Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 162. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich wünsche Ihnen allen, daß die Zeit der Erholung während der Sitzungspause des Parlaments - soweit Sie sie haben konnten - Ihnen Kraft und Freudigkeit für die großen Aufgaben gegeben hat, die uns auch künftighin im Dienst unseres Staates und Volkes gestellt werden.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich der Tatsache zu gedenken,
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daß am 21. Juli nach einer Operation in der Bonner Universitätsklinik der Abgeordnete des Deutschen Bundestags Herr Dr. Wilhelm Hamacher im Alter von 68 Jahren verstorben ist. Herr Dr. Hamacher ist 1883 in Troisdorf geboren. Er hat an den Universitäten in Bonn und Münster Geschichte, Erdkunde und klassische Sprachen studiert. 1920 übernahm er die Leitung des Generalsekretariats der Zentrumspartei und war daneben von 1926 bis 1933 Vertreter der Rheinprovinz beim Reichsrat. Nach dem Zusammenbruch hat er mit Gesinnungsfreunden die Zentrumspartei wieder ins Leben gerufen, deren Vorsitz ihm zeitweise übertragen war. Er ist Kultusminister in Nordrhein-Westfalen gewesen. In der ersten Wahl zum Deutschen Bundestag wurde er über die Ergänzungsliste Nordrhein-Westfalen in den Bundestag gewählt. Er war Mitglied des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen, des Ausschusses für Berlin, des Ausschusses für Kulturpolitik, des Unterausschusses für Schulwesen und des Ausschusses für innergebietliche Neuordnung. Ich glaube, in Ihrer aller Namen zu sprechen, wenn ich sage, daß wir die Persönlichkeit und die Tätigkeit unseres Kollegen Hamacher in dankbarer und ehrender Erinnerung behalten werden. - Sie haben sich zu seinen Ehren von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Frühwald und Walter. Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: für eine Woche wegen dienstlicher Inanspruchnahme der Abgeordnete Kalbfell, für zwei Wochen aus dem gleichen Grunde der Abgeordnete Dr. Reismann, für drei Wochen die Abgeordneten Zühlke, Kuhlemann, Dr. Preller, Frau Döhring, für etwa drei Wochen wegen Krankheit der Abgeordnete Dr. Veit und für vier Wochen wegen Krankheit die Abgeordneten Aumer und Fischer. Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Dr. Weber ({0}), Junglas, Dr. Dresbach, Lohmüller, Dr. Pünder, Jahn, Raestrup, Dr. Schmidt ({1}), Wönner, Dr. Luchtenberg, Dr. Kather, Bauereisen, Dr. Greve, Dr. Reif, Brandt, Reimann, Niebergall, Paul ({2}), Agatz, Löbe, Neumann, Cramer, Margulies und Dr. Dorls.
Meine Damen und Herren! Ich darf annehmen, daß die Urlaubsgesuche, soweit über eine Woche Urlaub beantragt wird, von Ihnen genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Ich begrüße in unserem Kreise den an Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Hamacher in den Bundestag eingetretenen Abgeordneten Johannes Hoffmann und wünsche ihm eine erfolgreiche Arbeit.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff sein Mandat wegen seiner Wahl zum Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts niedergelegt hat. Ich darf diese Gelegenheit benutzen, Herrn Dr. Höpker-Aschoff die herzlichen Glückwünsche des Bundestags auszusprechen, und mit dem Ausdruck des Bedauerns hinzufügen, daß wir seine sachkundige Arbeit in unserem Kreise vermissen werden.
({0})
Ich habe weiter bekanntzugeben: die Fraktion der Deutschen Partei hat mir mitgeteilt, daß der Abgeordnete Bahlburg nicht mehr der Fraktion der Deutschen Partei angehört. Zur gleichen Zeit hat mir der Abgeordnete Bahlburg mitgeteilt, daß er aus der Deutschen Partei ausgetreten sei und sein Mandat im Bundestag unabhängig ausüben werde.
({1})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seinen Sitzungen am 20., 26., 13. und 27. Juli 1951 den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Kündigungsschutzgesetz; Strafrechtsänderungsgesetz;
Gesetz über die Gewährung von Zulagen in
den gesetzlichen Rentenversicherungen; Gesetz über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung;
Zweites Gesetz zur Änderung des Soforthilfegesetzes;
Gesetz über die Verteilung des erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder in den Geschäftsjahren 1950 und 1951;
Übergangsgesetz zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder;
Gesetz über die Errichtung der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes betreffend die Ermöglichung der Kapitalkreditbeschaffung für landwirtschaftliche Pächter;
Zweites Gesetz zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund;
Gesetz zur Regelung der Besteuerung des
Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1951;
Zweites Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes;
Gesetz zur Änderung des Grundsteuergesetzes;
Gesetz über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln;
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen vorn 31. Oktober 1938;
Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes zur Sicherung der Düngemittel- und Saatgutversorgung;
Gesetz über die Errichtung eines KraftfahrtBundesamtes;
Gesetz über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft;
({2})
Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln;
Gesetz über das Protokoll von Torquay vom 21. April 1951 und den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommen vom 30. Oktober 1947;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin ({3}).
Zu folgenden Gesetzen hat er den Vermittlungsausschuß angerufen:
Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit;
Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung;
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes
über die Kreditanstalt für Wiederaufbau;
Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951;
Bundesbahngesetz.
Beim
Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuerrechts,
Gesetz zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes,
Gesetz zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes
hat er beschlossen, gemäß Art. 78 des Grundgesetzes nicht zuzustimmen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 16. Juli 1951 die Anfrage Nr. 174 der Abgeordneten Dr. Wuermeling und Genossen betreffend Existenzsicherung der Familien der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes ({4}) beantwortet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2512 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat weiter am 20. August 1951 die Anfrage Nr. 193 der Fraktion der SPD betreffend Soforthilfegesetz in der französischen Besatzungszone ({5}) beantwortet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2535 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 19. Juli 1951 die Anfrage Nr. 194 der Fraktion der SPD betreffend Ausbildung Schwerbeschädigter ({6}) beantwortet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2515 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 17. Juli 1951 die Anfrage Nr. 200 der Fraktion der SPD betreffend Verkehrsunfälle an Bahnübergängen ({7}) beantwortet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2514 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 2. August 1951 die Anfrage Nr. 202 der Fraktion der FDP betreffend Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes ({8}) beantwortet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2527 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat gemäß einem Beschluß der 155. Sitzung des Deutschen Bundestags am 6. Juli 1951 über seine
Untersuchungen zur Bundesstraße 51 berichtet. Das Prüfungsergebnis wird als Drucksache Nr. 2507 verteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 31. Juli 1951 gemäß Ziffer 3 des Beschlusses der 123. Sitzung des Deutschen Bundestags über das Programm für die Betreuung der deutschen Jugend berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache Nr. 2525 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat gemäß Beschluß der 107. Sitzung des Deutschen Bundestages über seine Veranlassung zur Erfüllung der Wünsche des Bundestags hinsichtlich der Verwendung von Naturwerksteinen für Bauvorhaben berichtet. Sein Schreiben vom 4. August 1951 ist als Drucksache Nr. 2530 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat im Verfolg seiner Ausführungen vom 1. März 1951 vor dem Plenum über den weiteren Gang der Verhandlungen berichtet, welche um die Freigabe der Vermögen der in Berlin stillgelegten Sozialversicherungsträger geführt worden sind. Sein Schreiben vom 23. August 1951 ist als Drucksache Nr. 2547 vervielfältigt.
Die nachfolgenden Verordnungen der Regierung sind dem Deutschen Bundestag zur Kenntnisnahme zugestellt worden und liegen im Archiv zur Einsichtnahme auf:
Entwurf einer Verordnung über Verwendungsbeschränkungen von Kobalt und Kobaltverbindungen ({9});
Verordnung über Verwendungsbeschränkungen von Nickel und Nickellegierungen ({10});
Verordnung über Verwendungsbeschränkungen für Baumaterial ({11}); Verordnung über Preise für Zucker.
Zur Tagesordnung hat zunächst der Herr Abgeordnete Scharnberg ums Wort gebeten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP erlaube ich mir, zu beantragen, die Punkte 7 a bis e, betreffend Besoldungsrecht, Pensionen usw., und 15, betreffend Sicherung des Kohlenbedarfs, von der Tagesordnung abzusetzen. Zu den Fragen, die unter den Ziffern 7 a bis e behandelt werden sollen, schweben noch Verhandlungen zwischen der Regierung und den Fraktionen. Zur Besprechung des Punktes 15 ist die Anwesenheit von Professor Erhard notwendig. Herr Professor Erhard ist aber auf Einladung des türkischen Wirtschaftsministers heute in die Türkei geflogen und kann infolgedessen nicht hier sein.
({0})
Wir möchten bitten, daß die Behandlung dieses Punktes zurückgestellt wird, bis Professor Erhard selbst hier ist.
({1})
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Wellhausen! Der Herr Kollege Mellies spricht zuerst.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir glauben, daß es nicht gut verantwortet werden kann, wenn Punkt 7 heute von der Tagesordnung
({0})
abgesetzt wird. Die Verhandlungen über diese Fragen haben lange genug gedauert, und wir haben wohl alle das Empfinden gehabt, daß der Schwebezustand, wie er sich seit Anfang dieses Jahres entwickelt hat, alles andere als glücklich gewesen ist. Wir glauben, daß genügend Zeit war, diese Fragen auch innerhalb der Koalition zu klären. Wir bitten dringend, die erste Lesung heute vorzunehmen, damit die Arbeit in den Ausschüssen unverzüglich aufgenommen werden kann.
Ebenso glauben wir, daß der Punkt 15 angesichts der gesamten Lage doch wohl nicht abgesetzt werden kann. Es ist uns leider nicht mitgeteilt worden, wann der Herr Wirtschaftsminister wieder zur Verfügung steht. Aber es ist doch ein unmöglicher Zustand, daß die dringendsten Anliegen der Bevölkerung in diesem Hause nicht behandelt werden können, weil zufällig ein Minister einmal ins Ausland fliegen muß.
({1})
Zunächst Herr Abgeordneter Renner, dann Herr Abgeordneter Dr. Etzel! - Wir können leider nicht zwei Herren gleichzeitig sprechen lassen.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich habe den Bemerkungen des Herrn Vorredners nur einiges hinzuzufügen. An und für sich hätten wir gar nichts dagegen einzuwenden, wenn der Herr Minister für dauernd in der Türkei bliebe.
({0})
Aber wir sind der Meinung, daß es doch mindestens bis zum kommenden Dienstag möglich sein muß, einen kompetenten Mann aus dem Ministerium zu finden, der dem Bundestag darüber Auskunft geben kann, wie es während des Winters mit der Versorgung unserer Bevölkerung mit Hausbrand werden soll und wie die Versorgung unserer Friedensindustrie gesichert werden kann. Ich bitte also, ehe abgestimmt wird, zu klären, ob dieser Punkt der Tagesordnung am kommenden Dienstag beraten werden kann.
Zu dem Antrag, den Punkt 7 von der Tagesordnung abzusetzen, kann man den Herren der Regierungskoalition nur eins sagen: Hoffentlich danken Ihnen die Altpensionäre, die man so lange an der Nase herumgeführt hat, bei passender Gelegenheit gebührend für diese Politik bewußter Verschleppung der Erfüllung ihrer berechtigten Ansprüche.
Ich beantrage, daß vor der Abstimmung geklärt wird, ob der Punkt 15 der heutigen Tagesordnung am kommenden Dienstag auf die Tagesordnung gesetzt werden kann.
Herr Abgeordneter Renner, nach meiner Überzeugung treibt in diesen Hause niemand eine Politik bewußter Verschleppung.
({0})
Ich möchte die neue Tagungsperiode nicht gleich mit einem Ordnungsruf für Sie beginnen und beschränke mich darum auf diesen Hinweis.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner politischen Freunde bitte ich dringend, den Punkt 7 nicht von der Tagesordnung abzusetzen. Seit einem halben
Jahr geht das Frage- und Antwortspiel unentwegt hin und her. Seit einem halben Jahr wird in der öffentlichen Diskussion die Notwendigkeit einer Anpassung der Bezüge der aktiven Beamten, der Ruhestandsbeamten und der Hinterbliebenen an das veränderte Preisgefüge erörtert und von der überwiegenden Mehrheit der parlamentarischpolitischen Kreise und der öffentlichen Meinung bejaht. Der Bundestag hat - außer dem Sprecher der größten Koalitionspartei - am 25. April durchaus positiv zu der Frage der Einbeziehung der Altpensionäre und der Althinterbliebenen Stellung genommen, und die Bundesregierung hat sich am 8. Mai für die einheitliche Behandlung der aktiven und der pensionierten Beamten sowie der Hinterbliebenen ausgesprochen, am 13. Juni dann allerdings ihren Beschluß wieder abgeschwächt.
Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat am 17. Juli die Vorwegbewilligung von Vorschußzahlungen auf eine 20%ige Erhöhung der Bezüge der aktiven Beamten mit der ausdrücklichen Begründung abgelehnt, daß die Gesetzesvorlage der Bundesregierung nicht auch eine Erhöhung für die Pensionäre vorsehe.
({0})
Inzwischen haben einzelne Länder, wie Bremen, Nordrhein-Westfalen und das arme Niedersachsen, gehandelt und das Notwendige getan. Inzwischen sind auch die Sozialrenten angepaßt worden. Die Löhne der Arbeiter und Angestellten in der Wirtschaft konnten mit dem erhöhten Preisniveau in Einklang gehalten werden. Nur die Beamten, Ruhestandsbeamten und Hinterbliebenen müssen auf die gesetzliche Neuordnung ihrer Bezüge warten. Die lange dauernde Ungewißheit - ({1})
Herr Abgeordneter Dr. Etzel, wir sind augenblicklich in der Debatte zur Tagesordnung. Ich bitte, keine Sachdebatte zu eröffnen.
Die lange dauernde Ungewißheit und die ständig wechselnden Meldungen über das Problem und seine Lösung haben große Unruhe und Sorge in den betroffenen Kreisen ausgelöst. Nicht nur aus staatspolitischen, sondern auch aus menschlichen Erwägungen ist es notwendig, nun endlich zu handeln und nicht nur auf verwaltungsmäßigem Wege, sondern durch die Gesetzgebung selbst die notwendige Regelung zu treffen. Jede weitere Verzögerung wirkt zersetzend und zermürbend. Die Lage ist verworren und verfahren genug, so daß nun der Bundestag mit einem klaren gesetzgeberischen Entschluß die Fäden, die allzu sehr verschlungen sind, entwirren muß.
({0})
Meine Damen und Herren, darf ich zunächst die Regelung hinsichtlich des Punktes 15 der Tagesordnung vorwegnehmen. Ich habe die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Renner so verstanden, daß er mit einer Verschiebung auf Dienstag einverstanden sein würde.
({0})
Will die Bundesregierung eine Erklärung dazu abgeben, ob Dienstag eine Auskunft gegeben werden kann?
Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, die Versicherung geben zu dürfen, daß die Bundesregierung, d. h. der Bundeswirtschaftsminister selbstverständlich am Dienstag zu Punkt 15 der heutigen Tagesordnung, dem Antrag der KPD, Rede und Antwort stehen wird.
Darf ich unterstellen, daß das Haus mit einer Verschiebung dieses Punktes auf den Dienstag einverstanden ist?
({0})
- Die SPD ist nicht einverstanden. Ich bitte die Damen und Herren, die für eine Verschiebung dieses Punktes auf den Dienstag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Punkt ist für heute abgesetzt und auf die Tagesordnung des Dienstags gesetzt worden.
Zum Punkt 7 der Tagesordnung liegt der Antrag vor, diesen Punkt heute abzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Absetzung sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
({1})
- Das erste war die Mehrheit; die Absetzung ist erfolgt.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzierung eines Sofortprogramms zur Arbeitsbeschaffung im Rechnungsjahr 1951 ({2}).
Meine Damen und Herren! Ich bin in der unangenehmen Lage, einen weiteren Wunsch der Koalitionsparteien hinsichtlich der Tagesordnung vorbringen zu müssen. Dieser Wunsch bezieht sich auf Punkt 9 der Tagesordnung. Die dazugehörige Drucksache Nr. 2533 ist gestern in die Fächer der Abgeordneten gelegt worden. Gestern war Feiertag; es war unmöglich, die Fraktionen über diese Drucksache beraten zu lassen. Ich stelle daher in erster Linie den Antrag, diesen Gesetzentwurf ohne Beratung in die Ausschüsse zu verweisen. Sofern Sie sich dazu nicht entschließen können, muß ich leider den Antrag stellen, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen.
Herr Abgeordneter Mellies, bitte!
Meine Damen und Herren! Angesichts dieser Wünsche, die hier von den Regierungsparteien vorgebracht werden, erhebt sich die Frage, warum wir dann eigentlich überhaupt die heutige Plenarsitzung veranstalten.
({0})
Es wäre sehr wahrscheinlich besser gewesen, darauf zu verzichten, um auch nach außen hin nicht das Schauspiel zu bieten, daß man trotz der wochen- und monatelangen Verhandlungen und Besprechungen auch heute nach den Ferien noch nicht in der Lage ist, zu entscheidenden Beschlüssen zu kommen.
({1})
Damit aber die Beratungen über das Arbeitsbeschaffungsprogramm wenigstens sofort aufgenommen werden können, sind wir damit einverstanden, daß der Vorschlag angenommen wird, den
Herr Wellhausen gemacht hat, nämlich die erste Lesung ohne Debatte vorzunehmen, wenn wir auch außerordentlich bedauern, daß nicht die Gelegenheit gegeben wird, hier über die verschiedensten Maßnahmen zu sprechen, die mit diesem Programm in Zusammenhang stehen. Wir bedauern dies um so mehr, als der Herr Bundesarbeitsminister ja anläßlich der Etatberatung immer mit viel Emphase verkündet hat, daß man jetzt endlich der strukturellen Arbeitslosigkeit zu Leibe gehen würde. Es scheint so, als wenn auch in dieser Frage dieselbe Unentschlossenheit auf seiten der Regierung und der Regierungsparteien vorliegt, wie wir das auch vorhin bei den anderen Punkten gesehen haben.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Meine Damen und Herren! Zu der Frage, ob es in vollem Umfange sinnvoll war, eine Sitzung mit dieser Tagesordnung einzuberufen, möchte ich nicht Stellung nehmen, wohl aber dazu, daß ein sehr großer Unterschied zwischen dem ersten Vertagungsantrag und demjenigen besteht, den ich für Punkt 9 gestellt habe. Dieser beruht ausschließlich darauf, daß es meines Erachtens unsere Pflicht ist, es endlich durchzusetzen, daß wir rechtzeitig und nicht an einem Feiertage, der der ersten Plenarsitzung vorangeht, in den Besitz der amtlichen Drucksachen kommen, insbesondere da wir zwei Monate Ferien gehabt haben.
({0})
- Ich bin so frei, Maßnahmen der Regierung - oder wer sie leider veranlaßt hat - hier zu kritisieren.
({1})
Herr Abgeordneter Renner!
Meine Damen und Herren! Ich widerspreche sowohl dem Antrage auf Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung als auch dem Antrage, diesen Punkt ohne Aussprache an den zuständigen Ausschuß zu verweisen. Es ist ja nicht das erste Mal, daß dem Bundestage in der allgemeinen Linie der Mißachtung eine Drucksache erst in letzter Minute zugestellt wird. Wir haben hier ja schon verhandelt, ohne überhaupt eine gedruckte Vorlage in der Hand zu haben.
Ich bin aber der Meinung, daß diese Vorlage wenigstens von einigen Mitgliedern des Hauses auch gestern gelesen worden ist. Sie enthält nach unserer Überzeugung eine derartige Fülle von Unklarheiten, von gewollt undurchsichtigen, halben Versprechungen, daß wir der Meinung sind, daß es der Sache dienlich sei, wenn diese Vorlage hier gründlich durchberaten wird, ehe sie an den AusSchuß geht, damit die Mitglieder des Ausschusses auch wissen, was der Bundestag über diese Vorlage denkt. Ich kann mir vorstellen, daß der Sache an und für sich auch nicht geschadet wird, nachdem wir solange auf die Vorlage gewartet haben, wenn die erste Lesung auf die Tagesordnung des kommenden Dienstags gesetzt wird. Ich beantrage deshalb, zu beschließen, daß dieser Punkt der Tagesordnung auf die Tagesordnung der Sitzung am kommenden Dienstag gesetzt wird.
Herr Abgeordneter Sabel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Ausschußmitglieder haben Gelegenheit, das hier vorliegende Material bis zur nächsten Ausschußberatung hinreichend zu studieren. Ich darf darauf hinweisen, daß sich der Bundesrat sehr eingehend mit diesen Fragen beschäftigt und sehr wertvolle Beiträge dazu geleistet hat. Ich würde es begrüßen, wenn wir dazu kämen, die Ausschußüberweisung zur Beschleunigung der Angelegenheit sofort zu beschließen. Ich empfehle als federführend den Ausschuß für Arbeit und dazu insbesondere wegen des § 2 den Haushaltsausschuß.
