abgeordneten: Hundert Abgeordnete sind mit zwei Millionen Mark bestochen. Die Tatsache, daß dieser Abgeordnete später - wochenlang später; das kann man feststellen, wenn man das Protokoll nachliest - erst erklärt hat, daß er für seine Aussagen keinerlei Beweis in der Hand habe, schafft doch nicht den Tatbestand aus der Welt, daß im Februar ein Parlamentarier vor dem zuständigen Ausschuß das ausgesagt hat!
({2})
Aus! Wenn ich wollte, könnte ich mich auf die juristische Ebene begeben; ich könnte zumindest für den Abgeordneten Gundelach das Moment des guten Glaubens geltend machen.
({3}) Das will ich gar nicht.
Eine zweite Sache: Ich kann auch nicht diese Vornehmheit der Differenzierung aufbringen - die ich anerkenne -, daß die Methode der direkten Bestechung eines Abgeordneten weniger strafwürdig, weniger verachtbar und weniger unschön ist als die Methode der indirekten Finanzierung irgendeiner politischen Gruppe. Mir scheint, daß der Unternehmer, der über gewisse Mittelsmänner an einige Bundestagsabgeordnete direkt Geld gibt, genau denselben Zweck im Auge hat wie der große Verband, der diese Beeinflussung in der Form durchführt und sichert, daß er an die Fraktionen oder an die Parteien global Geld abgibt. Ich kann solch feine Differenzierungen wirklich nicht mitmachen, und sie sind auch vollkommen abwegig. Wer Geld von Herrn Pferdmenges nimmt, der macht die Politik des Herrn Pferdmenges.
({4})
Und was Herr Pferdmenges ist,
({5})
der weiß ja auch, warum er das Geld sammelt. Er weiß auch, warum er von seinen Freunden, mit denen er angeblich nach dem Herrn Berichterstatter nur so gelegentlich verkehrt, deren wirklicher parlamentarischer Repräsentant er aber neben Adenauer ist, Geld bekommt: Es wird zweckdienlich angelegt, um die „goldenen Ketten" zu schaffen, von denen der Sprecher des Zentrums gesprochen hat.
Und nun noch einen letzten Satz. Ich finde es unerhört, daß sich hier ein Berichterstatter, ein Parlamentarier hinstellt und der Meinung Ausdruck gibt, daß die einzig mögliche Strafe für den Abgeordneten Gundelach nicht in einer Geldstrafe von 150 Mark, sondern in einem Jahr Gefängnis bestehen müsse. Ich sage dazu folgendes: Das ist ein offensichtlicher Versuch, die Justiz und die Rechtsprechung von diesem Tisch aus zu beeinflussen. Jetzt wird mir auch noch viel deutlicher klar, warum Herr Ewers im Ausschuß nach dem Richter mit dem Fingerspitzengefühl gerufen hat. Ich bin der Meinung, daß das Volk über die Hintergründe dieser Korruption und über die Zweckbestimmung, für die Unternehmerverbände Geld an gewisse Parteien der Koalition geben, unterrichtet werden muß und die Zusammenhänge begreift. Wir werden dafür sorgen, daß dieser Prozeß für Sie nicht nur zu einer stinkenden Kloake wird, sondern wir werden dafür sorgen, daß die Öffentlichkeit Aufklärung über die letzten Hintergründe der Geldspender, Geldverteiler und Durchführer der Unternehmerinteressenpolitik erhält.
({6})
- Das zahle ich mit den Diäten, die ich als Volksvertreter bekomme, nicht als Unternehmerknecht, Herr Mayer, und als Freund des Herrn Pferdmenges.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte hier feststellen, daß durch die Äußerung des Herrn Kollegen Renner eine materielle Würdigung stattgefunden hat, nämlich eine Abwägung der Frage, ob der betreffende Abgeordnete schuldig oder nicht schuldig sein und was er an Strafe erwarten könnte. Diese materielle Würdigung ist durch Sie, Herr Kollege Renner, ausgelöst worden, und ich stelle hier fest, daß diese materielle Würdigung nach der ganzen Praxis sowohl des Reichstags als auch anderer Parlamente, sowohl des Bundestags als auch nach der Verfassung unzulässig ist.
({0})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses . auf Drucksache Nr. 2565 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen ist der Antrag angenommen.
Ich rufe nun den zurückgestellten Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Änderung über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ({0}) vom 19. Juni 1950 ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({2}) ({3}). ({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Massoth.
Massoth ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat sich als notwendig erwiesen, die seit der Verabschiedung des Heimkehrergesetzes vom 19. Juni des vergangenen Jahres sichtbar und spürbar gewordenen Lücken in den gesetzlichen Hilfsmaßnahmen für unsere Heimkehrer zu schließen, Härten zu beseitigen, berufliche und wirtschaftliche Möglichkeiten zu schaffen und vor allem ehemalige Kriegsgefangene, die aus der Internierung in der sowjetischen Besatzungszone und von jenseits der Oder-Neiße-Linie kommend im Bundesgebiet oder in Berlin-West Aufnahme fanden, den Heimkehrern im Bundesgebiet gleichzustellen.
Zu letzterem folgendes Grundsätzliche: Seit dem Jahre 1945 wurde in der sowjetischen Besatzungszone und in deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie eine große Anzahl von Personen aus nichtigen Gründen in Konzentrationslagern festgehalten. Es handelt sich um ehemalige Kriegsgefangene, Personen, von denen ein Widerstand
({6})
gegen das kommunistische System erwartet wurde, Angehörige nichtkommunistischer Parteien und selbst Jugendliche. Den Internierten wurde meist Spionage zugunsten der Westmächte, Sabotage und dergleichen vorgeworfen, und die Internierung als solche erfolgte teils ohne, teils nach einem Urteil der NWD. Im Zuge der Anfang des Jahres 1950 durchgeführten Überleitung der Konzentrationslager in deutsche Verwaltung wurden Internierte freigelassen und kehrten entweder als dessen Bewohner ins Bundesgebiet zurück oder fanden als Flüchtlinge Aufnahme im Bundesgebiet oder in West-Berlin. Dieser Personenkreis ist ebenso wie die im Ausland Internierten im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen oder den allgemeinen Auflösungserscheinungen der ersten Nachkriegsjahre ungerechtfertigt im ausländischen oder sowjetzonalen Gewahrsam gehalten worden und hat daher wie die in § 1 Abs. 3 des Heimkehrergesetzes erfaßten Auslandsinternierten ein Anrecht darauf, als Heimkehrer behandelt zu werden. Diese Internierten sollen, wenn sie wegen Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit im Bundesgebiet Aufnahme fanden und im Osten nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und Demokratie verstoßen haben, den Heimkehrern im wesentlichen gleichgestellt werden. Damit soll eine Lücke im Heimkehrergesetz geschlossen werden, das bisher nur die im Ausland, nicht aber die in den sowjetisch besetzten deutschen Gebieten und in den deutschen Gebieten jenseits der Oder-Neiße-Linie Internierten erfaßte.
Härteklauseln einzuführen hat sich als nötig herausgestellt. Bei der Verschiedenartigkeit der Sachverhalte, insbesondere infolge völkerrechtswidriger Behandlung von Kriegsgefangenen und Internierten, treten häufig Grenzfälle auf, in denen die Versagung der Leistungen nach dem Heimkehrergesetz eine Härte bedeuten würde. Die Verpflichtung der öffentlichen Hand zu bevorzugter Wohnraumzuteilung, zur Wiederzulassung der Internierten zu freien Berufen und zu bevorzugter Arbeitsvermittlung, das alles bringt dieses Ergänzungsgesetz als nicht unwesentliche Verbesserungen gegenüber den früheren Regelungen. Unterhaltsbeihilfen - früher nur für Angehörige Kriegsgefangener - werden jetzt auch den Angehörigen Internierter gewährt werden. Weiterhin findet die Frage der Unterhaltsforderungen hier eine tragbare Lösung, und schließlich findet das Gesetz auch Anwedung auf die Heimkehrer im Land Berlin. - Das in großen Zügen zu Sinn und Inhalt des Ergänzungsgesetzes.
Ich komme nun zur Erläuterung der einzelnen Abschnitte. § 1 des Heimkehrergesetzes erfuhr eine Änderung in Abs. ({7}), der nun lautet:
Als Heimkehrer im Sinne des Abs. 1 gelten ferner Deutsche, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder Staatsangehörigkeit oder
= das ist die Einfügung in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen im Ausland interniert waren und innerhalb zweier Monate nach der Entlassung aus ausländischem Gewahrsam im Bundesgebiet Aufenthalt genommen haben oder nehmen.
Die nähere Begründung habe ich eingangs gegeben.
In § 1 sollte laut Vorlage ein Abs. 4 eingefügt werden; Sie haben die Drucksache Nr. 2581 ja vor sich. Der Ausschuß entschloß sich für die vom
Bundesrat vorgeschlagene Fassung, die auch die Zustimmung der Regierung gefunden hat. Ich verweise hier besonders auf den Schlußabsatz, wonach Heimkehrer ausgeschlossen werden können, wenn sie durch ihr Verhalten oder wenn sie durch ihre Tätigkeit gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder demokratischer Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben. In diesem Abs. 4 sind diejenigen Personen den Heimkehrern gleichgestellt, die außerhalb des Bundesgebiets, jedoch innerhalb der Grenzen des Deutschen Reichs vom 1. Januar 1938 interniert waren. Die Voraussetzung dafür, daß die Vorschriften über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer auch für Internierte gelten, ist dann gegeben, wenn diese Personen nach ihrer Entlassung aus der Internierung im Bundesgebiet oder in Westberlin Aufenthalt nehmen. Hierbei findet auf diesen Personenkreis das Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet vom 22. August 1950 Anwendung. Nach § 1 dieses Gesetzes ist die Voraussetzung für die Erlaubnis zur Notaufnahme gegeben, wenn eine drohende Gefahr für Leib und Leben und die persönliche Freiheit bestand. Auch andere zwingende Gründe können für die Erteilung der Erlaubnis sprechen. Die Entscheidung hierüber hat nach § 2 des Gesetzes ein Aufnahmeausschuß. Es kann vorausgesetzt werden, daß dieser Ausschuß eine Erlaubnis nicht erteilt, wenn die im Schlußabsatz dieses Abs. 4 genannten Tatbestände - ich habe sie bereits zitiert: Verstoß gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder demokratischer Rechtsstaatlichkeit - vorliegen.
Der Ausschuß schlägt dem Hause vor, den nach der Regierungsvorlage für § 1 vorgesehenen Abs. ({8}) zu streichen, und zwar aus folgenden Erwägungen: Die Hereinnahme einer solchen Bestimmung in das Heimkehrergesetz verzögert die in fast allen Fällen notwendigen und dringlichen Hilfsmaßnahmen, weil diese erst anlaufen könnten, wenn das Entnazifizierungsverfahren für die betreffenden Heimkehrer durchgeführt ist. Ferner müßte bei den Heimkehrern, die von ausländischen Gerichten verurteilt worden sind, zunächst der Beweis der Unschuld erbracht werden. Dies würde in/ den meisten Fällen zur Wiederholung eines langwierigen Gerichtsverfahrens führen und solange alle Hilfsmaßnahmen ausschließen. Das mit dem Gesetz verfolgte Ziel, dem Heimkehrer sofortige Hilfe ' zu gewähren, würde in beiden Fällen nicht erreicht. Gegenüber den von Regierungsseite geäußerten Bedenken, daß diese Streichung in der Öffentlichkeit nicht verstanden würde, insbesondere nicht, daß man unter Umständen Verbrechern noch eine staatliche Unterstützung zuteil werden ließe - es wurde hier auf ähnliche Bestrebungen hingewiesen, die im Bundesversorgungsgesetz ihren Niederschlag gefunden hätten - wurde von der Ausschußmehrheit die Auffassung vertreten, daß es sehr schwierig sei, den Beweis darüber zu führen, inwieweit ein im Ausland gefälltes Urteil auf Grund der deutschen Strafgesetze rechtens oder nicht rechtens sei. Außerdem, so wurde betont, müsse in diesem Falle das Verfahren wieder aufgenommen werden, was ja auch erhebliche Kosten verursache. Aber auch aus psychologischen Gründen wird die Streichung dieses Absatzes für richtig gehalten.
Der Abs. 4 der Vorlage betrifft lediglich eine redaktionelle Änderung, bedingt durch die Streichung des Abs. 3.
Abs. 5 muß jetzt lauten:
Der Bundesminister für Arbeit kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ver({9})
triebene Richtlinien über den Nachweis und die Bescheinigung der Heimkehrereigenschaft erlassen.
