Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 152. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Hilbert, Paul ({0}), Dr. Etzel ({1}), Dr. Besold, Böhm, Reitzner, Frau Arnold, Dr. Henle. Entschuldigt sind die Abgeordneten Franke, Tichi, Gockeln, Kemper, Hoecker, Müller ({2}), Harig.
Meine Damen und Herren, ich habe gestern zu meinem Bedauern übersehen, der wieder an der Sitzung des Bundestages teilnehmenden Frau Abgeordneten Thiele zu ihrer Wiedergenesung zu gratulieren. Ich hole das nach.
Herr Abgeordneter Schoettle läßt bitten, zu Beginn der Plenarsitzung bekanntzugeben, daß sich die Mitglieder .des Haushaltsausschusses um 16 Uhr in Zimmer 2, Südflügel, versammeln möchten.
Wir treten ein in die Beratung und beginnen mit der Fortsetzung der Beratung des gestern nicht erledigten Punktes 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Versorgung mit Hausbrandkohle und Nutzholz ({0}).
Zunächst wünscht der Herr Bundesminister für Wirtschaft das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst um Entschuldigung, daß ich gestern nicht anwesend war. Aber ich hatte wegen der neuen Lohnregelung lange mit der Industriegewerkschaft Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung zu verhandeln. Ich darf dazu gleich bemerken, daß nach allgemeiner Auffassung damit gerechnet werden kann, daß es trotz der anstehenden Lohnerhöhungen im Bergbau dennoch möglich ist, eine Lösung zu finden, die eine generelle Erhöhung der Kohlenpreise nicht notwendig macht. Auf jeden Fall aber ist gewährleistet, daß eine Verteuerung der Hausbrandkohle nicht Platz greift.
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Zum andern, meine Damen und Herren, kennen Sie ja die Bestrebungen der Regierung, in den Genuß einer größeren Kohleverfügbarkeit zu gelangen. Es ist eine Note an die Hohe Kommission abgegangen, der sehr viele Besprechungen vorausgegangen sind. In dieser Note wird auf die Unhaltbarkeit der Zustände in bezug auf die deutsche Kohleversorgung im ganzen hingewiesen. Die Bundesregierung hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß, wie groß auch immer der Kohlenmangel innerhalb des deutschen Gesamtbedarfs sein mag, für diesen Winter unter allen Umständen eine bescheidene, aber doch ausreichende Hausbrandversorgung gewährleistet sein muß. Wir sind deshalb in all unseren Besprechungen, in unseren Eingaben und Noten immer davon ausgegangen, daß für diesen Winter pro Haushalt eine Menge von 24 Zentnern Kohle gegeben wird. Allerdings hat diese Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrandkohle dann einen größeren Mangel bei der Versorgung der gewerblichen Wirtschaft zur Folge.
Ich darf hinzufügen, daß bei einer Versorgung mit Hausbrandkohle in dem vorgesehenen Umfang bei Aufrechterhaltung der derzeitigen Beschäftigung allein für das dritte Quartal eine Kohlenlücke von 3 Millionen t entsteht. Die Bundesregierung versucht, dieses Loch dadurch zu schließen, daß einmal eine Verminderung der Kohlenexporte in der Größenordnung von 1 Millionen t pro Quartal erreicht werden soll und daß zum andern durch amerikanische Zulieferungen noch einmal 2 Millionen t gewonnen werden. 1 Million t betrug die Zulieferung von amerikanischer Kohle bereits im zweiten Quartal dieses Jahres. Für das dritte Quartal hoffen wir noch eine Ausweitung vornehmen zu können. In einem kleineren Umfang ist sie uns bereits zugestanden; aber es wird darum noch debattiert und verhandelt werden, damit das ganze Loch von 2 Millionen t ausgefüllt wird.
Ich weiß sehr wohl, daß bei dieser Entscheidung die Frage des Kohlenexportpreises von größter Bedeutung ist. Ich kann Ihnen hier die endgültige Regelung noch gar nicht andeuten, sondern kann Ihnen nur sagen, daß die Bundesregierung grundsätzlich auf dem Standpunkt steht, daß eine Erhöhung des Kohlenexportpreises gefordert und wohl auch genehmigt werden muß.
Die Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrandkohle hat natürlich auch unmittelbare Rückwirkungen auf die Grubenholzversorgung. Mit der Angleichung der Grubenholzpreise an die Faserholzpreise, die mit Wirkung vom 15. Juli in Kraft tritt, geht zugleich auch der Vorgriff auf den Holzeinschlag des Forstwirtschaftsjahres 1951/52 in Höhe von 600 000 Festmetern Hand in Hand. Damit wird die für das Frühjahr 1952 zu erwartende Versorgungslücke ausgefüllt. Die Zellstoffindustrie hat ihrerseits auch die Zusicherung gegeben, und es sind Abmachungen getroffen worden, daß von dieser Seite aus nicht in den Grubenholzbedarf eingebrochen wird. Im ganzen gesehen bleibt allerdings in der Grubenholzversorgung immer noch eine Lücke im Ausmaß von ungefähr 700 000 fm bis zum Ende des Forstwirtschaftsjahres 1952 offen.
Die Kohle hat von den Versorgungsmöglichkeiten durch Einfuhr von Holz im Herbst 1950 keinen Gebrauch gemacht. Es ist heute festzustellen, daß die Möglichkeit der Beschaffung von Grubenholz wohl noch gegeben, von Faserholz dagegen sehr zurückgegangen ist und skeptisch beurteilt wird. Dabei ist weiter zu berücksichtigen, daß das ausländische Grubenholz im Preise etwa doppelt so hoch liegt wie das deutsche. Der deutsche Preis bedeutet
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an Kosten für die Kohle 1,50 DM pro Tonne, einschließlich des benötigten Schnittholzes 1,70 DM pro Tonne. Würden also 200/o des Grubenholzbedarfes eingeführt, so würde das unter Berücksichtigung des wesentlich höheren ausländischen Preises für den Bergbau eine Verteuerung des Grubenholzes von 1,50 auf 1,80 DM zur Folge haben. Der Bergbau steht aber auf dem Standpunkt, daß das erste Problem die quantitative Versorgung ist und daß die Kastenfrage erst an zweiter Stelle zu stehen hat. Hinsichtlich der Größenordnung der heute noch fehlenden Grubenholzmenge kann damit gerechnet werden, daß durch ausländische Zufuhren eine volle Deckung erreicht wird.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Besprechung fort, für die gestern eine Aussprachezeit von 60 Minuten in Aussicht genommen war. Der Antrag war von dem Abgeordneten Fürsten zu Oettingen-Wallerstein begründet worden, und Herr Abgeordneter Dr. Kreyssig hatte bereits dazu gesprochen. Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Zunächst Herr Abgeordneter Willenberg!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die von der Bevölkerung erhobene Forderung auf bessere Versorgung mit Hausbrandkohle ist berechtigt. Selbst mit der Menge, die der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt bekanntgegeben hat - wobei es aber noch zweifelhaft ist, ob sie in den kommenden Monaten auch wirklich geliefert werden kann -, bleibt die Versorgung mit Hausbrandkohle unzureichend. Die Verhältnisse, wie wir sie im vergangenen Winter selbst im Ruhrgebiet erlebten, wo wir, obwohl wir auf der Kohle wohnen, trotzdem nicht oder nur sehr mangelhaft mit Kohle beliefert wurden, dürfen sich nicht wiederholen.
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Eine der Ursachen ist sicherlich die Höhe der Exportquote.
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Wenn dieser Mangel nicht behoben wird, bleibt eben kein anderer Ausweg, als zu erhöhter Kohlenförderung überzugehen.
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- Sie lachen darüber, meine Herren? Ich glaube, Sie haben keinen Anlaß, über dieses hochwichtige wirtschaftliche Problem, das wir im Kohlenbergbau haben und von dem die Bevölkerung und die Bergarbeiter stärkstens betroffen sind, zu lachen!
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Es ist unbedingt notwendig, daß unsere Bergwerke modernisiert werden. Diese Modernisierung ist aber nur dann möglich, wenn wir im Kohlenbergbau eine ausreichende Investierung vornehmen, um ihn in die Lage zu versetzen, genügend Kohle zu fördern. Früher war für die Errichtung eines modernen Bergwerks mit allen seinen Nebenanlagen ein Kostenaufwand von ungefähr 60 Millionen Mark notwendig. Ein solches modernes Bergwerk mit seinen Anlagen kostet zur Zeit etwas mehr als 200 Millionen Mark. Wenn also mehr Kohle gefördert werden soll, dann müssen wir die Werke auch technisch entsprechend ausrüsten.
Die zweite Ursache ist, daß die Lebensverhältnisse der Bergleute nicht so sind, wie sie sein müßten. Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie die Altersversorgung der Bergleute müssen so gestalte sein, daß sie einen Anreiz zur Aufnahme der Grubenarbeit bilden. Ist das nicht der Fall, treten die bekannten Schwierigkeiten auf. Wir haben im Ruhrbergbau in den verflossenen Jahren eine ungeheuer große Zahl von Neubergleuten beschäftigt. Infolge der unglücklichen Verhältnisse im Bergbau, vor allen Dingen auf dem Wohnungsmarkt, haben im letzten Jahr 80 000 Bergleute dem Ruhrbergbau wieder den Rücken gekehrt. Hinzu kommt, daß nach dem Stand vom 15. Mai dieses Jahres noch 35 000 Bergleute in Baracken wohnen mußten. 15% dieser Leute sind verheiratet und haben naturgemäß das Bestreben, ihre Familie ins Ruhrgebiet zu bekommen. Wenn nicht neu gebaut wird, und zwar noch mehr als bisher, besteht die Gefahr, daß die Bergleute wieder weggehen und dort eine Beschäftigung aufnehmen, wo sie auch eine Wohnung finden. Die jungen, unverheirateten Bergleute, die wir ins Ruhrgebiet bekommen, halten dort ein oder zwei Jahre aus. Wenn sie dann aber sehen, daß für sie keine Möglichkeit besteht, eine Wohnung zu bekommen, um heiraten zu können, wandern sie wieder ab. Die Folge davon ist ein großer Mangel an guten Arbeitskräften.
Interessante Zahlen liefert ein Einblick in die Altersgliederung im Ruhrbergbau. Im vergangenen Jahr waren 14,72% der Gesamtzahl der Beschäftigten in einem Alter von 21 bis 25 Jahren, im Alter von 26 bis 30 Jahren waren es 11,12%, im Alter von 31 bis 35 Jahren nur 6,72% und im Alter von 35 bis 40 Jahren 9,62 %. Meine Damen und Herren, was besagen diese Zahlen? Sie besagen, daß die jungen Bergleute infolge der Wohnungsnot abwandern, d. h. dem Bergbau wieder den Rücken kehren und gerade da ausfallen, wo sie am notwendigsten gebraucht werden. Diese Zahlen sollten uns zu denken geben. Wir werden im Ruhrbergbau nur dann mit einer erhöhten Förderung rechnen können, wenn wir diejenigen Altersgruppen beschäftigen, die noch im Vollbesitz ihrer Arbeitskraft sind.
Für Mann und Betrieb müssen daher die Fehlerquellen beseitigt werden. Die viel zu hohe Exportquote muß gesenkt werden, und der Erlös muß vergrößert werden, damit der Bergbau die Mittel bekommt, die ihn noch leistungsfähiger gestalten, und damit auf der andern Seite für die Bergleute Lebensbedingungen geschaffen werden, die ihnen das Leben erträglich machen. Nur wenn wir einen gesunden Stand von Bergleuten bekommen, werden wir in der Lage sein, die Förderung zu steigern und in der Zukunft aus dieser Kohlenmisere glücklich herauszukommen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Wieder einmal wird in diesem Hause über die Versorgung der Bevölkerung mit Hausbrandkohle geredet. Von diesen Debatten sind im vergangenen Winter die Wohnungen, die Schulen, die Krankenhäuser nicht warm geworden, und sie werden auch in Zukunft von diesen Debatten nicht warm werden, wenn man nicht einmal energisch an die Beseitigung der Ursachen der Kohlenknappheit herangeht. Die Ursachen dieser Kohlenknappheit liegen in der Aufrüstungs- und Remilitarisierungspolitik der Regierung Adenauer.
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- Das können Sie nicht bestreiten, meine Herren. Die Zustimmung der großen Mehrheit dieses Hau({1})
ses zu den New Yorker Beschlüssen und zum Schumanplan ist der materielle Beitrag zur Kriegsvorbereitung und ist auch der Grund dafür, daß die Menschen im Lande draußen frieren müssen. 6,3 Millionen t Kohle im Vierteljahr müssen auf Befehl der internationalen Ruhrbehörde ausgeführt werden. Der Bundeswirtschaftsminister Erhard mußte selbst zugeben, daß die amerikanische Kohle zu einem Preise eingeführt wird, der doppelt so hoch ist wie der Preis der Exportkohle, die weit unter dem Weltmarktpreis verkauft wird; und zwar ist diese Differenz so groß, daß für die eingeführte Kohle ein Viertel des Erlöses aus der Kohlenausfuhr verwandt werden muß, um nur dieses Defizit zu decken. Ich denke, das ist ein ausgezeichnetes Geschäft für die amerikanischen Kohlenkönige. Man muß sich fragen - und das Volk hat ein Recht, das zu fragen -, wieso deutsche Vertreter dazu kommen, anstatt Einstellung des Zwangsexportes die Einfuhr .weiterer amerikanischer Kohle zu fordern. Die Bevölkerung hat ein Recht, zu fragen: Was kostet diese 1 Million t Kohle, von der der Wirtschaftsminister hier gesprochen hat?
Unter diesen Umständen ist es sehr eigenartig, daß der Sprecher der SPD-Fraktion gefordert hat - ich habe ihn so verstanden -, zur Deckung des Defizits weitere amerikanische Kohle einzuführen. Die Forderung der DKBL auf Erhöhung der Inlandspreise - angeblich, um die Lohnforderungen damit zu decken - liegt auf der gleichen Linie der Abwälzung aller Lasten auf die Werktätigen. Auch hier sind wir gegenüber der Erklärung, die der Bundeswirtschaftsminister abgegeben hat, sehr skeptisch. Damit soll die gerechte Forderung der Bergarbeiter auf eine Lohnerhöhung von 3 DM pro Schicht und 50 DM Teuerungszulage abgewürgt
werden.
Es ist auch sehr bezeichnend, daß die „Wirtschaftszeitung" vom 17. Januar in einer Notiz sagen muß, daß pro Kopf der Bevölkerung beispielsweise im Januar nur 34 kg Kohle ausgegeben werden konnten, während ein Besatzungsangehöriger 1600 kg erhielt.
Alle diejenigen, die ihre Zustimmung zu den
New Yorker Beschlüssen und dem Schumanplan
gegeben haben, die ihren sogenannten „Sicherheitsbeitrag" anbieten - und das ist die große Mehrheit dieses Hauses -, sollten auch den Mut haben,
vor der ganzen Bevölkerung die Verantwortung
für die sich daraus ergebenden Verschlechterungen
in der Lebenshaltung zu übernehmen, anstatt hier
Reden zu halten, die vom wahren Tatbestand ablenken und die dazu dienen, die Bevölkerung zu
vertrösten. Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister jetzt vor einigen Tagen verkündet hat, daß
keiner mehr frieren solle, so muß ich sagen, daß
wir diese Tonart in früherer Zeit schon einmal gehört haben, und zwar zu einer Zeit, als der Bevölkerung statt Butter Kanonen gegeben wurden.
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Auch damals gab es solche Reden: „Keiner soll hungern, keiner soll frieren!" Wir haben großes Mißtrauen gegenüber solchen Erklärungen, und auch die Bevölkerung hat kein Vertrauen zu diesen Versprechungen, noch dazu, wenn sowohl von seiten der Regierung als auch vom letzten Sprecher hier wiederum gefordert wird, daß diese Versprechungen auf Kosten der Leistung der Bergarbeiter erfüllt werden sollen, wenn wieder einmal die Bergarbeiter angespornt werden sollen, höhere Leistungen dafür zu geben.
Die Forderung der KPD-Fraktion wurde bereits im November vorigen Jahres mit Antrag Drucksache Nr. 1642 dem Hohen Hause vorgelegt. Der einzige Weg, den man beschreiten kann, ist die Einstellung des Zwangsexports. Unsere Forderung - und das ist die Forderung aller Menschen, die erkennen, daß Ihre Versprechungen ihnen keine warme Stube geben - lautet: Keine Tonne Kohle für den Export, bevor nicht der Bedarf der deutschen Wirtschaft und der Haushaltungen an Kohle gedeckt ist!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kreyssig. .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister wegen der Verhandlungen gestern nicht hier sein konnte. Ich glaube aber, er hätte eigentlich doch Zeit finden sollen, von dem Kenntnis zu nehmen, was wir gestern zu dieser Frage gesagt haben, zumal das schon in der Druckfahne vorliegt, und von den Fragen, auf die wir heute mit dem, was Herr Professor Erhard uns gesagt hat, keine Antwort bekommen haben.
Professor Erhard hat' also wiederholt bestätigt, daß die Bundesregierung die Absicht habe, 24 Zentner - an sich eine immerhin recht bescheidene Menge - pro Haushalt zur Verfügung zu stellen. Da wir 14 Millionen Haushalte in der Bundesrepublik zu versorgen haben, gibt das eine Gesamtsumme von 16,8 Millionen t. Es ist weiter gesagt worden, daß die Belieferung bisher mit 2 Zentnern pro Haushalt durchgeführt ist, so daß, wenn man die 1,4 Millionen t, um die es sich dabei handeln würde, abzieht, 15,4 Millionen t geliefert werden müssen, wenn das Versprechen der Bundesregierung, 24 Zentner pro Haushalt zur Verfügung zu stellen, realisiert werden soll.
Wir haben gestern die Frage gestellt, ob dem Bundeswirtschaftsministerium erstens bekannt ist, daß die Kohleversorgung nach langjährigen Erfahrungen normalerweise nicht funktionieren kann, wenn der Kohlenhandel nicht mindestens bis zur Mitte des Jahres mit der Hälfte der benötigten Hausbrandmenge versorgt ist. Daß das nicht der Fall ist, läßt sich nicht bestreiten. Es wäre also interessant, von der Bundesregierung zu hören, was sie nun an besonders dringlichen oder, sagen wir, Sofortmaßnahmen beabsichtigt und ob sie daran gedacht hat, das, was bisher hinsichtlich der Aufstockung bei den Kohlenhändlern versäumt worden ist, nachzuholen.
Die zweite Frage, die ich gestellt habe, ging dahin, ob die Bundesregierung bzw. der Bundeswirtschaftsminister im Hinblick auf die außerordentlich prekäre Situation nicht vielleicht bereit sein würde, zur Sicherung der Hausbrandversorgung einen zusätzlichen Kohlenimport aus Amerika durchzuführen, wobei die Regierung dann allerdings die hohen Preise in irgendeiner Form abfangen müßte, um den Hausbrand nicht zu verteuern. Es hört sich an sich gut an - und wir könnten zufrieden sein, wenn wir nicht auch da schlechte Erfahrungen gemacht hätten -, wenn Professor Erhard uns sagt, daß selbst bei Lohnerhöhung im Bergbau dafür gesorgt werde daß der Hausbrand nicht verteuert wird. Wir haben leider die Erfahrung machen müssen, daß
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auch bei der letzten Erhöhung der Kohlepreise gesagt wurde, der Hausbrand werde davon so gut wie gar nicht berührt. Wir haben in der Praxis feststellen müssen, daß der Preis pro Zentner Kohle, den sich der kleine Mann gelegentlich holt, wenn er dazu einmal das Geld aufbringt, erheblich höher gestiegen war, als alle uns vorgelegten Berechnungen besagten.
Ich würde deshalb von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gern noch hören, welche Maßnahmen er durchführen will, um trotz einer Lohnerhöhung den Hausbrand nicht zu verteuern. Die Frage läuft darauf hinaus, ob Herr Professor Erhard daran denkt, mehrere Preise für Kohle festzusetzen, oder ob er eventuell daran denkt, für den Hausbrand den alten Preis auf dem Wege der Subventionierung zu halten.
Das Wort hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu Verschiedenem Stellung nehmen, was hier von meinen Vorrednern bzw. von meiner Vorrednerin geäußert wurde. Es ist für Deutschland unmöglich, sich in dem vollen Umfang des deutschen Kohlefehlbedarfs von Exporten zu befreien. Deutschland war immer ein traditionelles Kohleausfuhrland, und wir erkennen auch heute durchaus unsere Verpflichtung an, einen möglichen Beitrag zur Versorgung der übrigen europäischen Volkswirtschaften zu leisten. Überdies ist die Kohleausfuhr handelspolitisch für uns von einer so ungeheuren Bedeutung, daß wir eine bestimmte Exportmenge - wobei ich nicht sagen möchte, daß
die von uns angestrebte Menge von 5,2 Millionen t die richtige ist - unter allen Umständen aufrechterhalten müssen. Von diesem Standpunkt aus ist es jedenfalls nicht möglich - und vom politischen Standpunkt aus erscheint es illusorisch, zu glauben -, daß die ganzen fehlenden 3 Millionen t durch Exportverkürzungen gewonnen werden könnten.
Die amerikanische Kohle wird vor allen Dingen durch die hohen Frachtraten und nicht durch den amerikanischen Preis belastet. Der größte Teil dieser Importe wird im Kompensationswege getätigt. Das heißt, es werden deutsche Waren hingegeben, die ihrerseits auch in Amerika einen so hohen Preis erzielen, daß dadurch die eben durch die Frachtrate ausgelöste Verteuerung weitgehend wettgemacht wird.
Ich komme nun zu der Frage von Herrn Dr. Kreyssig. Ich glaube, ich habe mit aller Deutlichkeit gesagt, daß die Hausbrandversorgung in der Größenordnung von 24 Zentnern von uns mit allen Mitteln angestrebt und vertreten wird. Niemand kann gerade mir nachsagen, daß ich in dieser Beziehung in der letzten Zeit nicht mit besonderer Deutlichkeit gesprochen hätte. Jedenfalls ist diese Menge von 24 Zentnern in allen unseren Plänen, in allen unseren Statistiken, die auf deutscher Seite und zusammen mit den Alliierten erörtert werden, eingesetzt. Dabei haben wir selbstverständlich die gleiche Rechnung hinsichtlich der gesamten Mengen angestellt, die dadurch aus der gesamtdeutschen Förderung herausgezogen werden.
Dem Wunsch von Herrn Dr. Kreyssig, hier nun darzulegen, wie die Regelung mit der IG Bergbau oder der Deutschen Kohlenbergbauleitung endgültig aussehen wird, kann ich in dieser Stunde nicht entsprechen. Denn wir sind uns in den Besprechungen gestern darüber einig geworden, daß wir der IG Bergbau zunächst einmal die Möglichkeit geben wollen, den Gegenstand auf der Grundlage zu diskutieren, die sich gestern allmählich aus der Diskussionheraus entwickelt hat, und daß auch die Bundesregierung ihrerseits dazu noch Stellung nehmen muß. Aber ich kann Ihnen mit aller Bestimmtheit versichern, daß eine generelle Kohlepreiserhöhung nicht Platz greift und daß unter gar keinen Um-ständen mit einer Verteuerung der Hausbrandkohle auch nur um einen Pfennig zu rechnen ist.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ein Antrag auf Ausschußüberweisung ist nicht gestellt worden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 2295 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Verkündung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen ({0});
b) Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen ({1}).
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Ich möchte die offenbar geschäftsordnungsmäßig zu erwartenden Bemerkungen vorwegnehmen. Es bestand im Ältestenrat Einmütigkeit darüber, daß ein wesentlicher Teil des Anliegens der Interpellationen durch die Verkündung des Gesetzes erledigt ist. Es bestand nur bei einzelnen Fraktionen der Wunsch, zu dem Sachverhalt in einzelnen Fragen das Wort zu nehmen. Ich darf Ihnen deshalb -den Vorschlag machen, daß wir nicht in eine formelle Begründung, Beantwortung und Beratung der Interpellationen, sondern in eine allgemeine Aussprache über die hierdurch aufgeworfenen Fragen eintreten. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist offenbar der Fall.
Herr Abgeordneter Seuffert wünscht das Wort zu nehmen. Ich darf annehmen, daß sich die Besprechungszeit auf die an sich vorgesehenen 40 Minuten begrenzt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz, das in der Interpellation genannt ist, ist in der Tat inzwischen nach einer dreimonatigen Verzögerung verkündet worden. Damit können die materiellen Gründe, die zu der Verzögerung geführt haben und die in der Interpellation der Fraktion der Freien Demokratischen Partei angeschnitten sind, als zur Zeit nicht mehr zur Diskussion stehend betrachtet werden. Der ganze Vorgang hat aber doch einige verfassungsrechtliche Fragen aufgeworfen, die wir der Beachtung des Parlaments und der Öffentlichkeit unterbreiten müssen. Ich habe nicht vor, Ihnen eine staatsrechtliche Vorlesung über diese Fragen
6030 Deutscher ,Bundestag -
Seuffert)
fier zu halten - so gern ich das täte, weil es mir Spaß machen würde -, sondern ich möchte diese Fragen bezeichnen und auch die Regierung bitten, so klar, wie ich mich bemühen werde, diese Fragen zu stellen, eine Antwort darauf zu geben.
Im Art. 82 des Grundgesetzes steht, daß ein vom Bundestag und Bundesrat beschlossenes Gesetz zu verkünden ist, und es ist ein allgemein anerkannter Satz im Staatsrecht, daß im Verkündungsverfahren nichts anderes mehr zu prüfen ist als: ob ein formal ordnungsmäßig beschlossenes Gesetz vorliegt. Irgendwelche materiellen Erwägungen haben im Verkündungsverfahren nicht stattzufinden.
Die Bundesregierung hat sich bei ihrem Verfahren offenbar - das ist aus verschiedenen Außerungen klargeworden - auf den Art. 113 des Grundgesetzes .stützen wollen, welcher besagt, daß Beschlüsse des Bundestags und des Bundesrats, die die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplans erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen oder für die Zukunft mit sich bringen, der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen.
Erste Frage: Ist dieser Art. 113 denn überhaupt auf Gesetzesbeschlüsse anwendbar? Der Art. 113 steht nicht in dem Abschnitt über die Gesetzgebung, sondern er steht in dem Abschnitt über das Finanzwesen, und zwar speziell unter denjenigen Artikeln, die sich auf das Zustandekommen und die Bedeutung des Haushaltsplans beziehen. Wenn für Gesetzesbeschlüsse etwas Derartiges wie eine Zustimmung der Bundesregierung vorgesehen wäre, so wäre das eine Mitwirkung der Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren, und sie hätte dort vorgesehen sein müssen; und sie ist dort nicht vorgesehen. Das ist die erste Frage.