Meine Damen und Herren! Sie haben gehört, daß beantragt worden ist, diesen Punkt der Tagesordnung ohne Aussprache zu erledigen und den Entwurf dem Ausschuß für Arbeit als federführendem Ausschuß und zur Mitbehandlung dem Haushaltsausschuß zu überweisen.
({0})
-Mitberatend auch an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, wird beantragt.
({1})
- Der Ausschuß für Sozialpolitik ist dann der vierte Ausschuß, der beteiligt wird.
Herr Abgeordneter Sabel, bitte! - Meine Damen und Herren, bald rechtfertigt sich unsere Sitzung durch die Geschäftsordnungsdebatte.
Meine Damen und Herren, ich möchte darauf hinweisen, daß es sich hier um die Verwendung der Mittel aus der Arbeitslosenversicherung handelt. Ich glaube nicht, daß es der Sache förderlich ist, wenn wir nun eine Reihe von Ausschüssen mit der Arbeit beauftragen, sondern ich persönlich bin der Meinung, daß wir die Dinge in zwei Ausschüssen ausreichend diskutieren könnten. Wir müssen den Haushaltsausschuß wegen des § 2 hinzuziehen; im übrigen bitte ich doch, hier Maß zu halten.
({0})
Das werden wir noch klar bekommen. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die mit der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit, der federführend sein soll, einverstanden sind, die Hand zu erheben.
({0})
- Wenn wir diese Überweisung beschließen, bedeutet das, daß wir die erste Lesung dieses Gesetzes durchgeführt haben. Darüber besteht kein Zweifel.
({1})
Es heißt: Verzicht auf die allgemeine Aussprache
in der ersten Beratung und Überweisung an den
Ausschuß. Ich möchte dies ausdrücklich klarstellen.
({2})
- Der Antrag auf Ausschußüberweisung geht vor. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen; falls er abgelehnt wird, würden wir über Ihren Antrag entscheiden müssen, Herr Abgeordneter Renner.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit als dem
federführenden Ausschuß sind, die Hand zu erheben. Das ist ohne Zweifel die Mehrheit. - Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Haushaltsausschuß als mitberatenden Ausschuß sind, ebenfalls die Hand zu erheben.
- Das ist auch die Mehrheit. - Des weiteren wurde auch die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Überweisung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt. - Es wurde weiterhin die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Überweisung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Überweisung ist abgelehnt. - Damit ist auch der Antrag der Fraktion der KP erledigt.
({3})
- Herr Abgeordneter Renner, ich glaube, daß das eine ungerechtfertigte Kritik an der Arbeit der Ausschüsse ist, in denen mitzuarbeiten auch Ihre Fraktion die Möglichkeit hat.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung ({4}).
Ich darf annehmen, daß die Regierung sich auf die schriftliche Begründung bezieht. - Das ist der Fall. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Ich schlage Ihnen vor, diesen Punkt der Tagesordnung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
- Das Haus ist damit einverstanden.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile ({5}).
Für diesen Gesetzentwurf gilt das gleiche. Wortmeldungen liegen nicht vor. Eine Aussprache ist
nicht vorgesehen. Ich schlage ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen
vor. ({6})
Diese Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anwendung des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung
von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineraltilwirtschaft in Berlin ({7}).
Ich habe nicht den Eindruck, als ob der Deutsche Bundesrat beabsichtige, diese Vorlage mündlich zu begründen. Ich eröffne die
erste Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die erste Beratung und eröffne die
zweite Beratung.
Ich rufe auf § 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich lasse in der Einzelabstimmung der zweiten Beratung über die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift abstimmen. Ich bitte die
({8})
Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Allgemeine Aussprache! Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache und eröffne die Einzelberatung über § 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. Wir kommen zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die ihnen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Anwendung des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft in Berlin. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung des Schornsteinfegerwesens ({9}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Die Regierung bezieht sich auf die schriftliche Begründung. Ich eröffne die erste Beratung. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen. Es wird Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Arbeit beantragt. Ist das Haus damit einverstanden?
({10})
- Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens ({11}).
Die Regierung bezieht sich auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen vor, dieses Gesetz in erster Beratung dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
({12})
- Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Entwurfs einer Verordnung über Zolländerungen ({13}).
Die Regierung bezieht sich auf die schriftliche Begründung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
- Keine Wortmeldungen.
({14})
- Die Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen ist erfolgt.
Die Punkte 7 a) bis e) der Tagesordnung sind abgesetzt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Prämien zur Förderung des Wohnungsbaues ({15}) ({16}).
Wird eine Begründung gewünscht? - Das ist 4 nicht der Fall. Der Ältestenrat schlägt Ihnen ebenfalls einen Verzicht auf die Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen federführend und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
({17})
- Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, bitte!
Ich bitte sehr um Entschuldigung, wenn ich Sie bitte, noch einen geschäftsordnungsmäßigen Antrag zu Punkt 6 der Tagesordnung, betreffend Verordnung über Zolländerungen, vorbringen zu dürfen. Bei dem außerordentlichen Tempo, das erfreulicherweise eingeschlagen worden ist, war das vorhin nicht möglich. Es handelt sich letzten Endes um ein Finanzgesetz bzw. um ein Steuergesetz. Ich bitte deswegen, die Drucksache Nr. 2544 nicht nur an den Außenhandelsausschuß, sondern Ruch an den Finanzausschuß zu verweisen.
Darf ich annehmen, daß das Haus mit der Überweisung des Punktes 6 auch an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einverstanden ist? - Das ist offenbar der Fall.
Zu Punkt 9 der Tagesordnung ist die Ausschußüberweisung bereits erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Einrichtung von Familienausgleichskassen ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von
120 Minuten vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Winkelheide, bitte!
Winkelheide ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Antrag auf Drucksache Nr. 163 vom 4. November 1949 über die Errichtung von Familienausgleichskassen zu keiner Gesetzesvorlage geführt hat, bringt die CDU/CSU-Fraktion diesen Antrag heute erneut ein. Zur Begründung erlaube ich mir folgendes auszuführen.
Die Familie ist wie kaum eine andere Institution der menschlichen Gesellschaft in den. Strudel des Zusammenbruchs gestürzt. Während der Staat seine Einnahmen beschließt, wenn notwendig, erhöht und während Organisationen ihre Beiträge beschließen und verlangen, führt die Familie zum großen Teil ein kümmerliches Dasein im Schatten der Interessenorganisationen. Die Familie ist in ihren ganzen Lebensbedingungen fast ausschließlich auf das Arbeitseinkommen angewiesen. Auch alle Lohnerhöhungen und Steuererleichterungen werden in der gegenwärtigen Situation nicht mehr wirksam und verbürgen nicht mehr ein menschenwürdiges Dasein. Man könnte eine Reihe Begründungen anführen, wie sich das Arbeitseinkommen verteilt in Familien, in denen keine Kinder, in denen wenige Kinder und in denen vier und mehr Kinder vorhanden sind. Darauf will ich verzichten, weil es allgemein bekannt ist. Nur ein einziges Beispiel! Die Preissteigerung der letzten Monate wirkt sich bei einer neunköpfigen Familie in der Höhe
({2})
von 37,88 DM aus, ein sehr erheblicher Betrag, wenn auch diese Familie von dem reinen Arbeitseinkommen leben muß.
Die Frage, die heute Millionen von Familien an uns, den Deutschen Bundestag, richten, lautet - und das ist gestern nachmittag an dieser Stätte auch ausgesprochen worden -: Soll die Familie, besonders die kinderreiche Familie, verkümmern und untergehen? Der Notschrei von vielen Familien geht dahin, daß das Arbeitseinkommen durch einen Soziallohn ergänzt werden muß, wenn die gesunden Lebensgrundlagen und Entfaltungsbedingungen der Familie - eine familiengerechte Wohnung, ausreichende Ernährung und Kleidung und die Teilnahme am Kulturgeschehen, an einem Stück Eigentumsbildung zur Sicherung der Freiheit und Unabhängigkeit - gewährleistet werden soll. Viele Tausende Kinder beklagen heute, daß die Mutter einen Arbeitsplatz in der Fabrik angenommen hat, um einen zusätzlichen Verdienst in die Familie hineinzutragen. Wir wollen uns in diesem Hohen Hause bewußt werden, daß Familiennot Volksnot ist und daß der Familienuntergang einen Volksuntergang bedeuten würde. Die Familie hat das Recht und - das ist, glaube ich, unbestritten - sie hat ein natürliches Recht auf gesunde Lebens- und Entfaltungsbedingungen. Immer noch ist die Familie die Urzelle der Gemeinschaft unseres Volkes. Ferner steht fest - auch das ist gestern nachmittag sehr stark zum Ausdruck gekommen-, daß die Familie kraft ihrer ethischen Grundlage und geistigen Unabhängigkeit alle von Menschen und Zeiten geschaffenen Staatsformen überdauert hat und heute noch das stärkste Bollwerk der persönlichen Freiheit im Kampf gegen den Kollektivismus ist.
({3})
Diese Verpflichtung sollten wir hier übernehmen, und der Deutsche Bundestag sollte in seiner Gesetzgebung stärkstens die soziale Familienpolitik verfolgen.
In Art. 6 unseres Grundgesetzes ist herausgestellt, daß Ehe und Familie dem staatlichen Schutz besonders unterstehen. Nicht zuletzt sollten wir uns nicht beschämen lassen von fast 25 Staaten um uns herum, die eine klare und eindeutige Familiengesetzgebung erlassen und die das Arbeitseinkommen in der Familie durch den Soziallohn ersetzt haben. Früher ist es einmal so gewesen, daß die Selbsthilfe kraft der Eigentumsbildung in der Familie möglich war; aber durch die Schaffung des Nur-Lohn-Arbeiters bleibt den meisten Familien nur das Arbeitseinkommen. Das Eigentum ist zum Teil zerstört, und die allgemeine Belastung ruht darauf, so daß es kaum möglich ist, die Familie zur Selbsthilfe aufzurufen, damit der Lastenausgleich sich auf dieser Ebene vollzieht. Es gibt ein fundamentales Wort: Wo die Kraft der kleinen Gemeinschaft aufhört, muß die größere Einheit einspringen und eintreten und die Pflicht übernehmen, helfend einzugreifen. Wem obliegt hier also diese Pflicht? Dem Staat und der Wirtschaft. Der Staat hat die Aufgabe, das Hilfsgesetz, das Rahmengesetz zu schaffen und der Wirtschaft die Verpflichtung aufzuerlegen, hier helfend einzugreifen.
Sinn des vorliegenden Gesetzes soll und darf nicht sein, der Familie jede Sorge für die Kinder abzunehmen, die des Lebens höchstes Glück bedeuten, sondern Sinn des vorliegenden Gesetzes soll nur sein, eine bescheidene Grundlage für die Familie mit mehr als zwei Kindern zu schaffen.,
Diesem Ziel sollen die Familienausgleichskassen dienen, die der Gesetzentwurf erstrebt. Die Familienausgleichskassen wünschen wir innerhalb der Wirtschaftszweige und Berufsverbände. Das vorliegende Gesetz ist nicht der Weisheit letzter Schluß, aber es sind keine besseren und stichhaltigeren Vorschläge gemacht worden, die rechtfertigen könnten, dem Staat die Aufgabe in Form von staatlichen Kinderbeihilfen zu übertragen.
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Welche Prinzipien rechtfertigen die Familienausgleichskassen? Ich möchte vier Prinzipien herausstellen: Erstens die Erhaltung des reinen Leistungslohns und des echten Wettbewerbs; zweitens das Subsidiaritätsprinzip; drittens das Solidaritätsprinzip, das auch in der Wirtschaft Geltung haben muß, und viertens die Verhinderung der weiteren Verstaatlichung des persönlichen Lebens.
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Das erste Prinzip, die Erhaltung des reinen Leistungslohns. Die Frage der Lohngerechtigkeit ist immer umstritten gewesen und wird umstritten bleiben. Die Lohngerechtigkeit stellt auf der einen Seite die Aufgabe, die Arbeitsleistung richtig zu bewerten, damit die Gleichwertigkeit der Gegenleistung erreicht werden kann. Der Leistungslohn gibt dem Familienvater und dem Junggesellen ein gleiches Arbeitseinkommen. Durch die Not der letzten Jahre, besonders seit 1945, sind auf Grund der abgeschlossenen Tarifverträge sehr viele soziale Bestandteile in den Leistungslohn eingebaut worden. Je mehr aber soziale Bestandteile in den Leistungslohn eingebaut werden, desto mehr erhöht sich das Lohnkonto des Betriebes, und der Betrieb wird dadurch belastet. Die Folge ist, daß der Familienvater kaum noch eine Arbeit finden kann, weil er eben das Lohnkonto des Betriebes zu stark belastet. Deshalb muß im Betrieb der Leistungslohn erhalten bleiben und der Soziallohn auf überbetrieblicher Grundlage gefunden werden. Darum schlagen wir die Bildung der Familienausgleichskassen vor, in die jeder Betrieb einen gleichen Prozentsatz seiner Lohnsumme einzahlt. So ist der gleiche Start für alle Betriebe im echten Wettbewerb gesichert, und der Leistungslohn bleibt unberührt.
Auch das zweite Prinzip, das Subsidiaritätsprinzip, rechtfertigt die Schaffung der Familienausgleichskassen. Wenn der Staat die Kinderbeihilfen zahlen würde, müßte er das Geld heute bei der gegenwärtigen Notlage der Staatsfinanzen aus der Wirtschaft holen. Eine Belastung der Junggesellen und der Kleinfamilien ist nicht möglich. Kriegszerstörung und Neugründung haben einen erheblichen Nachholbedarf bei jedem Menschen hervorgerufen. So bleibt allein noch die Wirtschaft übrig. Warum soll denn das erforderliche Geld erst über den Staat wandern und über den vermeidbaren Verwaltungsapparat ausgezahlt werden? Das wird die
wirtschaft in Verbindung mit den Sozialversicherungseinrichtungen viel billiger tun. Was der einzelne Wirtschaftszweig als kleine Einheit leisten kann, das darf der Staat nicht übernehmen.
Drittens. Das Solidaritätsprinzip muß auch in der Wirtschaft Geltung finden. Wenn der Leistungslohn, wie ich sagte, aus dem Betrieb geleistet wird, so muß der Soziallohn aus der Gesamtheit der Wirtschaft sichergestellt werden. Der hier vorliegende Gesetzentwurf sieht vor, über die Familienausgleichskassen der Wirtschaftszweige eine zentrale Familienausgleichskasse zu setzen, damit kein Wirtschaftszweig mehr bzw. weniger zu
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leisten hat. Die Gegenleistung der Familien für die Wirtschaft wird eine bessere Berufswahl und eine sorglose Fachausbildung sein. Durch, das System der Familienausgleichskassen trägt die Wirtschaft, glaube ich, eine Gesamtschuld an unseren Familien ab. Sie finanziert die zu zahlenden Kinderbeihilfen aus ihrer Gesamtheit.
Viertens, die Verhinderung der weiteren Verstaatlichung des persönlichen Lebens. Staatliche Kinderbeihilfen haben immer den Beigeschmack der Fürsorge.
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Demgegenüber sichert die Familienausgleichskasse dem Familienvater ohne Antrag und ohne Formulare ein Recht auf den Soziallohn. Darüber hinaus wirkt die Familienausgleichskasse erzieherisch besser. Weite Kreise unseres Volkes haben sich daran gewöhnt, für jede Notlage sofort den Staat in Anspruch zu nehmen.
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Die Familienausgleichskasse auf der Grundlage der Wirtschaft läßt deutlich erkennen, daß alles Geld, das ausgegeben wird; erarbeitet werden muß. Auch die Unabhängigkeit der Familie vom Staat ist durch die Familienausgleichskassen und ihre Selbstverwaltung besser gesichert.
Die Einwände, die gegen die Familienausgleichskassen gemacht worden sind und noch gemacht werden, lassen sich alle widerlegen. Es gibt keinen stichhaltigen Grund, diese Aufgabe dem Staat zu überantworten. Der vorliegende Gesetzentwurf, Drucksache Nr. 2427, sieht vor, daß zunächst einmal ganz klar und eindeutig der Leistungslohn gesichert bleibt, sieht vor, daß der Wirtschaft die Freiheit gegeben wird, die Familienausgleichskassen innerhalb ihrer Wirtschaftsverbände mit einer Genehmigung durch den Bundesarbeitsminister zu gründen. Das Gesetz beschränkt den Kreis der Empfangsberechtigten. Vom dritten Kind an soll gezahlt werden: eine bescheidene Grundlage, weil Sinn des Gesetzes ist, den Lebensstandard der kinderreichen Familie zu heben. Das erste und zweite Kind erfaßt man zum großen Teil noch durch Steuergruppe III. Für sie wird also eine Erleichterung gegeben. Würde man das erste und zweite Kind einbeziehen, würde der Lebensstandard der kinderreichen Familie sich sowieso nicht heben. Deshalb schlagen wir die Lösung vor, vom dritten Kind an Kindergeld zu zahlen.
Der Gesetzentwurf paßt sich weitgehend der Steuergesetzgebung an, um ein großes Stück Verwaltungsarbeit zu ersparen; denn wir denken uns den Ablauf einfach, klar und eindeutig: der Betrieb zahlt das Kindergeld auf Grund der Steuerkarte aus, der Betrieb verrechnet Plus und Minus mit der Familienausgleichskasse des Wirtschaftszweiges, die Familienausgleichskasse des Wirtschaftszweiges verrechnet Plus und Minus mit der zentralen Familienausgleichskasse. So glauben wir, die ganze Angelegenheit als ein Auftragsangelegenheit den Berufs- bzw. Unfallgenossenschaften übertragen zu können, um keine neue Verwaltungsbehörde mehr aufbauen zu müssen.
Ich glaube, die psychologische Wirkung des Gesetzes in unserem Volke wird die sein, daß unser Volk, besonders die kinderreichen Familien, anerkennen, daß hier endlich der Staat einen Gerechtigkeitsakt vollzogen hat. Zweitens werden die Betriebe solidarisch zusammenwachsen. Drittens wird die Berufswahl in den kinderreichen Familien hinsichtlich des Facharbeiternachwuchses besser gewährleistet sein. Darüber hinaus wird, glaube ich, vielen Familien die Mutter wiedergegeben werden. Nicht zuletzt verhindern wir durch dieses Gesetz die weitere Verstaatlichung ides persönlichen Lebens der Familie.
Ich darf das Hohe Haus bitten, den vorliegenden Antrag, Drucksache Nr. 2427, dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. An den Ausschuß richte ich die Bitte, die Angelegenheit zu beschleunigen - wir warten schon 1 1/2 Jahre auf die Regelung -, damit der Deutsche Bundestag dieses Gesetz unseren deutschen Familien als Weihnachtsgeschenk übermitteln darf.
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Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Winkelheide im einzelnen einzugehen; denn die gleichen Ausführungen wurden in einer ausgiebigen Debatte zu dem gleichen Problem in der Sitzung gemacht, in der drei Anträge zugrunde gelegen haben: der Antrag Drucksache Nr. 163 der CDU/CSU, in dem die Regierung ersucht wurde, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Familienausgleichskasse zu unterbreiten, der Antrag des Zentrums, Drucksache Nr. 740, der grundsätzlich die gleiche Absicht verfolgte, und der Antrag meiner Fraktion, der SPD, Drucksache Nr. 774, der wie der heutige Antrag einen Initiativgesetzentwurf darstellt.
Nun hat der Abgeordnete Winkelheide in seinen Schlußausführungen gewünscht, der Ausschuß für Sozialpolitik möge die Dinge möglichst bald behandeln. Der gleichen Ansicht bin auch ich. Der Ausschuß hat den Antrag der CDU/CSU, Drucksache Nr. 163, verabschiedet. Sie haben dem Antrag des Ausschusses zugestimmt, und die Überweisung an die Regierung - mit der Aufforderung auf Unterbreitung eines Gesetzentwurfes über die Errichtung von Familienausgleichskassen - ist beschlossen worden. Der Entwurf ist uns, wie Herr Winkelheide richtig sagte, bis heute noch nicht unterbreitet worden, so daß wir noch nicht Stellung dazu nehmen konnten. Aber die anderen Anträge, der Antrag des Zentrums und der Initiativgesetzentwurf der SPD, betreffend Gewährung allgemeiner Kinderbeihilfen, sind im Ausschuß für Sozialpolitik in fünf Sitzungen behandelt worden. Der Ausschuß für Sozialpolitik hat aus seiner Mitte eine Kommission gebildet, der Abgeordnete der SPD, der CDU, der FDP und der DP angehörten. Diese Kommission hat meiner Ansicht nach wertvolle Arbeit geleistet. Sie hat die Grundsätze festgelegt, konnte jedoch die Angelegenheit dem Ausschuß für Sozialpolitik noch nicht überweisen, da die Sache auf die Bitte des Abgeordneten Arndgen von der CDU/CSU in der damaligen Sitzung zurückgestellt wurde, bis ein Entwurf oder Gedankengänge seiner Fraktion - insbesondere der Herren Kollegen Winkelheide und Even - der Kommission bzw. dem Ausschuß unterbreitet würden, und - Herr Kollege Arndgen ist anwesend - diesem Wunsche haben wir selbstverständlich stattgegeben. So hat es mich einigermaßen überrascht, daß dieser Wunsch auf einmal in der Form eines Antrags dem Hause unterbreitet wird und nicht - wie ich und alle die Kollegen, die in dieser Kommission saßen, erwartet haben - als ein Vorschlag für die Kommission. Aber das hat
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formell nichts zu sagen. Das Entscheidende ist, daß uns nun endlich die Gedanken, die den Anhängern der Familienausgleichskasse vorschweben, in Form eines Gesetzentwurfs unterbreitet worden sind, und daß wir nun - nachdem wir die Meinung aller Fraktionen, und besonders der maßgebenden gehört haben - im Ausschuß für Sozialpolitik an das Problem herantreten können, um es abschließend zu behandeln.