Gegenüber der Regierungsvorlage hält der Ausschuß die Einschaltung des Bundesministers der Finanzen nicht für notwendig. Es handelt sich hier um die Ermächtigung, Richtlinien über Nachweis und Bescheinigung der Heimkehrereigenschaft zu erlassen. Die Abfassung dieser Richtlinien erfordert lediglich sachliche und Zweckmäßigkeitserwägungen, während steuerliche, haushaltsrechtliche und finanzpolitische Überlegungen in diesem Falle nicht erforderlich sind. Der Einwand, daß die Einschaltung des Finanzministeriums notwendig sei, da es sich um die Abgrenzung des Personenkreises handele, wurde unter Hinweis auf den späteren § 28 a ausdrücklich zurückgewiesen. Auch der Abänderungsvorschlag des Bundesrats fand keine Zustimmung, da nach Art. 84 Abs. 2 des Grundgesetzes in diesem Falle die Notwendigkeit der Zustimmung nicht anzuerkennen ist.
Es wird nun dem § 1 des Heimkehrergesetzes ein neuer § 1 a angefügt. Sie haben den Text in der Drucksache Nr. 2581 vorliegen. In diesem Falle wird dem Ersuchen, in Zeile 4 die Worte „des Bundesministers der Finanzen" zu streichen, um der Exekutive nicht die Möglichkeit zu geben, in Beschlüsse der Legislative einzugreifen und vom Gesetzgeber Gewolltes nach eigenem Gutdünken zu ändern, nicht stattgegeben. Der Ausschuß kann die vorgebrachte Befürchtung nicht teilen; er ist dafür, den Text der Regierungsvorlage beizubehalten, damit die Gewähr für schnelle Hilfeleistung gegeben ist. Wenn durch die in Frage kommenden Ressorts Personengruppen in den Wirkungsbereich des Gesetzes hereingenommen werden sollten, deren Einbeziehung dem Gesetzgeber nicht genehm ist, hat das Parlament jederzeit die Möglichkeit, eine solche Einbeziehung durch ein weiteres Gesetz rückgängig zu machen.
Ein weiterer Vorschlag, die deutschen Fremdenlegionäre, die sich in den Jahren 1945/46 aus französischer Kriegsgefangenschaft - zugegebenermaßen aus einer gewissen Notlage - anwerben ließen, in dieses Gesetz einzubeziehen oder eine entsprechende Empfehlung besonders hinsichtlich der wohnungsmäßigen Betreuung dieser Rückkehrer an die Länder zu geben, wurde abgelehnt. Der Ausschuß ist der Auffassung, daß es sich bei diesen ehemaligen Fremdenlegionären nicht um einen hilfsbedürftigen Personenkreis handele und daß vor allem wohl auch kaum nachgeprüft werden könne, inwieweit die Betreffenden unter Druck in die Fremdenlegion eingetreten sind. Der Ausschuß empfiehlt daher die Annahme der Regierungsvorlage.
Zu § 2 - das ist Ziffer 3 - wird der Antrag gestellt, das für Heimkehrer im Sinne des § 1 vorgesehene Entlassungsgeld um 50 DM, also von 150 auf 200 DM zu erhöhen, und zwar im Hinblick auf die erhöhten Lebenshaltungskosten. Die finanziellen Auswirkungen können, das ergibt sich, wenn man die statistischen Feststellungen über die Zahl der in den letzten Monaten zurückgekehrten Kriegsgefangenen zugrunde legt - nicht allzu hoch sein. Außerdem sind gemäß den Bestimmungen des § 10 - das ist Ziffer 8 der Novelle - wesentliche Einsparungen zu erwarten.
Bei dieser Bestimmung handelt es sich um eine straffere und planvollere Berufsfürsorge. Die im Ausschuß geäußerten Bedenken des Finanzministeriums waren Gegenstand eingehender Beratungen. Der Vertreter des Ministers erklärte, er sei ausdrücklich beauftragt worden, darauf hinzuweisen, daß der Herr Finanzminister infolge des Einspruchs des Bundesrates und damit des Nichtzustandekommens des Gesetzes nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes gezwungen sei, gewisse Sperrungen im Ausgabenhaushalt vorzunehmen. So sei z. B. die Finanzierung des Flüchtlingsrenten-gesetzes, des Fremdrentengesetzes, der Tuberkulosehilfe usw. in Frage gestellt. Es könne daher keinen Anträgen zugestimmt werden, die auch nur die geringsten finanziellen Ausweitungen zur Folge hätten, da die Erhaltung des Gleichgewichts im Haushalt des Bundes sehr in Frage gestellt sei. Man sehe - gegenüber anderen sozialen Leistungen - die Heimkehrerhilfe als verhältnismäßig gut an und befürchte, daß eine Erhöhung der finanziellen Leistungen auf diesem Sektor auch Auswirkungen auf andere unterstützungsbedürftige Gruppen haben würden. Ein Erhöhung der Leistungen um 25 % werde nicht für notwendig gehalten, da die Lebenshaltungskosten nach den statistischen Erhebungen nur um 10 bis 15 % gestigen seien. Diese Steigerung werde vollkommen durch die Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung, die ja bekanntlich auch dem Heimkehrer zugute kommt, aufgefangen. Außerdem könne nach § 6 der Reichsgrundsätze die allgemeine Fürsorge in Anspruch genommen werden, falls die nach dem Heimkehrergesetz zustehenden Leistungen nicht ausreichen sollten.
Demgegenüber wurde auf die infolge der bereits angeführten Änderungen im § 10 zu erzielenden Einsparungen hingewiesen, die die beantragten Erhöhungen mit einem Mehraufwand von höchstens einer Viertelmillion D-Mark nicht unwesentlich übersteigen. Die mit der Ausführung dieses Gesetzes anfallenden Gesamtausgaben werden demzufolge eher niedriger denn höher als seither sein.
Es wird außerdem im § 2 ein neuer Abs. 2 mit folgendem Wortlaut angefügt:
Heimkehrer im Sinne des § 1 Abs. 4, die nach dem 30. November 1949 im Bundesgebiet oder im Lande Berlin aufgenommen worden sind, erhalten ein Entlassungsgeld von 200 Deutschen Mark.
Während das Entlassungsgeld sonst erst ab 1. April 1950, also dem Tage des Inkrafttretens des Heimkehrergesetzes, gezahlt wird, bedarf es für die Heimkehrer im Sinne des Abs. 4 einer besonderen Regelung. Diese Heimkehrer wurden zum allergrößten Teil in der Zeit vom Dezember 1949 bis zum Februar 1950 entlassen. In dieser Zeit konnte mangels einer gesetzlichen Regelung weder von den Ländern noch vom Bunde Entlassungsgeld gezahlt werden. Nach dem vorliegenden Entwurf wäre dies auch jetzt nicht möglich, wenn nicht eine Sonderregelung vorgesehen würde, die die Zahlung auch dann ermöglicht, wenn der Heimkehrer vor dem 1. April 1950 im Bundesgebiet Aufnahme gefunden hat. Es erschien unbedenklich, diesen verhältnismäßig kleinen Personenkreis einzubeziehen.
Bezüglich der Übergangsbeihilfe hat sich der Ausschuß entschlossen, eine Erhöhung um ebenfalls 50 DM, also die Ersetzung der Zahl 250 durch die Zahl 300 vorzuschlagen. Das heißt, daß Heimkehrer im Sinne des § 1, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes im Bundesgebiet Aufenthalt nehmen, eine Übergangsbeihilfe für Bekleidung oder Gebrauchsgegenstände im Werte von 300 DM erhalten, soweit sie eben zur Beschaffung aus eigenen Kräften und Mitteln nicht in der Lage
({10})
sind. Für den Ausschuß waren die gleichen Gründe wie bei der Erhöhung des Entlassungsgeldes maßgebend.
Zur Ziffer 5 ist zu sagen: Die Aufnahme von Arbeit, insbesondere außerhalb des jeweiligen Wohnortes oder -landes, scheitert bei Heimkehrern häufig an dem Fehlen einer Wohnung. Nach § 5 des Heimkehrergesetzes haben die Wohnungsbehörden den Heimkehrern und ihren Familien Wohnraum bevorzugt .zuzuteilen. Mit dem neu eingefügten Absatz will man die Zuteilung von Wohnraum dadurch beschleunigen, daß die obersten Landesbehörden verpflichtet werden, einen Teil des mit öffentlichen Mitteln erstellten Wohnraums durch entsprechende Auflagen an die Empfänger von Wohnbaukrediten und durch Anweisung an die Wohnungsbehörden für Spätheimkehrer vorzubehalten, die den Nachweis erbringen, daß ihnen ein Arbeitsplatz zugesichert ist. Man war sich im Ausschuß über die Schwierigkeiten klar, die entstehen können, wenn den Ländern die Festsetzung des Vomhundertsatzes überlassen bleibt, weil dann mit unterschiedlichen Regelungen zu rechnen sein wird. Der Ausschuß konnte aber dem Vorschlage des Bundesrats, der die Festsetzung eines ausreichenden Vomhundertsatzes nicht wünschte, nicht folgen. Er gab dem Regierungsvorschlag den Vorzug. Es läßt sich aber im Hinblick auf die derzeit auf diesem Gebiet geltenden Gesetze keine günstigere Lösung finden. In Abweichung vom Regierungsvorschlag wird die generelle Bevorzugung des Heimkehrers bei der Zuteilung von Wohnraum, also nicht nur des mit öffentlichen Mitteln gemäß erstem Wohnungsbaugesetz erstellten, festgelegt, wenn dadurch erstmals die Aufnahme einer ständigen beruflichen 'Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit
Änderung von „dieses Wohnraums" von Deshalb Wohnraum". In diesem Zusammenhang wird die Anregung gegeben, eventuell außerhalb des zur Debatte stehenden Gesetzentwurfs eine Änderung des Soforthilfegesetzes dahingehend zu beantragen, daß auch Heimkehrer in den Genuß der Aufbauhilfe nach dem Soforthilfegesetz kommen. Hierzu ist zu sagen, daß gemäß den Erläuterungen zu § 73 Soforthilfegesetz Spätheimkehrern neben den Ausbildungsbeihilfen zur eigenen Berufsausbildung Aufbauhilfe zur Existenzgründung gewährt wird.
Bei Ziffer 6 handelt es sich neben der Sicherung des früheren Arbeitsverhältnisses und dem Kündigungsschutz um die Zulassung zu freien Berufen. Die Wiederzulassung darf künftig nicht mehr wegen Fehlen des Bedürfnisses versagt werden, und Gebühren dürfen nicht erhoben werden. Es hat sich gezeigt, daß den Heimkehrern, die vor der Kriegsgefangenschaft oder Internierung einen freien Beruf außerhalb des Bundesgebietes, aber im Gebiet des Deutschen Reiches ausgeübt haben, die Ausübung ihres Berufes dadurch erschwert oder gar unmöglich gemacht wurde, daß bei einer erneuten Zulassung die Bedürfnisfrage gestellt und die nochmalige Entrichtung von Gebühren gefordert wurde. Diese unberechtigte Erschwerung soll, zumal es sich dabei um Vertriebene handelt, deren wirtschaftliche Lage in der Regel ungünstig ist, beseitigt werden. Dem soll der neue § 7 a dienen.
Es wird weiterhin für notwendig erachtet, einen Paragraphen einzufügen, der die bereits vor der Kriegsgefangenschaft zur Kassenpraxis zugelassenen Ärzte, Zahnärzte und Dentisten hinsichtlich ihrer Wiederzulassung berücksichtigt. Dieser Personenkreis wird in § 7 a nicht erfaßt. Der neue § 7 b trägt dem Rechnung. Die Wiederzulassung muß also ohne Rücksicht auf die Zahl der bereits Zugelassenen und ohne Anrechnung auf die Verhältniszahlen durch die Zulassungsausschüsse erfolgen.
Mit diesem dem Heimkehrer gewährten Recht auf Wiederzulassung soll selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, daß eine Nachprüfung insoweit erfolgt, als etwa in der Zwischenzeit in seiner Person Umstände eingetreten sind, die im Falle einer Neuzulassung die Versagung rechtfertigen würden, z. B., wenn er sich inzwischen krimineller Verfehlungen schuldig gemacht hat, die wegen -ihrer Schwere im Falle einer Neuzulassung die Versagung oder bei bestehender Zulassung die Rücknahme oder Ausschließung rechtfertigten.
Ziffer 7. Abschnitt IV des Heimkehrergesetzes trägt die Überschrift „Arbeitsvermittlung und Berufsfürsorge" und wird nun durch eine Bestimmung über die Einstellung in den öffentlichen Dienst ergänzt. Diese beinhaltet die Verpflichtung der öffentlichen Hand zur bevorzugten Einstellung von Spätheimkehrern. Die im neuen § 9 a für den öffentlichen Dienst vorgeschlagene Fassung „bei gleicher Eignung" wird nicht für glücklich gehalten. Die Beurteilung der Eignung von Bewerbern um eine Stelle im öffentlichen Dienst bedingt bei der Bewerbung von Heimkehrern, daß die lange Abwesenheit, die jahrelange berufsfremde Zwangsarbeit, die körperliche Schädigung und der Mangel an Fachwissen gegenüber anderen Bewerbern berücksichtigt werden, die nicht in Kriegsgefangenschaft waren und schon aus diesem Grunde den Heimkehrern in allen Punkten überlegen sind. Bei dem Verlangen nach gleicher Eignung dürfte der Heimkehrer wohl immer im Nachteil sein. Aus diesem Grunde wurde eine andere Formulierung gewählt, nämlich: „bei Vorliegen entsprechender fachlicher Voraussetzung".