Wir müssen, glaube ich, der Ansicht sein, daß dieser Art. 113 sich auf das Zustandekommen des Haushaltsgesetzes bezieht, wie sich ja auch daraus ergibt, daß er von den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben spricht und von Beschlüssen, die sich auf Solche Ausgaben beziehen. Ich glaube, daß deswegen zu Recht in verschiedenen Ausgaben dieser Artikel mit der Überschrift versehen worden ist: „Bundesratsbeschlüsse bezüglich ,des Etats". Wenn die Bundesregierung den Art. 113 auf Gesetzesbeschlüsse Anwendung finden lassen wollte, so wäre die weitere Frage zu stellen, wie sie dann überhaupt das Anwendungsgebiet des Art. 113 abgrenzen will. Praktisch und tatsächlich ist ja keinerlei Gesetz denkbar, das nicht in irgendeiner Weise Folgerungen bezüglich der Ausgaben des Bundes mit sich bringt oder mit sich bringen kann, und eine derartige Auslegung würde tatsächlich eine unbeschränkte Mitwirkung der Bundesregierung bei der Gesetzgebung bedeuten, die in unserem Grundgesetz nicht vorgesehen ist und nach allen Auffassungen über parlamentarische Demokratie nicht stattfinden kann. Wenn man, wie es richtiger sein sollte, den Art. 113 auf das Zustandekommen des Haushaltsplans und auf Beschlüsse zum Haushaltsplan beschränkt - denn es gibt auch andere Sondervorschriften für das Haushaltsgesetz, z. B. daß es sich nur auf ein Jahr beziehen kann und andere mehr -, wenn man es darauf beschränkt, so ist wohl eine weitere Frage zu stellen, die gerade für den hier vorliegenden Fall von Bedeutung ist, nämlich: ergibt sich noch ein Anwendungsgebiet, und welches wäre es, wenn
überhaupt kein vorgeschlagener Haushaltsplan vorliegt und wenn gar kein Vorschlag bezüglich der Ausgaben seitens der Bundesregierung vorliegt? Für den hier in Frage kommenden Zeitraum, denn das Gesetz soll am 1. April 1951 in Kraft treten und deswegen erst im Rechnungsjahr 1951/52 wirksam werden, lagen und liegen solche Vorschläge der Bundesregierung nicht vor.
Eine dritte Frage ist folgende: Wenn schon ein Zustimmungsrecht der Bundesregierung in dem einen oder andern Umfange gegeben ist, - unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form muß dieses Zustimmungsrecht ausgeübt werden? Muß die Bundesregierung, wenn solche Beschlüsse vorliegen, sofort oder wenigstens unverzüglich erklären, ob sie zustimmt oder nicht, oder kann sie, wie es in diesem Falle geschehen ist, Monate oder noch länger warten; bis sie sich entschließt? Die Interpellation der Freien Demokratischen Partei, welche meines Erachtens zu Unrecht zu unterstellen scheint, daß an und für sich ein Anwendungsfall des Art. 113 hier gegeben wäre, weist auf diesen Punkt jedenfalls mit Recht ebenfalls hin, indem sie feststellt, daß von einem eventuell gegebenen Zustimmungsrecht oder einem Recht, die Zustimmung zu verweigern, die Bundesregierung jedenfalls keinen Gebrauch gemacht hat. Und hei weitester Auslegung des Art. 113 kann es denn doch nicht stattfinden, daß Beschlüsse und insbesondere Gesetzesbeschlüsse monatelang, oder ich weiß nicht, wie lange noch, in der Schwebe bleiben können, ohne daß die Bundesregierung überhaupt Stellung nimmt.
Das sind die Fragen, die wir der Bundesregierung und dem Parlament vorlegen möchten, und ich schließe mich durchaus der Bemerkung der Interpellation der Freien Demokratischen Partei an, nämlich daß die Frage einer klaren Handhabung dieser Bestimmung für das Ansehen unserer parlamentarischen Arbeit außerordentlich wichtig ist und daß es nicht angehen kann, durch einfache unmotivierte Verzögerung von Gesetzesverkündungen unsere parlamentarische Arbeit hier nicht nur zu erschweren, sondern auch zu diskreditieren.
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Wortmeldungen liegen nicht vor. Wünscht der Herr Bundesminister der Justiz, das Wort zu nehmen? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich an sich um die Domäne meines Herrn Kollegen Schäffer, Fund ich will mir keine Rechte usurpieren, will besonders seine Rechte nicht beschneiden.
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- Ach so, um Gottes willen! Ich nehme an, Herr Kollege Schäffer wird dann selbst zu der Frage der Auslegung des Art. 113 Stellung nehmen.
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Meine Damen und Herren, ich glaube, das Haus. kann sich an der Konzilianz der Herren Minister untereinander durchaus ein Beispiel nehmen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war mir leider unmöglich, früher in diesem Hause zu erscheinen, weil ich einer gemeinsamen Sitzung der sogenannten Sozialpartner beiwohnen mußte, und es hat mir leid getan, mich dort entfernen zu müssen.
Zur Aussprache steht die Interpellation betreffend Verkündung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen. Der materielle Gegenstand der Interpellation dürfte beseitigt sein, da das Gesetz inzwischen verkündet worden ist. Die Bundesregierung hat Überlegungen angestellt, ob zu diesem Gesetz die Zustimmung nach Art. 113 des Grundgesetzes notwendig ist und ob sie diese Zustimmung erteilen kann. Sie muß ja spätestens im Augenblick der Verkündung die Zustimmung erteilen. Sie ist sich über die Frage in dem Augenblick klargeworden, dem die Aufstellung des Haushaltsplans des nächsten Jahres einigermaßen zu übersehen war, hat die Zustimmung erteilt und das Gesetz verkündet.
Wir unterhalten uns also jetzt über die rein theoretische, in diesem Falle aber gar nicht mehr praktische Frage, ob Art. 113 sich auch auf Initiativgesetze - das ist wohl die Frage - des Bundestages bezieht oder ob er sich nur auf Anträge und Beschlüsse bezieht. Ich bitte, nun doch die Verfassung in ihrem Zusammenhang zu lesen. Die Verfassung in ihrem Zusammenhang stellt in Art. 110 zunächst einmal den Grundsatz auf, daß der Haushaltsplan als Regel vor Beginn des Rechnungsjahres durch Gesetz festzustellen und in Einnahme und Ausgabe auszugleichen ist. In Art. 112 bestimmt die Verfassung, daß Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßige Ausgaben der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen bedürfen. Das gilt schlechthin für sämtliche Haushaltsüberschreitungen und sämtliche außerplanmäßigen Ausgaben, ohne daß ein Vorbehalt gemacht ist. Ich mache das Haus darauf aufmerksam. Also der Grund, worauf und aus dem heraus außerplanmäßige Ausgaben oder Haushaltsüberschreitungen gemacht werden sollen, spielt nach dem Wortlaut des Art. 112 gar keine Rolle.
Der Art. 113 setzt außerdem - daneben! - fest, daß Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates, welche die von der Regierung vorgechlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben in sich schließen, der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen. Aus dem Zusammenhang ergibt sich folgendes: Der Gesetzgeber des Grundgesetzes wollte aus den Erfahrungen der Jahre 1923 und 1948 heraus der Bundesregierung und dem Bundesminister der Finanzen eine ganz besondere Verantwortung auferlegen, die Verantwortung, unter allen Umständen eine neue Inflation zu vermeiden. Deswegen hat er die persönliche Verantwortung des Finanzministers in Art. 112 des Grundgesetzes festgelegt, daß er darüber wachen muß, daß der Haushalt eingehalten wird und außerplanmäßige Ausgaben und Haushaltsüberschreitungen nur mit seiner Zustimmung, d. h. mit seiner höchstpersönlichen Verantwortung vorgenommen werden können.
({0})
- Nein, das hängt innerlich damit zusammen. Der
Gesetzgeber hat in Abs. 2 auch vorgesehen, daß
diese Zustimmung nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden kann.
Meine Damen und Herren! Es wäre möglich, daß durch ein Initiativgesetz, das letzten Endes rein theoretisch alle Formen in sich fassen kann, die Bundesregierung auch einmal zu einer außerplanmäßigen Ausgabe oder zu einer Haushaltsüberschreitung gezwungen werden soll. In diesem Falle - ohne jeden Vorbehalt - wäre der Art 112 des Grundgesetzes doch anwendbar. Wenn der Finanzminister durch eine Zustimmung oder ein Übersehen die Gefährdung der Abgleichung des Etats duldet, ist es seine politische Verantwortung, geht es auf seine persönliche Verantwortung und könnte unter Umständen sogar später einmal, wenn sich schlimme Folgen zeigen, Gegenstand einer Ministeranklage sein.
Der Art. 113 des Grundgesetzes umfaßt ebenso sämtliche Beschlüsse des Bundetages und des Bundesrates. Diese Art. 110, 112 und 113 zusammen mit den anderen Art. 114 und 115 umfassen e i n Gebiet, nämlich die Sicherung des deutschen Volkes gegen neue Gefahren einer Inflation dadurch, daß eine Fehlbetragswirtschaft - gleichgültig durch wen - eingeleitet wird, und stehen deshalb hier in diesem Abschnitt in. der Regelung der Finanzpolitik und in der Gewährleistung einer gesunden Finanzpolitik. Die Frage kann ja einmal der Verfassungsgerichtshof entscheiden; durch Beschlüsse einer Regierung und des Parlaments lassen sich Verfassungsfragen nicht endgültig entcheiden.
Ich muß für meine Person sagen: Ich lege den Art. 113 des Grundgesetzes im ganzen Zusammenhang dahin aus, daß er sämtliche Beschlüsse des Bundestages und des Bundesrates umfaßt, die, wie es hier vorgesehen ist, Haushaltsziffern betreffen. aber diese Haushaltsziffern erhöhen oder sonstwie neue Ausgaben für die Zukunft in sich schließen. Wenn für die Gegenwart außerhalb des Haushalts Ausgaben erzwungen werden sollen, ist meiner Überzeugung nach Art. 112 Grundgesetz einschlägig, und zwar auch gleichgültig, ob diese Ausgaben auf Grund Gesetzes oder auf Grund eines einfachen parlamentarischen Beschlusses erzwungen werden sollen. Das ist meine persönliche Rechtsauffassung.
({1})
Herr Abgeordneter Seuffert, bitte!
Seuffert ({0}).: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, .daß der Herr Bundesfinanzminister meine Ausführungen vorhin nicht anhören konnte. Sonst hätte er wohl erkennen können, 'daß der von ihm vertretenen Auffassung, ich Taube, recht gewichtige Argumente entgegenstehen, und zwar Argumente, die der Linie, die er verfolgt hat, entgegenstehen. Ich will diese Argumente hier nicht wiederholen, sondern ich beantrage, den Gegenstand der Interpellation zur weiteren Behandlung dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu 'überweisen.
Meine Damen und Herren! Der Gegenstand der Interpellation kann an sich nach der Geschäftsordnung nicht überwiesen werden. Es können Interpellationen zur Prüfung dazu gestellter Anträge einem Ausschuß überwiesen
({0})
werden. Wir sind allerdings gelegentlich so verfahren, daß wir Interpellationen überwiesen haben. Wenn also der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht glaubt, auf diese Weise weiterkommen zu können, - ({1})
- Meine Damen und Herren, sollte es nicht möglich sein, diese an sich ja staatsrechtliche Frage durch Erörterungen in den Sachverständigengremien weiter zu klären, ohne daß wir dazu eine Überweisung vornehmen?
({2})
- Es ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht gestellt. Ich bitte die- Damen und Herren, die der Überweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({3})
- Nein, meine Damen und Herren, der Vorstand ist einmütig der Auffassung, daß das erste die Mehrheit war. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ({4}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 150 Minuten vor.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Dr. Höpker-Aschoff, bitte!
Dr. Dr. Höpker-Aschoff ({5}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Das Problem, das mit dem von meiner Fraktion eingereichten Antrag angeschnitten wird, ist ein uraltes Problem. Es wird im allgemeinen bekannt sein, daß in der Zeit vor 1914 die Steuern des alten Reiches nicht durch eine eigene Reichsfinanzverwaltung eingehoben wurden, sondern durch die Gliedstaaten im Auftrage des Reiches, daß aber diese Verwaltungsarbeit der damaligen Gliedstaaten durch Kontrolleure des Reiches überwacht werden konnte. Meine Damen und Herren, es sind schon damals, vor 1914, sehr lebhaft Klagen darüber geführt worden, daß diese Verwaltung der Steuern des Reiches durch die Gliedstaaten im Auftrage und für Rechnung des Reiches sehr unregelmäßige Ergebnisse hätte. Es ergab sich, daß in den Ländern von gleicher Steuerkraft das Aufkommen durchaus verschieden war. Diese Klagen verschärften sich, als dann im Jahre 1913 nach der Ausschreibung des Wehrbeitrages und der sogenannten Besitzsteuer auch diese Steuern im Auftrage des Reiches durch die Verwaltung der Gliedstaaten eingehoben wurden. Das Ergebnis war in den einzelnen Gliedstaaten so verschieden, daß auf irgendeine Weise Abhilfe geschaffen werden mußte. Es ist dann, noch während des ersten Weltkrieges, ein Reichsgesetz vom 26. Juli 1918 über die Einrichtung eines Reichsfinanzhofes und die Reichsaufsicht über Steuern und Zölle ergangen, ohne daß diese Gesetzgebung einen sichtbaren Erfolg gezeitigt hätte.
Durch diese Erfahrungen gewitzigt haben dann die Gesetzgeber der Weimarer Verfassung die Verwaltung der Zölle und Verbrauchsteuern durch den Art. 83 der Weimarer Verfassung einer Reichsfinanzverwaltung übertragen. Diese Einrichtung einer Reichsfinanzverwaltung wurde dann alsbald durch ein Gesetz auf Grund des Art. 14 der Weimarer Verfassung auch auf die direkten Steuern ausgedehnt, so daß damals in der Weimarer Zeit alle wesentlichen Steuern, die das Reich ganz oder zum Teil für sich in Anspruch nahm, durch eine reichseigene Verwaltung eingehoben wurden.
Meine Damen und Herren! Ich darf in diesem Zusammenhang an die Begründung erinnern, die der damalige Reichsfinanzminister Erzberger bei der Einbringung des Gesetzentwurfs über die Reichsfinanzverwaltung in der Nationalversammlung am 12. August 1919 abgab. Sie lautete so:
Jetzt ist aber bei dem hohen Maß von Steuern,
das wir ausschöpfen müssen, gleichmäßige Veranlagung durch ganz Deutschland erste Voraussetzung. Gleichmäßige Veranlagung kann
nur erfolgen, wenn wir eine in einheitlichem
Geist geschulte und erzogene Beamtenschaft
haben, wenn man unmittelbaren Einfluß auf
die Beamten selbst besitzt.
Man könnte vielleicht sagen: durch einheitliche Grundsätze und scharfe Kontrolle kann dasselbe erreicht werden. Das ist ein Vorschlag, der mir auch gemacht worden ist. Das ist aber ein Irrtum. Die Vergangenheit hat bewiesen, daß die Reichsverwaltung einheitliche Grundsätze auf dem Papier wohl erlassen kann; aber wenn 25 verschiedene Verwaltungen zur Durchführung dieser einheitlichen Grundsätze herangezogen werden, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn die Auslegung dieser Grundsätze 25mal verschieden ist.
({6})
Was mußte das' Reich denn daneben schaffen? Es mußte eine große Zahl von Reichskontrolleuren aufgestellt werden. Das wäre für die einzelnen Staaten unerträglich.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese Grundsätze noch heute ihre Bedeutung haben. Bei der Beratung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat trat dann das Problem von neuem an uns heran. Im Herrenchiemseer Konvent, in dem doch ganz gewiß der Föderalismus gut vertreten war - denn die Mitglieder dieses sogenannten Konvents waren ja von den Ministerpräsidenten berufen worden -, war nicht etwa eine einheitliche Auffassung vertreten, sondern es wurden damals drei Varianten vorgeschlagen: eine Landesfinanzverwaltung, eine Finanzverwaltung im Auftrage des Bundes oder eine Bundesfinanzverwaltung.
Meine Damen und Herren! Die Ausschüsse des Parlamentarischen Rates, zunächst der Finanzausschuß und der Hauptausschuß, entschieden sich damals für eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung, und zwar nachdem sie zuvor eine große Reihe von Sachverständigen gehört hatten. Wir haben damals - ich 'erinnere die Mitglieder des Hauses, die an diesen Beratungen teilgenommen haben, daran - Sachverständige aus Kreisen der Wirtschaft, Vertreter des Industrie- und Handelstages, Vertreter der Gewerkschaften, Vertreter der kommunalen Spitzenverbände gehört. Dazu haben wir einige Oberfinanzpräsidenten und einige Finanzminister der Länder gehört. Von den Finanzministern einmal abgesehen, war das einhellige Urteil aller Sachverständigen, die wir damals gehört haben, daß die einheitliche Bundesfinanzverwaltung eine strenge Notwendigkeit sei.
({7})
({8})
Die Landesfinanzminister, die wir damals gehört haben - es waren das Herr Minister Dr. Weitz aus Nordrhein-Westfalen, ,der Finanzsenator Dr. Dudek aus Hamburg, Finanzminister Dr. Hoffmann aus Rheinland-Pfalz -, vertraten denselben Standpunkt, nämlich daß eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung eine unbedingte Notwendigkeit sei. Der damalige niedersächsische Finanzminister Strickrodt schwankte in seinem Urteil. Von den befragten Landesfinanzministern setzte stich nur der bayerische Finanzminister Dr. Kraus für eine Landesfinanzverwaltung ein.
Meine Damen und Herren, auch das Kompromiß, das damals im Parlamentarischen Rat zwischen der CDU/CSU, der SPD und der FDP abgeschlossen wurde, um eine möglichst schnelle und einheitliche Verabschiedung des Grundgesetzes zu gewährleisten, schloß diese einheitliche Bundesfinanzverwaltung ein. Diese einheitliche Bundesfinanzverwaltung wäre damals ein Bestandteil des Grundgesetzes geworden, wenn nicht aus dem Raume der Besatzungsmächte der Widerstand gekommen wäre.
({9})
Ich erinnere die Herren, die damals an den Beratungen des sogenannten Fünferausschusses mit den Verbindungsstäben teilgenommen haben, an eine mir unvergeßliche Episode. Als wir mit den Verbindungsstäben verhandelten und nun aus unserem Kreise heraus die Frage aufgeworfen wurde, was denn geschehen solle, wenn Reichssteuern durch die Länder verwaltet werden, und wer die Gewähr dafür gebe, daß dann der Bund zu den seinigen komme, da erhielten wir von dem Vorsitzenden des Verbindungsstabes - ich glaube, es I war damals ein Franzose am Turnus - die Antwort: Die Gewähr dafür geben die Besatzungsmächte.
({10})
Nun, meine Damen und Herren, ich erinnere mich mit - besonderer Freude dessen, was damals der Kollege Schmid darauf erwiderte. Er sagte, nämlich, die Herren der Verbindungsstäbe würden begreifen, daß es uns kein Vergnügen mache, ein Grundgesetz zu verabschieden, dessen Durchführung von dem Eingreifen der Besatzungsmächte abhängig sei.
({11})
So damals! Aber wir müssen uns doch darüber klar sein, daß diese Einwendungen, die sich dann auf der Frankfurter Ebene bei den Verhandlungen mit den Gouverneuren wiederholten, aus dem politischen Raum kamen. Denn das war doch eben das Elend der damaligen Situation, daß bei den Besatzungsmächten die Besorgnis vor einem starken Bund alles überwog und infolgedessen der Föderalismus innerhalb ,des Grundgesetzes eine so starke Geltung bekam, daß heute die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik - ich glaube, das kann man wohl aussprechen - nicht nur auf diesem Gebiete immer wieder in Frage gestellt ist.
({12})
Meine Damen und Herren, der Parlamentarische Rat mußte sich damals fügen, wenn er die Verabschiedung des Grundgesetzes nicht überhaupt in Frage stellen wollte, und er mußte in den sauren Apfel einer geteilten Finanzverwaltung beißen. So wurde dann der Art. 108 in seiner heutigen Form geschaffen. Dabei ergab sich ein ganz böses Dilemma. Geteilte Finanzverwaltung war aus praktischen Gründen nur in der Form möglich, wenn
man bei uns nicht alles zerstören wollte, daß auf der einen Seite die Verwaltung der Zölle und Verbrauchsteuern Bundesfinanzverwaltung und daß auf der anderen Seite .die Besitz- und Verkehrsteuerverwaltung Landesfinanzverwaltung wurde. Aber diese Aufteilung entsprach ja nicht der Aufteilung der Steuern selber. Infolgedessen mußten dann in den Art. 108 einige Aushilfen eingebaut werden, Auftragsverwaltung und dergleichen, und wir haben dann weitere Aushilfen in das Gesetz über die Ordnung der Finanzverwaltung vom 6. September 1950 einbauen müssen.
Meine Damen und Herren, niemand wird mit Vergnügen von der krausen Regelung, die dieses Gesetz über die Finanzverwaltung uns gebracht hat, Kenntnis nehmen. Ich erwähne insbesondere die Verwaltung der Umsatzsteuer und Beförderungsteuer durch die Oberfinanzdirektionen unmittelbar, die Einschaltung der Finanzämter als Hilfsorgane der Oberfinanzdirektionen. Ich sage, niemand wird von dieser krausen Regelung dieses Gesetzes mit Befriedigung Kenntnis nehmen.
Wie haben sich die Dinge nun weiter entwickelt? Es häufen sich die Klagen, daß die Länder die Einkommen- und Körperschaftsteuer keineswegs nach einheitlichen Gesichtspunkten verwalten.
({13})
Die einen packen schärfer zu, die anderen lassen Milde walten. Die Veranlagung wird vielfach - ich vermeide es, hier Beispiele anzuführen, denn nomina sunt odiosa - in den Dienst der Landeswirtschaft gestellt. Man versucht in manchen Ländern, neue Unternehmungen in das Land hineinzuziehen, indem man ihnen Steuervergünstigung durch Stundungen, Erlaß und Erstattungen gewährt. Da aber das Aufkommen der Einkommenund Körperschaftsteuer auch bei der Durchführung des horizontalen Finanzausgleichs als Bemessungsgrundlage dient, wird hierdurch natürlich auch der Finanzausgleich zwischen starken und schwachen Ländern verfälscht.
Es herrscht endlich Einmütigkeit darüber, daß eine gleichmäßige und straffe Durchführung der Veranlagung ein viel höheres Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer ergeben würde.
({14})
Es sind in dieser Beziehung sehr hohe Zahlen genannt worden, die sich nicht ohne weiteres bis zum letzten nachprüfen lassen. Wenn uns aber die Sachverständigen des Bundesfinanzministeriums als ihre Überzeugung sagen, daß bei einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung ein Mehr von einer Milliarde im Jahr bei sorgfältiger und gleichmäßiger Veranlagung herausgeholt werden könnte, so ist das eine Aussage, an der wir schlechthin nicht vorbeigehen können,
({15})
zumal in einer Zeit, in der wir gezwungen sind, den Steuerzahlern immer wieder neue Steuerlasten aufzupacken.
({16})
Nun hat uns inzwischen der Herr Bundesfinanzminister einen Gesetzentwurf vorgelegt, der auf dem Gebiete der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Einflußmöglichkeiten des Bundesfinanzministers auf die Veranlagung und Verwaltung der Einkommen- und Körperschaftsteuer verstärkt. Ich erinnere die Damen und Herren, die vorgestern an unseren Beratungen im Finanz- und Steueraus({17})
schuß über diesen Gesetzentwurf teilgenommen haben, an den Verlauf dieser Sitzung. Keiner wird mit Befriedigung an diese Beratung zurückdenken. Wir haben uns unsägliche Mühe gegeben, dem Herrn Bundesfinanzminister weiterzuhelfen, die Bestimmungen dieses neuen Gesetzentwurfs notdürftig mit der Verfassung in Einklang zu bringen. Ich glaube aber - ich darf alle Mitglieder des Ausschusses einschließen, vielleicht mit Ausnahme des Kollegen Besold -, daß wir alle im Finanz- und Steuerausschuß der Meinung waren, daß das, was mit diesem Gesetzentwurf an Verschärfung der Veranlagung durch eine straffere Aufsicht durch den Bundesfinanzminister versucht wird, doch ein unzulänglicher Versuch ist, der nicht zu einem Ziel führen wird.
({18})
Daher kann' die Verabschiedung dieses Gesetzes, wenn das Plenum den Beschlüssen des Finanz- und Steuerausschusses beitreten sollte, bestenfalls nur als eine Abschlagszahlung betrachtet werden.
Meine Damen und Herren, ich darf hier noch einmal zu einem Zitat greifen. Ich denke an einen der besten Vertreter der deutschen Finanzwissenschaft überhaupt, den Herrn Professor Dr. Gerloff, der sich bereits im Jahre 1947 mit überzeugenden Gründen für eine Bundesfinanzverwaltung ausgesprochen hat. Er meint, man könne natürlich erwägen, die Veranlagung und Erhebung der Steuer wieder in die Hände der alten Staaten zu legen. Die Gleichmäßigkeit der Steuerbewirtschaf tung, der Intensität in der Durchführung der Steuergesetze, insbesondere der Verwaltung der Steuern würde jedoch damit - das sei eine Erfahrung aus der partikularen Steuerverwaltung - preisgegeben werden. Er sagt dann weiter:
Ein ausgezeichneter Kenner der deutschen Finanzverwaltung, der ehemalige württembergische Finanzminister Pistorius, hat darauf hingewiesen, daß unter den verschiedenen deutschen Steuerverwaltungen in Bezirken, die gemäß ihrer wirtschaftlichen Struktur gut miteinander vergleichbar seien, ganz verschiedene Steuererträge erwirtschaftet wurden. Ein Bundesstaat mit erträglichen Finanzverhältnissen kann sich das leisten; aber in- unserer Lage würde ein solcher Zustand finanziell, ökonomisch und sozial gleichermaßen unerwünscht, ja unerträglich sein.
({19}) '
Meine Damen und Herren, es ist eben nicht richtig, daß schon einheitliche Gesetze und Durchführungsverordnungen eine gleichmäßige und gerechte Durchführung der Steuergesetze verbürgen. Ausführungsanweisungen, Einzelanweisungen des Finanzministers, eine immer wieder gleichmäßig geübte Verwaltungspraxis, die nur in einem einheitlichen Beamtenkörper möglich ist und gleichmäßige Laufbahnrichtlinien, gleichmäßige Schulung und Fortbildung voraussetzt, spielen eine entscheidende Rolle. Es ist schließlich auch für die Wirtschaft nicht gleichgültig, ob sie mit einer Finanzverwaltung oder mit elf Finanzverwaltungen zu tun hat, mit Veranlagungsrichtlinien und Veranlagungsformularen, die von elf für diejenigen Unternehmungen nicht gleichgültig, die, wie es heute ja an der Tagesordnung ist, Betriebsstätten in verschiedenen Ländern haben, ob sie sich dann den Weg durch das Gestrüpp der verschiedenen . Veranlagungsrichtlinien und Vordrucke bahnen müssen. Vergessen Sie auch eins nicht: Vor uns steht die
Veranlagung des Lastenausgleichs, also eines Gesetzes, das die Verwaltung vor die allerschwierigsten Aufgaben stellen wird, weil hier ja nicht nur die Veranlagung, sondern auch die Ermittlung der Schäden eine außerordentliche Rolle spielen wird. Bei einem solchen Gesetz wird und muß also eine nicht gleichmäßige und ungerechte Durchführung Erbitterung hervorrufen.