Dazu darf ich noch sagen, daß auch der Bundesrat sehr aktiv war und vor Jahren einen Arbeitkreis eingerichtet hat, der unter Führung des bekannten Sozialpolitikers Herrn Professor Polligkeit aus Frankfurt in wiederholten Sitzungen die Grundsätze erarbeitet hat. Sowohl die Kommission des sozialpolitischen Ausschusses des Bundestags als auch der Arbeitskreis des Bundesrats sind sich über die Grundsätze einig. In einer gemeinsamen Sitzung, in der auch Kollegen Ihrer Fraktion, der CDU/CSU, der antragstellenden Fraktion, anwesend waren, hat man sich auf das Wesentliche verständigt. Das Wesentliche ist aber nicht die Errichtung von Familienausgleichskassen. In diesen beiden Gremien wünschte man überhaupt nicht die Errichtung neuer Behörden und Institutionen, eben aus den Erwägungen, die Herr Winkelheide hier soeben so laut und deutlich zum Ausdruck gebracht hat, aus den Erwägungen, keine neuen bürokratischen Einrichtungen zu schaffen, die nur Geld kosten, die Zeit in Anspruch nehmen, die Formulare brauchen, Herr Kollege Winkelheide, und die deshalb nur zur Verteuerung und zur Inanspruchnahme von Beitragsmitteln führen würden.
Man ist allerdings der Ansicht, daß diese allgemeinen Kinderbeihilfen an jedermann gewährt werden sollen, ganz gleich, ob es sich um einen Arbeitnehmer, um einen Landwirt, um einen Handwerker, um einen frei Schaffenden oder sonstigen Gewerbetreibenden handelt.
Diese Personengruppen, d. h. alle Einkommensteuerpflichtigen, ob Arbeitnehmer oder Selbständige, bekommen bereits seit Jahren über die Einstufung in Steuerklasse III eine Ermäßigung, nur mit dem einen Unterschied, daß für drei und mehr Kinder die monatliche Steuerermäßigung bei Lohn-und Gehaltsempfängern mit Bezügen von 200 DM im Monat, also bei den Arbeitern und unteren Angestellten, nur 4,55 DM, von 300 DM nur 16,25 DM, bei 600 DM Monatseinkommen 63,35 DM und bei 1000 DM Monatseinkommen und bei fünf Kindern 106,70 DM beträgt. Sehen Sie, da haben wir ja schon eine staatliche Kinderbeihilfe, wenn Sie sie so nennen wollen, auf dem Wege über die Steuerklasse III. Das halten wir aber nicht für gerecht, und die Ausschüsse des Bundestages sowie der Arbeitskreis des Bundesrates waren sich darüber einig, daß diese Ungerechtigkeit beseitigt werden muß. Das heißt auf gut deutsch: die Steuerklasse III hat in diesem Aufbau, den sie jetzt hat, keine Daseinsberechtigung mehr; hier muß eine Umformung erfolgen.
Es ist praktisch so, daß ein Arbeitnehmer oder Selbständiger mit einem Monatseinkommen von 1000 DM für seine fünf Kinder noch 106 DM Kinderermäßigung erhält, daß er, der schon viel verdient, noch eine relativ hohe Steuerermäßigung bekommt, während der andere, der ebenfalls fünf Kinder zu sättigen und zu kleiden hat, nur ein paar Mark bekommt. Dieser Weg ist nicht mehr gangbar. Das kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Deswegen werden wir im Ausschuß dahingehende Anträge stellen, wie wir es in den gemeinsamen, wirklich fruchtbringenden und in Einmütigkeit durchgeführten Beratungen des Bundestagsausschusses und des Bundesratsgremiums bereits getan haben.
Nun sagt Herr Winkelheide, daß vom dritten Kind ab eine Kinderbeihilfe durch die Familienausgleichskasse gewährt werden soll. Meine Damen und Herren, da kann man doch nicht mehr von Kinderbeihilfen allgemeiner Art sprechen. Wieviel dritte und mehr Kinder haben wir denn? Es sind insgesamt zwei Millionen von 11 820 000 Kindern bis zum 15. Lebensjahr. Es handelt sich also um einen ganz geringen Prozentsatz, wenn es erst ab drittem Kind geht, und zwar um 18 v. H. aller Kinder in der Bundesrepublik, für die dann eine Kinderbeihilfe nach den Vorschlägen des Herrn Kollegen Winkelheide und seiner Fraktion gewährt wird. Davon müßten Sie noch die Zahl der Kinder abziehen, deren Väter im öffentlichen Dienst stehen, also Beamte, Eisenbahner, Post- und Gemeindebedienstete usw. Dafür können Sie etwa 4 oder 5 % abziehen. Ich kann Ihnen den Prozentsatz nicht genau sagen; aber soviel werden es sein, die bereits Kinderbeihilfen bekommen. Dieser an sich wirklich vorzüglichen, von jedermann zu unterstützenden Idee der Gewährung von Kinderbeihilfen leisten Sie mit Ihren Vorschlägen einen recht geringen Dienst; sie enthalten weniger als das, was sich die Leute draußen in den letzten Wochen, seitdem Ihr Antrag vorliegt - nehmen Sie mir das nicht übel -, vorstellen, erhoffen und zu erhalten glauben.
Sehen Sie mal, Sie wollen ab drittem Kind eine Kinderbeihilfe gewähren. Es ist doch wohl noch in Erinnerung, denn es ist noch gar nicht so lange her, daß die Bundesrepublik Mitglied des Internationalen Arbeitsamtes geworden ist und daß auf der Konferenz der internationalen Arbeitsorganisation, an der die Bundesrepublik Deutschland erstmals offiziell wieder als Mitglied teilnehmen konnte, in dem Ausschuß für soziale Sicherheit mit Zustimmung aller Arbeitnehmer und teilweiser Zustimmung der Arbeitgeber und überwiegender Zustimmung der Regierungsvertreter beschlossen wurde, die Kinderbeihilfen allüberall vom zweiten Kind ab einzuführen. Es ist bedauerlich - ich kann es ja so nebenbei mal erwähnen; Sie haben ein Recht darauf, es zu erfahren -, daß der deutsche Regierungsvertreter sich in dieser Frage der Stimme enthalten hat.
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Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen. Die Gewährung einer Kinderbeihilfe erst vom dritten Kind ab bedeutet die Nichtbeachtung der Beschlüsse des Internationalen Arbeitsamtes, bedeutet, daß höchstens 18 % der Kinder betreut werden, wovon noch diejenigen abzurechnen sind, deren Väter im öffentlichen Dienst beschäftigt sind und bereits die Kinderbeihilfe bekommen.
Sie lassen die Steuerklasse III unberührt, Sie lassen dieses von mir geschilderte soziale Unrecht weiter bestehen. Ich hoffe, wir werden uns darüber einig, daß hier Recht vor Unrecht kommen muß.
Und nun zu Ihrem System selbst, das einfach, billig und zweckmäßig sein soll. Sie schlagen drei Systeme von Familienausgleichskassen vor: eine Familienausgleichskasse für Betriebe und Verwaltungen, die zusammengehören, ferner eine Allgemeine Familienausgleichskasse für die Betriebe und Verwaltungen sowie für die Selbständigen, für
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welche keine Berufsgenossenschaft da ist, und schließlich eine Zentrale Familienausgleichskasse als Dachorganisation über alle. An diese hätten die einzelnen Familienausgleichskassen der Betriebe und Verwaltungen sowie die Allgemeine Familienausgleichskasse die Überschüsse an Beiträgen abzuführen. Diese Zentrale Familienausgleichskasse, die vom Bundesarbeitsminister verwaltet werden soll, hätte andererseits an die Familienausgleichskassen der Betriebe und Verwaltungen Zuschüsse zu leisten, wenn dort das Beitragsaufkommen nicht ausreicht.
Bitte, das ist nicht einfach, das ist kompliziert! Das macht einen Verwaltungsapparat notwendig, ich weiß nicht, wie groß. Da wird es auch wieder einige Präsidenten geben, den Herrn Präsidenten von der Familienausgleichskasse XY, den Herrn Präsidenten von der Allgemeinen Familienausgleichskasse; und der Chef des Ganzen, der Zentralen Familienausgleichskasse, wird vielleicht Oberpräsident heißen. Ich weiß nicht; aber so was ist doch in Deutschland möglich. Ich behaupte sicherlich nicht zuviel.
Nun wollen Sie die Durchführung dieser Aufgabe ausgerechnet den Sozialversicherungsträgern, den Berufsgenossenschaften übertragen. Nehmen Sie es mir nicht übel: Wenn Sie einen der ungeeignetsten Sozialversicherungsträger aussuchen wollten, dann haben Sie ihn in den Berufsgenossenschaften gefunden.
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- Das hat mit Selbstverwaltung gar nichts zu tun. - Die Berufsgenossenschaft hat hierzu den denkbar ungeeignetsten Apparat. Die Berufsgenossenschaft ist am wenigsten verzweigt. Die Berufsgenossenschaften haben in vielen Fällen nur eine Zentrale und manchmal nur noch einige Sektionen. Ich habe hier eine Liste der Berufsgenossenschaften der deutschen Bundesrepublik. Sie umfaßt eine Seite und noch ein Drittel dazu, und damit ist es aus. Da haben Sie ihre Anschriften. Das bedeutet doch eine erhebliche Korrespondenz. Wenn jetzt ein Kind geboren wird, muß sich die Mutter oder der Vater an die Berufsgenossenschaft wenden. Er weiß nicht genau, zu welcher er gehört. Er muß sich erkundigen. In einem Betrieb der Metallindustrie kann es drei, ja vier Berufsgenossenschaften geben. Da gibt es bei den Opelwerken eine Genossenschaft der Feinmechaniker - die kennen Sie alle -, da gibt es Schlosser und Eisenarbeiter, da gibt es Maschinenbauer und die Kleineisenindustrie. Dann gibt es noch die nordwestdeutschen und die süddeutschen Eisen- und Stahlberufsgenossenschaften.
Aber ich will Sie damit nicht langweilen. Ich glaube nur, daß wir uns diese Dinge im Ausschuß noch eingehend vor Augen halten müssen. Das ist keine parteipolitische Ansicht. Ich kenne sehr viele Ihrer verehrten Sozialpolitiker, mit denen ich auf allen möglichen Gebieten zusammenarbeite, die mit mir in dieser Frage einer Meinung sind. Deswegen glaube ich, wir sollten uns hier nicht in einem breiten Redeschwall allzusehr festlegen, sondern die Dinge ganz nüchtern betrachten. Ich begrüße es, daß wir nun endlich an die abschließenden Arbeiten gehen können, da durch Ihren Initiativantrag die Fesseln, die für uns im Sozialpolitischen Ausschuß vorhanden waren, gefallen sind. Aber die SPD wird auf einer Kinderbeihilfe für alle Kinder bestehen müssen. Dabei werden wir zu beraten haben, ob sie für den Anfang erst vom zweiten Kinde ab gegeben werden kann. Wir halten es auch
nicht für einfach, in dieser Frage nun eine einzelne Gruppe mit der Aufbringung der Mittel zu belasten. Wir müssen die Dinge auch volkswirtschaftlich sehen. Es gibt lohnintensive Wirtschaftszweige und -betriebe, die einen relativ hohen Beitrag aufzubringen hätten, und es gibt Industrien, in deren Produkten verhältnismäßig wenig Lohn enthalten ist und die dadurch geringer belastet würden. Wir müssen dabei an unsere Ausfuhr denken und prüfen, wie sich die Belastung auf die Preisgestaltung auswirkt, wenn man den Weg, den Sie hier vorschlagen, beschreitet. Wir sind der Meinung, daß eine allgemeine sozialpolitische Ausgabe auch von der Allgemeinheit zu tragen ist. Das hat nichts mit der Verstaatlichung der Persönlichkeit zu tun, sondern es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, der Solidarität, der gegenseitigen Hilfe, der Hilfe des einen für den andern.
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Das Wort hat der Abgegeordnete Naegel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Bedeutung der Familie für Volk, Staat und Gesellschaft ist schon so oft und so deutlich gesprochen worden, daß es eigentlich verwunderlich ist, feststellen zu müssen, wie wenig Aufmerksamkeit der Bedeutung der Familie für die Wirtschaft bisher gewidmet wurde. Gerade das Thema, das heute hier zur Diskussion steht, sollte uns veranlassen, darüber nachzudenken, wie die Not der Familien durch eine echte Leistung der Wirtschaft beseitigt werden könnte. Mit Recht ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Familienproblem eines der schwerstwiegenden Sozialprobleme der Gegenwart ist. Von dem Umfang sowie von der Art und Weise unserer Bereitschaft, dieses Problem zu lösen, hängt nicht nur das Schicksal der Familien, sondern darüber hinaus auch das Schicksal der ganzen menschlichen Gesellschaft ab.
In Würdigung dieser Gedanken ist Ihnen unter Federführung des Herrn Kollegen Winkelheide von der CDU/CSU-Fraktion das Gesetz über die Einrichtung von Familienausgleichskassen vorgelegt worden, um damit einen Beitrag zur Linderung der materiellen Not und zur Beseitigung der Diskriminierung der kinderreichen Familien zu leisten. Der Inhalt der Gesetzesvorlage ist Ihnen bekannt; Herr Kollege Winkelheide hat die Vorlage begründet.
Ich möchte noch einige Gedanken hinzufügen, nicht nur als Stellungnahme meiner Fraktion, sondern auch - und das darf ich hier besonders betonen - als Stellungnahme einer Reihe von Unternehmerorganisationen sowohl aus der gewerblichen Wirtschaft wie aus der Landwirtschaft, die sich positiv zu diesen Gedanken geäußert haben. Zunächst einige Zahlen. Die deutsche Bundesrepublik zählt rund 11,8 Millionen Kinder unter 15 Jahren, wie es mein Herr Vorredner, Herr Kollege Richter, bereits angedeutet hat. Davon sind 57 % Erstkinder, 26 % Zweitkinder und nur 17 % Dritt- und Mehrkinder. Von 12,2 Millionen Haushaltungen in der Bundesrepublik haben rund 10 Millionen Haushaltungen keine Kinder oder nur ein Kind, im Höchstfall aber zwei Kinder. Ich glaube, diese Zahlen zeigen schon sehr deutlich, daß besonders der soziale Lebensstandard heute von den Familien mit zwei Kindern, mit einem Kinde oder mit keinem Kinde bestimmt wird. Die Folgen für die Familien mit zwei oder drei oder mehr Kindern
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sind offensichtlich. Diese Familien erreichen den sozialen Lebensstandard, der unter ihresgleichen üblich ist, nicht mehr. Das bedeutet schlechtere Wohnverhältnisse, schlechtere Kleidung, schlechtere Ernährung und letzten Endes auch schlechtere Ausbildungsmöglichkeiten gerade für diese Kinder. Die Lage führt mit innerer Konsequenz zu einem ständigen Abnehmen der Familien, die noch bereit sind, drei oder mehr Kindern das Leben zu schenken.
Im Jahre 1949 wurden in der Bundesrepublik 791 000 Kinder geboren; im Jahre 1950 waren es bereits 20 000 weniger. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird das deutsche Volk in wenigen Jahrzehnten nicht mehr genügend Hände zur Verfügung haben, um das heutige Sozialprodukt zu erzeugen. Es droht auch die Gefahr, daß die Altersversorgung für die breiten Jahrgänge, die heute im Alter von 40 bis 60 Jahren in Arbeit und Brot stehen, nicht mehr geleistet werden kann. Neben den anderen Gründen für den Geburtenrückgang darf hier auf die Wirkung der sozialen Deklassierung der kinderreichen Familien verwiesen werden.
Um diesen Erscheinungen entgegenwirken zu können, bedarf es einer Änderung der Einkommensverhältnisse für kinderreiche Familien. Für den kinderreichen Arbeitnehmer bedeutet das eine Umgestaltung seines Lohnes nach Maßgabe seiner Familienstruktur. Der bloße Leistungslohn, wie er heute noch vorherrscht, wirkt sich kinder- und familienfeindlich aus. Es ist deshalb ein Gebot der Gerechtigkeit und der Vernunft, die Forderung nach Kinderbeihilfen zu erheben. Diese Forderung ist nicht neu; sie ist, wie vielen in diesem Hause bekannt sein dürfte, schon lange in den sozialen Enzykliken und in Äußerungen christlicher Sozialpolitiker dargelegt worden. Der scheinbar bequemste Weg zu einer solchen Lösung wäre es natürlich, diese Aufgabe dem Staate zuzuweisen. Aber hüten wir uns davor, Familie und Jugend zu verstaatlichen.
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Nach unserer Auffassung muß hier, wie schon Herr Winkelheide sagte, das Subsidiaritätsprinzip Platz greifen. Primär ist es eine Aufgabe der Wirtschaft, für den wirtschaftenden Menschen und damit auch für seine Familie zu sorgen.
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Dem Staat hingegen fällt die Aufgabe zu, Hilfsstellung durch eine entsprechende Gesetzgebung zu leisten. Die „Aufzucht" der Kinder kann niemals Aufgabe der Gesellschaft sein, sondern es ist ein natürliches Recht und eine natürliche Verpflichtung der Familie, zu deren Erfüllung der Ernährer der Familie durch entsprechende Bemessung seines Lohnes bzw. Einkommens instand gesetzt werden muß.
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Es handelt sich hier also um ein Problem der Lohnpolitik, das nur durch Maßnahmen der Lohn- und Einkommenspolitik sinnvoll gelöst werden. kann, das aber nicht auf staatliche Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen abgeschoben werden darf.
Wenn wir somit anerkennen, daß hier eine echte Aufgabe der Wirtschaft vorliegt, so sehen wir zwar in der Einzelregelung des isoliert stehenden Betriebes eine anerkennenswerte Leistung; wir sehen aber auch die Gefahr, daß bei schwieriger Kosten-und Wettbewerbslage gerade der kinderreiche Arbeitnehmer benachteiligt werden kann. Demgegenüber bietet die Errichtung von Familienausgleichskassen innerhalb der einzelnen Berufs- und Wirtschaftszweige nach Maßgabe des Gesetzes die Möglichkeit des überbetrieblichen Ausgleichs und damit die größere Sicherheit für den kinderreichen Arbeitnehmer. Es ist uns bekannt, daß eine große Reihe von Betrieben schon von sich aus isoliert Kinderbeihilfen zahlen. Es ist zu hoffen, daß diese Betriebe auch nach Einführung der Familienausgleichskassen ihre etwa darüber hinausgehenden Leistungen für ihre eigenen Arbeitnehmer beibehalten.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß bereits in fast allen europäischen Ländern gesetzliche Regelungen für Kinderbeihilfen in Form von Familienausgleichskassen oder ähnlichen Einrichtungen bestehen, so z. B. in Holland, Belgien, der Schweiz, Frankreich, Spanien, ja sogar in vielen Ostblockstaaten.
Ich glaube, es ist wirklich an der Zeit, daß auch die deutsche Bundesrepublik nun endlich dieses Problem aufgreift und möglichst bald eine gesetzliche Regelung durchführt. Die Vorlage, die wir Ihnen unterbreiten, soll dazu als Diskussionsgrundlage dienen. Wir hoffen, daß in den Ausschußberatungen eine Fülle von Einzelfragen noch beraten und einer endgültigen Lösung zugeführt werden kann. Wir hoffen, daß die endgültige Verabschiedung des Gesetzes in diesem Hause recht bald erfolgen kann. Wir sind uns bewußt - und viele Eingaben und zustimmende Meldungen aus der Unternehmerschaft haben uns das deutlich gemacht -, daß im Grundsatz auch der überwiegende Teil der in der Wirtschaft tätigen Unternehmer zustimmt. Wir sind uns bewußt, daß einige Änderungen und Wünsche auf Angleichung an zeit- und wirtschafts- oder marktgemäße Verhältnisse berechtigt sind. Wir hoffen, daß wir in den Ausschußberatungen diese Probleme schnell lösen können.
Die Aufbringung der Mittel durch die Arbeitgeber allein halten wir für tragbar, obwohl wir uns darüber klar sind, daß dadurch echte Kosten entstehen, genau so wie bei den Sozialversicherungsbeiträgen und anderen Leistungen. Wir glauben aber, daß die Erhaltung der Wettbewerbsgleichheit einen sehr wesentlichen Gedanken dazu beiträgt, daß man die Tragbarkeit durch die Arbeitgeber verantworten kann. Alle konkurrierenden Betriebe werden eben durch die Tatsache, daß innerhalb der einzelnen Wirtschafts- und Berufsstufen diese Familienausgleichskassen gebildet werden, gleichmäßig belastet; aber die Belastung kommt in einem sehr geringen Umfang wirklich zum Durchschlagen. Ein gewisser einmaliger Stoß ist vielleicht nicht ganz zu vermeiden; aber er ist wesentlich kleiner, als ihn z. B. die Umsatzsteuererhöhung ausgelöst hat.