Ziffer 8. Hier handelt es sich um § 10 des Heimkehrergesetzes, der zum Zwecke der Eingliederung der Heimkehrer in das Berufsleben Berufsfürsorge vorsieht. Das Heimkehrergesetz will weder allen Kriegsteilnehmern noch allen Kriegsgefangenen schlechthin Ausbildungsbeihilfen gewähren. Andererseits würde auch eine Begünstigung der Kriegsgefangenen, die sich, wie das nach dem Zusammenbruch bei der überwiegenden Zahl der Fall war, nur verhältnismäßig kurzfristig in Gefangenschaft befanden, nicht gerechtfertigt sein gegenüber Kriegsteilnehmern mit langer Dienstzeit, die z. B. infolge Verwundung nicht in Gefangenschaft gerieten. Daher wird eine Mindestdauer von zwei Jahren Kriegsgefangenschaft als zusätzliche Voraussetzung eingefügt. Außerdem soll sich die Berufsausbildung nur auf Heimkehrer erstrecken, die seit dem 8. Mai 1946 zurückgekehrt sind. Der Ausschuß war sich darüber im klaren, daß durch die jetzt notwendige Entziehung der . Ausbildungsbeihilfen zum Teil unvermeidliche Härten auftreten werden. Daher empfiehlt er die auf der Titelseite der Ihnen vorliegenden Drucksache aufgeführte Entschließung.
Auf Ersuchen des Ausschusses machte der Vertreter des Bundesarbeitsministers einige Zahlenangaben über die Gewährung von Ausbildungsbeihilfe gemäß § 10 des Heimkehrergesetzes, die für das Hohe Haus von Interesse sein dürften. Demnach wurden bis zum 30. Juni 1951 18 576 Anträge bewilligt, davon für die praktische Berufsausbildung 2599, für die Ausbildung an staatlichen Fachschulen 5113, für die Ausbildung an Hochschulen 10 764.
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Diese bewilligten Anträge verteilen sich auf die Entlassungsjahre der betreffenden Heimkehrer wie folgt: Entlassungsjahr 1945 3306, Entlassungsjahr 1946/47 6254 und Entlassung nach dem 1. Januar 1948 8916. Durch die vom Ausschuß empfohlenen Ergänzungen - Dauer der Gefangenschaft zwei Jahre und Stichtag 8. Mai 1946 - ist mit einer Reduzierung der Mittel um etwa 30 % zu rechnen.
Die Neufassung des § 19 - Ziffer 9 der Vorlage - bezweckt eine Klarstellung, daß bei der Gewährung von Sonderbeihilfen zwar von der Anrechnung von Einnahmen des Heimkehrers und seiner Familie abgesehen werden kann, daß aber im übrigen das Vorliegen eines Bedarfs als Voraussetzung für die Gewährung der Sonderbeihilfe zu prüfen ist. Die Regierungsvorlage sah die Festsetzung eines außer Ansatz bzw. außer Betracht bleibenden Betrages, bestehend aus den Einnahmen des Heimkehrers und seiner Angehörigen sowie einem kleinen Vermögen, durch Rechtsverordnung vor. Der Ausschuß hält die Festsetzung der Beträge im Gesetz für erforderlich. Er schlägt deshalb vor, die Einnahmen außer Betracht zu lassen, soweit die gesamten Bezüge des Heimkehrers und seiner Angehörigen das Zweifache des örtlich maßgebenden Richtsatzes der öffentlichen Fürsorge einschließlich etwaiger Teuerungszulagen zusätzlich des einfachen Betrages der Mietbeihilfe nicht übersteigen. Für die Anrechnung eines kleineren Vermögens soll der § 3 der Verordnung über den Ersatz von Fürsorgekosten vom 30. Januar 1951 Anwendung finden. Dabei soll ein Vermögen von 1 000 DM für den Heimkehrer und je 200 DM für die Angehörigen außer Betracht bleiben.
Ziffer 9 Abs. 2 betrifft die Schonfrist. Die alte Fassung war zu eng, da sie nur das Arbeitseinkommen des Heimkehrers und 'die Arbeitslosenunterstützung, nicht aber z. B. Leistungen der Sozialversicherung und andere Beihilfen aus öffentlichen, Mitteln von der Anrechnung auf Unterstützungsbeihilfen der Angehörigen ausschlossen. Der Begriff „Bezüge der Angehörigen", auf die nicht angerechnet werden darf, ist nunmehr auf die Unterstützung der Arbeitslosenfürsorge beschränkt, und zwar im Hinblick auf die in § 26 a vorgesehene Weitergewährung der Unterhaltsbeihilfen bis zur Dauer von 6 Monaten. Auch wird ein Eingreifen der öffentlichen Fürsorge hierdurch in der Regel überflüssig. Gegenüber der Fassung der Regierungsvorlage empfiehlt der Ausschuß die Worte „auch wenn sie mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnen" anstatt „die mit ihm". Dies aber lediglich zur Klarstellung für die Praxis.
Die nächsten Paragraphen regeln die Krankenhilfe für die Heimkehrer. Es braucht hier nicht besonders darauf eingegangen zu werden.
Ziffer 10 a. Der § 24 erhält einen zusätzlichen Abs. 4. Damit soll im Falle des Todes eines Internierten vor Ablauf der in § 1 Abs. 3 bezeichneten Frist die Versorgung der Hinterbliebenen gesichert werden, sofern sie zur Zeit des Todes des Internierten im Bundesgebiet wohnen oder dort innerhalb von zwei Monaten nach dem Tode Aufenthalt nehmen.
Ziffer 12 behandelt die Unterhaltsforderungen. Für Heimkehrer ergeben sich vielfach daraus Unzuträglichkeiten, daß sie auf Zahlung wiederkehrender Leistungen - insbesondere von Unterhaltsbeiträgen - in Anspruch genommen werden, die während ihrer Kriegsgefangenschaft oder Internierung fällig geworden sind, zu deren Leistung sie aber ohne Gefährdung des eigenen
Unterhalts oder desjenigen der Familie nicht imstande sind. Es war daher geboten, den Heimkehrern einen über den zeitlich begrenzten Vollstreckungsschutz des § 26 des Heimkehrergesetzes hinausgehenden Schutz zu gewähren. Im Wege richterlicher Vertragshilfe können nach dem Ihnen vorliegenden § 26 a diese Forderungen gegen den Heimkehrer auf Antrag gestundet, herabgesetzt oder erlassen werden, soweit die Leistung nicht zumutbar ist. Dies gilt auch für die auf Dritte, insbesondere für die auf die Mutter oder mütterliche Verwandte durch Leistung des Unterhalts übergegangenen Forderungen. Auf das Verfahren sollen die Vorschriften der 28. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz Anwendung finden.
Hierzu wurde während der Beratungen im Ausschuß der Antrag gestellt, in diesen neuen § 26 a eine Bestimmung aufzunehmen, daß die Stundung fällig gewordener Leistungen im Wege der richterlichen Vertragshilfe analog auf Leistungen gegenüber der öffentlichen Hand ausgedehnt wird, und zwar für Leistungen nach dem Soforthilfegesetz und insbesondere auch für Alimente, soweit sie von den Jugendämtern eingezogen werden. Demgegenüber wurde von Regierungsseite erklärt, daß das Vertragshilfeverfahren eine Angelegenheit des Zivilrechts sei und daher in ihm nicht über öffentlich-rechtliche Ansprüche entschieden werden könne.
Bei § 27 wurde beantragt, daß Leistungen der Wochenhilfe und der Familienwochenhilfe auch dann erstattungsfähig sein sollen, wenn sie lediglich auf Grund der Anrechnung von Vorversicherungszeiten nach § 21 des Heimkehrergesetzes oder einer auf § 22 des Heimkehrergesetzes gestützten Mitgliedschaft gewährt werden. Der Ausschuß überzeugte sich an Hand von Beispielen, daß diese Leistungen erstattungsfähig sein müssen, wenn sie lediglich auf Grund der Anrechnung von Vorversicherungszeiten nach § 21 gewährt werden.
Ziffer 13. Der neueingeführte § 27 b soll in diesem Zusammenhang sicherstellen, daß Doppelleistungen aus dem gleichen Anlaß oder zu dem gleichen Zweck in Berlin ({12}) und dem Bundesgebiet vermieden werden.
Zu Ziffer 14. Die Gewährung von Leistungen im Wege des Härteausgleichs, also ohne Rechtsanspruch, ist im Versorgungsrecht seit jeher üblich. Die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das Heimkehrergesetz hat sich als notwendig erwiesen. Bei der Verschiedenheit der Sachverhalte, insbesondere verursacht durch völkerrechtswidrige Behandlung von Kriegsgefangenen und Internierten, treten häufig 'Grenzfälle auf, in denen die Versagung der Leistungen nach dem Heimkehrergesetz eine Härte bedeuten würde.
Artikel II. Die Bestimmungen über die Erhöhung des Entlassungsgeldes und der Übergangsbeihilfe treten für Heimkehrer im Sinne von Abs. 4 des § 1, d. h. für die aus den KZ's der sowjetischen Besatzungszone und aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße Heimgekehrten bereits am 1. April 1950 in Kraft; im übrigen tritt das Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Der Antrag des Ausschusses lautet: Der Bundestag wolle beschließen,
dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung
und Änderung des Gesetzes über Hilfsmalßnahmen für Heimkehrer ({13})
({14})
vom 19. Juni 1950 ({15}) in der aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Fassung zuzustimmen.
Die Entschließung habe ich Ihnen bereits vorhin bekanntgegeben.
Der Ausschuß bittet also um Annahme des Gesetzentwurfs in dieser Fassung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe auf Art. I, Ziffern 1, - 2, - 3, - 4, -5, - 6. Liegen Wortmeldungen vor?
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu dem Art. I § 2 des Gesetzes bzw. des Ausschußberichtes Anträge gestellt, die ich kurz wiedergeben will. Der § 2 soll nach unserem Vorschlag so geändert werden, daß an Stelle der jetzt vorgesehenen 200 DM Entlassungsgeld ein Betrag von 300 DM eingesetzt wird. Als das Gesetz im März des vorigen Jahres verabschiedet wurde, haben wir bereits darauf hingewiesen, daß uns ein Entlassungsgeld im Betrage von 150 DM als vollkommen ungenügend erscheint, und haben damals beantragt, das Entlassungsgeld auf 200 DM festzusetzen. Die inzwischen erfolgte allgemeine Erhöhung der Lebenshaltungskosten veranlaßt uns heute zu fordern, daß das Entlassungsgeld auf 300 DM festgesetzt wird.
Zu § 3 stellen wir folgenden Antrag: Heimkehrer im Sinne des § 1
- usw. usw. -
erhalten als Übergangsbeihilfe einen Barbetrag von 300 Deutschen Mark.
Wir verlangen a) eine Erhöhung des derzeitigen Betrages von 200 DM auf 300 DM und wir verlangen die Streichung des Passus in diesem Absatz, nach dem die Übergangsbeihilfe auf Antrag auch in Bargeld gewährt werden kann. Wir sind der Überzeugung, daß die Hergabe von Bargeld den Entlassenen in jedem Falle dienlicher ist.
Wir stellen letztlich auch noch zu § 3 Abs. 2 den Antrag, daß die Übergangsbeihilfe in jedem Falle - ohne Prüfung der Bedürftigkeit - gegeben wird.
({0})
- Sehen Sie, rückkehrende Millionäre interessieren uns auch sehr; aber uns interessieren mehr rückkehrende Arme, Arbeiter aus Kriegsgefangenschaft. Für die rückkehrenden Millionäre, die meist ja auch hohe Generals- und Offizierspositionen innehatten, sorgt schon Ihr Herr Pferdmenges. Darum brauchen wir uns ihretwegen keine Sorge zu machen. Der Meinung bin ich.
Aber hier geht es um folgendes. Die Überbrückungshilfe darf nicht vom Vorliegen der Bedürftigkeit abhängig gemacht werden. Wir sind der Auffassung - und wir haben das schon im Frühjahr des vorigen Jahres gefordert -, daß die Überbrückungshilfe in jedem Fall gegeben werden soll. Ich glaube - da Sie ja immer so Ihre Bereitwilligkeit zu helfen betonen -, Sie täten gut daran und Sie täten auch den Heimkehrern den richtigen und erforderlichen Dienst, wenn Sie unseren Abänderungsanträgen, die dem Herrn Präsidenten vorliegen, zustimmen würden.