({20})
Wer kann das Wagnis unternehmen, eine solche Veranlagung elf verschiedenen Landesfinanzverwaltungen anzuvertrauen?
({21})
Wir haben auch heute morgen im Ausschuß wieder diese Frage streifen müssen, als es sich in gemeinsamer Verhandlung mit Mitgliedern des Bundesrats um die Ausführung des Gesetzes zu Art. 106 Abs. 3 handelte. Man führte dabei mit Recht aus, daß vielleicht einmal ein anderer Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern in Ausführung des Art. 107 notwendig sei, aber man war sich darüber im klaren, daß das, was man möchte, also etwa eine Aufteilung nicht nur der Einkommen- und Körperschaftsteuer, sondern auch der Umsatzsteuer auf Bund und Länder immer nur dann durchführbar sein würde, wenn alle diese Steuern durch eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung verwaltet werden.
Man frage einmal, wie die Praktiker darüber denken! Ich habe vor Wochen Gelegenheit gehabt, in der neu eingerichteten Finanzschule in Siegburg zwei Vorlesungen zu halten, einmal im Kreise der Oberfinanzpräsidenten, ihrer Abteilungsleiter und der Beamten der Ministerien, das zweite Mal im Kreise einer Gruppe von Finanzamtvorstehern. Natürlich habe ich auch dieses Problem berührt, und als ich dabei als mein Werturteil zu erkennen gab, daß ich ein Anhänger der einheitlichen Bundesfinanzverwaltung sei, erntete ich stürmischen „spontanen" Beifall in diesem Fall.
({22})
Da war keiner von den Praktikern, der nicht auf meinem Standpunkt gestanden hätte; und das Gespräch hinterher bei einer Tasse Kaffee ergab dann, daß auch die beiden anwesenden Oberfinanzpräsidenten aus Bayern wohl dieser Meinung waren,
({23})
aber doch glaubten, sich aus einer gewissen landsmannschaftlichen Verbundenheit gegenüber der bayerischen Regierung eine gewisse Zurückhaltung auferlegen zu müssen.
({24})
Was ist es denn nun letzten Endes? Die Föderalisten verdammen die Bundesfinanzverwaltung als
einen Eingriff in die föderale Struktur des Bundes.
In jedem föderalen Staat, wie auch unserer einer
ist, werden doch ohne alle Zweifel bestimmte Befugnisse der Exekutive unter allen Umständen dem
Bunde übertragen werden müssen. Ich meine
immer, ich möchte nicht in der Lage der Föderalisten sein, die hier eine Position wie ein föderales
Heiligtum verteidigen, die nicht von einem deutschen Parlament aus freiem Willen und innerer
Überzeugung geschaffen worden ist, sondern uns
von den Besatzungsmächten aufgezwungen wurde,
({25})
und zwar zu einer Zeit, als man bei den Besatzungsmächten noch nicht daran dachte, Deutschland als
freien Partner einer gemeinsamen Verteidigungs({26})
front anzusehen, sondern als den besiegten Gegner,
den man nach Möglichkeit kraftlos halten müsse.
({27}) So ist die Geschichte doch historisch zu erklären.
({28})
Wie ist die Stimmung in den Ländern? Ich habe neulich mit einem Oberfinanzpräsidenten, dessen Namen ich auch wieder nicht nennen will, eine interessante Unterredung gehabt. Er versicherte mir aber, wenn die Möglichkeit einer freiwilligen Übertragung der Landesfinanzverwaltung auf den Bund bestehen würde, würden nach seiner Überzeugung 8 Länder dieser Übertragung zustimmen.
({29}) Das ist doch eigentlich ein Zeugnis dafür, daß auch in Kreisen der Länder und der Landesfinanzminister die Überzeugung wächst, daß der heutige Zustand nicht aufrechterhalten werden kann und daß eine Bundesfinanzverwaltung auch für die Länder ihre Vorteile haben würde, weil eine gleichmäßige, gerechte und straffe Verwaltung im Interesse aller Länder läge,
, ({30}) weil sie vor allen Dingen nicht dahin führen würde, daß die Länder, die auf diesem Gebiete am besten ihre Pflicht erfüllen, dafür auf dem Wege über den horizontalen Finanzausgleich Ausgleichsleistungen an andere Länder zahlen müssen, die es vielleicht mit ihrer Pflicht nicht so ernst nehmen.
({31})
Wer den berechtigten Föderalismus erhalten will
({32})
- und der Sinn des berechtigten Föderalismus liegt nach Meinung meiner Freunde in einer guten Selbstverwaltung bei den Gemeinden, Gemeindeverbänden, aber auch in den Ländern -, wer einen solchen gesunden Föderalismus aufrechterhalten will, der sollte nicht unhaltbar gewordene Positionen zu verteidigen suchen, er muß sie rechtzeitig räumen,
({33})
um so mehr, wenn diese Position nicht von uns in freier Entschließung aufgebaut, sondern uns von den Besatzungsmächten aufgezwungen worden ist. Es gibt ein schönes altes lateinisches Wort: „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus autem caritas." Zu den notwendigen Dingen, in denen Einigkeit herrschen muß, gehört nach unserem Dafürhalten die Bundesfinanzverwaltung an erster Stelle. Ich glaube, es wäre Zeit zu handeln, und ich hoffe, daß der Bundestag so handeln wird, daß er den Antrag meiner politischen Freunde billigt.
({34})
Herr Abgeordneter Kohl beanstandet das lateinische Zitat. Mich wundert das, da Stuttgart innerhalb des Limes liegt.
({0})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst für meine Person zu dem Antrag Stellung nehmen. Ich bemerke dabei, daß meine Person nicht nur derzeitiger Bundesminister der Finanzen, sondern insbesondere auch der Abgeordnete des Wahlkreises Passau ist.
({0})
Ich bitte, daran zu denken, daß sich der Mensch, der sowohl Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Passau als auch Bundesfinanzminister ist, als völlig harmonisches Ganzes empfindet und mit sich in keinem inneren Widerstreit befindet. Weil aber von den Besatzungsmächten gesprochen worden ist, deren Einwirken das Entstehen des Grundgesetzes zu verdanken sei, darf ich vielleicht daran erinnern, daß der, der hier vor Ihnen steht, seinerzeit, in den entscheidenden Monaten, im Mai 1945, auch bayerischer Ministerpräsident gewesen ist, allerdings nicht aus seinem Willen, sondern gerufen von den Besatzungsmächten. Ich darf daran erinnern, daß damals in den ersten Tagen der Versucher, der in anderen kleinen Teilen Deutschlands mit seiner Werbung dann mehr Erfolg hatte,
({1})
an den bayerischen Ministerpräsidenten herantrat und ihn fragte, ob denn Bayern nicht selbständig werden wolle.
({2})
Der bayerische Ministerpräsident von damals gab die Antwort: Bayern will das Unglück Deutschlands nicht vergrößern, gerade in der Stunde der Not wolle es seine deutsche Treue beweisen.
({3})
Dieses Bayern ist es, das auch in der Frage des Grundgesetzes nicht unter dem Gesichtspunkt seine Stellung bezogen hat, was den Besatzungsmächten gefällt, sondern lediglich unter dem Gesichtspunkt, was seine eigene Überzeugung gewesen ist. Daß dieses Grundgesetz von Bayern nicht etwa deswegen gewünscht und gewollt wurde, weil es den Besatzungsmächten gefallen haben sollte, beweist einfach die Tatsache, daß Bayern dieses Grundgesetz abgelehnt und im bayerischen Landtag gegen das Grundgesetz gestimmt hat. Also ich glaube, damit ist bewiesen, daß ein innerer Zusammenhang zwischen dem Einfluß der Besatzungsmächte und der Stellung meiner bayerischen Heimat zu den Fragen des Grundgesetzes wirklich nicht besteht. Wenn es psychologische Schwierigkeiten zwischen Bayern und dem übrigen Bund gegeben hat, dann deswegen, weil man irrtümlicherweise die Einstellung Bayerns, das nun einmal ein Staat ist
({4})
und ein Staatsgefühl hat,
Abg. Dr. Seelos: Bravo!)
verwechselt hat mit einer Untreue gegenüber dem gesamtdeutschen Reichs- oder Bundesgedanken.
({5})
Das ist es, was psychologisch die Dinge immer erschwert hat.
Ich darf nach dieser Reminiszenz an etwas anderes, Versöhnliches erinnern, nämlich an ein deutsches Märchen,
({6})
an das Dornröschen - ein Märchen! -, und in diesem Märchen spielt ein Mädchen eine Rolle, nämlich die schlafende Prinzessin. Der glückliche junge Prinz wird König im Lande, wenn es ihm gelingt, dieses Mädchen zu küssen;
({7})
({8})
er muß allerdings durch eine Dornenhecke, und diese erschließt sich nur dem, der zur rechten Stunde und an dem rechten Ort den Weg zu dem Mädchen gesucht hat.
({9})
Heinrich Heine - um ein anderes Zitat zu erzählen -({10})
singt in seinen wunderschönen Liedern von der Winterreise im Harz ja auch davon:
Jetzo ist die rechte Stunde,
Und jetzo ist der rechte Ort!
Die Stunde und der Ort müssen für den Erfolg eines Bemühens immer richtig und klug gewählt sein. Wenn ich zu dem Antrag Stellung nehme, dann tue ich es zunächst deshalb, weil ich die Frage aufwerfen will: Ist dieser Antrag in der rechten Stunde gestellt? Kann er infolgedessen in dieser Stunde einen Erfolg haben,
({11})
in dieser Stunde, in der Bund und Länder sich bemüht haben, aus den gesamten Schwierigkeiten, aus dem Wirrwarr der Dornenhecken, die das Grundgesetz auf finanzpolitischem Gebiet aufgerichtet hat - rein in dem gemeinsamen Bestreben, aus dem Buchstaben des Gesetzes etwas Vernünftiges, etwas Zweckmäßiges, etwas dem gemeinsamen Wohle Dienendes zu machen -, herauszukommen, und sich zusammengefunden haben? In all den Jahren, seit die junge deutsche Bundesrepublik entstanden ist, sind alle Finanzgesetze und alle Finanzverwaltungsgesetze im Einvernehmen zwischen Bund und Ländern gemacht worden. Es ist ein gewisser Stolz, glaube ich, bei den vernünftigen Kreisen im Volke, wenn es in schwierigen Zeiten, in Zeiten einer unklaren Gesetzgebung gelingt, die Kräfte nicht in unnötigen Konflikten und unnötigen Streitigkeiten zu zersplittern, sondern die gesamte Kraft derer, die nun einmal berufen sind, von irgendeiner Stelle aus für das Gemeinsame zu arbeiten, der wirklichen Arbeit und nicht dem Streit zu widmen.
({12})
Ich hätte es als eine innere Befriedigung empfunden, wenn man, solange der ehrliche Wille des Zusammenarbeitens zwischen Bund und Ländern besteht, vermieden hättet um einer geliebten Theorie willen einen Konfliktstoff zwischen denen zu schaffen, die zum Zusammenarbeiten berufen sind und den Willen zur Zusammenarbeit bewiesen haben, gerade in der letzten Zeit bewiesen haben, in der Gesetzentwürfe, von denen viele hier im Hause geglaubt haben, daß sie bei den Beratungen des Bundesrats zu einem Konfliktstoff zwischen Bundesregierung und Länderregierungen werden würden, in einhelliger Übereinstimmung und mit einhelliger Zustimmung geschaffen und vorgelegt werden konnten.
Nun werfe ich eine Frage auf. Es wird bei der Frage Föderalismus-Unitarismus - so muß es heißen - auch in der Öffentlichkeit und in der Presse immer wieder davon gesprochen, daß das eine System teuer und das andere sparsam sei. Ich wundere mich, daß das deutsche Volk so wenig daran denkt, daß wir ein unitarisches System in unserer Generation ja schon reichlich ausgekostet haben.
({13})
Es ist das System der Jahre 1933 bis 1945.
({14})
Und rein vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit aus gesprochen:
({15})
Wer kann behaupten, daß die Verwaltung im damaligen gesamten Reichsgebiet billiger und sparsamer gewesen wäre, als sie etwa jetzt im Bundesgebiet ist?
({16})
- Ich weiß nicht, was unerhört sein soll,
({17})
wenn ich die Tatsache feststelle, daß wir hier schon einmal ein unitarisches Reich gehabt haben.
({18})
Ich spreche hier über die Frage der Sparsamkeit. Sie können heute noch die Ausgaben für die Verwaltung in jener Zeit nachrechnen, Sie können die Verwaltungsausgaben des Bundes und der Länder im deutschen Bundesgebiet prüfen, und Sie werden feststellen, daß, wenn man die Kaufkraft des Geldes berücksichtigt, die Verwaltung heute, welche man mit ungefähr 130 DM pro Kopf an Ausgaben berechnen kann, billiger ist, als sie in der Zeit zwischen 1933 und 1945 gewesen ist.
({19})
- Meine Herren, antworten Sie mit sachlichen Argumenten; ich höre sie sehr gern. Antworten Sie a auf Zahlen mit Zahlen.
({20})
In der Öffentlichkeit wird behauptet, das unitarische System sei sparsamer, sei billiger und deshalb empfehlenswert.
({21})
- Ich ziehe die Erfahrung heran!
({22})
- Wollen Sie behaupten, daß ich dieses Verbrechersystem dadurch, daß ich die Zahlen gebracht habe, etwa gebilligt und verteidigt hätte?
({23})
Wenn Sie das behaupten, dann legen Sie' meine Worte bewußt falsch aus.
({24})
Das System hat allerdings sehr stark nach einem Regiment, nach einem Kommando gearbeitet. Wenn Sie nach der Psychologie des Föderalismus fragen, kann ich darauf nur antworten, was ich schon oft gesagt habe: Für die Psychologie des Föderalismus gilt - wenigstens in meiner Heimat
({25})
- der Satz: Wir wollen niemanden kommandieren, aber auch nicht selber kommandiert sein. Wir wollen uns in Deutschland vertragen.
({26})
Das ist freilich ein Gegensatz von grundlegender Bedeutung. In dem Bemühen, uns zu vertragen, haben wir bisher unsere Arbeit durchgeführt und werden sie weiter durchführen.
Ich frage nur das eine: Wer kann aus der Erfahrung und aus der Geschichte beweisen, daß ein föderativ aufgebautes Land - nehmen Sie die Schweiz oder ein anderes Land - teurer sei als ein unitarisch gelenktes? Weiß man denn in Deutschland überhaupt, wie groß die Zahl der föderativ aufgebauten Länder ist? Will man etwa den Vereinigten Staaten von Amerika nachrechnen, daß ihr föderatives System mit 49 Staaten zu teuer sei und daß sie sich deswegen zu einem unitarischen Reich zusammenschließen sollten?
({27})
Meine Damen und Herren, ich bestreite die Behauptung, daß ein unitarisches Reich in seinem Staatsaufbau notwendigerweise billiger sei als ein föderativ aufgebautes.
({28})
Der Gegensatz ist ein ganz anderer.
({29})
- Ich rede jetzt über den Grundsatz.
({30})
- Ich komme schon darauf.
({31})
Ich will einmal auf den Grundsatz eingehen, daß die Verwaltung zentral gestaltet werden soll. Bitte, Sie können auch an die Zeit von 1914 bis 1918 denken. Wir hatten damals auch eine Zusammenballung auf wirtschaftlichem Gebiet. Das führte dann oben bei der Zentrale dazu, daß nach Sparten und Departements unterschieden werden mußte. Wir erhalten bei diesem System für ein großes Gebiet zentrale Verwaltungen nebeneinander, die auf bestimmte Lebensgebiete spezialisiert sind. Die Ersparnis, die man durch Beseitigung einer Behörde lokal erreicht, wird durch das, was in der Zentrale an unzweckmäßiger Verwaltung wächst, mehr als ausgeglichen.
({32})
Auch diese Erfahrung sollte zu denken geben.
Aber nun zu dem Thema. Ich hatte hier gesagt, daß ich für diesen Antrag besonders die rechte Stunde und den rechten Ort vermisse. Ich glaube, wenn wir uns im einzelnen über die Durchführung unterhalten würden, würde sich herausstellen, daß wir gar nicht weit auseinander sind.
({33})
Ich bin der Überzeugung, daß wir uns, wenn wir uns in Ruhe über die Frage unterhalten würden, was notwendig ist, finden würden. Notwendig ist eine Einheitlichkeit in der Handhabung der Gesetze; notwendig ist eine einheitliche Führung der Verwaltung; notwendig ist die Vermeidung von Differenzen, die nicht in der Natur der Sache begründet sind.
({34})
Wenn ich aber dieses Ziel in einem friedlichen gegenseitigen Einvernehmen erreichen kann, ist mir dieser Weg wertvoller als der andere Weg; das ist mir lieber als ein politischer Konflikt. Ich glaube auch, die derzeitige Entwicklung im Bund, die Zustimmung der Länder zu den Grundgedanken der Gesetzentwürfe nach Art. 106 und 108 des Grundgesetzes beweist schon das Vorhandensein einer Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern darüber, daß der Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit, der Kampf für eine Vereinheitlichung und Gleichmäßigkeit in der Verwaltung, der Kampf gegen das Entstehen von Steueroasen, die Anlaß zu Ungerechtigkeiten, zu Neid, Mißtrauen und Mißgunst geben, gemeinsam geführt werden muß, und zwar unter Führung des Bundes. Ich bin persönlich der Überzeugung, daß die Entwicklung, die sich hier anbahnt, dem Bunde das gibt, was der Bund heute in Anspruch nehmen kann und muß. Wenn der Bund auf Grund dieser Gesetze z. B. sein Betriebsprüfungssystem aus bauen muß, so wird der Ausbau dieses Systems - das wissen Sie genau so gut wie ich - nicht mit einem Federstrich geschehen sein. Ich muß vielmehr daran denken, daß das ganze eingeschulte, eingearbeitete Personal, das früher auf diesem Gebiet vorhanden war, sich in der Zwischenzeit in die einzelnen wirtschaftlichen Betriebe hinein verlaufen hat, die in der Frage der Besoldung und dergleichen leistungsfähiger sind als der Staat. Das Personal muß also erst gewonnen, neu geschult und neu herangebildet werden. Wenn der Bund auf Grund der Gesetze das leistet, was heute geleistet werden kann, dann ist dem Rechnung getragen, was derzeit notwendig ist. Das andere würde ich ruhig der Entwicklung überlassen; denn ich bin der Überzeugung, daß diese Entwicklung im gegenseitigen Einvernehmen zwischen Bund und Ländern vor sich geht.
({35})
In den vorgesehenen Bestimmungen des Gesetzes nach Art. 106 des Grundgesetzes erblicke ich die Gewähr dafür, daß der Bund beim Vollzug der Gesetze, die durch die Gesetzgebung geschaffen worden sind und für die er dem Volk gegenüber eine politische Verantwortung trägt, für die Einheitlichkeit eintritt. Es fehlt vielleicht das, was man für die Einrichtung der Behörden braucht. Ich muß aber ehrlich sagen: Nachdem ich weiß, daß das praktische Leben ohnehin dazu führt, daß sich die Einstufung und Laufbahn des gesamten Personals ohne gesetzgeberischen Eingriff aus der Wucht der Tatsachen heraus von selbst immer mehr angleicht, bleibt das, was übrig ist - nämlich, ob ich das Recht habe, ein Finanzamt in Sonthofen oder ein Finanzamt in Immenstadt zu errichten -, vollkommen außerhalb des Interessengebietes des Bundes. Das kann dem Bund wirklich gleichgültig sein. Diese Entscheidungen, die stark von regionalen, lokalen und sonstigen Gesichtspunkten mit erwogen und getroffen werden müssen, können ruhig in der Zuständigkeit der Länder bleiben!
Da bei grundsätzlichen Erwägungen die Temperamente hochgehen und da die Lösung einer Frage immer nur gefunden werden kann, wenn temperamentlos und ruhig darüber nachgedacht wird, würde ich vorschlagen, daß wir uns lediglich einmal auf eine Frage konzentrieren. Wir haben heute vormittag gehört, daß von keinem Land, gleichgültig welcher Richtung seine Landesregierung angehört, im Bundesrat eine Zustimmung zu einem Gesetzentwurf erwartet werden darf, der das Grundgesetz ändern und der die Bundesfinanz({36})
verwaltung plötzlich nicht mit der Entwicklung, sondern gegen die Entwicklung einleiten will. Ist es nun angesichts unserer jetzigen Gesetzgebung und angesichts unserer jetzigen politischen Verhältnisse notwendig, diesen Streit hervorzurufen? Ist es nicht im Interesse beider besser, eine natürliche Entwicklung in schiedlich-friedlichem Einvernehmen des Ganzen herbeizuführen und aus der Harmonie, aus dem harmonischen Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern ein Gemeinwesen erstehen zu lassen, das dem Wohle des Ganzen zu dienen in der Lage ist? Wenn die derzeitigen Gesetzentwürfe nach Art. 106 und 108 des Grundgesetzes den Weg zu einer Angleichung in der Steuerverwaltung, zu einem Zusammenfassen der Kräfte zur Durchführung eines gemeinsamen Kampfes gegen die Steuerunehrlichkeit ermöglichen, dann bitte ich darum, daß dieser Weg auch gegangen wird, und zwar nicht um der einzelnen Länder, sondern um der Gesamtheit und um des politischen Friedens im deutschen Volke willen. Aus diesem Motiv habe ich gesprochen.
Noch einen Satz zum Schluß. Der bayerische Ministerpräsident des Jahres 1945 hat Deutschland die Treue gehalten und hofft, auch mit der Überzeugung, die er hier vertritt, Deutschland einen Dienst der Treue zu erweisen.
({37})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Laforet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche im Namen meiner näheren politischen Freunde. Der Gegenstand wirft grundsätzliche Fragen auf, die an das Grundgefüge des Bundesstaates rühren. Das Grundgesetz geht in Art. 83 von dem Grundgedanken aus, daß die Bundesgesetze von den Ländern zu vollziehen sind. Die Länder sind berechtigt - nicht nur verpflichtet -, durch ihre Behörden in der mittleren und unteren Stufe die Gesetze des Bundes auszuführen. Auch soweit der Bund die Gesetzgebung hat, führen, von den oberen Bundesgerichten abgesehen, Länderbehörden die Gesetzgebung aus. Das wird in der allgemeinen Verwaltung nicht bestritten. Nur in der Finanzverwaltung soll es etwas Besonderes sein. Warum soll hier beim Finanzwesen ein Besonderes bestehen?
({0})
Ist es richtig, daß die Finanzgesetze mangelhaft vollzogen werden müssen, wenn sie von den Ländern durchgeführt werden?
({1})
Die Gesetzgebung gibt doch alle Grundlagen für eine einheitliche
({2})
Durchführung. Es handelt sich nicht darum, daß die Finanzgesetze einheitlich durchgeführt werden müssen - darüber besteht, wie für alle anderen Gesetze auch für das Finanzwesen völliges Einverständnis -, sondern es handelt sich darum, ob dazu das einzige Mittel ist, die Finanzverwaltung allein in die Hände von Bundesbehörden zu legen und das ganze Grundgefüge dadurch zu ändern.
Überlegen Sie sich doch: die entscheidende Gesetzgebungsgewalt im Finanzwesen liegt beim Bund, und, was vielfach übersehen wird, zur Gesetzgebung gehört auch der Erlaß der Ausführungsverordnungen, der Veranlagungs-, Erhebungs- und Stundungsvorschriften.
({3})
Diese können vom Bund geregelt werden, auch wenn das Aufkommen den Ländern oder den Gemeinden ganz oder zum Teil zufließt. Wenn sich die Veranlagung nach Rechtsgrundsätzen vollzieht - und sie muß sich nach diesen Rechtsgrundsätzen vollziehen -, so können die Rechtsgrundsätze abschließend vom Bund gegeben werden. Geschieht dies nicht, dann liegt ein Mangel im Vollzug vor. Auch die allgemeinen Verwaltungsvorschriften für die Steuergesetze des Bundes werden durch die Bundesregierung erlassen. Sie bedürfen nur, soweit der Vollzug bei den Landesfinanzbehörden liegt, der Zustimmung des Bundesrats.
Es wird weiter nicht genug beachtet, daß nach der jetzigen Regelung des Art. 106, auch soweit die Landesfinanzbehörden die Verwaltung führen, wenn die Steuern dem Bund zufließen, Auftragsverwaltung gegeben ist. Wir haben diese Auftragsverwaltung im Parlamentarischen Rat ganz scharf herausgeholt als ein System völliger Unterordnung der Landesbehörden unter die allgemeine Anordnungsgewalt der in Frage stehenden Bundesstelle, hier des Bundesfinanzministeriums. Übrigens kann der Finanzminister nach Art. 108 Abs. 4 die ordnungsmäßige Verwaltung durch Bundesbevollmächtigte überwachen lassen - wir haben es im Kaiserreich gehabt -, dann haben auch diese das Weisungsrecht gegenüber den Mittel- und Unterbehörden. Die bestimmende Macht der Bundesfinanzverwaltung ist also, wenn die Möglichkeiten des Grundgesetzes nur ausgenutzt werden, in vollem Umfang gegeben, und es ist nicht ersichtlich, welche verfassungsrechtlichen Hindernisse der Durchsetzung des Willens der Bundesfinanzverwaltung zum einheitlichen Vollzug der Steuergesetze - da sind wir uns alle einig - im Wege stehen. Ich halte es für völlig verfehlt, deswegen, weil im Vollzug des jetzt gegebenen Rechts sich irgendwo Mängel ergeben, die allein richtige Grundlage, die Verfassung, zu ändern.
In Frage steht, daß nicht nur die in Art. 108 Abs. 1 Satz 1 und in Abs. 2 genannten Steuern, sondern sämtliche Steuern, für die der Bund nach Art. 105 die Befugnis der Gesetzgebung hat, durch Bundesfinanzbehörden verwaltet werden; ein Gebiet, das im Parlamentarischen Rat sehr umstritten war. Es geht weiter um die entscheidende Frage, ob denn bei der heutigen Geldlage neben der Bundesfinanzverwaltung eine Landesfinanzverwaltung überhaupt geldlich möglich und durchführbar ist.
({4})
Es waren nicht nur süddeutsche Vertreter, Herr Minister, es war der niedersächsische Finanzminister Dr. Strickrodt, der in nachdrücklichster Weise
({5})
unseren Standpunkt vertreten hat.
({6})
Herr Abgeordneter Dr. Greve, wir sind doch hier nicht im niedersächsischen Landtag.
Bitte, lesen Sie das in den
Verhandlungen des Parlamentarischen Rates nach!
({0})
Jedenfalls haben wir aus den größeren Gesichtspunkten heraus von Anfang an einen klaren Standpunkt eingenommen.
Es ist richtig, daß für die heutige Fassung des Art. 108 der Einfluß der Gouverneure erheblich war.
