Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Her-i en! Ich eröffne die 157. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Aufmerksamkeit far die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Punder, Dr. Nowack ({0}), Dr. Henle, Dr. Bertram, Frau Dr. Steinbiß, Wirths, Heiland, Jacobi und Dr.-Ing. Decker.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, die heutige Tagesordnung zu ergänzen urn den Mündhchen Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz sowie den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP betreffend die Wahl von Mitgliedern des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe. Ich darf annehmen,
daß das Haus mit dieser Ergänzung der Tagesordnung einverstanden ist. - Dias ist der Fall.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. Juni 1951 die Anfrage Nr. 196 der Fraktion der SPD betreffend Steigerung der Dieseltreibstoffpreise - Drucksache Nr. 2309 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2420 vervielfältigt werden.
Der Herr Bundeskanzler hat in Ausführung der Beschlüsse des Bundestages in seiner 131. Sitzung über die Papierversorgung für Zeitungen berichtet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 2358 vervielfältigt.
Zur Geschäftsordnung wünscht das Wort Herr Abgeordneter Hennig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich mache dem Hohen Hause den Vorschlag, für den einen Tag heute probeweise die vom Altestenrat vorgesehene Redezeit auf die Hälfte herabzusetzen,
({0})
große Beratungsgegenstände ausgenommen. Ich bitte alle Redelustigen, zu bedenken, daß manchmal die nicht gehaltenen Reden die besten sind,
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nämlich dann, wenn sie nicht gehalten zu werden brauchten.
Dem Herrn Präsidenten möchte ich die Bitte unterbreiten, strenger darauf zu achten, daß hier keine vorbereiteten Manuskripte abgelesen werden.
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Meine Damen und Herren! In dem Wunsch, die Debatten möglichst abzukürzen, sind wir, glaube ich, alle einig. Das Ablesen von Manuskripten ist natürlich ein geschäftsordnungswidriges Verhalten. Ich hoffe, daß wir, nachdem wir die neue Geschäftsordnung beschlossen haben, in dieser Frage zu positiveren Ergebnissen kommen. Das wollen wir heute nicht erörtern.
Im übrigen glaube ich, daß der Ältestenrat sehr viel vernünftige Mühe daran wendet, zu einzelnen Punkten der Tagesordnung Redezeiten vorzuschlagen, die angemessen sind. Wahrscheinlich sind wir dadurch das am wenigsten redelustige Parlament der Welt geworden. Eine generelle Beschränkung und Herabsetzung der Redezeit scheint mir geschäftsordnungsmäßig nicht möglich zu sein. Man könnte bloß zu einzelnen Punkten der Tagesordnung den Antrag stellen, diese Redezeiten im einzelnen Fall herabzusetzen.
Ich glaube, daß ich den Antrag des Herrn Kollegen Hennig als einen allgemeinen Appell wider die „Redelustigkeit" empfinden darf, den jeder ernst nehmen wird.
({0})
Aber das ausgerechnet nun bei der bedeutsamen Debatte zu Punkt 1 der Tagesordnung zu exerzieren, würde ich nicht für zweckmäßig halten. Darf ich vorschlagen, daß wir zunächst bei Punkt 1 der Tagesordnung bei der vorgesehenen Redezeit bleiben.
Herr Abgeordneter Mellies, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich bin leider gezwungen, darauf hinzuweisen, daß es sich bei dem Vorschlag des Abgeordneten Hennig um einen rein persönlichen Vorschlag und nicht um einen Vorschlag der Sozialdemokratischen Fraktion handelt.
({0})
Meine Damen und Herren, ich hatte Ihnen vorgeschragen, es bei der vorgesehenen Redezeitbegrenzung zu Punkt 1 der Tagesordnung zu belassen. Ist das Haus aamat einverstanden? - Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß und Genossen betreftend Rede des französischen Hochkommissars an der
Saar ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Saarfrage ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 30 Minuten und eine Ausspracnezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist, wie ich feststelle, damit einverstanden.
Bei dieser Gelegenheit darf ich an Sie, meine Damen und herren, appellieren. Ich furchte, daß ein Teil der Verzögerungen in unseren Debatten nicht durch die Festsetzung langer Redezeiten, sondern durch die Unruhe im Hause entsteht. Wir haben alle gemeinsam die Möglichkeit, daran mitzuwirken, daß diese Debatten schneller vonstatten gehen und wir zu einer ruhigeren Arbeit kommen.
Ich bitte zunächst zur Begründung des Antrags zu Punkt 1 a der Tagesordnung Herrn Abgeordneten Strauß.
Strauß ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des französischen Hochkommissars an der Saar, Monsieur Grandval; hat uns zu dem Antrag veranlaßt, der Ihnen in Drucksache Nr. 2298 vorliegt. Es ist keine gute Stunde gewesen, als Herr Grandval am 2. Juni 1951 bei der Jubilarehrung in den ehemaligen Röchlingschen Eisenwerken, die jetzt unter Sequester Frankreichs stehen, diese Rede gehalten hat. Wenige Tage zuvor, am 30. Mai 1951, hatten die Bundesregierung und der Bundestag zu der Saarfrage sich in einer im großen und ganzen einmütigen, vor allen Dingen aber unmißverständlichen und trotzdem maßvollen Weise geäußert und den deutschen Standpunkt klar herausgearbeitet. Als nächstes wäre Frankreich am Zuge gewesen, es wäre an der französischen Regierung gewesen, nun auf das deutsche Vorbringen und die praktisch einmütige Stellungnahme des Bundestags und der Bundesregierung zu antworten. Diese Antwort hätte aber auf keinen Fall in einer beinahe präjudizierenden Weise von dem französischen Hochkommissar an der Saar, Herrn Grandval, erteilt werden dürfen. Ohne weiteres wäre es möglich gewesen, auch von dieser Seite aus einen Weg aufzuzeigen, wie man die Saarfrage in einer vernünftigen und demokratischen, das heißt in einer
europäischen Weise regeln kann, wozu wir, um das vornweg mit allem Nachdruck festzustellen, unsere Dereitschaft bekundet haben.
Offenbar hatte es M. .Grandval sehr eilig, eine Antwort vom französischen Standpunkt aus zu präjudizieren. Diese Eile legt uns den Verdacht und die Annahme nahe, daß er einen Grund hatte, die offizielle französische Antwort vorwegzunehmen. Vielleicht hatte er sie zu fürchten. Hatte er vielleicht eine Veranlassung, fragen wir heute, ihr diese Richtung zu weisen? Wir dürfen eines, glaube ich, feststellen, und diese Feststellung wird sicher in weiten französischen Kreisen geteilt werden: M. Grandval hätte damit dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland keinen guten Dienst erwiesen, selbst wenn man ihm zubilligen wollte, daß er ein bedeutender oder wichtiger Mann in den großen politischen Entscheidungen wäre, was aber Gott sei Dank nicht der Fall ist.
Mit dieser Rede von Monsieur Grandval am 2. Juni 1951 in den Röchlingschen Stahlwerken verbinden sich einige Interviews gegenüber einer französischen und einer englischen Zeitung, die im Geist, in Inhalt und Gedankengang im großen und ganzen dieser Rede entsprechen und sie noch zu verstärken und zu vertiefen versuchen.
Eher, als wir erwartet haben, sind der Punkt 1 und der Punkt 3 unseres Antrags in der Drucksache Nr. 2298 in einer beinahe befriedigenden Form von M. Grandval selbst erledigt worden. Er hat sehr rasch und sehr kurz nach der Drucklegung dieses Antrags erklärt, es liege kein genauer Wortlaut dieser Rede vor, weil er sie an Hand stenographischer Notizen aus dem Stegreif gehalten habe. Es vergingen auch einige Stunden, bis man der auf französisch gehaltenen Rede eine deutsche Übersetzung folgen ließ, die ihr etwas von der Schärfe genommen hat, die ursprünglich wohl in noch größerem Maße darin lag. Aus der Tatsache, daß er diese Rede aus dem Stegreif gehalten habe, schlußfolgerte er dann, er habe selbstverständlich keinen Auftrag des Quai d'Orsay erhalten, diese Rede zu halten.
Für uns waren diese beiden Feststellungen sehr interessant. Aus ihnen geht einmal hervor, daß er Grund hat, zu erklären, er sei nicht beauftragt worden, und daß er zum anderen Grund hat, zu sagen, die Rede sei aus dem Stegreif gehalten worden, und deshalb müsse man ihr vielleicht doch einiges zubilligen, was nicht dem offiziellen französischen Standpunkt entspreche.
Uns interessiert an diesem Antrag heute, wo die Aussprache darüber stattfindet, in der Hauptsache noch ,der Punkt 2, in dem die Bundesregierung ersucht wird, festzustellen, ob die französische Regierung offiziell mit dem Inhalt der Rede des franzosischen Hochkommissars an der Saar sich einverstanden erklärt. Die neue französische Regierung ist noch nicht gebildet. Ihr wird es obliegen, eine Antwort auf ,die Regierungserklärung vom 30. Mai 1951 und eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Die Feststellungen und die Behauptungen, die in der Rede des französischen Hochkommissars an der Saar getroffen und aufgestellt worden sind, interessieren uns nicht deshalb, weil sie von ihm getroffen worden sind. Wir halten an der Tatsache fest, daß M. Grandval als Politiker und als Kommissar keine so bedeutende Persönlichkeit darstellt, als daß er es sich leisten könnte, den französischen, Standpunkt kompetent zu formulieren.
({3})
({4})
- Herr Kollege Carlo Schmid, Sie sollten mit Ihrem Zwischenruf nicht eine Persönlichkeit zu einer Bedeutung stempeln, die ihr wirklich nicht zukommt.
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Uns interessierten aus grundsätzlichen Erwägungen einige Feststellungen und Behauptungen, die in der Rede und in den Interviews des M. Grandval wiedergegeben worden sind.
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- Für uns, Kollege Renner, ist manches eins, manches aber auch nicht eins, und wo wir mit Ihnen nicht eins sind, ,das wissen wir ganz genau. Uns interessiert nicht so sehr die Persönlichkeit des Herrn Grandval. Es wäre vielleicht interessant festzustellen, warum er Grund hatte, seinen ursprünglichen Namen zu verleugnen. Es besteht ja wohl kein Zweifel daran, daß er ursprünglich nicht Grandval hieß, sondern den Namen Hirsch-Ollendors trug. Es ist wohl auch kein Zweifel daran, daß deutsch entweder seine Muttersprache oder eine seiner beiden Muttersprachen gewesen ist. Es ist auch kein Zweifel daran, ({7})
- Haben Sie deshalb Sympathien für ihn? - Es ist auch kein Zweifel daran, daß er als Chef des Partisanenkrieges in Frankreich-Ost tätig gewesen ist.
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- Ich bitte, den Moskauer Lautsprecher abzustellen.
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- Eines aber interessiert uns an den Feststellungen und Behauptungen des M. Grandval: daß aus ihnen noch ein Fühlen und Denken der Résistance spricht, das heute gegenüber der Bundesrepublik und ihrer Politik nicht mehr angebracht ist. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn Fühlen und Denken der Résistance eher eingesetzt hätten, schon vor dem zweiten Weltkrieg. Jedenfalls ist es aber falsch, Fühlen und Denken der Résistance auf die Bundesrepublik, auf die deutsche Bevölkerung in der Bundesrepublik und auf die Bundesregierung zu übertragen. Für uns gibt es auch in unserem Verhältnis zu Frankreich nur eine auf Europa orientierte Politik. Es ist aber auch Zeit, daß Frankreich und Deutschland trotz solcher Reden, trotz solcher Persönlichkeiten aus der Vorstellungswelt des politischen Gestern herauskommen, die aus solchen Reden spricht. Das gilt in gleicher Weise für uns wie für drüben. Wir wollen keinen Konflikt, auch keinen Saarkonflikt, mit Frankreich, weil er ein politischer Anachronismus ist und weil er den höheren Zielen von morgen widerspricht. Man soll uns aber nicht durch solche Reden den Konflikt mit aller Gewalt aufzwingen und die Geister einer für beide Völker unseligen Vergangenheit wachrufen.
Aus den Reden und Interviews des M. Grandval sind einige Punkte herauszustellen, zu denen wir gerade heute, da die Saarfrage ein Prüfstein der Geister in beiden Völkern, ein Prüfstein der Demokratie, ein Prüfstein dafür geworden ist, ob Europa zustandekommen kann, einige klare und deutliche Worte zu sagen haben. Grandval hat in seinen Reden die Saarfrage mit dem Schuman-Plan verquickt und dargestellt, daß Frankreich ohne die Saar 27% der Kohle- und Stahlerzeugung in die Montan-Union einbringe, Deutschland aber mit der Saar 42% - Frankreich mit der Saar 34%, Deutschland ohne die Saar 35%. Diese Prozentrechnung ist genau das, was dem Geist, dem Inhalt und den Zielen des Schuman-Plans widerspricht. Allein die Konstruktion der Hohen Behörde mit zwei Vertretern Deutschlands, zwei Vertretern Frankreichs, zwei Vertretern Italiens, einem Vertreter Belgiens, einem Vertreter Hollands, einem Vertreter Luxemburgs zeigt schon genau auf, daß ein Denken in Prozenten nicht dem Geist und den Grundlagen des Schuman-Plans entspricht. Darum sollte man auch nicht die Saarfrage dazu benutzen, um Prozentrechnungen über die Quoten der einzelnen Länder im Schuman-Plan aufzustellen.
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Man kann nicht auf der einen Seite sagen, der Schuman-Plan löse die Saarfrage automatisch, weil er Kohle und Stahl aus der nationalen iSphäre heraushebt, und auf der andern Seite dieses Argument wieder zunichte machen, indem man etwa argumentiert, schon wegen des Schuman-Plans sei eine einseitige Regelung der Saarfrage, zugunsten Frankreichs etwa, notwendig. Hier wird der Schuman-Plan, eine revolutionäre, fortschrittliche politische Idee, für ein Denken der Restaurationspolitik mißbraucht, das nie wieder hätte aufkommen sollen.
Der Schuman-Plan verträgt es auch nicht, daß er von Herrn Grandval umgefälscht wird in eine Politik der Einseitigkeit, wie sie in den saarländisch-französischen Konventionen sehr klar zum Ausdruck kommt. Frankreich sollte daran denken, daß sein Partner in der Saarfrage nicht die Regierung Johannes Hoffmann mit ihrer Umgebung ist; der Partner Frankreichs in der Saarfrage ist die Bundesrepublik, ist die Bundesregierung und das deutsche Volk. Jede andere Praxis wäre ein Monolog, wäre ein Gespräch vor dem Spiegel, wäre ein Gespräch, das vielleicht von Eitelkeit zeugte, das vielleicht befriedigte, aber ein Gespräch, das außerstande wäre, Lösungen von Bestand, von Dauer zu schaffen.
Zu einem zweiten Punkt: Man sagt, die Bundesrepublik solle nicht vergessen, daß Deutschland einen Krieg verloren habe. an dem Frankreich keine Schuld trage. - Meine Damen und Herren! Wir sind uns wohl der Rolle bewußt, die die damalige deutsche Regierung in der Frage des Krieges und der Kriegsschuld gespielt hat. Wir sind uns dabei aber auch zweier anderer Tatsachen bewußt: Zunächst der Tatsache, daß die Politik, deren Geist heute noch aus M. Grandval spricht, dazu beigetragen hat, die damalige deutsche Regierung 1933 in den Sattel zu heben. Es steht fest, daß man in der Zeit vor 1933 deutschen demokratischen ,Staatsmännern - mögen sie die Namen Stresemann, Brüning oder andere Namen getragen haben - das verweigert hat, was man hernach dem Diktator als eine Selbstverständlichkeit geschenkt hat.
Und zweitens kommen wir auch nicht um die Tatsache herum, daß man auch drüben gegenüber dem Diktator nicht die Haltung gezeigt hat, die einen Widerstand des deutschen Volkes gegen dieses System unterstützt hätte. Darum ist es überholt, heute davon zu sprechen, die Bundesrepublik solle nicht vergessen, daß Deutschland einen Krieg
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verloren habe, an idem Frankreich nicht schuld sei. Die Schuldfrage heute und in diesem Zusammenhang aufzurollen, ist verfehlt. Wir halten uns an das Wort Churchills in Straßburg: Wer über die Vergangenheit zu Gericht sitzt, der verspielt und verliert die Zukunft. Das gilt für Frankreich, das gilt genau so für Deutschland.
In der Rede Grandvals heißt es weiterhin, daß das Saarstatut und das Statut der Bundesrepublik denselben Ausgangspunkt hätten. Diese Darstellung der Verhältnisse bedeutet nicht nur eine grobe Entstellung der Tatsachen; sie ist in Wirklichkeit auch eine grobe Geschmacklosigkeit. Deutschland hat nie aufgehört, zu existieren.
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- Bitte, Herr Kollege?
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Deutschland hat nie aufgehört, zu existieren. Die Bundesrepublik ist heute, wie im Grundgesetz festgelegt ist, allein legitimiert, für das ganze deutsche Volk, also auch für diejenigen mitzusprechen und mitzuhandeln, die sich an dem Zustandekommen des freien politischen Willens nicht beteiligen konnten.
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Ich möchte hier mit aller Klarheit herausstellen, daß es nicht im geringsten irgend etwas mit einem nationalistischen Denken zu tun hat, wenn wir seinerzeit gegen das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes protestiert haben. Es hat nicht das geringste mit der Unterstützung einiger Persönlichkeiten zu tun, die irgendwelcher Taten oder Äußerungen beschuldigt werden. Für uns handelt es sich einfach darum, daß im Laufställchen des Herrn Johannes Hoffmann keinerlei Opposition geschaffen werden sollte.
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- Wenn Sie von den Verhältnissen keine Ahnung haben, halten Sie doch den Mund! - Es handelt sich darum: Auch im Saargebiet muß eine Opposition zugelassen werden, die dem Willen und den Wünschen weiter Kreise der Bevölkerung Rechnung trägt und deren Dasein eine Einseitigkeit vermeidet.
Es heißt weiter, daß die Grundrechte an der Saar besser als in der Bundesrepublik gewahrt seien. In der Gegenwart - und das ist auch die Meinung sogar eines Teils der saarländischen Presse - sind im Saargebiet nicht einmal die Voraussetzungen für die Wahrung der Grundrechte vorhanden. Wir in der Bundesrepublik bemühen uns, aus den Grundrechten etwas zu machen,
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ihnen Geltung zu verleihen. Wir bemühen uns, sie zu einer moralischen Waffe gegen alle Feinde der Grundrechte zu machen und können deshalb diese Behauptung des französischen Hochkommissars nicht hinnehmen.
Es heißt zum Schluß, eine Volksabstimmung sei undemokratisch und gefährde das deutsch-französische Verhältnis. In diesem Zusammenhang hat Herr Grandval an das Drama von Pirmasens in den zwanziger Jahren erinnert, als die Kämpfe zwischen Separatisten und der deutsch gesinnten Bevölkerung stattgefunden haben.
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Wir können die beruhigende Versicherung abgeben, daß es uns völlig fernliegt, sei es jetzt, sei
es später etwa mit Gewalt vorzugehen. Hier wird eine Welt heraufbeschworen, mit der wir gar nichts zu tun haben. Es handelt sich einfach um einen demokratischen Ablauf dieser Frage, an der wir nicht nur aus ideellen, am allerwenigsten aber etwa aus Prestigegründen interessiert sind. Das deutsche Volk kann heute auch trotz der Rede, die Monsieur Grandval gehalten hat, zwischen der Haltung und dem Denken des französischen Volkes, das mit uns eine gemeinsame europäische Zukunft wünscht, und den Äußerungen Grandvals unterscheiden, der damit weder der französischen Politik noch dem deutsch-französischen Verhältnis noch etwa einer vernünftigen Regelung der Saarfrage einen Dienst erwiesen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man hat in der Kritik der Aussprache im Deutschen Bundestag über die Saarfrage, die in der Saarpresse und auch in offiziellen Verlautbarungen saarländischer Regierungspolitiker geübt wurde, an einem Punkt besonderen Anstoß genommen. Man behauptete, es sei wohl eine Reihe politischer Reden gehalten und es sei wohl eine Reihe politischer Grundsätze, falscher und richtiger, vorgebracht worden, man sei aber an einer Tatsache vorbeigegangen: an der Tatsache, ein wirtschaftlicher Anschluß oder eine wirtschaftliche Zusammengehörigkeit des Saargebiets und der Bundesrepublik würde schwerwiegende Nachteile für die Saarbevölkerung und für seine Arbeits-und Wirtschaftsverhältnisse mit sich bringen. Aus diesem Grunde wird auf der einen Seite gesagt, das Saargebiet habe im Osten keine Ernährungsbasis, es sei gegenüber der deutschen Industrie nicht konkurrenzfähig, ein Verlust an Arbeitsplätzen und eine steigende Arbeitslosigkeit seien zu befürchten. Zum Schluß kam aus dem Munde von Herrn Johannes Hoffmann noch hinzu, daß in diesem Fall auch die Aufnahme von Heimatvertriebenen zu befürchten sei. Als Anreiz wurde noch hinzugefügt, der Verteidigungsbeitrag könne ja für das Saargebiet dann auch in Geld abgeleistet werden.
Diese Vorstellungen und Behauptungen, die in Widerspruch nicht nur zu den wirtschaftlichen Tatsachen, sondern auch zu jeder vernünftigen Lösung und jeder vernünftigen Haltung stehen, müssen mit einigen Zahlen - leider richtiggestellt werden. Wenn man Zahlen einander gegenüberstellt, die sich auf Frankreich und das Saarland beziehen, muß man sich vor Augen halten, daß das Saarland 920 000 Einwohner und Frankreich 41 Millionen Einwohner zählt. Das Verhältnis der saarländischen zur französischen Bevölkerung beträgt also 1 : 45. Die saarländische Stahlerzeugung beträgt jährlich rund 2,3 Millionen t, die Stahlerzeugung Frankreichs dagegen 9,2 Millionen t, das Verhältnis ist also hier 1 : 4. Die saarländischen Bergwerke fördern zur Zeit 17 Millionen t Kohle pro Jahr, die französischen rund 50 Millionen t, was ein Verhältnis von 1 : 3 ergibt. Wenn wir die französischen Gesamtinvestitionsziffern während der Jahre 1948, 1949 und 1950 mit den entsprechenden Zahlen des Saarlandes vergleichen, ergibt sich folgende Gegenüberstellung: In Frankreich sind in diesen drei Jahren rund 3000 Milliarden Francs investiert worden. Diesen französischen Investitionsziffern dürften kaum im Verhältnis zur Produktions- und Bevölkerungsquote entsprechende saarländische Investitionsziffern gegenüberstehen. Die saarländischen Regierungsstellen haben - ob mit Absicht oder aus Nachlässigkeit sei offengelassen - keine
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Untersuchung über die saarländischen Gesamtinvestitionen seit dem- wirtschaftlichen Anschluß angestellt, obwohl sie von Investitionsplanungen reden. Nach den vorliegenden Unterlagen dürften die saarländischen Investitionen während der Jahre 1948, 1949 und 1950 nicht mehr als 40 bis 45 Milliarden Francs betragen. Nimmt man für die saarländischen Investitionen einen Höchstbetrag von 45 Milliarden an, dann ergibt sich, verglichen mit 1: 67. Dieses Verhältnis ist denkbar ungünstig für die
Dieses Verhältnis ist denkbar ungünstig für die Saar, wenn man es zur Bevölkerungsziffer und zur Produktionskapazität in Beziehung setzt.
Genaue Zahlen liegen uns über die Investitionen in den Bergwerken vor. In saarländischen Gruben wurden in den Jahren 1947 bis 1950 13,4 Millarden Francs investiert, in französischen Gruben während derselben Zeit 212 Milliarden Francs. Das ergibt ein Verhältnis von 1:16, ein Verhältnis, das keinesfalls der Kohlenförderungsquote 1:3 entspricht.
In der saarländischen eisenschaffenden Industrie wurden nach dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich 539 Millionen Francs aus MarshallplanGegenwertmitteln investiert. Was darüber hinaus aus Selbstfinanzierung oder Bankkrediten angelegt wurde, ist nicht bekannt, dürfte aber unerheblich sein. In Frankreich wurden in diesen drei Jahren 1947, 1948 und 1949 in der eisenschaffenden Industrie etwa 74,4 Milliarden Francs investiert. Die Zahl für 1950 ist noch nicht bekannt.
Dasselbe Mißverhältnis kommt zum Ausdruck, wenn man die bisherige Aufteilung der Marshallplan-Gelder einer Untersuchung unterzieht. Das Saarland erhielt von 1948 bis 1950 5,3 Milliarden Francs, Frankreich 1948 bis 1950 533 Milliarden Francs. Das ist ein Verhältnis 1:100.
Man kann vielleicht am besten eine französische Zeitschrift als Zeugen anführen. In Nr. 18 der Wochenzeitschrift „Perspective" vom Samstag, dem 12. Mai 1951, schreibt ein Mann namens J. R., wahrscheinlich Jean Rivire, folgende Zeilen:
Wenn das Saarland in der Periode des wirtschaftlichen Aufschwungs ein sehr schätzenswertes industrielles Kohle- und Stahl-Potential darstellt, so würde es indessen über Nacht eine außerordentlich schwierige Belastung in Krisenzeiten werden, wie dies der Fall war während der ersten sechs Monate des Jahrens 1950. Saarländische Kohle und Stahl, die in Frankreich im Rahmen der Union einen breiten Absatzmarkt finden, können unseren Kohlengruben und mehr noch unserer eisenschaffenden Industrie Konkurrenz machen. Diese Befürchtungen treten besonders in unseren östlichen Departements in Erscheinung. Auf der industriellen Ebene rechnen die lothringischen Gruben, die eine sehr beachtliche Anstrengung machen, um die Kohlenförderung zu vergrößern, damit, diese von 7,5 Millionen Tonnen im Jahre 1947 auf 15 Millionen Tonnen im Jahre 1955 zu erhöhen.
Mit diesen Zahlen soll nur dargelegt werden, daß die wirtschaftlichen Interessen des Saarlandes nicht einseitig festgelegt werden können und auch bezüglich ihrer Zweckmäßigkeit nicht einseitig festliegen. Süddeutschland wird, was es immer gewesen ist, ein maßgebender Absatzmarkt für das Saarland bleiben. Eine einseitige Orientierung der saarländischen Wirtschaft wird der Bevölkerung dort selbst und unmittelbar schaden. Und letzten Endes sollte man ja die Frage der politischen und verwaltungsmäßigen bzw. staatsrechtlichen Zugehörigkeit nicht mit der wirtschaftlichen Frage in Verbindung bringen, die auf europäischer Ebene ohne weiteres gelöst werden kann.
Wenn die saarländische Regierung heute der Bundesrepublik unberechtigte Intervention vorwirft, so möchte ich zum Schluß nur noch etwas erwähnen, was die Aufmerksamkeit im besonderen des Herrn Innenministers verdient. Die saarländische Eisenbahn führt seit einiger Zeit laufend Sonderzüge nach der Mosel, dem Rhein und der Pfalz durch, die nebenbei bemerkt im Handumdrehen ausverkauft sind. Der Genuß von Wein und andere Unbeschwertheiten scheinen die Zungen zu lockern. Das Absingen des Saarliedes, das von deutscher Seite aus nicht irgendwie veranlaßt ist, und heftige Kritik an der Saarregierung haben das besondere Mißfallen der hohen Herren der Saarregierung erregt. Der Herr Innenminister - wie bekannt Dr. Hector, französischer Staatsangehörigkeit - ist nun auf eine neue Methode verfallen. Er läßt diese Sonderzüge durch Polizeibeamte in Zivil begleiten.
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Was gedenken Sie, Herr Innenminister, gegen die Ausführung der Befehle des saarländischen Innenministers auf Bundesgebiet zu unternehmen? Was würde die Saarregierung, was würde Frankreich dazu sagen, wenn deutsche Bereitschaftspolizei oder Kriminalpolizei in Zivil ihre Tätigkeit im Saargebiet ausüben würde? Dort ist es ja nicht einmal möglich, daß Abgeordnete des Deutschen Bundestages in schlichtem Zivil und in aller Einfachheit auftreten oder auch nur die Grenze überschreiten, wenn es den dortigen Machthabern nicht paßt.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe festgestellt, daß die Punkte 1 und 3 des Antrages auf Drucksache Nr. 2298 praktisch mit der von uns noch gar nicht erwarteten Äußerung des Hochkommissars an der Saar bereits erledigt sind. Es liegt aber in unserm allgemeinen Interesse, festzustellen, ob die offizielle Auffassung und die offizielle Haltung der französischen Regierung den Äußerungen des M. Grandval entspricht oder ob der Geist, der heute weite Kreise des deutschen und französischen Volkes und seiner politisch führenden Schichten verbindet, uns zu einer vernünftigen, demokratischen und europäischen Lösung im Saargebiet zusammenbringen kann.
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Zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Ollenhauer!
Ollenhauer ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat den heute zur Beratung stehenden Antrag eingebracht, weil die Entwicklung der Saarfrage nach unserer Auffassung weiterhin äußerst beunruhigend ist und weil wir vor der Tatsache stehen, daß die Bundesregierung dieser Entwicklung gegenüber in völliger Passivität verharrt.
Ich möchte heute morgen keines der Argumente wiederholen, die in der Debatte am 30. Mai eine Rolle gespielt haben, insbesondere in der Rede meines Freundes Carlo Schmid. Ich möchte nur auf einige Tatsachen hinweisen, die sich seitdem gezeigt haben,
({1})
Das Beunruhigende ist nach unserer Auffassung, daß die französische Saarpolitik seit der Unterzeichnung des Schumanplans und seit dem Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Außenminister Schuman neue Tatsachen an der Saar schafft, die die dauernde politische Loslösung des Saargebiets fördern. Die Hoffnung des Herrn Bundeskanzlers, der Schumanplan und der Briefwechsel mit dem Außenminister Schuman würden das Saarproblem allmählich auflösen, erfüllt sich offensichtlich nicht. Im Gegenteil, die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler einen Vertrag unterzeichnet hat, in dem ausdrücklich die Vertretung des Saargebiets durch Frankreich festgelegt ist, hat, wie sich jetzt schon zeigt, die französische Position in der Saarfrage erheblich verstärkt, und der Briefwechsel bleibt demgegenüber ohne jedes faktische Gewicht.
Der Herr Außenminister Schuman hat die französische Position in bezug auf die Saar nach dem 18. April in verschiedenen Erklärungen und Pressekonferenzen völlig klar dargelegt. Frankreich will ein autonomes Regime an der Saar, und es will dieses Regime auf die Dauer. Es wird die Aufrechterhaltung dieses Zustandes auch bei zukünftigen Friedensverhandlungen fordern. Das zweite ist, daß wir durch die Ereignisse der letzten Wochen vor der Tatsache stehen, daß sich Frankreich durch den Briefwechsel nicht verpflichtet fühlt, an der Saar bis zum Friedensvertrag stillzuhalten.
({2})
Sie haben in den letzten Tagen in der Presse die Meldungen gelesen, daß man das sogenannte Hochkommissariat an der Saar in eine Botschaft verwandeln will, und die französische Regierung hat erklärt, daß sie die Verstärkung des autonomen Charakters des Saargebiets ohne Rücksicht auf die Tatsache der Unterzeichnung des Schumanplans in vollem Umfang und so schnell wie möglich durchführen will.
({3})
Auch diese Entscheidungen der französischen Regierung erfolgen wie alle früheren Entscheidungen über das Schicksal des Saargebiets ohne eine wirklich demokratische und freie Entscheidung der Menschen an der Saar.
({4})
Wir müssen damit rechnen, daß diese Umwandlung des Saargebiets in einen autonomen Staat in den nächsten Wochen weiter vorangetrieben wird. Schließlich stehen wir auch, jedenfalls nach den Entwicklungen der letzten Woche, vor der Tatsache, daß sich die These unserer Bundesregierung, mit dem Inkrafttreten des Schumanplans würden alle Voraussetzungen und Gründe wegfallen, die bisher die französische Politik an der Saar bestimmt haben, nicht aufrechterhalten läßt, daß sie insbesondere von der französischen Seite völlig abgelehnt wird.
Ich möchte Herrn Grandval nicht die Bedeutung zumessen, die Herr Strauß ihm hier in der Begründung seines Antrags gegeben hat.
({5})
Der Antrag von Herrn Strauß ist in diesem Sinne ein Antrag, der seinem Namen durchaus gerecht wird. Da hat der Herr Strauß den Kopf in den Sand gesteckt.
({6})
Das heißt: es geht hier gar nicht in erster Linie um die Frage der Absichten und der Ziele, die Herr Grandval verkündet.
({7})
Auf der andern Seite stehen wir allerdings vor der Tatsache, daß - insbesondere seit der Unterzeichnung des Schumanplans - Herr Grandval als der höchste französische Beamte an der Saar wiederholt noch offener und eindeutiger über französische politische Ziele an der Saar gesprochen hat als der Herr Außenminister Schuman.
Ich möchte in diesem Zusammenhang Ihre Aufmerksamkeit auf eine Tatsache lenken, die nach unserer Meinung in den kommenden Diskussionen über den Schumanplan für die deutsche Entscheidung von großer Bedeutung ist: Der Presse- und Informationsdienst der Bundesregierung vom 9. Juni - also auch sicher nach Ihrer Meinung und nach der Meinung der Regierung eine zuverlässige Informationsquelle - hat einen Auszug aus einem Interview von Herrn Grandval veröffentlicht. In diesem Auszug heißt es:
Es ist ein Irrtum, zu glauben, daß die europäische Montanunion die Saarautonomie und den wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich unnötig mache. Die Gemeinschaft der Montanunion setzt ein Gleichgewicht zwischen den Partnern voraus, das empfindlich gestört wird, wenn man die Saar Deutschland zuschlage.