({1})
- Was soll ich mit dieser blödsinnigen Bemerkung? Lesen Sie die Erklärungen der zuständigen russischen Stellen dazu!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache über die aufgerufenen Ziffern ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD, den der Herr Abgeordnete Renner soeben vorgetragen hat, zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Dann darf ich diejenigen, die dem Art. I mit den aufgerufenen Ziffern bis einschließlich Ziffer 6 ihre Zustimmung geben, bitten, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf Ziffern 7, - 8, - 9, - 9 a, -9 b, - 10, - 10 a, - 11, - 12, - 13, - 14. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Ziffern des Art. I zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. II, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe in der Einzelberatung auf Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. - Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die in der Schlußabstimmung dem Gesetz als ganzem zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist das Gesetz in dritter Beratung verabschiedet.
Wir haben noch abzustimmen über die Entschließung des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2581. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 15 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD
betreffend Post- und Telegrafenverkehr mit
dem Saargebiet ({0}).
Dazu schlägt der Ältestenrat 10 Minuten für die Begründung und 60 Minuten für die Aussprache vor. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Wer nimmt das Wort zur Begründung? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mommer.
Dr. Mommer ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der vorigen Woche hat der Herr Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen in Aachen eine Rede gehalten und darin erneut gefordert, daß sich die europäischen Demokratien in einer europäischen Postunion zusammenschließen. Das wesentlichste Stück einer solchen Postunion wäre gerade, daß im Postverkehr zwischen den europäischen Staaten sowie im Inlandsverkehr die gleichen Tarife gelten würden. Diese Idee ist auch schon im Bundestag vorgetragen worden, und soweit man sehen konnte, gibt es in diesem Hause keine Opposition gegen einen solchen Plan des europäischen Zusammenschlusses und der Vereinfachung und Verbilligung des Postverkehrs. Auch im Europarat liegen solche Projekte vor. Da aber bei einem solchen Projekt keine billige deutsche Kohle und auch keine gehorsamen deutschen Soldaten zu gewinnen sind, wird dieses Projekt mit sehr viel weniger Eifer betrieben als so manches andere europäische Projekt. Immerhin ist es für unsere Zeit charakteristisch, daß auch auf diesem Gebiet die europäischen Einigungsbestrebungen sehr zu bemerken sind.
Ganz im Widerspruch dazu steht es, daß zu gleicher Zeit hier in Westeuropa die anti-europäischste aller Grenzen, die Saargrenze geschaffen und im Postverkehr mit der Saar für die Bundesrepublik das Auslandsporto eingeführt worden ist. Der vorliegende Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2440 richtet sich gegen diese im europäischen Sinne reaktionäre Entwicklung. In Saarbrücken sitzen Herren, die sich sehr gern als besonders eifrige Europäer ausgeben. Sie benutzen auch gern das Propagandawort von den Brückenbauern. Sie bauen Brücken zwischen Frankreich und Deutschland, behaupten sie. Wenn das wahr wäre, dann müßten sie diesen sozialdemokratischen Antrag begrüßen und sich bemühen, für die Saarländer auch die Möglichkeit zu schaffen, den Postverkehr mit der Bundesrepublik zu Inlandstarifen abzuwickeln. Das haben sie aber nicht getan. Im Saargebiet wird Inlandsporto im Postverkehr mit Frankreich erhoben.
({2})
Mit Luxemburg gibt es reduzierte Posttarife. Aber im Postverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland hat man Auslandstarife eingeführt.
Nun, jene „begeisterten Europäer" in Saarbrücken und die angeblichen Brückenbauer sind eben sehr falsche Europäer; sie sind Separatisten; sie sind keine Brückenbauer, sondern Brückensprenger und die größte Belastung in Europa, insbesondere für das deutsch-französische Verhältnis. So haben sie auch auf den vorliegenden sozialdemokratischen Antrag keineswegs mit Sympathie reagiert, sondern in ihrer Presse schon angedroht, daß sie die Einführung des Inlandsportos von unserer Seite mit der Erhebung von Strafporto bei den Empfängern im Saargebiet beantworten würden.
({3})
Meine Damen und Herren, ich hörte von Kollegen, daß die Mehrheitsparteien die Absicht haben, den Antrag in den Postausschuß zu verweisen. Nun, da wird dann Gelegenheit sein, auf manche technischen Einzelheiten einzugehen, und ich kann mir das hier ersparen.
Zu dem Punkt: Drohung mit Strafporto möchte ich aber doch eines sagen. Die deutschen Brüder und Schwestern an der Saar werden wissen, daß es im Postverkehr zwischen der Saar und der Bundesrepublik keinerlei Verrechnung gibt. Jeder behält das Geld, das er an Gebühren vereinnahmt. Wenn wir Inlandsporto einführen, schädigen wir also in keiner Weise irgendwelche Belange der Saarbevölkerung oder der Saarregierung. Wenn sich trotzdem die Herren in Saarbrücken entschließen sollten, so etwas zu tun, dann müssen sie wissen, daß die Saarbevölkerung gerade das als eine separatistische und deutschfeindliche Handlung ansehen wird.
Es ist auch sehr zweifelhaft, ob man in Saarbrücken eine solche Repressalie ergreifen wird. Herr Hoffmann und seine Leute leben doch in Angst vor den nächsten Wahlen. Sie haben es in der Hand, Parteien zu verbieten und nur ihre beiden frankreichhörigen separatistischen Parteien zu lizenzieren; sie haben es aber nicht in der Hand, bei den nächsten Wahlen die Bevölkerung daran zu hindern, auf diese Politik mit weißen Zetteln zu reagieren. Und wenn Herr Hoffmann Strafporto einführt, dann kann er sicher sein, daß der weißen Zettel noch viel mehr sein werden.
Für uns muß aber der Hauptgesichtspunkt bei dem vorliegenden Antrag der sein: wir können in bezug auf die Saar nur eine Politik machen; sie muß einheitlich sein. Von dieser Stelle haben der Bundeskanzler und die Vertreter der Fraktionen des Hauses oft betont, daß die Saar deutsches Land ist und daß wir sie weiterhin als eine deutsche Provinz betrachten. Nun sollten unser Sagen und unser Tun nicht auseinanderfallen. Wenn der Bewohner der Bundesrepublik zum Postamt geht und einen Brief nach der Saar aufgeben will, dann sagt man ihm, das sei Ausland, und er wird gezwungen, Auslandsgebühren zu bezahlen. Wie immer wir über die technischen Durchführungsmöglichkeiten denken, eines sollte nicht geschehen: wir sollten die Bewohner der Bundesrepublik nicht zwingen, auf Briefe und andere Sendungen nach der Saar Auslandsporto z u kleben.
Meine Fraktion ist auch überzeugt, daß der Durchführung unseres Antrages keine rechtlichen Schwierigkeiten entgegenstehen. Die Verordnung des Postministeriums und früher der Verwaltung für das Post- und Fernmeldewesen über die Einführung der Auslandstarife für den Postverkehr ins Saargebiet ist nicht etwa auf Grund eines ordnungsgemäß im Verordnungsblatt der Hohen Kommission oder ihrer Vorgänger veröffentlichten Gesetzes oder einer Verordnung zustande gekommen, sondern auf Grund eines auch in seinem Inhalt und in seiner Form höchst zweifelhaften und vor allem geheimen Briefwechsels. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir hier in einem Rechtsstaat leben; und in diesem Rechtsstaat respektieren wir Rechtsnormen nur dann, wenn sie aus der Gesetzgebung kommen und entweder in unserem Gesetzblatt oder aber, solange es leider ein Besatzungsstatut gibt, in dem zuständigen Verordnungsblatt der Hohen Kommission oder ihrer Vorgänger veröffentlicht worden sind. Wir sind der Meinung, daß wir es unserem Stolze schuldig sind, dieser Art der Gesetzgebung durch geheime Briefe, die uns sehr an Methoden aus vergangenen Zeiten in Deutschland erinnert, keinen Respekt zu zollen, und daß wir dem Briefwechsel, den einzelne Abteilungen der Besatzungsbehörden mit dem Postministerium gepflogen haben, keine Beachtung schenken sollten.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir in der Sache fest sein und diesen Antrag zur Verwirklichung bringen sollten, dann bedeutet das gar nicht, daß wir dabei der Diplomatie entraten
({4})
I sollten. Wenn man in Frankreich irgend etwas Politisches in bezug auf die Saar tut - und man hat da sehr viele harte Tatsachen geschaffen -, dann sagt man immer dazu: Das ist doch nur vorläufig, das gilt doch nur bis zum Abschluß eines Friedensvertrages. Nun, Herr Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen, meine Fraktion hätte nichts dagegen, daß wir im Verkehr mit der Saar die Inlandstarife wieder einführen und dazu glatt sagen: Aber das gilt doch nur bis zum Friedensvertrag!
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der CDU/CSU kann ich erklären, daß wir grundsätzlich dem Antrage der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 2440. zustimmen.
Herr Kollege Dr. Mommer hat die politische Seite dieser Angelegenheit sehr ausführlich und deutlich beleuchtet, so daß ich seine Ausführungen nur unterstreichen kann. Leider stehen der Verwirklichung dieses Antrags große Schwierigkeiten entgegen. Auf Grund der noch in Kraft befindlichen Verfügung Nr. 254 der französischen Militärregierung wurde im Saargebiet eine eigene Post- und Telegraphenverwaltung gebildet und gleichzeitig angeordnet, daß der Post- und Fernmeldeverkehr zwischen Deutschland und dem Saarland nach den Grundsätzen des Auslandsverkehrs abgewickelt wird. Bereits am 14. Februar 1949 bat die damalige Postverwaltung die Besatzungsbehörde um die Ermächtigung, mit der Postverwaltung des Saargebiets die Einführung ermäßigter Gebühren, also Inlandsgebühren, vereinbaren zu dürfen. Leider wurde dieser Bitte seitens der französischen Regierung damals nicht entsprochen.
Um die unabdingbare Forderung, das Saargebiet im Postverkehr als Inland zu behandeln, zu verwirklichen, wäre eine Vereinbarung mit der Saarpostverwaltung bzw. der PTT in Paris auf Grund des Art. 6 des Weltpostvertrages abzuschließen. Der Abschluß eines solchen Vertrages würde aber der Anerkennung der Saarpost als selbständiger Postverwaltung gleichkommen. Eine solche Anerkennung kommt für uns nicht in Frage. Deshalb entfällt diese Möglichkeit.
Der zweite Weg, vom Bundesgebiet aus nach der Saar einseitig Inlandspostgebühren einzuführen, könnte allenfalls beschritten werden. Der Erfolg wäre allerdings für die Postbenutzer leider mehr als zweifelhaft. Unter Berufung auf Art. 37 des Weltpostvertrags kann nämlich die Saarpost nichtoderunzureichend freigemachte Postsendungen, ausgenommen gewöhnliche Briefe und Postkarten, von der Beförderung ausschließen oder zurückweisen. Es entstünden also nur unnötige Verzögerungen bei der Beförderung nicht genügend frankierter Postsendungen und Verärgerung sowohl bei den Absendern als auch bei den Empfängern. Für allenfalls ohne genügende Frankierung beförderte Postsendungen hätte der Empfänger die höhere Nachgebühr zu zahlen. Also an Stelle einer Verbilligung würde eine Verteuerung der Gebührensätze eintreten.
Nach meinen Informationen ist die Bundespost bereit, alle notwendigen Schritte zu unternehmen, um den Postverkehr nach dem Saargebiet nach den Inlandssätzen durchführen zu können. Eine solche
Erleichterung würde zweifellos eine bedeutende Steigerung des Post- und Fernsprechverkehrs mit dem Saarlande mit sich bringen und dazu beitragen, die Verbindung mit unserem Saarlande noch enger zu gestalten. Selbstverständlich muß auch von Frankreich bzw. vom Saargebiet verlangt werden, daß auch vom Saargebiet nach dem Bundesgebiet nur Inlandsgebühren erhoben werden.