({1})
Meine politischen Freunde haben im Parlamentarischen Rat, lange bevor man an die Stellungnahme der Gouverneure. dachte und sie kannte, nach den Erfordernissen des Bundesstaates. die Länderfinanzverwaltung gefordert
({2})
und die Forderung gestützt durch den Hinweis darauf, daß für eine besondere Länderfinanzverwaltung neben der Bundesfinanzverwaltung die Mittel fehlen. Wir haben die Besatzungsmächte nie um Unterstützung unserer Stellungnahme gebeten.
({3})
Daß sie aus ihren Vorstellungen heraus zum Teil zu einer Forderung kamen, die sich mit unserer Stellungnahme deckte, konnte uns nicht bestimmen, auf das Richtige deshalb zu verzichten, weil es die Besatzungsmächte auch gefordert hatten.
Meine Damen und Herren, der Antrag will schlechthin die ganze Finanzverwaltung dem Bund übertragen, soweit dem Bund die Gesetzgebung zusteht. Schon heute vollzieht sich der grundsätzliche Aufbau der Finanzbehörden nach Bundesgesetzen. Aber die Länder haben nach dem Grundsatz der territorialen Gestaltung und der Entscheidung darüber, möglichst in Volksnähe, die Organisationsgewalt im Rahmen dieser Bundesgesetze. Das soll grundsätzlich geändert werden. Auch ein Finanzamtsbezirk soll nur noch von der Bundesfinanzverwaltung geändert werden können. Jeglicher bestimmende Einfluß der Länder auf die Organisation wäre ausgeschlossen. Nur bei der Ernennung der Leiter der Mittelbehörden hätte die Bundesfinanzverwaltung die Pflicht, nicht etwa das Einverständnis der Landesregierung zur Ernennung einzuholen, aber die Landesregierung wenigstens anzuhören.
Zu den wesentlichen Erfordernissen eines Gliedstaates gehört auch in einem Bundesstaat nicht nur, daß er die Justizhoheit hat, sondern auch, daß er die Verwaltungshoheit besitzt. Wird ihm die Verwaltungshoheit auf einem derart wichtigen Gebiet wie dem des Finanzwesens fast völlig entzogen, dann geht ein wesentlicher Teil der Staatsgewalt auf den Bund über, dann liegt ein wirklicher Staat nicht mehr vor. Ich verstehe, wir haben Kollegen, die einen Einheitsstaat wünschen. Wir lehnen ihn aus der ganzen geschichtlichen Entwicklung mit allem Nachdruck ab.
({4})
Das Gefüge des Bundesstaates, das nach dem Grundgesetz auf den Ländern beruht, wird hier völlig geändert. Wer den Bundesstaat will, kann auf die Verwaltungshoheit der Gliedstaaten auch im Finanzwesen nicht verzichten.
Dazu tritt aber eine weitere, mehr praktische Frage, die Frage, wer bei der umfassenden Finanzverwaltung die Aufgaben erledigen soll, die sich aus der Verwaltung der landesgesetzlichen Steuern, aber auch aus den Aufgaben der allgemeinen Landesverwaltung ergeben, die im Rahmen des Finanzwesens erledigt werden müssen. Es handelt sich vor allem um das Kassenwesen der übrigen Be-härden, um die übrigen Geschäfte der Finanzverwaltung als Teil der allgemeinen Landesverwaltung, nicht zuletzt in der Beamtenversorgung, und insbesondere um die Aufgabe der Verwaltung des Vermögens der Länder, insbesondere der Verwaltung ihrer Liegenschaften.
Sie wissen alle, es kommen zwei Wege in Betracht. Die Länder können sich neben 'der Bundesverwaltung eine eigene Landesfinanzverwaltung schaffen. Der sehr verehrte Kollege Herr Minister Dr. Höpker-Aschoff hat auf die geschichtliche Vergangenheit zurückgegriffen; darf auch ich zurückgreifen. Der Versuch, auf diese Weise in zwei Gleisen zu fahren, ist nach den Erfahrungen 'der Zeit der Weimarer Verfassung völlig gescheitert. Damals fehlten den Ländern die Mittel, dieses zweite Gleis sachgemäß anzulegen und auf ihm zu fahren. Was früher nicht möglich war, wird jetzt in der Zeit der ungeheuren Finanznot völlig undurchführbar.
Der andere Weg ist früher durch die Bestimmung eingeschlagen worden, daß die Länder die Aufgaben den Bundesfinanzbehörden übertragen können. Man ist diesen Weg im früheren § 19 der Reichsabgabenordnung gegangen; er soll auch nach dem vorgeschlagenen Entwurf gegangen werden. Die Erfahrung hat gezeigt, daß dieser Weg für die Länder ungangbar ist.
Es erhebt sich die Frage nach der Erledigung derjenigen Geschäfte, die nicht zur Verwaltung der Landessteuern gehören. Man hat sie als „artfremde Geschäfte" bezeichnet. Sie sind für die Länder, wenn diese überhaupt eine Staatsverwaltung führen - und wir wollen eben, daß die Gliedstaaten Staaten sind - -({5})
- Darüber gehen die Meinungen auseinander.
({6})
Diese artfremden Geschäfte sind für die Länder, wenn sie überhaupt eine Staatsverwaltung führen sollen, von ganz besonderer Bedeutung. Es handelt- sich - wie schon erwähnt - um das Kassenwesen der allgemeinen Verwaltung einschließlich der Beamtenversorgung und vor allem um die Verwaltung und rechtliche Vertretung des Vermögens der Länder, insbesondere der Liegenschaften. Aus der Natur der Sache ergibt sich der Gegensatz der Interessen zwischen Bund und Ländern im Streit über das Vermögen. Es ist unmöglich, diese Geschäfte Bundesfinanzbehörden zu übertragen.
Aber auch soweit es sich um die Verwaltung von Landessteuern handelt - ich habe es auch als Beamter der allgemeinen Verwaltung genügend deutlich gesehen - ergab die Erfahrung im Vollzug des früheren § 19 der Reichsabgabenordnung, daß die Bundesfinanzbehörden die Verwaltung der Landessteuern als eine lästige Sonderaufgabe empfunden haben. Sie haben die Landessteuern stiefmütterlich, mangelhaft, oft genug gar nicht verwaltet. Das wird sich um so mehr steigern, je größer die Belastung der Bundesfinanzbehörden
({7})
mit dem Vollzug der Bundessteuern wird. Das Wort „Lastenausgleich" mit all seiner ungeheueren Arbeit ist ja schon genannt und in seinen Problemen angeschnitten.
Auch wir sind mit dem Ziele einheitlichen Gesetzesvollzugs völlig einverstanden. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen wird sich damit zu befassen haben, ob nicht vermeidbare Fehler in der Ausnützung der Verfassung in ihrem heutigen Wortlaut vorliegen und wie diese Fehler beseitigt werden können und müssen. Dann brauchen wir keine Verfassungsänderung.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Herren Abgeordneten aus Passau und aus Würzburg haben dem Herrn Bundesfinanzminister keinen großen Dienst erwiesen.
({0})
Ich glaube auch, daß der Herr Bundesfinanzminister der Sache, die er als Bundesfinanzminister zu vertreten hat, ebenfalls keinen guten Dienst erwiesen hat.
({1})
- Gut, über den Geschmack kann man streiten, Herr Kollege Horlacher, und ich habe meinen Geschmack, und ich gebe auch meinem Geschmack Ausdruck mit dem, was ich sage, genau so wie der Herr Bundesfinanzminister das getan hat, und wie der
s Herr Kollege Laforet das eben auch getan hat.
Nur eines möchte ich allem voran bemerken. Ich glaube, Herr Bundesfinanzminister, es wäre im Interesse des deutschen Ansehens besser gewesen, wenn Sie das verbrecherische System aus den Jahren von 1933 bis 1945 nicht mit einem System der nationalen deutschen Einheit identifiziert hätten.
({2})
Ich glaube, wir sind es dem Ansehen des deutschen Volkes und dem Ansehen dessen, was wir heute zu repräsentieren haben, schuldig, daß wir derartige Vergleiche unterlassen.
({3})
Der Herr Kollege Laforet hat bereits darauf hingewiesen, daß er eine andere Auffassung vom System der staatlichen Ordnung der Länder und damit auch der Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit hat als meine Freunde und ich. Wir sind der Auffassung, daß man darüber miteinander reden kann; aber man darf nicht diejenigen, die den Standpunkt vertreten, daß unsere staatliche Organisation am besten unitarisch ist, beschimpfen und dann in Zusammenhang mit dem System des Nationalsozialismus bringen.
({4}) - Das ist geschehen!
({5})
Der Herr Bundesfinanzminister hat das System aus den Jahren 1933 bis 1945 als ein Beispiel dafür hingestellt, wie Deutschland unitarisch organisiert aussieht. Darüber läßt sich gar nicht diskutieren.
({6})
- Das ist keine Verdrehung, Herr Kollege Strauß. Auf dem Gebiete sind Sie mir über.
({7})
Ich bin auch der Auffassung, - ({8})
Herr Abgeordneter Greve, darf ich die Frage stellen, - ({0})
- Herr Abgeordneter Strauß, i c h spreche augenblicklich! Die Sache regelt sich leichter, wenn wir uns nacheinander darüber unterhalten. - Herr Abgeordneter Greve, wollten Sie dem Herrn Abgeordneten Strauß eine Verdrehung vorwerfen?
({1})
Ich habe von dem Kollegen Strauß gesagt bekommen, daß das, was ich gesagt habe, eine glatte Verdrehung sei, und ich habe dem Kollegen Strauß darauf geantwortet: darin ist er mir über. Das wiederhole ich auch, wenn mir vorgeworfen wird, daß das, was ich sage, eine Verdrehung sei, während es keine Verdrehung ist. Denn auf das, was der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat, ist ja auch durch Zwischenrufe - ich erinnere an den Kollegen von Rechenberg - in genau der gleichen Weise reagiert worden. Ich habe daher keine Veranlassung, von dem, was ich eben gesagt habe, etwas zurückzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren! ,Ich bin in der sehr seltenen, aber in diesem Falle erfreulichen Situation, mich in völliger Übereinstimmung mit dem Sprecher einer der Regierungsparteien, mit dem Herrn Kollegen Höpker-Aschoff zu befinden.
({1})
- Ob das bezeichnend ist oder nicht, Herr Kollege Seelos, kann Ihnen doch gleichgültig sein. Sie befinden sich hier einmal in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister, den Sie ja sonst gar nicht so sehr schätzen, Herr Kollege.
({2})
Ich kann es mir ersparen, auf viele Einzelheiten einzugehen. Was Herr Kollege Höpker-Aschoff hier zum Ausdruck gebracht hat, ist die Auffassung auch meiner politischen Freunde.
Lassen Sie mich aber einen kurzen Rückblick auf das tun, was im Parlamentarischen Rat vor sich gegangen ist, um das zu erklären, was wir heute auf dem Gebiete der Finanzverwaltung in der Bundesrepublik haben. Es ist zweifelsohne richtig, daß das gegenwärtige System der geteilten Finanzverwaltung zwischen Bundesfinanzverwaltung und Länderfinanzverwaltung nicht auf deutschem Boden gewachsen ist.
({3})
Das ist aber nicht der einzige Grund, weswegen
wir die ungeteilte Bundesfinanzverwaltung wollen.
Wir wollen die Bundesfinanzverwaltung, weil wir
der Auffassung sind, daß sie die einzig mögliche
Art ist, in Deutschland zu einer einheitlichen Regelung aller derjenigen Dinge zu kommen, die Finanzen und Steuern angehen. Es ist das Verdienst des
ehemaligen Reichsfinanzministers Erzberger, gerade
({4})
durch die Einrichtung einer reichseinheitlichen Finanzverwaltung eine Klammer um das damalige Deutsche Reich gelegt zu haben, die lange gehalten hat. Wenn man von dem Bestand der Bundesrepublik ausgeht, würden wir, glaube ich, durch die Zusammenfassung der Länderfinanzverwaltungen zu einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung auch heute wieder eine sehr starke Klammer um diese Bundesrepublik legen. Die Bundesfinanzverwaltung ist nach unserer Auffassung in anderer Weise geeignet, die Grundsätze, die auf dem Gebiete der Finanzen und Steuern vom Bund her durch die Gesetzgebung festgelegt werden, in der Administration durchzuführen, als es gegenwärtig der Fall ist. Wenn der Herr Kollege HöpkerAschoff darauf hingewiesen hat, daß sich heute die Klagen über eine unterschiedliche Handhabung der Grundsätze auf dem Gebiete des Finanz- und Steuerwesens häufen, so wissen wir alle nur zu gut, daß es heute in der Bundesrepublik Steueroasen und Steuerwüsten gibt. Ich glaube, der Herr Bundesfinanzminister weiß selber, wo die Steueroasen und die Steuerwüsten sind.
({5})
- Das sind keine Märchen, das sind Tatsachen. Wenn Sie von der Anhörung der Ausführungen des Herrn Finanzministers noch nicht zu dem vorgedrungen sind, was Tatsachen sind, Herr Kollege Horlacher, so kann ich nichts dafür. Ich will hier auch keine Märchen erzählen. Herr Kollege Höpker-Aschoff und ich werden sicher kein Glück mit unseren Küssen haben; denn der Herr Bundesfinanzminister will sich gar nicht küssen lassen,
({6})
er will weiterhin das Mädchen bleiben, das hinter Dornenhecken im Verborgenen blüht. Hoffentlich wird er nicht allzu alt dabei, so daß das Mädchen nachher niemand mehr küßt.
({7})
Die Momente, auf die hier hingewiesen worden ist, Steueroasen und Steuerwüstem, lassen sich durch keine Redensarten aus der Welt schaffen. Wir wissen auch, daß durch die Art, wie in einzelnen Ländern gerade Steuerpolitik getrieben wird, die steuerstarken Länder immer stärker und die steuerschwachen Länder immer schwächer werden. Das sind Dinge, auf die wir schon im Parlamentarischen Rat hingewiesen haben. Ich selber habe damals gesagt, daß die Finanzverwaltung sich nicht zu einer Brauchtumspflege eignet. Landsmannschaftliche Eigentümlichkeiten in allen Ehren, aber die Finanzverwaltung ist für die Pflege solcher landsmannschaftlichen Eigentümlichkeiten nicht geeignet. Und wenn der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff mit Recht darauf hingewiesen hat, daß eine Milliarde mehr an Steuern durch eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung herausgeholt werden könnte, dann sollten wir dieses Moment in einer Zeit sehr ernst nehmen, in der es wirklich auf jeden Pfennig ankommt und in der der Herr Bundesfinanzminister nicht weiß, wo er diese Pfennige herholen soll, meine Damen und Herren. Ich glaube auch, daß die Tatsache, daß zur Zeit des Parlamentarischen Rates es nicht sachliche, sondern politisch-psychologische Momente gewesen sind, die bei einer Zahl von Abgeordneten den Ausschlag gegeben haben, uns doch zum Nachdenken Anlaß geben sollte. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß er im Jahre 1945 Deutschland einen Dienst erwiesen hat dadurch, daß er Bayern beim Reich hielt -, gut, das erkennen wir an. Wir müssen ihm allerdings auch 6 sagen, und das ist zu gleicher Zeit eine Antwort an den Herrn Kollegen Dr. Laforet: keiner von uns hat damals behauptet, noch will er es heute behaupten, daß es Abgeordnete oder Gruppen von Abgeordneten im Parlamentarischen Rat gegeben hat, die darum gebeten hätten, daß die Besatzungsmächte eingriffen. Eingegriffen haben sie, Herr Kollege Dr. Laforet. Der Finanzausschuß und der Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates haben die Bundesfinanzverwaltung beschlossen, und dann hat es eine Reihe von Abgeordneten gegeben, die dieses Eingreifen durch die Alliierten sehr gerne gesehen haben, weil es ihrer politischen Konzeption entsprach, während es unserer politischen Konzeption nicht entsprach. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß der Bundesrat, wie er heute ist, seine Existenz dem Umstand verdankt, daß uns auf der anderen Seite die Bundesfinanzverwaltung konzediert worden ist.
({8})
Der Bundesrat ist geblieben, und die Militärgouverneure haben die Bundesfinanzverwaltung zerschlagen, meine Damen und Herren. So ist die Wahrheit, und das müssen alle zugeben, die sich der Vorgänge aus der Zeit des Parlamentarischen Rates noch mit der Klarheit erinnern, die notwendig ist, um das Wahre hier wirklich zum Ausdruck zu bringen.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Laforet hat geglaubt, entgegen dem, was Herr Dr. Höpker-Aschoff zum Ausdruck brachte, sich auf den damaligen Finanzminister des Landes Niedersachsen, Herrn Dr. Strickrodt, beziehen zu sollen. Ich glaube, die Berufung auf diejenigen, die uns als Sachverständige gedient haben, von denen Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff sprach, hat mehr Gewicht, und Sie tun sich und auch Herrn Dr. Strickrodt keinen Gefallen, Herr Kollege Dr. Laforet, wenn Sie ihn zum Zeugen dafür anrufen, daß die Bundesfinanzverwaltung nichts taugt. Wer Herrn Dr. Strickrodt damals angehört hat, ist erstaunt gewesen, wie ein Mann in einer derart schwierigen Frage einen derartigen Eiertanz aufführen konnte, Herr Kollege Dr. Laforet. Anders war es doch in Wirklichkeit nicht. Alle, deren Ansicht für uns von Wert war, ob aus der Industrie, aus der Wissenschaft oder aus der Politik, haben sich für die Bundesfinanzverwaltung ausgeprochen. Selbst die Herren Oberfinanzpräsidenten Aprath und Prugger, glaube ich, taten es.
In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß selbst der jetzige Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, Herr Hartmann, zum Ausdruck gebracht hat - das ist in dem Protokoll nachzulesen -, daß die Bundesfinanzverwaltung zweifelsohne den Vorzug vor der Länderfinanzverwaltung verdient, nur - er hat auf die in Süddeutschland vorhandenen politisch-psychologischen Momente hingewiesen -,
({9})
um damit zum Ausdruck zu bringen, daß es nicht allein auf sachliche Gesichtspunkte bei dieser Entscheidung angekommen ist, sondern daß auch neben der Sache liegende Gesichtspunkte - insbesondere bei Ihren Freunden, Herr Kollege Strauß - eine Rolle gespielt haben. Und wir erinnern uns noch der Mühe, die sich damals der ehrenwerte Herr Kollege Laforet und Herr Kollege Schlör, der diesem Hause nicht angehört, gegeben haben, um die Länderfinanzverwaltung zu retten. Sie war, wenn es nach dem deutschen Willen gegangen
({10})
wäre, nicht zu retten; sie ist nur gerettet worden durch das Eingreifen der Militärgouverneure, die sich damals noch in trautem Einvernehmen befanden und der Auffassung waren, Deutschland müßte gerade durch die Zerschlagung der Bundesfinanzverwaltung niedergehalten werden. Die Herren Gouverneure oder diejenigen, die verantwortlich für die Politik waren, die sie in Deutschland zu vertreten hatten, wußten nur zu genau, was sie mit der Zerschlagung der Bundesfinanzverwaltung taten. Da, wußten sie, liegt der Angelpunkt zur Organisierung Deutschlands, aber nicht im unitarischen Sinne - wir sprechen nicht von Zentralismus -, sondern in einem System, in dem die deutsche Einheit nicht den Ausdruck finden kann, den sie nach unserer Auffassung in einer unitarischen staatlichen Ordnung haben sollte.
({11})
Das sind Argumente, meine Damen und Herren, die meine Freunde und mich veranlassen, dem Antrag, den die FDP auf Änderung des Grundgesetzes eingereicht hat, zuzustimmen. Wir lehnen es ab, so lange zu warten, bis nichts mehr zu retten ist. Ich glaube nicht, Herr Finanzminister - Sie haben selbst keine Zahlen genannt -, daß Sie ernsthaft die Auffassung vertreten können, daß die Bundesfinanzverwaltung teurer ist als die Finanzverwaltung, die wir zur Zeit haben. Wenn Sie selbst - um noch einmal darauf zurückzukommen - auf die Vorzüge des Föderalismus mit sehr viel Temperament hingewiesen haben, auf die Vorzüge desjenigen Systems, das Ihrer politischen Konzeption entspricht, nun, Herr Bundesfinanzminister, glauben Sie nicht, daß die Zeit, die zwischen dem Westfälischen Frieden und dem Reichsdeputationshauptschluß gelegen hat, in Deutschland endgültig vorbei ist? In einer Zeit, in der wir über die Grenzen hinwegsehen und Europa neu organisieren wollen, in einer Zeit, in der wir aus der nationalstaatlichen zu einer internationalen Ordnung in Europa kommen wollen, in einer solchen Zeit sollte 'man mit Argumenten, wie sie hier von den Gegnern des Antrags, den die FDP eingereicht hat, vorgetragen worden sind, nicht operieren.
({12})
Wir sind aus allgemeinpolitischen, aus finanzund steuerpolitischen Erwägungen der Auffassung, daß hier ein Unrecht wiedergutgemacht werden muß, das der Bundesrepublik Deutschland in der Stunde ihrer Geburt zur Zeit des Parlamentarischen Rates angetan worden ist,
({13})
und aus diesem Grunde sind meine Freunde und ich gerade im Interesse der einheitlichen Organisierung unseres Staatswesens in der Bundesrepublik der Auffassung, daß es richtig ist, den Antrag der Freien Demokratischen Partei anzunehmen.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Wochen hat hier Herr Kollege Koch einmal davon gesprochen, wir sollten dem Finanzminister bei seinen Plänen und bei seinen Arbeiten nicht in den Rücken fallen. Ähnlich hat sich vor kurzem auch Herr Kollege Lausen geäußert. Ich möchte diese Anregung, die damals gegeben wurde, heute aufgreifen und sagen: wir sollten dem Herrn Finanzminister in dem, was er heute hier ausgeführt hat, und in seinen diesbezüglichen Arbeiten und Planungen wirklich nicht in den Rücken fallen. Wenn er den Weg zu einer friedlichen Lösung in diesen strittigen Dingen gefunden und wenn er wirklich irenische Töne angeschlagen hat, dann glaube ich, könnten wir ihm nicht nur, sondern dann müßten wir ihm hierin beipflichten. Wir sind glücklich darüber, daß heute nicht nur der Herr Finanzminister, sondern auch der Herr Abgeordnete des Wahlkreises Passau von diesem Platz aus gesprochen hat. Nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers und Abgeordneten Schäffer, eines solchen Finanzexperten, glaube ich, müßten nun wahrlich auch die düsteren Prophezeiungen und die Ausführungen des ehemaligen preußischen Finanzministers, der auch von diesem Platz aus heute gesprochen hat, in den Hintergrund treten.
Nun ganz kurz eine Antwort an Herrn Kollegen Greve. Herr Kollege Greve, das Ansehen des deutschen Volkes hat nichts, aber auch gar nichts mit einer unitaristischen Gestaltung der deutschen Verfassung zu tun. Und berühren Ihre heutigen Einwände gegen diese Verfassung, gegen das, was Sie heute in dieser Verfassung nicht als gut und glücklich empfinden und was Sie nun auf die Schuld der Besatzungsmächte zurückführen, nicht etwas merkwürdig? Wir haben im Mai 1949 nichts von solchen Einwänden auf ihrer Seite gehört.
({0}) Damals haben Sie sehr stark die Werbetrommel gerade für diese Verfassung gerührt, und ich glaube, wir „wilden" Bayern waren mit unserem klaren und ehrlichen Nein vielleicht auch damals wieder die besseren Menschen.
({1})
Der uns mit Antrag Drucksache Nr. 2260 vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes muß das tiefste Befremden, aber auch die höchste Aufmerksamkeit und Wachsamkeit aller derjenigen hervorrufen, die darauf achten wollen und müssen, daß das Grundgesetz in seinem an und für sich nicht allzu ausgeprägten föderalistischen Prinzip nicht immer noch weitere Aushöhlungen erleidet. In der Tat liegen dem vorliegenden Antrag solche Absichten klar erkennbar zugrunde.
Lassen Sie mich auf das Wesentliche der in diesem Antrag gegenüber der bisherigen Fassung vorgesehenen Änderungen eingehen. Art. 108 Abs. 1 Satz 1 erwähnt neben den Zöllen und Finanzmonopolen „die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern, die Beförderungsteuer, die Umsatzsteuer und die einmaligen Vermögensabgaben". Dieser Katalog wird durch den neuen Entwurf beseitigt und soll durch die Fassung „Zölle, Finanzmonopole und die auf Bundesgesetzen beruhenden Steuern" ersetzt werden. Auf den ersten Blick hin mag dies vielleicht unwesentlich und harmlos erscheinen. Aber der Pferdefuß, meine Damen und Herren, der sich schamhaft unter der Verhüllung verbirgt, ist für die durch die Erfahrung Gewitzigten unschwer erkennbar.
Man vergleiche dazu dann nur Art. 107 des Grundgesetzes, der die endgültige Steuerverteilung auf Bund und Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 vorsieht, und vergegenwärtige sich, wie großzügig im Hinblick auf die Bundeskompetenz diese Regelung gehandhabt werden kann - entsprechende Anträge kann man, ohne sich besondere prophetische Begabung anmaßen zu wollen, schon vorausahnen -; dann wird man sich über das Ergebnis im klaren sein können.
({2})
In dieser neuen, vom bisherigen Text abweichenden, allgemein gehaltenen Fassung von Abs. 1 Satz 1, die jede, aber auch jede Möglichkeit einer unbegrenzten Ausdehnung auf alle jetzt noch den Ländern zustehenden Steuern, eröffnet, ist die Tendenz einer solchen Ausweitung klar ersichtlich. Wenn man z. B. schon darauf hingewiesen hat, daß die gegenwärtige Regelung bei den den Ländern zustehenden Realsteuern eine Änderung erfahren müsse und daß die im Jahre 1936 erfolgte reichsrechtliche Regelung kein nationalsozialistischer Willkürakt gewesen sei, da schon in den zwanziger Jahren das Reichsfinanzministerium an eine diesbezügliche Änderung gedacht habe, so kann dies nicht als Beweis für die Notwendigkeit einer solchen Regelung gewertet werden, sondern nur als Tatsache und Beweis dafür, daß man schon damals mehr und mehr dem Zentralismus gehuldigt hat und nun heute jede Gelegenheit wahrnehmen will, um ihn auch auf diesem Gebiete, das schließlich an den Lebensnerv der Länder greift, endgültig zu verwirklichen.
Fallen gelassen ist sodann in dem neuen Gesetzentwurf die derzeit geltende Bestimmung, daß der Bund die Verwaltung der einmaligen Vermögensabgaben den Landesfinanzbehörden als Auftragsverwaltung übertragen kann. Wenn man dazu in Betracht zieht, daß die jetzt in Abs. 6 enthaltene Bestimmung über die allgemeinen Verwaltungsvorschriften, die im neuen Entwurf als letzter Satz von Abs. 1 aufgenommen ist, nunmehr des Zusatzes „und zwar mit Zustimmung des Bundesrates, soweit die Verwaltung den Landesbehörden obliegt", entbehrt, so wird über die Konsequenzen kein Zweifel mehr herrschen können. Wieder einmal soll der Bundesrat, das föderalistische Organ des Bundes, der Bundesrat, der von Ihnen, Herr Dr. Höpker-Aschoff, bezeichnenderweise schon einmal als der „Erzstiefvater des Bundes" bezeichnet worden ist, ausgeschaltet werden. Wie will man das mit Art. 50 des Grundgesetzes in Einklang bringen, demzufolge die Länder durch den Bundesrat bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mitwirken sollen?