Es gibt sehr viele positive Momente, die für den Gesetzesvorschlag sprechen und die Ihnen bereits von Herrn Winkelheide vorgetragen worden sind. Ich möchte aber noch einige hinzufügen. Vor allen Dingen scheint es mir notwendig und bedeutungsvoll zu sein, immer wieder darauf hinzuweisen, daß hier durch die Einführung der Familienausgleichskassen eine soziale Maßnahme ohne Preisgabe des Leistungsprinzips erreicht wird. Die Regelung der Verwaltung ist denkbar einfach, und ich habe nicht die Bedenken, die Herr Kollege Richter aussprach, daß nun eine Fülle von Ausgleichskassen mit neuen Präsidenten und der entsprechenden Bürokratie eingerichtet werden müßten. Denn vergessen wir doch nicht: die Beiträge für die Unfallversicherung an die Berufsgenossenschaften müssen ja nach wie vor bezahlt werden, und die Bezahlung hat bisher
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doch keine technische Schwierigkeiten gemacht. Außerdem wird die meiste Arbeit ja in den Lohnbüros geleistet werden, und sie ist in einem so kleinen Umfang zusätzlich vorhanden, daß sie dort ohne weiteres geleistet werden kann.
Durch die Kinderbeihilfen über die Familienausgleichskassen tritt eine Kaufkraftvermehrung gerade an den Stellen ein, wo sie durch ein echtes Bedürfnis bedingt ist. Die Diskriminierung der kinderreichen Arbeitnehmer wird endgültig beseitigt, und die Beschäftigung erfolgt in Zukunft ohne Rücksicht auf die Familienstruktur der Beschäftigten. Gesamtwirtschaftlich gleicht sich die geringe Belastung der Wirtschaft durch die neue Regelung jederzeit aus. Aber auch im Einzelfalle tritt ein Ausgleich ein, wenn man die Produktivitätssteigerung des einzelnen Menschen in der Wirtschaft berücksichtigt und diese mit 1,5 % im Jahre annimmt.
Wir erblicken in der Einführung der Familienausgleichskassen einen wesentlichen Schritt auf dem Wege zur sozialen Lohngerechtigkeit hin, die die christliche Soziallehre jederzeit fordert. Wir sehen in ihnen eine Einrichtung, die das wirtschaftliche Prinzip des Leistungslohnes, auf dem die betriebliche Lohnpolitik beruht, ja beruhen muß, in hervorragender Weise mit dem ethischen Prinzip des Soziallohns vereinbar macht, und wir bitten das Hohe Haus, diese Gesetzesvorlage nach den Ausschußberatungen mit möglichster Beschleunigung zum Abschluß zu bringen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein verehrter Herr Vorredner hat auf die Notwendigkeit hingewiesen, für die Wiedergesundung unserer Familien etwas zu tun. Darüber sind wir uns in diesem Hohen Hause völlig klar. Eins ist sicher: allein mit der Gewährung von 20 DM Kinderbeihilfe ist dieses Problem meines Erachtens nicht gelöst.
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Dazu gehört mehr. Dazu gehört ausreichender Wohnraum und eine Miete, die der Familienvater zahlen kann, und auf dem Gebiete der Preispolitik die Preise so zu gestalten oder zu halten, daß der Familienvater sie auch bezahlen kann. Wenn heute in der kinderreichen Familie kaum noch Milch gekauft werden kann, gute Butter für die Kinder überhaupt nicht mehr vorhanden ist, dann lösen wir das Problem nicht, sondern wir verschärfen es im Gegenteil.
Nun zu dem Antrag selbst. Die Fraktion des Zentrums hat in der Drucksache Nr. 740 schon damals den Antrag auf Kinderbeihilfe gestellt. Träger dieser Kinderbeihilfe sollte unseres Erachtens der Bund sein. Der vorliegende Antrag will etwas Neues; der Antrag legt das Schwergewicht auf die Betriebe. An und für sich ist es mir persönlich und meinen politischen Freunden gleich, ob der Bund oder die Betriebe Träger dieser Kassen sind. Es kommt uns darauf an, daß alle Familien, die kinderreich sind, damit bedacht werden. Nach dem vorliegenden Antrag habe ich dafür noch keine volle Gewähr. Ich vermisse jede Berücksichtigung der arbeitslosen kinderreichen Familien, der Invaliden, die noch Kleinstkinder haben, und der Witwen. Das müßte meines Erachtens klarer zum Ausdruck gebracht werden.
Ich habe aber noch ein weiteres Bedenken - viele Bedenken sind ja bereits von Herrn Kollegen Richter vorgetragen worden -: Es besteht durchaus die Möglichkeit, die nicht von der Hand zu weisen ist, Herr Kollege Winkelheide, daß hier und da Arbeitgeber sich überlegen werden, ob sie in Zukunft noch kinderreiche Familienväter beschäftigen, weil ja sonst auf die Dauer - ({1})
- Na, na, das haben wir doch alle schon hinter uns!
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Wir sind mittlerweile älter geworden und haben immer wieder gefunden: wenn es sich um kinderreiche Familien handelte, hat es immer diese Schwierigkeiten gegeben.
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- Diese Möglichkeit besteht aber immerhin noch in diesem Gesetz.
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- Deswegen, Herr Kollege Winkelheide, lehne ich ja Ihren Antrag nicht ohne weiteres ab. Ich halte ihn immerhin für wertvoll genug, daß wir uns darüber unterhalten und das, was gut ist, im Sozialpolitischen Ausschuß verarbeiten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Die Vorlage der CDU befaßt sich mit einer Verbesserung der Lebensgrundlagen für kinderreiche Familien. Bereits vor etwa einem halben Jahr, anläßlich der Einbringung des sozialdemokratischen Antrages und des ersten Antrages der CDU, haben wir hierzu zustimmende Erklärungen abgegeben. Gestatten Sie mir noch einige Worte zum Grundsätzlichen.
Auf dem Wege zwischen Furcht und Hoffnung, den wir Menschen zeit unseres Lebens zu beschreiten haben, hat uns die Schöpfungsordnung die Herberge der Familie hingestellt. Ich glaube, daß in ihr - und das bestätigen uns vor allem die Forschungen der modernen Psychologen - die Grundlagen unserer ganzen Gesellschaft liegen. Dort in der Familie, zwischen dem Saugen an der Mutterbrust und der Suppenschüssel und dem Brotlaib, kommt es zur ersten, zur entscheidenden Entfaltung der menschlichen Seele, zur Entfaltung der menschlichen Liebesfähigkeit. Dort sind also auch die Wurzeln unseres ganzen sozialen Gemeinschaftslebens. Wer das zerstört, bringt uns in schlechte Verhältnisse. Es ist uns bekannt, daß ein großer Teil der Ehegatten geschiedener Ehen Menschen sind, die aus Einkindehen stammen. Die Erforscher der jugendlichen Seele berichten uns über Erziehungsschwierigkeiten und über Kriminalität als Folge von Erlebnissen der ersten Kinderjahre. In der Familie beginnt die eigentliche menschliche Existenz, dort beginnt eben das Wagnis zum Schicksal. Denn mit der reinen Vernunft ist das Leben nicht zu meistern. Es kommt aus anderen Quellen.
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- Zu diesen Grundlagen gehören - da haben Sie völlig recht, Herr Kollege Renner - die ökonomischen Mittel. Aber die zu beschaffen, ist im Augenblick ja unsere Aufgabe.
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Meine Damen und Herren! Es ist einer der Größten unserer Partei gewesen, Friedrich Naumann, der schon vor vielen Jahren das Wort geprägt hat, daß die Politik von den Müttern gemacht wird.
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- Meine Damen und Herren, wenn einer in diesem Hause das Recht hat, sich auf Friedrich Naumann zu berufen, dann sind wir es.
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Wenn der Mensch diese Schule der Familie mit Erfolg durchlaufen hat, dann wird auch er bereit sein, eine Familie zu gründen. Dann wird auch er bereit sein, Kinder zu zeugen, die nun einmal zum Fortbestehen einer Gesellschaft gehören. Als Friedrich Naumann das Wort aussprach: „Politik wird von den Müttern gemacht", hat er zugleich erklärt, daß zu wenig Kinder ein Verlust für die Substanz eines Volkes sind. Wir hoffen, daß mit diesem Gesetz auch hier Gutes gestiftet wird. Es ist eine Lehre jener schrecklichen Vereinfacher der vergangenen Zeit, daß man derartige Dinge mit Zuchtprämien regeln könne. Es gibt sogar heute noch Leute, die aus einer anderen Einstellung heraus diesen Einwand gegen das vorliegende Gesetz erheben.
Wir werden uns die größte Mühe geben, dieses Gesetz in eine richtige und passable Form zu bringen. Das Weitere wird sich im Ausschuß ergeben. Ich will nur auf zwei Dinge hinweisen, die uns im Augenblick nicht gefallen. So ist in § 2 vorgesehen, die Familienausgleichskasse der jeweils zuständigen Unfall-Berufsgenossenschaft organisatorisch anzuschließen. Damit werden wir wahrscheinlich nicht einverstanden sein, wir werden noch an andere Formen genossenschaftlichen Zusammenschlusses denken müssen. Der § 4 bringt sodann den Vorschlag einer sogenannten zentralen Familienausgleichskasse. Ob das in dieser generellen Form das richtige ist, ob nicht ein besseres Auswiegen der kompensatorischen Leistung gefunden werden kann, wird zu prüfen sein. Dieser § 4 erinnert doch sehr an die Idee der Gemeinlast, für die wir in dieser Form nicht zu haben sind, genau so wie wir den Gedanken der Solidarität immer noch als sehr problematisch ansehen.
Wir werden uns, wie gesagt, im Ausschuß die größte Mühe geben, zu einer glücklichen Lösung des Problems beizutragen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem gut vorgelesenen Leitartikel des Herrn Kollegen Winkelheide, der unter das Motto gestellt war, daß Familiennot Volksnot ist und daß demgemäß das gesamte Volk sich solidarisch gegen die Not der Familien einsetzen müsse, könnte man den Eindruck gewinnen, daß es sich bei der Vorlage darum handelt, den Kinderreichen eine tatsächliche Verbesserung ihrer Lebenslage zu verschaffen. Wenn man aber die Worte des Herrn Kollegen Winkelheide ein bißchen unter die Lupe nimmt, kommt man - meiner Überzeugung nach zu Recht - zu einigen anderen Ergebnissen.
Herr Winkelheide sagt - und das haben auch einige andere Herren aus den Koalitionsparteien wiederholt -, daß der Leistungslohn erhalten werden müsse, daß aber in den Leistungslohn in den letzten Jahren eine Reihe von sozialen Bestandteilen eingebaut worden sind. Soziale Bestandteile eingebaut worden sind - so sage ich - durch den Kampf der Arbeiter in den Betrieben gegen die Unternehmer. Diese sozialen Bestandteile im Lohn - das war ganz eindeutig aus den Ausführungen des Herrn Winkelheide zu entnehmen - sollen nun beseitigt werden, und die Unternehmer sollen von ihnen befreit werden. Nun waren die von den Belegschaften über die Gewerkschaften und zum Teil mit ihrer Hilfe erkämpften sozialen Bestandteile ja nicht nur die 'Kinderzuschläge. Ich komme zu dem Schluß, daß der Sinn dieser Vorlage der ist, die Unternehmer freizumachen von der ihnen aufgezwungenen Verpflichtung, an die Arbeiter in den Betrieben soziale Zugeständnisse in Form von Zulagen, auch von Kinderzulagen, zu machen.
Man will - das ist meines Erachtens der Sinn dieser Vorlage - aber auch den Kampf der Arbeiter in den Betrieben gegen die jeweiligen Unternehmer um Gewährung von sozialen Zulagen ausschalten. Der Leistungslohn und nur der Leistungslohn soll nach dem Willen der CDU/CSU das sein, was dem Arbeiter im Betrieb vom Unternehmer zu zahlen ist.
({0})
- Hennecke? Ich weiß nicht, was dieser Zwischenruf in dem Zusammenhang soll. Sie machen doch hier Politik und nicht Hennecke!
Nun, klarer wird das, was ich gesagt habe, wenn man sich einmal den Antrag etwas näher ansieht. Da heißt es in § 7, daß die Höhe des Beitrags sich nach dem Bedarf an Mitteln zur Gewährung von Kinderzulagen richtet. Dann heißt es im § 8: „Die Höhe der Kinderzulage wird von der Bundesregierung festgesetzt". Wir sehen also, daß die Bundesregierung zwischen Belegschaft und Unternehmer eingeschaltet wird, um zu garantieren, daß um des Himmels willen keine allzu hohe Kinderzulage zustande kommt. Der Bundestag soll sich nach der Gesetzesvorlage überhaupt erst mit der Materie beschäftigen dürfen, wenn die Zulagen pro Kind geringer als 15 Mark und höher als 30 Mark sind. Wir sehen darin eine Sicherung der Unternehmer gegen die Forderungen der Belegschaften auf Gewährung von sozialen Zulagen.
Nun kommt meines Erachtens das Interessanteste an der ganzen Geschichte, der § 11 Abs. 2, in dem es heißt:
Die Beiträge zu den Familienausgleichskassen
sind Betriebsausgaben im Sinne des § 4 des
Einkommensteuergesetzes oder Werbungskosten
im Sinne des § 9 des Einkommensteuergesetzes. Hier haben wir also das Faktum, daß der Unternehmer diese seine Aufwendungen für die Familienausgleichskassen an den Steuern, die er zu zahlen hat, restlos abschreiben kann.
Nun noch die Höhe der Zulage, die Sie zu gewähren bereit sind: Zwischen 15 und 30 Mark! Das soll die Norm sein. Es ist hier schon richtig gesagt worden, daß mit diesen Zulagen die wirkliche Not in den Familien nicht beseitigt wird.
Ich fasse meine Ausführungen zusammen. Sie wollen mit der Vorlage erreichen, daß in den Betrieben der Kampf der Belegschaften gegen den Unternehmer um Ausweitung des Lohnes verhütet wird. Das wollen Sie! Sie wollen den Unternehmer von dieser Belastung freimachen. Sie wollen auch - das war in der Zeitschrift „Christlichsozialer Dienst" ganz eindeutig ausgesprochen - den Arbeiter durch die Schaffung der Familienaus({1})
gleichskasse mehr an den Betrieb binden. Er soll seine Freizügigkeit und die Möglichkeit, gegen den Unternehmer um höhere Löhne zu kämpfen, verlieren. Das ist der Wille, der diesem Gesetz zugrunde liegt.
Worum handelt es sich also? Es handelt sich auf der einen Seite darum, den Unternehmer in den Betrieben von der Verpflichtung, Soziallöhne zu zahlen, freizumachen. Auf der anderen Seite geht es darum, diese reaktionäre Bundesregierung als Kontrollorgan zwischen den Arbeitern und Unternehmern einzuschalten, „Frieden im Betrieb" zu halten. Uns geht es darum, eine ausreichende Kinderzulage zu erreichen. Diese kann man nicht erreichen, wenn man die Methoden, die in diesem Gesetz vorgeschlagen werden, anwendet. Mit diesem Gesetz soll nur der Kampf der Arbeiter im Betrieb, der direkte Kampf gegen den Unternehmer, ausgeschaltet werden.
Wir werden uns im zuständigen Ausschuß dafür einsetzen, daß eine möglichst hohe Kinderzulage herausgeholt wird. Wir werden aber auch dafür sorgen, daß der Zuschuß, den die Regierung unserer Überzeugung nach zu geben verpflichtet ist, entsprechend erhöht wird, um einen ausreichenden Kinderzuschlag zu ermöglichen. Wir sind der Auffassung, daß die Regierung dazu in der Lage ist, und zwar ohne Erhöhung der derzeitigen Steuerbelastungen der Massen. Wir sind der Meinung, daß man die Milliardensummen, die für die Vorbereitung des Krieges ausgegeben werden, für den Schutz der Familie und für den Ausbau der Sozialversicherung verwenden sollte. In diesem Sinne werden wir uns im Ausschuß für die Erreichung eines ausreichenden Kinderzuschlags aussprechen. Wir werden aber auch dafür sorgen, daß die wahren Gründe, die hinter diesem scheinbar so sozialen CDU-Antrag stecken, vor den Arbeitern klargestellt werden, damit der Arbeiter auf dieses Betrugsmanöver nicht hereinfällt.
({2})
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie wegen des Ausdrucks „Betrugsmanöver" zur Ordnung.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei der Diskussion, die wir schon einmal in diesem Hause über das Problem Familienausgleichskasse oder staatliche Kinderbeihilfen geführt haben, habe ich bereits im Namen meiner Fraktion auf die große Problematik hingewiesen, die sich daraus ergibt, daß bei uns nicht, wie in vielen anderen Ländern, über die das Internationale Arbeitsamt auf Grund von Erhebungen berichtet, etwa lediglich das Problem des Soziallohns und des Leistungslohns, nicht etwa nur die Frage einer Familienausgleichskasse zur Diskussion steht, sondern daß im Gegensatz dazu bei uns bei jeder Neuordnung berücksichtigt werden muß, daß die Familie durch die vielfältigsten gesetzlichen Regelungen bereits geschützt werden sollte und geschützt ist. Es steht außer Zweifel, daß die bisherige Regelung unvollkommen und nicht ausreichend ist.
Trotzdem möchte ich mich nach dieser ergiebigen
Diskussion über das Für und Wider bemühen,
nur das an Gedanken hinzuzufügen, was in der
Diskussion noch nicht ausgesprochen worden ist.
Vorweg darf ich im Namen meiner Fraktion
sagen, daß wir von allen guten Worten, die hier für den Bestand der Familie gefunden worden sind, hoffen, daß sie nicht nur Worte bleiben, sondern daß in der Diskussion in den Ausschüssen dann auch etwas herauskommt, was uns nicht nur hilft, den Bestand der deutschen Familie, den Bestand der deutschen Arbeitskraft zu sichern, sondern was uns gleichzeitig in die Lage versetzt, in den vielfältigen Problemen und Sorgen, die den deutschen Sozialetat angehen, zu wirklich verantwortlichen und vollkommenen Lösungen zu kommen. Bei der Höhe, die der westdeutsche Sozialetat jetzt schon erreicht hat, muß jede neue Steuer und jede neue Abgabe im Rahmen einer Sozialleistung mit größter Vorsicht und größter Verantwortung gesehen werden! Wir müssen uns immer vor Augen stellen, daß der auch weitgehend verwischte Zusammenhang zwischen der Leistung, dem Leistungslohn und dem sozialen Auftrag doch sehr bald wiederhergestellt werden muß und nicht weiter zerstört werden darf!
Deshalb bin ich, soweit ich auch mit den Ausführungen des Kollegen Naegel übereinstimme, in einem Punkte mit ihm nicht einig, daß es sich nämlich hier lediglich um ein Problem der Lohnpolitik handele und daß an Stelle des Leistungslohns etwa der Soziallohn treten müßte, um dieses Problem vollkommen zu lösen. Wir glauben vielmehr, daß man am Leistungslohn festhalten kann und trotzdem zu Lösungen kommen wird, die dieses wichtige Anliegen der kinderreichen Familien positiv befriedigen können.
Wir glauben außerdem, daß bei der augenblicklichen Situation mit den außerordentlichen Belastungen der Bruttolohnsummen schon eine weitere Erhöhung der Sozialabgaben, die nach dem Antrag der CDU um ein volles Achtel erfolgen würde, zu größter Sorge Veranlassung gibt. Auch die unvermeidbar schematische Verteilung der Mittel - besonders nach dem Antrag der CDU - sollte sehr sorgfältig diskutiert werden! Wir wissen, daß die Not nicht nur in den unteren, sondern ebenso auch in den mittleren und höheren Einkommensgruppen bei kinderreichen Familien sehr drückend ist. Wir sollten Wege finden, diese kinderreichen Familien vor der großen sozialen Benachteiligung zu schützen, ohne daß wir in die Gefahr irgendeines Kollektivs oder einer kollektiven Auffassung der Lösung des Problems hineinrutschen. Als armes, auf den Export angewiesenes Land müssen wir uns alle finanziellen Auswirkungen ganz besonders gründlich überlegen.
In der sehr ergiebigen öffentlichen Diskussion dieses Problems ist immer wieder auf die steuerpolitische Möglichkeit des einfachen Abzugs vom Steuersatz für die Gruppen I, II und III hingewiesen worden. Es ist immer wieder betont worden, daß der einfachste Weg zur Lösung des Problems ohne Schaffung neuer Bürokratien über die Steuersätze führe. Hier möchte ich wieder - und ich habe das schon mehrmals in diesem Hause angedeutet - darauf hinweisen, daß die Revision unserer Steuerpolitik das Vordringlichste ist, was einer solchen Regelung voranzugehen hat.