({8})
Das heißt doch: die dauernde Loslösung der Saar von Deutschland ist nach dieser Auffassung sozusagen eine fundamentale Voraussetzung, ein fundamentaler Bestandteil der neuen ökonomischen Ordnung, die durch den Schumanplan geschaffen werden soll. Und dieser Schumanplan ist vom Herrn Bundeskanzler unterzeichnet worden. Er gilt, wie Sie wissen, für 50 Jahre.
Ich will hier nur auf diesen Tatbestand aufmerksam machen. Ich hoffe, daß der Herr Bundeskanzler, wenn er in der nächsten Zeit dem Hohen Hause das Ratifizierungsgesetz zum Schumanplan vorlegt, dem Parlament eine Erklärung darüber abgeben wird, wie die französische Regierung offiziell und verbindlich zu den Äußerungen des Herrn Grandval Stellung genommen hat.
({9})
Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß ein deutsches Parlament einen Vertrag ratifizieren kann, der nach französischer Auffassung auf der Voraussetzung basiert, daß er nur funktionieren und von Frankreich angenommen werden kann, wenn damit die dauernde Loslösung eines deutschen Gebiets von Deutschland verbunden ist.
({10})
- Entschuldigen Sie, ich habe den Herrn Bundeskanzler gebeten, im Parlament darüber Auskunft zu geben, ob die französische Regierung diese weitgehenden Äußerungen des Herrn Grandval tatsächlich als ihre Auffassung anerkennt.
({11})
({12})
U Angesichts dieser neuen Etwicklung in der französischen Saarpolitik ist nach unserer Aufassung eine Fortsetzung der Politik des Stillhaltens und des Gewährenlassens durch die deutsche Bundesregierung völlig unmöglich. Es geht nicht darum, daß man, wie uns gesagt worden ist, die deutsch-französischen Beziehungen nicht immer durch fortgesetzte Saardebatten von neuem belasten dürfe. Es ist nicht unsere Schuld, daß sich die Dinge so entwickelt haben. Wir sind nach wie vor für eine deutsch-französische Zusammenarbeit. Wir sind für Verhandlungen, und wir stehen unverändert zu dem Vorschlag Dr. Schumachers in seiner Rede vom 10. März 1950, einem Vorschlag, der Verhandlungen mit Frankreich anregte, die bedeutungsvoller sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsverhandlungen hervorbringen können, die schließlich zu einem französisch-deutschen Freundschaftsvertrag führen können. Was wir bedauern und beklagen, ist, daß in der Zwischenzeit unsere Regierung in dieser Richtung keine Initiative entfaltet hat.
({13})
Sie hat den Beitritt der Saar zum Europarat auf der gleichen Ebene wie die Bundesrepublik hingenommen.
({14})
Sie hat jetzt durch die Unterzeichnung des Schumanplans die französische Position in der Saarfrage zweifelsfrei gestärkt. Wir meinen, sie muß endlich als ihre Pflicht erkennen, daß sie als deutsche Regierung genau so für die Saar zu sprechen hat wie für die Menschen in der Ostzone.
({15})
Wir verstehen auch nicht, warum sich die deutsche Bundesregierung in ihrem praktischen Verhalten nicht auf den Beschluß der New Yorker Außenministerkonferenz bezieht, an dem ja die französische Regierung mitgewirkt hat und dem sie zugestimmt hat. In diesem Beschluß ist die Bundesregierung als die einzig legitime deutsche Regierung anerkannt worden,
({16})
und diese Anerkennung schließt auch die Vertretung des Saargebiets durch die Bundesregierung ein; denn das Saargebiet gilt, wiederum nach den Entscheidungen der Alliierten, als deutsches Staatsgebiet. In jedem Fall: die Erfahrungen mit dem Schumanplan in der Vergangenheit zeigen, daß die Bundesregierung keine Verträge und Abkommen abschließen darf, die direkt oder indirekt die Lösung eines deutschen Gebietsteils wie die Saar sanktionieren, verstärken oder herbeiführen.
({17})
Meine Damen und Herren, es geht dabei nicht nur um die Wahrung eines Rechtsanspruchs des deutschen Volkes; es geht vor allem auch um die Menschen an der Saar. Ich will in diesem Zusammenhang wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht auf den wirklichen Charakter der sogenannten „wirtschaftlichen Zusammenarbeit" zwischen der Saar und Frankreich eingehen. Es' ist ein sehr trübes Kapitel,
({18})
und diese Zusammenarbeit trägt in der Praxis vielmehr den Charakter einer weitgehenden Protektoratsbehandlung des Saargebiets unter französischer Führung, und ich muß leider sagen: auch
einer weitgehenden wirtschaftlichen Ausbeutung des Saargebiets, einseitig zugunsten Frankreichs.
({19})
Aber, meine Damen und Herren, ohne in Einzelheiten über dieses Problem einzugehen, möchte ich darauf hinweisen, daß sich seit der Unterzeichnung des Schumanplans der totalitäre Zug der französischen Politik und ihrer Helfer an der Saar wesentlich verschärft hat. Ich will hier nicht noch einmal das Verbot der Demokratischen Partei an der Saar behandeln.
({20})
Die Tatsache, daß es auf Verlangen des französischen Außenministers erfolgt ist, ist eines der trübsten Kapitel französischer Saarpolitik nach 1945.
({21})
Das Verbot ist ein Schlag gegen jede demokratische Gesinnung und Praxis.
({22})
Heute wissen wir, daß es der Beginn einer neuen Ara der Unterdrückung demokratischer Freiheiten und Rechte ist. Ich weiß, das ist ein sehr hartes Urteil gegenüber einem Land, dessen Volk eine so stolze freiheitliche und demokratische Tradition hat wie das französische. Aber Tatsache ist, daß es heute an der Saar keine echte Opposition gegen die Protektoratsregierung gibt,
({23})
daß es an der Saar keine Pressefreiheit gibt und daß es an der Saar keine Koalitionsfreiheit gibt. Alle wesentlichen Grundrechte der Konvention des Europarats über die Menschenrechte werden an der Saar ständig verletzt. Man unterbindet nicht nur die politische Aktivität, man geht auch dazu über, die Menschen, die aus ihrer oppositionellen Haltung gegenüber dem gegenwärtigen Regime an der Saar öffentlich kein Hehl machen, auch ihrer wirtschaftlichen Existenz zu berauben mit Mitteln, die wir bisher nur in Diktatur-Staaten gekannt haben.
({24})
- Ich meine mit Diktaturen auch die kommunistische Herrschaft in der Ostzone, meine Damen und Herren.
({25})
Das Bedeutsame dabei ist, daß heute die Saarbevölkerung nicht die Möglichkeit hat, frei und ohne Furcht ihre wahre Meinung zu äußern.
({26})
Das zweite: In der Begründung des Verbots der Demokratischen Partei der Saar ist offiziell erklärt worden, daß jede Stellungnahme gegen das jetzige Regime an der Saar staatsfeindlich und verfassungswidrig ist. Schließlich hat man festgestellt, daß Verbindungen mit Deutschland oder deutschen Politikern als Verbindungen mit dem Ausland anzusehen und als unzulässig zu betrachten sind.
({27})
Meine Damen und Herren, das ist ein Zustand, den wir als deutsche Bundesrepublik und den die deutsche Bundesregierung nicht länger stillschweigend hinnehmen können.
({28})
({29})
Es ist wirklich nicht die Schuld des deutschen Volkes, wenn jetzt und gerade im 'Zeichen des Schumanplanes an der Saar eine Situation entsteht, die nach unserer Überzeugung die deutsche Regierung einfach zwingen muß, für die Menschen an der Saar zu sprechen, weil sie nicht mehr frei sind, für sich selbst zu sprechen.
({30})
Sprechen heißt bestimmt nicht schreien; aber das gegenwärtige Schweigen der Regierung in diesen Fragen ist einfach unerträglich.
({31})
Meine Damen und Herren, es gibt noch einen anderen sehr wesentlichen Punkt. Die Saarländer haben unter den gegenwärtigen Bedingungen keine Möglichkeit, in irgendeinem europäischen Gremium ihr Recht zu suchen. Es ist, glaube ich, die Pflicht der Bundesregierung, hier initiativ zu werden. Es ist die Aufgabe, eine unaufschiebbare Aufgabe der Regierung, im Ministerrat des Europarates die Frage nach den gegenwärtigen Zuständen an der Saar aufzuwerfen.
({32})
und vom Europarat eine Untersuchung darüber zu verlangen, ob angesichts der gegenwärtigen undemokratischen Zustände an der Saar die Saar noch die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Europarat erfüllt.
({33})
Das ist im Augenblick praktisch die einzige Möglichkeit, den Menschen an der Saar wenigstens die elementaren Grundrechte einer Demokratie zu sichern. Wir hoffen, daß sich die Bundesregierung endlich entschließt, in dieser Frage und in dieser Richtung aktiv zu werden.
Meine Damen und Herren, wir sind gar nicht glücklich darüber, daß wir diese Frage heute erneut auf die Tagesordnung bringen mußten. Wir hätten gewünscht, daß insbesondere nach der Debatte vom 30. Mai und angesichts der Ereignisse der letzten Wochen die Regierung von sich aus gehandelt hätte.
({34})
Der Umstand, daß jetzt an der Saar durch die Schaffung neuer Tatsachen die Tendenzen für eine dauernde Loslösung des Saargebietes verstärkt werden, zwingt uns, die deutsche Position, wie wir sie in den Punkten 1 bis 3 unseres Antrages festgelegt haben, noch einmal völlig klarzumachen; und mit der Annahme durch den Bundestag soll' sie auch eine verpflichtende Richtlinie für die Politik der Bundesregierung werden.
Es kann und es muß eine französisch-deutsche Verständigung auch über die gemeinsamen Interessen an der Saar geben. Aber es muß eine Verständigung zwischen Paris und Bonn sein. Die Hinnahme einseitiger Entscheidungen, die Passivität in der berechtigten Verteidigung nationaler Interessen und der Freiheits- und Menschenrechte deutscher Menschen führt uns nicht vorwärts. Dauernde französisch-deutsche Verständigung und europäische Zusammenarbeit sind . nur auf der Basis der Respektierung der Lebensrechte aller Völker und aller Menschen möglich.
({35})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich nehme an, daß bei der Beratung des Schumanplans noch über die Saarfrage geredet werden wird, und enthalte mich deswegen heute der Ausführungen über diese Zusammenhänge.
({0})
Ich will darauf nur insoweit eingehen, als mich einige Angaben des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, die von ihm offenbar irrtümlich gemacht worden sind, dazu nötigen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte voranschicken, daß ich es nicht für eine sehr gute Politik halte, wenn wir hier alle sechs Wochen eine große Saardebatte haben,
({2})
und daß ich es noch weniger für eine gute Politik in der Saarfrage halte, wenn wir uns immer wieder durch Reden des Herrn Grandval dazu provozieren lassen.
({3})
Herr Grandval hat durch die Behandlung seiner Interviews und seiner Reden in Deutschland allmählich in der Welt ein Ansehen bekommen, das ihm in keiner Weise zukommt.
({4})
Ich habe keine Veranlassung, mich mit Herrn Grandval auseinanderzusetzen.
({5})
Ich werde mich über die Saarfrage mit denjenigen Stellen zu unterhalten haben, die für das Geschick der Saar zuständig sind.
({6})
Das sind Frankreich, England und die Vereinigten Staaten.
({7})
- Ich bin eben objektiv, Herr Renner!
({8})
Meine Damen und Herren, es ist unrichtig, wenn Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat, daß wir, die Bundesregierung, die Vertretung der Saar durch Frankreich im Schumanplan anerkannt hätten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Es ist ebenfalls nicht richtig, was Herr Abgeordneter Ollenhauer gesagt hat: meine These sei, daß sich durch die Unterzeichnung des Schumanplans die ganze Saarfrage lösen werde. Ich habe folgendes gesagt. Ich habe erklärt, daß die französische Saarpolitik, die ich von Grund auf für falsch halte,
({9})
daß die französische Saarpolitik, die nach dem Zusammenbruch ihren Anfang genommen habe, aus folgender Erwägung heraus beschlossen worden sei. Man habe geglaubt, daß Saareisen und Saarkohle einer deutschen Wiederaufrüstung gegen Frankreich zugute kommen würden. Ich habe weiter gesagt, daß die französische Politik in bezug auf die Saar damals diesen Weg eingeschlagen habe, weil sie in Deutschland ihren potentiellen Kriegsgegner erblickt habe. Ich habe dann ferner
({10})
ausgeführt: wenn infolge des Schumanpians die Saarkohle und das Saareisen zu europäischer Kohle und zu europäischem Eisen geworden seien, entfalle diese These der französischen Regierung von 1946. Ich habe weiter ausgeführt - und das bitte ich zu beachten, Herr Kollege Ollenhauer -, daß sich durch die politische Entwicklung seit dem Jahre 1946 in Europa ganz klar und eindeutig herausgestellt habe, daß Deutschland kein potentieller Kriegsgegner Frankreichs sei und daß, wenn erst durch den Schumanplan die Integration Europas wirklich ihren Anfang genommen habe, auch jeder damals von Frankreich für seine Saarpolitik angeführte Grund entfalle.
({11})
Das sind meine Ausführungen gewesen, und, meine Damen und Herren, diese Ausführungen halte ich nach wie vor für richtig.
Herr Abgeordneter Ollenhauer hat ferner gesagt, es sei weiter untragbar, daß die Bundesregierung stillehalte und alles gewähren lasse. Meine Damen und Herren, diese Annahme des Herrn Ollenhauer ist völlig unrichtig.
({12})
Am 29. Mai dieses Jahres habe ich an die Hohe Kommission, die ja auch nach Ansicht der Partei des Herrn Ollenhauer die Inhaberin der obersten Gewalt an der Saar ist, die offizielle Bitte gerichtet, dafür zu sorgen, daß an der Saar die demokratischen Grundrechte gewährleistet würden. Ich habe bisher eine Antwort darauf nicht erhalten. Das wundert mich nicht, meine Damen und Herren;
({13}) denn vergessen Sie nicht, daß seit dem Abgang dieser Note erst sechs Wochen verstrichen sind und es sich dabei um eine Frage handelt, die nicht etwa auf dem Petersberg entschieden wird, sondern die durch Austausch von Meinungen zwischen den drei Hauptstädten der Westalliierten entschieden werden muß.
Es ist auch nicht zutreffend, daß die Bundesregierung die Teilnahme der Saar am Europarat auf gleicher Ebene hingenommen habe. Tatsache ist, daß die Saar im Europarat nicht auf gleicher Ebene wie die Bundesrepublik vertreten ist.
({14})
Denn die Saar hat im Ministerrat des Europarats keine Stimme.
Ich bin weiter der Auffassung, daß es nicht richtig sein würde, wie Herr Kollege Ollenhauer gesagt hat, im Europarat klarzumachen, daß die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft des Saargebiets im Europarat deswegen nicht gegeben seien, weil dort die demokratischen Grundrechte nicht beobachtet würden. Ich bin der Auffassung, daß überhaupt keine Voraussetzungen für die Teilnahme der Saar im Europarat in irgendeiner Form gegeben sind.
({15})
Meine Damen und Herren, ich möchte dann weiter hier betonen, daß ich bei der letzten Verhandlung dieser Angelegenheit im Bundestag am 30. Mai 1951 ausdrücklich erklärt habe, daß ich die ganze Frage im Ministerrat des Europarates zur Sprache bringen würde;
({16})
und ich werde das auch tun.
({17}) Es kann also gar keine Rede davon sein, daß die Bundesregierung in der Saarfrage alles passiv hinnehme.
({18})
Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen.
({19}) Aber, glauben Sie mir das eine: wir schaden nur unseren Brüdern und Schwestern an der Saar, wenn wir hier aus mir nicht recht ersichtlichen Gründen ständig Saardebatten hervorrufen.
({20})
- Ja, eine Rede des Herrn Grandval ist in meinen Augen kein ersichtlicher Grund!
({21})
Ich spreche hier nicht als Mitglied der CDU/CSU-Fraktion, sondern als Bundeskanzler,
({22})
und als Bundeskanzler muß ich unter Umständen anders sprechen als als Mitglied einer Fraktion.
({23})
Ich bitte Sie, die Debatte nicht zu vertiefen. Glauben Sie mir, sie liegt - auch nach den Besprechungen, die ich darüber mit den maßgebenden Vertretern der Vereinigten Staaten gehabt habe ({24})
nicht im Interesse der Saarbevölkerung. Ich bitte Sie, alle diese Anträge dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten zu überweisen.
({25})
Das Wort hat Herr Abgegeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde sind mit den vom Herrn Bundeskanzler erklärten Prinzipien in der Behandlung der Saarfrage voll einverstanden.
({0})
Auch wir haben es lebhaft bedauert, daß am heutigen Tage diese Debatte stattfinden mußte. Wir sind der Auffassung, genau wie es der Herr Bundeskanzler dargelegt hat, daß wir in unserem ganzen Verhalten gerade gegenüber diesem wichtigen nationalen Anliegen jene Festigkeit der Haltung und Besonnenheit in der Form an den Tag zu legen haben, die allein die Dinge vorwärtsbringen können.
Meine politischen Freunde legen aber Wert auf die Feststellung, daß der Regierungspolitik in dieser Frage nicht das Tempo vorgeschrieben werden kann, das ihr die sozialdemokratische Opposition zu geben beabsichtigt.
({1})
Es ist eine vollkommene Verkennung der Tatsachen, wenn die Regierung gewissermaßen unter
dem Druck der von der Sozialdemokratischen Partei erzeugten öffentlichen Meinung vorwärtsgestoßen wird. Bitte, sehen Sie sich die Situation an der
Saar an, wie sie noch vor einem Jahr gewesen ist,
({2})
({3})
und vergleichen Sie damit die Position, die Deutschland durch die Politik der deutschen Bundesregierung erreicht hat, die Position im Hinblick auf den Briefwechsel im Anschluß an die Unterzeichnung des Schumanplans. Zum erstenmal ist da gegenüber der reinen Willkürmaßnahme, gegenüber jener willkürlichen Ausweitung angeblicher Rechte, die nicht aus dem Besatzungsregime hergeleitet werden können, wieder eine praktische Rechtsposition gewonnen worden, aus der heraus die Saarbevölkerung als ein Teil des deutschen Volkes verteidigt werden kann.
({4})
Es kann keinerlei Zweifeln unterliegen, daß die Saar deutsch war, deutsch ist und deutsch bleiben wird. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß bei der Behandlung des Schicksals der Saar insbesondere auch die Interessen der Saarbevölkerung zu beachten sind. Die Saarbevölkerung als ein Teil der deutschen Bevölkerung braucht den Frieden. Wir sind mit der sozialdemokratischen Opposition darin einig, daß erstens die französische Regierung - was sie niemals verhehlt hat - de facto eine Politik betrieben hat, die auf eine Abtrennung dieses Teiles Deutschlands hinzielt, und zweitens im Gebiet der Saar Verhältnisse herrschen, die mit den Prinzipien, auf denen der Europarat aufgebaut ist und die alle Demokratien des Westens anerkennen, in keiner Weise übereinstimmen. Wir sind tief befriedigt von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, daß die in dieser Beziehung möglichen und wirksamen Schritte beim Ministerrat des Europarates eingeleitet werden.
Wir verwahren uns aber gegen eine Behandlung dieser Probleme im Bereich der Illusionen, d. h. dagegen, daß man so tut, als ob man durch eine Argumentation, durch Debatten und Proteste etwas erreichen könnte. Wir wünschen auch auf diesem Gebiet eine Politik, die zunächst einmal die Positionen gestaltet und sichert, die es uns ermöglichen, um unser gutes Recht zu kämpfen. Die Bundesregierung hat - das sei festgestellt - in keinem Stadium ihres Wirkens jemals eine Möglichkeit versäumt, die geeignet war, die Aussichten im Ringen um unser Recht und .damit auch um das Recht der Saarbevölkerung zu verbessern.
Vor allen Dingen aber verwahren wir uns dagegen, daß - wie dies aus den Darlegungen des Herrn Sprechers der Sozialdemokratie hervorging - von irgendeiner Parallelität oder Gleichsetzung des Problems an der Saar mit dem Geschehen im Osten gesprochen wird. Jede auch noch so leise Anspielung, die die Haltung der Bundesregierung mit der Haltung einer Regierung, wie sie in der sowjetisch besetzten Zone amtiert, gleichstellt, lehnen wir als grobe Verkennung des gesamten Problems entschieden ab. Wir sind der Überzeugung, daß das Ringen um einen Bestandteil unseres deutschen Landes in jedem Stadium verknüpft werden muß mit einer konstruktiven Politik, die unserem europäischen Kontinent den Frieden gibt und ihn als die höchste und wichtigste gemeinsame Sache für die Zukunft sichert. Wir sehen keinen anderen Weg, Deutschland aus dem schweren Schicksal seiner Niederlage herauszuführen, als unsere tätige Mitarbeit an jener konstruktiven Politik der Eingliederung unseres Landes in den europäischen Zusammenhang und damit eine Sicherung, eine Befriedung dieses Kontinents überhaupt. Jener konstruktive Weg, der auch dazu führen muß, die gegenseitigen Wunden und Spannungen zu überwinden, wird zugleich der richtige Weg sein, um
unsere Belange - und dazu gehören vor allem auch die Belange der deutschen Bevölkerung an der Saar - richtig zu verteidigen und zu wahren. Es hat keinen Sinn, immer wieder hier den Protest aufzüngeln zu lassen. Die möglichen Taten sind von der Bundesregierung getan worden. Die unmöglichen Proteste können die Situation nur verschlimmern. Die Auffassung meiner politischen Freunde in dieser Frage ist: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold! Aber in dieser Frage ist bestimmt Haltung, echte, klare und konstruktive Haltung, das einzig Wirksame.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht nur die Saarfrage liegt dem deutschen Volke so sehr am Herzen. Es gibt auch andere Fragen, wie die Kriegsgefangenenfrage, die Ostzone, die Besatzungsfragen. Alle diese Fragen, an die wir taglich denken, wollten wir gern morgen alle lösen. Aber mit den Debatten in diesem Hause und den Wiederholungen ist es eben nicht geschehen. Man darf doch bei der Saarfrage die großen Relationen nicht vergessen. Der Ostblock umfaßt etwa 34 Millionen Quadratkilometer und etwa 800 Millionen Menschen. Der Westblock umfaßt etwa 54 Millionen Quadratkilometer und auch etwa 800 Millionen Menschen. Die Saar umfaßt 2500 Quadratkilometer und 1 Million Menschen. Wenn ich das sage, verkenne ich die Bedeutung der Saar nicht! Aber man muß bei der Behandlung einer Frage auch an die Gesamtrelation denken, und diese ist, in diesem Zusammenhang betrachtet, 1 zu 40 000 geographisch und 1 zu 2000 der Bevölkerung nach! Auch ein Floh kann einen Menschen sehr argern. Aber deshalb schlägt man nicht mit Knüppeln auf ihn und schießt nicht mit Pistolen darauf! Auch ein Auge kann einen Menschen einmal sehr irritieren. Die Reaktion eines kleinen Kindes geht dahin, daß es sich reibt, so lange reibt, bis sich das Auge entzündet und den ganzen Organismus des Menschen schädigt. Um das Kind .von solchen Manieren abzubringen, klopft man ihm auf die Finger. Auch den politischen Kindern!
({0})
Ich habe es begrüßt, daß der Herr Bundeskanzler selbst sich schon so scharf gegen die schädigende Wiederholung einer Debatte ausgesprochen hat. Er hat - fast zuviel - noch einmal die Argumente aufgegriffen, die im wesentlichen, so gut und so richtig sie waren, doch nichts Neues gebracht haben. In dieser Wiederholung haben wir nur den glücklichen und glänzenden Eindruck, den die erste Saardebatte in Deutschland und in der Welt gemacht hat, verflacht und herabgesetzt. Tatsächlich hat doch die Regierungserklärung des Bundeskanzlers in der ersten Aussprache am 30. Mai alles enthalten, was zu der Frage zu sagen war, insbesondere - das hat er heute wieder betont - das Argument: Wir haben dort politische und wirtschaftliche Interessen, die Franzosen haben nur wirtschaftliche Interessen. Wir haben a plus b, und die Franzosen a. Eliminiert man durch den Schumanplan auf beiden Seiten a, dann bleibt eben nur auf unserer Seite b stehen. Das ist eine arithmetische Rechnung.
({1})
Wenn man aber durch Wiederholungen dieser Debatten, insbesondere politischer Art, auch die politischen Interessen auf der anderen Seite weckt,
({2})
dann kann man damit ein dauerndes Faktum schaffen, das für uns sehr schwer aus dem Wege zu räumen sein wird.
Wenn man den SPD-Antrag sehr objektiv prüft, muß man sagen, daß er eigentlich nur Dinge enthält, die bereits durch die erste Regierungserklärung vom 30. Mai gewürdigt worden sind, und daß, wenn man an die Absicht der SPD glauben würde, der Regierung die Möglichkeit zu einer Aussprache zu geben und ihr das Vertrauen auszusprechen, dies in der Fassung der Frage durchaus gegeben ist.
Viel gefährlicher ist dagegen der Antrag der CDU/CSU. Denn er kommt auf die Dinge zu sprechen und hat Wendungen, die meiner Ansicht nach der Regierung sehr unangenehm und peinlich sein müßten.
({3})
Tatsächlich hat die Opposition erkannt, daß sie etwas versäumt hat, und Herr Ollenhauer hat die Frage, die im Punkt 2 des Antrags der CDU/CSU enthalten ist, mit Feierlichkeit unterstrichen, um die Regierung zu der Frage zu provozieren, ob die französische Regierung hinter diesen Erklärungen des französischen Hochkommissars stehe. Es ist also schon sehr gefährlich, wenn man bei den Regierungsparteien nur auf die Handlungen der Oppositionsparteien schielt und wenn andererseits die Oppositionspartei innenpolitische Streitigkeiten auf außenpolitische Tatbestände überträgt, gleichgültig ob es zum Schaden oder zum Nutzen der deutschen Nation ist.
Als die Franzosen 1870 Elsaß-Lothringen verloren hatten, sind sie nach der Methode vorgegangen: Nie davon sprechen, immer daran denken! Wir Deutschen sind jetzt im besten Zug, hinsichtlich der Saar genau das Gegenteil zu tun.
({4})
Hoffen wir, daß nicht auch noch andere „Ergebnisse" dabei herauskommen, als sie sowieso schon
durch das beständige Gerede und Geschwätz drohen!
Herr Abgeordneter Dr. Seelos, mit dem Wort „Geschwätz" haben Sie natürlich kein Mitglied dieses Hauses gemeint!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische.
Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge zur Saarfrage und die Rede des Herrn Bundeskanzlers sind ein Versuch, am Kern des Saarproblems vorbeizureden. Dr. Adenauer war es, der auf dem Landesparteitag der CSU in Bad Reichenhall darauf hingewiesen hat, daß Amerika und England im Jahre 1947 die französische Saarpolitik ausdrücklich gutgeheißen haben. Soll das deutsche Volk an der Saar daraus entnehmen, daß der Herr Bundeskanzler mit der Loslösung der Saar von Deutschland einverstanden ist?
(
Unerhört!)
Adenauer, der in Paris den Schumanplan unterzeichnete, hat damit meiner Meinung nach lebenswichtige deutsche Interessen preisgegeben.
({0})
Nach der Unterzeichnung erklärte der französische Außenminister Schuman, daß damit das Saargebiet de facto an Frankreich gekommen sei. Wir möchten Herrn Strauß empfehlen, seinen Parteiführer Dr. Adenauer nicht nur nach dem genauen Wortlaut der Grandval-Rede zu befragen, sondern auch danach, ob es stimmt, daß im Vertragswerk des Schumanplans in Art. 21 folgender Passus steht:
Die Vertreter der Saarbevölkerung sind in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet.
({1})
Ich stelle die Frage an den Herrn Bundeskanzler, wer ihn beauftragt hat, seine Unterschrift unter den Schumanplan zu geben und dadurch den Art. 21 anzuerkennen, wodurch unserer Auffassung nach die Annexion der Saar durch die französischen Imperialisten anerkannt wird.
({2})
Durch die Unterschrift des Herrn Adenauer und durch eine Ratifizierung des Schumanplans im Bundestag wird das Saargebiet der Gefahr einer Zerstörung in einem dritten Weltkrieg ausgesetzt.
({3})
Die Saarbevölkerung ist aber gegen die Willkürherrschaft der französischen Imperialisten und wendet sich gegen die von Dr. Adenauer betriebene Politik der Remilitarisierung und die in Rom geschmiedete Achse Bonn-Rom-Paris.
({4})
Diese Kriegsachse ist gegen die Interessen der Bevölkerung an der deutschen Saar und des gesamten deutschen Volkes gerichtet. Herr Grandval vertritt die Interessen der französischen Teilnehmer an der Montanunion.
({5})
Dr. Adenauer, der mit Herrn Grandval den Schumanplan preist und auf Anweisung von Herrn McCloy seine schnelle Ratifizierung fordert, wie kann er für das Saargebiet als deutsches Land eintreten?
({6})
So wie die Saarkohle durch die Saarkonventionen mit Willen ihrer Urheber für 50 Jahre dem deutschen Volke entzogen werden soll, so wird durch den Schumanplan die deutsche Kohle im Gebiet der Bundesrepublik der Hohen Behörde des Schumanplans ausgeliefert, einer Behörde, in der die Imperialisten Amerikas mit ihren deutschen Bundesgenossen die Ausbeutung der europäischen Völker vorbereiten.
({7})
Die Saarkohle und die Saarindustrie sollen durch
den Schumanplan in gleicher Weise wie die
Schwerindustrie an Rhein und Ruhr der Remilitarisierung und der Vorbereitung eines neuen,
dritten Weltkrieges dienstbar gemacht werden.
Darüber täuscht auch der Antrag der SPD-Fraktion nicht hinweg. Die angebliche „Opposition"
Dr. Schumachers bezieht sich auch in dieser Frage
wieder nur darauf, daß den deutschen Konzernherren größere Machtvollkommenheiten gegenüber
ihren französischen Konkurrenten zuerteilt werden.
({8})
Was wir heute erleben, ist der Kampf um die Vorherrschaft in der europäischen Kohle- und Stahlunion zwischen den französischen und deutschen Imperialisten. Dieser Kampf findet zur Zeit seinen stärksten Ausdruck an der Saar. Es geht heute um das Übergewicht in der Montanunion. Die deutschen Imperialisten möchten in die Montanunion
({9})
I den Anteil der Saarproduktion, 7 % Kohle und 6 % Stahl, zusätzlich mit einbringen, um ein klares Übergewicht zu erhalten. Sie brauchen die Saarkohle, um in der Montanunion die erste Geige spielen zu können.
({10})
Der ganze Konflikt hier geht nicht um die Interessen der Saarbevölkerung, sondern es handelt sich um die schnelle Einbeziehung des Saargebietes in den von Dr. Adenauer und McCloy ausgearbeiteten Remilitarisierungsplan.
Die Grundsätze des Antrages der SPD gehen somit an dem Hauptproblem, das heute an der Saar und in Westdeutschland besteht, vorbei.
({11})
Es mutet recht eigentümlich an, wenn in dem Antrag der SPD-Fraktion innerhalb des Saargebiets freiheitliche demokratische Zustände gefordert werden. Damit kein Irrtum entsteht, wir sind mit der Schaffung freiheitlicher, wirklich demokratischer Zustände an der Saar vollauf einverstanden.
({12})
Wir fordern sie auch im Bundesgebiet. Während die SPD dieses für die Saar fordert, ist sie bereit, im Bundesgebiet ein neues Gestapo-Gesetz, das für den Kampf der deutschen Patrioten für Frieden, Einheit und Freiheit
({13})
schwere Zuchthausstrafen vorsieht, zu unterzeichnen. Dieser Teil des Antrages der SPD mutet darum wie eine Verhöhnung der deutschen Bevölkerung an der Saar und im Bundesgebiet an. Die Freiheit der Deutschen an der Saar kann nicht anders erkämpft werden als mit der Befreiung der Deutschen im Bundesgebiet
({14})
von der Herrschaft der Amerikaner. Die Befreiung der Deutschen an der Saar kann niemals über die Remilitarisierung Westdeutschlands erfolgen; denn Remilitarisierung und Schumanplan bedeuten Krieg,
({15}) und Krieg bedeutet eine neue Katastrophe ({16})
für die gesamte deutsche Bevölkerung. Die Saarbevölkerung ist gegen die Willkürherrschaft der Herren Grandval und Schuman und des „christlichen Demokraten" Hoffmann.
({17})
Sie ist aber auch gegen die Herrschaft der Kräfte des wiedererstandenen deutschen Imperialismus, gegen die Herren Dr. Adenauer und Pferdmenges, die über den Schumanplan die Vorherrschaft in Europa erreichen wollen.
({18})
Die Saarfrage kann schnell und friedlich gelöst werden durch den Abschluß eines gerechten und demokratischen Friedensvertrags mit dem deutschen Volk, der die Wiedervereinigung des Saargebiets mit Deutschland bringen würde.
({19})
Dr. Adenauer und Dr. Schumacher sind jedoch gegen den Abschluß eines Friedensvertrags im Jahre 1951.
({20})
Sie sprechen sich damit in der Tat gegen die Rückkehr der Saar an Deutschland im Jahre 1951 aus.