Interessant war es auch, aus dem Munde von Herrn Dr. Höpker-Aschoff die Apologie der Erzbergerschen Steuer- und Finanzpolitik zu hören, dann sein Eintreten für eine unumschränkte Finanzhoheit des Bundes, was j a nur die Befürchtungen bestätigt hat, die wir hier immer aussprechen.
Meine Damen und Herren! Wenn Sie sich Art. 85 Abs. 2 ansehen, durch den bestimmt wird, daß die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen kann, dann müßten Ihnen doch wohl eigentlich schwerwiegende Bedenken verfassungsrechtlicher Natur gegenüber der vorliegenden Neufassung von Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes kommen; denn in Art. 85 ist doch wohl, der zweifelsfreien Intention des Gesetzgebers entsprechend, sinngemäß und logisch das Wörtlein „nur" zu ergänzen. Also: „Die Bundesregierung kann nur mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen." Will man Art. 108 ändern, dann müßte somit auch eine Verfassungsänderung bei Art. 85 erfolgen. Ohne diese Änderung, vor der man sich aber in dieser Verallgemeinerung doch wohl hüten wird, wäre die hier für Art. 108 vorgesehene Änderung verfassungswidrig.
In § 1 Abs. 2 des Gesetzentwurfs konnte wohl mit Rücksicht auf Art. 105 Abs. 3 des Grundgesetzes auf die Zustimmung des Bundesrates nicht verzichtet werden. Dafür tritt nun aber an die Stelle der Länder ein Bundesgesetz, wodurch die Ermächtigung des Landesgesetzgebers zur Übertragung der Verwaltung der den Gemeinden zufließenden Steuern auf diese Gemeinden fallen gelassen werden soll.
Meine Damen und Herren! Wenn wir alle diese jetzt kurz skizzierten und erläuterten Änderungen des vorliegenden Gesetzentwurfes kritisch betrachten und in ihren Konsequenzen überdenken, dann können wir von den Vorteilen, die Herr Dr. Höpker-Aschoff angeführt hat, wirklich nichts wahrnehmen. Und zu dem -von Ihnen gebrachten Zitat: „in omnibus caritas - in allem die Liebe", da ist nicht das sonst im Lateinischen übliche Wort „amor" gebraucht, sondern da ist von der „caritas" die Rede, die auch in unseren deutschen Sprachschatz übergegangen ist. Meine Damen und Herren, ich kann mir nicht helfen, ich weiß nicht, ob es um den amor, um die Liebe im Hause unserer deutschen Brüder wirklich so bestellt ist,
({3})
wie wir es nach den Worten des Herrn Dr. HöpkerAschoff eigentlich annehmen sollten, oder ob wir nicht zu fürchten brauchten, daß wir eines Tages nur mehr die Kostgänger des Bundes als CaritasEmpfänger sein würden.
({4})
Vom föderalistischen Standpunkt aus müssen uns, wenn wir all das betrachten, wirklich schwerste Bedenken gegenüber der vorgeschlagenen Änderung kommen, und wir müssen uns mit aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß immer und immer wieder versucht wird, auf dem Wege oder, sagen wir doch lieber gleich ehrlich: auf dem Umwege und durch die Hintertür eine Änderung des Grundgesetzes herbeizuführen, um den Zentralismus schrittweise, aber sicher zu verwirklichen. Kann man es verantworten, diese Versuche so lange fortzusetzen, bis vom föderalistischen Grundgedanken der Bundesverfassung schließlich nichts mehr übrig bleibt als der Name „Bund", der dann zur bloßen Farce wird?
Unsere Befürchtungen sind nicht grundlos, meine Damen und Herren, denn wir haben diesbezüglich schon genug erlebt. Mit den Methoden zentralistischer Vergewaltigung der Länder sollte nun wirklich einmal ein Ende gemacht werden. Wir können wahrlich sagen: Genug des bösen Spiels, wenn wir beispielsweise an die Anträge anläßlich der Frage der Bundespolizei, der Bundesverwaltung des Kriegsopferwesens, neulich wieder des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen, an das sogenannte Blitzgesetz, -an das Gesetz über den Südweststaat usw. usw. denken. Uns geht es um mehr als den gerade heute wieder zur Debatte stehenden Antrag. Uns geht es um Fragen von. grundsätzlicher Bedeutung. Ich möchte wirklich eine Warnung dahingehend aussprechen, daß es als Untergrabung des Verfassungsgedankens überhaupt angesehen werden muß, wenn jede als opportun erscheinende Gelegenheit wahrgenommen wird, um die Verfassung zu ändern. Wir geben gern dem Bunde, was des Bundes ist. Aber, meine Damen und Herren, geben Sie oder lassen Sie auch den Ländern das, was sie in an und für sich nicht mehr so reichlichem Maße heute noch besitzen!
Herr Abgeordneter, hinsichtlich Ihrer Redezeit appelliere ich an Ihre Agape.
Ich werde mich der Agape befleißigen und in einer halben Minute fertig sein.
Wenn wir als deutscher Staat und deutsches Volk wieder Anspruch auf Gleichberechtigung unter den Nationen der Welt haben wollen - und wir wünschen das - und wenn wir mit den Völkern Europas zu einer Einheit föderativer Natur kommen wollen - auch das wollen und wünschen wir ganz besonders -, dann müssen wir im deutschen Raum selbst auf die Grundsätze des föderalistischen Prinzips achten und allen Majorisierungstendenzen endgültig den Rücken kehren.
Dem vorliegenden Antrag können wir deshalb aus unserem föderalistischen deutschen und europäischen Bewußtsein unsere Zustimmung nicht geben.
({0})
Das W ort hat der Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, es fällt sehr schwer, bei dem Frosch-MäuseKrieg, der hier zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und der FDP-SPD-Koalition vorgeführt wird, wirklich ernsthafte politische Differenzpunkte zu erkennen. Zumindest habe ich mir sehr gut gemerkt, daß der Herr Bundesfinanzminister, nachdem er seine föderalistische Einleitung abgeschlossen hatte, erklärte, daß er seinen Standpunkt als gar nicht so weit entfernt von dem Standpunkt der Antragsteller und der Sozialdemokraten betrachte, die die Antragsteller unterstützen. Mir scheint, daß der Herr Finanzminister damit seine Stellung auch sehr gut präzisiert hat. Im Grunde genommen kommt es beiden auf das gleiche an, nämlich darauf, die Finanzkraft und damit die Verfügungsgewalt der Bundesinstanzen zu stärken. Dabei mögen vielleicht einige „landschaftliche" Rücksichten, etwa auf den Sonthofener Heimatverein, beim Herrn Finanzminister eine gewisse Rolle spielen. Aber letzten-Endes, wenn es darum geht - der Herr Kollege Mende hat das sehr richtig vorausgesehen -, die Mittel für den sogenannten „Verteidigungsbeitrag" und für die Besatzungskosten sicherzustellen, dann sind sich beide darin einig, daß dafür in erster Linie die Steuergelder aus Bund, Ländern und Gemeinden mit allen Mitteln eingetrieben werden müssen, möge auch die Finanzhoheit der Länder darüber flöten gehen und mögen auch die Bedürfnisse der Gemeinden dabei überfahren werden.
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Meine Damen und Herren! Bei der Vorlage, die die Kompetenzen des Bundes erweitern möchte auf die -Verantwortlichkeit für die Eintreibung und die Verwaltungsvorschriften bei a 11 e n Steuern, die auf Bundesgesetzen beruhen, geht es darum, alle Hemmnisse und alle Widerstände auszuschalten, die sich heute noch seitens der Länder und der Gemeinden bei der Wahrung ihrer besonderen Interessen auf sozialem und kulturellem Gebiete ergeben.
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Es ist hier von den Bedürfnissen einer vereinfachten, einer rationellen, einer sparsamen Verwaltung gesprochen worden. Man hat angeführt, daß das neue System dem Bunde eine zusätzliche Milliarde
Steuergelder einbringen würde. Aber, meine Damen und Herren, wenn man den Dingen auf den Grund geht, dann stellt man fest, daß der Schlag auf etwas ganz anderes abzielt, nämlich darauf, die noch bestehenden bescheidenen Reste einer demokratischen Selbstverwaltung der Gemeinden und der Länder zu vernichten und die erstrangigen Bedürfnisse der Besatzungsmächte und ihrer sogenannten „Sicherheitsplanungen" zu erfüllen. Von diesem Gesichtspunkt aus muß man auch sagen, daß der Termin, an dem die Vorlage uns hier beschert wird, sehr sinnvoll gewählt ist. Es ist wohl nicht ganz zufällig, wenn gerade heute bekannt wird, daß wir in nächster Zeit mit fertigen Tatsachen in bezug auf die Bereitstellung eines westdeutschen Beitrags zur „westlichen Sicherheit" rechnen müssen. Und es ist wohl auch kein Zufall, wenn gerade heute mitgeteilt wird, daß an den Prophezeiungen des Finanzministers darüber, daß uns an der Summe der Besatzungskosten etwas erspart bleiben werde, kein wahres Wort ist, sondern daß die Besatzungsmächte auf der Eintreibung in Höhe von vorläufig 9 bis 10 Milliarden DM auf Heller und Pfennig bestehen.
Das sind die wesentlichen Motive, die auch dieser Vorlage zugrunde liegen, und da sie vom Bundesfinanzminister im Grunde vollauf anerkannt werden, bin ich davon überzeugt, daß der Tag nicht mehr fern ist, an dem er auch formell den Vorschlägen der FDP-SPD-Koalition seine Zustimmung erteilen wird. Und ich bin sicher, daß es im Himmel des Petersbergs dann über diesen einen reuigen Sünder mehr Freude geben wird als über hundert Gerechte, die schon immer dem Zentralismus der Bundesverwaltung Vorschub geleistet haben.
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Meine Damen und Herren! Es ist am Platze, hier einmal von den Bedürfnissen der Länder und der Gemeinden zu sprechen, die mit Füßen getreten werden. Der Herr Finanzminister hat sich vor wenigen Tagen bemüßigt gesehen, nachzuweisen oder wenigstens zu erklären, daß durch seinen neuen Kurs, wie er durch die Inanspruchnahme von einem Drittel der Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen gekennzeichnet ist, keine haushaltsmäßigen Verschlechterungen bei den Ländern eintreten werden. Die Tatsachen aber überführen diese Erklärung des Bundesfinanzministers der Unwahrheit. Der Finanzsenator von Hamburg beispielsweise, Herr Dr. Dudek, hat in seiner Etatsrede vor der Hamburger Bürgerschaft am 23. Mai erklärt, daß trotz des Wegfalls der Interessenquoten und gewisser Finanzausgleichszahlungen jetzt für die Stadt Hamburg eine Mehrbelastung von 21 Millionen DM aus der Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuerbeträge durch den Bund entstehe, selbst dann, wenn es bei dem Bundesratsvorschlag auf Einbehaltung von nur 20 % bleibe. Es bleibt dem Herrn Finanzminister überlassen, diese Darstellung des Hamburger Finanzsenators zu widerlegen.
In der gleichen Rede wurde mitgeteilt, daß infolge der starken Inanspruchnahme der Steueraufkommen durch die Bundespolitik beispielsweise in Hamburg die Bereitstellungen für den Wohnungsbau in diesem Jahr von 24 Millionen auf 4 Millionen DM reduziert werden, also auf ein Sechstel. Es wird mitgeteilt, daß bei einem Neubedarf von 120 Schulen in Hamburg, die einen Kostenaufwand von 250 Millionen DM erfordern, insgesamt zwanzig Jahre vergehen müßten, bis
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dieser Bedarf gedeckt werde, wenn die Mittelbereitstellung im gleichen Maß wie in diesem Jahr weitergehe, in dem nur 12 Millionen DM für diesen wichtigen sozialen und kulturellen Zweck aufgewandt werden.
Oder lassen Sie mich ein anderes Beispiel aus einem ebenfalls sozialdemokratisch regierten Land erwähnen. Der hessische Finanzminister Dr. Troeger erklärte vor kurzem, daß die Steuerrücküberweisungen an die Gemeinden in diesem Haushaltsjahr um 9 Millionen DM verringert würden. Er erklärte weiterhin, daß mit einer allgemeinen Kürzung von Zuweisungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände in der Höhe von 18 Millionen DM zu rechnen sei. Er kündigte die Streichung der Mittel für die Schulkinderspeisung an.
Weiter möchte ich auf eine Anweisung der hessischen Innen- und- Finanzminister vom Januar dieses Jahres an die Gemeinden und Gemeindeverbände aufmerksam machen, in der bindende Verpflichtungen für die „volle Ausschöpfung der Steuerkraft" ausgesprochen werden
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und in der die Zuweisung bestimmter Leistungen aus dem Finanzausgleich an die Gemeinden ausdrücklich davon abhängig gemacht wird, daß eine Reihe von Gemeindesteuern auf eine vorgeschriebene Höhe gebracht werden. Das betrifft die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, das betrifft Vorschriften über die Erhebung einer Lohnsummsteuer, das betrifft Vorschriften für die Erhöhung der Tarife für Gas, Wasser und Elektrizität und für die Erhöhung von Gebühren der städtischen Verkehrsmittel. Weiter betrifft es Vorschriften für die Entlassungen aus Gemeindediensten, es betrifft die Verpflichtung zur Erhöhung der Kreisumlagen usw.
Gestatten Sie mir, am Beispiel einer hessischen Gemeinde nachzuweisen, wie sich dieser Druck von oben her, der Druck der Gleichschaltung im Sinne der Schäfferschen Bundesfinanzpolitik auf Länder und Gemeinden auswirkt. Es handelt sich um die hessische Gemeinde Oberursel, in der seit 50 Jahren kein neuer Schulbau errichtet worden ist, obwohl in dieser Zeit die Zahl der Schüler auf das Dreifache angestiegen ist. Der Kostenaufwand der Gemeinde für Schulunterhaltung ist von 1935 bis 1951 von 107 000 RM auf 297 000 DM gestiegen.
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Andererseits ist die Gemeinde verpflichtet, eine Kreisumlage aufzubringen, die gegenüber 106 000 RM im Jahre 1934 nunmehr im Jahre 1951 240 000 DM beträgt. Die Zuweisungen seitens des Landes an die Gemeinde sind zur selben Zeit aber in rigoroser Weise gesenkt worden.
Anknüpfend an die Tradition der Hitlerschen Finanzpolitik, die ja gleichfalls schon die Drosselung der Zuweisungen an die Gemeinde- und Selbstverwaltungskörperschaften vorgenommen hat, ist die Steuerrücküberweisung pro Kopf der Bevölkerung von 24,50 RM im Jahre 1935 auf nunmehr 6 DM im Jahre 1951 herabgesetzt worden.
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- Das gehört hierher, Herr Kollege, und zwar deswegen, weil Sie hier Maßnahmen treffen wollen, um die den Ländern und den Gemeinden zur Verfügung stehenden Mittel noch weiter einzuschränken. Es ist ein Hohn, wenn angesichts dieser Tatsache Sprecher der SPD draußen im Landes auftreten und die Finanzpolitik der Bundesregierung „bekämpfen". Wir sehen, daß heute schon die dritte Etappe auf dem Wege ihrer Unterstützung der Bundesfinanzpolitik zurückgelegt wird. Die erste war die zustimmende Erklärung zur Einbehaltung eines Drittels der Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen durch den Bund. Der zweite Schritt ist in der Anfrage der SPD-Fraktion Nr. 192 zu sehen, in der die Bundesregierung gefragt wird, was sie tun will, um die Steuerhinterziehungen der Länderregierungen zu unterbinden.
Kommen Sie zum Schluß!
Ich komme zum Schluß. - Ich erinnere mich an eine Rede, die ein Sprecher Ihrer Fraktion vor kurzem hielt, in der er die Summe von 4 1/2 Milliarden DM für Steuerhinterziehungen aus dem Privatkapital nannte. Warum erstreckt sich Ihre Anfrage nicht -auf diese Summe? Warum beschuldigen Sie die Länderverwaltungen, die ohnedies unter ihren ständig steigenden Defiziten leiden, der Steuerhinterziehung und machen die Bundesfinanzverwaltung scharf, diese hinterzogenen, wie Sie sagen, Gelder nun mit aller Gewalt einzutreiben?
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Kommen Sie zum Schluß!
Darum, weil Sie ebenso wie heute bei dieser Vorlage das Primat der Bedürfnisse der amerikanischen Aufrüstungspolitik anerkennen; darum, weil Sie das Primat der Eintreibung der Besatzungskosten anerkennen; darum sind Sie letzten Endes in der grundsätzlichen Frage mit der Bundesregierung und mit der FDP einverstanden.
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Darum, meine Herren, möchte ich Ihnen empfehlen, auch draußen im Lande so freudig die Verantwortung für die Bundesfinanzpolitik und ihre Methoden der gewaltsamen Eintreibung der Steuergelder zu übernehmen. Dann wird das Volk sehr viel schneller merken, woran es ist und wer mit die Schuld an der Verschlechterung seiner wirtschaftlichen und sozialen Situation trägt.
Wir lehnen die Vorlage der FDP-Fraktion ab, weil sie ebenso wie seinerzeit die finanzpolitischen Maßnahmen der Hitlerregierung darauf abzielt, den Bedürfnissen der Kriegspolitik den Vorrang einzuräumen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Debatte stehende Antrag verlangt eine Änderung des Grundgesetzes in einer seiner entscheidendsten Grundlagen. Zur Begründung dieses Antrages hat der Kollege HöpkerAschoff eine Darstellung der geschichtlichen Entwicklung der einheitlichen Finanzverwaltung gegeben. Sie steht im Zusammenhang mit diesem Antrag nicht zur Debatte, sondern zur Debatte auf Grund des Antrags steht nur der Nachweis, daß die jetzige Regelung nicht funktioniert. Dazu hat der Kollege Höpker-Aschoff erklärt, daß die Position
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der jetzigen Finanzverwaltung unhaltbar geworden sei. Warum soll sie, nach seinen Ausführungen und nach den Ausführungen in der Presse, unhaltbar geworden sein?
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Erstens: Einzelne Länder hätten den Versuch gemacht, ab 1. April 1950 für den Bund angefallene Verbrauchsteuern für sich zu verwenden. Zweitens: Die Länderfinanzverwaltungen hätten den Bundesfinanzgesetzen eine verschiedene Auslegung gegeben; sie hätten darüber hinaus eine mildere Besteuerung großer Unternehmen zu Lasten des Bundes durchgeführt, um diese Unternehmen in ihr Land zu locken. In der „Zeit" schreibt drittens die Gräfin Dönhoff heute, daß die bundeseinheitliche Personalverwaltung eine Einsparung von einer halben Milliarde ergebe. Der Kollege Höpker-Aschoff sagte weiter zur Begründung, Finanzexperten aus dem Bundesfinanzministerium seien viertens der Meinung, daß eine bundeseinheitliche Finanzverwaltung besser sei. Nun, zum Teil sind es schwerwiegende und gewichtige Gründe, die uns veranlassen könnten, einmal zu überlegen, ob die jetzige Finanzverwaltung die richtige ist. Es heißt immer, vor allen Dingen bei den Verfehlungen, die man den Länderfinanzverwaltungen vorwirft, daß es „so sein solle". Wir wünschen und verlangen, um hier der Wahrheit die Ehre zu geben, daß im Ausschuß, wo ja diese Vorlage behandelt werden muß, nun einmal exakt nachgewiesen wird, ob diese Vorwürfe überhaupt der Wahrheit entsprechen, und daß sie auf ihr richtiges Maß zurückgeführt werden.
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Wenn von der Gräfin Dönhoff von einer verbilligten Personalverwaltung gesprochen wird, so müßte auch das untersucht werden. Aber ich möchte gleich dazu bemerken, daß wir daran nicht glauben. Im Gegenteil, wir glauben, daß, weil ja eine Landesfinanzverwaltung beibehalten werden muß, eine ungeheuere Verteuerung eintritt. Wenn Finanzbeamte meinen, daß die Vereinheitlichung in der Finanzverwaltung besser sei, so kann ich das verstehen; sie sind ja in diesem System erzogen. So schnell kann man nicht umlernen. Es wird jedoch höchste Zeit, daß die Betreffenden umlernen.
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- Herr Kollege Greve, wir haben in einem Ausschuß kürzlich erleben müssen, daß uns von einer Verwaltung erklärt wurde: Wir haben zwar kein Weisungsrecht, aber die Verwaltung in der Verständigung mit den Ländern ist tadellos, reibungslos verlaufen; allerdings müssen wir bemerken, wir müssen uns eines anderen Tones befleißigen, wir müssen sehr vorsichtig und höflich sein. - Es wäre wünschenswert, daß. der Unteroffizierston aus der Verwaltung verschwindet und daß wir nicht nur Unteroffiziere, einen zivilen Militarismus, haben, sondern daß wir eine Verwaltung haben, die es auch lernt, mit den Einzelverwaltungen und mit dem Volke anders umzugehen, als es in der Vergangenheit oft der Fall war. Es wäre sehr, sehr gut, wenn da ein Wandel vor sich ginge. Wir wünschen keine Uniformierung und wünschen nicht, daß nur Befehle erteilt werden, die befolgt werden müssen, vor allem nicht in der zivilen Verwaltung.
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- Ich weiß nicht, das müßte Ihnen doch recht sein, Herr Kollege Greve.
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- Ach so. Also haben w i r uns verstanden.
Nun etwas Grundsätzliches. Meine Freunde und ich sind keineswegs so ohne weiteres bereit, bei allen auftretenden Mißhelligkeiten sofort nach einer Verfassungsänderung zu rufen.
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Das Grundgesetz besteht jetzt knapp zwei Jahre. Wir versuchen, nach ihm unseren Staatsaufbau durchzuführen.
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Wir versuchen überhaupt erst einmal, das Grundgesetz zu leben. Wir Deutsche sind eigenartige Menschen. Kaum haben wir etwas geschaffen, dann sind wir schon meilenweit darüber hinweg, bei etwas ganz anderem, dann denken wir nicht mehr daran; wir leben es gar nicht. Man bezeichnet das als faustisch. Aber im Staatsleben ist dieser faustische Zug äußerst gefährlich, das Gefährlichste in der Vergangenheit gewesen und das Gefährlichste in unserer jetzigen Entwicklung. Ich glaube, wir haben die Aufgabe, erst einmal unseren Staat nach den Grundsätzen, die wir im Grundgesetz geschaffen haben, aufzubauen, den Versuch zu machen, danach zu leben und nicht bei der geringsten Kleinigkeit sofort nach einer Änderung zu rufen.
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Wir sträuben uns grundsätzlich gegen jede Änderung, mag es hier oder sonstwo sein. Wir verlangen erst einmal den Nachweis, daß wirklich Mißstände vorhanden sind. Es ist entscheidend, daß die Grundlage unseres ganzen Staatswesens nicht labil gestaltet wird, sondern es muß überhaupt erst einmal die Voraussetzung zu einem stabilen Staatsleben geschaffen werden. Wenn uns nachgewiesen wird, daß wirklich Mißstände vorliegen, dann wollen wir nicht so primitiv sein, daß wir gleich nach dem Letzten rufen, sondern uns zutrauen, erst einmal andere Möglichkeiten zu finden, statt gleich alles zum alten Eisen zu werfen. Es ist kein Zeichen von geistiger Qualität und Höhe, wenn man sofort wieder nach der Uniform ruft
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und hier etwas schaffen will, was diesen ganzen zivilen Sektor uniformiert - etwas anderes ist es ja nicht, Herr Dr. Greve! -, um "einheitliche Befehle bis nach unten hin durchzuführen.
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Es ist vom geistigen Standpunkt aus höher zu bewerten, wenn wir endlich einmal lernen, auf geistiger Ebene neue Gedanken zu finden. Ich traue es unserem Finanzminister zu, daß er diese Gedanken findet, und ich traue es auch den meisten im Hause zu, daß sie einen Ausweg finden werden, um die Mißstände, die angeblich so groß sind, abzustellen und Ordnung zu schaffen.
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Wir wünschen, daß das Gesetz dem Finanzausschuß sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Beratung überwiesen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, die Völker Europas und ihre heiligsten Güter in der Frage zu beschwören, ob die Einkommensteuer besser durch ein Landesfinanzamt oder ein Bundesfinanzamt veranlagt und erhoben wird. Aber zunächst möchte ich folgendes sagen - Herr Kollege Laforet, ich weiß nicht, ob ich Sie ganz richtig verstanden habe -: Bei aller Liebe für die Einheit der Verwaltung und einer angestammten Liebe für die Kommunalverwaltung und die allgemeine und innere Verwaltung, glaube ich, müssen wir uns doch zu dem Standpunkt durchringen, daß Steuerverwaltungen für alle Zeit Sonderverwaltungen sein müssen. Ich darf mich da auf einen Verstorbenen beziehen, auf Herrn Popitz, den ehemaligen Staatssekretär im Reichsfinanzministerium, der sich auch mit schwerem Herzen zu diesem Standpunkt durchgerungen hatte.
Nun zu dem Thema, das meines Erachtens von der Frage des Finanzbedarfs und seiner zweckmäßigsten Deckung doch nicht ganz zu trennen ist. Es ist nicht zu leugnen, daß der Finanzbedarf in den letzten Jahren beim Bund stärker gewachsen ist als bei allen anderen Gebietskörperschaften. Verzeihen Sie, meine Herren von der Bayernpartei, wenn ich auch die Länder als solche bezeichne; aber ich bitte hier um mildernde Umstände. Es ist für einen Menschen, der einmal ganz gern in Preußen gewohnt hat, unendlich schwer, einen Staatsbegriff „Nordrhein-Westfalen" über Tag und Nacht zu übernehmen.
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Meine Damen und Herren! Der wirklich zeitgenössische Artikel des Grundgesetzes ist meines Erachtens der Art. 120. Darin ist uns die Aufgabe gestellt, einen gewaltigen Krieg zu liquidieren und, wie man uns neuerdings ja auch sagt, einen zukünftigen Krieg abzuwehren. Das ist eine Aufgabe, die leider Gottes zwangsläufig zu einer Verstärkung der Zentrale führen muß. Ich sage das besonders unter dem Gesichtspunkt der Gemeinden und Gemeindeverbände, die dabei zweifelsohne Not leiden müssen. Wer noch nicht daran geglaubt hat, daß dieser Finanzbedarf des Bundes vordringlich ist, der möge sich die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951, Drucksache Nr. 2245, einmal ansehen. Hier ist sogar vom Bundesfinanzministerium der Versuch eines Prioritätensystems im Finanzbedarf gemacht worden, und ich stehe persönlich nicht an, zuzugeben, daß es gelungen ist, den Nachweis dafür zu erbringen.