({0})
Ich habe in sehr vielen Zeitschriften, Zeitungen und Erarbeitungen, die uns zu diesem Problem dankenswerterweise zur Verfügung gestellt werden, zwei Dinge gelesen, die mich bedenklich gemacht haben. Das eine war das Problem der Familienzulagen durch Familienausgleichskassen, wie es immer wieder in der Begründung so primi({1})
tiv dargestellt wird. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten möchte ich hier nur das Beispiel anführen, das auch in der Presse immer wieder geschildert wird. „Im gleichen Betrieb, am selben Arbeitsplatz arbeiten mit dem gleichen Fleiß und Erfolg zwei Arbeiter um den gleichen Lohn. Beide sind verheiratet. Der eine ist kinderlos, der andere hat vier Kinder." Ich möchte dieses primitive Beispiel nur deshalb erwähnen und nenne es deshalb primitiv, weil es bei der vollkommenen Umstürzung unserer soziologischen Struktur, bei der vollkommen veränderten soziologischen Pyramide des deutschen Volkes kaum einen kinderlos verheirateten Arbeiter, kaum einen Angestellten und kaum einen Beamten geben wird, der nicht weitgehend von der großen Unterhaltsverpflichtung betroffen ist, die sich aus der Massennot unseres Volkes ergibt.
Leider haben wir immer noch keine Statistik über die Unterhaltsverpflichtungen. Ich weiß aus den Kreisen gerade auch der ledigen und vielen weiblichen Angestellten, die diese Unterhaltsverpflichtungen haben, wie ungerecht unsere gesamte Steuerpolitik ist und wie ungerecht eine solche Regelung wäre, wenn sie so einfach und primitiv denjenigen belastete, der ledig, verheiratet und kinderlos oder verheiratet mit ein oder zwei Kindern ist. Ich denke dabei auch an die vielen Spätheimkehrer, die erst sehr spät in der Lage sind, zu einer Familiengründung zu kommen, und für die schon ein zweites Kind unter Berücksichtigung ihrer soziologischen Verhältnisse in der augenblicklichen Situation, ihres Alters und der Verantwortung, die sie für die Zukunft tragen, mindestens genau so verantwortungsbewußt als schwere Belastung finanzieller Art empfunden werden würde o wie etwa das fünfte oder sechste Kind von einem gut Verdienenden in einer gesicherten wirtschaftlichen Lebenssituation. Deshalb warnen wir davor. Wir werden in der Arbeit im Ausschuß mit aller Behutsamkeit auf diese Dinge hinweisen.
Ich möchte nun noch, um dem Vorwurf des Herrn Kollegen Richter zu begegnen, daß beim Internationalen Arbeitsamt diesen Dingen nicht mit großer Freudigkeit zugestimmt worden sei - ich kenne die Argumente nicht -, auf eine Grundsatzfrage hinweisen. Es wird die vornehmste Aufgabe der internationalen Verständigung auf sozialpolitischem Gebiete sein, dafür zu sorgen, daß nicht etwa das Beispiel der europäischen Länder in einer Gleichmacherei dazu führt, zu sagen: Weil das in Frankreich so ist und weil dort 16 % Lohnsummenbeitrag vom Unternehmer erhoben werden, ist das unbedingt ein nachahmenswertes Beispiel, da wir ja ohnehin durch die europäische Verflechtung dazu kommen müssen, diese Dinge möglichst einheitlich zu machen.
Meine Freunde haben die größte Sorge vor der Nachahmung solcher Beispiele nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit. Wir wissen, daß wir in der deutschen Familienhilfe in unserer Sozialversicherung schon in einem erheblichen Maße Leistungen haben, deren Beiträge doch von denen aufgebracht werden, die diese Leistungen nicht für sich in Anspruch nehmen. Da gestatten Sie mir bitte, daß ich Ihnen nur zwei Beispiele nenne. In der deutschen Sozialversicherung haben wir noch lange nicht den Begriff der echten Versicherungsgerechtigkeit, aber den der echten Familienhilfe! Wir haben dort eine Solidarhaftung, in der der Ledige und Kinderlose denselben Beitrag zahlt wie der Kinderreiche. Für seinen Beitrag bekommt er weder in der
Krankenversicherung die Leistung für die von ihm unterhaltene alte Mutter, kranke Schwester oder sonstige Angehörige, noch in der Rentenversicherung eine Rente. Für den gleichen Beitrag bekommt derjenige, der eine große Familie hat, für die Kinder - die unehelichen, die ehelichen, die an Kindes Statt angenommenen - in jedem Falle die Familienhilfe-Leistungen. Für den gleichen Beitrag bekommt in der Angestelltenversicherung sogar die Witwe die Witwenrente und die geschiedene Frau unter Umständen als Kannleistung die zweite Witwenrente.
Der kinderlos Verheiratete oder die Ledige - die nicht heiraten kann, weil sie große Familienverpflichtungen hat, die aus echter Verantwortung nicht möchte, daß etwa ihre Angehörigen zum Wohlfahrtsamt gehen, sondern die diese Aufgaben aus dieser Verantwortung heraus freiwillig übernommen hat -, diese Männer und Frauen werden belastet in einem Maße, das einer echten und gerechten Neuordnung bedarf.
Ich muß leider wegen des Zeitdrucks zum Schluß kommen. Ich bedaure das, weil zu diesem Problem noch so unerhört viel hinzuzufügen wäre von den Fragen, die hier nicht angeschnitten worden sind. Ich möchte im Namen meiner Freunde nur sagen, daß wir einen guten Beginn der Arbeit für die Lösung der Fragen auf diesem Gebiet aufs wärmste begrüßen, daß wir aber große Bedenken dagegen haben, anzunehmen, daß etwa der hier vorgelegte Antrag der CDU der Weisheit letzter Schluß sei und die Probleme in ihrer vollen Bedeutung erkenne.
({2})
Herr Abgeordneter Arndgen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Diskussion stehen wohl alle Fraktionen dieses Hauses auf dem Standpunkt, daß für die Familien irgend etwas getan werden muß. Aber in der Diskussion scheint nicht genügend die Grundsatzfrage besprochen worden zu sein, wie diese Familienhilfe konstruiert werden soll. Wir haben in diesem Hause eine Gruppe, die der Auffassung ist, daß diese Aufgabe dem Staate überbürdet werden sollte, während eine andere Gruppe in diesem Hause der Meinung ist, daß man sie wie alles, was wir auf dem sozialen Sektor tun, so weit wie möglich vom Staat entfernen sollte. Wir haben die sonstigen sozialen Einrichtungen - die Krankenkassen, die Rentenversicherungen usw. - in eine Selbstverwaltung hineingestellt und möglichst weit vom Staat entfernt. Wir haben in der Zeit, in der diese sozialen Einrichtungen tätig waren und sind, erfahren, daß sie gut und im Interesse der von ihnen betreuten Personenkreise gearbeitet haben. Meine Freunde und ich sind daher der Auffassung, daß wir auch diese soziale Einrichtung vom Staate wegnehmen und in die Sektoren hineinlegen sollten, die hierfür zuständig sind. Wenn wir auf der einen Seite für Beamte usw. staatliche Kinderzulagen haben, so ist das in Ordnung, weil ja diese Menschen beim Staat, bei den Behörden beschäftigt sind. Ebenso müssen die Zweige der freien Wirtschaft für die Existenz auch der Familien der in ihnen tätigen Arbeitnehmer aufkommen.
({0})
Ich bitte, bei der Diskussion über diese Frage im Ausschuß diese Gesichtspunkte mit zu beachten. ({1})
Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten Beratung. Ich nehme an, daß das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß einverstanden ist.
({0})
- Wegen der Auswirkungen auf den Haushalt des Bundes. Ich darf annehmen, daß das Haus ebenfalls mit der Überweisung an den Haushaltsausschuß einverstanden ist.
({1})
- Ich weiß nicht, ob wir eine Debatte darüber führen müssen, wieweit die Verminderung des Ertrags eines Betriebs den Haushalt des Bundes berührt. Aber ich stelle zur Abstimmung: Wer ist für Überweisung auch ah den Haushaltsausschuß?
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Die Überweisung an den Haushaltsausschuß ist nicht erfolgt.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({3}) ({4}). ({5})
Berichterstatter ist Abgeordneter Karpf. Der
Ältestenrat schlägt Ihnen eine Höchstaussprachezeit von 40 Minuten vor. - Bitte, Herr Abgeordneter Karpf!
Karpf ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf wurde vom Bundestag in seiner 159. Sitzung dem Ausschuß für Arbeit überwiesen. Der Ausschuß lur Arbeit hat am 8. September 1951 den Regierungsentwurf behandelt und bei zwei Stimmenthaltungen die unveränderte Annahme des Regierungsentwurfs beschlossen. In einer Aussprache über die Regierungsvorlage wurde im Ausschuß die dem Entwurf beigefügte Begründung bemängelt, soweit sie sich auf die Organisationsverhältnisse in der Landwirtschaft und auf das Nichtbestehen von Arbeitgeberverbänden in einzelnen Bezirken erstreckt.
Das Gesetz, so wurde im Ausschuß betont, ist keineswegs die Ablösung oder Ersetzung eines notwendigen Gesetzes über Mindestlöhne. Die derzeit gültige Fassung des § 5 des Tarifvertragsgesetzes war seinerzeit im Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet Gegenstand sehr schwieriger und langwieriger Verhandlungen mit den beiden Militärregierungen. In dem zuerst vom Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz war vorgesehen, daß eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfolgen kann, wenn der Tarifvertrag für diesen Wirtschaftszweig von überwiegender Bedeutung ist. Der Militärregierung war dieser Begriff zu unbestimmt. Sie forderte eine genaue Festlegung dahingehend, daß die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 % der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen. Daraufhin wurde vom Wirtschaftsrat eine Neufassung beschlossen, die folgenden Wortlaut hatte:
1. wenn die tarifgebundenen Arbeitgeber nicht weniger als 50 v. H. der unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer beschäftigen oder die soziale Ordnung in seinem Geltungsbereich es erfordert und
2. die Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse geboten erscheint.
Der Militärregierung sagte aber auch diese Fassung nicht zu. Sie beanstandete sie und verlangte, daß bei den Worten: „oder die soziale Ordnung in seinem Geltungsbereich es erfordert" entweder das Wort „oder" durch „und" ersetzt oder die ganze Bezeichnung „soziale Ordnung" fallengelassen wird. Der Wirtschaftsrat entschloß sich, die Worte: „oder die soziale Ordnung in seinem Geltungsbereich es erfordert" zu streichen. Daraufhin fand das Gesetz bei der Militärregierung seine Annahme.
Diese einengende Vorschrift des § 5 Abs. 1 des Tarifvertragsgesetzes hat sich inzwischen bei der zunehmenden Bedeutung, die der Allgemeinverbindlichkeitserklärung zukommt, als unerträglich erwiesen. Es hat sich gezeigt, daß die Allgemeinverbindlichkeitserklärung gerade in den Wirtschaftszweigen, in denen sie von besonderer Wichtigkeit wäre, häufig infolge dieser einengenden Vorschrift undurchführbar ist, da die vorgeschriebene Zahl von 50 v. H. der in diesem Wirtschaftszweig bei tarifgebundenen Arbeitgebern beschäftigten Arbeitnehmer nicht vorhanden ist. Es traten häufig Fälle ein, daß Arbeitgeber ihre Organisation verließen, um dadurch die Möglichkeit einer Allgemeinverbindlichkeit zu unterbinden. Von den Voraussetzungen der Ziffern 1 und 3 abgesehen, kann die Allgemeinverbindlichkeit jetzt nach dem vom Ausschuß verabschiedeten Gesetzentwurf zur Behebung eines sozialen Notstandes erklärt werden. Vom Ausschuß ist jedoch der Vorschlag des Bundesrats, zu bestimmen, daß im Falle des § 5 Abs. 1 Satz 2 die Allgemeinverbindlichkeitserklärung auch wieder aufgehoben werden kann, wenn sie zur Behebung eines sozialen Notstandes nicht mehr erforderlich erscheint, einmütig abgelehnt worden. Der Ausschuß betrachtet diesen Vorschlag des Bundesrats als eine Einengung und hält ihn für systemwidrig. Er entspricht auch nach Auffassung des Ausschusses keineswegs einem praktischen Bedürfnis. Der § 5 des Tarifvertragsgesetzes verwendet den Begriff des öffentlichen Interesses zweimal, aber jedesmal in einem anderen Sinn. In § 5 Abs. 1 wird verlangt, daß die Allgemeinverbindlichkeit im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Wenn das öffentliche Interesse später entfällt, so ist das allein noch kein Grund für die Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit. Gemäß § 5 Abs. 5 kann vielmehr die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nur aufgehoben werden, wenn die Aufhebung als solche im öffentlichen Interesse geboten erscheint. Es kann nicht entscheidend sein, ob nach Ausspruch der Allgemeinverbindlichkeitserklärung der soziale Notstand entfällt. Maßgebend kann nur sein, ob nachträglich eine Lage entsteht, in der das öffentliche Interesse es verlangt, daß die ausgesprochene Allgemeinverbindlichkeitserklärung wieder aufgehoben wird.
Aus den dargelegten Gründen kam der Ausschuß zu dem angeführten Beschluß, dem Gesetzentwurf in der Vorlage des Regierungsentwurfs seine Zustimmung zu geben und den Abänderungsvorschlag des Bundesrates abzulehnen. Namens des Ausschusses für Arbeit darf ich das Hohe Haus bitten,
({7})
dem Gesetzentwurf in der vom Ausschuß gebilligten Fassung seine Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung.
Zu § 1 liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Degener, Horn und Genossen vor. - Herr Abgeordneter Degener zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 2 des Tarifvertragsgesetzes wird der Begriff Spitzenorganisation gebraucht und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen eine Spitzenorganisation als Tarifvertragspartner auftreten kann. Nun gibt es in Deutschland bei den Arbeitnehmern gegenwärtig im Grunde genommen nur eine einzige Spitzenorganisation. Unter Spitzenorganisation versteht man die Dachorganisation einzelner in sich selbständiger Berufs- oder Fachverbände. In der deutschen Angestelltenbewegung aber kennt man seit vielen Jahrzehnten einen anderen Begriff, den der sogenannten Einheitsorganisation. Nehmen wir als Beispiel einmal die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft. Sie vereinigt in sich auf der Basis einer anderen Organisationsform kaufmännische Angestellte, technische Angestellte und Werkmeister. Die beruflichen und fachlichen Interessen dieser einzelnen Angestelltengruppen werden im Rahmen der Organisation durch Berufsgruppen- und Fachgruppenzusammenkünfte wahrgenommen; aber die Organisation ist nur eine einzige, die Verbandsmitgliedschaft ist die gleiche, und der Verbandsbeitrag ist der gleiche. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft im Rah-1 men der Einheitsorganisation könnte den Anforderungen des § 2 des Tarifvertragsgesetzes nur dadurch gerecht werden, daß sie plötzlich sagt: Ich mache je einen selbständigen Verband für die kaufmännischen Angestellten, für die technischen Angestellten, für die Werkmeister, und dann schließe ich mit diesen einen Vertrag und bilde die Dachorganisation; dann werde auch ich im Sinne des § 2 des Tarifvertragsgesetzes Spitzenorganisation und habe keine Schwierigkeiten, wenn es sich bei Gesetzentwürfen arbeitsrechtlicher oder sozialversicherungsmäßiger Art um diesen Begriff handelt.
Nun bin ich der Meinung, daß es niemals Aufgabe des Gesetzgebers sein kann, den Arbeitnehmern oder auch den Arbeitgebern vorschreiben zu wollen, in welcher Organisationsform und -art sie sich zusammenfinden wollen. Um diesen Mangel im Tarifvertragsgesetz auszugleichen, haben meine Freunde und ich den Antrag eingebracht, der Ihnen auf Umdruck Nr. 300 vorliegt. Es handelt sich also nur darum, zum Ausdruck zu bringen, daß als Spitzenorganisation zukünftig auch Gewerkschaften gelten, die nach ihrer Satzung - in Klammern: als Einheitsorganisation, wie ich sie schilderte - Angehörige verschiedener Berufsgruppen umfassen. Damit sind solche Einheitsorganisationen, die keine selbständigen Unterverbände haben, den Spitzenorganisationen gleichgestellt. Ich hoffe, daß es in diesem Hohen Hause nur eine Meinung dahin gibt, daß es nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit notwendig ist, die von uns beantragte Änderung des Tarifvertragsgesetzes vorzunehmen, und bitte um Ihre Zustimmung.
Bitte, Herr Abgeordneter Ludwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage, den Antrag auf dem vorliegenden Umdruck dem Ausschuß für Arbeit zur Beratung zu überweisen. Es ist, glaube ich, ein Irrtum, anzunehmen, daß diese Angelegenheit im Zusammenhang mit dem zur Debatte stehenden Gesetz behandelt werden soll. Da zu der Frage von beiden Seiten einiges zu sagen sein wird, beantrage ich, den Antrag dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.
Herr Abgeordneter, darf ich Ihren Antrag so verstehen, daß Sie damit eine Zurückverweisung des ganzen Gesetzentwurfs an den Ausschuß wünschen?
({0})
- Da hier ein Antrag vorliegt, bestimmte Paragraphen des Gesetzes abzuändern, scheint es mir unzweckmäßig zu sein, das Gesetz dann nur zum Teil zu beschließen.
Herr Abgeordneter Sabel, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende, von der Regierung eingebrachte Gesetzentwurf behandelt den § 5 des Tarifvertragsgesetzes. Der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 300 behandelt den § 2 des Tarifvertragsgesetzes. Ich würde es begrüßen, wenn wir bezüglich der Änderung des § 5 heute zu einer abschließenden Erledigung kämen. Im zuständigen Ausschuß ist hier ohne Gegenstimmen eine Regelung erfolgt. Kollege Karpf hat das als Berichterstatter hier vorgetragen. Ich glaube, daß die Regelung, die durch die Bundesregierung beantragt worden ist, vordringlich ist.
Frau Abgeordnete Kalinke, bitte!
Meine Freunde stimmen dem von dem Kollegen Degener von der CDU eingebrachten Antrag zu und wünschen ebenfalls, daß die Verabschiedung mit der Annahme dieses Antrags erfolgt. Ich bedauere, daß der Herr Kollege von der sozialdemokratischen Fraktion seine Auffassung nicht näher begründet hat. Meine Freunde sind der Auffassung, daß es längst an der Zeit ist, in unserer gesamten Gesetzgebung all die Bestimmungen zu beseitigen oder zu verbessern, die im Bewußtsein der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber den Begriff des Monopols mit dem Begriff der Spitzenorganisation koppeln. Die Koalitionsfreiheit hat als logische Konsequenz auch das Recht eines jeden Deutschen, sich nicht nur zu vereinigen, wie er wünscht, sondern auch die Form seiner Vereinigung in seinen Organisationen in freier demokratischer Entscheidung selbst zu bestimmen.
({0})
Herr Abgeordneter Ludwig, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits betont, daß es gar nicht möglich wäre, jetzt im Plenum zu dieser Angelegenheit Stellung zu nehmen. Denn es muß eine gewisse Klarheit über die Begriffe geschaffen werden, darüber, welche Gewerkschaft darunterfallen kann. Es gibt z. B. Gebilde, die sich so nennen können, die aber kein Mensch als Gewerkschaft anerkennt. Deshalb muß eine solche Angelegenheit, die ganz neue Fragen aufwirft, im Ausschuß eingehend behandelt werden, damit man sich dort über die Begriffe klarwerden kann und damit eine Aussprache über
({0})
I die Art, wie die gewünschte Änderung überhaupt durchgeführt werden kann, stattfinden kann.
Ich möchte deshalb nochmals beantragen, die zweite und dritte Lesung zu der Angelegenheit, in der wir alle einig waren, zu erledigen und diesen Antrag dem Ausschuß zur Beratung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, die Sachlage ist klar. Es ist beantragt worden, den Abänderungsantrag der Abgeordneten Degener, Horn und Genossen Umdruck Nr. 300, dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Überweisungsantrag entsprechen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist nach übereinstimmender Auffassung des Vorstandes die Mehrheit. Der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Herren Abgeordneten Degener, Horn und Genossen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 1 alter Fassung, d. h. also jetzt den § 2 des Gesetzentwurfs. Wünscht noch jemand dazu zu sprechen? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1, d. h. jetzt § 2, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
({1})
- Was stimmt nicht, Herr Abgeordneter Ritzel? ({2})
- Herr Abgeordneter Ritzel, nach der Geschäftsordnung dieses Hauses entscheidet der Vorstand des Hauses über die Mehrheit,
({3})
und er ist einmütig der Auffassung, daß das erste die Mehrheit war.
({4})
- Meine Damen und Herren, es ist eine alte Erfahrung, daß es unmöglich ist, aus dem Hause heraus einen Eindruck über die Mehrheit zu gewinnen.
({5})
- Herr Abgeordneter Heiland, ich verwahre mich dagegen! Ich finde es auch ungewöhnlich, daß der Präsident mit dem Ruf unterbrochen wird „Das stimmt nicht".
({6})
Ich komme zur Abstimmung über § 2, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 2, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Herr Abgeordneter Mellies, bitte!