({21})
Wir Kommunisten fordern darum im Interesse der Sicherung des Friedens den Abschluß eines Friedensvertrages durch die Verständigung der Deutschen untereinander, dann wird sich auch der Wunsch aller ehrlichen Deutschen erfüllen: Die Saar ist deutsch und wird deutsch bleiben!
({22})
Das sind die Vorschläge, die wir Kommunisten an die Bevölkerung des Saargebiets richten. Die deutsche Bevölkerung an der Saar kann sich bei der Erfüllung ihres Kampfes gegen die Remilitarisierung, gegen Schumanplan und für den Abschluß eines Friedensvertrags auf alle Deutschen im ganzen Vaterland stützen.
({23})
Wenn Deutsche sich so zu Deutschen finden, dann werden erst recht ein Herr Grandval und ein Herr Dr. Adenauer nicht hindern können, daß das große französische Volk in der friedlichen Lösung des Saarproblems an der Seite der Deutschen Demokraten steht.
({24})
Wenn Deutsche sich zu Deutschen finden,
({25})
dann wird die Stunde der Freiheit auch für die Deutschen an der Saar und im Bundesgebiet schlagen.
({26})
Herr Abgeordneter Rische, habe ich Sie richtig verstanden, daß Sie gesagt haben, der Bundeskanzler betreibe die schnelle Ratifikation des Schumanplans auf Weisung des Herrn McCloy?
({0})
- Ich unterstelle zwar, daß Sie in dem Milieu zu Hause sind; in dies e m Staate ist das aber nicht möglich. Hier wird nach deutschem Interesse gehandelt. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kiesinger.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich im Namen meiner politischen Freunde ein paar kurze Sätze sagen. Ich hoffe, daß wir uns in diesem Hause wenigstens in einem einig sind, daß der Sprecher, der vor mir
({0})
hier an diesem Platze stand, keine, aber auch gar keine Legitimation hat, über das Problem der Freiheit an der Saar zu sprechen.
({1})
- Sie haben sich selbst diese Legitimation genommen, nicht wir!
({2})
Niemand in diesem Hause und niemand in der Welt soll glauben, daß uns Land und Volk an der Saar nicht teuer sind.
({3})
Land und Volk an der Saar sind uns - das hat auch der Herr Bundeskanzler unmißverständlich zum Ausdruck gebracht - ein unveräußerlicher und teurer Bestandteil Deutschlands.
({4})
Über die Politik an der Saar und zur Saarfrage hat der Herr Bundeskanzler das Nötige gesagt. Ich habe bei Ihren Ausführungen, Herr Ollenhauer, den Eindruck gehabt, daß es Ihnen auf langen Strecken mehr darum gegangen ist, eine Art Einleitung zur kommenden Diskussion über den Schumanplan zu geben, als unmittelbar zur Saarfrage zu sprechen.
({5})
Sie haben Herrn Strauß den Vorwurf gemacht, daß er die Rede des Herrn Grandval aufgeplustert habe. Sie haben es selbst leider getan und Sie haben diese Äußerung des Herrn Grandval, daß gerade im Rahmen der Montanunion das Saarproblem im Sinne der französischen Konzeption gelöst werden müsse, dazu benutzt, zu sagen: „Und diesen Plan hat der Herr Bundeskanzler unterzeichnet!" Der Herr Bundeskanzler hat diesen Plan ganz gewiß nicht in diesem Sinne unterzeichnet. Das wissen Sie ebensogut wie wir. Wir wollen über die Frage der Methode nicht weiter sprechen. Es ist vielleicht eine deutsche Eigenschaft, in solchen Dingen zu früh und zu rasch Lärm zu schlagen. Vielleicht ist es eine deutsche Eigenschaft in der Vergangenheit gewesen; jedenfalls haben sehr viele Kritiker der deutschen Art in außenpolitischen Dingen uns das vorgehalten.
Niemand kann diese Regierung ernsthaft der Passivität in der Saarfrage bezichtigen. Passivität ist nicht dasselbe wie nicht jeden Tag und bei jeder Gelegenheit ein Problem laut und lärmend anzusprechen.
({6})
Passivität wäre dann vorhanden, wenn die Regierung und wenn meine politischen Freunde dieses Problem nicht sehen würden und wenn sie sich nicht dauernd mit ihm beschäftigen würden, wenn sie dieses Problem nicht eingliedern würden in die große deutsche und europäische politische Konzeption, die nun einmal diese Regierung mit uns vertritt.
({7})
Ich bin fest überzeugt, daß wir allen Grund haben, der Regierung das Vertrauen auch für ihre Haltung in der Saarfrage auszusprechen.
({8})
Was die Behandlung der vorliegenden Anträge anlangt, so möchte ich die Anregung des Herrn Bundeskanzlers aufgreifen und beantragen, daß sie dem Außenpolitischen Ausschuß zur weiteren Behandlung überwiesen werden.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die bisher von den Rednern gemacht worden. sind - ich sehe von Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer ab -, lassen doch manche Vergleiche zu. Ich möchte gerade aus der Erfahrung, die wir hier am Rhein in den letzten Jahrzehnten mit der französischen Politik gemacht haben, einige Vergleiche ziehen; dann werden Sie feststellen, daß das Bild des Herrn Seelos vom Floh doch etwas zu kurz und zu harmlos ist, obschon ein Floh manchmal sehr peinlich wirken kann. Er sieht die Sache meines Erachtens aus der Ferne seiner bayerischen Heimat. Aber ich vergleiche jetzt einmal Herrn Grandval mit Herrn Tirard. Was Grandval zur Zeit für die Saar ist, das war nach dem ersten Weltkriege Herr Tirard für das Rheinland. Der Herr Bundeskanzler wird mir bestätigen,
({0})
daß uns damals die Persönlichkeit des Herrn Tirard sehr große Sorge und sehr viel Arbeit gemacht hat.
Er wird mir weiter bestätigen, daß alle politischen Parteien des Rheinlandes trotz ihrer gegenseitigen und manchmal in die Tiefe gehenden Spannungen bei der Behandlung der Rheinlandfrage sich nicht nur zu einer, sondern zu vielen Kundgebungen zusammengefunden haben, und daß diese Kundgebungen, die manchmal Hunderttausende von Teilnehmern hatten, auf die öffentliche Meinung in der Welt, vor allen Dingen auf England, einen starken Eindruck gemacht haben. Ich erinnere daran, daß damals die Rheinlandfrage von dem früheren englischen Hauptmann Geddye, dem späteren Mitarbeiter der „Times", so in die öffentliche Meinung der Welt hineingetragen worden ist, daß man diesem Mann für die Aufklärung, die er damals gebracht hat, heute noch ein Denkmal setzen müßte; denn durch diese öffentliche Meinung, durch die Kundgebungen, durch die Artikel in der „Times" bekamen wir endlich einmal Gehör in der Welt, und man fing an, sich für die Rheinlandfrage zu interessieren und für das Rheinland etwas zu tun.
Damals ging es nicht nur um 12 Millionen Menschen und die Wirtschaft am Rhein, sondern um die unbedingt notwendige Beibehaltung der Verbindung zwischen Reich und Rhein. In Berlin mußte alles geschehen, und ich erinnere wiederum den Herrn Bundeskanzler daran, welch wesentliche Mitarbeit er gerade in Berlin durch sein Auftrumpfen - das ist milde ausgedrückt, er hat viel schärfer geredet und gehandelt als nur aufgetrumpft - geleistet und wie er erreicht hat, daß der Plan, das Rheinland abtrennen zu lassen, wie man einen kranken Arm amputieren läßt, von Berlin aufgegeben worden ist. Nur durch das Schreien, Rufen, Reden und Handeln des Rheinlands ist schließlich
({1})
der große innen- und außenpolitische Erfolg erzielt worden, daß das Rheinland beim Reich blieb.
({2})
Was damals im großen erreicht worden ist, das muß bei der Saar, geographisch gesehen, im kleinen erreicht werden.
Aber in der Saarfrage, meine sehr verehrtern Damen und Herren, liegt ein schmerzhafter Punkt, nicht nur für die Saarbevölkerung selber und für das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich. Die Saarfrage kann vielmehr zu einer schwärenden und eiternden Beule werden, die das ganze, auf Europa eingestellte Verhältnis der beiden Völker, Deutschlands und Frankreichs, vergiften und unmöglich machen kann. Ich erinnere an das Wort, das vorhin erwähnt worden ist: Immer daran denken und nie davon reden! Frankreich hat beim Elsaß gedacht und gehandelt, und schließlich hat es den Dauererfolg gehabt. Auch beim Saargebiet können wir feststellen, daß Frankreich doch handelt und immer wieder handelt. Das kann schon derjenige ermessen, der sich einmal nur wenige Tage im Saargebiet aufhält, dort mit den maßgebenden Persönlichkeiten eine Aussprache hält und durch das Land fährt.
Ich möchte jedem Mitglied des Bundestages raten, auf diese oder jene Weise ins Saargebiet zu kommen, selbst wenn uns vor wenigen Wochen der Weg dorthin versperrt worden ist. Es gibt nämlich auch andere Möglichkeiten, die Verbindung mit dem Saargebiet zu pflegen, dergestalt, daß wir das tun, was vor wenigen Tagen ein Gesangverein aus der Nähe von Saarbrücken gemacht hat. Er stattete dem Dorf Menden in der Nähe von Bonn einen Besuch ab, weil der Präsident zufällig aus diesem Dorf stammt. Die 120 Frauen und Männer haben das Bundeshaus besucht. In Schwarz-Rheindorf haben sie beim Festgottesdienst mitgewirkt. Im Dorfe selbst fand ein großes Volksfest statt, von dem die Saarländer geradezu begeistert waren. Das ist ungefähr dasselbe, was Herr Ministerpräsident Altmeier von Rheinland-Pfalz auch empfiehlt, nämlich möglichst viele persönliche Verbindungen zwischen dem Saargebiet und dem deutschen Heimatland, dem deutschen Vaterland herzustellen. Vielleicht ist das für den Herrn Minister für gesamtdeutsche Fragen eine wertvolle Anregung, auf diesem Gebiete noch intensiver zu arbeiten, als das bisher der Fall gewesen ist.
Ich nenne das Saargebiet eine blutende Wunde, die unbedingt zum Heilen gebracht werden muß, und ich bin der Überzeugung, daß wir nicht genug davon reden können, freilich in gemessener Form, in zielbewußter Sprache. Wenn auch der Herr Bundeskanzler mehr oder weniger auf das Handeln eingestellt ist und weniger reden darf als wir hier, so sind wir doch in diesem Hause für ihn auf jeden Fall eine starke Resonanz, damit er das tun kann, was er vorhin angedeutet hat, nämlich mit England und mit den Vereinigten Staaten diese Frage intensiver zu behandeln, als das nach der Überzeugung meiner Freunde im Europarat möglich ist. Deshalb haben wir auch vor wenigen Wochen den Antrag gestellt, an die Vereinten Nationen heranzutreten.
Ich komme zum Schluß. Ich möchte an dieser Stelle Herrn Kollegen von Merkatz herzlich danken, daß er uns diese Aufklärung gegeben hat, die dann auch von einer Erklärung des Ministerpräsidenten Altmeier unterstützt wird. Ich bin mit ihm und mit Herrn Ministerpräsident Altmeier der
Überzeugung, daß wir jede Rechtsposition, die l wir auf diesem Gebiete haben - sei es von der Geschichte her, sei es von der gegenwärtigen Rechtsauffassung her - ausnützen müssen, um für das Saargebiet das zu tun, was möglich ist.
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, mit einem Bild schließen. Ich habe mir die Saarfrage vor wenigen Wochen auch von Paris aus angesehen. Dort las ich auf verschiedenen öffentlichen Gebäuden den bekannten Dreiklang: Liberté, Egalité, Fraternité. Liberté, die Freiheit wo ist die Freiheit für das Saargebiet bei der Saarregierung? Wo ist die Gleichheit im Saargebiet? Wo ist erst die Brüderlichkeit? - Das, was von Paris aus im Saargebiet getan wird, das hat mehr Ähnlichkeit mit den Methoden, die von Moskau her für die Ostzone angewandt werden.
Meine Damen und Herren! Darum komme ich wieder zu dem Bild, das ich in der französischen Kammer lange beobachtet habe. Für das Parlament sagt Mirabeau zum Abgesandten des Königs: „Sagen Sie dem König, daß wir zusammenbleiben, bis das Volk eine Verfassung hat!" - Wir wollen dem Saarvolk sagen: Wir wollen im Bundestag schaffen, denken und handeln, bis dem Saargebiet und dem Saarvolk die Freiheit der Meinung wiedergegeben wird.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Situation gleicht hinsichtlich der sie überschattenden ungeheuren, katastrophalen Gefahr vielleicht etwa der Lage vor 1500 Jahren, in der ein weströmischer, also vielleicht vorfranzösischer Politiker - Aëtius mit Namen - die Notwendigkeit begriff, sich mit den Westgoten, die damals von den Galliern außerordentlich gehaßt wurden, zusammenzutun, sich mit ihnen in eine Front zu stellen. Und es gelang ihm damals, auf den katalaunischen Gefilden dann die beide gemeinsam bedrohende Gefahr zu besiegen.
({1})
- Dieses Beispiel von damals, Herr Kollege Wuermeling, sollte sich Herr Grandval einmal vor Augen halten. Hätte dieser Aëtius damals nämlich über einen so „mächtigen" Verstand und über eine solche Enge des Horizonts verfügt, wie es bei Herrn Grandval offenbar der Fall ist und wie er dies kürzlich noch bei seiner bereits zitierten Rede unter Beweis stellte, dann gäbe es heute sicherlich keine Saarfrage, keinen französischen und keinen deutschen Staat; denn damals wäre die Entwicklung bereits darüber hinweggegangen. Hätte Aëtius in der damaligen Situation Grandvalsche Politik gemacht, dann hätte also kein Franzose oder jemand dieses oder eines anderen Namens die Möglichkeit, aus dem nach dem deutschen Strafgesetzbuch zweifelsfreien Kriminalfall des Johannes Hoffmann in Saarbrücken eine politische Angelegenheit zu machen.
Meine Damen und Herren! Dem Gilbert Grand-val unserer Tage sollte man mit einem Sonderpreis für seine groteske und der realen Wirklichkeit am meisten widersprechenden Folgerung aus der realen politischen Lage auszeichnen; und vielleicht schenkt ihm Frau Eleanor Roosevelt ein Bild mit persön({2})
licher Widmung, das ihren Gatten in friedlichem Gespräch mit Josef Stalin in Jalta zeigt.
({3})
Jalta - das darf man nicht übersehen - hat für die neueste, die 45er Welle der Richelieuschen Idee die gleiche Bedeutung, wie sie Versailles für die vorige Welle besaß, jene Welle, die für Clemenceau, Poincaré, Barthou und Tardieu zum Fahrwasser ihrer Politik wurde. Der Generalissimus in Moskau hat offenbar ein außerordentlich diabolisches Vergnügen gerade an solchen Franzosen, die von Richelieu und Napoleon träumen und darüber die einzige wahre und große Gefahr, die das Europa der Gegenwart bedroht, völlig vergessen.
Trotzdem wollen wir im Gemeinschaftsinteresse der abendländischen Völker Europas hoffen, daß die neuen Richeheuaner - oder sollen wir sagen: die neuen Poincaréisten - wie Grandval und Moch in den deutschfranzösischen Beziehungen nicht das letzte und entscheidende Wort sprechen. Mögen diejenigen französischen Politiker, die wie Schuman, Reynaud oder vielleicht François-Poncet schon aus Klugheit heute die Realitäten nicht übersehen möchten, ihr Volk in einer großen Mehrheit dazu bringen, daß es auf der sinnlosen Suche nach dem imaginären Gespenst der deutschen Gefahr nicht die höchst lebendige und leider gigantisch große Weltgefahr aus der kontinentalen Weite des bolschewistischen Herrschaftsbereiches übersieht, der von Helmstedt bis Kanton und von Rumänien bis fast ans Nordkap reicht. Meine Damen und. Herren! Wenn Sie neben diesen Herrschaftsbereich die Distanz von Bonn nach Paris setzen, dann ist die Situation klar. Wenn das einmal von den maßgeblichen politischen Faktoren Frankreichs wirklich gewürdigt wird, dann entfällt eine Diskussion über einen Saarstaat, in dem das von Johannes Hoffmann entdeckte Volk der „Sarrois" wohnen soll, endgültig und allseitig wegen anerkannter Sinnlosigkeit des Diskussionsgegenstandes.
({4})
Das Wort hit der Abgeordnete Dr. Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich haben eine ganz kurze Erklärung abzugeben. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die heutige Saardebatte nicht notwendig gewesen wäre; denn wenn sich Herr Grandval räuspert, dann brauchen wir nicht schon zu spucken. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Herr Bundeskanzler in der Saarfrage schon das Richtige treffen wird, und wir stimmen seinen heutigen Ausführungen voll und ganz zu.
Im übrigen bitten wir, daß beide Anträge dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen und dort entsprechend behandelt werden.
({0})
Zu einem Schlußwort Herr Abgeordneter Ollenhauer.
Ollenhauer ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich mochte mich auf einige wenige kurze Bemerkungen beschränken. Ich möchte mich zunächst gegen eine Bemerkung unseres Kollegen Kiesinger verwahren, daß wir hier den Antrag eingebracht hätten, um ohne zwingenden sachlichen Grund eine lärmvolle Debatte zu führen.
({1})
Sie können in der Sache anderer Meinung sein, aber es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die in der Begründung meines Antrags enthalten sind, die eine sachliche Diskussion hier jedenfalls als zweckmäßig hätten erscheinen lassen. Was ich bedauere, ist, daß der Herr Bundeskanzler im wesentlichen polemisch geantwortet hat. Ich wünschte, daß wir bei solchen Gelegenheiten doch auch von der Regierung auf konkrete Vorschläge der Opposition eine konkrete Antwort bekämen.
({2})
Das ist in diesem Falle wie in anderen Fällen nicht geschehen.
Mindestens zwei Fragen hätte der Herr Bundeskanzler wohl in der einen oder anderen Richtung beantworten sollen und müssen. Erstens die Frage, die ich hier konkret gestellt habe: „Ist die Bundesregierung der Meinung, daß es nicht zweckmäßig ist, angesichts der neuen Umwandlungsbestrebungen an der Saar in Richtung auf einen autonomen Staat einen neuen Schritt zu unternehmen?" Ich habe darüber nichts von dem Herrn Bundeskanzler gehört. Zweitens habe ich die Frage aufgeworfen, ob es nicht die Aufgabe der Bundesregierung sei, auch das Mittel des Europarats zu benutzen, um eine Herstellung demokratischer Zustände an der Saar zu fördern. Darauf hat der Herr Bundeskanzler erklärt, er halte überhaupt nichts davon, daß die Saar im Europarat sei.
({3}) Sie haben den Europarat wesentlich positiver beurteilt als die Sozialdemokratie, und was ich erwartet hätte, wäre, daß mindestens Sie und die Bundesregierung nun auch den Europarat als ein Instrument für eine Politik der Sicherung demokratischer Zustände in diesem bestimmten Teil Europas benutzen würden.
({4})
Zur Sache selbst möchte ich noch folgendes sagen. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß der Schumanplan-Vertrag die Vertretung des Saargebiets durch Frankreich nicht festgelegt und zumindest diese Vertretung nicht anerkannt habe. Ja, meine Damen und Herren, vor welcher Situation stehen wir denn hier? Was wir haben, sind zwei Briefe, ein Brief des Herrn Bundeskanzlers und ein Brief des französischen Außenministers, in denen beide Partner ihren Standpunkt festlegen, mit dem Effekt, daß es bei der Festlegung des gegensätzlichen Standpunkts geblieben ist, während aber im Vertrag völlig eindeutig klargemacht ist, daß in allen Fragen, die den Schuman-plan betreffen, Frankreich die Saar vertritt. Ich bringe hier den Art. 79 über den Geltungsbereich zur Kenntnis:
Dieser Vertrag findet auf dem europäischen Gebiet der hohen vertragschließenden Teile Anwendung. Er findet ebenso auf die europäischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten von einem Signatarstaat wahrgenommen werden.
({5})
Dazu heißt es in einer Fußnote der Redaktion, daß sich diese Bemerkung auf die Saar sowie auf Andorra, Monaco und San Marino bezieht. In diese Position ist die Saar durch den Vertrag gekommen. Um die Sache völlig klarzumachen, ist
({6})
außerdem in Art. 21, der hier schon erwähnt wurde, bei der Festsetzung der Zahl der Abgeordneten in der sogenannten Versammlung ausdrücklich gesagt worden:
Die Vertreter der Saarbevölkerung sind in die Zahl der Frankreich zugewiesenen Abgeordneten eingerechnet.
({7})
Das steht im Vertrag, das ist unterschrieben, und davon haben wir auszugehen. Damit war sicher eine gewisse Berechtigung von unserem Standpunkt aus gegeben, auf die Konsequenzen dieses Tatbestandes gerade im Zusammenhang mit dieser Debatte ausdrücklich aufmerksam zu machen. Ich muß Ihnen sagen, daß unter diesem Gesichtspunkt nicht Herr Grandval - lassen wir ihn aus dem Spiel -, sondern der Herr Außenminister Schuman in seiner Pressekonferenz vom 21. völlig eindeutig und korrekt dem Geiste und dem Wortlaut des Vertrages nach alle Ansprüche Frankreichs in bezug auf seine Saarpolitik trotz des Briefwechsels geltend gemacht hat und daß die deutsche Position so ist, daß wir nicht in der Lage sind, diese Ansprüche nach dem Wortlaut des Vertrages zu bestreiten.
Das war meine Argumentation und ich bedauere, daß der Herr Bundeskanzler nichts Entscheidendes gegen diese Argumentation sagen konnte.
Schließlich ein drittes und letztes Wort, meine Damen und Herren! Ich muß sagen, daß wir mit einigem Erstaunen und einiger Überraschung die Bemerkung des Herrn Bundeskanzlers betreffend seine heutige Auffassung über die Stellung des Saargebiets im Europarat zur Kenntnis genommen haben, nämlich seine Bemerkung, daß nach seiner Auffassung die Saar im Europarat überhaupt nichts zu suchen habe. Wenn wir in dieser Sache bei der Beratung über den Beitritt zum Europarat die Vertretung dieser Auffassung hier gehört hätten, dann wäre die Position des Deutschen Bundestages gegenüber dem Europarat wesentlich anders gewesen.
({8})
- Das ist kein Irrtum. Ich will Ihnen noch etwas sagen. Ich glaube, wir müssen uns doch in solchen Debatten daran gewöhnen, daß wir die Fakten im Auge behalten. Zum Beispiel: Der Herr Bundeskanzler hat hier erklärt, es sei nicht wahr, daß das Saargebiet in der gleichen Position im Europarat sei wie die Bundesrepublik, denn wir seien jetzt im Ministerrat. Als wir die Beschlußfassung über den Beitritt zum Europarat hatten, waren wir nicht im Ministerrat, und die Ausgangsposition - ({9})
- Entschuldigen Sie, wir sprechen jetzt von Tatsachen, nicht von Wissen und Glauben.
({10})
Wir standen damals vor der Situation, das stelle ich nur fest, daß das Saargebiet in dem Augenblick, als hier die Entscheidung zu fällen war, in genau derselben Position wie die Bundesrepublik war,
({11})
und ein wesentliches Argument der sozialdemokratischen Fraktion war die Ablehnung der Gleichstellung mit dem Saargebiet. Sie haben damals dieses Argument nicht anerkannt.
({12})
Das ist doch der Ablauf gewesen.
({13})
- Entschuldigen Sie! Es gibt noch einen zweiten Punkt. Ich will ihn auch nennen, damit wir ihn nicht vergessen. In einem Zwischenstadium ist die Bundesregierung eingeladen worden, einen. Beobachter in den Ministerrat zu senden. Gleichzeitig hat der Ministerrat beschlossen, auch die Saarregierung einzuladen, einen Beobachter in den Ministerrat zu bringen.
({14})
Ich will nur daran erinnern, daß die Bundesregierung zwar damals gegen diese Gleichstellung des Saargebiets protestiert hat,
({15})
aber in einer Form, die es außerordentlich schwer machte, daß dieser Protestschritt ein konkretes Resultat haben konnte. Man kann heute die Dinge nicht so hinstellen, als seien die Regierungsparteien und die Regierung in bezug auf das Verhältnis zwischen Saargebiet und Europarat von vornherein der Meinung gewesen, man solle es überhaupt nicht akzeptieren. Das festzustellen, erscheint mir wichtig, weil ich glaube, daß nur dann eine wirklich sachliche Auseinandersetzung über derart schwerwiegende politische Fragen möglich ist, wenn wir uns an die Fakten halten
({16})
und wenn wir versuchen, bei einer Debatte über bestimmte praktische Vorschläge in einer aktuellen Situation uns mit ihnen auch tatsächlich auseinanderzusetzen.
({17})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Ich bin, namentlich auf außenpolitischem Gebiet, jederzeit zu jeder sachlichen Aussprache bereit, weil ich der Auffassung bin, der ich auch neulich in Bad Reichenhall Ausdruck gegeben habe, daß es gewisse außenpolitische Fragen sind, bei denen das ganze deutsche Volk zusammenstehen muß.
({0})
Ich habe vom deutschen Volke gesprochen. ({1})
- Ich habe nicht von den Kommunisten gesprochen, sondern vom deutschen Volk!
({2})
Aber meine Damen und Herren, ich möchte doch mit einigen Worten auf das eingehen, was Herr Kollege Ollenhauer eben gesagt hat, und nicht, wie Sie meinen, Herr Ollenhauer, polemisch, sondern wirklich nur, um zu klären. Sie haben mir vorgeworfen oder der Bundesregierung vorgeworfen, daß Sie keine Antwort darauf bekommen hätten, ob die Bundesgerierung gewillt sei, einen neuen Schritt zu unternehmen. Ich habe auf die Note vom 29. Mai an die Hohen Kommissare hingewiesen. Verehrter Herr Ollenhauer, Sie wissen doch genau so gut wie ich, daß es zur Zeit keine französische Regierung gibt, wenigstens keine französische Regierung, die etwas anderes tut, als die laufenden Geschäfte zu erledigen. Die gab es auch nicht am 29. Mai, und Sie werden doch verstehen, daß man
({3})
zunächst einmal die Bildung einer neuen französischen Regierung abwarten muß.
({4})
Das ist doch so klar wie nur irgend etwas.
Dann haben Sie mir zum Vorwurf gemacht, ich hätte nichts davon gesagt, daß ich hinsichtlich des Europarats etwas tun wolle. Ich habe doch ausdrücklich erklärt - und die Zwischenrufe, die Ihnen gemacht worden sind, haben Ihnen das bestätigt; eventuell lesen Sie es bitte im Stenogramm nach -, daß ich sowohl in der Debatte hier am 30. Mai wie nochmals und auch später ausdrücklich erklärt habe, daß ich diese Frage in der nächsten Sitzung des Ministerrats des Europarats zur Sprache bringen würde.
({5})
Nun hatte ich eigentlich gehofft, von Herrn Kollegen Ollenhauer ein Lob zu bekommen statt eines Tadels.
({6})
- Sie weisen auf die Koalitionsfraktionen hin, ich möchte gern auch einmal von Ihnen ein Lob bekommen.
({7})
Denn, meine Damen und Herren, die Europaratsfrage konnte doch eine bessere Entwicklung, als
sie sie genommen hat, wahrhaftig nicht nehmen.
({8})
Ich darf Sie daran erinnern, daß, als hier seinerzeit über die Frage des Beitritts der Bundesrepublik als assoziiertes Mitglied gesprochen wurde, die Frage so gestellt war: Sollte die Bundesrepublik nicht als assoziertes Mitglied eintreten, weil man gleichzeitig auch die Saar hineingebracht hat?
({9})
Und nun stellen Sie sich bitte vor - ich wende
mich an jeden auch im deutschen Volke, der irgendwie die politischen Dinge verfolgt -: Wie unklug
wäre es gewesen, wenn damals der Bundestag beschlossen hätte, dem Europarat nicht beizutreten!
({10})
Ich darf Sie weiter an folgendes erinnern. Es ist bei der Debatte und auch später von sozialdemokratischer Seite ausgeführt worden, es würde noch jahrelang dauern, bis die Bundesrepublik im Ministerrat des Europarats als stimmberechtigtes Mitglied vertreten sei.
({11})
Meine Damen und Herren, es hat nicht einmal ein
Jahr gedauert; es hat genau 10 Monate gedauert.
({12})
Wir haben doch jetzt den Status, daß wir nicht mehr so viel oder so wenig Rechte haben wie die Saar, sondern daß wir mehr Rechte haben als die Saar, daß wir gleichberechtigt sind mit den anderen Ländern
({13})
- den europäischen Ländern im Europarat -, während die Saar das nicht ist.
({14})
Ich hätte also eigentlich, verehrter Herr Ollenhauer,
erwartet, von Ihnen zu hören - ich würde mich darüber gefreut haben,
({15})
wenn Sie das gesagt hätten -: Ich freue mich, heute anerkennen zu können,
({16})
daß der damalige Beschluß des Bundestags richtig gewesen ist.
({17})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu Punkt 1 der Tagesordnung. Es ist der Antrag gestellt worden, die beiden Anträge - Drucksachen Nr. 2298 und 2347
- dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und das Besatzungsstatut zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Rümmele, Tichi, Clausen und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Pensionskasse Deutscher Eisenbahnen und Straßenbahnen ({0}).
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, der heute nicht hier sein kann, hat die Liebenswürdigkeit gehabt, seine Begründung schriftlich zu geben.
({1})
Sie liegt Ihnen in der Anlage zu Drucksache Nr. 2334 vor. Ich halte das für ein erstrebenswertes Verfahren.
({2})
und darf bitten, diesem guten Beispiel nachzueifern. Gleichzeitig hat die Fraktion für die Antragsteller die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik beantragt und auf mündliche Begründung verzichtet. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
({3})
- Bitte, Herr Abgeordneter Rümmele!
({4})
- Also, es ist weiterhin beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Haushaltsausschuß wegen der finanziellen Auswirkungen zu überweisen; federführend ist der Ausschuß für Sozialpolitik. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
({5})
Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß jetzt
zusammentreten wollen erstens der Rechtsausschuß
und zweitens der Ausschuß für Geld und Kredit.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes ({6}).
Die Regierung verweist auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen.
({7})
- Das Haus ist damit einverstanden.
({8})
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({9}).
Der Herr Bundesfinanzminister hat auf meine Bitte davon abgesehen, eine mündliche Begründung zu geben. Der Ältestenrat schlägt Ihnen ebenfalls Überweisung ohne Aussprache an den Haushaltsausschuß vor.
({10})
- Das Haus ist damit einverstanden.
Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau ({11}).
Die Regierung bezieht sich auch in diesem Fall auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, keine Aussprache stattfinden zu lassen und den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - der erste federführend - zu überweisen.
({12})
- Die Überweisung erfolgt in diesem Sinne. Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Zulagen in den gesetzlichen Rentenversicherungen ({13}) ({14}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Aussprache nach der Begründung eine Redezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich bei der Begründung dieser Gesetzesvorlage sehr kurz fassen, weil wir uns in der Sitzung am 1. März über die grundsätzlichen Fragen, die hier zu behandeln sind, bereits ausführlich unterhalten haben. Es handelt sich darum, daß wir denjenigen Menschen, die ihr Leben von den Renten der Sozialversicherung fristen müssen, ihre Bezüge erhöhen, und zwar so, daß sie halbwegs zu leben in der Lage sind.
Der damalige Beschluß des Hohen Hauses sprach nicht allein von einer Erhöhung der Renten, sondern gleichzeitig auch davon, daß die Rentenleistungen den Beitragsleistungen wieder mehr angeglichen werden sollen. Das finden Sie in diesem Gesetzentwurf in aller Klarheit. Wir wollen in der Sozialversicherung dazu zurückkehren, dem arbeitenden Menschen, der lange Jahre seine Beiträge zahlt, ein gerechtes Äquivalent für diese seine Beitragsleistungen .zu geben. Mit der Schaffung der Sozialversicherung in Deutschland ist man dazu übergegangen, den sozial schwachen Menschen durch die staatliche Hilfe die Möglichkeit der Altersversorgung zu geben. Man ist davon ausgegangen, daß derjenige, der lange Zeit hohe Beiträge zahlt, ein Äquivalent dafür bekommt.
Nun ist in den turbulenten Zeiten der beiden Weltkriege auf diesem Gebiete manches geändert worden. Man hat den Sozialversicherungsträgern auch Wohlfahrtsaufgaben des Staates gegeben, und wir sind allmählich dazu gekommen, daß der Sozialversicherungsbeitrag in einem gewissen Umfang eine Sondersteuer für den arbeitenden Menschen darstellt.
Der Ihnen nunmehr vorliegende Gesetzentwurf ist bereits mehrfach, auch im Bundesrat, angegriffen worden. Man hat gesagt, es sei sozial ungerecht, wenn man die niedrigen Renten um einen viel geringeren Betrag erhöhe als die seither schon höheren Renten. Das wäre richtig, wenn alle Rentenbezieher ihre Altersversorgung nur in der gewerblichen Arbeit und damit in der Sozialversicherung gesucht hätten. Ich habe hier einige Aufrechnungen machen lassen. Ich will Sie aber heute nicht damit langweilen, sondern werde in dem Ausschuß, der sich in den nächsten Tagen mit diesen Fragen beschäftigen wird, diese Dinge völlig klarlegen.
({0})
- Herr Kollege Richter, es ist nicht langweilig. Wenn man einmal auf die Dinge wirklich eingeht und nicht nur mit allgemein formulierten Redensarten davon spricht,
({1}) dann kommt man ein ganzes Ende weiter.