Nun erhebt sich folgende Frage. Wenn der Bund einen solchen starken und immer wachsenden Finanzbedarf hat, kann man dann noch Steuern, die er benötigt - in diesem Fall handelt es sich um einen wesentlichen Anteil an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer -, in Auftragsverwaltung durch die Landesfinanzbehörden, d. h. die Finanzämter, veranlagen und einziehen lassen? Das ist die entscheidende Frage. Wir haben schon einmal auf diesem Gebiet Fiasko erlitten. Ich darf daran erinnern, daß die Reichsfinanzverwaltung im Jahre 1920 ja zunächst noch nicht eigene Hebestellen hatte, sondern die Gemeindekassen als Hebestellen
besaß und daß' die Gemeinden damals gesündigt haben. Ich denke aber auch daran, daß in den schwierigen, kritischen Jahren vor 1933 die preußischen Gemeinden als Hebestellen für die Hauszinssteuer des Staates Preußen und für die staatliche Grundsteuer versagt haben, indem sie diese Steuern zurückbehielten. Es gab hier in der Nachbarschaft eine große Stadt, die auf diesem Gebiete der Sünde den besonderen Vortritt hatte.
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Ich glaube, Herr Kollege Dresbach, das Haus ist lüstern, den Namen dieser Stadt zu erfahren.
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Nein, Herr Präsident, ich ({0})
- Herr Präsident, Sie sind mir nicht böse, wenn ich Ihre ja nicht zwingende Frage nicht beantworte.
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Nein, nein, durchaus nicht!
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Meine Damen und Herren! Es kommt jetzt entscheidend darauf an, ob die Länderfinanzverwaltungen diese große Probe bestehen werden, die ihnen der Herr Bundesfinanzminister mit diesem Gesetzentwurf stellt, nämlich über 30 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer unmittelbar an den Bund abzuführen. Herr Höpker-Aschoff, ich würde mich freuen, wenn Sie Ihren Antrag vielleicht noch ein Jahr zurückstellen könnten, um der Landesfinanzverwaltung diese Probezeit zu geben, ob sie wirklich so herrlich ausgebaut und voll so trefflichen Geistes ist, wie die Kameraden von der föderalistischen Front es hier deklariert haben.
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Im übrigen schließe ich mich allerdings dem Antrag an, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Steuern und Finanzen zu überweisen. Es ist schon einmal ein Antrag zur Änderung des' Grundgesetzes, und zwar zu Art. 91 betreffend Polizeifragen gestellt worden. Er liegt auf Eis.
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- Sie sagen: Gott sei Dank! Na ja, - ({2})
Meine Damen und Herren, damals ist nur der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung mit der Bearbeitung beauftragt worden. Ich würde es persönlich als ein kleines Mißtrauensvotum ansehen, wenn man diesen Gesetzentwurf noch einem anderen Ausschuß, also beispielsweise dem für Verfasungswesen, zuleiten wollte. Lassen wir es doch eindeutig beim Ausschuß für Steuern und Finanzen. Sein Vorsitzender ist zwar Herr Kollege Höpker-Aschoff; aber wir sind von seiner Objektivität überzeugt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag wurde von verschiedenen meiner Vorredner unter dem Gesichtspunkt „hie Föderalismus - hie Unitarismus" entweder verteidigt oder angegriffen. Ich glaube, daß die Erörterung dieser Frage im gegenwärtigen Zeitpunkt bei diesem Antrag keineswegs angebracht ist.
Ich erinnere an das Gesetz über die Bundesfinanzverwaltung. Damals haben wir dem Bund die bundeseigene Unterverwaltung genommen und als unterste Instanz die Oberfinanzdirektion für die Verwaltung der Umsatzsteuer und zur Amtshilfe die ländereigenen Finanzverwaltungen eingesetzt, ohne uns darum zu kümmern, ob hierdurch das föderalistische Prinzip vielleicht überspitzt werden und das unitarische Prinzip vielleicht zu sehr Schaden leiden könnten. Wir haben es einfach unter dem Gesichtspunkt getan, daß es sich bei der Erhebung von Steuern um Gelddinge handelt und in Gelddingen die Gemütlichkeit aufhört. Hier kommt es darauf an, daß tatsächlich nach rationalen Verwaltungserfordernissen und nach dem Grundsatz der Gleichbesteuerung festgestellt wird, welcher Weg in der Finanzverwaltung der zweckmäßigste ist. Dieses Objekt wäre das denkbar ungeeignetste, um daran große föderative und unitarische Prinzipien zu erproben.
Der Antrag der FDP ist von Herrn HöpkerAschoff zunächst einmal damit begründet worden, daß die Verwaltungskosten bei der doppelten Verwaltung erheblich höher wären als bei einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung. Der Herr Bundesfinanzminister hat dieses Argument entschieden bestritten und in einem kühnen, allzu kühnen Vergleich auf die Jahre nach 1933 hingewiesen. Das Bundesfinanzministerium hat auch schon in einer Verlautbarung mitgeteilt, daß die Verwaltungskosten des „Dritten Reiches" höher gewesen seien als die jetzigen Verwaltungskosten in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist aber aus dieser Verlautbarung nicht im einzelnen zu erkennen gewesen, ob in den Verwaltungskosten insbesondere auch die Ausgaben für die Wehrmacht enthalten waren. Solange man nicht die Einzelheiten kennt und die Zahlengrundlagen miteinander vergleichen kann, kann man sich ein Urteil darüber nicht erlauben, welche Verwaltung teurer und welche billiger ist. Man müßte diese Dinge einmal genau untersuchen. Der erste Anschein spricht allerdings dafür, daß die jetzige Verwaltungsform erheblich teurer ist als die einheitliche Bundesfinanzverwaltung. Wir sollten einmal die Kosten der früheren Finanzverwaltung und der heutigen miteinander vergleichen und nicht alle übrigen Verwaltungen einbeziehen. Wenn wir das täten, würde sich meiner Ansicht nach sehr schnell ergeben, wie die Dinge wirklich liegen.
Ich habe mir aus den Etats der einzelnen Länder die Zahlen darüber geben lassen, was die einzelnen Finanzministerien kosten. Die Sache ist gar nicht so einfach; denn hier in Bonn haben wir zwar Landeshäuser und Landesvertretungen von allen Ländern, aber ich konnte die Haushalte nur von insgesamt sechs Ländern erhalten. Die übrigen Landesvertretungen und auch unser Archiv haben nicht einmal die Länderhaushalte. Wir sind also
überhaupt nicht in der Lage, hier den Dingen auf den Grund zu gehen.
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- Sehr richtig, G-Kdos! - Aus der von mir gemachten Zusammenstellung ergibt sich, daß beispielsweise das Finanzministerium in. Bayern einen Kostenaufwand von 5,3 Millionen DM, das Finanzministerium in Hessen einen solchen von 3,5 Millionen DM, in Nordrhein-Westfalen - man höre und staune - nur von 2,3 Millionen DM, in Schleswig-Holstein von 1 Million DM, in Württemberg-Baden von 1,7 Millionen DM und in Württemberg-Hohenzollern von 907 000 DM erfordern. Man muß nun berücksichtigen, daß daneben die Oberfinanzdirektionen bestehen und daß die Finanzministerien in ihren Steuerabteilungen weiter nichts zu tun haben, als die Anordnungen, die von Bonn kommen, zu vervielfältigen und weiterzugeben und eigene Erläuterungen dazu zu schreiben, daß also damit eine neue Instanz geschaffen worden ist, die sich - das hat eine jahrzehntelange Praxis erwiesen - als überflüssig oder jedenfalls als nicht notwendig gezeigt hat. Ein ganz großer Teil dieser Kosten, die in den Länderfinanzministerien entstehen, ist also sicherlich überflüssig und ohne weiteres einzusparen.
Wenn wir dem Antrag auf den Grund gehen wollten, müßten wir einmal genau untersuchen, ob das Argument des Herrn Bundesfinanzministers richtig ist, daß eine Ausdehnung der Zentralinstanz tatsächlich notwendig wäre, wenn wir hier die Länderinstanzen abschaffen würden. Es ist sicher nicht richtig, daß diese Länderinstanzen notwendig wären; denn früher haben die Oberfinanzpräsidenten ihre Weisungen ebenfalls unmittelbar vom Reichsfinanzministerium bekommen, und das hat nie Schwierigkeiten gemacht. Es ist völlig überflüssig, dazwischen die Länderfinanzministerien einzuschalten, die hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs zum großen Teil identisch sind mit den Oberfinanzdirektionen. Hier könnte man wesentliche Ersparnisse erzielen.
Es kommt aber ein zweiter Gesichtspunkt hinzu, der ebenso wichtig ist und ebenso genau untersucht werden muß. Es handelt sich um die Frage, welchen Einfluß die Länderfinanzverwaltung auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung hat. Unser oberstes Prinzip als Parlament darf doch nicht sein, daß wir sagen: ja, die Instanz schadet uns nichts; unser oberstes Prinzip muß vielmehr sein, daß wir fragen, ob die Gleichmäßigkeit der Besteuerung unter dieser Finanzverwaltung tatsächlich noch gewährleistet ist. Die Steuerpflichtigen haben ein Recht, und zwar ein sehr wichtiges Grundrecht darauf, daß sie gleichmäßig zu den Steuern herangezogen werden. Wir würden als Gesetzgeber unsere Aufgabe verfehlen, wenn wir die Organisation so einrichten würden, daß nicht mehr alle Deutschen vor dem Gesetz, nämlich vor dem Steuergesetz gleich behandelt würden, sondern die Steuern in dem einen Staat infolge der Verwaltungshandhabung sehr viel niedriger wären als in dem andern; denn dadurch würde das Recht des einzelnen deutschen Staatsbürgers auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzt. Dieser Gesichtspunkt scheint mir von wesentlicher und entscheidender Bedeutung zu sein, jedenfalls entscheidender als die bloße Frage, ob wir mit dieser Verwaltungsform, wie wir sie bisher haben, operieren können.
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Der vielleicht entscheidendste Einwand ist der, daß die gegenwärtigen staatsrechtlichen Verhältnisse sehr schwierig seien und daß wir nicht erneut mit dem Bundesrat anbinden sollten, nachdem wir uns nicht einmal über den Anteil haben einigen können, den der Bund von der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nehmen soll. Der Hinweis auf die außerordentlich schwierige staatsrechtliche Konstruktion unseres Staatswesens ist sehr ernst zu nehmen. Wenn ich hoffen könnte, wie wohl der Herr Bundesfinanzminister hofft, weil er sich entweder als Dornröschen oder als Prinz fühlt - ich denke, er fühlt sich eher als Prinz -, daß die rechte Stunde ,in absehbarer Zeit kommt, in der er das Dornröschen wachküssen könnte und in der er dann die Bundesfinanzverwaltung aus der Taufe heben könnte, dann würde ich sagen: Gut, wir würden noch etwas warten. Aber ich glaube, diese Angelegenheit verträgt keinen zeitlichen Aufschub, zumindest dann nicht, wenn es richtig ist, daß durch die unterschiedliche Verwaltungshandhabung in den einzelnen deutschen Ländern tatsächlich eine sehr verschiedene Heranziehung der einzelnen Steuerpflichtigen erfolgt. Wenn nämlich das der Fall ist, sind wir meiner Ansicht nach verpflichtet, entsprechend vorzugehen.
Meine Damen und Herren, wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, daß im Grundgesetz in diesem Punkt eine ganze Reihe von Fehlerquellen verborgen liegt. Wir haben deshalb u. a. damals vor allem einen Bundessparkommissar verlangt - Sie werden sich daran erinnern, daß ich damals den Antrag auf Einsetzung eines Bundessparkommissars begründen durfte -, damit wir eine dem Parlament verantwortliche Stelle hätten, die diesen Dingen auf den Grund gehen konnte, die überprüfen konnte, ob und in welcher Höhe sich hier Verschiedenheiten in der Besteuerung ergeben hätten. Hätten wir damals bereits einen derartigen Bundessparkommissar eingesetzt, so würden wir jetzt nicht in solchem Maße auf Vermutungen und Schätzungen angewiesen sein, die in der Presse ja außerordentlich weit auseinandergehen. Während die einen sagen: es ist ein Objekt von 300 Millionen im Spiel, sagen andere: es sind mehrere Milliarden hierbei zu gewinnen oder zu verlieren. Würden wir deshalb diese Frage schon länger untersucht haben, würden wir heute über bessere Zahlenunterlagen verfügen. Jetzt, nachdem dieser Antrag der FDP vorliegt, wird uns nichts anderes übrig bleiben, als diese Ermittlungen, die wir bisher nicht haben anstellen können, und die Untersuchungen, die unbedingt notwendig sind, um ein klares Bild zu gewinnen, durchzuführen.
Die Schwierigkeiten dabei dürfen aber nicht verkannt werden. Denn welches Landesfinanzministerium wird freiwillig alle Dinge aufdecken, die es gemacht hat, um dem einen oder anderen Industriezweig oder dem einen oder anderen Betrieb besondere steuerliche Vorteile zu gewähren? Das sind doch Dinge, die ungewöhnlich schwer zu entdecken sein werden. Wir werden uns dieser Aufgabe aber nicht entziehen können, wenn die Behauptung des Bundesfinanzministers aufrechterhalten bleiben sollte, daß durch die Einrichtung einer einheitlichen Finanzverwaltung keinerlei zusätzliche finanzielle Reserven erschlossen werden könnten. Hier scheint mir das entscheidende Argument zu liegen. Dieses Argument können wir nur durch eine eingehende Untersuchung klären.
Ich bitte deshalb, diesen Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
van Thadden ({0}): Herr Präsident! 'Meine Damen und Herren! Aus der Debatte um einen Antrag der FDP ist beinahe eine Debatte um das Grundgesetz überhaupt geworden. Lassen Sie mich zunächst auf den vorzüglichsten Artikel dieses Grundgesetzes hinweisen, nämlich den Art. 146, in dem steht, daß dieses Grundgesetz nur vorläufig sei. Damit ist meines Erachtens auch wohl der Ansicht Ausdruck gegeben worden, daß es geändert werden könne. Ich zitiere einen Absatz aus dem Bericht des Parlamentarischen Rates, der von Herrn Höpker-Aschoff erstattet wurde. Er schreibt:
Alles in allem wird man dem Parlamentarischen Rat nicht vorwerfen können, daß er nicht alles nur Mögliche getan habe, dem Bunde auf dem Gebiet des Finanzwesens eine starke Stellung einzuräumen. Daß diejenigen, die für eine ungeteilte Bundesfinanzverwaltung gekämpft haben, nicht zufrieden sind, bleibt bestehen.
Meine Damen und Herren, sie sind deswegen nicht zufrieden und auch heute nicht zufrieden, weil es die hier bereits zitierten Eingriffe der Besatzungsmacht waren, die den Beschluß, der ja mit einer Mehrheit hier im Parlamentarischen Rat gefaßt war, wieder umwarfen. Daß diese Eingriffe sich rein zufällig mit der Meinung einiger Superföderalisten deckten, ist meines Erachtens unerheblich. Aber die Militärgouverneure, die damals diese Note an den Parlamentarischen Rat richteten, waren Vertreter Englands, eines zentral organisierten Staates, und Frankreichs, eines ebenfalls zentral organisierten Staates, und sagten: Ihr müßt hier eine schwache Bundesfinanzverwaltung haben! Meine Damen und Herren, warum? Damit nämlich Deutschland schwach sein sollte!
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- Der Vergleich mit den USA hinkt, und zwar deswegen, weil die USA einigemal größer sind als unser Westdeutschland, und weil sie es sich leisten können.
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- Bei der Schweiz, Herr Farke, haben wir Verhältnisse, die etwas anders gewachsen sind als die unsrigen; wir brauchen uns daher keineswegs auf ,diese Dinge zu beziehen.
Nun ist hier gesagt worden, das Dritte Reich warne. Meine Damen und Herren, richtig, es warnt, aber nur in seinen überspitzten Auswirkungen. Vergleichen wir doch nur einmal! Damals, unter diesem übertriebenen Zentralismus, war es möglich, daß die Frage, ob in einer Volksschule Betonrohre oder Eisenrohre eingebaut werden sollten, im Kultusministerium in Berlin entschieden werden mußte. Das ist übertrieben, genau so, wie es heute übertrieben ist, daß der Flüchtlingsausgleich partout nicht geregelt werden kann, weil die Länderinteressen dauernd divergieren.
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Das sind nur einige kleine Beispiele, meine Damen und Herren. Aber wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, daß diese ganzen Maßnahmen der Alliierten damals nur getroffen wurden und diese Note nur hergeschickt wurde, um uns schwach zu halten, dann hat ihn doch wohl die heutige Rede des Kommunisten in überzeugendster Weise geliefert. Denn der redet ja auch nicht unserer Sache das Wort, daß wir hier stark werden sollen, son({4})
dern es liegt in seinem Sinne, daß wir hier möglichst schwach bleiben.
Meine Damen und Herren, die Mißhelligkeiten, die sich durch die Länderfinanzverwaltungen ergeben haben, sind hier genügend geschildert worden. Auch die Ausführungen, die Herr Dr. Greve dazu machte, waren unseres Erachtens durchaus zutreffend. Es wäre nun unserer Meinung nach langsam an der Zeit, in eine Debatte um die Änderung dieses Grundgesetzes einzutreten. Wir haben schon einmal das Theater gehabt mit der Polizei. Wir lesen, daß jetzt plötzlich die Bundespolizei sich mit Nordrhein-Westfalen darüber streitet, ob der Bundespolizist auf dem nordrhein-westfälischen Hoheitsgebiet vor der Villa Heuß stehen darf oder nicht. Wir beschäftigen uns hier mit Witzen zu einem Zeitpunkt, in dem es doch wahrlich um größere Dinge geht. Und warum ist diese Bundespolizei noch nicht weiter? Weil der entsprechende Antrag, dank den Föderalisten, heute noch im Ausschuß auf Eis liegt und davon vorerst wohl auch nicht herunterkommt. Wenn es nach uns ginge, würde dieser Antrag der FDP, ohne daß er erst an einen Ausschuß verwiesen wird, heute directement angenommen werden, denn sein Inhalt ist klar genug.
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Die Steuermoral wurde hier ebenfalls zitiert. Es ist unseres Erachtens für die ohnehin sehr niedrige Steuermoral nicht gerade förderlich, daß die Steuerregelungen in allen Ländern unterschiedlich sind. Es ist für die Steuermoral einer Firma nicht gerade gut, wenn sie in zwei verschiedenen Ländern Fabrikationsstätten hat und dann alle möglichen Laviermanöver ausführt, um den Staat, auf deutsch gesagt, zu betrügen, was sie nicht könnte, wenn wir eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung hätten.
Meine Damen und Herren, bei der Rede, die Herr Kollege Laforet vorhin hier gehalten hat, hatte ich den Eindruck, hier halte ein emeritierter Professor seine Abschiedsrede. Das Tremolo war entsprechend, aber auch die Gedankengänge waren emeritiert.
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Herr Abgeordneter von Thadden, was Sie soeben gesagt haben, war nicht sehr fair!
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von Thadden ({1}): Ich wollte mit meinem zweiten Satz keineswegs sagen, daß der Herr Kollege Laforet emeritiert ist - das haben wir nämlich an seiner Vitalität gesehen -, sondern nur, daß die Gedankengänge, die er hier vorgetragen hat, unseres Erachtens durchaus emeritiert sind.
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Meine Damen und Herren, wir haben uns nun heute hier über die Vorzüge von Föderalismus, Zentralismus und ähnlichen Dingen mehr unterhalten Nun, wir Deutsche sind in der meines Erachtens außerordentlich günstigen Situation, im Verlaufe von etwa 20 Jahren zwei Extreme erlebt zu haben. Wir haben erlebt, wohin ein Zentralismus extremer Art führt, und wir haben erlebt und erleben es noch jetzt, wohin es führt, wenn wir ein dauerndes Gegeneinander von Ländern
haben, das außerdem noch sanktioniert ist durch I eine nach unserer Ansicht falsche Verfassung. Wir sollten doch wohl imstande sein, aus diesen Erfahrungen, die wir nach beiden Richtungen hin gemacht haben, die richtige Konsequenz zu ziehen, nämlich einen Mittelweg zu finden, einen Mittelweg, den es zweifellos gibt. Es ist nach unserem Dafürhalten außerordentlich dringlich, daß mit dem jetzt zur Debatte stehenden Antrag endlich der Anfang gemacht wird, unsere Verfassung so zu ändern, wie es den Erfordernissen der heutigen Zeit entspricht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einer meiner Herren Vorredner hat gesagt, er wolle nicht die „heiligsten Güter Europas" beschwören, wenn es nur um die Veranlagung zur Einkommensteuer gehe. Insoweit, als es die Veranlagung zur Einkommensteuer betrifft, hat er recht. Aber ich glaube, zu den heiligsten Gütern Europas zählen auch die Verfassungen der europäischen Länder. Es ist in den Ländern innerhalb und außerhalb Europas, die eine demokratische Tradition haben, üblich, eine Verfassung nicht alle halbe Jahre zu ändern. Wenn ich aber die Anträge zusammenzähle, die in diesem Hohen Hause, vor allem von der Freien Demokratischen Partei, auf Verfassungsänderung eingebracht worden sind, dann kommen wir tatsächlich alle halbe Jahre zu einer Verfassungsänderung.
Wenn das Grundgesetz einmal geschaffen ist, das als Kompromiß manche Unvollkommenheiten an sich trägt, dann werden wir es nun auch einmal respektieren und erst einmal - wie ein anderer Redner gesagt hat - sehen, daß es in unserem Lande wirklich gelebt wird. Deshalb ist die Frage, die jetzt zur Erörterung steht, als eine Verfassungsfrage zu sehen. Ich möchte deshalb namens meiner Freunde ausdrücklich beantragen, den vorliegenden Antrag der FDP auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, und zwar als dem federführenden Ausschuß, nicht weil ich gegen den Vorsitzenden des Steuerausschusses irgendein Bedenken habe - den ich persönlich ebenso schätze, wie ich ihm politisch meistens leider nicht zu folgen vermag -, sondern deswegen, weil es hier in erster Linie um eine Rechts- und Verfassungsfrage geht. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat heute in seiner Rede darauf hingewiesen, daß das deutsche Parlament bestimmte Partien des Grundgesetzes, z. B. die Bundesfinanzverwaltung, nicht freiwillig geschaffen habe, sondern daß ihm diese von den Besatzungsmächten aufgezwungen worden seien. Wenn ich den Herrn, Kollegen Höpker-Aschoff richtig verstanden habe, hat er seine Ausführungen auf die Bundesfinanzverwaltung begrenzt. Nicht alle seine Parteifreunde tun desgleichen. Sie können es alle Augenblicke in gemäßigter Form im Bundestag und in hemmungsloser Form draußen im Lande hören, daß überhaupt das föderative System der Bundesrepublik von draußen her aufgezwungen sein soll. Im niedersächsischen Wahlkampf hat man dem in einem Wahlplakat Ausdruck verliehen, das ich hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen darf; es handelt sich nur um einen Vierzeiler. Der muntere Knüppelvers dort heißt folgendermaßen:
({0})
Den Bundesstaat will nur der Ami,
den Staatenbund Franzos und Tommy, wir aber wollen alle gleich
das ewig junge Deutsche Reich.
({1})
Wenn das der Herr Remer oder die außerparlamentarischen Freunde des Herrn Kollegen von Thadden gedichtet hätten, würde ich mich nicht wundem und würde nicht darüber sprechen. Es ist aber von der Freien Demokratischen Partei plakatiert worden, also von einer Verfassungspartei.
({2})
Ich will nicht darauf eingehen, wie schön das gedichtet ist; ich nehme an, daß der Verfasser nicht in Ihren Reihen hier sitzt. Ich will auch nicht darauf eingehen, daß der Dichter - wenn man ihn so nennen will - ausgerechnet dem Engländer den „Superföderalismus", den Staatenbund, zudichtet. Ich will auch nicht davon reden, daß der Mann so wenig historische Bildung besitzt, daß er nicht weiß, daß die Reichsidee stets eine föderalistische Idee gewesen ist. Ich will nur darauf hinweisen, daß das Folgen einer Propaganda und einer politischen Methode sind, wie wir sie leider auch hier im Bundestag erleben. Es sind sozusagen HöpkerAschoffs Reden in Volksausgabe, vielleicht eine nicht autorisierte Volksausgabe, aber immerhin eine von seiner Partei herausgegebene Volksausgabe.
Das, was draußen, außerhalb des Parlaments, geschieht, indem man behauptet, ein tragendes Strukturprinzip der Bundesrepublik sei uns von den Besatzungsmächten aufgezwungen, das kann sich zu einer neuen Dolchstoßlegende auswachsen und kann zu einer politischen Brunnenvergiftung führen.
({3})
Der Abgeordnete des Parlamentarischen Rats, Herr Dr. Süsterhenn, hat in einer der ersten Sitzungen des Parlamentarischen Rats namens der Fraktion der CDU/CSU darauf hingewiesen, daß, wenn das föderative Prinzip gefordert werde, man dies nicht wegen der Besatzungsmächte tue, sondern daß dies eben den Auffassungen der CDU/ CSU entspreche. Das Grundgesetz ist ein Kompromiß zwischen den Sozialdemokraten, den Freien Demokraten und der CDU. Schließlich und endlich, soweit sich CDU und CSU sowie die Deutsche Partei durchgesetzt haben, ist es föderalistisch; soweit sich die anderen Parteien durchgesetzt haben, ist es unitarisch. Hier kann man nicht den Besatzungsmächten die Schuld für Meinungsverschiedenheiten geben, die unter uns Deutschen bestehen, die es immer gegeben hat und wahrscheinlich noch ziemlich lange geben wird. Im übrigen, wenn Sie schon von der Einwirkung der Besatzungsmächte reden, so vergessen Sie nicht jenen 20. April 1949 und das, was sich damals zwischen einer Besatzungsmacht und der linken Seite dieses Hauses abgespielt hat.
Im übrigen aber möchte ich gerade Sie, meine Damen und Herren, da Sie ja schließlich überzeugte Demokraten sind, einmal auf folgendes hinweisen: Wenn Sie heute behaupten, der Föderalismus sei uns von den Besatzungsmächten aufgezwungen, dann kommt morgen einer und sagt, die Zentralinstanz und die ganze Bundesrepublik ist uns von den Besatzungsmächten aufgezwungen, denn sie beruht auf einem Erlaß der Militärgouverneure, die bestimmt haben, daß zwei Drittel der deutschen Länder diese Verfassung annehmen können und daß sie dann für alle Länder gilt, auch für das
Land, das sie eventuell ablehnt; und ein Land hat sie abgelehnt.