Meine Damen und Herren, da dutch die Neuformulierung des § 1 erhebliche Änderungen vorgenommen sind, müssen wir der dritten Beratung widersprechen.
Meine Damen und Herren, es ist das Recht der Abgeordneten, wenn Änderungen in der zweiten Beratung vorgenommen worden sind, zu widersprechen, daß die dritte Beratung stattfindet, bevor die die Änderungen enthaltenden Drucksachen verteilt sind. Ich werde darum die dritte Beratung auf einen angemessenen Zeitpunkt festsetzen, sobald die Drucksache verteilt ist.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des. gewerblichen Rechtsschutzes
({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz ({1}) ({2}). ({3})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schatz.
Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Schatz ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vereinigung Österreichs mit Deutschland im März 1938 und die Vereinigung des Sudetengebietes mit Deutschland im Oktober 1938
({5})
haben ein einheitliches Wirtschaftsgebiet entstehen lassen. Die Schaffung dieses einheitlichen Wirtschaftsgebietes hat damals die Notwendigkeit ergeben, auch die Rechtsverhältnisse auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zu vereinheitlichen, zumindest aber anzugleichen. Infolgedessen wurden im „Dritten Reich" verschiedene Verordnungen erlassen, die im Reichsgesetzblatt erschienen sind und diese Angleichung zum Inhalt hatten. Der Grundgedanke war der, daß die Altschutzrechte, die in Österreich oder im Sudetengebiet - dort mit Ausnahme der Patente - gegolten haben, innerhalb des Altreichs und umgekehrt die Altschutzrechte im Altreich auch in den angegliederten Gebieten gelten sollten. Nachdem aber die staatsrechtliche Trennung inzwischen wieder durchgeführt wurde, sind sowohl der Grundgedanke als auch die Notwendigkeit dieser Verordnungen weggefallen. Infolgedessen hat Osterreich im Jahre 1947 von sich aus ein entsprechendes Gesetz über die Weiterbehandlung der Patente und der Altschutzrechte erlassen.
Wir im Gebiet der jetzigen Bundesrepublik waren dazu noch nicht in der Lage. Lediglich der Wirtschaftsrat hatte ein Gesetz verabschiedet, das die Grundlage für die Neuordnung auf dem Gebiete des Patentwesens schaffen sollte. Es ist dies das Erste Überleitungsgesetz auf dem Gebiete des Patentwesens. Dieses Gesetz beinhaltet jedoch nur die Zuständigkeit für die Patente und für die Anmeldungen, die beim früheren Reichspatentamt getätigt worden sind, nicht aber für die anderen Fälle. Deshalb war es bisher unklar, ob auch die Patente der Österreicher und die Patente österreichischen Ursprungs sowie die Warenzeichen österreichischen und sudetendeutschen Ursprungs von diesem Ersten Überleitungsgesetz erfaßt werden. Auf der anderen Seite wäre es unbillig, wenn
({6})
etwa die Österreicher und die Inhaber von Patenten österreichischen Ursprungs durch die staatsrechtliche Trennung geschädigt würden. Sie waren mindestens so zu stellen, als ob die Vereinigung Deutschlands mit Österreich überhaupt nicht stattgefunden hätte.
Diese Zweifel - einerseits, ob das Erste überleitungsgesetz anzuwenden sei, andererseits die Frage der Billigkeit, d. h. daß die Österreicher nicht schlechter gestellt werden dürften als in dem Falle, daß der Anschluß nicht gekommen wäre - haben die Bundesregierung veranlaßt, den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes einzubringen. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf nach seiner ersten Lesung dem Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz überwiesen, der das Gesetz eingehend beraten und darüber Beschluß gefaßt hat. Der Grundgedanke des Gesetzes ist, daß jedes Altpatent und jedes Altwarenzeichen eines Österreichers oder eines Sudetendeutschen innerhalb einer Sechsmonatsfrist ab Rechtskraft dieses Gesetzes und unter der Voraussetzung, daß das Altpatent oder das Altwarenzeichen am 8. Mai 1945 noch nicht erloschen war, zur Neufestsetzung beantragt werden kann. Es werden nicht viele Fälle sein, die hier in Frage kommen. Möglicherweise werden die Österreicher und auch die Sudetendeutschen, die ja jetzt bei uns herüben wohnen, schon allein die Gebühren scheuen, die sie aufbringen müssen, um ihr Verfahren in Gang zu setzen. Aber es war notwendig, dieses Gesetz zu schaffen, um die Entflechtung - wenn ich so sagen darf - auf diesem Gebiete eintreten zu lassen.
Der Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz hat die einzelnen Paragraphen behandelt, so wie sie der Rechtsausschuß des Bundesrats und der Bundesrat selbst einstimmig durchberaten und genehmigt hatten. Der Patentrechtsausschuß hat sich mit Sinn, Zweck und Motiven befaßt und hat ebenfalls einstimmig dieses Gesetz beschlossen. Allerdings war der Ausschuß gezwungen, verschiedene Korrekturen an dem Gesetz vorzunehmen bzw. verschiedene Anpassungen zu beschließen. Ich darf dazu folgendes sagen:
In § 1 dieses Gesetzes ist eine begriffliche Klarstellung der Bezeichnungen der Verordnungen erfolgt, die im „Dritten Reich" geschaffen worden sind. Hier hat die Regierung einen neuen Weg in der Explizierung von Gesetzen eingeschlagen; und das ist richtig. Wenn in ein Gesetz so viel aus verschiedenen früheren Gesetzen eingegangen ist, dann ist es wertvoll, die Gesetze einzeln aufzuführen, damit man genau weiß: unter diesem Gesetz ist dasjenige zu verstehen, das - so und so bezeichnet - im Reichsgesetzblatt erschienen war. Hier hat allerdings der Patentrechtsausschuß in § 1 Ziffer 1 des Ersten Überleitungsgesetzes noch hinzugefügt: Erstreckt durch Verordnung der Bundesregierung vom 24. September 1949, Bundesgesetzblatt . Seite 29, auf die Länder Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und den bayerischen Kreis Lindau. - Dies war notwendig, weil das Erste Überleitungsgesetz des Wirtschaftsrates zunächst nur zonal geschaffen worden war und erst später, im September 1949, durch die Bundesregierung weiter erstreckt wurde.
Außerdem hat der Patentrechtsausschuß beschlossen, in § 4, welcher besagt, daß innerhalb sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Gesetzes der Antrag auf Aufrechterhaltung gestellt sein muß, noch einen Abs. 2 einzufügen. Der Ausschuß war
durch folgende Erwägungen dazu gezwungen: Verschiedene österreichische Staatsangehörige hatten bei Erlaß des Ersten Überleitungsgesetzes bereits geglaubt, daß auch für sie jetzt die Zeit gekommen sei, ihren Antrag auf Aufrechterhaltung der Altschutzrechte zu stellen. Diese Leute haben deshalb beim Deutschen Patentamt in München formell diesen Antrag gestellt. Nachdem uns dies im Ausschuß bekanntgeworden war, haben wir beschlossen, in Abs. 2 des § 4 zu bestimmen, daß Aufrechterhaltungsanträge, die bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beim Deutschen Patentamt gestellt worden sind, nicht wiederholt zu werden brauchen.
In § 5 ist in der Formulierung „Das Patentamt beschließt" das Wort „beschließt" durch das Wort „entscheidet" ersetzt worden; denn das ist der sprachliche Textgebrauch, wie er bisher überall üblich war.
Ein gut Teil der Beratungen im Patentausschuß bildete der Vierte Teil des Gesetzes, nämlich die Verlängerung der Prioritätsfristen. Österreich hat im Jahre 1947 ein Patentschutzüberleitungsgesetz und ein Markenschutzüberleitungsgesetz geschaffen. In § 13 des erstgenannten und in § 10 des letztgenannten Gesetzes wurde beschlossen, daß Prioritätsrechte ausländischer Staatsangehöriger von Osterreich dann respektiert und aufrechterhalten werden, wenn von dem anderen Staat eine Gegenseitigkeit gewährleistet ist. Die Bundesrepublik hatte bisher keine Möglichkeit, diese Gegenseitigkeit zu gewährleisten. In § 27 dieses Gesetzes ist dies nun geschehen.
Während der Beratungen im Patentrechtsausschuß hat sich noch herausgestellt, daß Österreich inzwischen einem Abkommen von Neuchâtel beitrat, in welchem auch die Frage der international registrierten Fabrik- und Handelsmarken geregelt wurde. Auch hier hat Österreich von sich aus beschlossen, allen Staatsangehörigen anderer Länder die Möglichkeit der Erneuerung ihrer international registrierten Marken zu geben, wenn das betreffende Land von sich aus die Gegenseitigkeit gewährt.
Der Ausschuß hat deshalb den Vierten Teil des Gesetzentwurfes neu gefaßt. Der bisherige § 28 wurde zu Abs. 3 des § 27, weil er auch rein materiell dorthin gehört. Als § 28 wurde neu die Bestimmung eingeführt, daß die Bundesrepublik für die Erneuerung von international registrierten Fabrik- oder Handelsmarken Gegenseitigkeit gewährt. Das kommt sowohl den österreichischen als auch den deutschen Staatsangehörigen zugute, die auf diese Weise die Möglichkeit haben, ihre in Österreich etwa nicht erneuerten international registrierten Marken neu registrieren zu lassen.
Diese Änderungen finden Sie in dem Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 2508 vor; dort ist der frühere § 28 als § 27 Abs. 3 aufgeführt, der neue § 28 ist fettgedruckt. Darüber hinaus war die bisherige Überschrift des Vierten Teils „Verlängerung von Prioritätsfristen" durch die Worte zu ergänzen „und Erneuerung von international registrierten Marken". In der Drucksache Nr. 2508 ist aber in Abs. 3 des § 27, der bisher § 28 gewesen ist, ein Fehler unterlaufen, den ich hiermit korrigieren möchte. Bisher hieß der Abs. 3 des § 27:
({7}) Dritte, die vor dem Tag der Nachanmeldung und früher als ein Jahr vor dem nach § 27 zu bestimmenden Tag . . .
Nachdem der bisherige § 28 in den § 27 als Abs. 3 eingefügt wurde, muß der Text anders, nämlich folgendermaßen lauten:
({8})
Dritte, die vor dem Tag der Nachanmeldung und früher als ein Jahr vor dem Ablauf der nach Abs. 1 verlängerten Prioritätsfristen .. .
Durch diese Änderung ist eine gesetzestechnische Klarstellung geschaffen.
In dem neu eingefügten § 28 ist durch den Setzerlehrling ein Fehler entstanden, der ebenfalls korrigiert werden muß. In der achten Zeile des § 28 der Drucksache Nr. 2508 muß das Wort „Registratur" durch das Wort „Registrierung" ersetzt werden.
Das sind die Änderungen, die der Patentrechtsausschuß an diesem Gesetzentwurf nach eingehender Beratung einstimmig vorgenommen hat.
In § 29 sind die Schlußbestimmungen enthalten; sie beinhalten die Aufhebung sämtlicher Verordnungen, die das „Dritte Reich" in puncto Patentwesen und gewerblicher Rechtsschutz für Österreich und das Sudetengebiet erlassen hatte. Zunächst stieß man sich an der Formulierung „soweit sie nicht bereits außer Kraft getreten sind". Hierzu wurde aber gesagt, daß verschiedene Länderkommissare bzw. damals noch Truppenführer der Armeen von
sich aus derartige Gesetze formell aufgehoben hätten; es sei jedoch zu bezweifeln, ob die Aufhebung tatsächlich formell gültig sei. Kurzum, wir haben es deshalb bei dieser Gesetzesformulierung belassen. Sollte ein solches Gesetz bereits aufgehoben sein, so schadet es nichts, wenn hier doppelt genäht wird.
§ 30 enthält die Bestimmung über das Inkrafttreten des Gesetzes.
Ein Mitglied des Ausschusses hatte es für zweckmäßig gehalten, die sogenannte Berlin-Klausel einzufügen, d. h. die Klausel, daß sich das Gesetz auch auf Berlin erstreckt. Der Vertreter des Justizministeriums erklärte hierzu, dem Ministerium sei bei der Abfassung des Entwurfs dieser Gedanke durchaus nicht entgangen. In Berlin bestehe aber ein Gesetz, welches bestimme, daß alle in der Bundesrepublik beschlossenen Patentgesetze und Gesetze über gewerblichen Rechtsschutz automatisch durch ein Berliner Gesetz auf das Berliner Gebiet ausgedehnt würden. Damit haben wir uns zufrieden gegeben und den Gedanken fallen gelassen.
Meine verehrten Damen und Herren, wie ich Ihnen schon sagte, hat der Patentrechtsausschuß nach genauer Prüfung und Beratung diese Fassung des Gesetzentwurfes einstimmig beschlossen. Ich habe Sie zu bitten, dem Gesetzentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
({9})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich darf annehmen, das Haus ist damit einverstanden, daß ich nicht die einzelnen Paragraphen, sondern abschnittsweise aufrufe. Ich rufe auf zunächst den Ersten Teil - Begriffsbestimmungen -, § 1, - den Zweiten Teil, §§ 2, - 3, - 4, - 5, - 6, -7, - 8, - 9, - 10, - 11, - 12, - 13. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, ich rufe weiter auf: den Dritten Abschnitt, §§ 14, - 15, - 16, - 17, - 18, - 19 und 20. - Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Teilen, Abschnitten und Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf den Dritten Teil, §§ 21 bis 26, den Vierten Teil, §§ 27, - 28, wobei ich darauf hinweise, daß die von dem Herrn Berichterstatter angeführten Berichtigungen des gedruckten Textes berücksichtigt sind, - Fünfter Teil, §§ 29, - 30, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung auch über diese Bestimmungen des Dritten, Vierten und Fünften Teiles, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Zur allgemeinen Besprechung liegen keine Wortmeldungen vor.
Ich komme zur Einzelberatung, und zwar zu den §§ 1 bis 30, Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiete des gewerblichen Rechtsschutzes. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte um die Stimmenthaltungen. - Das Gesetz ist ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 13 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP betreffend Bundesbaugesetz ({0}).
Das Wort hat der Abgeordnete Albers, und zwar im Rahmen einer Redezeit von 60 Minuten, die Ihnen der Ältestenrat vorschlägt. Die Redezeit für die Begründung des Antrags beträgt 10 Minuten.
({1})
Albers ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir die Vorlegung des Entwurfs eines Gesetzes fordern, welches das Bau-, Boden-, Planungs-, Anlieger-und Umlegungsrecht bundeseinheitlich regeln soll, dann sind für meine Freunde folgende Überlegungen dafür maßgebend gewesen.
Die Rechtszersplitterung im Bau- und Bodenrecht stellt für den Städte- und Wohnungsbau sowie für die Neugestaltung von Wirtschaftsräumen seit Jahrzehnten eine Gefahr dar. Es ist dringend erforderlich, daß eine einheitliche Rechtsordnung auf diesem Gebiet, um die wir uns schon so lange bemühen, nunmehr ernsthaft in Angriff genommen und auch bald zum Abschluß gebracht wird. Die Notwendigkeit, im Bundesgebiete Millionen von Vertriebenen und Ausgebombten neu anzusiedeln und ihnen neue Arbeitsplätze zu beschaffen, stellt den Städte- und Wohnungsbau vor Probleme außergewöhnlicher Art. In dem Irrgarten des heute geltenden Rechts können aber diese yolks- und zukunftsverpflichtenden Aufgaben nicht erfüllt werden. Daher muß ein einheitliches Bundesbau-und -bodenrecht die gesetzlichen Möglichkeiten hierfür schaffen.
({3})
Als eines der größten Hemmnisse, die sich dem Wohnungsbau, im besonderen aber der Eigentumsbildung im Wohnungsbau entgegenstellen, hat sich das Fehlen geeigneten Baulandes zu niedrigen Preisen erwiesen. Ein vereinfachtes Umlegungsverfahren ist eine wesentliche Hilfe, zu einem Teile des benötigten Baulandes zu kommen. Bei der Verabschiedung des Ersten Wohnungsbaugesetzes haben sämtliche Parteien dieses Hohen Hauses der Entschließung zugestimmt, es sollten gesetzliche Bestimmungen zur Regelung der Baulandbeschaffung geschaffen werden. Es war daran gedacht, solche Bestimmungen im endgültigen Baugesetz zu verankern. Die Regelung der Baulandbeschaffung ist aber aus dem Sektor des gesamten Baurechts in gesonderten Gesetzentwürfen vorgezogen worden - ich erinnere an den Regierungsentwurf und an den entsprechenden Entwurf meiner Fraktion -, damit möglichst noch in diesem Jahre eine gesetzliche Grundlage für die Baulandbeschaffung gelegt und damit dieses Gesetz im kommenden Baujahr wirksam werden kann.
In dem vorliegenden Antrage wird nun die Bundesregierung ersucht, den Gesetzentwurf über das Bundesbaugesetz bis zum 31. Dezember vorzulegen. Die von Herrn Dr. Dittus hierzu geleistete Vorarbeit wird eine wesentliche Hilfe für die Erstellung des Entwurfs sein können. Sein Entwurf hat in der deutschen Öffentlichkeit ein lebhaftes Echo gefunden und wird auch in der Öffentlichkeit schon lebhaft diskutiert, so daß uns bei unseren Beratungen schon eine Reihe kritischer Stellungnahmen zum Bundesbaugesetz vorliegen werden. Ich habe an die Regierung die dringendste Bitte zu richten, bemüht zu bleiben, den vorgeschlagenen Termin für die Vorlegung eines Bundesbaugesetzes einzuhalten.
Wenn es uns gelingt, das Baulandbeschaffungsgesetz, das ja nur als provisorische und befristete Lösung gedacht ist, bis Weihnachten zu verabschieden, wird eine Frage offenbleiben, die in diesem Zusammenhange ganz besondere Bedeutung hat: die Bewertung des Baubodens. Dieses Problem kann nach unserer Überzeugung ohne eine Abschöpfung des unverdienten Wertzuwachses, d. h. jener Wertsteigerung des Grund und Bodens, die nicht auf eigene Leistungen oder Kapitalaufwendungen des Eigentümers zurückzuführen ist, nicht gelöst werden. Hierbei ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung, vielmehr ausschließlich eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob diese Wertabschöpfung durch eine einmalige Kapitalabfindung oder im Wege einer laufenden Verrentung erfolgt. Wir müssen es erreichen, daß die Spekulation mit dem Bauboden endgültig und für alle Zeiten ausgelöscht wird. Das soll ja in diesem Gesetz mit geschaffen werden.
Wir haben bei den Vorberatungen des Entwurfs zum Baulandbeschaffungsgesetz wiederholt geprüft, ob Bestimmungen über Erhebung einer Grundrentenabgabe in dieses Gesetz eingebaut werden können, und sind zu dem Schluß gekommen, daß wir das Gesetz mit diesem äußerst schwierigen Problem nicht belasten dürfen. Ich möchte jedoch keinen Zweifel darüber lassen, daß diese entscheidende Frage im Bundesbaugesetz geregelt werden muß. Daher richten wir an die Bundesregierung den dringendsten Appell, Bestimmungen in das Bundesbaugesetz aufzunehmen, welche die Bewertung des Baubodens in diesem Sinne regeln.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch sagen, daß es eine der ersten Funktionen des Wohnungsbaues in unserer Zeit sein muß, Eigentum für die breiten Schichten unseres Volkes zu schaffen. Daher wird es erforderlich sein, jedem, der Eigentum an Haus und Boden haben will und der fleißig und arbeitsam ist, den Zugang zum Boden zu ermöglichen. Es wird uns allen klar sein, daß wir in Deutschland Eigentum überhaupt nur erhalten können, wenn wir die Eigentumssicherung auf möglichst viele Schultern verlagern und möglichst viele Menschen wieder mit Eigentum versehen.
Daher möchte ich hier abschließend eindeutig zum Ausdruck bringen, daß wir nicht nur das Bundesbaugesetz zu dem gewünschten Termin vorgelegt haben möchten, sondern daß wir auch entschlossen sind, das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Über den Umfang der uns damit gestellten Aufgabe sind sich alle einschlägigen Fachleute im klaren. Es muß aber gelingen, die uns gesetzte Aufgabe zu erfüllen, um Fehlinvestitionen und Fehlplanungen im Bundesgebiet zu verhindern, um unseren Wohnungs-, Städte- und Siedlungsbau in eine Ordnung zu bringen, die letztlich dem Wohle aller im Bundesgebiet dient. Ich bedaure außerordentlich, daß wir in diesem Augenblick noch nicht auf weitere Einzelheiten eingehen können. Der Herr Bundesminister ist anwesend. Ich hoffe, daß er zu dem gemeinsamen Antrag der CDU, der SPD und der FDP hier eine allgemein befriedigende Erklärung im Sinne des Vorgetragenen abgibt.