Ich habe hier eine Aufrechnung, wonach wir auf Grund des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes einem Mann, der 10 Jahre als landwirtschaftlicher Arbeiter tätig war, der dann selbst Landwirt wurde und vielleicht 20 oder 30 Jahre auf seinem Bauernhof doch wohl an erster Stelle seine Altersversorgung gesichert hat, bei einem Gesamtbetrag von noch nicht einmal 300 Mark, den er selbst geleistet hat, heute eine jährliche Rente von 600 Mark bezahlen. Das Geld muß aus den Beiträgen genommen werden, die diejenigen Leute zahlen, die eben in ihrem ganzen Leben als gewerbliche Arbeiter tätig sind.
({2})
Es ergeben sich sehr große Unterschiede, wenn ich mir die Rente eines Mannes ansehe, der 10 oder 15 Jahre bei der Post oder der Eisenbahn als Arbeiter tätig war und dann Beamter wurde und der heute neben seiner Pension, die er als Beamter zu beanspruchen hat, seine Invalidenrente bekommt.
({3})
Derartige Dinge sehen, wenn man sie oberflächlich behandelt, natürlich wesentlich anders aus, als wenn man ihnen einmal auf den Grund geht. Die deutschen Arbeitnehmer können vom Parlament mit Recht verlangen, daß ihre Sozialversicherung nicht zu einer Wohlfahrtsinstitution des Staates entwickelt wird,
({4})
sondern zu einer Sozialversicherung, die für einen gerecht geleisteten Beitrag nachher auch ein gerechtes Äquivalent in der Rente gibt.
({5})
Der vorliegende Gesetzentwurf wird an zweiter Stelle wegen der Bestimmungen angegriffen, die für das Land Berlin darin enthalten sind. Ich darf Ihnen sagen, daß der Gesetzentwurf, wie er Ihnen vorliegt, in engster Verbindung mit dem Senat in Berlin erarbeitet worden ist. Wir hatten zunächst einen Gesetzentwurf fertiggestellt, in dem Berlin nicht in die Gemeinlast der Versicherungsträger des Bundesgebietes aufgenommen war. Dann kam Herr Senator Klein mit dem Herrn Senator Fleischmann zu mir und sagte: Ja, Herr Minister, soll denn jetzt das Verhältnis in Berlin so bleiben, wie
({6})
es seither war? Sind wir nicht so weit, daß wir Berlin auf dem Gebiet der Sozialversicherung in die Gemeinlast des Bundes aufnehmen können? - Ich habe damals Herrn Senator Klein gesagt, persönlich sei ich schon lange dieser Meinung. Der staatspolitische Zustand Berlins sei ja nicht auf das Wollen der Berliner Bevölkerung oder der deutschen Bevölkerung im Bundesgebiet zurückzuführen. Des weiteren habe ich gesagt, es sei meines Erachtens zweckmäßig, wenn man auf allen Gebieten der Sozialversicherung dafür sorge, daß das einheitliche Recht und die innere Verbundenheit von Berlin mit dem Bundesgebiet herbeigeführt werde. Herr Fleischmann war der Meinung, daß er vielleicht bei der einen oder anderen Seite in Berlin Schwierigkeiten hätte. Dann haben sich die beiden Herren darüber verständigt und sich abends mit dem Herrn regierenden Bürgermeister von Berlin, der in Bonn war, in Verbindung gesetzt. Auf Grund der dann geführten Aussprache ist mir mitgeteilt worden, der regierende Bürgermeister in Berlin, Herr Professor Reuter, wünsche, daß in diesem Gesetzentwurf Berlin in die Lastengemeinschaft der Sozialversicherungsträger aufgenommen werde.
Wir haben daraufhin das Gesetz, soweit die Bestimmungen für Berlin in Frage kommen, noch einmal grundsätzlich umarbeiten lassen. Der Berliner Senat hat selbst einen seiner besten Sozialversicherungskenner hierhergeschickt, um gemeinschaftlich mit meinen Beamten diesen Gesetzentwurf, soweit er Berlin betrifft, aufzustellen. Der Gesetzentwurf ist dann dem Magistrat nach Berlin telefonisch durchgegeben worden. Der Herr regierende Bürgermeister von Berlin hat mir dann sagen lassen, daß der kleine Senat diesem Gesetzentwurf, soweit Berlin in Frage kommt, einmütig zugestimmt habe. Ich will das hervorheben, damit nicht die Meinung entsteht - die im Bundesrat bei einigen Herren, die diese Zusammenhänge nicht kannten, aufgekommen war -, als wenn wir heute mit einem politischen Druck Berlin zwingen wollten, in der Sozialpolitik etwas zu tun, was der Berliner Senat nicht will.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, die Begründung für die Einzelheiten des Gesetzes haben Sie in der dem Gesetz beigegebenen schriftlichen Begründung gelesen. Ich wollte nur diese kurzen grundsätzlichen Ausführungen dazu machen, damit nicht gewisse politische Meinungen, die sich draußen gebildet haben, die Beratungen im Ausschuß allzu sehr belasten.
({7})
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Draußen, in den Kreisen der Rentenberechtigten, hat die Tatsache, daß die in so feierlicher Form angekündigte Auszahlung eines Zuschusses zur bisherigen Rente am 1. Juli oder an den Auszahlungstagen der Juli-Rente unterblieben ist, mit Recht große Empörung und Erbitterung ausgelöst. Diese Erbitterung hat sich oft bei den Auszahlungsstellen entladen, so daß die ganze Empörung auf die an der Nichtauszahlung völlig unschuldigen unteren Postbeamten abgeladen wurde. Der Herr Postminister sah sich auf Grund dieses Tatbestandes genötigt, seine Beamten zu entschuldigen.
Nun kommt nach dieser Vorgeschichte, die bekanntlich mit einem einmütigen Beschluß des Bundestages im Februar dieses Jahres begonnen hat - der Beschluß zielte darauf ab, die Bundesregierung zu verpflichten, die Rentensätze durch Gesetz um mindestens 25% zu erhöhen -, diese Vorlage der Regierung. Nach dem Regierungsentwurf läuft es praktisch darauf hinaus, daß die Zuwendungen von der Höhe der geleisteten Versicherungsbeiträge abhängig gemacht werden. Darin liegt ein . großes Unrecht gegenüber der Mehrheit der Bezugsberechtigten. Man erkennt das, wenn man bedenkt, daß zu den Bezugsberechtigten heute eine große Anzahl von jungen Menschen gehört, die nur durch ihre Teilnahme am Heeresdienst außerstande gesetzt worden sind, durch entsprechende Jahresleistungen einen normalen Rentenanspruch zu erwerben.
Noch ein Wort nach einer anderen Seite Der Herr Minister hat gesagt, daß der Anspruch aus der Sozialversicherung wieder zu einem Rechtsanspruch gemacht werden solle. Schön, das haben wir Kommunisten immer gefordert. Er hat dann aber weiter gesagt, er verwahre sich dagegen, daß man die Sozialversicherung als eine Art von Wohlfahrtseinrichtung betrachte und demgemäß ausnutze. Demgegenüber muß hier doch einmal die Frage gestellt werden: Wer hat denn die Sozialversicherungsträger überhaupt in diesen finanziellen Notstand gebracht, wer ist denn schuld daran, daß den Sozialversicherungsträgern nach dem ersten Weltkrieg und im Laufe der Zeit bis 1948 rund 40 Milliarden an Vermögen gestohlen worden sind? Wenn man schon davon spricht, daß man den Rentenanspruch zu einem Rechtsanspruch machen will, dann soll man auch endlich zu einer Aufwertung übergehen. Bei jeder Gelegenheit betont man hier, daß man der Rechtsnachfolger des Reiches sei. Hitler und seine Vorgänger in und nach dem ersten Weltkrieg sind doch dafür verantwortlich, daß das Vermögen der Sozialversicherungsträger, das in Kriegsanleihen und in Reichsschuldverschreibungen angelegt worden ist, zum Teufel gegangen ist. Also bitte, wenn man Rechtsnachfolger des Reiches ist und wieder einen Rechtsanspruch schaffen will, soll man endlich auch das Grundproblem lösen und den Sozialversicherungsträgern ihr verlorenes oder besser gesagt ihr für die Finanzierung des Krieges gestohlenes Vermögen aufwerten. Wenn das geschähe, wären wir sofort aus dem Problem heraus, dann brauchten die Sozialversicherungsträger keine Staatszuschüsse mehr, um ihre Verpflichtungen erfüllen zu können.
Es ist überflüssig, hier in diesem Kreise etwas darüber zu sagen, wie groß die Notlage bei den Sozialversicherten ist. Es ist auch überflüssig, auf die Zusammenhänge hinzuweisen, die zwischen dieser Notlage und dem ständigen Anwachsen der Preise und der Lebenshaltungskosten bestehen; denn sie sind hier allgemein bekannt. Worauf es uns im Augenblick ankommt, ist, daß dieser Gesetzentwurf noch vor Beginn der Herbstferien unter Dach und Fach gebracht wird, damit auf den heißen Stein wenigstens ein Tropfen gegeben wird, damit die große Notlage wenigstens etwas gemildert werden kann.
Wir erwarten von dieser Regierung nicht, daß sie die berechtigten Ansprüche der Sozialversicherungsträger erfüllt, wie wir es fordern und beantragt haben.
Wir wissen, daß diese Regierung die Gelder, die sie aus dem Volk herauspreßt, in der Hauptsache für die Vorbereitung ihres Krieges anlegt,
({0})
({1})
und das erkennen die Rentenversicherten draußen
auch langsam selber. Aber, wie gesagt, es muß
dieser ihrer Forderung noch vor Beginn der Ferien
Rechnung getragen werden; sonst werden Sie erleben, daß die Invaliden draußen die Frage stellen,
mit welchem Recht Sie in die Ferien gehen und
mit welchem Recht Sie sich auch in den sechs
Wochen Ferien die hohen Diäten auszahlen lassen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Richter ({0}). Richter ({1}) ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion begrüßt es, daß der Regierungsentwurf eines Rentenzulagegesetzes dem Hohen Hause endlich unterbreitet wurde. Bereits vor einem Jahr haben wir den ersten diesbezüglichen Antrag eingebracht und den Bundestag ersucht zu beschließen, die Bundesregierung möge Maßnahmen ergreifen, um die Unterstützungen und Renten dem geänderten Preis- und Lohnniveau anzupassen. Wir mußten noch wiederholte Anträge stellen. Alle diese Anträge haben Sie abgelehnt. Aber unter dem Druck unserer Interpellation vom Februar dieses Jahres
({3})
- die Wahrheit zu hören, ist nie angenehm - ({4})
fanden Sie sich endlich bereit, die Bundesregierung zu ersuchen, eine Vorlage auf Erhöhung der Renten um durchschnittlich 25% zu unterbreiten. Seit dem 1. März mußten die Rentner wiederum warten. Heute sind wir endlich in der Lage, die erste Lesung durchzuführen. Die sozialdemokratische Fraktion und ihre Vertreter in den zuständigen Ausschüssen werden alles tun, damit dieses Gesetz noch vor den Ferien beraten und in zweiter und dritter Lesung vom Bundestag verabschiedet wird, so daß endlich unserer Forderung auf eine Rentenerhöhung entsprochen wird.
Der damalige Beschluß lautete, daß die Renten im Durchschnitt um 25% erhöht werden sollten. Wir waren der Ansicht, daß eine Erhöhung um durchschnittlich 25% in der Praxis bedeuten würde
- und das hätte in der Regierungsvorlage zum Ausdruck kommen müssen -, daß die Bezieher von kleinen Renten, die ja am meisten unter der Teuerung leiden, eine Zulage zu den Renten um mehr als 25% erhalten würden und daß man, wenn es notwendig wäre, und wenn man die Mittel nicht zur Verfügung haben sollte, dann eben versuchen würde, an anderer Stelle Einsparungen zu machen.
Ich muß Ihnen hier zu meinem Bedauern erklären und dem Befremden meiner Fraktion Ausdruck geben, daß in der Regierungsvorlage das Gegenteil geschehen ist. Der Herr Bundesarbeitsminister hat versucht, diese gegenteilige Regelung mit der Behauptung zu begründen, daß es Landwirte seien, die als Holzfäller tätig waren, also eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt und Beiträge gezahlt haben, die nun nach dem Sozialversicherungsanpassungsgesetz in den Genuß der Mindestrente von 50 DM pro Monat gekommen seien. Wie ist es denn in Wirklichkeit? In Wirklichkeit ist es so, daß in der Angestelltenversicherung in jedem Fall ein Grundbetrag von 37 DM, dazu der Mindeststeigerungsbetrag von
7 DM und die Zulagen nach dem Sozialversicherungsanpassungsgesetz von 15 DM, also insgesamt 59 DM gezahlt werden. Also der Geschäftsmann, der früher in seinen jungen Jahren einmal Angestellter war, eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, Beiträge geleistet hat, seine Versicherung nach dem geltenden Recht aufrechterhalten und die Anwartschaften und alle anderen Voraussetzungen erfüllt hat, bekommt mindestens 59 DM.
({5})
- Ja, ohne Rücksicht auf seine Beitragsleistungen, Herr Kollege Schäfer, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen, die eingehalten werden müssen. Das ist unser Grundsatz und ich glaube
- dafür kenne ich Sie, Herr Kollege Schäfer - auch Ihr Grundsatz. ({6})
Bei Landwirten, Bauersfrauen, Landarbeiterinnen und ehemaligen kleinen Beamten, die in der Invalidenversicherung versichert waren, beläuft sich der Mindestbetrag infolge des geringen Grundbetrages von 13 DM plus 7 DM Mindeststeigerungsbetrag plus 15 DM auf insgesamt höchstens 35 DM, so daß sich die Mindestrente von 50 DM nur bei den Arbeitern und Arbeiterinnen auswirkt; und da soll gespart werden.
Die Folge ist, daß diese Mindestrentenbezieher
- und das sind nach einer neuen Statistik bei den Männern ca. 26% und bei den Frauen 80%, im rohen Durchschnitt gesehen ein Drittel aller Rentenbezieher - nichts oder wenig von dieser 25 % igen Zulage erhalten werden. Denn nach § 2 der Regierungsvorlage sollen bei Mindestrenten die Zulagen nur Insoweit gezahlt werden, als die nach Grund- und Steigerungsbetrag berechnete Rente einschließlich des auf Grund des SVAG gewährten Zuschlages und der dann auf Grund des. Rentenzulagengesetzes gewährten Zulage die Mindestsätze übersteigt.
Ich weiß, das ist kompliziert und für den, der nicht ständig damit zu tun hat, etwas befremdend. Deshalb ein Beispiel: Arbeiter und Arbeiterinnen, die infolge Invalidität oder Alters. eine berechnete Rente von monatlich 35 DM zu beanspruchen haben, erhalten keine Zulage, da sie eine Mindestrente von 50 DM beziehen. Die 25%ige Zulage zu 50 DM macht nur 12,50 DM aus, während sie schon die Differenz von 15 DM pro Monat zusätzlich erhalten. Es hätte mich wirklich nicht gewundert, wenn ich in der Regierungsvorlage eine Bestimmung gefunden hätte, nach der den Betreffenden die Differenz von 2,50 DM abgezogen wird. Handelt es sich jedoch um solche Rentner, die eine berechnete Rente von 40 DM haben, so bekommen sie 2,50 pro Monat. Ganze 2,50 DM, meine Damen und Herren! Das ist unhaltbar!
Interessant ist die Behauptung des Herrn Bundesarbeitsministers bezüglich der Landwirte, Landarbeiter und Beamten. Wir haben die Zahlen von Berlin. In Berlin gibt es 350 000 Rentner. Davon sind 115 000, also ein Drittel, Mindestrentenbezieher, und diese wieder sind überwiegend Frauen. Man kann doch nicht behaupten, daß sich in Westberlin dieses Drittel überwiegend aus Landwirten oder Landarbeiterinnen zusammensetzt. Ich glaube, auf dem Aphalt in Westberlin wird die Möglichkeit einer derartigen Beschäftigung nicht gegeben sein.
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Ich bin deshalb der Meinung meine Fraktion
wird diese Forderung erheben und dafür eintreten -, daß die 25%ige Erhöhung auf die Mindestrenten der Rentner von 50 DM - das sind 12,50 DM -, auf die Mindestrenten der Witwen von 40 DM - das sind 10 DM - und auf die Mindestrenten der Waisen von 30 DM in Höhe von 7,50 DM berechnet werden und nicht so, wie e die Regierungsvorlage vorsieht.
Ich möchte noch besonders erwähnen, daß meine Fraktion sich mit aller Entschiedenheit dagegen wehren wird, daß die Teuerungszulagen auf die Fürsorgeleistungen, auf die Leistungen aus der Soforthilfe, auf die Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz und auch auf die Zusatzpensionen angerechnet werden, wie sie beispielsweise die Eisenbahnarbeiter, die Postarbeiter und die im öffentlichen Dienst sowie andere in der Privatwirtschaft tätige Arbeiter auf Grund besonderer Bestimmungen zu beanspruchen haben und erhalten.
Wir verlangen, daß entsprechend dem Bundestagsbeschluß in dem Ausschuß auch darüber verhandelt wird, daß die Ruhensvorschriften der Reichsversicherungsordnung §§ 1274 bis 1279 überprüft und, was nach unserer Auffassung das Richtige wäre und dem Versicherungsprinzip entsprechen würde, aufgehoben werden. Auch müssen wir uns damit beschäftigen, daß die in Abs. 3 und 4 von § 21 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes niedergelegte Regelung entsprechend früheren Anträgen, die in diesem Hause angenommen wurden, ebenfalls überarbeitet und geändert wird. Die Unfallversicherung dürfen wir keinesfalls vergessen.
Wenn der Herr Bundesarbeitsminister vom Versicherungsprinzip gesprochen und zum Ausdruck gebracht hat, daß den Beitragsleistungen entsprechende Renten usw. gewährt werden müssen, - grundsätzlich ja! Diese Zulage, die jetzt gewährt wird, wird nicht auf Grund von Beitragsleistungen gewährt. Diese Zulage wird auf Grund der Teuerung aus Steuermitteln gewährt, zu denen wir alle beitragen. Deshalb verlangen wir auch eine gerechte, sozial einwandfreie Regelung.
Und nun kurz zu Berlin. Das ist ja wohl wirklich das Tollste, was wir in einem Gesetz lesen mußten. Der Herr Bundesarbeitsminister hat lange Ausführungen gemacht über Telefongespräche, über Unterhaltungen, über den kleinen Senat, über den großen Senat, über den regierenden Bürgermeister und was weiß ich sonst noch. Das mag alles zugetroffen haben; ich weiß es nicht. Entscheidend ist für mich die Gesetzesvorlage, der Wortlaut, der Geist, die Wirkung, die hieraus hervorgehen. Für uns ist es einfach untragbar, daß man die Berliner Arbeiterschaft zwingt, ihre Rentenregelung, nach der die Arbeiter und Angestellten ihre Rente nach einheitlichen Grundsätzen, und zwar nach denen der Angestelltenversicherung beziehen, wiederum aufzuspalten in eine Rentenversicherung der Arbeiter, also die Invalidenversicherung, und eine Rentenversicherung der Angestellten, die Angestelltenversicherung. Wir sind der Meinung, daß diese Grundsätze, deren Anwendung ohne Zweifel eine Verbesserung darstellt und eine fortschrittliche Leistung der Berliner gesetzgebenden Körperschaften bedeutet, unter allen Umständen aufrechterhalten werden müssen und daß nicht versucht werden darf, diese besseren Leistungen durch einen derartigen Zwang wieder zu beseitigen. Selbstverständlich will Berlin an den Gemeinlasten beteiligt sein. Aber daraus den Schluß zu ziehen, daß man deshalb, nun, ich will nicht sagen, eine Erpressung, das wäre nicht schön, aber doch einen unangenehmen Zwang auf die Berliner Verwaltung ausüben könne, das Bundesrecht, wie wir es leider hier noch haben, auch für Berlin durchzusetzen, das können ,wir nicht mitmachen.
Bei der Übernahme der in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften Würde wieder eine unterschiedliche Rentenberechnung für Arbeiter und Angestellte erfolgen. Der Rente für Arbeiter wären nach der Rentenformel der Invalidenversicherung ein Grundbetrag von jährlich 156 DM und ein Steigerungsbetrag von 1,2 zugrunde zu legen. Auf den unterschiedlichen Begriff der Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit sowie die unterschiedliche Rentengewährung bei Arbeitslosigkeit und ferner die Unterschiede in der Gewährung von Renten an Witwen der Arbeiter und Angestellten in der Bundesrepublik gegenüber der einheitlichen und fortschrittlichen Regelung in Berlin möchte ich jetzt nur hinweisen, ohne näher darauf einzugehen. Im Ausschuß werden wir dies in aller Deutlichkeit nachholen und, so hoffe ich, in aller Gründlichkeit in gemeinsamer Arbeit im Interesse eines sozialen Forschritts beraten.
Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie dringend, mit dafür einzutreten, daß eine fortschrittliche, den Rentnern, Witwen und Waisen dienende Regelung noch vor den Bundestagsferien verabschiedet wird, damit wir diese schon lange auf uns lastende Verpflichtung endlich erfüllen.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin nicht bierhergekommen, um mich mit meinem Kollegen Richter über das zu unterhalten, was er jetzt vorgetragen hat; das werden wir im Ausschuß tun. Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich bei meinen Ausführungen vorhin vergessen habe, Ihnen mitzuteilen, daß in meinem Hause ein Gesetzentwurf über die Erhöhung der Unfallrenten fertiggestellt worden ist, der auch den Unfallrentnern, und zwar rückwirkend vom 1. Juni an, eine Erhöhung der Bezüge bringen soll. Unseres Erachtens brauchen die hierfür notwendigen Mittel nicht aus dem Staatshaushalt genommen zu werden, sondern wir können die Betriebe verpflichten, die Mittel im Umlageverfahren aufzubringen. Bei der veränderten Kaufkraft des. Geldes ist das kein unbilliges Verlangen an die Wirtschaft. Ich wollte Ihnen das nur vor Beginn Ihrer Beratungen noch sagen, damit nicht noch einmal gefragt wird, wo dieser Gesetzentwurf bleibt.
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- Den können Sie innerhalb 14 Tagen haben, aber dann sind Sie ja in Urlaub! Sofort nach den Ferien aber können Sie ihn meines Erachtens sehr schnell über die Bühne gehen lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schütz.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht zu der Materie im ganzen sprechen, sondern nur zu einem Teil der Begründung dieser Regierungsvorlage. Es ist nicht möglich, als Begründung für die Rentenerhöhung in der Frage der
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Deckung zu sagen: dafür ersparen wir ja dann bei einer ganzen Reihe anderer Postulate die wesentlichsten Beträge, darunter auch bei der Soforthilfeabgabe. Von den 780 000 Unterhaltshilfeempfängern sind 40 v. H. Empfänger der Rentenversicherung. Wenn die Rentenversicherung aus einem anderen Titel diesem Personenkreis etwas zulegt, dann wollen wir vom Hauptamt für Soforthilfe dabei nicht noch ein Geschäft mit den Leuten machen. Im Gegenteil!
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- Dagegen wende ich ja gerade ein, daß wir damit nicht einverstanden sind, und ich hoffe, Herr Kollege Renner, wir sind in diesem Falle einmal einer Meinung. Darüber hinaus werden wir überlegen müssen, wie wir nicht nur den Empfängern von 40 % Unterhaltshilfe gleichzeitig eine Rente, die auf die Unterhaltshilfe angerechnet wird, gewähren können, sondern wie wir darüber hinaus auch den Empfängern von 60 % Unterhaltshilfe den adäquaten Teil, den ihre Schicksalsgenossen aus der Rentenversicherung erhalten, aus anderen Mitteln zuwenden können. Darüber werden wir uns im Hauptamt für Soforthilfe den Kopf zerbrechen müssen, und wir hoffen, daß wir im Einvernehmen mit den beteiligten Stellen hier eine Lösung finden.
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- Für die gilt das gleiche!
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Das Wort hat der Abgeordnete Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Verwirklichung des Gesetzentwurfs haben die Bezugsberechtigten nun mit großer Hoffnung gewartet. Wie vorhin schon ausgeführt wurde, war ihre Enttäuschung groß, daß ab 1. Juli die erhöhten Rentenauszahlungen nicht erfolgt sind. Es ist anzuerkennen, daß durch die 25 %ige Erhöhung immerhin eine ansehnliche Leistung vollbracht worden ist. Es ist auch anzuerkennen, daß im Regierungsentwurf die Zulage im Sinne des Leistungsprinzips auf Grund der Beitragsleistung vorgesehen ist.
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Daran halten wir von der Zentrumsfraktion nach wie vor fest.
Aber für diejenigen Bezugsberechtigten, die eine derartige niedrige Rente bekommen und die nichts von dieser Rentenerhöhung erhalten, ist die Lage katastrophal. Man kann diesen Leuten nicht sagen: Um des Prinzips willen dürft und könnt ihr nichts erhalten! Hier muß die Bundesregierung einen Ausweg finden, damit diese Bezugsberechtigten, die bisher von der Rentenerhöhung ausgenommen wurden, in irgendeiner Form - wenn es nicht über den Weg der Rentenversicherungsträger geht, dann auf einem anderen Wege - trotzdem in den Genuß einer Erhöhung ihrer Rentenbezüge kommen.
Im übrigen sind auch wir der Auffassung, daß dieses Gesetz noch vor den Parlamentsferien verabschiedet werden muß, damit die Rentenbezieher und Bezugsberechtigten tunlichst schnell in den "Genuß der Rente kommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialversicherung steckt in dem Bestreben, ihre Bestimmungen den heutigen Verhältnissen anzupassen, voller Probleme. Alle diejenigen in diesem Hause, die sich mit der Sozialpolitik zu befassen haben, sind mit diesen Problemen seit langem befaßt. Gerade die Frage, die heute zur Debatte steht, nämlich die Erhöhung der Renten der Sozialversicherung, ist ein Problem, das uns auf den Nägeln brennt. Ich bin daher der Auffassung, daß man die Beratungen über dieses Gesetz nicht mit weiteren Problemen belasten sollte. Wenn wir all die Fragen, die im Interesse der Sozialversicherung der Rentner erledigt werden müssen, im gleichen Zuge mit diesem Gesetz debattieren und zu lösen versuchen wollten, dann würde das brennendste Problem, nämlich die Rentner recht bald in den Genuß einer Erhöhung ihrer Bezüge zu bringen, zu kurz kommen. Ich bin daher der Auffassung, daß wir all das, was der schnellen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs im Wege stehen könnte, zurückstellen und uns in den nächsten Tagen nur mit dieser Frage beschäftigen sollten.
Der eine oder andere mag fragen, warum dieses Problem nicht eher angepackt worden ist. Ich kann für meine Fraktion in Anspruch nehmen, daß wir dieses Problem eingehend behandelt haben. Vor allem sind wir darum besorgt gewesen, daß die Mittel zur Verfügung stehen, die diese Leistungserhöhungen ermöglichen. Leider haben wir dabei in diesem Hause von links und auch von rechts nicht die Unterstützung gefunden, die notwendig gewesen wäre.
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Ich erinnere Sie an die Beratungen der letzten Wochen über das sogenannte Steuerbukett. Die aus diesem Steuerbukett erwarteten Mittel werden zu einem großen Teil dazu benötigt, diese Leistungserhöhungen in der Sozialversicherung durchzuführen.
Ich richte an Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, den Appell, dafür zu sorgen, daß nicht , nur dieses Gesetz beschlossen wird, sondern darüber hinaus auch die für die Rentenerhöhung erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der Anfrage Nr. 177 vom 11. April 1951 habe ich zusammen mit meinen politischen Freunden an die Bundesregierung die Bitte um Auskunft gerichtet, welche Maßnahmen vorgesehen sind, um auch auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung den Preiserhöhungen Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung .hat in der Drucksache Nr. 2219 vom 28. April folgendermaßen geantwortet:
Um auch auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung den im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsprogramm der Bundesregierung sich ergebenden künftigen Preiserhöhungen von Grundnahrungsmitteln Rechnung zu tragen, ist beabsichtigt, die Kriegsbeschädigten
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und Kriegshinterbliebenen in die für alle Sozialleistungsempfänger geplanten Maßnahmen einzubeziehen.
Nun besteht zwischen dieser Erklärung der Bundesregierung und der Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs eine Divergenz. In dieser Begründung heißt es:
Dieser Mehrbelastung der öffentlichen Hand stehen Ersparnisse gegenüber
b) in der Kriegsopferversorgung durch verstärkte Anrechnung der Renten der Rentenversicherungen auf die Ausgleichsrenten. Ich kann in diesem Zusammenhang nur das wiederholen, was ich bei der Debatte über den Etat der Kriegsopferversorgung gesagt habe: Es geht nicht an, daß Erhöhungen der Sozialversicherungsrenten oder sonstige Teuerungszulagen an den Einkommensgrenzen des Bu desversorgungsgesetzes ihre Grenze finden. Ich bitte, diese Divergenz zwischen der - Erklärung der Bundesregierung auf unsere Anfrage Nr. 177 und der Begründung zum Rentenzulagegesetz bei den Beratungen im Ausschuß zu bereinigen, und behalte mir die Stellung folgenden Antrages vor:
Teuerungszulagen zu dem Arbeits- oder sonstigen Einkommen bleiben bei der Gewährung der Rentenleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz außer Ansatz.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Ich verweise Sie noch einmal auf die einleitenden Worte von § 1 des vorliegenden Gesetzes, die lauten: „Vorbehaltlich der Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherungen . . .". Was hier im Augenblick gemacht werden soll, ist nichts anderes als ein Interim, die Beseitigung akut aufgetretener Notstände bei unseren Rentenbeziehern, die uns allen die größte Sorge machen. Die endgültige Regelung, die nach unserer Auffassung so bald wie möglich in Angriff genommen werden sollte, stellen wir uns allerdings als eine echte Regeneration des Versicherungsgedankens vor, der den Schöpfern der deutschen Sozialversicherung ursprünglich vorgeschwebt hat.
Herr Kollege Richter sprach vorhin von den Mindestrentenbeziehern. Zwischen dem Herrn Kollegen Richter und mir wird es wohl kaum einen Streit darüber geben, daß die überhaupt notwendigen Mindesteinkommen höher festgesetzt werden müssen. Vielleicht bekommen wir niemals einen Streit über die notwendige Höhe. Der Streit, der zwischen uns aber wahrscheinlich entbrennen wird, ist der über die Herkunft der Mittel.
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Herr Kollege Richter hat vorhin darauf hingewiesen, daß unter den Beziehern von Invalidenrente ungefähr 29 % Bezieher solcher Mindestrenten sind, soweit es Männer sind, und sogar etwa 80 %, soweit es Frauen sind. Man sollte der Korrektheit halber noch hinzufügen, daß die Bezieher dieser Renten in der Regel Leute sind, die nur in einem sehr vorübergehenden Arbeitsverhältnis gestanden haben,
({1})
bei denen also ein aus eigenen Mitteln erworbener Anspruch auf echte Versicherungsleistungen nur zum Teil vorliegt. Damit wird nicht der Anspruch dieser Leute auf ihr Existenzminimum bestritten,
und ich bezweifle ihn auch nicht. Das ist aber eine Frage, die mit einer Reform des Fürsorgerechts und nicht mit dem im Augenblick vorliegenden Gesetz etwas zu tun hat. Wir möchten nicht, daß uns hier für die kommende Reform der Rentenversicherung Dinge vorweggenommen werden, die später behindern.
Was das Steuerbudget angeht, so hat Herr Kollege Arndgen gesagt, von links und von rechts - die Reihenfolge ist sehr wichtig - habe man ihm und seinen Freunden Schwierigkeiten bei der Beschaffung der Mittel gemacht. Die Schwierigkeiten, die ihm von der sogenannten Rechten gemacht worden sind, sind doch aus einer Überlegung entstanden, die man kurz so zusammenfassen kann: Wenn man Steuergesetze macht, die eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit mit sich bringen, erhöht man bestimmt nicht das Steueraufkommen des deutschen Bundes.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen meines Kollegen Arndgen nur noch ein paar Bemerkungen zum Thema Berlin nachtragen, weil mir das nach den Auslassungen des Kollegen Richter notwendig erscheint. Wir müssen bei der Betrachtung dieses Problems zunächst einmal von unserer gemeinsamen Überzeugung ausgehen, daß die Regelung der gesetzlichen Vorschriften über die Sozialversicherung im ganzen gesehen nur eine bundeseinheitliche Regelung sein kann. Wir bemühen uns bei jeder Gelegenheit, auch Berlin in unsere Gesetzgebung mit einzubeziehen. Das Haus ist sich in diesem Erfordernis einig, jeweils unter der Voraussetzung, daß das Land Berlin seinerseits ein entsprechendes Gesetz erläßt.