In Anbetracht der vielen noch zu klärenden Fragen beantrage ich, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 2440 dem Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen zur raschen Erledigung zu überweisen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der eben gestellt wurde, kann nur unter Unterstreichung der Worte „zur raschesten Erledigung" unsere Unterstützung finden. Es ist notwendig, im Rahmen dieses Hauses einmal zum Ausdruck zu bringen, daß ein jeder, ganz gleich, welcher Partei er angehört, sich zum Saargebiet als einem deutschen Gebiet bekennt. Hier werden Namen genannt. Man soll nicht auf seiten der SPD den Namen Hoffmann erwähnen, um damit vielleicht der CDU eins anzuhaken, und man soll nicht auf der Seite der CDU etwa den Namen Peter Zimmer allein erwähnen. Sie beide sind vom deutschen Standpunkt aus als Verräter am deutschen Volk und am deutschen Vaterland zu bezeichnen, denen gegenüber sich das Deutschtum an der Saar nach wie vor als Glied des gesamten deutschen- Volkes betrachtet. Ich glaube, wir sollten auch hier einmal wieder zum Ausdruck bringen, daß wir uns zum Saargebiet bekennen, wie auch das Saargebiet die Möglichkeit haben muß, sich durch unsere Stimme gestärkt zu fühlen als deutsches Gebiet, als Gebiet, das einmal wieder zu einem deutschen Reich gehören muß.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß es erwünscht ist, diese Frage zu einer Kardinalfrage zu machen. Man darf nicht vergessen, daß die Verfügung zu einem Zeitpunkt ergangen ist, als die Militärgouverneure das Wort hatten. Aus diesem Grunde dürfte es auch bei der Gegenseite Verständnis finden, wenn wir unter Berücksichtigung der Begründung, die der Herr Antragsteller gegeben hat, -die Hohen Kommissare - von denen wir ja hoffen, daß sie bald ihren Charakter ändern -, darauf aufmerksam machen, daß inzwischen drei Jahre vergangen sind und daß es notwendig ist, den Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Es ist erwünscht, daß wir die Angelegenheit im Postausschuß beraten und unter sorgfältiger Abwägung des Für und Wider einen friedlichen Ausgleich zu finden versuchen. Das ist nach meinem Gefühl möglich. Das Ministerium für Post- und Fernmeldewesen ist ja bereit, in Verhandlungen einzutreten. Eine Verschärfung der Diskussion halte ich bei dieser Frage nicht für angemessen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nun wirklich nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt worden, den vorliegenden Antrag der Fraktion der SPD dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. von Brentano und Genossen betreffend Bau einer Autobahnauffahrt bei Viernheim/ Hessen ({0}).
Ich möchte empfehlen, eine Redezeit von 40 Minuten vorzusehen. Ursprünglich war vorgesehen, auf eine Begründung und eine Aussprache zu verzichten. Mir ist aber mitgeteilt worden, daß man sowohl auf die Begründung als auch auf die Aussprache Wert legt.
({1})
- Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Gengler.
Gengler ({2}), Antragsteller: Namens der Antragsteller möchte ich im Interesse der Abkürzung der heutigen Verhandlungen beantragen, den Antrag dem Verkehrsausschuß zur weiteren Beratung zu überweisen.
Die Antragsteller haben also auf eine Begründung verzichtet. Ich glaube, daß nunmehr auch die übrigen Redner. die die Absicht hatten zu sprechen, auf ihre Ausführungen verzichten könnten. - Es wird nicht widersprochen; ich stelle die Zustimmung des Hauses dazu fest.
Damit kommen wir zu dem Antrag, den Antrag unter Punkt 16 der Tagesordnung dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 17 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Goetzendorff und Genossen betreffend Anklage gegen Kroupa ({0});
b) Beratung des Antrags Dr. Ott, Tichi, Weickert und Genossen betreffend Auslieferung des Franz Kroupa an deutsche Gerichte ({1}).
Dazu war eine Begründungszeit von ingesamt 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort zur Begründung hat zunächst Herr Abgeordneter Goetzendorff.
Goetzendorff ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch vor sechs Wochen konnte ein Wanderer, der Lust hatte, die Gestade des Staffelsees in Oberbayern zu besuchen, in den Abendstunden einen Mann beobachten, der den Namen Franz Kroupa trägt. Von einem Berichterstatter gefragt, ob er denn noch politische Ambitionen habe, antwortete er: „Nein, ich widme mich jetzt ganz dem Studium des tschechischen Volksliedes". Dieser Mann ist nicht nur unter dem Namen Frantisek Kroupa bekannt, sondern er heißt in den Reihen vieler Sudetendeutscher „der Henker von Joachimsthal" oder „die Bestie von Schlackenwerth". Dieser Mann war einst Bürgermeister der sudetendeutschen Stadt Joachimsthal. Ihm unterstand das Konzentrationslager Schlackenwerth. Er hat zahllose Greueltaten an Sudetendeutschen begangen, über die ich mich hier nicht näher verbreiten will. Das werden sicherlich Berufenere tun, die mit Zeugnissen dieser Untaten aufwarten können. Ich möchte aber eines sagen: Dieser Mann Frantisek Kroupa ist, nachdem er immer wieder neue Methoden der Folterung Deutscher erfunden hatte, selbst zum Flüchtling, zum Emigranten geworden. Er hat das Paradies der Tschechoslowakei verlassen und lebt seit Jahren in Deutschland, bezahlt von den Steuergroschen jener, deren Familienangehörige seine Opfer wurden. Dieser Frantisek Kroupa wird mit den Geldern der Deutschen ausgehalten. Er ist von Flüchtlingslager zu Flüchtlingslager gezogen, mit einer Fahrkarte erster Klasse ausgestattet. Man hat von bayerischer Seite alles versucht, um ihm das Handwerk zu legen und ihn einer gerechten Sühne entgegenzuführen. So hat u. a. der Verfassungsausschuß des bayerischen Landtages versucht, eine Freistellung Kroupas durch die Arnerikaner zu erreichen. Die tschechische Exilgruppe des Generals Prchala hat versucht, ihn vor ein internationales Gericht zu stellen, und es hat der Staatsanwalt Mackert von der Staatsanwaltschaft II in München versucht, die Genehmigung zur Strafverfolgung zu erhalten. Es war alles vergeblich. Dieser Mann lebt unter uns Deutschen, und kein Mensch findet sich, um ihm den Prozeß zu machen. Er ist von dem Auswandererlager Augsburg in den letzten Tagen nach München überstellt worden und befindet sich jetzt im IRO-Settlement-Centre, um in den nächsten Tagen nach Amerika auszuwandern.
({3})
Meine Damen und Herren, wie ich bereits in der voriger Woche sagte, habe ich diesen Antrag gestellt, um die Angelegenheit Kroupa ins Rollen zu bringen, um von diesem Forum aus die Auslief e-rung dieses Mordbanditen zu verlangen und den Amerikanern zu sagen, daß es kein geteiltes Recht gibt, sondern nur ein Recht, das auch für die Ausländer gilt. In der vorigen Woche hat das Hohe Haus diesen meinen Antrag, der schon zwei Monate alt ist, von der Tagesordnung abgesetzt und ihn auf die heutige Tagesordnung gesetzt. Ich habe mich mit vielen anderen sehr darüber gewundert, und zwar aus folgendem Grunde. Ich habe seinerzeit dem Hause erklärt, daß hier höchste Eile geboten ist, da sonst Kroupa flüchten wird, d. h. nicht mehr zu fassen sein wird, getreu dem Sprichwort: Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn. Über den Parteien, über den Aversionen von Person zu Person muß hier die Sache stehen, muß dieser Mann zur Verantwortung gezogen werden. Der Kollege Tichi hat damals erklärt, seine Fraktion oder seine sudetendeutschen Freunde würde einen gemeinsamen begründeten Antrag einbringen, der der Sache gerecht werde, da mein Antrag der Sache keinesfalls entspreche. Ich habe dem zugestimmt, weil ich mir sagte: Die sudetendeutschen Kollegen haben ein größeres Recht darauf, Sühne zu fordern. Ich beschränkte mich daher auch in meinen Ausführungen. Der jetzige Antrag aber, der von den Kollegen Dr. Ott, Tichi und Genossen vorgelegt worden ist, beinhaltet ja in der Sache gar nichts anderes als mein Antrag.
({4})
Meine Damen und Herren, ich habe mich gewundert, daß die Sozialdemokraten durch ihre Zustimmung die Absetzung meines Antrags ermöglicht haben, um Herrn Kollegen Ott - ich weiß nicht aus welchen Gründen - die Möglichkeit zu verschaffen, seinerseits einen Antrag zu stellen, obwohl den Sozialdemokraten bekannt sein müßte, wie Herr Dr. Ott all das, was Sozialdemokratie heißt, einschätzt. Ich möchte mich hier vor diesem Hause dagegen wenden, daß die Dinge um des Prestiges willen verschleppt werden. Ich werde Ihnen einen Brief der Flüchtlingszeitung „Die Stimme" an einen Abgeordneten dieses Hauses verlesen, der zufällig in meine Hände gelangt ist. Hier heißt es wörtlich:
Wie Sie sich erinnern werden, hatten wir seinerzeit im Namen unserer Leser einen „Offenen Brief" an alle Bundestagsabgeordneten zum Fall Kroupa gesandt. Herr Goetzendorff drängt uns nun schon seit Wochen zu einer Veröffentlichung in unserer Zeitung, in der wir berichten sollen, daß er derjenige war, der die Initiative im Fall Kroupa ergriffen hat. Sie werden verstehen, daß wir alles daran gesetzt haben, diese Veröffentlichung so lange zu unterlassen, wie es eben möglich war.
({5})
Da der Bundestagsabgeordnete Richter Publikationsmöglichkeiten in anderen Organen hat und wir erfahren haben, daß in der Zeitung der Reichspartei demnächst ein scharfer Angriff gegen uns wegen Verschweigens gestartet werden soll, werden Sie verstehen, daß wir in unserer nächsten Ausgabe unbedingt zum Fall Kroupa und den Vorgängen im Bundestag Stellung nehmen müssen.
Meine Damen und Herren, ich verwahre mich dagegen, daß hier um des Prestiges willen mit dem Geld für die Drucksachenlegung derart verfahren wird, und dagegen, daß die Angelegenheit verschleppt wird, nur weil es im Interesse einer oder einiger Personen liegt.
Und ein letztes Wort. Ich habe die Bemühungen des Herrn Kollegen Ott, die ich sehr gutheiße, in diesem Haus der dünnen Wände gehört. Ich habe gehört, wie er sich in wirklich erfrischender Weise telefonisch bemüht hat, in der Angelegenheit ein wenig Material herbeizubekommen. Meine Damen und Herren, wäre man zu mir gekommen! Ich habe einen ganzen Koffer Material darüber. Ich hätte den Antragstellern, die das offensichtlich noch nicht wissen - obwohl ihr Antrag erst am 21. gedruckt wurde -, sagen können, daß Frantisek Kroupa sich schon seit vier Wochen nicht mehr in Schleiß-heim befindet, sondern in der Funkkaserne in München.
Ich bitte daher, meinen Antrag gemeinsam mit dem Antrag der Kollegen Dr. Ott, Tichi und Genossen zu beraten und entsprechend zu beschließen.
Das Wort zu Punkt 17 b der Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Ott.
Dr. Ott ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier nicht der Ort, Goetzendorff Rechenschaft zu legen, warum die Fraktionen seinen Antrag nicht mitunterschrieben haben.
({1})
Aber auf jeden Fall hat jede Fraktion das Recht, einen Antrag zu stellen, zumal es sich hier um eine Person wie die des Herr Kroupa handelt.
({2})
Da heute nun auf Grund der Anträge Drucksache Nr. 2496 und Drucksache Nr. 2580 das traurige Kapitel der Verbrechen, die von tschechischen Staatsangehörigen an Deutschen verübt wurden, zur Debatte steht, habe ich als Abgeordneter, der sich schon seit langem dieser Dinge angenommen hat - also, Herr Goetzendorff, das stimmt nicht ganz, was sie sagten -, folgende Ausführungen zu machen. Das Wissen um diese scheußlichsten Verbrechen und die Kenntnis der Tatsache, daß heute solche tschechischen Verbrecher aus dem Jahre 1945 als Emigranten im Bundesgebiet Aufnahme gefunden haben, veranlaßten mich bereits am 27. Oktober 1950, den folgenden Antrag zu stellen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei der Hohen Kommission unverzüglich die Einleitung von Strafverfahren gegen alle tschechischen Staatsangehörigen zu erwirken, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit an Deutschen verübten und sich heute als Emigranten im Bundesgebiet aufhalten.
Die deutsche Öffentlichkeit beschäftigt sich nunmehr schon seit zwei Jahren mit dem Fall Kroupa, und sie kann kein Verständnis dafür aufbringen, daß dieser Kapitalverbrecher, der so viele, viele Sudetendeutsche gefoltert und bis zum Tode gemartert hat, den Schutz der amerikanischen Besatzungsmacht genießt. Dieser absolute Schutz besteht auch heute noch, nachdem die DP's durch das HICOG-Gesetz Nr. 17 unter die deutsche Gerichtsbarkeit gestellt worden sind. Die Besatzungsbehörden vertreten im Fall Kroupa die Auffassung, daß sie trotz der grundsätzlichen Unterstellung der DP's unter die deutsche Gerichtsbarkeit weiterhin befugt sind, der Ausübung deutscher Gerichtsbarkeit zu widersprechen, wenn sie bereits jemals mit dem Verfahren befaßt waren.
Die dringende Forderung also, die ich in meinem Antrag bekundete, ist die Forderung von Tausenden meiner Landsleute, die gleich mir die tschechischen Bestialitäten am eigenen Leibe verspüren mußten. Nur wer dies Schicksal persönlich erlebt hat, versteht die ungeheure Empörung darüber, daß diese Verbrecher trotz meines Antrages vom Oktober 1950 sich noch heute im Bundesgebiet frei bewegen können. Diese Tatsache muß das Rechtsempfinden weitester Kreise der Bevölkerung erheblich verletzen.