({4})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag deckt sich vollkommen mit den Absichten der Bundesregierung. Diese Absichten sind auch, wie die meisten Herren von Ihnen wissen, schon in der Durchführung befindlich. Der Entwurf zu einem Bundesbaugesetz ist als Referentenentwurf vor einem Jahr veröffentlicht worden. Er hat in Wissenschaft und Praxis eine gewisse Resonanz gefunden. Die Ressortbesprechungen über diesen Entwurf werden in diesen Tagen beginnen. Wenn eine Angelegenheit wie das Bundesbaugesetz nicht in ganz kurzer Zeit in der Form eines Blitzgesetzes durchgeführt werden kann, so wissen diejenigen von Ihnen, die sich mit der Materie befaßt haben, daß sie von ungewöhnlicher Schwierigkeit ist. Ich stehe nicht an, sie etwa mit der Schaffung des Bürgerlichen Gesetzbuches zu vergleichen. Wenn ich den Vergleich ziehe, so zeigt sich, daß die juristischen, die gesetzgeberischen Schwierigkeiten bei einem Baugesetz unendlich viel größer sind. Als zwischen 1896 und 1900 das Bürgerliche Gesetzbuch geschaffen wurde - wozu Vorarbeiten im Jahre 1882 begonnen hatten -, hatte sich in Gesetzgebung und Rechtsprechung eine große gemeinsame Grundlage von Rechtsauffassungen, auf denen man aufbauen konnte, schon lange durchgesetzt. Das ist beim Baurecht nicht der Fall. Dieses ist in viele Hunderte von Reichs- oder Bundesgesetzen, von Ländergesetzen, von Verordnungen, von statutarischen Bestimmungen auf kommunaler Basis aufgesplittert.
Es ist der Wunsch der Bundesregierung, das Gesetz in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Wir sind uns also, glaube ich, vollkommen einig.
({0})
Ein Bedenken gegen den vorgelegten Antrag habe ich insofern, als fraglich ist, ob der Entwurf bis zum 31. Dezember 1951 vorgelegt werden kann. Ich kann Ihnen nicht mit Sicherheit versprechen, daß die Ressortbesprechungen innerhalb des Bundes sowie die sich anschließenden Besprechungen mit den Ländern und wohl auch mit anderen Kreisen bis zu diesem Datum so weit abgeschlossen sein werden, daß den gesetzgebenden Körperschaften eine fertige Gesetzesvorlage zugeleitet werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion, die Bayernpartei, steht grundsätzlich auf dem Standpunkt, daß alle Maßnahmen gefördert werden müssen, die den Wohnungsbau erleichtern und vorwärtstreiben können. Zur Erreichung dieses Zweckes ist es vor allem notwendig, daß diese Maßnahmen fristgerecht, d. h. im Winter, getroffen werden, damit im Frühjahr das Bauen rechtzeitig beginnen kann. Von größter Wichtigkeit für die Durchführung der Wohnungsbaupläne ist es, daß das behördliche Genehmigungsverfahren, der Instanzenzug bei den Behörden möglichst erleichtert wird, ganz abgesehen von der Kreditfrage, die immer die ausschlaggebende Rolle spielen wird.
Was den vorliegenden Antrag anbelangt, so kann meine Fraktion allerdings nicht übersehen, daß der Antrag sehr tief in das Gesetzgebungsrecht der Bundesländer eingreift und daß auch die Art. 72, 74 und 75 des Grundgesetzes des Bundes keine hinreichende Grundlage für die Ausdehnung des Bundesrechts auf diesem Gebiete bieten. Der Bundesrat hat schon anläßlich der Behandlung des Gesetzentwurfs über die vorläufige Regelung der Bereitstellung von Bauland - Zweites Wohnungsbaugesetz, das in der 153. Sitzung an den 36. Ausschuß überwiesen wurde - darauf hingewiesen, daß man mit diesem Gesetz in das Gesetzgebungsrecht der Länder eingreift und daß solche Eingriffe nicht gebilligt werden können.
Nun scheinen aber, wie ich gehört habe, im vorliegenden Falle die zuständigen Länderinstanzen mit dem Wohnungsbauministerium schon eingehende Verhandlungen dahingehend gepflogen zu haben, daß in den Ländern analoge Gesetze über das Baurecht erlassen werden sollen, ein Verfahren, das unserer föderalistischen Auffassung in jeder Hinsicht entspricht.
Angesichts dieser anscheinend noch schwebenden Verhandlungen stellt die Bayernpartei den Antrag, den vorliegenden Antrag der CDU, SPD und FDP für erledigt zu erklären.
({0})
Falls das Hohe Haus diesem Antrag nicht zustimmt, stellt die Bayernpartei den Antrag, die Behandlung dieser Vorlage bis nach Verabschiedung des Gesetzes über die Bereitstellung von Bauland zu vertagen. Denn es ist anzunehmen, daß man bis dahin in den Verhandlungen, die allem Anschein nach zwischen den Ländern und der Bundesregierung geführt werden, zu einer gewissen Klarheit gekommen ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Erörterung dieser Materie dürfen wir nicht verkennen, daß es sich beim Boden nicht um eine beliebig vermehrbare Ware handelt.
({0})
Viele von Ihnen gehen doch sonst von der Oberzeugung aus, daß man nur verteilen könne, was vordem produziert worden sei, und daß also alle Anstrengungen auf eine Verbesserung der sozialen Lebenshaltung auch der breiten Massen der Bevölkerung zunächst einmal auf eine Vermehrung des Sozialprodukts gerichtet werden müßten. Beim Grund und Boden ist das nicht möglich; der ist nun einmal so da, wie er ist, und wenn der Grundsatz aufgestellt wird, den ich durchaus in vernünftigem Umfang hier mir zu eigen machen will, daß es darauf ankommt, die Menschen zu verwurzeln und ihnen Eigentum zu geben, dann kommt es doch entscheidend darauf an, daß dieses Eigentum am Boden vorher erst irgend jemand anderem entzogen werden muß, sei es, daß er es verkauft, sei es, daß die Gemeinden in ihrer Bodenpolitik eine gewisse Vorratswirtschaft treiben, sei es, daß unter Umständen eben auch Bestimmungen z. B. im Baulandbeschaffungsgesetz vorgesehen sind, die es gestatten, baureifes Gelände auch gegen den Willen des jetzigen Eigentümers der Bebauung zuzuführen, wenn es unbedingt gebraucht wird.
Wir kommen also hier an die Schranken des Eigentums. Das Eigentum des einen kann der Feind des Eigentums des anderen sein, und es
wird Aufgabe eines vernünftigen Baugesetzes sein, dieses Problem so zu lösen, daß die Interessen der Gesamtheit dabei nicht gefährdet werden und daß wir über Schranken, die die heutige Eigentumsverfassung in bezug auf Grund und Boden uns teilweise noch bietet, eben hinwegkommen, auch um der Schaffung neuen vernünftigen Eigentums willen.
Von meinem verehrten Herrn Vorredner ist der Einwand erhoben worden, daß wir damit in unzulässiger Weise in die Gesetzgebungsbefugnisse der Länder eingriffen. Das stimmt nicht. Alle Fachleute haben sich mit diesem Thema seit langem befaßt, und wenn Sie z. B. einmal mit den Fachleuten des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens in Bayern sprächen, verehrter Herr Kollege, dann würden sie Ihnen alle sagen, daß sie es sehr bedauern, daß gerade Bayern bis zum heutigen Tage noch kein Aufbaugesetz hat. Art. 74 Ziffer 18 des Grundgesetzes gibt dem Bund das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiete des Grundstücksverkehrs, des Bodenrechts, des landwirtschaftlichen Pachtwesens, des Wohnungswesens, des Siedlungs- und des Heimstättenwesens. Das sind also gerade die Gebiete, auf die es hier ankommt.
Wenn dieser Antrag jetzt auf eine Beschleunigung der gesetzgeberischen Arbeiten drängt, dann aus dem Grunde: Wir leben heute in einer Zeit nicht nur einfach des Wiederaufbaues des Zerstörten, sondern des Neubaues ganzer Gebiete unserer Bundesrepublik. Es hat keinen Sinn, ein Baugesetz zu machen, wenn durch das, was jetzt entsteht, die künftige Planung von vornherein verpfuscht wird.
({1})
Wir müssen dafür sorgen, daß jetzt gleich vernünftige Dinge geschaffen werden können, daß viele
alte Zöpfe abgeschnitten werden, solange wir eben
noch das jetzige Bautempo mit 300- bis 350 000
Wohnungen im Jahre haben können - es einzuhalten haben wir uns als Programm hier in diesem
Hause gestellt -, und daß in dieser Zeit noch nach
({2})
dem Baugesetz gearbeitet werden kann. In normalen Zeiten mit einer zurückgehenden Bauquote, wenn die wesentlichen Wiederaufbau- und Neubauleistungen erbracht sind, ist ein solches Baugesetz zwar auch noch nützlich, aber nicht mehr so lebensnotwendig wie gerade heute.
Daher versuchen wir, hier etwas Druck dahinterzusetzen. Denken Sie doch nur an die Probleme der Baugestaltung in all den Gebieten, wohin jetzt im Zuge der Umsiedlung aus den übervölkerten Flüchtlingsländern die Heimatvertriebenen kommen. Wir alle wissen - es ist das kleine Einmaleins unserer täglichen Arbeit -, daß die Umsiedlung eine Frage des Wohnungsbaues ist, und diese Wohnungen müssen nach bestimmten Gesichtspunkten dorthin gesetzt werden, wo sie nicht nur in die Landschaft passen, sondern wo auch die Existenzmöglichkeiten vorhanden sind.
Wir brauchen also ein Baugesetz, das das ganze Gebiet des Bauens in die große Stadt- und Landesplanung eingliedert. Anders werden wir nicht vorankommen. Auf vielen Gebieten der Gesetzgebung hinkt die Bundesrepublik den anderen Ländern, die am Kriege teilgenommen haben, erheblich nach. Ich glaube, wir können von einer ganzen Reihe europäischer und außereuropäischer Länder eine ganze Masse auf diesem Gebiete lernen.
Wir haben zu unserer Freude gehört, daß die Bundesregierung von den gleichen Absichten beseelt sei. Was aber dann der Herr Minister über die Realisierung dieser Absichten uns hier erzählt hat, kann doch nur tief traurig stimmen.
({3})
Da ist also ein Referentenentwurf vor einem Jahre veröffentlicht worden, und zu unserem Erstaunen vernehmen wir, daß jetzt in diesen Tagen die Ressortbesprechungen über diesen Entwurf nicht etwa abgeschlossen sind - das würde eine ganz ordentliche Leistung sein -, sondern beginnen werden, nachdem der Entwurf schon ein Jahr veröffentlicht ist. Da kann man uns doch hier nicht sagen, die Bundesregierung sei von den gleichen Absichten beseelt, wenn dieser Entwurf so lange in der Schublade gesteckt hat,
({4})
aber nirgendwo öffentlich diskutiert worden ist und wenn alle die Vorbereitungsorgane der Gesetzgebung, die uns die Dinge hier vorpräparieren sollen, damit wir nachher zu endgültigen Beschlüssen kommen können, nicht einmal die Referentenbesprechungen weiter gefördert haben. Es wird also nützlich sein, den Herrn Wohnungsbauminister daran zu erinnern, daß wir es in diesem Hause nicht sehr gern sehen, wenn mit Entschließungen des Bundestages so umgegangen wird wie mit der Entschließung über das Baulandbeschaffungsgesetz. Der Gesetzentwurf hat uns auch erst mit einer Verspätung von fast zwei Jahren erreicht. Wir richten den dringenden Appell an das Ministerium, dann eben in seinem eigenen Apparat die erforderlichen Voraussetzungen für eine fruchtbare Arbeit auf diesem Gebiet zu schaffen.
({5})
An den Leuten scheint es mir gar nicht zu fehlen; es sind heute schon verschiedene genannt worden. Es scheint darauf anzukommen, daß die im Wohnungsbauministerium vorhandenen Fachleute wenigstens an die Arbeit gesetzt werden und dadurch die Möglichkeit erhalten, in dieser Frage voranzukommen.
Daher würde ich mich freuen, wenn außer den antragstellenden Parteien auch die anderen Parteien dieses Hauses unserem Antrag, der die entsprechenden Aufgaben der Bundesregierung vorzeichnet, einmütig zustimmen würden.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, als ob die Redner, die bisher gesprochen haben, viel zu großes Gewicht auf die Beschaffung von Bauland gelegt hätten. Wir haben ja doch über dieses Baulandbeschaffungsgesetz diskutiert. Wenn meine Fraktion diesen Antrag, der hier zur Debatte steht, mit unterschrieben hat, dann aus rein sachlichen Gründen. Insoweit kann ich einigen Ausführungen des Herrn Kollegen Albers, soweit sie sich auf die Baulandbeschaffung beziehen, nicht zustimmen.
Ich hätte gewünscht, daß man die sachliche Notwendigkeit eines Bundesbaugesetzes stärker herausgestellt hätte. Dazu kann ich nur einige Stichworte geben. In dem Antrag ist von der Regelung des allgemeinen Baurechts die Rede. Wir müssen feststellen, daß die technischen Errungenschaften des Bauingenieurwesens in den bisherigen baupolizeilichen Bestimmungen, die aus ganz alten Zeiten stammen, überhaupt keinen Niederschlag gefunden haben. Über das Stadt- und Landesplanungsrecht bestehen differenzierte Meinungen, da gehen die Bestimmungen in den Ländern auseinander. Aber gerade hier sollte man sich angesahts der Tatsache, daß die Bundesrepublik doch nur einen ganz kleinen Teil Europas oder gar der Welt darstellt, einmal überlegen, ob man nicht zu einer bundeseinheitlichen Auffassung über die Stadt- und Landesplanung kommen kann, vor allem weil dieses Problem ja doch im Mittelpunkt der Überlegungen der Architekten und Städtebauer der ganzen Welt steht.
In dem Antrag ist ferner das Anliegerrecht erwähnt. Auch die hierauf bezüglichen bisherigen Bestimmungen stammen aus vergangenen Zeiten, sie sind überaltert. Sie stimmen vor allem nicht mehr überein mit der Entwicklung des Verkehrs. Auch das Umlegungsrecht ist in den einzelnen Ländern verschieden geregelt. Zwar haben nach dem Zusammenbruch die Länder Aufbaugesetze geschaffen oder zumindest Umlegungsbestimmungen getroffen. Aber auch hier sollte man aus Gründen der Rechtsvereinheitlichung zu einer bundesgesetzlichen Regelung kommen. - Das, meine Damen und Herren, sind die sachlichen Gründe, die uns bewogen haben, diesem Antrag zuzustimmen.
Nun ein Wort zu dem Antrag des Herrn Vertreters der Bayernpartei. Er hat gebeten, diesen Antrag abzulehnen. Ich bitte, s einen Antrag abzulehnen.
({0})
Denn es ist doch viel gescheiter, meine Damen und Herren, wir schaffen hier ein bundeseinheitliches Baugesetz, als daß die elf Länder elf analoge Ländergesetze erlassen. Erstens werden wir hier trotz Verspätung und trotz aller Schwierigkeiten schneller damit fertig als die elf Länder. Wenn wir es diesen überlassen, ist das Problem bis 1955 noch nicht gelöst. Zweitens aber möchte ich daran erinnern - und das ist ein weiterer sachlicher Grund -, daß wir über 200 baugesetzliche Bestimmungen haben und daß ein großer Teil der bayerischen Baufirmen auch in anderen Ländern der
({1})
Bundesrepublik arbeitet. Diese Firmen müssen sich also immer wieder neu orientieren, was hier oder dort Gesetz ist und was nicht.
({2})
Meine Damen und Herren! Der Herr Wohnungsbauminister hat erklärt, der Termin des 31. Dezember sei z Wir sind bereit, im Ausschuß mit ihm über einen anderen Termin zu verhandeln. Als wir den Antrag einbrachten, war aber noch ein halbes Jahr Zeit; inzwischen ist es nur noch ein Vierteljahr. Immerhin sind, glaube ich, die Vorarbeiten inzwischen doch so weit gediehen, daß bereits ein Gerippe da ist. Wenn wir uns also im Ausschuß mit dem befassen, was im Ministerium bisher an Vorarbeit geleistet worden ist, so werden wir uns meiner Ansicht nach über einen angemessenen Termin verständigen können.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf die Einzelheiten des beabsichtigten Gesetzentwurfes, die von einigen der Herren Vorredner angeschnitten worden sind, nicht eingehen, sondern mich nur zu zwei grundsätzlichen Fragen äußern. Das eine ist die Frage der Zuständigkeit des Bundes. Hier stimme ich mit Herrn Kollegen Erler überein, daß die Zuständigkeit des Bundes für eine derartige Gesetzgebung zweifelsfrei gegeben erscheint. Aber aus dem von der Fraktion der Bayernpartei gestellten Antrag ersehen Sie, meine Damen und Herren, daß wir hinsichtlich dieser Zuständigkeitsfrage vielleicht doch noch mit Schwierigkeiten werden rechnen müssen.
Andere Ausführungen des Herrn Kollegen Erler scheinen mir aber der Sachlage nicht ganz Rechnung zu tragen. Sie haben im Augenblick wohl übersehen, Herr Kollege, daß wir in Anbetracht der Schwierigkeit einer umfassenden Gesetzgebung das Baulandbeschaffungsgesetz, dessen Charakter nur ein vorübergehender sein soll, vorweggenommen haben, daß dieses Gesetz in der Plenarsitzung des Bundestags vom 15. Juni behandelt worden ist und daß es zur Zeit, wie Sie wissen, dem Wohnungsbauausschuß vorliegt und dort eingehend besprochen werden wird. Das ist also eine Teilarbeit auf diesem Gesamtgebiet der Gesetzgebung.
Die Dinge liegen auch nicht etwa so, als ob man das Ministerium zu ernster Arbeit anhalten müsse. Die Schwierigkeiten liegen für uns nicht in der Fertigstellung der Entwürfe, auch nicht in der Beanspruchung meiner Mitarbeiter, sondern sie liegen darin, daß wir dann in den unendlichen Verhandlungen mit den unendlich vielen Instanzen unsere Ideen entweder durchsetzen oder abwandeln müssen. Wir haben dadurch, daß der erste Referentenentwurf dieses sehr schwierigen Gesetzes bisher zur öffentlichen Diskussion stand, keine Zeit verloren, sondern wir haben aus dieser Diskussion sehr wesentliche Gesichtspunkte gewonnen.
Ich kann mich bei der Schwierigkeit der Gesetzesmaterie, die Ihnen doch allen bekannt ist, auf Termine hier nicht festlegen. Aber ich glaube, Ihnen sagen zu können, daß wir im Frühjahr des nächsten Jahres einen Entwurf als Kabinettsbeschluß an die gesetzgebenden Körperschaften geben können; und das ist, glaube ich, bei der ungeheuren Schwierigkeit der Materie immerhin allerhand.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst ist von der Fraktion der Bayernpartei der Antrag gestellt worden, den' vorliegenden Antrag auf Drucksache Nr. 2442 für erledigt zu erklären. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Es ist dann weiter von der Bayernpartei beantragt worden, die Beratung des Antrags auf Drucksache Nr. 2442 bis zur Verabschiedung anderer Gesetze zurückzustellen. Meine Damen und Herren, ein solcher Antrag ist nach § 36 der Geschäftsordnung nicht zulässig. Zwar kann der Bundestag die Beratung eines Gegenstands auf bestimmte Zeit - bis zu vier Wochen - aussetzen; dazu muß aber der dahingehende Antrag gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen. Der vorliegende Antrag ist erst im Lauf der Diskussion gestellt. Ich bin also nicht in der Lage, darüber abstimmen zu lassen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den hier vorliegenden Antrag. Ein Überweisungsantrag an irgendeinen Ausschuß ist nicht gestellt; wir können also über diesen Antrag Drucksache Nr. 2442, der mir vorliegt, abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. -({0})
- Ich bin jetzt in der Abstimmung und' kann das Wort nicht mehr erteilen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit erheblicher Mehrheit angenommen.
Ich rufe nun Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Verkehrsbauten ({1}).
Der Ältestenrat hat für die Aussprache zu diesem Gegenstand 40 Minuten Redezeit vorgeschlagen. - Da nicht widersprochen wird, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Meyer ({2}).
Meyer ({3}) ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es im Laufe unserer zweijährigen Zusammenarbeit in diesem Hause immer wieder erleben müssen, daß aus den verschiedenen Fraktionen von Mitgliedern dieses Hauses Anträge an uns herangebracht wurden, diese oder jene im Interesse unserer Verkehrswirtschaft wichtigen Maßnahmen zu fördern. Wir haben dabei in der Einzelerörterung - insonderheit auch in den zuständigen Ausschüssen - feststellen müssen, daß uns im Grunde genommen keine Vorstellung davon gegeben werden kann, wie groß das Ausmaß der Verkehrsbauten ist, die wir für die deutsche Wirtschaft zu erstellen haben, und die aus den verschiedensten Gründen erforderlich sind, sei es, daß die vorhandenen Verkehrsbauten infolge Kriegseinwirkung zerstört oder beschädigt sind, sei es, daß Verkehrsbauten vor dem Beginn des Krieges bereits begonnen und infolge der Verhältnisse nach dem Krieg nicht fortgesetzt werden konnten, oder sei es, daß sich aus unserer verkehrswirtschaftlichen Situation überhaupt die Notwendigkeit ergab, neue Verkehrswege zu erschließen, um den Verkehrsbedürfnissen Rechnung tragen zu können. Es ist im Interesse der Arbeit des Hause: nicht tragbar und für seine einzelnen Mitglieder zweifellos nicht möglich, sachliche Entscheidungen
({5})
zu fällen - das ist jedenfalls der Eindruck, den wir bei den Beratungen im Hause erhalten haben -, ohne daß man überhaupt eine Vorstellung davon hat, um was für einen Aufwand an Kapital es sich handelt, wie groß der Umfang der zu leistenden Arbeit ist und in welcher Reihenfolge etwa die Dinge nach der Dringlichkeit abzuwickeln wären.