Nun muß ich aber ehrlich sagen: ich habe bei dem bisherigen Verlauf der Debatte, insbesondere angesichts der Auslassungen des Herrn Kollegen Richter, doch einen etwas komischen Geschmack auf der Zunge. Ich bin über das, was Herr Bundesarbeitsminister Storch hier zum Thema Berlin vorgetragen hat, in derselben Weise auch von maßgeblichen Berliner Herren unterrichtet. Ich habe zusammen mit dem Kollegen Degener kürzlich hier im Hause Unterhaltungen mit zwei Herren geführt, darunter dem Direktor der Versicherungsanstalt Berlin, Herrn Professor Schellenberg, die hier insbesondere auch als die Sachwalter dieser Anstalt auftreten. Beide Herren haben bei dieser Unterhaltung zugestanden und es auch als ihre Auffassung erklärt: Wenn einmal von Bundesseite her bereitwillig in dem erforderlichen Maße für Berlin gesorgt wird, dann sind wir auch damit einverstanden, daß auf dem Gebiete der Rentenversicherungen Berlin in die Gemeinlast des Bundes mit einbezogen wird. Ich komme dabei immer wieder auf die Auslassungen des Herrn Regierenden Bürgermeisters im vergangenen Jahre bei der Beratung des Kriegsbeschädigtengesetzes im Ausschuß zurück, der damals gesagt hat: Wenn wir A sagen, müssen wir auch B sagen. In dem vorliegenden Fall muß, weil es sonst eine unberechtigte Zumutung an die Steuerzahler des Bundesgebiets bzw. an die Beitragszahler zu den Sozialversicherungen werden würde, doch auch irgendwann einmal das B endgültig gesagt werden.
Auch ein sehr maßgebender Herr des Berliner Senats hat mir wörtlich erklärt, der Senat sei sich
({0})
darüber einig, daß diese Angleichung im Zuge dieser Dinge vollzogen werden müsse, natürlich unter billiger und gerechter Berücksichtigung der zur Zeit vorliegenden Situation.
({1})
Die Berliner Rentenversicherung befindet sich zur Zeit auf Grund eines Gesetzes vom 1. Januar in der Umstellung.
({2})
Ich weiß auch, daß dabei zum Teil niedrigere Renten hingenommen werden müssen, als es vorher der Fall war.
({3}) Wenn man das schon akzeptiert und als sehr richtig bezeichnet, dann kann man sich doch billigerweise, auf die Dauer gesehen, auch nicht dagegen sträuben, wenn nun hier von dieser Seite aus auch die Rechtsangleichung, die nun einmal unerläßlich ist, gefordert wird.
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- Meine verehrten Damen und Herren von der SPD, nicht wir tragen die Schuld daran, daß sich die Dinge in der Sozialversicherung in Berlin so entwickelt haben, daß sie nun eines Tages - für diejenigen, die die Dinge klar gesehen haben, war diese Entwicklung eigentlich zwangsläufig - auch bis zu einem gewissen Grade korrigiert werden müssen.
({5})
Es ist notwendig - und wir sind auch dazu bereit -, dem Lande Berlin eine berechtigte, im Ausschuß noch näher darzulegende oder zu erarbeitende Übergangslösung zu gestatten.
({6})
Es dürfen keine unbilligen Härten in diesem Übergang vorkommen, und es darf nicht sein, daß man ih kürzester Frist zweimal unter Umständen Menschen irgend etwas zumuten muß. Ich füge noch hinzu: Nach der Unterrichtung, die ich in diesen letzten Wochen durch den betreffenden Senatsvertreter erhielt, bin ich der Auffassung - und die scheint auch in Berlin vorhanden zu sein, mindestens im Senat -, daß diese Übergangsfrist nicht allzu lange bemessen zu sein braucht.
Zum Schluß möchte ich vor allem noch das eine sagen: Wir sollten es uns um der wahrheitsgemäßen Behandlung dieser Dinge willen, meine ich, nicht angewöhnen, wenn in diesem Fall zwischen dem Berliner Senat und der Bundesregierung eine grundsätzliche Übereinstimmung erzielt ist und wenn man auch seitens der Berliner Regierung willens ist, im Interesse einer vernünftigen Gesamtregelung der Berliner Dinge diesen Weg zu gehen, von Parteien wegen zu versuchen, diese Verständigung zwischen dem Berliner Senat und der Bundesregierung zu stören.
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Darauf möchte ich mit allem Nachdruck hingewiesen haben. Ich würde mich freuen, wenn wir auch in diesem Punkt im Ausschuß eine gemeinsame Basis finden könnten.
({8})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Grundsätzlich kann ich im Namen der Fraktion der Deutschen Partei sagen: wir begrüßen es, daß endlich dieses Rentenzulagegesetz zur ersten Lesung in den Bundestag gekommen ist. Ich möchte gleich vorweg sagen, auch meine Freunde - und darin stimme ich mit den hier abgegebenen Erklärungen überein - wünschen, daß die zweite und dritte Lesung unbedingt noch in der nächsten Woche stattfinden, damit die so lang erwartete Auszahlung der erhöhten Renten nicht verzögert wird.
Andererseits bedauern wir, daß mit diesem Gesetz eine Reihe von sehr wichtigen Regelungen der Rentenversicherung nicht miterledigt werden konnten. Wir bedauern auch, daß die vom Arbeitsminister gegebene Zusage und der Beschluß des Bundestags in dem Gesetz nicht so den Niederschlag gefunden haben, wie das meine Freunde wünschen. Wir werden daher, sobald das Gesetz in der nächsten Woche verabschiedet ist, initiativ werden und hoffen, daß die Bundesregierung alles tun wird, um die notwendigen Wünsche, die hier nach dem gemeinsamen Willen des Bundestags schon einmal formuliert worden sind, ihrer Verwirklichung entgegenzuführen.
Der Herr Arbeitsminister hat in erfreulicher Deutlichkeit heute zum Ausdruck gebracht, daß alles geschehen soll, um bei der Neuordnung die Rentenleistung und die Rentenhöhe an die zu erbringenden Beiträge und ihre Höhe anzupassen. Ich hoffe, daß auch im Ausschuß die Formulierung noch so klar erfolgt, daß gar kein Zweifel darüber besteht, daß wir zum echten Versicherungsprinzip zurückkehren wollen.
Ich freue mich auch darüber, daß der Herr Bundesarbeitsminister in ebenso bemerkenswerter Klarheit erkannt hat, daß die Grundlagen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes hinsichtlich der Berechnung der Renten nicht die gegebenen sind, um eine Versicherungsgerechtigkeit zu garantieren. Wenn der Herr Kollege Renner geglaubt hat, die Ausführungen des Herrn Arbeitsministers, daß die Sozialversicherung keine Wohlfahrtsinstitution des Staates sein solle, angreifen zu müssen, so möchte ich den Worten des Herrn Bundesarbeitsministers noch hinzufügen: wir unterstreichen diese Ausführungen nicht nur, sondern möchten zum Ausdruck bringen, daß die hier aus Mitteln aller deutschen Steuerzahler zur Verfügung gestellten Summen für die notwendige Zulage aus Gründen der Anpassung an das veränderte Lohn- und Preisniveau keine Wohlfahrtsunterstützung des deutschen Staates an die Rentenempfänger sein sollen, sondern nur eine Vorabzahlung der Bundesregierung und eine Vorableistung auf die den Sozialversicherungsträgern zu erstattenden Verluste zweier Kriege und der Währungsreform sein können.
({0})
Wir legen ganz besonders Wert darauf, dies darzulegen, weil wir nicht wünschen, daß in den Köpfen derjeniger, die in der oppositionellen Publizistik draußen wirken, vielleicht aus nicht vermögendem Verstehen oder aus nicht gewolltem Verstehen der Gedanke entsteht, dies sei der erste Weg, die deutsche Sozialversicherung in eine Staatsbürgerversorgung zu überführen.
Das brennendste Problem - Herr Kollege Arndgen hat es schon gesagt - ist zwar die Verabschiedung des Rentengesetzes. Das zweitbrennendste Problem ist für. uns aber das, was Herr Kollege Horn ausgedrückt hat, die endliche einheitliche Ge({1})
setzgebung für alle deutschen Staatsbürger im Bundesgebiet einschließlich Berlins.
({2})
Gottlob hat der Herr Arbeitsminister seine Vorlagen
nicht nach dem Vorbild der SED, wie es in Berlin
verwirklicht ist,
({3})
und nicht nach dem Vorbild, wie es dem Deutschen Gewerkschaftsbund oder den sozialistischen Parteien vorschwebt, gestaltet,
({4})
sondern entsprechend der guten deutschen Sozialgesetzgebung, die in der ganzen Welt auch heute noch ein gutes Vorbild ist.
Wir bedauern es, daß der Bundestag die Doppelrenten beseitigt hat, und zwar gegen die berechtigten Ansprüche der berufstätigen Frauen, sowohl der weiblichen Angestellten wie der Arbeiterinnen, die ihre Beiträge gezahlt haben und die für ihre eigene Beitragsleistung im Falle der Verheiratung oder der Verwitwung nur eine Rente bekommen und um ihre eigenen Beiträge betrogen werden. Es mag berechtigt sein, daß der Staat sagt, er könne in der Invalidenversicherung den Grundbetrag nicht zweimal zahlen. Darüber kann man diskutieren. Es ist aber ganz unberechtigt, in der Angestelltenversicherung denjenigen, die ihre Beiträge in Zwangs- oder freiwilliger Versicherung weitergezahlt haben, das Ergebnis ihrer Beitragsleistung zu nehmen und sie darum zu betrügen. Wir glauben, daß es eine der wichtigsten Forderungen ist, auch im Hinblick auf die vollkommen veränderte Situation der berufstätigen Frauen in Deutschland, zu überlegen, ob wir nicht auch die Elternrente, die alte Forderung der weiblichen Angestellten, endlich einzuführen haben. Meine Fraktion wünscht, daß alle diese Fragen unverzüglich nach Verabschiedung dieses Gesetzes angeschnitten werden.
Mit diesem Gesetz wird auch die Frage der Krankenversicherung der Rentner berührt. Es erscheint uns dringend notwendig, daß dieses so ernste Problem einer Neuordnung zugeführt wird. Wir wollen nicht, daß die Ortskrankenkassen weiter damit belastet sind, allein die Krankenversicherung der Rentner durchführen zu müssen. Wir wollen, daß die gesamte deutsche Sozialversicherung und die gesamte Krankenversicherung, die ihre Bereitwilligkeit erklärt hat, zu dieser solidarischen Haftung für ihre Rentner verpflichtet wird.
Nun zum § 5. Ich bin eigentlich erstaunt, woher Herr Kollege Richter den Mut genommen hat, solche Worte über die auch von seinen Freunden in Berlin getroffenen Vereinbarungen zu finden. Noch mehr bin ich aber erstaunt, daß er als Kenner der Materie und als Sprecher des Deutschen Gewerkschaftsbundes nicht auf die echten Probleme eingegangen ist, um die es hier geht. Ich glaube, jeder Bürger in Berlin hat das gleiche Recht wie jeder Bürger im Bundesgebiet. Ich weiß auch, daß die Entscheidung der politischen Wahlen in Berlin in keinem Falle so klar und die Diskussion in keinem Punkt so brennend war wie in der Anpassung der Sozialversicherung an das Bundesgebiet. Ich weiß, und mit mir jeder Sachkenner, daß man in einer Stadt keine Rentenversicherung machen kann. Selbst die Vertreter der VAB haben längst eingesehen, daß die Erhaltung dieser Rentenversicherung ohne den notwendigen und von uns gewollten westdeutschen Lastenausgleich nicht möglich ist. Sie sprechen aber von der „Leistung" und meinen „die Organisation". Sie sprechen von Verminderung der Leistungen und verschweigen die Verbesserung da, wo sie in den meisten Fällen eintreten wird, wenn die echte Anpassung vollzogen ist.
({5})
Sie veröffentlichen Einzelfälle, und Sie möchten die Neuordnung verewigen, die Sie im Zuge politischer Revolutionen nach dem Beispiel der SED in Berlin verwirklicht haben. Sie sprechen heute von der zweimaligen Rentenkürzung. Meine Herren, Sie wissen sehr genau, daß die Rentenkürzung am 1. Juli in Berlin deshalb in Kraft tritt, weil Sie Ihre Tabellenrenten auf die übliche Versicherungsrente umstellen müssen.
({6})
Die Anhänger der VAB wissen auch, daß sie auf Grund ihrer 1946 eingeführten Tabellenrenten in Berlin nicht Leistungen nach bezahlten Beiträgen, sondern auf Grund des in den letzten fünf Jahren gehabten Verdienstes gezahlt haben.
({7})
Wer das Glück hatte, in Berlin durch das richtige Parteibuch in den letzten fünf Jahren viel zu verdienen, der bekommt eine hohe Rente, und wer das Unglück hatte, zur falschen Partei zu gehören und nichts zu verdienen - ({8})
- Warum sind Sie so auffällig erregt?
({9})
- Die Wahrheit ist immer etwas unangenehm. ({10})
- Es ist der Auftrag der politischen Diskussion, die Fackel der Wahrheit durch das Gedränge zu tragen, auch wenn Sie sich an ihrer Fackel, Herr Richter, verbrennen sollten. Wir wünschen diese totale Auseinandersetzung mit Berlin in aller Deutlichkeit, und wir werden sie im Ausschuß mit aller Sachlichkeit fortsetzen.
({11})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedaure sehr, daß es immer wieder notwendig ist, gegen Frau Kalinke in ihrer vollkommen unsachlichen Einstellung zu Berlin und zu der Tätigkeit in Berlin hier zu sprechen.
({0})
Ich will Ihnen nur eines sagen, Frau Kalinke. Ich hatte mich eigentlich dazu nicht gemeldet, aber eine Antwort muß ich Ihnen geben: Sie haben von den berufstätigen Frauen in Deutschland gesprochen. Jawohl, es gibt nirgends in Deutschland so viel berufstätige Frauen wie in Berlin. Wenn Berlin aufgeräumt worden ist
({1})
- ich will noch eins hinzufügen -, wenn Deutsch({2})
land in der Welt wieder seine Stellung erobert hat, dann verdanken Sie das ganz besonders den Berliner Frauen und Berlin.
({3})
Das sollten Sie doch nicht immer wieder vergessen. Ich glaube, das haben Sie sich auch in Amerika sagen lassen können.
({4})
Meine Herren und Damen! Nur noch ein Wort. Wenn hier von dem Herrn Minister gesagt worden ist, daß Berlin selbst den Wunsch gehabt habe, in die Gemeinlast einbezogen zu werden, so antworte ich: ganz selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich ist das, was der Herr Kollege Horn sagt: Es kann auf die Dauer nicht so bleiben, daß Berlin eine andere Art von Leistungen, eine andere Art von Versicherung als der Bund hat. Das habe ich den Berlinern bereits vor vier und fünf Jahren gesagt; denn ich bin es ja selbst gewesen, die das Glück gehabt hat, im Reichstag an der Gestaltung der Sozialversicherung mitzuarbeiten. Es ist aber etwas anderes, wenn man in einem Gesetz, das eine Erhöhung der Renten bringen soll, gewissermaßen durch Hintertüren etwas einführt, was eine grundsätzliche Frage unserer Sozialversicherung betrifft.
({5})
Der § 1 beginnt mit den Worten: „Vorbehaltlich der Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherungen". Ja, bitte schön, Herr Minister, dann bringen Sie uns doch die Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherung. Dann sind wir bereit, hier und in Berlin darüber zu sprechen. Es ist ganz selbstverständlich, daß wir dann den Weg finden müssen. Aber was Sie hier tun, und zwar ganz besonders dadurch, daß Sie die einheitliche Rentenversicherung in Berlin zerschlagen wollen, bedeutet doch eine Vorwegnahme der grundsätzlichen Neuregelung der Sozialversicherung.
({6})
Dazu mag der Senat sagen, was er will; der Herr Senator Klein wird Ihnen ja darauf antworten; und morgen wird Ihnen Herr Senator Fleischmann im Ausschuß die Antwort geben. Ich aber sage Ihnen im Auftrage meiner Fraktion: Das ist kein loyales Verhalten, wenn Sie dadurch gewissermaßen einen Zwang ausüben wollen und auf diese Weise nicht die Organisation, sondern die Leistungen in Berlin so verschlechtern.
Frau Kalinke, Sie bekommen wahrscheinlich nicht die Briefe, die alle meine Freunde aus der Fraktion und ich täglich von den Berlinern bekommen, die jetzt zum 1. Juli in den Renten um 50 DM, um 40 DM, um 60 DM heruntergesetzt worden sind. Das sind ja nicht die Leute, von denen Sie reden, die ein Parteibuch in der Tasche haben und deshalb hohe Renten bekommen haben. Das haben alle bekommen. Das sind zum Teil auch Frauen, die 1945, als unsere Sparkassen und Banken einfach geschlossen wurden, vor dem Nichts standen und gezwungen waren, als Trümmerfrauen auf die Straße zu gehen oder im Büro oder sonstwo zu arbeiten. Das waren zum Teil Frauen im weißen Haar. Diese Personen, auch ich selbst, alle miteinander, vor allen Dingen auch die Hilflosen, bekommen heute den Bescheid, daß die Renten außerordentlich herabgesetzt werden. Das ist ungeheuer bitter. Wir haben es in Berlin gemacht, um uns dem Bund anzugleichen; und nun verlangt man eine zweite Angleichung. Wenn dann das kommt, was der Herr Minister, Storch versprochen hat, nämlich die Neuregelung der gesetzlichen Rentenversicherung, dann machen wir eine dritte Angleichung. .Das bedeutet doch auch Kosten, auch einen Verschleiß an Arbeit und Zeit, die wir wirklich viel besser nutzen könnten, wenn uns Herr Minister Storch sagte: „Das neue Gesetz werden Sie in wenigen Wochen" - oder meinetwegen in wenigen Monaten - „erhalten", und wenn wir dann an eine wirkliche Neuregelung herangingen.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist immer nett, wenn Frauen temperamentvoll sind, und im Parlament besonders. Ich freue mich darüber, wenn solche Dinge, die nun einmal in der Luft liegen,
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auch mal offen ausgesprochen werden.
Zu dem Problem Berlin ist doch folgendes zu sagen: Entweder will man in Berlin, daß die Sozialversicherungsträger des zukünftigen 12. Landes heute bereits einheitliches Recht mit dem Bunde bekommen und damit eine Gemeinlast hergestellt werden kann, oder man will das nicht. Man kann doch nicht verlangen, daß von jemandem, der bei geringeren Leistungsansprüchen Beiträge bezahlt, nun Geld zu einem anderen transferiert wird, der bei gleichen Beiträgen die höheren Leistungen gewährt. Das sind die Dinge, die Sie sehen müssen.
Ich war mir völlig darüber klar, Frau Schroeder, daß die staatsrechtliche Lage Berlins und die Entwicklung der sozialpolitischen Versicherungsträger in Berlin eine Eigenart darstellen, und habe deshalb gar nicht den Versuch gemacht, Berlin in diesem Gesetz in die Gemeinlast hineinzubringen. Ich weiß, mit welch eminenten Schwierigkeiten das auf beiden Seiten verbunden ist. Wenn man sich dann aber einig geworden ist, daß man es machen will, dann muß man es auch tun.
Herr Senator Fleischmann sagte mir erst am vorigen Freitag: Ja, wir müssen aber noch gewisse Übergangsmöglichkeiten suchen. Ich habe ihm gesagt: Dabei werde ich Ihnen bestimmt nicht im Wege stehen. - Frau Schroeder, gerade Sie kennen unsere Sozialversicherung durch Ihre langjährige Arbeit im Parlament, und Sie wissen, wie schwer es ist, daraus wieder ein Gebäude zu machen, das unseren arbeitenden Menschen wirklich eine Sicherung für ihre Lebenshaltung im Alter gibt. Die haben wir doch gar nicht mehr. Wir gehen zur Zeit her und nehmen die einlaufenden Gelder und geben sie restlos für die Erfüllung der heutigen Versicherungsverpflichtungen aus. Wir haben keine Garantie dafür, daß man den Beitragzahlenden von heute in 15 Jahren, wenn sie selbst berechtigt sind, ähnliche Leistungen geben kann.. Daß man eine gewisse Deckung wieder schaffen muß, darüber sind sich doch wohl alle klar, die das Sozialversicherungsproblem in seiner Grundsätzlichkeit kennen. Ich bedauere es wirklich, daß, nachdem in Verhandlungen zwischen dem Senat in Berlin und uns diese Gesetzesvorlage zustande gekommen ist, nunmehr von einer dritten Seite versucht wird, die Dinge wieder auseinanderzubringen. Wenn es sich in Wirklichkeit nur darum handelt, Schwierigkeiten im Übergang zu überwinden, dann werden wir
({1})
den Weg finden. Ich nehme an, daß Herr Senator Fleischmann in den nächsten Tagen hier ist, um mit seinen Sachbearbeitern die Dinge auch hier im Ausschuß so zu behandeln, daß eine tragbare Lösung für Berlin gefunden wird.
Das Wort hat als Vertreter Berlins Senator Klein.
Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat zu dem vorliegenden Gesetz einstimmig beschlossen, den § 5, um den es sich hier handelt, abzuändern und dem Bundestag einen entsprechenden Vorschlag zu machen. § 5 sieht die Einbeziehung Berlins in das Sozialverversicherungssystem des Bundes vor, besonders in das System des Lastenausgleichs der Rentenversicherungsträger. Alle Beteiligten sind und waren sich darüber im klaren, daß diese Frage dringend ist und der Entscheidung bedarf, auch in einem Gesetz, das mit derartigen schwerwiegenden organisatorischen Fragen nicht unmittelbar zu tun hat, aber im Zuge einer Gesetzgebung liegt, die das Hohe Haus in Bälde beschäftigen wird. Es handelt sich im Verhältnis des Bundesrates und Berlins zur Bundesregierung nur um eine Streitfrage: Soll vor der Sozialversicherungsreform, deren Dringlichkeit der Bundesrat auf Antrag Bayerns anerkannt hat, in Berlin die Trennung der Rentenberechnung nach Invaliden- und Angestelltenversicherung und damit eine Umrechnung von zirka 200 000 Rentenbescheiden stattfinden, oder soll damit bis zur Verabschiedung der dringenden Sozialversicherungsreform des Bundes gewartet werden? Herr Minister Storch hat ausdrücklich betont, daß mit der Einbeziehung Berlins keine Vorwegnahme der endgültigen Gestaltung der Sozialversicherung verbunden sein soll.
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Es wird also von der Regierungsbank her selbst offengelassen, wie die Sozialversicherung endgültig gestaltet wird, ob es eine getrennte Versicherung und getrennte Versicherungsträger nach Arbeitern und Angestellten oder eine gemeinsame Versicherung gibt.
Unter diesen Umständen und nur unter diesen Gesichtspunkten hat der Bundesrat einstimmig auf Vorschlag sämtlicher Arbeits- und Sozialminister der Länder und der Finanzminister beschlossen, das Sozialversicherungssystem Berlins zunächst nicht anzutasten.
Ich möchte zum Schluß eine Erklärung für Berlin abgeben. Berlin hat den Wunsch, baldmöglichst vollgültiges Land der Bundesrepublik zu werden. Es ist selbstverständlich, daß Bundesrecht auch in Berlin gelten muß. Man rennt offene Türen ein, wenn man das hier fordert. Wir wollen das endgültige Sozialversicherungsrecht des Bundes einführen. Es muß aber endgültig sein, und es wird die Aufgabe des Herrn Arbeitsministers und der Bundesregierung sein, diese vom Bundesrat als dringlich bezeichnete Sozialversicherungsreform nunmehr ohne Aufschub vorzulegen und in der Übergangslösung Berlin nun keine zusätzlichen Lasten aufzuerlegen, sondern das System, das Berlin einmal hat, unangetastet zu lassen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere, daß es den Frauen, ausgerechnet meiner Kollegin Frau Schroeder und mir, vorbehalten ist, die ganze politische Gefahr einer solchen sozialpolitischen Debatte aufzuzeigen, und ich hoffe, daß das Hohe Haus an dieser Debatte lernt, wie politisch die sozialpolitischen Entscheidungen in diesem Hause sind.
Der Herr Vertreter der Stadt Berlin veranlaßt mich, hier noch einmal das Wort zu nehmen. Ich werde mich bemühen, so temperamentlos wie möglich und so sachlich wie möglich zu sein. Sie haben erklärt, es sei von der Regierungsbank her offengelassen, wie die künftige Reform der Sozialversicherung aussehen soll. Die Regierung ist nach unserer Verfassung - wenn ich sie recht verstehe - das beauftragte Organ, das das auszuführen hat, was in diesem Hohen Hause von den die Regierung tragenden Parteien in ihrem Programm gewollt und beschlossen ist.
({0})
Ich, glaube, daß die Abgeordneten - sehr richtig, Herr Professor Preller - in diesem Hohen Hause in ihrer Mehrheit nicht nur einmal, sondern sehr oft in nicht zu verkennender Klarheit zum Ausdruck gebracht haben, daß sie das Beispiel der Versicherungsanstalt Berlin, das von der sed-istischen und russischen Besatzungsmacht befohlen ist, nicht als Musterbeispiel für die Verwirklichung der künftigen deutschen Rentenversicherung ansehen. Ich kann für die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, für die Deutsche Partei und für die Bayernpartei verbindlich erklären, daß wir nicht wünschen, daß die deutsche Rentenversicherung die Einheitsrentenversicherung nach diesem Muster ist, und daß wir Ihnen auch in aller Klarheit sagen können, daß uns unter der Reform der Sozialversicherung die schnellste Wiedererrichtung und Geschäftsfähigmachung der Angestelltenversicherung mit dem Sitz in Berlin vorschwebt. Ich kann auch weiter erklären, daß uns die Beschaffung der Deckungsgrundlagen für die deutsche Rentenversicherung in allen ihren Zweigen vorschwebt und daß wir außerdem wünschen, daß die notwendige Anpassung an die Bedürfnisse der Gegenwart nicht versäumt wird.
Ich bedauere, Frau Kollegin Schroeder, daß in der Zeit, als Sie Oberbürgermeisterin in Berlin waren, soviel Frauen als Trümmerfrauen in Berlin gearbeitet haben, - ({1})
Ich bedauere, daß soviel Frauen - ({2})
- Sie zwingen mich durch Ihre unsachliche Stellungnahme zu dieser Auseinandersetzung. ({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Rednerin ausreden zu lassen.
({0})
Die Drohung „Kommen Sie nach Berlin!" habe ich von Ihren Freunden in Berlin mit erhobenen Fäusten schon erlebt: Sie können mich nicht - ({0})
({1})
Ich weiß, was in Berlin bei der Ablehnung der Rentengeschehen ist!
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- Schämen müssen sich die Männer, die eine Bundestagsabgeordnete bedrohen, wie Sie das getan haben!
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- Das überlasse ich den Leuten - ({4})
Herr Präsident, wollen Sie mir bitte Ruhe verschaffen!
({5})
Frau Kalinke, ich habe versucht, Ihnen Ruhe zu verschaffen. Sie haben mich bei meinen Bemühungen nicht unterstützt.
({0})
- Ich bitte, die Abgeordnete Frau Kalinke ausreden zu lassen.
({1})
- Sie hat den Anspruch, reden zu dürfen wie jedes andere Mitglied des Hauses auch.
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Die in Berlin getroffenen Regelungen, die es nicht möglich machen, eine einmalige Anpassung vorzunehmen,
({0})
sind auch durch Ihr System veranlaßt, indem Sie die Versicherung nach Grundsätzen aufgebaut haben, die dem deutschen Recht widersprechen. Uns kommt es nicht darauf an, allen Berliner Rentnern Versprechungen zu machen, sondern uns kommt es darauf an, diese Versprechungen zu verwirklichen. Der Magistrat von Berlin war nicht in der Lage und wird es nicht sein, diese Versprechungen zu verwirklichen. Wir sind des guten Willens, allen Berliner Rentnern diese Versprechungen zu verwirklichen und die Grundlage dafür zu schaffen.
({1})
Die Voraussetzung aber ist die totale, uneingeschränkte Anpassung an das Recht der Bundesrepublik und die Anerkennung der deutschen Gesetzgebung auch in West-Berlin.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bucerius.
Meine Damen und Herren! Als Vorsitzender .des Ausschusses für Berlin habe ich es mir in diesem Hause zur Regel gemacht, möglichst wenig über das Thema Berlin zu sprechen. Das hat einen sehr guten Grund. In der Frage Berlins sind wir, glaube ich, in allen wesentlichen und entscheidenden Punkten einer Meinung, und nur so ist es überhaupt möglich, daß die Dinge, die uns in Berlin am Herzen liegen und die nicht eine Berliner Frage, nicht nur eine deutsche, sondern eine europäische Frage sind, wirklich mit der Geschicklichkeit, der Sachlichkeit und der Größe gelöst werden, welche des deutschen Volkes allein würdig sind. Ich habe zu meinem Bedauern den Eindruck, daß die heutige Debatte in diesem Sinne nicht förderlich gewesen ist,
({0})
und möchte auch Frau Kalinke sagen, daß ich mit dem, was sie gesagt hat, nicht einverstanden sein kann. Ich halte es für sehr kränkend, wenn Frau Schroeder in ihrer Eigenschaft als Oberbürgermeisterin von Berlin Vorwürfe gemacht werden für einen Sachverhalt, für den sie persönlich zweifellos nicht verantwortlich ist.
({1})
Wir alle, die wir die Elendsgestalten gesehen haben, die in Berlin damals und heute im Ostsektor Berlins unter ganz anderen Verhältnissen noch Fronarbeit leisten müssen, kennen den Sachverhalt, der sich damals zugetragen hat und der unvermeidlich gewesen ist, an dem kein Mensch etwas ändern konnte und der am allerwenigsten durch Reden im Parlament an dieser Stelle heute geändert wird. Ich bedauere es daher, unbeschadet aller parteipolitischen Differenzen, die auch heute noch Frau Schroeder und mich trennen, wenn gegenüber einer Frau, die sich immerhin die größte Mühe gegeben hat, diese Dinge heute zum Gegenstand einer solchen persönlichen Aussprache gemacht werden.
({2})
Frau Kalinke führt in diesem Hause immer ein offenes Wort. Sie wird es mir verzeihen, wenn ich auch ihr gegenüber offen gewesen bin. Ich kann Ihnen und Frau Schroeder und allen in diesem Hause versprechen, daß ich weiterhin in der Frage Berlins mit der Rücksichtslosigkeit und Offenheit sprechen werde, die mir für dieses Thema allein angemessen zu sein scheinen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Kollegen Bucerius bleiben mir nur einige Bemerkungen übrig. Ich glaube, es ist das erste Mal, daß in diesem Hause in der Art gesprochen wurde, wie Frau Kalinke das beliebt hat.
({0})
Jeder, der die Berliner Verhältnisse und die ganze Entwicklung dort kennt, und jeder, der sich darüber klar ist, was es bedeutet hat, daß Frau Schroeder in der schwersten und gefahrvollsten Zeit Berlins Oberbürgermeister war, würde hier solche Vorwürfe nicht ausgesprochen haben.
({1})
Herr Präsident, ich weiß, was es bedeutet, was ich hier ausspreche, aber ich muß es sagen: Ich bedauere zunächst einmal, daß die Deutsche Partei zu den Ausführungen noch Beifall gespendet hat.
({2})
({3})
Ich hoffe, daß die bessere Einsicht kommt und daß man das, was Frau Kalinke versäumt hat, nachholt, nämlich sich für das entschuldigt, was hier passiert ist. Die Ausführungen, die Frau Kalinke gemacht hat, waren von einer Schamlosigkeit, wie sie hier im Parlament selten vorgekommen ist.
({4})
Herr Abgeordneter Mellies, wegen dieser Ausführungen habe ich Sie zur Ordnung zu rufen!
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist
der Antrag gestellt, die Vorlage an den Ausschuß
für Sozialpolitik zu überweisen. - Widerspruch
dagegen erhebt sich nicht. Dann ist so beschlossen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesbahngesetzes und des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbahn ({1}) ({2}).
({3})
Wir treten in die dritte Beratung ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und 1 Herren! Es betrübt mich, daß es nicht möglich gewesen ist, die zweite und dritte Lesung dieses immerhin bedeutsamen Gesetzes bis nach den Parlamentsferien zu vertagen. Es war der Wunsch des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes, zu diesem Problem Stellung zu nehmen. Wir haben am Freitag der vergangenen Woche in einer Aussprache mit dem Herrn Bundeskanzler diesen Wunsch des Deutschen Gewerkschaftsbundes vorgetragen und waren der Auffassung, auf weitestgehendes Verständnis gestoßen zu sein. Es wurde mir von dem stellvertretenden Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Mathias Fächer, gesagt, daß wir ruhig zur internationalen Konferenz des Bundes freier Gewerkschaften nach Mailand fahren könnten; es bestünde berechtigte Aussicht, daß das Problem vertagt werde. Wir sind nach Mailand gefahren, und als ich aufgefordert wurde, sofort nach Bonn zurückzukommen - ich erhielt die Aufforderung vor zirka 36 Stunden -, da hat der neugewählte Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Fette, ein sehr bedenkliches Gesicht gemacht.
Meine Damen und Herren! Christian Fette ist der Mann des guten Willens. Er repräsentiert fast 6 Millionen Arbeitnehmer, den Deutschen Gewerkschaftsbund. Er hat den Wunsch geäußert, man möge ihm Zeit lassen, sich mit der Materie vertraut zu machen und sich gleich Hans Böckler mit dem Herrn Bundeskanzler einmal über die Mitbestimmung in den öffentlichen Betrieben zu unterhalten.
({0})
- Jawohl, aber es ist auch Sache des Deutschen Gewerkschaftsbundes, sich für dieses wesentliche Recht zu interessieren.
({1}) - Die Zeit war zu kurz. Daß der Beschluß nicht nicht zustande gekommen ist, das war für diesen Mann des guten Willens eine Lehre für sein Leben. Ich bin gehalten, das zu sagen!