Wie berechtigt schon damals mein weitgehender Antrag Drucksache Nr. 1526 war, geht- allein aus der Beantwortung meines an die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen in München gerichteten Schreibens hervor, worin es wörtlich heißt:
Aus der Presse entnehmen wir von Ihrem Aufruf zur Namhaftmachung von Ausweisungsverbrechern, die sich noch im Bundesgebiet
aufhalten. Hierzu teilen wir Ihnen mit, daß
sich bei uns ein Teil der Akten über den Fall
Kroupa befindet, der insofern interessant ist,
als daraus die zwiespältige Rechtslage bei allen
diesen Angelegenheiten hervorgeht.
Das Bayerische Staatsministerium der Justiz - dieses Ministerium, Herr Goetzendorff, hat sich mit diesem Fall schon längst befaßt, Ihre Angaben von vorhin sind also nicht richtig
({3})
und die deutsche Staatsanwaltschaft mußten sich für den Fall als unzuständig erklären, da Kroupa als DP Ausländer ist. Die amerikanische Militärregierung sagt, Kroupa unterstehe zwar ihrem Jurisdiktionsbereich, aber nur für Verbrechen, die er auf dem von den Besatzungsmächten besetzten Boden begangen habe.
({4}) Für Verbrechen im Sudetenland ist nur 'die tschechoslowakische Regierung zuständig,
welche Kroupa auf Grund der von ihm begangenen Verbrechen zur Auslieferung anfordern müßte. Da man kaum erwarten kann, daß die Gottwald-Tschechen einen Mann anklagen, der seine Verbrechen in ihrem Auftrag bzw. mit ihrer Duldung begangen hat, liegt die hoffnungslose Rechtslage offen zutage.
So weit das Antwortschreiben. Grotesk mutet allein der Satz an, daß für Verbrechen, die im Sudetenland begangen worden sind, nur die tschechische Justiz zuständig sei. Bei Prozessen gegen deutsche Staatsangehörige, die sogenannte Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben sollen, wurde es als völlig unbedeutend erachtet, wo die Delikte begangen worden waren und ob die Zuständigkeit der betreffenden Staatsgesetze gegeben war. Wer sich gegen das Gesetz der Menschenwürde vergangen hat, gehört vor das Gericht des Landes, in 'dem sich der Verbrecher gerade aufhält, um so nicht nur das Verbrechen zu sühnen, sondern in erster Linie die gesittete Menschheit vor derartigen Individuen zu schützen.
Es sei mir gestattet, hier einmal die Worte des amerikanischen Hauptanklägers beim Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg zu zitieren, der bei der Verhandlung gegen die -deutschen Angeklagten sagte:
Als Einzelschicksal gilt der Welt das 'Schicksal der Angeklagten wenig. Da die Angeklagten aber unheilvolle Gewalten vertreten, die noch lange in der Welt umherschleichen werden, wenn sie selbst schon zu Staub geworden sind, ist diese Verhandlung von solcher Wichtigkeit. Sie sind lebendige Sinnbilder des Rassenhasses, der Herrschaft des Schreckens und der Gewalttätigkeit, der Vermessenheit und Grausamkeit der Macht. Sie sind Sinnbilder eines wilden Nationalismus und Militarismus und all jener ständigen Umtriebe, die Generation auf Generation Europa in Kriege verstrickt, seine Männer vernichtet, seine Heime zerstört und sein Leben arm gemacht haben. Sie haben sich so sehr mit 'den von ihnen erfundenen Lehren und den von ihnen gelenkten Gewalten gleichgesetzt, 'daß jede Weichheit ihnen gegenüber gleichbedeutend wäre mit einer triumphierenden Aufmunterung zu all den Schandtaten, die mit ihrem Namen verbunden sind. Die Zivilisation kann keine Nachsicht zeigen für diese Kräfte der menschlichen Gesellschaft: sie gewönnen nur von neuem Macht, wenn wir mit den Männern, in denen diese Gewalten lauernd und unsicher noch am Leben sind, zweideutig oder unentschieden verführen.
- Soweit der Hauptankläger in Nürnberg. Ich darf
wohl sagen, daß alle Eigenschaften, die der amerikanische Ankläger den deutschen Angeklagten zuspricht, vollauf ihre Gültigkeit besitzen im Hinblick auf den Kapitalverbrecher und Menschenschinder Kroupa. Die Forderungen, die in diesen
Worten erhoben werden, können ja, wenn man von
Recht spricht, nicht nur gegen Deutsche, sondern müssen dann gegenüber jedem Verbrecher an der Menschlichkeit geltend gemacht werden. 'Auf diesem Hintergrund erscheint die Haltung der amerikanischen Besatzungsbehörden im Falle Kroupa absolut unverständlich.
Wollte ich auf die Unzahl von Antwortschreiben auf Grund meines Aufrufes näher eingehen, so kämen wir bei der Behandlung unseres Tages-programmes über diesen Punkt Kroupa überhaupt nicht hinaus. Nur ein einziges Schreiben von diesen vielen sei Ihnen zur Kenntnis gegeben. Es heißt darin wörtlich:
Ich lese soeben in unserem Heimatblatt Ihren Aufruf zum Antrag Nr. 1526, und ich möchte Ihnen - wahrscheinlich ist Ihnen der aber schon bekannt - den Namen Kroupa nennen, den sogenannten Henker von St. Joachimsthal, der meine Verwandten und Bekannten martern und schließlich erschießen oder aufhängen ließ. Dieser Teufel befindet sich im Lager Murnau am Staffelsee. Er ist ein BeneschTscheche. Sollten Sie die Unterlagen für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die dieses Scheusal verübte und verüben ließ, nicht haben, müßte ich sie Ihnen verschaffen.
Johann Klinger.
Ein Rechtsstaat kann es sich einfach nicht leisten, Personen, 'die sich nach den Bestimmungen des Strafgesetzbuches schwerstens vergangen haben, ungestraft auf seinem Territorium leben und darüber hinaus diesen Verbrechern noch Sondervergünstigungen auf Kosten unserer geringen Finanzmittel zukommen zu lassen. Wir alle haben die hehre Verpflichtung, zur Überwindung unseres materialistischen Zeitalters 'das Rechtsgefühl in jedem Individuum zu wecken und zu stärken. Mir geht es bei der Behandlung meiner Anträge - das sei vor allem betont - nicht um Rache, , sondern nur um die Wiederherstellung des 'elementarsten Rechts, wonach Verbrecher, die sich gegenüber dem Gesetz der Menschenwürde schuldig gemacht haben, zur Verantwortung gezogen werden. Ich kann verstehen, daß auch die Alliierten zut Abwehr bolschewistischer Umtriebe Spione brauchen. Man sollte dabei aber immer bedenken, daß man sich nicht eines Verbrechers bedienen darf; denn mit Beelzebub treibt man nicht den- Teufel aus. Und was im Falle Kemritz offen zugegeben wurde, daß er nämlich im Dienste des amerikanischen Geheimdienstes steht, das haben Münchner Zeitungen, ohne berichtigt zu werden, auch von Kroupa behauptet.
Ich fordere somit den Bundestag auf, unserem Antrag Drucksache Nr. 2580 vom 21. September 1951 zuzustimmen, der lautet:
Der Bundestag wolle 'beschließen:
Die Bundesregierung wird neuerlich ersucht, bei den Hohen Kommissaren dringende Schritte zu unternehmen, daß Franz Kroupa, der sich derzeit im Lager Schleißheim bei Augsburg befindet, wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der 'deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt wird.
Ferner bitte ich, die Bundesregierung mit größtem Nachdruck zu ersuchen, konkrete Maßnahmen zu unternehmen, die geeignet sind, diesen rechtlich unmöglichen Zustand, der in keiner Weise im Sinne der neuerlichen Washingtoner Beschlüsse liegt, zu beseitigen.
({5})
Wir bitten das Hohe Haus, diesen Antrag ohne Überweisung an einen Ausschuß sofort der Bundesregierung zuzuleiten.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Frantisek Kroupa beschäftigt die deutschen Polizei- und Strafbehörden schon seit März 1949. Kroupa war am 17. März 1949 von der städtischen Polizei in Murnau mit Zustimmung des amerikanischen Militärgerichts in Starnberg bereits festgenommen warden. Er war dann auf Anordnung des amerikanischen Militärgerichts Garmisch-Partenkirchen nach Weilheim überstellt worden, ist aber am folgenden Tage wieder auf freien Fuß gesetzt worden, weil angeblich das Beweismaterial nicht ausreiche und weil der Verdacht bestehe, daß Herr Kroupa als überzeugter Antikommunist Opfer einer systematischen Hetze aus der Tschechoslowakei sei. Formell wurde die Entscheidung damit begründet, daß die erforderliche Genehmigung des Direktors der amerikanischen Militärregierung zur Strafverfolgung nicht vorliege. Dabei ist es im wesentlichen geblieben.
Nach den Erhebungen hat Kroupa zweifellos in zahlreichen Fällen Volksdeutsche bei ihrer Verhaftung und Ausweisung ausgeplündert. Er ist nach den Feststellungen, die möglich waren, auf jeden Fall verdächtig in 21 Fällen der schweren Mißhandlung von Volksdeutschen, in 25 weiteren Fällen der Beteiligung an teilweise sehr bestialischen Mordtaten an Volksdeutschen, besonders begangen im Konzentrationslager Schlackenwerth, das ihm unterstand. Er selbst leugnet, wird aber nach dem vorliegenden Material durch zahlreiche Zeugen belastet. Es bestehen keine Bedenken, daß die Handlungen des Kroupa unter Anwendung des § 4 des Strafgesetzbuches nach deutschem Strafrecht behandelt werden, wie es in einem ähnlich liegenden Fall beim Schwurgericht Karlsruhe in der Anklage gegen Kouril bereits geschehen ist.
Nun ist in der Zwischenzeit alles erfolgt, um Kroupa einer gerechten Strafe zuzuführen. Die bayerische Staatsregierung und der Generalstaatsanwalt in München haben sich fortgesetzt beim Amt des Landeskommissars in Bayern darum bemüht, entweder die Ermächtigung für die deutschen Gerichte zur Durchführung eines Verfahrens gegen Kroupa zu erhalten oder zu erreichen, daß das Verfahren bei einem Besatzungsgericht durchgeführt wird. Das Amt des Landeskommissars für Bayern hat mit verschiedenen Schreiben im Oktober, im Dezember 1949, im Januar und März 1950 immer wieder mitgeteilt, daß nicht beabsichtigt sei, den deutschen Gerichten die Ermächtigung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zu geben, weil es sich um einen Angehörigen der Vereinten Nationen handle - Kroupa ist Tschechoslowake -; die Justiz- und Polizeibehörden dürften keinesfalls gegen Kroupa Ermittlungen durchführen.
In einem weiteren Schreiben im April 1950 ist dann erklärt worden, daß vor einem Gericht der Besatzungsbehörden ein Verfahren gegen Kroupa nicht anhängig gemacht werde.
Die Situation änderte sich nach unserer Meinung, als durch das Gesetz Nr. 17 des amerikanischen Hohen Kommissars die Beschränkung der deutschen
Gerichtsbarkeit gegenüber DPs aufgehoben wurde. Damit konnten nach unserer Überzeugung die deutschen Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Das wurde aber dadurch verhindert, daß sich das Amt des Landeskommissars für Bayern unter Hinweis auf Art. 14 Ziffer 3 des Gesetzes Nr. 13 auf den Standpunkt stellte, daß die deutschen Gerichte eine ausdrückliche Sonderermächtigung zur Strafverfolgung auch nach dem Wegfall der früheren Beschränkung der Gerichtsbarkeit benötigten, wenn die Besatzungsbehörden ein unter dem früheren Rechtszustand gestelltes Ersuchen auf Ermächtigung zur Durchführung der Strafverfolgung abgelehnt haben; ein Rechtsstandpunkt, den wir keineswegs anerkennen können und der auch im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze findet.
Auch das bayerische Staatsministerium der Justiz hat sich gegen diese Auslegung mit einem Schreiben vom 16. April 1951 gewandt. Auf einen Beschluß des bayerischen Landtags vom 21. Juni 1951 hin wurde durch den Herrn bayerischen Ministerpräsidenten mit einem Schreiben vom 11. Juli 1951 beim Amt des Landeskommissars für Bayern eine Gegenvorstellung erhoben. Bis heute ist eine Antwort nicht eingegangen.