Das ist der Hintergrund unseres Antrags, und das sind die Beweggründe, die uns veranlaßt haben, diesen Antrag zu stellen. Dabei geben wir uns keinem Zweifel darüber hin, daß es eine Aufgabe von umfassender Bedeutung ist, den Gesamtumfang der erforderlichen Maßnahmen überhaupt darzustellen. Wir halten es aber für eine zwingende Notwendigkeit. Der Wunsch, das primäre Interesse an der Förderung unserer Wirtschaft auch von der Seite des Verkehrs her zu beleben, ist nur zu erfüllen, wenn man überhaupt eine Vorstellung hat von der Größenordnung der Aufgaben und der Reihenfolge, in der die Lösung dieser Aufgaben möglich erscheint. Wir halten eine solche Darstellung auch deshalb für notwendig, weil bei den verschiedensten Projekten, die in bezug auf Bereitstellung von Investitionsmitteln im Schoße der Bundesregierung erwogen werden mögen, die Zueinanderordnung der Dringlichkeit der verschiedenen Projekte es dringend erforderlich macht, daß die Verkehrswirtschaft von vornherein von ihrer primären Stellung her betrachtet wird.
Wir wollen aber auch nicht bestreiten, daß es uns die Erörterungen der Vergangenheit, die dahin resultierten, daß die einzelnen Verkehrsträger bei ihrem Vorbringen mit den verschiedensten Zahlenbegründungen gegeneinander arbeiteten, zwingend notwendig erscheinen lassen, daß man einmal von amtlicher Stelle her das Material aufbereitet, aus dem eindeutig hervorgeht, was überhaupt für die Förderung von Verkehrsbauten aus den heute zur Verfügung stehenden Mitteln geleistet werden kann. Mit anderen Worten, wir wollen mit unserem Antrag auch erreichen, daß die Bundesrepublik sich darüber klar wird, daß sie zwingende Aufgaben hat, z. B. in der Förderung ihrer eigenen Unternehmen. Wir haben in der Vergangenheit beispielsweise hinsichtlich der Förderung der Verkehrsanlagen der Deutschen Bundesbahn immer wieder erfahren, daß die Bundesbahn nicht gerade eine sehr vorrangige Stellung hat. Man hat sie allzu oft, wenn sie ihre eigenen Anlagen wieder in Ordnung bringen wollte, auf den Weg verwiesen, sich an alle möglichen Kapitalstellen zu wenden und sich darum zu bemühen, diese anzuzapfen, um die Instandsetzung ihrer Anlagen zu erreichen. Das gilt nicht nur für die Deutsche Bundesbahn, das gilt auch für die Förderung der Anlagen unserer Binnenschiffahrt, und das gilt im übertragenen Sinne auch für den deutschen Straßenverkehr.
Alle diese Gründe sind für uns die Veranlassung, Sie um Zustimmung zu dem Antrag zu bitten, durch welchen die Bundesregierung aufgefordert wird, in absehbarer Zeit einen Gesamtplan vorzulegen, der die verschiedensten Bedürfnisse bei der Förderung der Verkehrsbauten berücksichtigt. Ich bitte Sie deshalb namens meiner Fraktion, diesem Antrag zuzustimmen.
({6})
Das Wort wird zu diesem Gegenstand weiter nicht gewünscht. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist die Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß beantragt worden.
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Wenn dieser von dem Abgeordneten Meyer begründete Antrag verabschiedet und im Bundesverkehrsministerium bearbeitet ist, wird er uns ein ungeheures Zahlenmaterial erbringen. Dadurch wird sicherlich ein Streit um die Prioritäten beginnen. Ich glaube aber, grundsätzlich muß sich zunächst einmal der zuständige Ausschuß, in diesem Falle der Ausschuß für Verkehrswesen, mit den sachlichen Fragen, mit den Prioritäten befassen. Erst danach kann sich dann der Haushaltsausschuß mit den Möglichkeiten im Rahmen des Jahresetats beschäftigen.
Ich stelle daher den Antrag, die Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen als federführenden Ausschuß und außerdem an den Haushaltsausschuß vorzunehmen.
Also, meine Damen und Herren, es ist die Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen als federführenden Ausschuß und im weiteren an den Haushaltsausschuß beantragt worden.
({0})
- Wir wollen die Diskussion nicht erneuern. Ich kann nur über Anträge abstimmen lassen, die gestellt worden sind.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen als federführenden Ausschuß zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Weiter bitte ich diejenigen, die der zusätzlichen Überweisung an den Haushaltsausschuß zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Es bleibt also bei der ausschließlichen Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen.
Ich rufe nun auf Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Freilassung der an Frankreich ausgelieferten deutschen Staatsangehörigen - Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung der Begleitumstände dieser Auslieferung und Schließung der Werbebüros für die Fremdenlegion usw. ({1}).
Der Ältestenrat hat für die Begründung 15 Minuten und für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den 20. Juni sind in Westberlin, und zwar im britischen Sektor, insgesamt sechs Deutsche, ehemalige Angehörige der französischen Fremdenlegion, verhaftet worden.
({3})
Die Verhaftung erfolgte, soweit bekanntgeworden ist, auf Wunsch des französischen Stadtkommandanten. Diesem Wunsch war durch den britischen Stadtkommandanten stattgegeben worden, und die Verhaftung sowie die anschließende Auslieferung dieser deutschen Menschen wurde durch Organe der Stumm-Polizei mit Genehmigung des Magistrats in Westberlin durchgeführt. Wir haben hier also einen bewiesenen Fall von Menschenraub vor uns, eine Parallele zum Fall Kemritz.
({4})
Die von Deutschen und mit deutscher Hilfe verhafteten deutschen Menschen waren Angehörige der Fremdenlegion, der Fremdenlegion, die uns ja hier im Bundestag auf Grund von Anträgen unserer Fraktion mehrfach beschäftigt hat. Wieviel deutsche Menschen monatlich über die in Westdeutschland und. in Westberlin unterhaltenen Werbebüros in den militärischen Dienst des Auslands treten, wissen wir nur annähernd. Am 30. Januar 1950 schätzten die „Luzerner Neuesten Nachrichten" die Zahl der monatlich von den Werbern von sechs Staaten, darunter auch Spanien und Argentinien, auf westdeutschem Boden angeworbenen Deutschen auf 2 000 bis 2 500. Es gibt auch in deutschen Zeitungen der letzten Wochen und Monate Zahlen. So hat z. B. eine führende CDU-Zeitung in Rheinland-Pfalz noch vor einigen Wochen davon gesprochen, daß ihrer Meinung nach monatlich mindestens 4- bis 5 000 Menschen, deutsche Menschen, diesen Weg gehen.
Worum handelt es sich nun im vorliegenden Fall Diese sechs Deutschen, von denen einer, und zwar der ehemalige Fremdenlegionär Jack Holsten, bereits zum Tode verurteilt worden ist, sind aus Vietnam zum Teil geflohen, zum Teil wurden sie dort, wie das bei Jack Holsten der Fall ist, gefangengenommen. Ihre Rückkehr nach der DDR und von dort aus nach Westberlin erfolgte auf Grund eines regulären Vertrages zwischen der Regierung Ho-Tschi-Minh von Vietnam, der einzigen rechtmäßigen Regierung dieses Landes, und der Regierung der DDR, eines Vertrages, in dem man sich auf die gegenseitigen Behandlungs- und Rückführungsbedingungen dieser deutschen Menschen nach Deutschland geeinigt hat. Gleichzeitig mit diesem Vertrage wurde ein gemeinsamer Aufruf an die Deutschen bekanntgegeben, die in Vietnam im Rahmen der Fremdenlegion kämpfen, in dem sie aufgefordert werden, die Waffen niederzulegen und sich nicht mehr länger in diesem Kampf der französischen Kolonialherren gegen das Volk von Vietnam mißbrauchen zu lassen.
Darf ich noch etwas nachtragen. Als diese Menschen in Westberlin ankamen, hat sich bestimmt einer von ihnen, Jack Holsten, bei der britischen Behörde im Lancaster House gemeldet. Dort hat er auch auf die Tatsache hingewiesen, daß sein auf fünf Jahre lautender Verpflichtungsvertrag noch nicht abgelaufen sei. Man hat ihm in dem Hause der britischen Militärregierung ausdrücklich zugesichert, daß er beruhigt sein könne und daß er in Westberlin in der britischen Zone sicher sei. „Nein", das war die Antwort, „wir denken nicht daran, Sie auszuliefern. Kuriert euch erst einmal ordentlich aus."
Und nun zurück. Warum ist dieser Aufruf an die deutschen Menschen, die in Vietnam gegen das Volk von Vietnam kämpfen, die Waffen niederzulegen, erfolgt? Wie ist er berechtigt, worin ist er begründet? - Das Zentralorgan der französischen Kommunistischen Partei, „L`Humanité", schreibt im Zusammenhang mit dem Fall Holsten dazu folgendes:
Als die französische Regierung Henri Martin verurteilte, glaubte sie, ein Exempel zu statuieren. Aber das Urteil wirkte sich im Gegenteil gegen die Männer an der Macht aus. Die Unzufriedenheit nahm in der Marine und in der Armee zu. Die bisher zurückhaltend gebliebenen Heimkehrer begannen ihrerseits Zeugnis abzulegen. Überall erscholl immer lauter der Ruf: „Friede in Indochina!"
Deshalb verliert die französische Regierung den Kopf. Sie bietet den Kautschukplantagenbesitzern und Bankiers ein Sühneopfer an. Sie beschließt, in Berlin einen Deutschen des Expeditionskorps zu töten, weil er die Wahrheit über diesen Krieg in den renazifizierten Sektoren Berlins berichtet hat. Jack Holsten soll sterben . . .
So weit „L`Humanité". Und weiter:
Man kann nicht mit Plünderungen, Raubzügen, Morden, mit dem Anzünden von Städten, Dörfern und mit Massenhinrichtungen unschuldiger Menschen das Herz der Anamiten für Frankreich gewinnen ... Auf die Gefahr hin, einige Leute in Wut zu versetzen, erkläre ich, daß der Einsatz der Fremdenlegion hier den Interessen Frankreichs nicht gedient hat.
lind dann kommt ein Wort zugunsten Holstens. Es wird gesagt, daß der Fall Holsten ein Prüfstein auch für die Beziehungen des deutschen Volkes zum französischen Volke sei. Es handelt sich bei diesen deutschen Fremdenlegionären also um Menschen, die aus den Gefangenenlagern heraus, aus den Arbeitsämtern Westdeutschlands und Westberlins heraus, aus der Ausweglosigkeit heraus, die in Westdeutschland für die Jugend besteht, den Weg in die Fremdenlegion gegangen sind. Dort haben sie über Oran ihre Verschickung; nach Vietnam hinnehmen müssen, und dort in Vietnam haben sie an diesem dreckigen Krieg erkannt, worum es geht. Sie haben die Erkenntnis gewonnen, daß sie sich an den Völkern vergehen, die den Frieden und ihre nationale Freiheit erstreben, und daß sie als deutsche Menschen kein Recht darauf haben, auch nur eine Stunde länger für die französischen Plantagenbesitzer und gegen das Volk von Vietnam die Waffen zu tragen. Sie haben Schluß gemacht mit diesem dreckigen Krieg. Sie sind mit Hilfe der DDR in ihr deutsches Vaterland zurückgekehrt und werden nun mit Hilfe westdeutscher Polizei an ihre Henker in Frankreich ausgeliefert. Das ist die Situation.
Nun haben wir uns, wie ich schon sagte, hier in diesem Hause mehrfach mit dem Problem der Anwerbung deutscher Menschen beschäftigt. Wir Kommunisten haben im Februar dieses Jahres im Zusammenhang mit einer Anfrage auf Herausgabe der Zahlen über die Kriegsgefangenen die Regierung gefragt, wie es mit den Zahlen der deutschen Menschen stünde, die als ehemalige deutsche Kriegsgefangene in die Fremdenlegion überführt worden sind und auf dem Boden von Vietnam oder in der Sandwüste von Afrika den Tod gefunden haben. Wir haben am 8. März 1950 den Antrag eingebracht:
Die Bundesregierung wird beauftragt, bei der Hohen Kommission die sofortige Einstellung der Anwerbung von Deutschen im Bundesgebiet für fremde Militärdienste zu beantragen.
({5})
Dieser Antrag ging an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten; das schien also keine deutsche Angelegenheit zu sein. Von dort kam die Stellungnahme zurück:
Dieser Antrag wird durch die Einfügung des § 83 Abs. 1 in das Strafrechtsänderungsgesetz 1950 grundsätzlich als erledigt betrachtet.
Nun ist in diesem Strafrechtsänderungsgesetz bisher nichts geändert worden. Was in dem Strafgesetz geändert worden ist, das waren die Ausnahmebestimmungen gegen die Kämpfer für den Frieden in unserem Volk.
Es heißt dann weiter in der Empfehlung des Ausschusses:
Die Bundesregierung wird ersucht, durch Verhandlungen mit der Oberkommission zu erreichen, daß schon vor dem Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes die Anwerbung von Deutschen für ausländischen Militärdienst unterbleibt.
Darf ich vielleicht im Zusammenhang mit dieser Frage auch einen Satz aus der Antwort des Herrn Bundesministers der Justiz Dr. Dehler auf diesen Antrag zitieren. Er spricht davon, daß diese Änderung in das Strafrechtsgesetz eingefügt werden soll, und sagt dann:
Wir sehen vor, daß als Wehr- oder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht nicht der Dienst bei zwischenstaatlichen Einrichtungen gilt, die wir im Grundgesetz vorgesehen haben.
Ich erinnere im Zusammenhang mit dem Problem
der Fremdenlegion daran, weil wir hier die absolute Zustimmung unserer Bundesregierung zu
den inzwischen gebildeten und - wie bewiesen werden kann - bereits jetzt zu militärischen Diensten eingesetzten Arbeitskommandos der Besatzungsmächte haben.
Als wir von der Regierung keine Antwort darauf bekamen, was sie in den von uns geforderten Bemühungen auf dem Petersberg in puncto Einstellung der Werbungen erreicht hat, haben wir am 7. Oktober noch einmal beantragt: „Der Bundestag wolle beschließen: Deutschen Staatsangehörigen ist der militärische Dienst bei bewaffneten Einheiten fremder Mächte verboten." Wir forderten, daß der Bundesregierung die Verpflichtung auferlegt werden sollte, die Landesregierungen anzuweisen, deutsche Staatsangehörige, die sich dem Versuch der Werbung widersetzen, in jeder Beziehung und Richtung zu schützen. Wir haben erleben müssen, daß dieser Antrag ohne jeden Erfolg in den großen Korb der von der Mehrheit dieses Hauses als gegenstandslos bezeichneten Anträge der Kommunisten geworfen worden ist.
Nun, wie ist die Situation? Wir haben hier den offensichtlichen Zustand festzustellen, daß im Kampf um die Einstellung der Werbung deutscher Menschen auf westdeutschem Boden und dem Boden Westberlins ein klares Versagen unserer Adenauer-Regierung vorliegt. Diese Regierung hat nichts unternommen, hat zum mindesten nicht erreicht, daß diese sogar nach dem Grundgesetz eindeutig verbotene Anwerbung von Deutschen auf deutschem Boden für ausländische Militärdienste eingestellt wird. Das ist ein Tatbestand. Wir klagen also auch die Adenauer-Regierung dafür an, daß diese sechs deutschen Menschen ihren französischen Henkern in die Hände gespielt worden sind.
({6}) Wir klagen sie an. Auch die Verhältnisse hier in Westdeutschland sind dafür verantwortlich, daß deutsche Jungens als einzigen Ausweg aus ihrer hoffnungslosen Situation den - ({7})
- Aue? Ja, wagen Sie denn überhaupt einen Vergleich zu ziehen zwischen der Lage der Jugend in
der DDR und hier? Was ist denn los? Dort haben
wir vor uns eine gesunde, eine aufsteigende
Jugend, dort haben wir - da lesen Sie doch gelegentlich einmal Ihre eigenen Zeitungen - eine
Jugend, die jede Möglichkeit des Aufstiegs hat,
dort haben wir eine Jugend vor uns, die in Frieden
arbeitet und die für den Frieden kämpft. Und hier
in Westdeutschland haben wir eine Jugend, die
gerade Sie und Ihre Fraktion liebend gern noch
einmal für den Krieg zu opfern bereit sind, auch
für den Krieg dieser französischen Plantageherren.
({8})
So ist die Situation. Wir haben hier eine Jugend ohne Aussicht, ohne Existenzmöglichkeit, eine Jugend ohne Aufstiegsmöglichkeit. Kommen Sie nicht mehr mit der DDR! Sollten die Erlebnisse, die Sie auf Ihrem so künstlich aufgezogenen Jugendtreffen auf der Lorelei hatten,
({9})
Ihnen nicht den Unterschied zwischen freier deutscher Jugend und der Jugend, die nur die Aufgabe erfüllen soll, Ihre innen- und außenpolitischen Ziele
({10})
zu untermauern, klargemacht haben? So liegen die Dinge.
Wir fordern also von der Regierung, daß sie auf dem Petersberg noch einmal ganz eindeutig zum Ausdruck bringt: Schluß mit der Werbung von deutschen Menschen auf deutschem Boden! Wir verlangen aber auch von Ihnen, die Sie sich so um den Fall Kemritz - und mit Recht, sagen wir - erregt haben,
({11})
daß Sie unserem Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zustimmen, der bis in die letzten Winkel hinein klären soll, wer und welche deutschen Stellen an diesem Menschenraub verantwortlich mitgewirkt haben. Wir wollen den Anteil der Polizei von Berlin, dieser Stumm-Polizei, genau kennen, wir wollen wissen, ob hier westdeutsche Organe verschiedener Länderregierungen oder gar der Bundesregierung in diesem Spiel eingesetzt wurden. Vor allen Dingen wollen wir, daß der Bundestag sich zu diesen deutschen Menschen bekennt. Wir wollen, daß der deutsche Bundestag sich einmütig aufrafft, die Regierung zu beauftragen, von der Hohen Kommission die Aufhebung des Todesurteils gegen Jack Holsten, die sofortige Freilassung der Ausgelieferten und das Recht auf Rückkehr in ihre Heimatorte bzw. nach Deutschland zu fordern.
({12})
Das verlangen wir von Ihnen und hoffen, daß Sie so viel deutschen Mut und so viel deutsche Gesinnung aufbringen, daß Sie diesem unserem Antrage zustimmen.
({13})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Antrag, der uns vorliegt, geht es um Schicksale von deutschen Menschen, um Schicksale, die uns alle angehen, hier in unserem Haus, unser Volk aber ebenso. Ich muß Herrn Kollegen Renner allerdings abstreiten, daß gerade er der beste Fürsprecher dieser Menschen ist.
({0})
Um diesen Menschen in ihrer furchtbaren Lage dienen zu können, ist es im Augenblick nicht ratsam, hier im Plenum diese Frage zu behandeln.
({1})
Wir dienen ihnen besser, wenn wir darüber im Augenblick nicht sprechen. Ich beantrage also, diesen Antrag dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.
({2})
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, den vorliegenden Antrag der KPD dem Ausschuß für Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
({0})
Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben.
({1})
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist Punkt 16 der Tagesordnung erledigt.
({2})
- Herr Abgeordneter Renner, ich bitte doch um Ruhe. Sie sind ruhig angehört worden. Es ist nicht nötig, daß Sie zur Abwicklung der verschiedenen Anträge nun noch Begleitmusik machen.
({3})
Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung: Beratung der Übersicht Nr. 36 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({4}).
Ich bitte diejenigen, die den Anträgen zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich komme nun zu Punkt 18:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({5}).
Dazu ist angeregt worden, den Antrag der Abgeordneten Dr. Müller und Genossen auf Drucksache Nr. 2486 ebenfalls in dieses Verzeichnis der Anträge aufzunehmen.
({6})
-Das ist der Antrag betreffend Zuckerversorgung.
({7})
Der sollte auf Wunsch der Antragsteller noch in den Sammelantrag aufgenommen werden. Sie wollen widersprechen?
({8})
- Dann kann ich jetzt darüber nicht abstimmen lassen. Es bleibt also zunächst bei der besonderen Behandlung des Antrages. Wir stimmen daher nur ab über den Antrag Umdruck Nr. 301. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist so beschlossen.
Damit sind wir am Ende unserer heutigen Tagesordnung.
Ich bin gebeten worden, noch darauf hinzuweisen, daß wir in der nächsten Sitzung am 18. September den Besuch einer Reihe von englischen Parlamentariern, Vertretern des englischen Unterhauses, hier haben werden.
Ich berufe die nächste, die 163. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Dienstag, den 18. September 1951, 13 Uhr 30.
Die 162. Sitzung ist geschlossen.