Und nun stehen wir vor der Fassung des Gesetzentwurfs, wie sie in zweiter Lesung beschlossen worden ist. Wir haben uns noch einmal grundsätzlich mit der ganzen Problematik dieses Gesetzes auseinanderzusetzen. Wir haben in diesem Gesetz die Mitbestimmung in den öffentlichen Betrieben als ein Recht verankern wollen, wie es den Eisenarbeitern, den Stahlarbeitern und den Bergarbeitern gegeben ist. Es heißt in jenem Gesetz: Den Arbeitern wird ein Recht auf Mitbestimmung gegeben. Wir wünschen, daß dasselbe Recht den Arbeitern in den öffentlichen Betrieben, hier bei der Bundesbahn, gegeben wird. Wir haben in dem Staatsarbeiterrecht der Zeit vor 1916 ein zweigleisiges, ein minderes Recht gehabt. Erst am 16. März 1916 wurde diesen Staatsarbeitern die Koalitionsfreiheit gegeben. Wir können heute unmöglich die Hand dazu bieten, daß den Staatsarbeitern wieder ein minderes Recht gegeben wird. Daher unsere Forderung auf gleiches Recht auch in der Frage der Mitbestimmung. Denn darunter fallen in Zukunft nicht nur die 520 000 Eisenbahnarbeiter, -angestellte und -beamte, darunter fallen auch rund 3 Millionen in den öffentlichen Betrieben beschäftigte Arbeitnehmer.
Es gibt noch ein zweites Problem, was uns die Forderung, hier gleiche Rechte zu schaffen, erheben läßt. Das sind die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Die Vergangenheit hat uns gelehrt, daß politische Demokratie ohne wirtschaftliche Selbstbestimmung zerbricht. Deshalb wollen wir, daß solche Dinge wie 1933 nicht wieder geschehen können, sondern daß die politische Demokratie durch die wirtschaftliche Demokratie, die wir auch in diesem Gesetz verankert wissen wollen, untermauert wird. Wir wollen eine neue Sozial- und Wirtschaftsordnung aufbauen. Glauben Sie nicht auch, daß, wenn es uns gelingt, eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung aufzubauen, nach der sich Millionen unserer Arbeitsbrüder in der Ostzone sehnen, daß dieses neue Recht - führend zu einer neuen Wirtschaftsordnung, die in der Wirtschaftsdemokratie enden soll - das beste Sprungbrett für eine Vereinigung Deutschlands auf demokratisch, wirtschaftlich und sozial neuem Boden wäre? Ich weiß, daß diese Sehnsucht im Osten unseres Vaterlandes vorherrscht. Dieser Sehnsucht, diesem Drängen müssen wir Rechnung tragen.
Mitbestimmung und Mitverantwortung sind Zwillingsbrüder. Sie leben miteinander, sie gedeihen miteinander oder aber sie sterben miteinander. Ich will mich nicht weiter über das auslassen, was wir nach der Überrollung 1945 an Mitverantwortung getragen haben. Wir haben wahrlich Verantwortung auf unsere Schultern genommen, und wir wünschen, daß zu der Mitverantwortung endlich auch die Mitbestimmung komme, die nuin einmal dazu gehört, wenn etwas Neues aufgebaut werden soll.
({2})
Ich verstehe nicht, warum man aus dieser Forderung, Mitverantwortung zu tragen, aber auch mitzubestimmen, dann - ich möchte fast sagen - die Redensart entwickelt, die dann landauf landab zu hören ist, daß die Gewerkschaften nach einer neuen Diktatur strebten. Die Mitbestimmung wäre das festeste Band, die Gewerkschaft an die Mitver({3})
antwortung zu binden. Wenn es aber anders gewünscht wird, dann sehe ich allerdings schwarz für eine ruhige und gesunde Entwicklung nicht nur auf dem sozialrechtlichen Gebiete, sondern auch hinsichtlich alles dessen, was für eine gesunde Wirtschaftspolitik erforderlich ist.
Und noch ein Viertes. Wir haben in der westdeutschen Republik, und zwar in der französischen Zone, bereits eine entsprechende Institution; das ist der Verkehrsrat der westdeutschen Eisenbahnen mit Sitz in Speyer. Dort ist der Verwaltungsrat aus drei Gruppen zusammengesetzt, während in dem gestern beschlossenen § 10 die Vierteilung verankert worden ist. Es ist für uns nicht möglich, dem zuzustimmen. Wir fordern gleiches Recht für alle Arbeitnehmer auch auf diesem Gebiete und sind deswegen gehalten, unsere bereits gestellten Anträge heute noch einmal zur Abstimmung - nicht zur Diskussion - zu stellen.
Wir wünschen ferner, daß der § 7 des Gesetzes die Formulierung erhält, wie wir sie in einem Antrag dem Hohen Hause vorgelegt haben. Es ist nach unserer Auffassung unerläßlich, daß in dem größten Betriebe Europas ein Arbeitsdirektor bestellt wird. Es wird als selbstverständlich angesehen, daß ein technischer Direktor, daß ein Finanzdirektor vorhanden ist; aber daß das Wertvollste, was wir besitzen, die Arbeitskraft, nicht durch einen besonderen Arbeitsdirektor betreut werden soll, das erscheint mir einfach unmöglich. Wir sind daher der Auffassung: hier muß ein Arbeitsdirektor bestellt werden, und er soll auch das Vertrauen mindestens der Mehrzahl der bei der Bundesbahn Beschäftigten genießen. Daher unser Wunsch, daß er nicht ohne die Gewerkschaftsvertreter benannt und ohne sie auch nicht von seinem Posten entfernt werden kann.
Da ich gestern nicht hier sein konnte, haben meine Freunde unsere Forderung hinsichtlich der Zusammensetzung des Verwaltungsrats zur Genüge begründet. Wenn Sie unseren Antrag genau ansehen, meine Damen und Herren, dann werden Sie feststellen, daß für die Wahrnehmung der Funktionen des Verwaltungsrats eigentlich eine Drittelung vorgesehen ist, nämlich: sieben Vertreter vom Bundestag und vom Bundesrat, sieben Vertreter von der Gewerkschaft und je drei vom Bundestag und von der Gewerkschaft zu nominierende Vertreter, die besondere öffentliche und allgemeinwirtschaftliche Interessen wahrzunehmen hätten. Ich glaube, diese Drittelung ist eine wirksame Grundlage dafür, den Betrieb wirklich zu dem zu machen, was er sein muß, nämlich zu einer Musteranstalt in Deutschland.
Wir halten es für unmöglich, daß in § 14 die Absätze 5 und 8 stehen bleiben. Wir wünschen, bei Tarifverhandlungen und bei anderen Verhandlungen zu einem echten Verhältnis der Sozialpartner zueinander zu kommen. Daher sollte der Abs. 5 des § 14 gestrichen werden, desgleichen der neu eingefügte Abs. 8. Wir glauben, es ist völlig genügend, wenn eine funktionsfähige Hauptverwaltung der Bundesbahn arbeitet und ein nach gesunden Prinzipien zusammengesetzter Verwaltungsrat die Arbeit dirigiert. Wir glauben auch, daß der Herr Bundesverkehrsminister in seinem Ministerium genügend Kräfte zur Verfügung hat; er braucht sich nicht noch- Beamte in sein Ministerium abkommandieren zu lassen. Weiterhin ist es nach unserer Auffassung für einen gesunden
Wirtschaftsbetrieb unerläßlich, daß eine saubere Trennung von Leitung und Aufsicht durchgeführt wird.
Alles in allem sind wir der Auffassung, daß die von uns vorgelegten Anträge von diesem Hohen Hause akzeptiert werden sollten, und zwar einfach deswegen, um die Bundesbahn in einer ruhigen, stetigen Entwicklung zu einem gesunden Betrieb der deutschen Volkswirtschaft zu machen. Wenn anders verfahren wird, dann wird 24 Stunden nach Inkrafttreten des Gesetzes der Kampf um seine Revision einsetzen. Das wird weder Ruhe noch Zufriedenheit im Betrieb ergeben und wird sich mehr als ungünstig auf den Ablauf des Betriebes auswirken.
({4})
- Meine Damen und Herren, das nennen wir Demokratie.
({5})
Wir haben unter Beweis gestellt, daß die Demokratie nur besteht, weil der Deutsche Gewerkschaftsbund als stärkste demokratische Organisation sich dafür eingesetzt hat.
({6})
Wir lassen uns in bezug auf Demokratie und Verteidigung der demokratischen Formen von niemandem übertreffen.
({7})
- Wann haben Sie von mir politische Streiks gesehen, Herr Euler?
({8})
- Herr Euler, Herr Kollege Euler, es hieße Eulen nach Athen tragen,
({9})
wenn wir uns darüber unterhalten wollten. ({10})
Wir haben keinen politischen Streik angedroht;
({11})
das müßte erst einmal nachgewiesen werden. ({12})
Wir haben das Recht und die Pflicht, das, was in den Herzen der Millionen Arbeitnehmer in dieser Zeit vor sich geht und nach außen drängen- will, auch auszusprechen.
({13})
Daran lassen wir uns von niemandem behindern.
({14})
Ich glaube, es ist wirksamer, wenn man die Dinge ruhig und nüchtern anschaut.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die soziale Unrast unter der Arbeitnehmerschaft wieder bedenkliche Formen anzunehmen beginnt.
({15})
Ich verweise nur auf die Situation im Bergbau.
({16})
- Wenn Sie das Ohr am Pulsschlag des Volkes hätten, wie wir es tagtäglich haben,
({17})
dann würden Sie mit uns der Meinung sein, das
Hohe Haus sollte alles tun, um dafür zu sorgen,
daß durch ein nach unseren Anträgen zu formen({18})
des Gesetz Ruhe und Stetigkeit in die Wirtschaft einziehen können.
({19})
An uns soll es nicht liegen, mitzuarbeiten. Ich warne aber davor, uns in die Opposition zurückstoßen zu wollen, die dann gefährliche Formen annehmen könnte.
({20})
- Das ist die Warnung eines Mannes, der die Verantwortung fühlt, das auszusprechen.
({21})
Ich ersuche daher alle gewerkschaftsverbundenen Abgeordneten dieses Hohen Hauses,
({22})
sich unseren Anträgen anzuschließen; sie werden dann in der weiteren Entwicklung selber sagen: Es waren weise Beschlüsse, die hier gefaßt worden sind.
({23})
Das Wort hat der Abgeordnete Vesper.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Abstimmung bei der zweiten Lesung des Bundesbahngesetzes zeigte wieder einmal, daß sich die Regierungsparteien offen gegen die Mitbestimmung entschieden haben. Es scheint so, als ob die Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Eisen in Widerspruch stünde mit der gestrigen Entscheidung der Regierungsparteien in der Frage des Mitbestimmungsrechts bei der Bundesbahn. In Wirklichkeit besteht aber ein solcher Widerspruch nicht. Die Adenauer-Regierung, die sich auf die Mehrheit dieses Hauses stützt, kann und darf nicht zulassen, daß das Mitbestimmungsrecht in einer Schlüsselposition der deutschen Wirtschaft, bei der Bundesbahn, in dem größten europäischen Verkehrsbetrieb zur Geltung kommt.
({0})
- Das werden -Sie gleich hören, Herr Strauß.
({1}) Diese Regierung ist bereit, die westdeutsche Eisenbahn dem amerikanischen Monopolkapital auszuliefern.
({2})
Sie verzichtet auf jeden Versuch, die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesbahn gegenüber den USA zu behaupten.
({3})
Meine Damen und Herren, diese Politik hat ihre Vorläufer in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Gestützt auf die Bestimmung des Versailler Vertrages streckten amerikanische Finanzkräfte im Jahre 1924 ihre Hände nach der Deutschen Reichsbahn aus. Auch damals begann der Raubzug mit einem Sachverständigengutachten, das am 9. April 1924 bekanntgegeben wurde.
({4})
Auf Grund dieses Gutachtens wurde die Reichsbahn weitestgehend der Staatsaufsicht entzogen und in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.
({5})
Ich möchte Sie an diese Tatsache erinnern. Der damalige ausländische Eisenbahnkommissar, der in alle Finanz- und Verwaltungsfragen der Eisenbahn Einsicht nahm, hatte die uneingeschränkte Macht. Unter seiner Regie wurden Obligationen in Milliarden von Goldmark gegeben. Er hatte das Recht, bei Nichtzahlung der Zinsen und Tilgung Maßnahmen zu treffen und in der Frage des Eisenbahneigentums ganz oder teilweise auf Betriebe Einfluß zu nehmen, sie zu verpachten und sie zu verkaufen.
Meine Damen und Herren, die westdeutsche Presse hat vor nicht allzu langer Zeit in aller Offenheit über die Pläne und Absichten der USA berichtet. Nicht nur die amerikanische Firma Coverdale zeigte hierfür Interesse. Es waren auch namhafte und bekannte New Yorker Banken, darunter die New Yorker Chase National Bank, die sich hierum bemühte. Im gleichen Sinne hatte die Central Hannover Bank Trust & Company durch ihre Vertreter mit dem Herrn Wirtschaftsminister verhandelt. Bei dieser Verhandlung kam zum Ausdruck, daß als Voraussetzung für die amerikanischen Kredite eine gewisse politisch-militärische Sicherheit gegeben sem muß.
({6})
Ich beziehe mich bei dieser Information auf „Die Welt" vom 7. Juni und die „Frankfurter Allgemeine" vom 29. Juni 1951. Wir wissen, daß die Bundesbahn, um wieder kreditfähig und damit friedensmäßig zu werden, einen Kredit von 3 bis 4 Milliarden DM benötigt. Wir wollen aber nicht, daß die Kredite mit Verpflichtungen, d. h. Pachtverträgen, in Verbindung gebracht werden. Mit Pachtverträgen pflegten imperialistische Mächte immer Stützpunkte in Ländern zu schaffen. Die Verkehrsstützpunkte waren dabei besonders beliebt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Ausführungen des Kollegen Rademacher erinnern, der u. a. auf die Schaffung der Europäischen Verkehrsunion hinwies. Diese Europäische Verkehrsunion, Kollege Rademacher, ist eine amerikanische Einrichtung. Die Zusammenfassung der wichtigsten Verkehrsträger ist nichts anderes als die Realisierung des Schumanplans auf dem Gebiet des Transports in Westeuropa, in dem Westdeutschland eine besondere Rolle zu spielen hat. In Art. 3 der Richtlinien dieser Union heißt es:
Zur Schaffung eines Verkehrsrates wird eine verstärkte Rationalisierung des Verkehrs und der Ausbau von neuen Verkehrswegen gefordert.
Eine solche Praxis kann nicht friedlichen Zwecken dienen, sondern ist der strategische Plan zur Vorbereitung eines dritten Weltkrieges. Auch den westdeutschen Transportzweigen, vor allem der Bundesbahn, wird hier eine besondere Rolle zugedacht. Daß die Bundesbahn ein erstrangiges politisches Instrument ist, verrät die „Deutsche Zeitung" Nr. 137 vom 18. Juni 1951. Es heißt hier:
Die Bundesbahn ist auch ein politisches Instrument ersten Ranges. In Krisenzeiten, wenn
extreme politische Tendenzen an Gewicht gewinnen, kann man auf diesem Instrument mit
großem Vorteil spielen. Man kann beispielsweise eine Massenarbeitslosigkeit auffangen.
Man kann aber auch auf Schienen Polizei befördern.
({7})
({8})
Bonn hält auf dieses Instrument gern eine feste Hand.
({9})
Meine Damen und Herren, auf westdeutschen Schienen lassen sich bewaffnete Formationen transportieren. Auch die westdeutschen Eisenbahner werden den Mißbrauch der Bundesbahn für Truppen- und Kriegsmaterialtransporte aller Art sowie die Wiederaufrüstung Deutschlands ablehnen.
({10})
Die westdeutschen Eisenbahner verlangen aber endlich die Durchsetzung ihrer Forderung auf höhere Löhne und Gehälter, soziale Besserstellung und das Mitbestimmungsrecht. Aus diesem Grunde lehnte die Regierung Ihrer Parteien in der zweiten Beratung das Mitbestimmungsrecht der Eisenbahner ab.
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Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich genötigt, zu den Ausführungen, die gestern der Herr Kollege Meyer und heute der Herr Kollege Jahn bezüglich der Besprechungen gemacht haben, die zwischen dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und dem Herrn Bundeskanzler stattgefunden haben, kurz eine Bemerkung zu machen. Ich habe gestern nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer in dieser Angelegenheit mit dem Herrn Bundeskanzler gesprochen, weil der Kollege Meyer den Eindruck wiedergab, als ob der Herr Bundeskanzler sich in dieser Besprechung für eine Verschiebung der Beratungen dieses Gesetzes in diesem Hohen Hause ausgesprochen habe. Tatsächlich ist es so gewesen, daß die Herren Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes in der Besprechung bei dem Herrn Bundeskanzler ausdrücklich erklärt haben, daß sie auf die materielle Seite der Angelegenheit nicht einzugehen wünschten, sondern daß sie um eine Vertagung der Behandlung im Parlament bäten, da, wie sie ausführten, der Deutsche Gewerkschaftsbund sich mit den Beschlüssen des Verkehrsausschusses noch nicht eingehend habe beschäftigen können.
Der Herr Bundeskanzler hat die Herren des Deutschen Gewerkschaftsbundes darauf verwiesen, daß die Bundesregierung auf den parlamentarischen Ablauf keinen Einfluß nehmen könne, sondern daß dieser Einfluß über die Fraktionen im Ältestenrat genommen werden müsse. Der Herr Bundeskanzler hat den Herren den Weg zu dem Herrn Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion geebnet, der auch mit ihnen gesprochen und sie empfangen hat. Ich glaube, nach den Ausführungen, die der Herr Bundeskanzler mir gemacht hat, nicht, daß bei den Herren des Deutschen Gewerkschaftsbundes der Eindruck entstehen konnte, als ob mit einer Verschiebung der Beratungen im Plenums unbedingt gerechnet werden könne. Ich kann es daher auch nicht verstehen, wenn Herr Fette durch die Tatsache überrascht ist, daß das Plenum des Bundestages, das ja in seinen Beschlüssen souverän ist, auch souverän gegenüber dem Willen der Bundesregierung,
({0}) einen anderen Beschluß gefaßt hat als den, den er erwartete und den er vielleicht auf Grund der Unterredungen glaubte erhoffen zu können. Es ist wirklich so, daß hier eine souveräne Entscheidung des Parlaments erfolgt ist, und ich glaube, es ist wohl ein Grundsatz der Demokratie, daß man souveräne Entscheidungen der Parlamente, auch wenn sie gegen einen einzelnen, auch wenn sie gegen die Interessen großer Organisationen gerichtet sind, anzuerkennen hat.
({1})
Das gilt auch bei dem Beschluß von Gesetzen. Es ist sicherlich richtig, wenn der verehrte Herr Kollege Jahn sagt, daß man einem beschlossenen Gesetz gegenüber durchaus mit Argumenten für eine zukünftige Änderung arbeiten könne. Das wird bei jedem Gesetz so sein, insbesondere dann, wenn es sich in der Folgezeit als fehlerhaft erweist. Wir haben in Deutschland leider eine zu starke Neigung, die Gesetze bis zur äußersten Perfektion zu gestalten und damit von vornherein den Eindruck zu erwecken; als ob sie geschriebenes Evangelium seien und nicht nur ein Teil des lebendigen Lebens, das sich je nach den Gegebenheiten und je nach den Verhältnissen zu ändern hat. Keiner von uns wird bereit sein, zu glauben, daß ein Gesetz, das die Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn regelt, ein Gesetz für die Ewigkeit ist, sondern jeder wird der Meinung sein, daß nach den gegebenen Verhältnissen die bestmögliche Lösung angestrebt werden muß, um die Arbeit auf diesem Gebiet im Sinne der dabei arbeitenden und mitwirkenden Menschen erfolgreich zu gestalten, im Sinne aber auch all der anderen, die mit dieser Bundesbahn aufs engste verflochten sind, also der gesamten deutschen Wirtschaft und der in ihr tätigen Menschen. Man muß, gerade wenn man von einem solchen Unternehmen wie der Deutschen Bundesbahn spricht, immer wieder darauf hinweisen, daß es sich hier ja nicht, wie bei einem Produktionsbetrieb, um ein in sich geschlossenes Unternehmen handelt im Sinne von, wie die Diktion sagt, Kapital und Arbeit, in welchem sich daneben maßgebend die Einsatzbereitschaft der Leitung ausprägt, sondern daß es sich hier um ein Unternehmen handelt, das in seinen Beziehungen zu den in ihm wirkenden Menschen ebenso viel Bedeutung hat wie in seinen Beziehungen zu den außerhalb mit ihm zusammenarbeitenden Menschen. Ein Verkehrsunternehmen ist, wie es so schön heißt, Diener und Träger der Wirtschaft. Das heißt, daß es nicht auf sich allein bezogen werden kann, sondern nur aus dieser Doppelfunktion heraus verstanden werden kann. ,
Wenn Herr Kollege Jahn hier ausgeführt hat, daß der Verkehrsrat der Südwestdeutschen Eisenbahnen eine Zusammensetzung habe, die etwa dem Vorschlag entspreche, den auch er gemacht hat, so kann ich ihm darin nicht folgen. Einmal ist dieser Verkehrsrat der Südwestdeutschen Eisenbahnen aus besonderen Verhältnissen heraus entstanden, nämlich aus der Tatsache, daß die französische Besatzungsmacht die in den Ländern der französischen Besatzungszone gelegenen Teile der Deutschen Bundesbahn diesen Ländern zu Eigentum übertragen hatte und daß zur Regelung der Verhältnisse ein Staatsvertrag zwischen
diesen drei Ländern abgeschlossen werden mußte. Damit wurde eine Institution geschaffen, die wir durch das Grundgesetz, sobald das möglich war, zu überwinden wünschten und die, glaube ich, niemand hier in diesem Hohen Hause länger als unbedingt notwendig aufrechterhalten möchte. Aber
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L) der Verkehrsrat, der dieses Unternehmen geleitet hat, das nach der Regelung der damaligen Zeit diesen drei Ländern in seinen einzelnen regionalen Teilen gehörte und gemeinsam verwaltet werden sollte, beruht staatsrechtlich auf einer ganz anderen Grundlage, als sie der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn auf Grund des neuen Gesetzes erhalten soll. Dementsprechend setzte er sich auch zusammen, nämlich aus je drei Vertretern der drei Länder, von denen zwei Regierungsvertreter waren und einer ein Vertreter der Gewerkschaften - nicht etwa der Eisenbahnergewerkschaft allein -, die hier mitwirken sollten. Es ist also höchstens von einer Drittelung zu sprechen, verehrter Herr Kollege Jahn, in dem Sinne, daß diese drei Länder mit je drei Vertretern beteiligt waren; aber sonst kann das Beispiel dieser Drittelung für das Gebiet, das Sie hier ansprechen, doch wohl kaum angewendet werden.
Sie haben dann noch auf verschiedene andere Punkte hingewiesen, sehr verehrter Herr Kollege Jahn. Sie haben vor allen Dingen auch die Frage des Vorstandes und hier die besondere Rolle eines Arbeitsdirektors berührt. Wir sind uns alle darüber klar, daß die sozialen Angelegenheiten und die damit zusammenhängenden Personalangelegenheiten in einem so großen Unternehmen einer besonders sorgfältigen Betreuung bedürfen. Der Vorstand aber, wie er nach den Beschlüssen des Verkehrsausschusses gebildet werden soll, soll sich nicht in Männer aufteilen, die nur für bestimmte Fachgebiete zuständig sind, sondern soll eine Gesamtverantwortung ermöglichen. Es soll von jedem einzelnen Vorstandsmitglied verlangt werden, daß es auch in der Lage ist, die Gesamtbelange zu vertreten und durchzusetzen. Aus diesem Grunde ist hier eine andere Konstruktion gewählt als z. B. bei einem Produktionsunternehmen. Deswegen haben die Beschlüsse des Ausschusses auch eine andere Formulierung gefunden, als sie Ihnen angemessen und richtig erscheint.
In diesem Zusammenhang möchte ich noch darauf hinweisen, daß dieser Gesetzentwurf eine besonders gute Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Verwaltungsrat gewährleisten soll. Voraussetzung für diese besonders gute Zusammenarbeit ist aber z. B. daß man bei der Bestellung der Vorstandsmitglieder, die ja Beamte auf Zeit sind und die von dem Herrn Bundespräsidenten zu ernennen sind, dem Herrn Bundespräsidenten nicht einen Zwang auferlegen kann mit einer Bestimmung, wonach ein Einvernehmen zwischen dem Verwaltungsrat und der gegenüber dem Herrn Bundespräsidenten vorschlagsberechtigten Bundesregierung herbeigeführt werden muß. Das ist staatsrechtlich und in der Konstruktion außerordentlich schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich; denn es wird immer dazu führen, daß unter Umständen gerade die besten und geeignetsten Leute von einer Berufung ausgeschlossen werden, weil eben dieses Einvernehmen aus irgendwelchen, in den verschiedenen Persönlichkeiten liegenden Momenten nicht zustande zu bringen ist. Deshalb scheint es mir doch wesentlich zu sein, daß sich hier der Begriff des „Benehmens" in den Beratungen als die richtige Lösung herausgestellt hat. Gewiß, der Verwaltungsrat soll seinen Einfluß, seinen Rat und seine ganzen Kenntnisse bei der Auswahl dieser Männer zur Verfügung stellen. Dieser Rat, diese Kenntnisse und dieser Einfluß sollen auch ihre volle Wirkung finden, aber nicht in der Form, daß ein Junktim geschaffen werden muß, das praktisch unter Umständen die Besten von der Möglichkeit ausschließt, berufen zu werden.
Ich möchte noch einen weiteren Punkt erwähnen, den Herr Kollege Jahn hier angesprochen hat, und zwar § 14 Abs. 8. Herrn Kollegen Jahn ist sehr gut bekannt, daß in dem alten Reichsverkehrsministerium stets ein Austausch zwischen den höheren Beamten und den Aufstiegsbeamten der Reichsbahn einerseits und den Beamten des Reichsverkehrsministeriums andererseits stattgefunden hat. Auch heute kann sich der Bundesverkehrsminister zur Bearbeitung der ihm übertragenen Aufgaben ohne Fachleute gar nicht behelfen, und er kann diese Fachleute zu einem wesentlichen Teil nur aus den Kreisen der Bundesbahnbeamten gewinnen. Wenn er nicht in der Lage wäre, wie es Abs. 8 vorsieht, diese Menschen heranzuziehen, dann würde dadurch die Sachlichkeit der Zusammenarbeit zwischen dem Verkehrsministerium und der Leitung der Bundesbahn und ihrem Verwaltungsrat empfindlich leiden.
Es kommt noch etwas anderes hinzu. Herr Kollege Vesper hat mich gestern auf verschiedene Punkte aufmerksam gemacht, in denen untergeordnete Institutionen der Bahn, wie Eisenbahn-Direktionen, Weisungen herausgegeben haben, die er, zum Teil durchaus berechtigt, als nicht richtig ansah. Von diesen Weisungen erfährt der Bundesverkehrsminister normalerweise natürlich nichts, wenn er nicht durch irgendeinen Zufall darauf aufmerksam gemacht wird. Bei dieser Hierarchie bleiben solche Vorgänge in den unteren Ebenen beschlossen. Wenn er aber etwas erfährt und wenn er schnell - und das scheint mir gerade in den angeregten Fällen durchaus notwendig zu sein - eingreifen will, dann kann er dies nicht tun, wenn er nicht den Abs. 8 des § 14 zur Verfügung hat, der es ihm nämlich erlaubt, den zuständigen Präsidenten oder seine Sachbearbeiter sofort direkt zur Stellungnahme und Rechenschaft aufzufordern. Ohne diesen Abs. 8 muß er nach den Bestimmungen erst die langweilige Prozedur vornehmen, daß er an den Vorstand schreibt, wodurch die Angelegenheit dann die üblichen 4 bis 6 Wochen herunter- und wieder heraufreist. Dann ist die Möglichkeit, einer solchen berechtigten Beschwerde, wie sie aus Ihren Worten gestern hervorklang, rechtzeitig und schnell nachzukommen, gar nicht mehr gegeben. Allein schon aus diesem Grund, den Sie mit Recht aufgegriffen haben, ist die Einschaltung dieses Abs. 8 sehr erwünscht und zweckmäßig.
Die grundsätzliche Debatte, die Herr Kollege Jahn begonnen hat, betraf die Frage des Mitbestimmungsrechts. Ich möchte dazu nur einige kurze Bemerkungen machen. Zunächst einmal ist wiederum festzustellen, daß bei den Verhandlungen zwischen den Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesregierung zur Frage der Mitbestimmung in Kohle und Eisen wiederholt und ausdrücklich festgelegt worden ist, daß es sich hier nicht um eine Modellösung handelt, die auf andere zu übertragen ist, sondern um eine Sonderlösung für die monopolartigen Industrien des Eisens und der Kohle. Vom Standpunkt der Bundesregierung und, wie ich glaube, auch vom Standpunkt der hinter ihr stehenden Parteien kann also in keiner Weise erwartet werden, daß sie aus der Verabschiedung des Gesetzes über die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen irgendeinem Zwang, weder moralischer noch sachlicher Art, unterliegen, diese Regelungen auch auf andere Institutionen industrieller oder werkehrlicher Art zu übertragen.
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Darüber hinaus möchte ich feststellen, daß die Frage der Mitbestimmung niemals so gestellt wer({4})
den darf, daß man sie als Mitbestimmung - Ja oder Nein, als Entweder - Oder hinstellt; sondern Mitbestimmung ist immer eine Frage des Grades und, auch hier, der steten Entwicklung. Ich glaube, es wäre absolut unrecht, wenn man das Problem in dieser Schärfe und Einseitigkeit herausstellen wollte. Denn wir sind alle durchaus bereit, in vernünftiger und richtiger Weise die für den Erfolg der Leistung unbedingt notwendige Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Abstufungen eines Betriebes weitgehend zu fördern, ja sie als Voraussetzung hinzustellen. Wir sind alle der Auffassung, daß nur durch Mitarbeit und durch Zusammenarbeit, die sich auf Vertrauen und natürlich auch auf Rechte gründet, ein solcher Erfolg gewährleistet ist. Aber die Lösung dieses Problems liegt nicht darin, daß man bei einer Regelung, wie sie jetzt gefunden wird, erklärt, hiermit sei die Mitbestimmung und damit das Recht der Arbeitnehmer einfach negiert. So scharf kann man es nicht ausdrücken. Wenn Sie, sehr verehrter Herr Kollege Jahn, vor kurzer Zeit den Satz geprägt haben: „Wer uns das Mitbestimmungsrecht streitig macht, der anerkennt bewußt oder unbewußt die Oder-Neiße-Linie als sogenannte Friedensgrenze!", dann muß ich allerdings sagen, daß das eine Formulierung ist, die wir von seiten der Regierung mit allem Nachdruck ablehnen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Rümmele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 4 des Bundesbahngesetzes steht etwas sehr Schwerwiegendes, das dem Gesetz eigentlich den Charakter gibt und die zukünftige Leitung der Bundesbahn sowie ihren Verwaltungsrat und das Verkehrsministerium praktisch mit einer schweren Verantwortung belastet. Es heißt dort, die Bundesbahn habe als Treuhänderin des Bundes dieses Vermögen, die Bahn, nach kaufmännischen Gesichtspunkten unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft zu führen. Das hört sich einfach an und ist doch eine fast unlösbare Aufgabe. Kaufmännische Wirtschaftsführung in einem Betrieb, der Verkehrszwang, Tarifzwang, Beförderungszwang, Haftpflicht, gesetzliche Bestimmungen wegen der Sicherheit und andere Dinge hat, der internationale Verpflichtungen erfüllen muß und politische Lasten von über 100 Millionen Mark durch Übernahme der Pensionen der Vertriebenen hat, der in seinem Personalkörper von über 500 000 Mann auch 32 000 Schwerkriegsbeschädigte zählt, in einem Betrieb, der in der Einnahme einen Index der Frachten- und Fahrkartenpreise von etwa 170 hat, dem auf der anderen Seite ein Beschaffungsindex der Industrierohstoffe von 283 gegenübersteht -, ist ein Kunststück. Dennoch muß diese Aufgabe bewältigt werden. Denn der Sinn der Neuordnung ist der, daß die Bundesbahn aus den schlechten Finanzverhältnissen herauskommt, daß sie gesundet, daß sie gegenüber dem bisherigen Zustand besser wird, auf dem schließlich manches beruht, was die Wirtschaft, aber auch den Bund belastet. Die Bahnen waren ja früher in guten Zeiten, in den Zeiten vor 30, 40, 50 Jahren einmal gute Milchkühe für den Vater Staat, damals für die einzelnen Länder. Sie haben Überschuß abgeworfen, und jeder Finanzminister der Länder war hocherfreut, daß er diese Bahnen als Staatsbetriebe hatte. In der damaligen Zeit waren die Bahnen Musterbetriebe, soziale
Musterbetriebe, aber auch Verkehrsmusterbetriebe und wurden in der ganzen Welt als solche anerkannt.
Wenn man nun von der zukünftigen Leitung der Bahn fordert, daß sie kaufmännisch wirtschaftet, muß man in diesem Gesetz natürlich auch entsprechende Möglichkeiten schaffen. Es wäre sinnlos, Aufgaben zu stellen, die an der Sache scheitern müssen, weil die Grundlagen falsch sind. Deswegen war es im Verkehrsausschuß so schwer - und man hat so lange Zeit benötigt -, die richtige Ordnung zu finden. Das Gesetz hat nur 55 Paragraphen, und der Verkehrsausschuß hat, wenn ich mich recht entsinne, etwa 8 Monate daran gearbeitet, hat gefeilt, geprüft, Gutachten herangezogen, mit der Verwaltung zusammengearbeitet und Vergleiche mit Entwürfen des Bundesrats und des Bundesverkehrsministeriums angestellt. Ich glaube, nach Lage der Dinge ist in der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs im Ausschuß etwas Tragbares herausgekommen. Voraussetzung ist allerdings, daß die kommenden Männer in der Leitung der Bundesbahn wirklich etwas von der Wirtschaft verstehen. Sie müssen vom Verkehr etwas verstehen und müssen auch die Interessen des Bundes und der Gesamtheit voranstellen. Sie dürfen nicht Verwaltungsbürokraten sein. Man muß sich darüber klar sein, daß die Bundesbahn in der Zukunft vor schweren wirtschaftlichen Aufgaben stehen wird. Sie hat 4 Milliarden DM Nachhol- und Erneuerungsbedarf. Sie hat einen Jahresumsatz von auch etwa 4 Milliarden DM.