Es ist ein betrüblicher Tatbestand, daß bisher eine Aburteilung des Kroupa weder durch ein deutsches Gericht noch durch ein amerikanisches Gericht möglich war. Es ist unsere Rechtsauffassung, daß eine Ermächtigung der Besatzungsmacht zur Strafverfolgung des Kroupa nicht mehr erforderlich ist, daß vielmehr die deutschen Gerichte zuständig sind. Ich will es mir ersparen, die Rechtsgrundlagen hier im einzelnen vorzutragen. Nach meiner Meinung kommt auch ein Evokationsrecht der Besatzungsmächte nicht mehr in Frage; auf jeden Fall wäre es erforderlich, daß die amerikanische Besatzungsmacht geltend machen könnte, daß durch ein Strafverfahren gegen Kroupa ein Interesse der amerikanischen Besatzungsmacht berührt werde; ein solches Interesse ist nach der ganzen Sachlage nicht ersichtlich.
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Ich erkläre namens der Bundesregierung, daß die Tatsache, daß die Besatzungsbehörden weder selbst die Verfolgung übernommen noch den deutschen Gerichten die Möglichkeit gegeben haben, von sich aus das Erforderliche zu unternehmen, eine schwere Beeinträchtigung der Strafrechtspflege ist,
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die nicht in Einklang mit der - ich darf wohl sagen - allgemeinen Auffassung gebracht werden kann, daß alle Verbrechen einer gerechten Sühne entgegengeführt werden müssen. Das Verhalten der amerikanischen Behörden im Falle Kroupa ist um so weniger verständlich, als der tschechoslowakische Staatsangehörige Johann Kouril in dem von mir schon erwähnten Verfahren vor dem Schwurgericht in Karlsruhe am 30. Mai 1951 wegen Taten, die ähnlich schauerlich waren wie die des Kroupa, zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist. Eine Straflosigkeit des Kroupa unter diesen Umständen müßte von den Verletzten und von den Opfern und den Hinterbliebenen der Opfer des Herrn Kroupa als unbillig, als ungerecht empfunden werden.
Die Bundesregierung tritt an den Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten von Amerika unter Darlegung dieses Rechtsstandpunktes heran und ersucht ihn, von den bisherigen Einwendungen gegen eine Strafverfolgung des Kroupa durch deutsche Gerichte Abstand zu nehmen und ein Evokations({2})
recht nicht auszuüben. Ich hoffe, daß das gerechte Verfahren gegen Kroupa bald in Lauf gesetzt werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Mitteilungen des Herrn Justizministers haben wir erfahren, daß doch so manches geschehen ist, um dem Fall Kroupa näherzukommen. Daß diese Angelegenheit bis heute bei deutschen Gerichten noch nicht zur Verhandlung kommen konnte, ist bestimmt nicht Schuld der deutschen Bundesregierung. Herrn Goetzendorff möchte ich sagen, daß er an den Tatsachen vorbeigeht, wenn er vorhin in der Begründung seines Antrages die Dinge so hinstellte, als hätte sich noch niemand mit dem Fall Kroupa befaßt. Herr Goetzendorff, ich kann Ihnen als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen verraten: Seit es einen Fall Kroupa gibt, haben wir nie geruht, um diesen Mann dorthin zu bringen, wohin er gehört, vor ein deutsches Gericht und hinter Schloß und Riegel!
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- Eben nicht! - Wir halten aber die immer wiederkehrende Besprechung dieser Angelegenheit im Bundestag - ob mit Lautstärke 8 oder mit Lautstärke 10, ob mit jener oder dieser Absicht vorgetragen - nicht für den geeigneten Weg, um dieses Ziel zu erreichen. Wir haben uns bemüht und werden uns bemühen, daß dieser Fall so liquidiert wird, wie er als Verbrechen liquidiert werden muß.
Nicht der Fall Kroupa allein ist es, der die Millionen Sudetendeutscher so bedrückt, sondern es gibt noch viele, viele gleiche und ähnliche Fälle. Vor allem ist es eine Grundsatzfrage, daß diejenigen, die sich als Verbrecher gegen die Menschlichkeit, als Mörder in den turbulenten Jahren der Austreibung 1945/1946 benommen haben, dann auf deutsches Gebiet flüchteten, auch einer deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen werden sollen.
Nach dem 28. Februar 1948, dem Tag, da in der Tschechoslowakei der rosarote Benesch Kommunismus endgültig beerdigt wurde, als ein Masaryk aus dem Fenster des Czernin-Palais fiel und zerschmettert tot liegen blieb, ist die Flucht von Tschechen in das ansonsten so verhaßte Deutschland nicht zum Stillstand gekommen. Tausende Tschechen haben nach diesem 28. Februar in Deutschland das Asylrecht in Anspruch genommen, und es mußte allen, ohne Prüfung der wahren Ursachen ihrer Flucht, auf Anordnung der amerikanischen Landeskommission gewährt werden. Darüber hinaus hatten alle diese asylsuchenden Tschechen vor allen deutschen Vertriebenen den Vorzug, und das deutsche Volk mußte in der ersten Zeit für jeden dieser Tschechen einen täglichen Unterhaltsbeitrag von, sage und schreibe, 15 DM aus deutschen Steuergeldern aufbringen.
- Im Frühjahr des vergangenen Jahres erklärte der bayerische Ministerpräsident Ehard, daß monatlich an die 700 Nationaltschechen die bayerische Grenze überschritten, die aufgenommen werden mußten. Ihre Versorgung und Verpflegung mußte nach deutschem Recht durchgeführt werden, aber eine Überprüfung ihrer Vergangenheit oder eine Bestrafung oder gar eine Ausweisung nach deutschem Recht war nicht möglich. Es ist nicht leicht, diese steigende Zahl der asylsuchenden Tschechen nach ihrer wirklichen ideologischen Einstellung zu klassifizieren. Viele, viele hatten sehr große Eile, das deutsche Bundesgebiet wieder so schnell wie möglich zu verlassen; denn ihre Westen waren wahrhaftig sehr beschmiert. Gewiß kamen auch mit diesen asylsuchenden Tschechen viele nach Deutschland, die im Jahre 1945 die bestialische Mißhandlung und Beraubung und den sadistischen Mord an Tausenden von Sudetendeutschen nicht billigten. Aber es ist auch ein großer Teil unter den Asyltschechen, der im Jahre 1945/46 an der Durchführung des Schanddekrets von Kaschau, das die Beraubung und Ausweisung der Deutschen verfügte, mit Begeisterung mitgetan hat, die nach dem Grundsatz des blutbefleckten Anstifters Benesch handelten, der da sagte: „Nehmt den Sudetendeutschen alles; laßt ihnen nur das letzte Taschentuch, damit sie sich in ihrem Leid ihre Tränen trocknen können!"
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- Erklären Sie sich mit Kroupa und Konsorten identisch? Dann müßte ich Ihnen als Sudetendeutscher wahrhaftig sagen: Es ist eine Schande, daß es derartige deutsche Menschen gibt.
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Einer dieser Sadisten, der sich bei der Austreibung im Jahre 1945 und 1946 ganz besonders brutal benommen hat, ist dieser Frantisek Kroupa, der sich als Kommissar des narodni vybor, d. h. des Tschechischen Nationalkomitees von Joachimsthal eine ungeheure Blutschuld aufgeladen hat, dem die Deutschen Freiwild waren. Es liegen mehr als 20 eidesstattliche Erklärungen von ehemaligen Bürgern der Stadt St. Joachimsthal vor, die diesen Mann des Mordes, des Raubes und des Verbrechens wider die Menschlichkeit belasten. Und Kroupa, wie Sie ja bereits aus den Mitteilungen des Herrn Justizministers gehört haben, genießt leider den Schutz der DP's. Ein vom bayerischen Justizministerium gestelltes Ansuchen um Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens harrt noch der Erledigung. Auch der tschechische Nationalausschuß in London, an der Spitze General Prchala, hat ein Ansuchen gestellt, Kroupa einem internationalen Gerichtshof zu überantworten.
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Der Fall Kroupa ist nicht der einzige; aber er ist einer jener Fälle, die uns besonders auf den Nägeln brennen, einer derjenigen, bei denen feststeht, daß dieser Mann in Deutschland ist und dessen Schuld auch hundertprozentig bewiesen ist. Es geht uns nicht um Rache oder Vergeltung; es geht uns darum, daß Recht eben Recht bleiben muß und daß das Recht als o solches unteilbar ist.
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Aus diesem Grunde bitten wir die Bundesregierung, in ihren Anstrengungen nicht nachzulassen, daß dieser Rechtsstandpunkt gewahrt bleibt und daß die Alliierten dahin gebracht werden, daß diese Menschen, die sich in dieser Art und Weise vergangen haben, vor deutschen oder internationalen Gerichten abgeurteilt werden, damit sie ihre verbrecherischen Taten sühnen. Wenn dies nicht geschieht, wird das Fundament ausgehöhlt, auf dem wir das Gebäude Europa aufbauen, in dem sich alle freiheitliebenden, die Menschenwürde achtenden Menschen und Völker
(Zuruf von der KPD: Und die amerikanischen Agenten!
treffen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zur Sache selbst spreche, möchte ich einen. kleinen Irrtum des Herrn Goetzendorff richtigstellen, der bei diesem Antrag von einem Antrag des Herrn Dr. Ott sprach. Ich möchte besonders für meine Freunde - und ich glaube, auch im Sinne vieler anderer, die den Antrag unterschrieben haben - sagen, daß es sich nach meinem Wissen nicht um einen Antrag des Herrn Dr. Ott handelt, sondern um einen Antrag der sudetendeutschen Abgeordneten dieses Hauses,
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ganz gleich, in welcher Partei sie stehen. Daß diese den Antrag neben dem schon vorliegenden Antrag eingebracht haben, ist nicht eine Prestigeangelegenheit, sondern - wenn ich Ihnen das ganz kurz sagen darf - es sollte damit diesem Antrag ein viel besserer Nachdruck gegenüber jenen verliehen werden, die letzten Endes über dieses Anliegen entscheiden werden, nämlich gegenüber den Besatzungsmächten.
Um auch zu begründen, worin der größere Nachdruck liegen kann und liegen wird, möchte ich Ihnen sagen, daß es Dinge und Geschehnisse gibt, die nur allzu leicht in die Bezirke von Liebe oder auch Haß und Rache abgleiten können, und daß dadurch diese Dinge in eine Gefahrenzone kommen, wo sie nur der Propaganda dienen, einer Propaganda, die Mißbrauch mit den Gefühlen jener gequälten Menschen treibt, die in diesen schicksalhaften Jahren von ihren Peinigern gequält und auch gemordet wurden, die sie um ihren Besitz gebracht haben - Mißbrauch mit den Gefühlen dieser Menschen, die die Tiefpunkte dieses Blutrausches mitgemacht haben, der sich in zwei Dingen besonders ausdrückt: ich nenne hier das Blutbad von Aussig und den Todesmarsch der Brünner nach Pohrlitz.
Wenn ich das bei dieser Propagandamöglichkeit heraushebe, so möchte ich damit gleichzeitig für meine Freunde mit aller Deutlichkeit feststellen, wie wir über gewisse Anträge denken, wenn sie sich auch mit so berechtigten Anliegen wie diesem befassen. Ich kann es wohl nicht besser als damit ausdrücken, was vor zwei Jahren hier an dieser Stelle gesprochen wurde, und zwar von meinem Parteifreund Carlo Schmid, als er zur Regierungserklärung und besonders zu der Seite dort drüben
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folgendes gesagt hat, als sie sich so bitter über verschiedene Dinge beklagte. Er sagte - ich bitte, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier wörtlich zitieren zu dürfen -:
Sie haben, Herr Dr. Richter, mit bewegten Worten über das Unrecht geklagt, das nach Abschluß der Kämpfe den Deutschen in Ost und West zugefügt worden ist. Hierzu ist zu sagen, daß wahrscheinlich vieles geschehen ist, was sich neben Tatbestände stellen kann, für die man in Landsberg Leute gehängt hat. Aber das Recht, hier moralisch anzuklagen, haben doch wohl nur diejenigen, die sich seinerzeit über Sauckel, über die Austreibung und Ausrottung der Juden und Polen, über Lidice, über Auschwitz_ und Oradour wenigstens geschämt haben.
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Das wurde unter dem Beifall fast des gesamten Hauses hier gesprochen, und diese Worte erklären auch unseren selbständigen Antrag.