Nicht ich trage diese Gedankengänge vor; aber sie sind die logische Konsequenz von dem, was Sie gesagt haben. Dann gibt es Leute - es sind nämlich diejenigen, die Ihnen nächstens Ihre Wähler wegnehmen, weil sie es mit dem Nationalismus besser verstehen als Sie -, die heute schon erzählen, die Demokratie sei uns von den Alliierten oktroyiert worden. Ich glaube, wenn man hier den kleinen Finger gibt, so muß man bald die ganze Hand geben. Der eine wirft den Föderalismus mit Richelieu zusammen, und der andere wirft die Demokratie mit Morgenthau zusammen. Das eine ist so falsch wie das andere. Glauben Sie doch nicht das Märchen, daß man uns den Föderalismus empfohlen hat, um uns zu schwächen. Die Alliierten haben uns auch die Demokratie empfohlen, und dann müßten Sie die Konsequenz daraus ziehen, daß die Demokratie den Sinn hat, uns zu schwächen. Das ist aber schließlich auf dem einen wie auf dem andern Gebiet nicht der Fall. Das ist beim Föderalismus noch weniger der Fall. Denn das, was das Volk draußen von unserem politischen Leben abstößt, sind nicht die Debatten im Bundesrat und nicht die Spannungen zwischen Bund und Ländern, die sich in durchaus zivilen Formen vollziehen, sondern das sind jene Ausfälle, die sich in den Parlamenten abspielen, in denen nicht Ländervertreter sitzen, sondern Parteien. Darum fürchte ich, daß die Ebene, die Sie beschreiten, meine Herren von der Freien Demokratischen Partei, eine gefährliche Ebene eben für die Demokratie ist.
Es ist hier im Hause bei der Beratung über den Abänderungsantrag zum Grundgesetz so etwas zutage getreten - zum zweiten Mal; bei der Debatte über den Südweststaat war es schon einmal der a Fall -, was ich die Stuttgarter Koalition nennen möchte, die Koalition zwischen SPD und FDP. Nun, meine Herren von der Freien Demokratischen Partei, muß ich ein ernstes Wort mit Ihnen reden. Wenn Sie glauben, gegen andere Koalitionsparteien Verfassungsänderungen durchsetzen zu können, dann, bitte, machen Sie auch Ihre Wirtschaftspolitik mit den Sozialisten! Wir jedenfalls von der Christlich-Sozialen Union werden einer Bundesfinanzverwaltung; wenn sie geschaffen werden sollte, keinen Pfennig Steuern bewilligen.
Lassen Sie mich dann zum Schluß, weil meine Redezeit begrenzt ist, noch auf eines hinweisen. Ein föderalistisches Deutschland wird stets ein freies Deutschland sein. Aber das zentralistische Deutschland, das sie schaffen wollen, wird zwangsläufig ein sozialistisches Deutschland werden.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf einige Außerungen eines noch sehr jugendlichen Redners dieses Hauses möchte ich meinen sachlichen Bemerkungen etwas vorausschicken. Ich habe jüngst mit dem Herrn Kollegen Laforet die Klingen gekreuzt, als wir uns über die Frage Bundesvermögen und Ländervermögen unterhalten haben. Wenn wir auf diesem Gebiet auch verschiedener Meinung gewesen sind, so habe ich diese Auseinandersetzung immer als einen fruchtbaren Beitrag in der Sache selber empfunden. Darum freue ich mich darüber, wenn
({0})
ich auch in dieser Angelegenheit mit dem Herrn Kollegen Laforet verschiedener Meinung sein und mit ihm die Klingen kreuzen kann.
({1})
Nun einiges zu dem, was der Herr Finanzminister gesagt hat. Ich würde auch mit dem Herrn Abgeordneten von Passau gern die Klingen kreuzen. Aber ich würde doch Wert darauf legen, daß die Klingen dabei sauber sind. In diesem Zusammenhang möchte ich eine ganz offene Bemerkung machen. Es war nicht glücklich, Herr Abgeordneter für Passau, daß der Hinweis auf den Nationalsozialismus erfolgte. Es wäre besser, wenn er unterblieben wäre. Aber das möge vergessen sein.
Im übrigen habe ich mit großem Vergnügen der Erzählung des Märchens von der schönen Prinzessin zugehört, die auf die Erlösung durch den Prinzen wartet. Die schöne Prinzessin in diesem Märchen ist doch offenbar die Bundesfinanzverwaltung. Und daß der Herr Bundesfinanzminister, der ja of fen-bar die Rolle des Prinzen noch nicht spielen will, diese Bundesfinanzverwaltung mit einer schönen Prinzessin vergleicht, das ist eigentlich das stärkste Argument, das wir für unseren Antrag in Anspruch nehmen können: Nun weiß ich nur nicht, scheut er sich überhaupt, diese schönes Prinzessin zu erläsen - vielleicht, weil eine Hecke davor ist, in der auch bayerische Dornen versteckt sein mögen -, oder aber glaubt er, daß Zeit und Stunde noch nicht gekommen sind? Wenn ich ihn beim Wort nehmen darf, dann ist es doch wohl so, daß er selber diese schöne Prinzessin einmal erlösen möchte, daß er nur glaubt, Zeit und Stunde sind noch nicht gekommen. Dann, Herr Finanzminister, wären wir mit Ihnen, was die Sache selber anbetrifft, ziemlich einig. Aber ich frage mich: Warum I soll denn eigentlich die Stunde noch nicht gekommen sein? Offenbar ist die Finanzverwaltung, die Sie heute haben, Herr Finanzminister, keine schöne Prinzessin, sondern ein ziemlich häßliches Frauenzimmer.
({2})
Das ist bei dieser geteilten Finanzverwaltung keine Frage. Daß Sie mit der Finanzverwaltung, wie Sie sie heute haben, nicht zufrieden sind und daß-Sie sich genötigt sehen, diese wenig schöne Dame ein wenig aufzustutzen und auszuputzen, das liegt klar auf der Hand. Sie legen uns j a zu diesem Zweck einen Gesetzentwurf zur Ausführung des Art. 108 Abs. 6 des Grundgesetzes vor. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben uns diesen Gesetzentwurf sehr dringlich gemacht. Sie haben darauf hingewiesen, daß, wenn das Steueraufkommen des Bundes gesichert und eine sorgfältige und gerechte Veranlagung der Einkommensteuer durchgeführt werden soll, etwas geschehen und die Finanzverwaltung umgestaltet werden muß. Sie haben uns zu diesem Zweck eine Reihe von Vorschlägen gemacht, die uns allerdings unzulänglich erscheinen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen: die Verhandlungen in dem Ausschuß haben in der Tat gezeigt, daß keiner mit diesem Gesetz recht viel anzufangen weiß und keiner das Vertrauen hat, daß die vorgeschlagenen Änderungen uns dem erstrebten Ziel nahebringen werden.
Im übrigen hat der Herr Finanzminister gegen einige Dinge polemisiert, von denen ich gar nicht gesprochen habe. Ich habe keine Ausführungen darüber gemacht, ob eine Bundesfinanzverwaltung billiger ist als eine geteilte Finanzverwaltung. Daß sie billiger ist, kann gar keinem Zweifel unter-hegen. Nicht in der unteren Instanz, aber in der
Zentralinstanz würde sie unzweifelhaft billiger sein. Dahin ging auch das Votum, das wir damals als Finanzausschuß des Parlamentarischen Rates dem Hauptausschuß und dem Plenum des Parlamentarischen Rates erstattet haben. Es handelt sich aber in erster Linie nicht um die Billigkeit der Finanzverwaltung selber, sondern es handelt sich darum, ob wir durch die Ausgestaltung der Finanzverwaltung, so wie sie heute ist, gezwungen werden, weil die Veranlagung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer nicht genug aufbringt, dem deutschen Steuerzahler noch andere Steuern aufzuerlegen. Die entscheidende Frage ist, ob uns eine andere Gestaltung der Finanzverwaltung nicht einen viel höheren Ertrag bringt. Daß hier große Summen im Spiel stehen, kann auch von dem Herrn Finanzminister nicht bestritten werden. Wozu kämen sonst seine Änderungsvorschläge, die uns als ein Stückwerk erscheinen?
Natürlich muß die ganze Frage noch im Ausschuß behandelt werden. Da es sich um eine Änderung des Grundgesetzes handelt, habe ich von meinem Standpunkt aus nichts dagegen einzuwenden, daß nicht nur der Finanz- und Steuerausschuß, sondern auch der Rechts- und Verfassungsausschuß mit dieser Frage befaßt wird. Ich würde es geradezu als notwendig, aber auch als glücklich bezeichnen, wenn in einem solchen Ausschuß nun einmal mit der größten Sorgfalt auch Sachverständige aus der Praxis gehört würden. Lassen wir uns doch einmal die Oberfinanzpräsidenten und die Finanzamtsvorsteher anhören! Die sollen uns einmal aus ihren praktischen Erfahrungen heraus sagen, welche Verwaltung die bessere sein würde, welche Verwaltung zu gerechteren und gleichmäßigeren Erträgen führen würde. Ich glaube, nur auf diesem Wege können wir überhaupt weiterkommen.
Ich lehne es rundweg ab, solchen Gedankengängen zu folgen, wie sie der Herr Jaeger dargelegt hat. Was heißt Föderalismus, was heißt Unitarismus? Wir sind ein zusammengesetzter Staat und stehen vor dem Problem, die Funktionen der Staatstätigkeit in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden aufzuteilen. Vom Standpunkt der Demokratie aus - und ich wiederhole das immer wieder - ist das Entscheidende die Selbstverwaltung, der Aufbau von unten. Um dieser Selbstverwaltung willen wollen wir ja auch nicht etwa alle Länder beseitigt haben, sondern wollen den Ländern das Ihrige an Selbstverwaltung belassen. Heute sind alle Verwaltungen, wenn Sie von den technischen Verwaltungen der Post und der Eisenbahn absehen, Länderverwaltungen. Werden denn nun die Länder in ihrem Eigenleben erschüttert, geht alles das, was Sie Föderalismus nennen, vor die Hunde, wenn eine Verwaltung, die heute schon zum Teil Bundesverwaltung ist, zur Gänze Bundesverwaltung wird? Ich glaube, Herr Kollege Jaeger, das sind Übertreibungen, die gar keinen Sinn haben. Es handelt sich hier letzten Endes um Fragen der Zweckmäßigkeit, um die Frage, ob wir mit einer Bundesfinanzverwaltung weiterkommen als mit einer geteilten Finanzverwaltung. Das ist nun allerdings unsere Überzeugung. Darum hoffen wir, daß sie hier in diesem Hause die Mehrheit findet, die notwendig ist, um diese Bestimmungen des Grundgesetzes abzuändern.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, den Antrag an den Steuerausschuß zu überweisen. Der zweite Antrag verlangt dazu die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Ich lasse zunächst über den ersten Antrag abstimmen. Wer für Überweisung an den Steuerausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wer dazuhin für Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich nehme das Einverständnis an, daß federführend der Steuerausschuß ist.
({0})
- Dann stimmen wir darüber ab. Wer dafür ist, daß der Steuerausschuß federführend ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes betreffend die Industriekreditbank Aktiengesellschaft ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Hoffmann.
Dr. Hoffmann ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Industriekreditbank Aktiengesellschaft - Drucksache Nr. 1854 - wurde in der 117. Sitzung des Deutschen Bundestags federführend an den Auschuß für Geld und Kredit und weiterhin an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen. Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich in mehrfachen Beratungen eingehend mit dem Gesetzentwurf befaßt. Das Ergebnis liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 2217 vor.
Meine Damen und Herren! Die Aufgaben der Industriekreditbank entsprechen im wesentlichen denen der früheren Deutschen Industriebank in Berlin. Der Zweck war und ist die Versorgung der Mittel- und Kleinindustrie mit mittel- und langfristigen Krediten. Zwischen den beiden Instituten, der ehemaligen Industriebank in Berlin und der heutigen Industriekreditbank, besteht allerdings ein wesentlicher Unterschied. Die. frühere Industriebank erhielt ihr Kapital aus gesetzlich angeordneten Umlagen, während die heutige Industriekreditbank ein Institut ist, das nach allgemeinen aktienrechtlichen Bestimmungen gegründet ist und dessen Kapital durch private Zeichnungen aufgebracht worden ist. Die ehemalige Industriebank Berlin ist inzwischen übrigens nach dem Westen verlagert worden. Der Verlagerungsbescheid sah damals die Übertragung noch vorhandener Mittel auf die neue Bank vor. Die Form ist dabei bisher noch nicht geklärt. Es steht also noch nicht fest, in welcher Form diese Übertragung der Mittel vorgenommen werden soll, ob etwa an eine Kapitalbeteiligung an dem neuen Institut gedacht werden kann. Bisher sind von der Industriekreditbank nach
den satzungsmäßigen Bestimmungen etwa 300 Millionen DM ausgeliehen worden; davon stammen 275 Millionen DM aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau und 25 Millionen DM aus dem privaten Kapitalmarkt. Alle Einzelkredite liegen unter 100 000 DM.
Meine Damen und Herren! Der Zweck der Regierungsvorlage besteht nun ausschließlich darin, der Industriekreditbank die rechtliche Grundlage dafür zu schaffen, daß eine Sonderdeckungsmasse gebildet werden kann, die, abweichend von den allgemein gültigen Rechtsvorschriften, den Inhabern von Schuldverschreibungen des Instituts im Falle der Eröffnung des Konkursverfahrens bevorrechtigte Befriedigung vor allen übrigen Konkursgläubigern sichert. Diese Regelung erscheint erforderlich, um der Bank die Unterbringung ihrer Anleihen zu ermöglichen bzw. zu erleichtern und sie damit in die Lage zu versetzen, ihre wichtige volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen.
Nach § 2 des Gesetzentwurfs in der Fassung des Ausschusses wird nun ein Treuhänder und für diesen Treuhänder ein Stellvertreter eingesetzt, der darauf zu achten hat - wie es in dem Gesetzentwurf heißt -, daß die Ausgabe, Verwaltung und Deckung der Schuldverschreibungen den gesetzlichen, satzungsmäßigen oder sonst in verbindlicher Form ergangenen Bestimmungen sowie den Anleihebedingungen entspricht.
An dieser Stelle muß ich Sie bitten, einen Druckfehler zu berichtigen, der sich in der Drucksache Nr. 2217 eingeschlichen hat. Im § 2 muß das vorletzte Wort lauten: „Anleihebedingungen" und nicht „Anleihebestimmungen".
In den Beratungen des Ausschusses für Geld und Kredit hat nun die Frage eine gewisse Rolle gespielt, ob neben diesem Treuhänder noch ein Bundeskommissar vorgesehen werden sollte, dessen Funktionen eventuell auch zusammengelegt werden könnten mit denen des Treuhänders für die Sonderdeckungsmasse. Dieser Alternativvorschlag der Zusammenfassung der beiden Funktionen wäre wohl auf jeden Fall nicht glücklich gewesen, weil die Funktionen doch sehr verschiedener Art sind. Während nämlich der Treuhänder für die Sonderdeckungsmasse ja ganz spezielle Aufgaben hat, ,also eigentlich die Interessen der Gläubiger des Instituts zu wahren hat, ist die Funktion eines Bundeskommissars viel weiter gezogen, und es bestände durchaus die Möglichkeit, daß sich eine Pflichtenkollision ergäbe, wenn diese beiden Funktionen bei einer Person zusammengefaßt wären.
Nach anfänglichem Schwanken hat sich aber in dem Ausschuß doch der Gedanke durchgesetzt, daß ein Bundeskommissar, zur Zeit wenigstens, überflüssig ist. Die Befürworter dieses Vorschlags sind zunächst davon ausgegangen, daß bei der früheren Industriebank in Berlin in der Tat ein Reichskommissar vorhanden war. Aber die Einrichtung eines Reichskommissars bei dieser früheren Industriebank beruhte im wesentlichen darauf, daß die Industriebank ja aus öffentlichen Mitteln ihr Kapital aufbrachte, nämlich auf Grund einer gesetzlich angeordneten Umlage, was bei der Industriekreditbank jetzt nicht der Fall ist. Der Ausschuß ist also nach einigem Schwanken zu dem Ergebnis gekommen, daß es wenigstens zur Zeit nicht erforderlich sein würde, neben dem Treuhänder für die Sonderdeckungsmasse auch noch einen Bundeskommissar einzusetzen; es würde die allgemeine Bankenaufsicht, der das Institut natürlich unterworfen sein wird, vollauf genügen.
({6})
Der Ausschuß hat ferner einstImmig den Standpunkt vertreten, daß die Bestellung des Treuhänders für die Sonderdeckungsmasse durch den Bundeswirtschaftsminister vorgenommen und diese Aufgabe nicht der Bankenaufsichtsbehörde übertragen werden soll.
Meine Damen und Herren! Die Ihnen von dem Ausschuß vorgeschlagene Fassung ändert gegenüber der Vorlage der Regierung die Systematik des Gesetzes in verschiedenen Punkten. Die Vorschriften über die Sonderdeckungsmasse sind nunmehr in § 1 enthalten. Der materielle Inhalt von § 1 entspricht in Abs. 1 und 2 dem § 2 Abs. 1 und 2 der Regierungsvorlage und in Abs. 3 dem § 1 Abs. 2 der Regierungsvorlage. § 2 bestimmt entgegen der Regierungsvorlage, daß der Treuhänder durch den Bundeswirtschaftsminister bestellt wird. Der weitere Inhalt entspricht der Regierungsvorlage. Ebenso bleibt der § 3 unverändert.
Mit der Vorlage hat sich auch der Ausschuß für Wirtschaftspolitik befaßt, der ebenfalls den Beschlüssen des Ausschusses für Geld und Kredit seine Zustimmung gegeben hat. Ich habe Sie daher im Namen beider Ausschüsse zu bitten, der Vorlage in der Fassung der Drucksache Nr. 2217 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf § 1. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 2. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 3, Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich gehe über zur Einzelberatung, §§ 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Preiß, Neber, Farke, Eichner, Dr. Glasmeyer, Reindl und Genossen betreffend Soforthilfeabgabe am 20. Mai 1951 ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Kunze als Berichterstatter.
Kunze ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Ausschuß für den Lastenausgleich am 31. Mai mit dem Antrag Dr. Preiß und Genossen vom 28. April zu befassen gehabt. Durch diesen Antrag haben Dr. Preiß und Genossen eine generelle Stundung der Abgabe für die Landwirtschaft vom 20. Mai bewirken wollen.
Entsprechend dem Wunsche des Hohen Hauses hat sich der Ausschuß für den Lastenausgleich in seiner ersten Sitzung mit diesem Antrag befaßt und ist bei einer Stimmenthaltung und zwei ablehnenden Stimmen zu dem einmütigen Ergebnis gekommen, dem Hause zu empfehlen, den Antrag durch die Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers in der 143. Sitzung, in der der Antrag begründet und beraten wurde, für erledigt zu erklären. Die Argumente des Herrn Bundesfinanzministers waren und sind so überzeugend, daß es unmöglich ist, jetzt einer bestimmten Berufsgruppe oder einer Gebietsgruppe, auch wenn sie noch so sehr leidet, eine generelle Ausnahme zuzugestehen, weil man damit auch diejenigen fördert, die die Ausnahme nicht brauchen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auf zwei Beschlüsse des Hohen Hauses hingewiesen, die ihn ersuchten, auf dem Erlaßwege unter allen Umständen in besonderen Härtefällen, die eingehend geschildert worden sind, die Stundung zu erteilen. Dieses Stundungsverfahren hat sich im großen und ganzen bewährt. Wollten wir jetzt der Landwirtschaft, deren Notlage und Schwierigkeit alle Teile dieses Hauses volles Verständnis entgegenbringen, mit einer generellen Stundung entgegenkommen, dann würden mit mindestens gleichem Recht weite Kreise des Haus- und Grundbesitzes mit dem gleichen Antrag kommen. Dann würden die Betriebe der Heimatvertriebenen, die hier aufgetan worden sind, ebenso mit mindestens dem gleichen Recht kommen. Kurzum: das ganze Gefüge des Soforthilfegesetzes würde ins Wanken geraten.
Der Ausschuß hat daher beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, wie ich eingangs sagte, den Antrag für erledigt zu erklären. Er hat entsprechend dem Wunsche, den der Bundesfinanzminister namens der Bundesregierung geäußert hat, gleichzeitig beschlossen, in intensiver Arbeit die Fertigstellung des Lastenausgleichsgesetzes zum erstmöglichen Termin zu bewerkstelligen, damit das Hohe Haus möglichst bald nach den Parlamentsferien in der Lage ist, in zweiter und dritter Lesung über die Annahme dieses Gesetzes zu entscheiden.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Ersten Berichts des Untersuchungsausschusses zur Prüfung der im Raume Bonn vergebenen Aufträge ({0}) ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Hasemann als Berichterstatter.
Dr. Hasemann ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Untersuchungsausschuß zur Prüfung der im Raume Bonn vergebenen Aufträge legt Ihnen mit der Drucksache Nr. 2275 einen ersten Bericht vor. Dieser erste Bericht umschließt alle Aufwendungen, die das Bundesfinanzministerium für die Einrichtung der Bundesbehörden in Bonn gemacht hat. Unberücksichtigt blieben dabei die Aufwendungen, die zunächst vom Lande Nordrhein-Westfalen vorgeschossen wurden, die aber noch mit dem Bundes({3})
finanzministerium verrechnet werden sollen, da der Bund einen Teil dieser Ausgaben übernehmen soll. Da nun die Auseinandersetzungen zwischen Bundesfinanzministerium und Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen über diesen Komplex, der im übrigen auch die Aufwendungen für den Erweiterungsbau und für die Einrichtung des Bundeshauses umschließt, noch nicht abgeschlossen sind, müssen wir den Bericht über diesen Komplex dem Hause später vorlegen. Ich darf auch an dieser Stelle wiederholt und mit ganz besonderem Nachdruck die Bitte aussprechen, daß die Verhandlungen zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen nunmehr beschleunigt weitergeführt und zu einem Ende gebracht werden, damit auch wir unsere Untersuchungen über diesen Fragenkomplex abschließen können.
Mit der Prüfung eines dritten Fragenkomplexes, der die Ausgaben für die alliierte Seite betrifft, wenigstens soweit sie mit der Einrichtung des Bundessitzes in Zusammenhang stehen, ist der Ausschuß zur Zeit beschäftigt. Er wird dem Hohen Hause in Kürze darüber einen Bericht vorlegen können.
Die sieben Fragen, die in dem Antrage der SPD-Fraktion gestellt worden sind, sind vom Ausschuß sorgfältig und mit aller Gründlichkeit untersucht worden. Die Fragen 1 bis 6, die im wesentlichen mehr technisch-organisatorische Fragen betreffen, sind unter den gleichen Ziffern auf den Seiten 19 und 20 des Berichtes zusammenfassend beantwortet worden. Die Frage 7, die zweifellos den materiellen Kern des Antrages der SPD umschließt, ist eigentlich nur durch das Studium des gesamten Berichtes im Zusammenhang zu beantworten. Mit Rücksicht auf die Tatsache, daß die breite Öffentlichkeit, die an dieser Frage ganz besonders stark interessiert ist, nicht die Gelegenheit hat, den ganzen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, darf ich hier fünf wesentliche Momente als Ergebnis unserer Untersuchungen herausschälen.
Erstens. Es ist festgestellt worden, daß die für die Einrichtung des Bundessitzes verantwortlichen Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen, insbesondere das Büro Bundeshauptstadt, dem vom Bundestage eingesetzten Hauptstadtausschuß keine Zahlen genannt haben, die bewußt oder schuldhaft falsch waren.
Zweitens. Wenn die Aufwendungen dennoch höher geworden sind, als nach dem Bericht des Hauptstadtausschusses zu erwarten war, so ist festzustellen, daß diese Mehraufwendungen ihre Erklärung finden:
a) in dem umfangreicheren Bauprogramm, das zur Unterbringung einer größeren Anzahl von Bundesbediensteten notwendig wurde,
b) in den zunächst nicht vorgesehenen Einrichtungen sozialer Natur wie Kantinen und Küchen,
c) ganz wesentlich in den mit dem Ausbau der Kasernen gekoppelten sogenannten Junggesellenwohnungen - durch dieses - Bauprogramm wurde eine große Anzahl von Wohnungen für Bundesbedienstete erstellt, ganz besonders für die Bundesbediensteten, die zunächst noch von ihren Frauen getrennt leben müssen -;
d) schließlich in der Verwendung einzelner Bauten - ich denke da besonders an das
Palais Schaumburg und an die Villa Hammerschmidt - für völlig andere Zwecke, und zwar Zwecke, die auch ein gewisses Maß von Repräsentation erforderlich machen.
Drittens. Es ist festgestellt worden, daß bei der Einrichtung der Bundesbehörden, von einigen wenigen, in dem Bericht besonders dargelegten Fällen abgesehen, keinerlei unvertretbarer Aufwand getrieben wurde.
Viertens. Es ist vom Untersuchungsausschuß festgestellt worden, daß in allen Fällen Neubauten wesentlich teurer gewesen wären als die vorgenommenen Umbauten alter vorhandener Gebäude.
Fünftens. Es ist kein Fall von Korruption der Beamten und Angestellten festgestellt worden und keinerlei schuldhafte Bevorzugung einzelner Gebiete oder einzelner Firmen.
Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang bin ich noch zu einer Feststellung gezwungen. Der Ausschuß hat den Eindruck gewonnen, daß in einzelnen Fällen, so z. B. beim Presse- und Informationsamt, Überforderungen vorgekommen sind.
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Eine der beteiligten Firmen hat nun durch ihren Rechtsbeistand Protest gegen die Schlußfolgerungen des Ausschusses eingelegt. Ich möchte dazu erklären, daß zwar eine bei dieser Firma vorgenommene Betriebsprüfung die Richtigkeit der Kalkulationen dieser Firma ergeben hat, ja daß diese Kalkulationen mit Rücksicht auf das Niveau dieses Einrichtungshauses sogar besonders günstig sind; der Ausschuß ist aber der Auffassung, daß zur Einrichtung von Bundesdienststellen niemals das Niveau eines sicherlich sehr renommierten Einrichtungshauses als 'Maßstab gelten kann. Ein Gutachten von Sachverständigen der Industrie- und Handelskammer Bonn und der Handwerkskammer Köln ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Preise die sonstigen handelsüblichen Preise teilweise erheblich übersteigen. Der Ausschuß ist natürlich in der Würdigung seiner Beweiserhebung völlig frei, und wir haben uns insbesondere nach einer 'Besichtigung der in Frage kommenden Räumlichkeiten und Einrichtungsgegenstände auf das Gutachten der Sachverständigen gestützt.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß ist bemüht, die noch offenstehenden Fragen schnellstens und mit der gleichen Sorgfalt zu untersuchen. Im Namen des Ausschusses habe ich den Antrag zu stellen, daß das Hohe Haus dem vorgelegten ersten Bericht zustimmen möge.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Redezeit von 120 Minuten zu beschließen. - Kein Widerspruch.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat im wesentlichen die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses richtig herausgestellt. Er hat aber, wie ich sage, aus einer Absicht, die ich wohl verstehen kann, keinen Wert darauf gelegt, dem Hohen Hause auch einige, in dem Protokoll festgehaltene, besonders interessante Tatsachen mitzuteilen. Er hat von den Kosten gesprochen, die dem Lande
({0})
1 Nordrhein-Westfalen bis zum 1. Dezember 1949 entstanden sind, von den 25,7 Millionen DM. Er hat aber unterlassen, darauf hinzuweisen, welche Differenz zu den Zahlen klafft, die seinerzeit dem Bundessitzausschuß bekanntgegeben worden sind und die ihren Gipfel in einem Schreiben des Bundesfinanzministers vom 17. November 1949 finden, in dem es heißt: „Die Errichtung neuer Dienstgebäude in Bonn erscheint nicht erforderlich."