Ich muß in diesem Zusammenhang dem Herrn Kollegen Vesper und den Herren von der Fraktion der KPD sagen, gerade meine Fraktion und auch die anderen Fraktionen haben wirklich nicht die Absicht, dieses Unternehmen, das immerhin einen Staatsbetrieb darstellt - mit seinen 12 Milliarden DM Vermögen, früher 20 Milliarden DM Vermögen, heute noch unser wertvollster Staatsbetrieb -, etwa dem amerikanischen Monopolkapitalismus auszuliefern. Aber wenn die Amerikaner als die Leute, die immerhin noch etwas geldflüssiger sind, als wir es leider in Deutschland sind, der Bundesbahn einmal einen Kredit von einigen Milliarden D-Mark geben würden, dann würden wir sicher nicht gegen die Kredithereinnahme sein, allerdings unter der Voraussetzung, daß die Amerikaner sich mit der wirtschaftlichen Verzinsung und Rendite des Kredits zufrieden geben und damit nicht Eingriffe in die personellen, wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen Verhältnisse der Bundesbahn verbinden. Geld und Kredit muß die Bundesbahn schließlich haben, wenn sie ihren Wagenpark erneuern find in Ordnung halten will, wenn sie Verbesserungen durchführen will, wenn sie elektrifizieren will, wenn sie die Verkehrsaufgaben so bewältigen will, daß sie auch gegenüber der Verkehrskonkurrenz in Deutschland bestehen kann.
Hier müssen wir allerdings sagen, daß das vorliegende Gesetz auch ein Gesetz sein muß, mit dem der Bundesverkehrsminister später in Verbindung mit dem Gesetz über den Güterverkehr auf der Straße, mit dem Gesetz über den Binnenverkehr der Schiffahrt usw. koordinieren kann - um das schöne oder unschöne Wort zu gebrauchen -, mit dem er eine saubere Konkurrenz der Verkehrsträger unter sich herstellen kann. Dazu müssen ihm die entsprechenden Gesetze die Möglichkeit geben. Was jetzt im Verkehr geschieht, ist zum Teil Substanzverlust und Nebeneinanderarbeiten, zum Teil leider auch Schmutzkonkurrenz. Die
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Lösung kann nur darin liegen, daß die Konkurrenz im Verkehr zwar bestehen bleibt, aber eine saubere, eine faire Konkurrenz ist und daß man der Bundesbahn im Rahmen des Gesamtverkehrs, nachdem sie ihr Monopol seit etwa 30 Jahren verloren hat, die gleiche Chance wie den übrigen Verkehrsträgern in Deutschland gibt.
Ich darf noch darauf hinweisen, die Bundesbahn ist in einer sehr schwierigen Lage, weil sie nicht nur die größten Kriegsschäden und den größten Nachholbedarf hat, sondern weil sie in dem ganzen europäischen Bahnsystem die einzige Bahn ist, die den Wiederaufbau aus eigener Kraft mit den laufenden Einnahmen finanzieren muß. Das ist eine fast unlösbare Aufgabe. In dem Gesetzentwurf steht, daß der Finanzminister Kredite geben soll und daß die Kredite verzinst werden müssen, allerdings im Rahmen der Möglichkeiten und der Geschäftslage. Ich fürchte, diese Möglichkeiten werden wir in den nächsten Jahren nicht haben. Der Finanzminister wollte eigentlich noch einen Betrag von 50 Millionen DM für die sogenannte Abgabe des Betriebsrechts neben den Verkehrssteuern festlegen lassen. Wenn wir das abgelehnt haben, dann aus dem einfachen Grund, daß die Bahn von der Substanz lebt und daß sie den Aufbau nicht so schnell vollführen kann, wie es im Interesse auch der Volkswirtschaft notwendig wäre. Sie zahlt beispielsweise zur Zeit für ihre geringen Anleihen und Schulden mehr an Zinsen, als sie fur den Oberbau im ganzen Jahr aufwenden kann. Das ist ein ungesunder Zustand. Wenn die Bundesbahn sich anstrengt und die Anlagen in Ordnung bringt, modernisiert und ausbaut, dient sie dem Volke. Jeder aufgebaute Bahnhof, jede erstellte Anlage, jede erneuerte Schiene erhöht das Bundesvermögen. Deswegen ist die indirekte Verwendung dieses Geldes - wenn etwa die 50 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung ständen - im Interesse der Bahn und gleichzeitig im Interesse des Bundes geschehen.
Nun, wenn man die Bahn gut führen will und wenn man vor allem - was auch bei der Bahn notwendig ist - Leistungssteigerungen und die Bestleistungen herausholen will, dann braucht man allerdings - und da bin ich mit Herrn Kollegen Jahn absolut einer Meinung - ein zufriedenes Personal. Wenn Bahnverwaltung und das Personal zusammenarbeiten, wenn zwischen Verwaltung und Personal ein vernünftiges Vertrauensverhältnis besteht, wenn man alle Rationalisierungsmaßnahmen, die notwendig werden mögen - und es werden sicher eine Anzahl sein -, im Geiste des Vertrauens durchführt und wenn überall das Vertrauen vorhanden ist, daß das, was geändert werden muß, nicht aus bürokratischem oder aus paragraphenmäßigem Denken heraus geschieht oder weil die Oberen bloß immer unten abbauen wollen, dann ist damit schon viel gewonnen.
Dies führt aber zur Frage der Mitbestimmung. Die Mitbestimmung ist eine Frage des Vertrauens. Ich bin nicht in vollem Einverständnis mit meiner Fraktion, wenn ich Ihnen folgendes sage: Es ist noch nicht klar und es ist strittig, ob nicht unter Umständen die Gewerkschaften mit der Mitbestimmung mindestens ebensoviel oder auch noch mehr in die gemeinsamen Leistungen und in die gemeinsamen Unternehmungen in der Zukunft einbringen.
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Die Mitbestimmung ist ja nicht nur die Mitverantwortung. Sie ist einfach die Mitverpflichtung. Ich habe die Empfindung, wenn man die Mitbestimmung in einer vernünftigen Form durchführt, spürt nach 10 oder 20 Jahren niemand mehr etwas von den jetzigen Schwierigkeiten. Wenn man die Mitbestimmung richtig anfaßt und wenn sie von den Menschen, die dafür in Frage kommen, richtig ausgeübt wird, wenn diese Menschen nicht versagen, wenn man nicht kleine Betriebe, mittlere Betriebe und Betriebe, in denen sich der persönliche Arbeitgebereinfluß ja noch ganz anders auswirkt als in einem großen Unternehmen oder in einer großen Aktiengesellschaft, mit einbezieht, dürfte vielleicht schon in 5 oder 10 Jahren der Zeitpunkt gekommen sein, wo die Mitbestimmung allgemein als genau so notwendig angesehen wird, wie wir heute die Tarifverträge, die ja früher auch nicht anerkannt wurden, als richtig und gut und notwendig ansehen.
Ich bin aber auch der Meinung, daß der Unterschied weniger in der Tatsache der Mitbestimmung an sich zu sehen ist, vielmehr liegt der Unterschied in dem Ausmaß der Mitbestimmung. Ich kann persönlich in der Mitbestimmung etwa 50 zu 50, um einmal den Ausdruck zu gebrauchen, mitgehen. Ich bin mir aber darüber klar, daß auch das wieder eine Frage der Menschen ist. Nicht ob ein Drittel oder ein Viertel der Leute bei der Mitbestimmung in irgendeiner Form eingeschaltet sind - sei es im Verwaltungsrat oder sonst irgendwie -, ist ausschlaggebend, nicht die Zahl allein, sondern der Geist dieser Menschen, ihr Können, ihr Verantwortungsbewußtsein, ihr Mut und ihre Sachkenntnis werden wesentlich mitspielen.
Ich selbst kann also für den Antrag, der von der Opposition kommt, 50 zu 50, stimmen. Ich habe das gestern schon getan und ich werde das heute wieder tun. Ich muß dazu wegen der politischen Freunde meiner Fraktion, die glauben, das nicht tun zu können, ein Wort sagen. Sie tun es nicht deswegen, weil sie unsozial denken. Im Gegenteil! Ihr Denken ist sozial ganz einwandfrei. Sie haben eben nur noch bestimmte Befürchtungen und sagen: Man soll nichts überhasten, man soll gewissermaßen auch im Ausmaß die Kontrolle behalten, und dann, wenn sich eine Sache bewährt, aufbauen und ausbauen und später besser machen.
Damit ist auch die Frage des Sozialdirektors oder des Arbeitsdirektors angeschnitten. Auch da hätte ich persönlich gewünscht, daß tatsächlich das Wort „Arbeitsdirektor" oder „Sozialdirektor" im Gesetz drinstünde, wie wir es in der ersten Lesung im Ausschuß hatten. Es ist zwar geändert worden, aber es steht immerhin sinngemäß dasselbe drin; denn wenn einer der vier Herren von der Leitung, einer der vier Vorstandsmitglieder, in der Hauptsache die sozialen Belange wahrzunehmen hat, wird daraus - meine Damen und Herren, da mag man sagen, was man will - der Arbeitsdirektor werden. Denn er ist mit an der Spitze, und es ist ja auch ganz selbstverständlich, irgendeiner muß die Aufgaben tun.
Ich möchte auch persönlich noch folgendes dazu sagen: Ich kann mir unmöglich denken, daß man diesen Posten des Mannes, der den Sozialdirektor oder Arbeitsdirektor abgibt - in dieser oder jener Formulierung -, nicht mit einem Mitglied aus der zuständigen größten Gewerkschaft des Unternehmens besetzt. Ich würde das für eine Unklugheit ersten Ranges halten; denn Vertrauen. wächst eben nur durch einen Vertrauensbeweis, und Mitarbeit wächst nur durch die Möglichkeit, sie zu geben, und trägt ihre Früchte nur dann, wenn eben aus der Mitarbeit eine Zusammenarbeit kommt und wenn der Grundsatz gilt, der ja auch für uns Abgeord({2})
nete gilt, daß jeder einzelne keine Direktiven in sein Amt mitbringt, sondern seinem Gewissen unterworfen ist. Der Leitstern soll und muß sein das Unternehmen, die Ergebnisse des Unternehmens und der Dienst an der Volksgemeinschaft.
Damit will ich, um nicht zuviel Zeit zu verbrauchen - wir haben noch viel zu tun -, zum Schluß kommen und nur einen Wunsch aussprechen. Wir vom Parlament geben mit diesem Bundesbahngesetz viele Rechte aus den Händen des Parlaments ab und übertragen sie dem Verwaltungsrat. Wir wissen allerdings, wir haben einen Bundesverkehrsminister, der die parlamentarische Verantwortung trägt. Deswegen ist der Zuständigkeitskatalog geschaffen worden. Auch da darf ich sagen, ich habe volles Verständnis dafür, wenn der Herr Verkehrsminister sagt, die Ziffer 8 - ich glaube, des § 14 -, die ihm die Möglichkeit gibt, direkt Beamte auch der Bundesbahn zu hören und zu verwenden, sollte nicht gestrichen werden. Für die Streichung der Ziffer 5 kann ich mich einsetzen; aber immerhin, wer die parlamentarische Verantwortung trägt, muß sie auch tragen können und muß auch die Möglichkeit der Einflußnahme haben, sonst entsteht eine Belastung, die nicht in Ordnung ist. Möge es nun aber der Regierung und den Vorschlagsberechtigten gelingen, wirklich gute Männer an den guten Platz zu bringen. Mögen diese Männer, die dann das Unternehmen „Deutsche Bundesbahn" leiten - im Verwaltungsrat wie in der Leitung, aber auch die Herren im Verkehrsministerium -, es besser machen, als der Bundestag es hätte machen können! Das ist mein Wunsch.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen! Meine Herren! In einer führenden Wirtschaftszeitung erschien vor einigen Tagen eine Betrachtung über die Ergebnisse der Arbeiten des Ausschusses für Verkehrswesen zum Bundesbahngesetz. Dort hieß es, was aus den Arbeiten herausgekommen sei, sei ein Torso; von der Autonomie des Bundesbahninstituts sei nichts mehr übrig geblieben, und der Herr Bundesverkehrsminister sei der alleinige Herr der Deutschen Bundesbahn.
Man fragt sich angesichts solcher Veröffentlichungen eines anonymen Schriftstellers, was größer ist, seine Ignoranz oder seine Instinktlosigkeit. Offenbar ist dieser Verfasser noch sehr stark in Gedanken des „Tausendjährigen Reiches" befangen und hat vom Sinn und Wesen der Demokratie und der Möglichkeiten innerhalb der Demokratie keinen Schimmer.
Es scheint mir aber auch so, meine Damen und Herren, daß in den Ausführungen des Kollegen Jahn Gedanken durchgedrungen sind, die ebenfalls etwas am Wesen der Demokratie vorbeigehen.
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Wie kann er sich darüber beschweren, daß aus einer besonderen politischen Einstellung, die wir als Gegner an sich achten, nun das Parlament in seiner Souveränität einen Vertagungsantrag abgelehnt hat, aber wie konnte er hoffen, daß nun außerhalb dieses Gremiums vielleicht doch noch Möglichkeiten bestanden hätten, durch eine teilweise Ausschaltung des Parlaments oder durch einen gewissen Druck auf dieses Parlament das gleiche zu erreichen? Persönlich bedauere ich, Herr Jahn, daß Sie von Ihrer wichtigen Arbeit aus Mailand zurückkommen mußten. Ich hatte Ihnen ja
gesagt: wenn es nach mir ginge, ich wäre durchaus damit einverstanden, weil ich Verständnis dafür habe, daß gerade Sie in Ihrer Stellung zu diesen Dingen hier sprechen. Aber das größere Interesse stand im Vordergrund. Meine Damen und Herren, es geht um die Fristen, es geht um die Termine und um die unabdingbare Notwendigkeit, dieses Bundesbahngesetz so schnell wie möglich ein- und durchzuführen.
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Meine Damen und Herren! Es wird keine Partei in diesem Hause geben, die mit dem Ergebnis der Ausschußarbeiten zufrieden ist. Ich darf Ihnen ganz offen sagen: Wir, die Freien Demokraten, aus unserer ganzen Einstellung zu wirtschaftspolitischen Dingen heraus, sind es am allerwenigsten. Trotzdem, glaube ich, haben wir uns am stärksten zum Wesen der Demokratie bekannt, wenn wir alle unsere politischen Auffassungen bewußt zurückgestellt und davon Abstand genommen haben, irgendeinen Abänderungsantrag einzubringen. Auch wir hätten es begrüßt, der Bundesbahn, wenn es möglich gewesen wäre, eine größere Autonomie zu geben, wenn es vielleicht möglich gewesen wäre, wieder eine Teilreprivatisierung durchzuführen. Wir wissen aber, daß alle diese Dinge im Augenblick an der Wirklichkeit scheitern. Für ein Institut, das in dieser Verfassung ist - vielleicht ein wenig durch die Schuld derjenigen, die sich nicht rechtzeitig um dieses größte Sondervermögen gekümmert haben -, ist es unmöglich, beispielsweise innere oder äußere Anleihen zu bekommen, die ja die erste Möglichkeit dafür darstellen, dieses Institut wieder gesunden zu lassen. Wir wissen, daß dieses Institut mit großen sozialen Verpflichtungen belastet ist, von denen wir es heute nicht befreien können. Wir wissen, daß es auf dem Gebiet der Tarife Konzessionen machen muß, sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr. Wir wissen vor allen Dingen, daß die Zeit des Monopols der Deutschen Bundesbahn als Verkehrsträger vorbei ist, daß sie in scharfer Konkurrenz steht zu anderen Verkehrsträgern, also zur Straße und zur Binnenschiffahrt.
All das, meine Damen und Herren, hat uns bewogen, in vielen Punkten schweren Herzens die Entscheidungen anzunehmen und zu billigen, wie sie der Ausschuß getroffen hat. Beispielsweise ist die Zusammensetzung des Vorstandes, überhaupt ein vierköpfiger Vorstand, ein gewisses Experiment. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal meine rein persönliche Meinung zum Ausdruck bringen. Die Kollegen im Ausschuß und auch meine Freunde in der Fraktion wissen, wie sehr ich der Meinung war, daß man die Leiter der Abteilungen der Hauptverwaltung nicht ausschalten kann. Ich will hier heute den Wunsch äußern, daß der neue vierköpfige Vorstand der Bundesbahn es als seine vornehmste Aufgabe betrachtet, nicht irgendwo im luftleeren Raum als Leiter in einem Befehlsturm zu sitzen, sondern seine vornehmste Aufgabe darin sieht, in enger Verbindung mit der wirklichen technischen und betrieblichen Leitung der Deutschen Bundesbahn zu stehen.
Meine Damen und Herren! Die Frage, die uns heute am stärksten bewegt, ist die Wahrnehmung der sozialen Aufgaben in dem Körper der Deutschen Bundesbahn, die immerhin 500 000 Menschen beschäftigt. Nun, ich glaube, wir haben auch -im Ausschuß einen vernünftigen Ausweg gefunden. Meine Fraktion hat sich einstimmig dahinter gestellt, daß von diesen vier Männern ein Mann abgestellt werden muß, der sich, neben seiner Ge({2})
samtverantwortung, die er für das Wohl und Wehe des ganzen Betriebes hat, um die sozialen Dinge kümmert. Wir lehnen aber eines mit aller Deutlichkeit und Klarheit ab - und hier geht es an einen unserer Grundsätze -: weder der Sozialdirektor in dieser Titulatur noch der Arbeitsdirektor ist das, was wir in dieses Bundesbahngesetz hineinhaben wollen. Das sind Einrichtungen, die sich erst noch auf einer anderer Ebene entwickeln. Mit anderen Worten, wir wünschen kein Präjudiz für die Gesetze, beispielsweise für das Betriebsverfassungsgesetz und für die gesamte Frage der Mitbestimmung überhaupt.
An dieser Stelle möchte ich auch mit allem Ernst auf die Mitglieder der größten Koalitionspartei, der CDU, einwirken und ihnen mit aller Deutlichkeit sagen: Hier geht es wirklich um einen Grundsatz für die FDP, von dem sie unter keinen Umständen abweichen kann und dessen Nichtbeachtung unter Umständen schwerwiegende Folgen haben könnte.
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Nach diesen Ausführungen über die Zusammensetzung des Vorstandes brauche ich mich in die Anträge, die den Verwaltungsrat betreffen, glaube ich, nicht sehr zu vertiefen. Auf eines möchte ich aber hinweisen. Glauben Sie denn, daß wir von der Freien Demokratischen Partei die in diesen Anträgen verborgene Hintertür - aller Anträge, die hier zur Zusammensetzung des Verwaltungsrats gestellt worden sind, sowohl des ersten Antrages, der eine Teilung 6 : 6 : 6 vorsah, als auch der anderen - nicht gemerkt haben und nicht merken? - Es geht ja um weit mehr als um die Parität. Wenn Sie diese Dinge richtig durchdenken, werden Sie zugeben müssen, daß- mit beiden Anträgen eine Majorität innerhalb des Verwaltungsrates nach einer bestimmten wirtschaftspolitischen Auffassung erreicht werden soll.
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Wiederum eine Sache, die von uns mit aller Konsequenz abgelehnt werden wird.
Meine Damen und Herren, ich kann es nur immer wiederholen: Dieses Gesetz ist keine ideale Lösung. Ich darf Sie an meine Worte erinnern, die ich anläßlich der Behandlung des Haushaltsplans Nr. XII hier gesagt habe. Ich habe davor gewarnt, von Gesetzen auf dem Gebiete des Verkehrs anzunehmen, daß sie einen sehr langen Bestand haben. Verkehrsgesetze müssen genau so dynamisch entwickelt werden, wie das der Verkehr selbst tut. Entscheidend für die weitere Entwicklung der ganzen Bundesbahn sind die Männer, die an die Spitze und in den Verwaltungsrat berufen werden.
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Wir wollen hoffen, daß die Weisheit der Regierung, aber auch die Klugheit derjenigen Gremien, die die Männer vorzuschlagen haben, den richtigen Weg finden werden; denn - ich kann es nur wiederholen - das Zeitalter des Eisenbahn-Monopols ist vorbei, aber nicht vorbei ist das Zeitalter der Eisenbahn selbst, wenn diese neuen Männer in ihrer Verantwortung und getreu dem § 4, der ihnen die Beachtung kaufmännischer Grundsätze vorschreibt, zu den Erkenntnissen gelangen, daß in einer organisatorischen und technischen Entwicklung auf der Schiene für dieses größte Verkehrsinstrument noch ungeheure Möglichkeiten liegen.
Ich wiederhole, daß die FDP keinerlei Anträge stellt. Sie wird allerdings alle Anträge ablehnen, mit denen versucht wird, die Beschlüsse des Ausschusses in irgendeiner Form zu ändern. Sie könnte sich allenfalls dazu bereit erklären, bei § 40, bei dem etwas schwierigen Thema der Verkaufsstellen auf den Bahnhöfen dem Antrage der Bayernpartei zu folgen, der aus dem „sollen" der Ausschußfassung ein „müssen" gemacht hat, d. h. also: die unabdingbare Vorschrift, daß außerhalb der Geschäftszeit vor den Sperren nur an Reisende verkauft werden darf und daß Mittel und Wege gefunden werden müssen, um die Innehaltung dieser Vorschrift sicherzustellen.
Meine Damen und Herren! In § 4 Abs. 1 wird von den volkswirtschaftlichen Interessen gesprochen und davon, daß die Bundesbahn nach kaufmännischen Grundsätzen verwaltet werden soll. Das ist eine zwingende Vorschrift nicht nur für den Gesetzgeber, sondern auch für die Männer in der Verwaltung und im Verwaltungsrat. Sie bedeutet mit anderen Worten, daß eine Politisierung - und die Anträge, die hier vorliegen, bedeuten eine Politisierung - bei der Durchsetzung dieses § 4 unmöglich ist. Nur wenn die Grundsätze des § 4 eingehalten werden, kann das Institut der Bundesbahn gesunden, und mit der Gesundung dieses Instituts wird es auch den 500 000 Schaffenden innerhalb dieser Bundesbahn am besten gehen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache geschlossen.
Ich werde immer die Paragraphen, zu denen keine Abänderungsanträge vorliegen, zusammenhängend aufrufen und rufe zunächst die §§ 1, -2, - 3, - 4, - 5 und 6 auf. Ich bitte diejenigen, die diesen Paragraphen ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Zu § 7 liegt ein Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 257 Ziffer 1, ein Abänderungsantrag der KPD und noch ein Antrag Albers und Genossen auf Umdruck Nr. 260 vor. Ich nehme an, daß besondere Begründungen nicht mehr erforderlich sind; sie sind in der Generaldebatte bereits gegeben worden. Wir kommen daher zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der SPD.
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Der Antrag der KPD ist als der weitestgehende anzusehen. Ich lasse also zunächst über ihn abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die überwältigende Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Antrag der SPD ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Abänderungsantrag Albers und Genossen Umdruck Nr. 260 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Darf ich die Abstimmung wiederholen? - Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist nicht klar ersichtlich, wo die Mehrheit ist. Wir müssen durch Hammelsprung auszählen. Ich bitte, den Saal so schnell wie möglich zu räumen. Damit kein Irrtum entsteht: wer dem Antrage zustimmt, muß durch die Ja-Tür gehen.
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Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihre Plätze an den Türen einzunehmen und mit der Auszählung zu beginnen.
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Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Das Ergebnis der Abstimmung: Ja 131, Nein 154, Enthaltungen 8. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über § 7 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben.-Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 7 ist angenommen.
Ich rufe weiter auf § 8. Ich bitte diejenigen, die dem § 8 in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 9 entfällt.
Ich rufe nun auf § 10. Dazu liegen vor: Änderungsantrag der Fraktion der KPD Ziffer 2, Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 257 Ziffer 2. Wir stimmen zunächst über den Antrag der KPD ab. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 257 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das letzte war die Mehrheit.
- Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 10 in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - § 10 ist in der Fassung der zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe auf § 11. Dazu liegt der Änderungsantrag der KPD Ziffer 3 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über § 11 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 12. Dazu der Änderungsantrag der KPD Ziffer 4. Ich bitte diejenigen,. die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über § 12 in der Fassung der zweiten Beratung ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf § 13. Ich bitte diejenigen, die § 13 in der- Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 13 ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 14. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor: Antrag der Fraktion der KPD Ziffer 5 und Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 257 Ziffer 3.
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- Wir fassen die Ziffern 5, 6, 7 und 8 in diesem Fall zusammen.
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- Also zunächst Ziffer 5. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das lezte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Jetzt kommt zu demselben Paragraphen der Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 257 Ziffer 3. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu den Änderungsanträgen der Fraktion der KPD Ziffern 6, 7 und 8. Ich bitte diejenigen, die diesen Änderungsanträgen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 14 in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; § 14 ist in der Fassung der zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe nun auf §§ 15, - 16, - 17, - 18, -19, - 19a, - 20, - 21, - 22, - 23, - 23a, -24,-25,-26,-27,-28.
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- Darüber ist doch eben mitabgestimmt worden. Das waren doch die Ziffern, über die zusammenhängend abgestimmt worden ist.
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- Die Ziffern 6, 7 und 8 habe ich aufgerufen und zur Abstimmung gebracht!
({8})
- Und nachher über die anderen Paragraphen! Über die Ziffern Ihres Antrags ist abgestimmt worden.
({9})
- Es ist abgestimmt worden, und die Ziffern sind der Ablehnung verfallen. Ich habe die Ziffern aufgerufen, weil von Ihrer Seite gewünscht wurde, die Sache im Zusammenhang zur Abstimmung zu bringen.
({10})
- Ich habe nachher bis § 28 aufgerufen.
({11})
- Das war nicht mehr nötig, weil über das bei § 19 Stehende schon bei der Abstimmung zu § 14 abgestimmt worden ist. Ich vermag also die Abstimmung, die bereits stattgefunden hat, nicht zu wiederholen.
Wir haben jetzt abzustimmen über die aufgerufen Paragraphen bis § 28. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung
({12})
der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr auf § 29. Dazu liegt ein Änderungsantrag der KPD - Ziffer 9 - vor. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die § 29 in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit.
§ 29 ist angenommen.
Ich rufe weiter auf § 30. Ich bitte diejenigen, die
§ 30 in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 31 entfällt.
§ 32. Dazu liegt ein Änderungsantrag der KPD
- Ziffer 10 - vor. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 32 in der Fassung der zweiten Beratung annehmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf §§ 33, - 34, - 35, - 36, - 37, -38, - 39. - Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
§ 40. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. In diesem Antrag wird verlangt, § 40 in der Ausschußfassung wiederherzustellen. Ich lasse zunächst über diesen Änderungsantrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist wieder undurchsichtig; wir kommen an der Auszählung nicht vorbei.
({13})
- Die Zersplitterung ist derart, daß ein klares Ergebnis auch bei Wiederholung der Handzeichen nicht zu erwarten ist. Wir müssen also durch Hammelsprung auszählen. Ich bitte, den Saal so schnell wie möglich zu räumen.
({14})
Meine Damen und Herren, ich bitte, keine Diskussionen im Saal abzuhalten, sondern so schnell wie möglich den Saal zu räumen, damit wir nicht soviel Zeitverlust haben.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({15})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung: Ja 143, Nein 147, 7 Enthaltungen. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über § 40.
({16})
- Es ist mir mitgeteilt worden, der sei zurückgezogen.
({17})
- So können wir doch nicht verfahren, meine Damen und Herren! Der Antragsteller hat seinen Antrag zurückgezogen, und ich glaube, dabei muß es sein Bewenden haben; sonst verwickeln wir unsere Abstimmung immer mehr.
({18})
- Herr Abgeordneter Rademacher zur Abstimmung!
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion stelle ich den von der Bayernpartei zurückgezogenen Antrag als Antrag der FDP zur Abstimmung.
({0})
Ja, meine Damen und Herren, das geht nicht mehr. Die Abstimmung hatte bereits begonnen. Ich habe abstimmen lassen - ({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Seelos, Ihr Antrag ist nicht zurückgezogen worden? Das war mir mitgeteilt worden!
({1})
- Ja, ich darf Sie bitten, diese Erklärung dem Hause zu geben; ich kann hier keine Privatgespräche führen.
Das Wort hat also der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Bayernpartei, der gestern in der zweiten Beratung abgelehnt worden ist, sollte ursprünglich in der heutigen dritten Beratung wiederholt werden. Wir haben uns jedoch inzwischen überzeugt, daß die Fassung, wie sie das Hohe Haus dem § 40 gestern gegeben hat, vom Standpunkt der gewerberechtlichen Integrität vorzuziehen ist. Im Hinblick darauf haben wir unseren Antrag zunächst zurückgestellt und später zurückgezogen. Wir waren aber der Meinung, daß wir die Möglichkeit haben würden, auf die unmögliche sprachliche Fassung, die das Hohe Haus gestern dem Abs. 2 des § 40 gegeben hat, hinweisen und eine redaktionelle Verbesserung beantragen zu können.
Ich weiß nicht, ob die Mehrheit des Hohen Hauses die rein sprachliche - nicht bloß gesetzessprachliche, sondern allgemein sprachliche - Fassung dieses Abs. 2 im Gedächtnis hat. Ich weiß aber auch nicht, ob mir hier die Möglichkeit gegeben werden wird, ein rein sprachliches Amendement zu stellen, damit der Öffentlichkeit das Schauspiel erspart bleibt, daß ein Gesetz in einer derartigen sprachlichen Fassung veröffentlicht wird.
Das war der Zweck unserer Bitte, vielleicht doch in eine rein redaktionelle, nicht sachliche Nachprüfung des Abs. 2 des § 40 eintreten zu wollen.
Meine Damen und Herren, darauf können wir jetzt nicht mehr eingehen. Ich hatte zur Abstimmung über diesen Paragraphen aufgerufen und der Abstimmung die gestellten Anträge zugrunde gelegt. Der Antrag
({0})
der Bayernpartei war mir als zurückgezogen gemeldet; ich habe ihn infolgedessen nicht zur Abstimmung gestellt. Nachdem die Abstimmung begonnen hat, kann man diesen Antrag nicht erneut zur Abstimmung stellen. Der eine Abänderungsantrag, der legitim gestellt war und bei Beginn der Abstimmung vorlag, ist soeben abgelehnt worden. Wir kommen infolgedessen zur Abstimmung über § 40 in der Fassung der zweiten Lesung. Ich bitte diejenigen, die dem § 40 in dieser Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der § 40 ist angenommen.
Ich rufe weiter auf: §§ 41, - 42, - 43, - 44, -45, - 46, - 47, - 48, - 49, - 50, - 51, - 52, -53 entfällt, - 54. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 55 auf. Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß im Text des § 55 die Angabe fehlt, wann das Gesetz in Kraft tritt. Ich schlage Ihnen als Datum den 1. August 1951 vor. - Es wird nicht widersprochen. Dann darf ich also den § 55 mit der Einfügung „1. August" zur Abstimmung stellen. Ich bitte diejenigen, die diesem Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Einleitung und Überschrift auf und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem soeben zur Abstimmung gebrachten Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung im ganzen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist in dritter Beratung beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den dazu gehörigen Ausschußantrag Drucksache Nr. 2399 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Ausschußantrag ist angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Eickhoff.
Eickhoff ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen in der Drucksache Nr. 2245 vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 wurde in mehreren Sitzungen vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen behandelt und war auch Gegenstand gemeinsamer Beratungen der Finanzausschüsse des Bundesrates und des Bundestages. Es handelt sich um einen kurzen, aber doch sehr inhaltsreichen Gesetzentwurf.
Der § 1 besagt, daß im Rechnungsjahr 1951 31,3 % des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer, das den Ländern zufließt, vom Bund in Anspruch genommen werden.
In § 2 wird bestimmt, daß diese Einnahmen täglich an die Bundeshauptkasse abzuführen sind. Der Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes gibt dem Bund das Recht, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung durch andere Einkünfte nicht gedeckter Ausgaben in Anspruch zu nehmen. Bei der augenblicklichen Finanzlage und bei .dem hohen Finanzbedarf des Bundes sieht sich unser verehrter Herr Bundesfinanzminister nunmehr gezwungen, von diesem Recht Gebrauch zu machen und ist unter Berücksichtigung des Mehraufkommens, das die Länder auf Grund des Änderungsgesetzes zum Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz im Rechnungsjahr 1951 aus diesen Steuern haben, auf den Prozentsatz von 31,3 % gekommen. Allein aus dieser krummen Zahl werden Sie ersehen, daß es nicht eine willkürlich gegriffene Zahl ist, sondern daß ihr genaue Berechnungen zugrunde liegen.