Der Fall Kroupa gehört unstreitig zu diesen Tatbeständen, die damals mein Parteifreund Carlo Schmid gemeint hat. Wir wollen hier rein' sachlich die Dinge ganz klar darstellen, damit sie auch mit dem nötigen Nachdruck nach dem Willen dieses Hauses von der Bundesregierung bei jenen Kräften vertreten werden, die einzig und allein im gegenwärtigen Augenblick imstande sind, hier dem Recht zum Recht zu verhelfen. Der Tatbestand ist der, daß ein Mörder oder zumindest einer, der Morde direkt veranlaßte, auf deutschem Boden ungestraft weilen kann. Die bayerischen Justizbehörden kennen den Mörder und wissen um seine Verbrechen. Es wurde hier schon betont - und ich möchte es -bestätigen -, daß eine Reihe von eidesstattlichen Aussagen vorliegt, von denen ich nur eine erwähnen will, daß Kroupa mit dem Revolver drohend zwei Deutsche gezwungen hat, einen israelitischen Bürger zu erhängen. Im Jahre 1949 traf Kroupa im Lager Murnau ein und wurde durch einen Zufall erkannt. Ich möchte Herrn Goetzendorff auch sagen, daß sich damals sofort die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen unter der Führung ihrer Vorsitzenden, der Kollegen Reitzner und Schütz, an den bayerischen Landeskommissar Mr. Wagoner gewandt hat, um zu erreichen, daß Kroupa vor ein deutsches oder, wenn das nicht zulässig wäre, vor ein amerikanisches oder internationales Gericht gestellt würde, da es sich hier unstreitig um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt. Auch das bayerische Justizministerium hat, wie der Herr Justizminister eben erschöpfend ausführte, diese Bemühungen angestrengt, ebenso .auch die Bundesregierung, wie der Minister weiter sagte. Die konfuse Rechtslage, die dadurch entstanden ist, daß die Amerikaner eine solche Auslegung finden, daß nur die Verbrechen hier gesühnt werden können, die auf dem Boden der Bundesrepublik begangen worden sind, kann hier doch niemand wirklich anerkennen. Dann dürfte man kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden, wenn es in einem fremden Staatsgebiet geschehen ist. Und das haben uns doch die Alliierten hier selbst vorgeführt! Das ist eine groteske Auffassung dieser Rechtsprechung, wenn man sagt, man könne Kroupa im Wege des Auslieferungsantrages nur auf tschechischem Boden aburteilen.
Meine Damen und Herren, das ist die sachliche Seite. Wir meinen, daß dieser Antrag, dem meine Fraktion voll zustimmt, nicht nur dazu dienen muß, daß dem Rechte wieder der Platz eingeräumt wird, daß Verbrechen gegen die Menschlichkeit gesühnt werden müssen, wo immer sie geschehen, sondern daß diese Dinge darüber hinaus auch noch psychologisch unterstützt werden. Man spricht heute soviel vom psychologischen Wirken für die Heimatvertriebenen. Besonders dann spricht man gern davon, wenn man nicht genug für sie tun kann oder auch manchmal nicht tun will. Hier ist der Ort, daß man wirklich von einer psychologischen Unterlage sprechen kann; denn die gequälten Menschen warten darauf. Man muß ihnen dazu verhelfen, daß ihr Rechtsbewußtsein wiederhergestellt wird, das durch die Leidensjahre so schwer erschüttert ist, und daß damit ein echter Beitrag zur Erledigung der so schwierigen deutschen Flüchtlingsfrage geleistet wird. Das muß man auch denen sagen, die letzten Endes darüber zu entscheiden haben.
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Ich bitte deshalb das Hohe Haus, sich unserem Beispiel anzuschließen und für den Antrag zu stimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf eins hingewiesen haben, was mir in den durchaus zu unterstreichenden und zu befürwortenden Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers aufgefallen ist, nämlich der Ausdruck „Volksdeutsche". Herr. Minister, wir sind nicht Volksdeutsche oder Beutedeutsche, wie man vielleicht sonst noch sagte, sondern wir sind Deutsche wie Sie und alle anderen. Und wenn man den Vertrag von München, der ein regelrechter Vertrag gewesen ist, zugrunde legt, dann sind wir Reichsdeutsche, wie es jeder andere in diesem Staat letzten Endes auch gewesen sein dürfte.
Ich bedaure weiterhin, daß man hier so eine Art Wettlauf darum begonnen hat, wer nun der erste gewesen ist, der den Fall Kroupa überhaupt aufgestochen hat.
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- Ich möchte Ihnen zunächst sagen: Ich war es nicht. Aber im Heimatbrief der St. Joachimsthaler - ich glaube, die dürften wirklich die ersten gewesen sein - fand sich eine Schilderung, die das Wirken dieses Verbrechers Kroupa so entsetzlich wiedergab, daß jeder, der diese Schilderung damals trotz der natürlich mit unserer Umerziehung zusammenhängenden Papierschwierigkeiten und der schlechten Möglichkeit, sich eine Zeitung zu beschaffen, zu Gesicht bekam, sie unbedingt zum Anlaß nehmen mußte, gegen eine derartige Bestie in Menschengestalt vorzugehen.
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- Sie können diese Bestie ruhig verteidigen, wie Sie wollen. In diesem Heimatbrief fand sich unter anderem, daß dieser Kroupa wahllos Verhaftungen vornehmen ließ, Menschen in Kellerräumen zusammenpferchte - ob Männer oder Frauen, das spielte keine Rolle -, sie erbärmlich schlagen und martern ließ, mit Stahlruten und Gummischläuchen mit Stahleinlage und dergleichen mehr.
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- Es ist sehr interessant, daß Sie diesen Mann verteidigen,
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der Menschen zu Tode geschunden hat.
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Ich glaube, es ist zum ersten Male die sudetendeutsche Landsmannschaft in Niedersachsen gewesen, die anläßlich ihres zweiten Landestreffens in Goslar den Antrag an die Militärregierung in Bayern stellte, diesen Mann zu verhaften und vor ein Gericht zu stellen. Nach meiner Wahl in den Bundestag habe ich denselben Antrag an die Bundesregierung gerichtet. Bundesregierung und bayerisches Justizministerium mußten mir mitteilen, das gehe nicht, denn die Amerikaner erklären: Kroupa ist Alliierter, er untersteht nicht den deutschen Gerichten. Allerdings sagte irgendein Landkreisgouverneur der Amerikaner, man hätte
Auskunft eingeholt, ob nicht irgendwo gegen Kroupa ein Gerichtsverfahren laufe.
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Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Nun, meine Damen und Herren, daß der Genosse Kroupa nicht von seinem Genossen Gottwald durch ein Strafverfahren verfolgt werden würde, mußte klar sein. Die Amerikaner erklärten, sie hätten kein Recht, weil seine angeblichen Straftaten außerhalb des alliierten Besatzungsbereichs begangen worden seien. Sie fühlten sich aber berechtigt, bei Deutschen dann ihre Zuständigkeit zu erklären, wenn die ihnen, den Deutschen nämlich, angedichteten Verbrechen weit, weit außerhalb der amerikanischen Besatzungszone verübt worden sein sollten. Es waren ja eben nur Deutsche.
Nun haben .im bayerischen Landtag und hier im Bundestag Anträge vorgelegen, - ({0})
Herr Abgeordneter Richter, kommen Sie zum Schluß! Ich muß Ihnen das Wort entziehen, wenn Sie nicht alsbald zum Schluß kommen.
Es spielt keine Rolle, ob der Antrag von Goetzendorff - ich habe ihn selbst gar nicht unterschrieben - oder von einer andern Seite vorgelegt worden ist. Es geht nur darum, ob das Haus sich zum Recht bekennt. Leider Gottes hat damals der Abgeordnete Tichi ein Verzögerungsmanöver durchgeführt, von dem man heute noch nicht weiß, ob es nicht zugunsten dieses blutbefleckten Tschechen erfolgt ist.
({0})
Herr Abgeordneter Richter, ich entziehe Ihnen das Wort.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden!
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Sätze zu dem, was hier vorgebracht worden ist. Ich möchte zunächst einmal erklären, daß der auch von mir unterzeichnete, am 10. Juli eingebrachte Antrag ursprünglich auch von Dr. Ott unterschrieben war, und ich verstehe nicht, wie der Ältestenrat es zulassen kann, daß über ein und dieselbe Sache mit einem Aufwand von mehreren Hundert Mark sachlich und wörtlich übereinstimmende Anträge in doppelter Auflage hinterhergebracht werden.
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- Sie entschuldigen, daß ich. als Pommer zu dieser Sache spreche. Aber, Herr Kollege Reitzner, es sind nicht nur Sudetendeutsche, die da mitunterschrieben haben; es sind auch ein paar Schlesier und ein Pfälzer dabei.
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- Ich habe mich nicht in der Adresse geirrt! ({3})
- Herr Matzner vielmehr; entschuldigen Sie!
Meine Damen und Herren! Sinn dieses Antrages ist gar nichts anderes, als einen Abschluß der Bemühungen zu erreichen, die bisher ja erfolglos ge({4})
wesen sind, wie wir vorhin aus dem Munde des Herrn Justizministers gehört haben. Seit dem 17. März 1949, als Herr Kroupa zunächst verhaftet wurde, läuft diese Angelegenheit. Es ist den Behörden - das hat der Herr Justizminister hier eingehend dargelegt - bisher nicht gelungen, etwas Nachhaltiges zu erreichen. Der Sinn dieses Antrages, der auch von mir unterzeichnet worden ist, war gar kein anderer, als daß nunmehr, nachdem die Behörden allein bei den Amerikanern nichts erreicht haben, der Bundestag ein entsprechendes massives Wort zu diesem Skandalzustand sprechen sollte. Gar nichts anderes war beabsichtigt, und es ist höchst unschön, wenn man uns, die wir hier doch wesentlich leiser geredet haben als einige Vorredner - ich ganz bestimmt - vorwirft, wir machten hier Lautstärke 9 und 10. In keiner Weise, sondern wir wollen nur einen von Ihnen allen offenbar auch gewünschten sachlichen Zweck erreichen. Es ist nicht mehr damit getan, Herr Kollege Kuntscher, daß die Bundesregierung g e b et en werden muß, irgend etwas Weiteres zu tun, sondern der Hauptnachdruck muß darauf liegen, daß der Bundestag in dieser Sache nicht der Regierung, aber den Amerikanern gegenüber eine ganz eindeutige Erklärung abgibt.
Wenn Sie nun fragen wollen, welchem der beiden Anträge auf dreierlei Bogen Sie Ihre Zustimmung geben sollen, so glaube ich, daß wir dem ersten Antrag am besten zustimmen können; denn er ist sachlich ebenso eindeutig wie die beiden, die hinterhergeklappert sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Herren von der äußersten Rechten sollten etwas vorsichtiger in der Monierung der Tatsache sein, daß hier zwei Anträge vorliegen. Es könnte sonst sehr leicht sein, wenn der Ältestenrat von seiner bisherigen Übung abweicht, alle Anträge anzunehmen und auf die Tagesordnung zu setzen, daß die Herren von der äußersten Rechten zuallererst in Bedrängnis kämen.
Dann hat der Abgeordnete Dr. Richter die Geschmacklosigkeit gehabt, auf einige Zurufe von meiner Fraktion hin zu behaupten, daß wir Herrn Kroupa in Schutz nehmen. Herr Dr. Richter, die Sozialdemokraten und die sozialdemokratische Fraktion haben alle Verbrechen und alle Schandtaten zu jeder Zeit und an jedem Ort gebrandmarkt, auch damals, als in nationalsozialistischer Zeit dieselben Verbrechen hier in. Deutschland passierten, als Sie in den Reihen der Nationalsozialisten mitmarschierten,
({0})
obwohl Sie genau wußten, was für Verbrechen passierten. Damals haben Sie kein Wort der Empörung dagegen gefunden. Wenn es eine Schande für das deutsche Volk gibt, dann ist es nur die, daß heute noch solche schamlosen Burschen von Ihrer Art auf dieser Tribüne stehen und reden können.
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Herr Abgeordneter Mellies, ich habe Ihnen für diesen Ausdruck einen Ordnungsruf zu erteilen.
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- Darf ich den Abgeordneten, der sich diesen geistreichen Zwischenruf erlaubt hat, ersuchen, sich zu melden?
({1})
- Das wundert mich nicht weiter. Der Zwischenruf entsprach genau Ihrem Niveau. Ich erteile Ihnen keinen Ordnungsruf.
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Ich komme zur Abstimmung. Zunächst habe ich abstimmen zu lassen über den zeitlich vorgehenden Antrag Drucksache Nr. 2496. Das ist der Antrag Goetzendorff und Genossen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
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- Haben Sie irgendwelche Zweifel? Beanstanden Sie die Abstimmung?
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Ich lasse erneut abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das sind sieben Abgeordnete. Gegenprobe!-({5})
Das ist unzweifelhaft die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 2580 der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 18:
Beratung der Ubersicht Nr. 37 über Anträge von Aussschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({6}).
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- Ich bitte die verehrten Damen und Herren, sich noch eine Minute zu gedulden.
Wer für die Annahme der Anträge des Petitionsausschusses ist - Umdruck Nr. 303 -, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich habe noch folgende Mitteilungen bekanntzugeben. Die FDP-Fraktion hält um 16 Uhr 15 eine Sitzung ab. Der Ausschuß für Geld und Kredit tagt statt im Anschluß an diese Sitzung erst um 17 Uhr 30. Die Delegierten zur Beratenden Versammlung des Europarates tagen unmittelbar nach Schluß dieser Sitzung in Zimmer Nr. 102.
Ich berufe die 165. Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 27. September, 9 Uhr, ein und schließe die 164. Sitzung des Deutschen Bundestages.