Die Herren Ländervertreter, insbesondere der Herr Staatssekretär Dr. Ringelmann, haben in den Ausschußberatungen dann aber eingehend dargelegt, daß die Länder einer so hohen prozentualen Abgabe unmöglich zustimmen könnten. Sie machten den Vorschlag, 20 % der Einnahmen, soweit das Aufkommen im Rechnungsjahr 1951 das Vorjahresaufkommen aus diesen Steuern nicht übersteigt, und 40 % des Mehraufkommens gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 an den Bund abzuführen. Das würde ungefähr 25 % des Gesamtaufkommens bedeuten, so daß zwischen dem Angebot der Länder und der Forderung des Bundesfinanzministers immerhin eine Differenz von gut 6 % verbliebe. Wenn Sie, meine Damen und Herren, aber bedenken, daß 1 % des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer immerhin 68 Millionen DM ausmacht, dann sehen Sie, daß es sich hier also um einen Differenzbetrag von zirka 400 Millionen DM handelt. Über diesen Betrag haben wir im Ausschuß sehr lange verhandelt, haben auch mehrere Kompromißvorschläge in Erwägung gezogen. Aber der Finanzausschuß ist dann unter Berücksichtigung dessen, daß den Ländern von dem bisher Bestehenden ja nichts genommen werden soll, sondern daß die künftig abzuführenden Beträge ja nur aus dem Aufkommen durch die Erhöhung der Einkommen- und Körperschaftsteuer genommen werden sollen, zu der Überzeugung gekommen, daß die Forderung des Bundesfinanzministers auf Abführung von 31,3 % berechtigt sei, und hat sich mit sehr großer Mehrheit auch mit den Stimmen vieler Föderalisten - hierfür entschieden. Wenn wir mit einem niedrigeren Prozentsatz einverstanden gewesen wären, dann hätten wir heute hier im Hohen Hause vor der Aufgabe gestanden, diese Minderaufkommen durch neue Steuern irgendwie zu decken. Der Bundesfinanzminister hat dann den Ländern als kleine Gegenleistung, als zusätzliche Einnahmequelle eine geringe Erhöhung der Versicherungssteuer, der Stempelsteuer usw. in Aussicht gestellt.
In § 2 des Gesetzentwurfs wird festgelegt, daß die anfallenden Beträge von den Finanzämtern täglich an die Bundeshauptkasse abzuführen sind. Die Sachverständigen, die wir dann im Finanzausschuß gehört haben, haben hierzu erklärt, daß diese tägliche Abführung sehr leicht vorzunehmen sei und daß hierfür keine technischen Schwierigkeiten
({6})
auftreten würden. Der Ausschuß hat sich daher nicht dem Vorschlag des Bundesrates anschließen können, der eine unmittelbare und laufende Bundesbeteiligung an den kassenmäßigen Einnahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer technisch unmöglich machen würde. Der Ausschuß hat sich also für die tägliche Abführung entschieden.
Die vom Bundesrat vorgeschlagenen §§ 2 a und 2 b - § 2 b behandelt, wie es heute alle Gesetze tun, Berlin - sind vom Ausschuß angenommen worden.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß bittet Sie durch mich, die Vorlage unverändert anzunehmen, und ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß auch der Bundesrat seine Zustimmung nicht verweigern wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Für die folgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Ich rufe auf § 1. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der SPD vor, der begründet wird. Bitte, Herr Abgeordneter Lausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag ist bei dieser Vorlage, was den Prozentsatz der abzuführenden Summen anlangt, in einer heiklen Lage. Der Bundesrat ist voraussichtlich bestenfalls bereit, bis zu 25% zu gehen, und der Herr Bundesfinanzminister will von den 31,3 % nicht abgehen. Die sozialdemokratische Fraktion hat deshalb im Interesse einer vernünftigen Verständigung den Antrag eingebracht, den Prozentsatz auf 28 % festzusetzen.
Als wir im Finanzausschuß mit den Vertretern der Länderregierungen zusammensaßen, befanden wir uns in einer höchst bedauerlichen Situation. Auf beiden Seiten war kein Wille zu erkennen, zu irgendeiner Form der Verständigung zu kommen. Die Finanzminister aller Schattierungen hatten sich mit Argumenten und mit Zahlen bewaffnet. Nun sind Finanzminister eine besondere Art von Ministern.
({0})
Man muß ihnen einiges zugute halten;
({1})
man muß aber auch etwas von ihren Rechnungen abziehen. Das gilt sowohl für den Bundesfinanzminister als auch für die Länderfinanzminister.
Die Frage aber, die wir uns hier im Hause vorzulegen haben, ist die: Was wird geschehen, wenn der Bundestag sich für die 31,3 % entschließt und der Bundesrat bei den 25 % verbleibt? Es handelt sich bei dieser Vorlage um ein Zustimmungsgesetz, d. h. der Vermittlungsausschuß kann angerufen werden; er braucht nicht angerufen zu werden. Das gibt dem Bundesrat bei einer Verhandlung im Vermittlungsausschuß ein sehr starkes Gewicht. Das Ergebnis einer so komplizierten Verfahrensweise wird dann wieder sein, daß man nicht weiterkommt als wir, die wir - das möchte ich hervorheben - im Finanzausschuß versucht hatten, uns auf irgendeiner mittleren Linie zu verständigen. Das heißt, man wird vermutlich auch auf 28 % kommen. Die Frage, die wir dabei zu stellen haben, ist: Warum verläßt man sich in solchen Fällen immer unbedingt auf den Vermittlungsausschuß?
Wir meinen auch, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht alles getan hat und nicht ernsthaft genug bemüht war, zu einer Verständigung mit den Länderregierungen zu kommen. Wir haben hier im Hause zweifellos die Aufgabe, die Interessen des Bundes wahrzunehmen. Dabei können wir aber nicht einfach die Länder ignorieren und uns auf den sehr billigen Standpunkt stellen, zu sagen: auf jeden Fall der Bund! Die Länder haben gewiß Mehreinnahmen zu verzeichnen, die der Herr Bundesfinanzminister auf etwa 440 Millionen geschätzt hat. Sie haben aber auch - und das muß hier betont werden - bis zum heutigen Tage ihnen durch das Grundgesetz zustehende bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Darunter befinden sich Aufgaben, die wir alle miteinander sehr ernst zu nehmen haben. Ich erinnere Sie nur an die schulischen Aufgaben, bei denen noch manches im argen liegt. Wir alle haben Ursache, diese Aufgaben und ihre Bedeutung richtig zu sehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß man den Ländern ja die Möglichkeit geben könne, ihre Wechselsteuer und ihre Versicherungsteuer noch etwas aufzuwerten. Die Wechselsteuer erbringt 47,5 Millionen, die Versicherungsteuer 68,3 Millionen. Eine Erhöhung wird also, im ganzen gesehen, nicht sehr attraktiv sein. Wir wären allerdings dem Herrn Bundesfinanzminister sehr dankbar, wenn in Zukunft darauf gedrungen würde, eine gründliche Durchleuchtung der Bedarfs- bzw. Ausgabenpolitik der Länder vorzunehmen. Dazu ist aber erforderlich, daß der Bundestag und seine Ausschüsse mit den entsprechenden statistischen Materialien versehen werden, damit wir endlich einmal aus dem Dilemma herauskommen, daß wir hier immer nur über den Daumen gepeilte Entscheidungen treffen O müssen statt sachlich fundierte Entscheidungen, was auch für diesen Fall zutrifft.
Weiterhin haben wir uns die Frage vorzulegen - und das ist eine Frage, die in Art. 106 des Grundgesetzes angesprochen ist -: Hat der Bund seine Quellen wirklich ausgeschöpft? Dazu muß ich Ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien, so unangenehm es Ihnen sein mag, folgendes sagen: Der Herr Bundesfinanzminister hat in diesem Hause wiederholt beteuert, daß die Steuernovelle von 1950 im ganzen gesehen zum Schluß keine Ausfälle zur Folge haben werde. Heute wissen wir - das hat die Darstellung im Bundesanzeiger gezeigt -, daß sich bei der Einkommen-und der Körperschaftsteuer netto ein Ausfall von immerhin 800 Millionen DM ergeben hat; eine Summe, die schließlich kein Pappenstiel ist und deren Aufkommen unsere ganze Situation - denn es handelt sich hier ja nicht nur um diese Vorlage, sondern um eine etatpolitische Situation - wesentlich hätte verbessern können. Ich muß auch darauf hinweisen, daß nicht durch die Schuld der Opposition, sondern durch die Unsicherheit innerhalb der Regierungsparteien die beiden letzten Steuernovellen um einen Monat zu spät verabschiedet worden sind. Das macht nach den eigenen Angaben des Herrn Bundesfinanzministers auch immerhin 200 Millionen aus, ganz zu schweigen von der Frage, ob das Exportförderungsgesetz notwendig war oder nicht. In einer solchen Zeit, in der wir uns so nachhaltig um die Beschaffung der. Mittel zum Ausfüllen der Lücken im Etat bemühen müssen, ist es unmöglich, in einer etwas fahrlässigen Weise ein Gesetz wie das Exportförderungsgesetz zu verabschieden.
({2})
Wir müssen auch erklären - auch das beeinflußt unsere Haltung und hat uns zu unserem Antrag bestimmt -, daß wir gegen die Etatvoranschläge - und wir, haben ja nicht nur einen, sondern wir haben, zumindest im Ausschuß, zwei vorgelegt bekommen - Mißtrauen hegen. Wieso, fragen wir uns, kommt der Herr Bundesfinanzminister dazu, im Laufe eines Monats seine Etatvoranschläge bei der zweiten Vorlage auf der Einnahmenseite um 600 Millionen DM zu erhöhen? Ich kann mir das nur so erklären, daß sein Optimismus in dem Maße gestiegen ist, wie die verschiedenen Regierungsparteien ihm zugesetzt haben. Aber mit dieser Erklärung kann man sich schließlich nicht zufrieden geben. Wir fragen uns weiter: Wie kommt er dazu, innerhalb zweier Monate in den uns vorgelegten Etatvoranschlägen die Ausgaben für Besatzungslasten um 500 Millionen zu reduzieren? Wir kennen das Motiv nicht; er hat uns darüber keine Auskunft gegeben. Deshalb fragen wir uns zum Schluß: Welchen Zahlen sollen wir nun überhaupt trauen? Entweder sind die ersten nicht richtig gewesen, sind hier Reserven eingebaut, oder die zweiten sind nicht mehr ganz zuverlässig. Das Ende vom Lied ist jedenfalls, daß wir gegen solche Zahlenangaben Bedenken haben.
Hinzu kommt aber schließlich noch die unsichere Steuerpolitik, die in den letzten Wochen und Monaten getrieben worden ist, um die Lücke zu füllen. Es hat innerhalb der Regierungsparteien wochenlang, zum Teil monatelang Auseinandersetzungen darüber gegeben, wie man das Loch ausfüllen soll. Jetzt ist die Aufwandsteuer vorläufig zurückgestellt worden. Die Autobahnsteuer ist zurückgestellt worden. Wir fragen uns: Wo ist denn nun eigentlich die verantwortliche Regierungsmehrheit, die doch in erster Linie die Aufgabe hat, dieses Loch im Etat zu füllen? Wir wünschen uns nichts Sehnlicheres, als daß uns der Herr Bundesfinanzminister einmal eine klare Übersicht über die notwendigen Ausgaben und die erforderliche Deckung vorlegt, weil wir nur dann in der Lage sind, auch den Ländern gegenüber mit einer etwas größeren Sicherheit aufzutreten, um uns etwa für solche Forderungen wie in diesem Fall die 31,3 % einzusetzen.
Der Bundesfinanzminister hat die Möglichkeit, immerhin noch einige Reserven mobil zu machen. Von diesem Haus ist ihm die Möglichkeit gegeben worden, unter Anwendung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes jetzt energisch die Betriebsprüfung im Bundesmaßstab durchzuführen. Wir hoffen und wünschen, daß man hier mit Elan einsetzt, um so viel wie möglich an diesen Reserven, die aus Steuerhinterziehungen bestehen, heranzuholen.
({3})
Es ist auch nicht so, daß die 31,3 % eine absolut zuverlässige Zahl sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich hier auf Schätzungen gestützt. Aber die Konjunkturkurve ist in labilen Zeiten
Herr Abgeordneter, darf ich darauf aufmerksam machen, daß sich auch der Ältestenrat wegen der Zeiteinteilung auf Schätzungen gestützt hat, und es ist im Ältestenrat geschätzt worden, daß die Begründung 10 Minuten dauern würde. Diese Zeit ist längst überschritten!
Ich bin sofort fertig, Herr Präsident! - Diese Konjunkturkurve kann man jedenfalls in labilen Zeiten nicht mit der Sicherheit schätzen, wie man es in normalen Zeiten tun kann.
Das will heißen, daß auch die Schätzungszahlen über die Mehreinnahmen an Einkommen- und Körperschaftsteuer zumindest heute problematisch sind.
Ich fasse zusammen: weil wir Mißtrauen gegen die Etatsvoranschläge haben, weil wir die Art der Steuerpolitik der Bundesregierung und ihrer Mehrheit ablehnen und weil wir uns um einen leidlichen Ausgleich zwischen Bund und Ländern bemühen, haben wir den Antrag auf 28 % gestellt und bitten das Haus, ihm zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Begründung zum Antrag Ollenhauer und Fraktion darf ich zunächst folgendes bemerken: Die Zahl von 28 % ist als das arithmetische Mittel zwischen den 25 % Bereitstellung durch den Bundesrat und den 31,3 % Wunsch des Bundesfinanzministers berechnet worden. Ich verstehe es, wenn vor einem Gericht der Richter, der eines Streites müde ist und annimmt, daß beide Parteien wohl über das hinaus, was ihnen zusteht, vorsorglich etwas mehr gefordert haben, einen Vergleich mit dem arithmetischen Mittel der beiderseitigen Forderung vorschlägt. Aber in diesem Fall bin ich von diesem Prinzip des arithmetischen Mittels abgegangen. Ich verweise lediglich auf die Begründung, die dem Gesetzentwurf beigegeben und in der genau dargelegt ist, wie das Bundesministerium der Finanzen zu der Berechnung von 31,3 % gekommen ist. Das Bundesministerium der Finanzen hat zunächst den Standpunkt vertreten, daß den Ländern möglichst das bleiben sollte, was sie bisher gehabt haben. Es hat also die Ansprüche des Bundes zunächst auf das beschränkt, was den Ländern an Mehreinnahmen gegenüber den Vorjahren durch die Bundesgesetzgebung zugeführt wird, und hat infolgedessen als die unterste Grenze dessen, was von den Ländern verlangt werden darf, die Höhe dieses Mehraufkommens in Anspruch genommen. Es hat ausdrücklich betont, daß dem Grundsatz des Art. 106, wonach der Bund seine nichtgedeckten Ausgaben durch Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf diesem Wege decken kann, nur teilweise Rechnung getragen werden kann. Ich habe mich bemüht, darzulegen, daß die Finanzlage des Bundes es nicht erlaubt, anzunehmen, daß bei einer Minderung dieses Prozentsatzes der Ausfall vom Bund irgendwie getragen werden könnte.
Auf die etwas polemischen Bemerkungen des Herrn Vorredners über die Politik der Koalitionsparteien brauche ich nicht einzugehen. Ich darf nur mit einem Satz bemerken: ob das nun Fehler sind oder nicht, an der Finanzlage und den finanziellen Auswirkungen für den Bund ist nichts mehr zu ändern. Die finanzielle Auswirkung für den Bund hat sich dadurch verschlechtert und nicht verbessert, daß das Umsatzsteuergesetz später als gedacht und das Aufwandsteuergesetz ebenfalls später als vorgesehen in Kraft treten werden. Die Autobahnbenutzungsgebühr spielt keine Rolle; denn sie wird im wesentlichen durch einen einmaligen Jahresbeitrag erhoben, und ob dieser im Oktober oder Juli zu bezahlen ist, hat fiskalisch keine ausschlaggebende Bedeutung. Es wäre auch technisch unmöglich gewesen, dieses Gesetz durch Bundesrat und Bundestag noch vor dem 15. Juli zu verabschieden.
({0})
Der Hinweis auf Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes klingt in meinen Ohren sehr angenehm, da der Herr Vorredner ja weiß, daß ich um diesen Gesetzentwurf kämpfe, gerade um eine Vereinheitlichung in der Steuergebarung und eine schärfere Führung der Steuerverwaltung im Bundesgebiet zu erreichen. Er weiß aber wohl ebenso, daß eine Besserung der Finanzlage nicht sofort, sondern nur langsam eintreten kann und daß diese Besserung der Finanzlage in erster Linie den Ländern zugute kommt und nicht dem Bund, da es sich vor allem um die Einkommen- und Körperschaftsteuer handelt. Gerade dieser Hinweis müßte also logisch zu dem Schluß führen, daß, weil durch das Gesetz nach Art. 108 des Grundgesetzes ein höheres Aufkommen aus Landessteuern zu erwarten ist, die Länder eher in der Lage sein werden, den höheren Prozentsatz zu tragen, als der Bund in der Lage ist, einen niedrigeren Prozentsatz zu verschmerzen.
Nun aber grundsätzlich eine Bemerkung, und deshalb wundert es mich, daß der Antrag von der SPD gestellt ist. Die SPD macht mir doch zum Vorwurf, daß ich die indirekten Steuern zu sehr erhöhe und die direkten Steuern schone. Die Folge des hier gestellten Antrages wäre die: Wenn dem Bund durch einen niederen Prozentsatz die Möglichkeit, von den Ländern her die nicht gedeckten Ausgaben ersetzt zu bekommen, geschmälert wird, ist der Bund auf die Einnahmequellen angewiesen, die das Grundgesetz ihm zuweist; und diese Steuerquellen sind lediglich indirekte Steuern. Der Antrag der SPD hat zur Folge, daß der Bund wieder die indirekten Steuern - die von Ihnen ({1}) selbst als unsozial bezeichneten Steuern
- erhöhen müßte und daß von den Ländern der Zwang genommen würde, ihre Mittel und ihre Anteile für den Build möglichst aus den direkten Steuern zu erhalten. Es würde also das Gegenteil von dem eintreten, was eigentlich Ihrer eigenen finanzpolitischen Überzeugung entspricht.
Wenn Sie glauben, daß die Zustimmung des Bundesrates bei 28 % leichter zu erhalten ist als bei 31,3 %, so darf ich aus psychologischen Gründen ein Fragezeichen dahinter setzen. Daß zwischen Leuten, die Geld geben müssen, ob das Finanzminister, Bürgermeister, Hausfrauen oder sonst etwas sind, Streit herrscht, ist selbstverständlich. Wenn der andere Teil weiß, daß ich als anständiger Mann von vornherein nur das verlangt habe, was ich brauche, und nicht mehr, daß ich das aber auch haben muß, und wenn der andere Teil weiß, daß ich auf seine Verhältnisse Rücksicht genommen habe, dann ist es möglich, am Schluß zu einer Einigung zu kommen. Wenn ich mir nach dem Prinzip des Aushandelns Schritt für Schritt Prozentsätze abringen lasse und der Gegner merkt, daß eine weiche Stelle vorhanden ist, dann halte ich die Einigung auf einer vernünftigen Basis für viel schwerer möglich - und sie ist wahrscheinlich unmöglich -, als wenn die Gegenseite weiß, sie hat es mit einem Partner zu tun, der von der ersten Stunde an nicht mehr verlangt, als er verlangen darf und haben muß, aber infolgedessen auf diesem Verlangen auch bestehen muß.
Das ist der Standpunkt, den ich in dieser Frage vertrete. Außerdem habe ich den Ländern ein Angebot gemacht. Ich bin bereit, das politische Odium auf meinen Namen zu nehmen und durch Bundesgesetzgebung auf meine Rechnung die Einnahmen der Länder auf dem Gebiete der Verkehrsteuern
- wo also die unsoziale Note wegfällt - zu erhöhen. Diese Einnahmen könnten für die Länder
- ich habe es durchrechnen lassen - insgesamt mindestens 225 Millionen DM betragen. Die Differenz für den Bund, um die wir heute reden, beträgt 240 Millionen DM. Auf dem Weg, den ich den Ländern weise, ist die Möglichkeit zu einer Einigung gegeben. Ich halte es für ausgeschlossen, daß der Bundesrat in dieser Situation das ganze Gesetz scheitern lassen und die politische Verantwortung dafür voll auf sieh nehmen wird.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn es sich um Finanzen handelt, geht es manchmal durcheinander. Hier sprach der Föderalist Minister Schäffer, hier sprachen die Zentralisten, die SPD.
({0})
Der Föderalist hat für die stärkere Besteuerung der Länder gesprochen, und die verkappten Föderalisten von der SPD
({1})
haben für die Herabsetzung zugunsten der Länder gesprochen. Ich bin in meiner geistigen Haltung zu schlicht, als daß ich da noch mitkäme.
({2})
Ich muß immer so handeln, wie es meinen Grundsätzen entspricht, und kann nicht immer genau das Gegenteil von dem tun, was sich aus dem Prinzip ergibt, zu dem ich mich bekenne. Daher muß ich als Föderalist dem Antrag der verkappten Föderalisten der SPD zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 1.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 258, die Zahl 31,3 durch die Zahl 28 zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf §§ 2, - 2 a, - 2 b, - 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich rufe auf §§ 1 bis 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen,
({0})
Ich darf jetzt folgenden Tagesordnungspunkt einschieben:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ritzel. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Ritzel ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Vermittlung des Herrn Bundesministers der Justiz ist ein Antrag auf Aufhebung der Immunität der Bundestagsabgeordneten Aumer, von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz an das Hohe Haus gelangt. Der Antrag kommt von dem Herrn Oberstaatsanwalt in Bonn und datiert vom 20. Juni 1951. Er hat folgenden Wortlaut:
Auf die Anzeige des Präsidialkomitees des
Schutzverbandes der Steuerzahler e. V. vom
14. Juli 1950 an den Herrn Generalstaatsanwalt in Köln - gleichlautende Anzeigen an die Herren Generalstaatsanwälte in Düsseldorf, Hamburg, Hamm und Neustadt/Hardt sind nach hier abgegeben worden - ist am 5. August 1950 ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen Wahlbestechung - § 109 des Strafgesetzbuches pp. - eingeleitet worden. Nachdem jedoch veranlaßt durch den Artikel: „Klug sein und Mund halten" in dem deutschen Nachrichtenmagazin „Der Spiegel" Ausgabe Nr. 39 vom 27. September 1950 durch Beschluß des Deutschen Bundestags vom
15. Oktober 1950 gemäß Art. 44 des Grundgesetzes ein Untersuchungsausschuß zur Nachprüfung der behaupteten Geldhergaben an Bundestagsabgeordnete eingesetzt und bei einer persönlichen Rücksprache durch den Vorsitzenden dieses Untersuchungsausschusses, Bundestagsabgeordneten Dr. Semler, zugesichert worden war, daß nach Abschluß der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses dessen gesamtes Material der Staatsanwaltschaft zur strafrechtlichen Auswertung zur Verfügung gestellt werde, ist zunächst zur Vermeidung doppelter Beweiserhebung mit der Bearbeitung des Ermittlungsverfahrens innegehalten
worden.
Der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses vom 23. Mai 1951 ist nach Beratung in der 148. und 149. Sitzung des Deutschen Bundestags am 7. und 8. Juni 1951 genehmigt worden. Mit Schreiben des Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestags vom 8. Juni 1951 sind die Unterlagen des Untersuchungsausschusses der Staatsanwaltschaft nunmehr zugestellt worden. Eine eigene Nachprüfung, inwieweit sich aus den überreichten Unterlagen strafrechtliche Tatbestände ergeben, hat infolge der Kürze der Zeit noch nicht stattfinden können.
Ich bemerke, sie konnte auch aus einem anderen
Grund nicht stattfinden; denn dazu wäre die Aufhebung der Immunität die Voraussetzung gewesen.
Jedoch enthält der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses hinreichend Verdachtsgründe dafür, daß folgende Bundestagsabgeordnete sich strafbarer Handlungen schuldig gemacht haben:
1. Der Bundestagsabgeordnete Hermann Aumer a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue, Urkundenfälschung und eines Steuervergehens;
2. der Bundestagsabgeordnete Anton Freiherr von Aretin a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue und eines Steuervergehens;
3. der Bundestagsabgeordnete Anton Donhauser a) der Eidesverletzung, b) der Unterschlagung, Untreue sowie eines Steuervergehens;
4. der Bundestagsabgeordnete Georg Mayerhofer der Unterschlagung, Untreue sowie eines Steuervergehens;
5. der Bundestagsabgeordnete Ludwig Volkholz a) der Eidesverletzung, b) der Untreue, Unterschlagung sowie eines Steuervergehens.
Es wird gebeten, wegen dieses sich aus den Feststellungen des Untersuchungsausschusses ergebenden Tatverdachts eine Entscheidung des Bundestags über die Frage der Aufhebung der Immunität der obengenannten Bundestagsabgeordneten herbeizuführen, damit dem Verfahren ohne Zeitverlust Fortgang gegeben werden kann.
Soweit hier noch weitere Vorgänge gegen Bundestagsabgeordnete vorliegen, die zwar im Zusammenhang mit dem von dem 44. Untersuchungsausschuß des Bundestags erörterten Fragenkomplex stehen, für die sich aber aus dem Abschlußbericht allein noch keine hinreichenden Verdachtsgründe ergeben, werde ich nach Durchsicht der Unterlagen das Erforderliche veranlassen.
In Vertretung
gez. Unterschrift
Erster Staatsanwalt.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich in seiner gestrigen Sitzung mit diesem vorliegenden Ersuchen befaßt und einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause folgenden Antrag zur Annahme zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen, die Genehmigung zur Durchführung der Strafverfahren gegen die Abgeordneten Aumer, Freiherr von Aretin, Donhauser, Mayerhofer und Volkholz zu erteilen.
Ich bitte Sie, in diesem Sinne zu beschließen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht gehört. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2419. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Aufhebung der Immunität ist einstimmig beschlossen.
Ich darf weiter aufrufen die
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP betreffend Neuwahl der Mitglieder des Kontrollausschusses beim Hauptamt für Soforthilfe ({0}).
({1})
- Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der drei Fraktionen auf Wahl der Mitglieder des Kontrollausschusses, die in der Drucksache Nr. 2421 aufgeführt sind, zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Wahl ist antragsgemäß erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Günther, Kemper und Genossen betreffend Höchstentfernung im Güternahverkehr ({3}),
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Meyer ({4}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen.
({5})
- Meine Damen und Herren, es liegt ein schriftlicher Bericht vor, so daß wir auf die mündliche Berichterstattung verzichten können.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1930 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dem Antrag ist entsprochen worden.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({6}) über den Antrag der Abgeordneten Rademacher, Dr. Friedrich, Juncker, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Fahrrad-Hilfsmotoren ({7}).
Der Bericht liegt ebenfalls schriftlich vor. Diese gute Übung scheint sich doch langsam durchzusetzen.
({8})
- Das ist ein- ausgezeichnetes Verfahren, Herr Abgeordneter Rademacher. - Wortmeldungen liegen ebenfalls nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2333. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen 2 Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({9})
über den Antrag der Abgeordneten Funk
und Genossen betreffend Frachttarife für
Schottersteine zum Straßenbau ({10}).
In diesem Falle liegt ein schriftlicher Bericht nicht vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Cramer, Darf ich bitten, Herr Abgeordneter Cramer!
Cramer ({11}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, mit meinen Steinen sehr schnell fertig zu werden. Der Antrag lautete:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Verhandlungen mit der Bundesbahn zu erwirken, daß die vor kurzem
- das bezog sich auf den 1. Januar erfolgte Erhöhung der Frachttarife für Schottersteine ({12}) wieder rückgängig gemacht
wird, damit die dringend notwendige Instandsetzung und Instandhaltung der größtenteils in schlechtem Zustand befindlichen Gemeinde-und Kreisstraßen nicht verzögert oder unmöglich gemacht wird.
Der Ausschuß hat, bevor er dazu Stellung nahm, eine Stellungnahme des Ministeriums eingeholt. Ich muß diese Stellungnahme schon vorlesen. Sie ist nicht allzu lang. Ich kann Sie aber damit trösten, daß sich der Ausschuß diese Stellungnahme voll zu eigen gemacht hat, so daß sich dann weitere Ausführungen ersparen lassen. Das Ministerium schreibt:
Schottersteine werden auf der Eisenbahn und im Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen nach dem Ausnahmetarif 5 B I für Wegebaustoffe befördert. Für Güter der in Betracht kommenden Abteilung dieses Tarifs beträgt die durchschnittliche Versandweite auf der Eisenbahn 122 km. Für diese Entfernung gewährt der Ausnahmetarif 5 B I 31 % Frachtermäßigung gegenüber der bereits niedrigen Regelklasse F. Die Durchschnittsfracht für Schottersteine hat bis zum 31. Dezember 1950 auf eine Entfernung von 122 km 6,20 DM je Tonne betragen. Anläßlich der Gütertariferhöhung zum 1. Januar 1951 ist sie um 1,30 DM - 21 % auf 7,50 DM je Tonne erhöht worden.
Der Ausnahmetarif 5 B 1 gilt nicht nur für Wegebaustoffe, sondern auch für Steine zum Bahn- und Wasserbau. Für den gesamten Eisenbahnversand von allen Gütern dieses Ausnahmetarifs beträgt die Frachtmehrbelastung infolge der Tariferhöhung am 1. Januar 1951 rund 5 Millionen DM jährlich. Hiervon entfällt nur ein Teil auf Wegebaustoffe und davon wiederum nur ein Teil auf Kreisstraßen sowie Gemeindestraßen. Zahlenmäßige Unterlagen hierüber sind nicht vorhanden. Ungefähre Rückschlüsse lassen sich aber aus folgenden Zahlenvergleichen ziehen:
Das Netz der Bundesstraßen einschließlich
Ortsdurchfahrten sowie der Autobahnen umfaßt rund 26 000 km. Die Landstraßen I. und II. Ordnung belaufen sich auf 101 000 km und das Netz aller klassifizierten Straßen auf insgesamt 128 000 km. Für die Unterhaltung der 26 000 km Bundesstraßen und Autobahnen werden jährlich etwa 130 Millionen DM, für die Beseitigung von Kriegsschäden 41 Millionen DM und für Neubauten 18 Millionen DM, zusammen also rund 190 Millionen DM aufgewendet. Die Aufwendungen für die Landstraßen I. und II. Ordnung sowie für die nicht klassifizierten Straßen sind zahlenmäßig nicht bekannt. Sie müssen jedoch um ein Mehrfaches gegenüber den vom Bund aufzuwendenden Straßenunterhaltungs- und Baukosten von jährlich 190 Millionen DM höher sein. Gemessen an diesen Gesamtaufwendungen können die Frachtmehrkosten für Eisenbahntransporte von weniger als 5 Millionen DM infolge der Gütertariferhöhung zum 1. Januar 1951 kaum ins Gewicht fallen.
Diese für die Gesamtbelastung angestellten Erwägungen gelten sinngemäß für die Gemeinde-und Kreisstraßen.
Der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1872 bezieht sich nach seinem Wortlaut nur auf die Bundesbahntarife. Ein Teil der Schottersteine zum Wegebau wird jedoch auch mit Lastkraftwagen befördert. Die Tarife für den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen über 50 km sind am 1. Januar 1951 in gleicher Weise wie die Bun({13})
desbahntarife erhöht worden. Der überwiegende Teil der Schottersteine dürfte jedoch auf der Straße im Güternahverkehr bis 50 km befördert werden, der von der Tariferhöhung am 1. Januar 1951 nicht betroffen worden ist. die Instandsetzung und Instandhaltung der Gemeinde- und Kreisstraßen dürfte nach diesen Erwägungen nicht, wie in der Bundestagsdrucksache Nr. 1872 dargelegt, durch die Erhöhung des Ausnahmetarifs 5 B 1 ernstlich „verzögert oder gar unmöglich gemacht" werden.
Außerdem unterliegt der Antrag gemäß Drucksache Nr. 1872, der die Aufhebung der letzten Tariferhöhung für ein einzelnes Gut zum Gegenstand hat, schwerwiegenden grundsätzlichen Bedenken. Wenn ein solches Beispiel Schule macht, wird der Umfang der Berufungen mit dem Ziel gleicher tarifsenkender Maßnahmen unabsehbar und der finanzwirtschaftliche Zweck der ganzen Tariferhöhung, die eingetretenen Ausgabesteigerungen im Bahn-und Straßenverkehr auf der Einnahmeseite abzufangen, völlig verwässert.
Ich sagte vorhin schon, der Ausschuß hat sich diese Stellungnahme voll zu eigen gemacht. Er empfiehlt Ihnen jedoch, den Antrag Drucksache Nr. 1872 hier nicht ablehnend zu behandeln, sondern ihn der Regierung als Material für spätere Verhandlungen zu überweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für den zwar nicht kurzen, aber aufschlußreichen Bericht. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Zum Sitzungsplan für die nächste Woche möchte ich folgende Mitteilung machen. Es ist Ihnen inzwischen bekannt geworden, daß der Ältestenrat vorgesehen hat, in der nächsten Woche vier Plenarsitzungen abzuhalten, und zwar am Montag um 14 Uhr, am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag jeweils um 9 Uhr. Ich bitte Sie, die Tagesordnung und die Drucksachen für die in der nächsten Woche stattfindenden Plenarsitzungen und den Wochenplan nicht durch die Post zu erwarten, sondern hier in den Fächern in Empfang zu nehmen. Aus technischen Gründen ist es nicht. möglich, die Unterlagen zu versenden. Ich nehme an, daß das Hohe Haus die dadurch eintretende Portoersparnis begrüßen wird.
Ich berufe die nächste, die 158. Sitzung, auf Montag, den 9. Juli, 14 Uhr, und schließe die 157. Sitzung des Deutschen Bundestages.