In der Zwischenzeit hat sich etwas ganz anderes herausgestellt. Während uns damals im Bundessitzausschuß gesagt worden ist, daß die Unterbringung der Bundesorgane in Bonn eine Summe von 9;5 Millionen DM erfordert, hat sich jetzt herausgestellt, daß dieser Betrag um mehr als das Dreifache erhöht werden muß, wenn für die inzwischen nach Bonn verlegten Beamten und für die in Bonn eingerichteten Verwaltungsstellen Raum geschaffen werden soll.
Zwei Dinge aus dem Bericht möchte ich mir besonders vornehmen, wegen der Kürze der Zeit leider nur zwei. Das ist die Feststellung, wie die Mehraufwendungen im Bundeskanzlerpalais entstanden sind.
({1})
- Ja, da gibt es einige sehr interessante Feststellungen. Da steht z. B. eindeutig, daß der Herr Bundeskanzler seinen Willen dem Architekten und Privatmann Schwippert aufgedrängt hat. Da heißt es, daß der Herr Schwippert den Herrn Bundeskanzler als Bauherrn angesehen hat. Da stellt sich heraus, daß die verschiedenen Umdispositionen, die auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers durchgeführt worden sind, schuld sind an der wesentlichen Überschreitung des Voranschlages.
({2})
Da hören wir z. B., daß der Herr Bundeskanzler zu einem bestimmten Zeitpunkt aus Gesundheitsgründen aus dem Museum König ausziehen muß. Er sagt, den Geruch könne er dort nicht vertragen. Er zieht dann auf die andere, die östliche Seite der Koblenzer Straße.
({3})
Soll man daraus den Schluß ziehen, daß er langsam zu der Erkenntnis kommt, daß das östliche Klima ihm und uns allen besser bekommt?
({4})
Aber als er dann in dem neuen Palais
({5})
ist und nachdem man ihm die Parterreetage eingerichtet hat, da kommt er plötzlich auf die Idee, daß er aus „Sicherheitsgründen" in die erste Etage ziehen müsse - so steht es in dem Bericht drin; das ist nicht meine Erfindung -, da werden aus Sicherheitsgründen, um der „Sicherheit des Herrn Bundeskanzlers" willen im Handumdrehen auf seinen Wunsch und ohne jede Kontrolle irgendeiner parlamentarischen Körperschaft Umdispositionen vorgenommen, die Mehrausgaben von zehntausend und Aberzehntausenden Mark bewirken. Nun, ich habe immer gemeint, daß der Herr Bundeskanzler sich mit den großen Räubern hier im Lande ganz gut steht, aber jetzt merke ich doch, daß er ihnen gegenüber auch sehr ängstlich ist. Wie heißt es doch in dem bekannten Liede vom alten Rauschebart aus Württemberg:
Preisend mit viel schönen Reden
..., daß mein Haupt kann kühn ich legen jedem Untertan in Schoß!
Mit dieser Praxis scheint es ,der Herr Bundeskanzler nicht zu halten! Er muß aus „Sicherheitsgründen" in die erste Etage ziehen, Das bezahlen wir sehr, sehr teuer sogar.
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Und dann versucht man, in dem Ausschußbericht die Dinge so darzustellen, als hätten die Beamten ihm nicht genug Widerstand geleistet. Das steht sinngemäß im Bericht!
Man muß sich nun die „überragende Figur" Konrad Adenauers vorstellen,
({7})
diesen „großen alten Mann", der ,aus Angst in die erste Etage zieht, der es aber trotzdem fertigbringt, bei uns in Nordrhein-Westfalen per Telefon die Minister einzusetzen!
({8})
Soll ich die Namen der Minister nennen, die durch ihn auf diese Art und Weise eingesetzt worden sind? Ich bin ein höflicher Mann, ich nenne keine Namen. Aber der Tatbestand ist bekannt: Ein telefonischer Anruf bei Herrn Kollegen Arnold, und schon haben wir in Nordrhein-Westfalen einen neuen Minister! Wie soll der kleine Beamte dieser „großen, überragenden Persönlichkeit",
({9})
diesem „alten, einsamen Mann", der aus Gründen der Sicherheit in die erste Etage ziehen muß, Widerstand leisten, wenn er seine Ansprüche anmeldet?
({10})
Das ist doch ein Herr, der aus der Selbstverwaltung kommt! Noch heute hat der Herr HöpkerAschoff dafür gesprochen: In allen Instanzen des Staates Selbstverwaltung! Nun, für die Selbstverwaltung ist Konrad Adenauer auch immer schon gewesen. Nur hat er unter Selbstverwaltung schon, als er noch Oberbürgermeister in Köln war, verstanden: Selbstverwaltung heißt, ich verwalte selber.
({11})
Und seinen Wert hat er auch damals schon gekannt.
Sie erinnern sich noch des Witzwortes, das damals bei uns in Preußen über seine Gebühren kursierte. Damals sagte man: Die Gebühren des Herrn Oberbürgermeisters Dr. Adenauer schwimmen zwischen denen von Petrus und denen des lieben Gottes. Also so liegen doch die Dinge bei ihm.
Und nun steht im Bericht, daß die Beamten von ihrem Aufsichts- und Kontrollrecht nicht genug Gebrauch gemacht haben. Fest steht auch etwas anderes, daß es nämlich Ministerien gibt, die ohne Widerstand der Verwaltung und auch ohne Genehmigung etwa irgendeiner parlamentarischen Instanz durchgesetzt haben, daß ihnen silberne Bestecke geliefert worden sind. Arbeitsminister, Verkehrsminister, Minister für die Überleitung zum Bundesrat, diese Herren müssen von silbernen Tellern essen, um ja ihren Mehrwert gegenüber den zahlenden Bürgern und Arbeitern in unserem Lande damit zu demonstrieren!
Es steht im Bericht, daß über die Höhe der Kasten, die für das Zimmer eines Ministers auf({12})
zuwenden sind, niemals eine fixe Summe festgelegt worden ist. Es hat einmal eine Verwaltungsstelle
gesagt: Das Zimmer eines Ministers plus Zimmer des Staatssekretärs plus kleiner Vorraum darf 30 000 Mark kosten.
Da haben wir z. B. das Zimmer dieser eminent wichtigen Persönlichkeit, des stellvertretenden Pressechefs Böx! Das hat 51 000 DM gekostet.({13})
Soll ich Ihnen die Zahlen aus Ihrem Bericht nennen? - Nein, ich habe leider nicht genug Zeit! - Es hat 51 000 Mark gekostet. Da ist ein Diplomatenschreibtisch. Soll ich Ihnen sagen, was dieser Diplomatenschreibtisch laut Ihrem Bericht gekostet. hat? - Der Diplomatenschreibtisch kostet uns den kleinen runden Betrag von 3850 Mark! Und dahinter gehört natürlich auch noch ein Schreibtischsessel. Dieser kostet 385 Mark. Der Herr Böx hat sich vor einigen Tagen auch bei uns wieder in Erinnerung gerufen. Er hat nicht nur in dem Manifest, in 'dem Programm der Ersten Legion die Schaffung eines Volksheeres gefordert, er hat sich auch für „absolute Sparsamkeit der Verwaltung" ausgesprochen. Als er noch unter dem Weihwasserkessel saß, da hat er es mit der Sparsamkeit der Verwaltung offensichtlich nicht so ernst genommen!
({14})
Meine Damen und Herren, Sie reden von Selbstverwaltung, Sie reden von parlamentarischer Kontrolle, aber Sie bringen nicht den Mut auf, klar auszusprechen, was in dem Ausschußbericht enthalten ist, nämlich die Tatsache, daß sich hier ein Bundeskanzler über Bewilligungsrechte des Parlamentes, daß sich hier Minister über Bewilligungsrechte .des Parlamentes königlich hinwegsetzen, und hinterher stellt man fest: schuld daran waren die Beamten, die nicht rückgratfest genug gewesen sind und die sich gegenüber diesen hohen Herren nicht durchgesetzt haben.
Man macht ein Drittes: man holt die Lieferanten vor und prüft ihre Rechnungen nach. Vordem hatte man prophylaktisch gesagt, daß man sich das vorbehält. Aber als nachher die Beamten unter dem Druck des Parlaments nun an die Nachprüfung der Rechnungen herangingen, als man die Streichungen vornahm und als man die Rückzahlungen erzwang, da kam u. a. folgender Tatbestand zutage. Einer der Gartengestalter hier mußte in Konkurs gehen und ist dann nach Australien ausgewandert. Davon redet man hier nicht!
({15})
Das ist also der springende Punkt, daß unsere Beamtenschaft diese Mehraufwendungen angewiesen hat - hingenommen hat, besser gesagt -, weil diese Mehrkosten vom Herrn Bundeskanzler persönlich und von einigen der genannten Herren Minister angefordert worden sind.
Das Traurige an dem Tatbestand ist, daß das Parlament bisher, mit Ausnahme des Antrags der SPD, der aber die Tür nach einer ganz anderen Seite aufreißen sollte, nichts gegen diesen Tatbestand unternommen hat. Der SPD-Fraktion ging es ja darum, sich nachträglich ein bißchen für die Entscheidung für Bonn zu rächen.
({16})
Nun, daß Bonn die vorläufige Hauptstadt geworden ist, dafür müßten Sie doch eigentlich Verständnis haben, meine Herren von der Sozialdemokratie. Man geht doch als Bundeskanzler Adenauer an die Quellen seiner Kraft heran, und die Quellen seiner Kraft liegen hier in Bonn, unter dem Schatten des Petersbergs und in der Nähe des hilligen Köln. Und eine der deutschen Quellen, von denen der Herr Adenauer lebt, das ist der Herr Großbankier Pferdmenges.
({17})
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich weiß, ich komme ja zum Schluß. Ich will nur noch einen Satz sagen.
Wir machen das nicht mit,
({0})
daß hier die Verantwortung auf kleine und mittlere Beamte verlagert wird. Wir machen das nicht
mit,
({1}) nachdem der Ausschuß selber festgestellt hat, daß diesen Beamten und Angestellten kein Vorwurf der Unterschlagung oder der Untreue gemacht werden kann. Wir wehren uns aber auch dagegen, daß für diese Mißwirtschaft der kleine Handwerker und der kleine Gewerbetreibende aus Bonn und Umgebung verantwortlich gemacht wird.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß eines ganz deutlich festgestellt werden: Der Bericht, den Sie heute vor sich liegen haben, ist nur ein erster Bericht. Wir werden uns darauf gefaßt machen müssen, daß einige noch viel wesentlichere Feststellungen in den weiteren Berichten des Untersuchungsausschusses, die hoffentlich bald vorgelegt werden können, dem Hause zur Kenntnis kommen. Einige nicht unerhebliche dicke Brocken stehen bei der ganzen Betrachtung noch aus. Der für die Gesamtbeurteilung der Frage entscheidende Posten wird doch in diesem Zusammenhang der über die Besatzungskosten sein. Ich muß Sie schonend darauf vorbereiten, daß nach dem jetzt dem Ausschuß zugegangenen und demnächst öffentlich zu untersuchenden Material allein die Aufwendungen für die Unterbringung der Stäbe der Hohen Kommission und die Wohnungen für die Angehörigen dieser Stäbe im Raume rund um Bonn herum - noch dazu mit Ausnahme des Projektes Wahner Heide für die Dienststelle des britischen Hohen Kommissars - nach den bisherigen Abrechnungen einen Betrag von 143 Millionen DM gekostet haben.
({0})
Ich glaube, wenn man sich diese Zahl einmal bei Licht besieht, wird einem klar, daß wir uns bei diesem Bericht doch bis jetzt eigentlich um verhältnismäßig kleine Fische streiten, auch wenn wir selbstverständlich dafür sorgen müssen, daß es bei diesen verhältnismäßig niedrigen Gesamtaufwendungen - im Verhältnis zu denen der Hohen Kommission gesehen - bei uns ordentlich, anständig und rechtlich zuzugehen hat.
Ein zweiter Posten, dessen Einzelheiten uns- alle sehr interessierten und der hier noch nicht in vollem Umfang in die Gesamtbetrachtung ein({1})
bezogen werden kann, ist der Posten derjenigen Aufwendungen, die das Land Nordrhein-Westfalen zunächst für uns vorgeschossen hat. Die Auseinandersetzung mit dem Lande Nordrhein-Westfalen ist noch im Gange. Die öffentliche Kritik in diesem Hause und außerhalb dieses Hauses an gewissen Baumethoden im Raume Bonn entzündete sich ja damals, als sie laut wurde, nicht an den Projekten, die jetzt in diesem Bericht behandelt worden sind - das kam alles erst viel später -, sondern sie entzündete sich zunächst an dem Hause, in dem wir selber drinsitzen, nämlich am Bundeshaus und an seiner Umgebung, an den Pressebauten und was hier so alles errichtet worden ist. Auch über diesen Komplex kann der Ausschuß erst berichten, wenn eine gewisse Klarheit über die Auseinandersetzungen geschaffen worden ist, die zwischen den Dienststellen des Landes Nordrhein-Westfalen auf der einen Seite und dem Rechnungshof eben dieses Landes auf der andern Seite im Gange sind, weil es nicht gut wäre, wenn der Untersuchungsausschuß genau die gleiche Arbeit leisten würde, die der Rechnungshof dieses Landes zu leisten im Begriff ist. Es sind dort sehr erhebliche Meinungsverschiedenheiten aufgetaucht, die jetzt einer gewissen -Klärung entgegengehen.
Ich möchte nachdrücklich gleich vorneweg unterstreichen, daß auch wir mit Befriedigung festgestellt haben, daß es hier bei all den Bauten und Beschaffungen keinerlei Anhaltspunkte für irgendwelche Bestechungen der Beamtenoder für all das gegeben hat, was man sonst im Zusammenhang mit Beamtenbestechungen als Korruption bezeichnet. Aber auf der andern Seite gibt es eine Reihe unerfreulicher Tatsachen; und über diese unerfreulichen Tatsachen müssen wir uns unterhalten, damit wir die Gelegenheit bekommen, in der Zukunft derartige unerfreuliche Tatsachen zu verhindern. Auf einigen andern `Gebieten müssen wir sogar auch heute noch dafür sorgen, daß die unerfreulichen Tatsachen, so sie noch bestehen, nun endlich abgestellt werden.
Es hat eine ganze Reihe von Unzulänglichkeiten, von Mängeln der Organisation und von Ordnungswidrigkeiten gegeben, die in diesem Bericht im einzelnen aufgeführt sind. Es ist nicht die Aufgabe des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion, jetzt in allen Einzelheiten nachzurechnen, wo derartige Ordnungswidrigkeiten vorgelegen haben. Wir haben das Vertrauen, daß sich die Verwaltung diesen Bericht genau so sorgfältig vornimmt, wie wir das auch hoffentlich bei unseren Abgeordneten voraussetzen können.
Aber einige sehr wesentliche Punkte müssen in diesem Zusammenhang erörtert werden. Vorab einmal eins: Eine echte Gesamtbilanz, wie wir sie doch eigentlich dem Ausschuß auch aufgetragen hatten, kann heute noch nicht gegeben werden. Warum nicht? Wir können heute nicht abschließend feststellen, wieviel im Vergleich zu den Zahlen, die man damals dem Hohen Hause durch den Bundessitzausschuß unterbreitet hat, die Einrichtung des vorläufigen Bundessitzes in Bonn tatsächlich gekostet hat. Diese Bilanz kann einfach deswegen heute noch nicht gegeben werden, weil diese Dinge auch jetzt noch ständig im Fluß sind. Den endgültigen Betrag werden wir erst wissen, wenn wir alle miteinander unseren Sitz wieder in Berlin aufgeschlagen haben. Eher wird das wohl nicht bis zum letzten Pfennig auszurechnen sein.
Aber einen gewissen Überblick haben wir heute doch schon. Es ist gut, wenn wir uns einmal die Seiten 29 und 30 unseres Berichtes ansehen. Da finden Sie, daß es auf Seite 29 heißt: der Bundessitzausschuß hat die gesamten Kosten für Büroeinrichtungen, für Bauten und alles Drum und Dran mit rund 9 1/2 Millionen veranschlagt. Wenn Sie nun die bisher tatsächlich verausgabten Kosten, die bereits vorwegbewilligten Kosten, die Kosten für die zurückgestellten Bauaufgaben, die ja doch allmählich auf uns zukommen - die Verhandlungen darüber sind Ihnen allen bekannt -, zusammenrechnen, dann kommen Sie auf einen Betrag von 23 1/2 Millionen. Das ist immerhin ein nicht unerheblicher Unterschied. Wir wollen trotzdem noch einmal in Erinnerung rufen, daß wir damit Waisenknaben sind im Verhältnis zu den Aufwendungen der Hohen Kommission; aber ebenso müssen wir festhalten, daß die Zahlen, die damals dem Bundessitzausschuß und durch ihn dem Hohen Hause bei seiner Entscheidung über den Bundessitz unterbreitet worden sind, eben doch objektiv falsch waren.
Der Ausschußbericht gibt sich die Mühe zu erklären, worauf das Zustandekommen der jetzigen Zahlen und das der damaligen zurückzuführen ist. Er stellt zum Schluß fest, daß nicht schuldhafterweise hier bewußt falsche Zahlen vorgelegt worden sind; aber das ändert doch nichts an der Tatsache, daß eben damals diejenigen, die uns das Zahlenmaterial aufbereitet haben, es an der notwendigen politischen und verwaltungsorganisatorischen Voraussicht haben fehlen lassen.
({2})
Wer im Aufbau der Bundesverwaltung mittendrin stand, der mußte sich ungefähr einen Überblick über das verschaffen, was auf ein so großes Staatsgebilde in der relativ kurzen Zeit, die wir durchmessen haben, zukommen wird. Das ist also kein Ruhmesblatt in der Vorbereitung parlamentarischer Beschlüsse. Man hat sich da weitgehend in der Politik der Illusionen bewegt, die auch sonst diesem Hause nicht ganz fremd ist.
Wieweit man da Illusionen nachgejagt ist, will ich Ihnen an einigen Beispielen, die der Bericht selber gibt, hier erläutern. Es handelt sich z. B. um den Wohnraum, der uns angeblich in großzügiger Weise durch die -Freigaben der Besatzungsmächte hier in Bonn für unsere eigenen Bedürfnisse nachher zur Verfügung gestellt werden könnte. Da heißt es in dem Ausschußbericht auf Seite 40 - Bericht des Herrn Ministerialdirigenten Dr. Holtz -:
Gegenvorstellungen, daß diese Anordnungen den früheren Vereinbarungen, wonach die ausländischen Dienststellen und Vertreter außerhalb des Stadtgebietes von Bonn untergebracht werden sollten, widersprächen, wurden mit dem Hinweis abgelehnt, daß dies schon in einer ziemlich großen Zahl von Fällen erfolgt sei und nunmehr in diesem Teil des exzonalen Gebietes eine bedenkliche Raumknappheit bestehe, nachdem man schließlich doch erheblich mehr alliiertes Personal in dieses Gebiet habe heranziehen müssen, als ursprünglich geplant war.
Genau so hat sich ein anderes Projekt nicht einhalten lassen. Bei der Freigabe der beschlagnahmten Wohnungen hat sich herausgestellt, daß in
einer viel größeren Zahl als ursprünglich vor({3})
gesehen die Gerichte zugunsten der alten Mieter
entschieden haben, die in ihre Wohnungen wieder
hineingingen. Dann heißt es auf Seite 42 unten: Bei der Erstattung des Berichts an den Hauptstadtausschuß wurde nach meinen Feststellungen entsprechend dem damaligen Stand der Verhandlungen mit den Besatzungsbehörden davon ausgegangen, daß etwa die Hälfte der in Godesberg zugunsten der belgischen Besatzungsmacht beschlagnahmten Wohnungen - 292 Hauseinheiten mit rund 950 Wohneinheiten - zugunsten der besatzungsverdrängten Bevölkerung freigegeben würde. Tatsächlich erfolgte schließlich jedoch nur eine Freigabe von 22 Wohneinheiten.
({4})
Der weitaus größte Teil der in Godesberg beschlagnahmten Häuser blieb beschlagnahmt.
Darüber hinaus mußten entgegen vorher gegebenen Zusicherungen der alliierten Dienststellen etwa 200 deutsche Familien aus beschlagnahmten Häusern herausgenommen werden, die während der Zeit der belgischen Beschlagnahme ein widerrufliches Weiterbenutzungsrecht eingeräumt erhalten hatten.
Da mußten dann Ersatzwohnungen bereitgestellt
werden usw. Das als Illustration dafür, wieweit
man sich damals auf die von offenbar doch nicht
ganz ausreichend legitimierten Vertretern der Besatzungsmächte gegebenen Zusicherungen verlassen
hat, die noch dazu auch auf deutscher Seite nicht
von der höchsten politischen Spitze entgegengenommen und in gehöriger Form verbrieft wurden, so daß sie wirklich nicht als eine echte Grundlage für unsere 'Entscheidung gewertet werden
konnten. Wir haben damals nachdrücklich auf
diesen Sachverhalt bei den Verhandlungen im
Bundessitzausschuß und auf die Gefahren hingewiesen, die darin lauerten .und die nun auf uns in
Gestalt wesentlich höherer Aufwendungen für den
Wohnungsbau 'im Raume Bonn zugekommen sind.
Etwas anderes, was heute schon anklang, muß
ich auch deutlich aussprechen. Selbstverständlich
sind nicht nur die kleinen Leute für die Ordnungswidrigkeiten und für alles das, was in dem Bericht
gerügt wird, verantwortlich, auch nicht etwa nur
der Staatssekretär Wandersieb, der ausdrücklich
dem Ausschuß gegenüber erklärt hat, daß er, bis
zum 1. Dezember 1949 zum mindesten, für die Beschaffungsstelle die Verantwortung auf sein breites
Kreuz lade und seine Mitarbeiter nicht im Stich
lassen wolle. Infolgedessen ist er also auch für das,
was an der Beschaffungsstelle gerügt wird, selbstverständlich mitverantwortlich. Von dieser Verantwortung, die er selbst übernommen hat, kann ihn
niemand entbinden. Aber auch das ist nicht der
entscheidende Mann, sondern es kam doch damals
bei der Schaffung der Bundesorgane darauf an,
daß wir nun wirklich klare organisatorische Zuständigkeiten schufen. Diese Zuständigkeiten mußten„ bei der Bedeutung dieses Projektes doch einmal durch diejenige Gewalt festgelegt werden, der
die Organisationsgewalt zustand: das ist das Bundeskabinett selbst. In diesem Bundeskabinett gab
es einen Minister, der auch damals schon für die
großen Summen, die wir hier verausgabten, verantwortlich war: das war der Bundesfinanzminister.
Und selbstverständlich dann auch noch eine Persönlichkeit, die sehr unmittelbar und sehr eng mit
dem Zustandekommen des Bundestagsbeschlusses
seit der Vorbereitung des Projektes Bonn verflochten war, nämlich der Bundeskanzler selbst. Wir wollen also ruhig hier festhalten, daß dem Hohen Hause gegenüber nicht der einzelne kleine Beamte verantwortlich ist, sondern die parlamentarische Verantwortlichkeit für das, was hier geschehen ist, tragen die dem Bundestag verantwortlichen Minister und niemand anders.
({5})
Wieweit diese Verantwortlichkeit eigentlich geht, möchte ich Ihnen noch an einem andern Beispiel illustrieren. Auf Seite 28 findet sich ein interessanter Personalstärken- und Büroflächenvergleich, und darin heißt es, daß der Herr Finanzminister am 17. Oktober 1949 dem Ausschuß bestimmte Zahlen über die voraussichtliche Kopfstärke der Ministerien und ihren Büroflächenbedarf unterbreitet hat. Diese Aufstellung schließt mit 3388 Köpfen. Der Bundessitzausschuß selber hat das schon berichtigt. Er hat schon gewußt, daß darin einige Illusionen steckten, z. B. die Illusion, daß das Verkehrsministerium irgendwo anders bleiben könnte, und er kam dann auf 5187 Köpfe. Aber immerhin: lassen wir nur einmal das Verkehrsministerium weg oder setzen wir vielmehr die 950 Personen, die das gegenüber dem Vorkommando mehr ausmacht, dazu. Da ergibt sich, daß der Finanzminister, der doch die Vorbereitung der Bundesorganisation finanziell in seiner Hand hatte, mit einem Personalbedarf von 4338 Köpfen rechnete, während der Haushaltsplan des Jahres 1950 mit fast 6000 Köpfen schließt. Das ist ein Unterschied von rund 40%, der es natürlich auch erklärlich macht, daß eine ganze Reihe von Aufwendungen ganz allgemein auch für die Einrichtung der Behörden gewachsen ist, der aber erkennen läßt, daß die eigentliche Organisationsbehörde des Bundes, daß die Haushaltsabteilung auch des Finanzministeriums und der Finanzminister selbst keine sehr klaren Vorstellungen von dem Anwachsen der Aufgaben des Bundes und der dazu notwendigen Organisationen gehabt haben oder zum mindesten im damaligen Zeitpunkt - nach dem Brief, der dem Bundestag seinerzeit zugegangen ist - nicht haben wollten.
Aber besonders neckisch, besonders interessant ist es, wie sehr sich der Finanzminister für sein eigenes Haus verschätzt hat. Ich würde es ihm noch gestatten, daß er sich bei fremden Leuten irrt; daß er aber seinen eigenen Bedarf mit 386 Bediensteten beziffert, um uns dann im Haushaltsplan 1950 mit 791 Köpfen zu kommen,
({6})
das ist wohl ein ziemlich klarer Beweis, daß er über sein eigenes Projekt in bezug auf den Ausbau der Bundesfinanzverwaltung noch nichts gewußt hat oder uns mindestens damals noch nichts verraten wollte.
({7})
Nun zum Hergang der Dinge selber! Auf Seite 2 finden Sie den grundlegenden Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz bzw. ihres Hauptausschusses in Schlangenbad:
Der Hauptausschuß empfiehlt sämtlichen beteiligten Stellen, ihre Vorbereitungen auf das Maß zu beschränken, das erforderlich ist, um den ordnungsmäßigen Beginn der Arbeit der Bundesorgane zu gewährleisten.
({8})
Dieser Beschluß, der doch für die Zeit bis zur endgültigen Entscheidung des Bundestages wichtig war, ist einer ganzen Reihe nachgeordneter Dienststellen von den verantwortlichen Persönlichkeiten nur in der Weise zur Kenntnis gebracht worden, daß man ihnen ein dickes Buch, den Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz, in die Hand gedrückt hat, und darin stand unter „Ferner liefen" auf irgendeiner Seite auch dieser 'Beschluß, so daß uns ein nicht unwesentlicher Beamter mitgeteilt hat: ja, diesen Beschluß habe ich eigentlich erst im Dezember, als die endgültige Entscheidung längst gefallen war, gelesen. Er konnte sich also praktisch an diese Grenzen nicht gut gebunden fühlen. Es wäre eine Verpflichtung der Verantwortlichen gewesen, diesen Beschluß allen ihnen unterstellten Beamten und Angestellten sehr nachdrücklich immer wieder in Erinnerung zu rufen, bis endgültig über den Bundessitz entschieden worden war.
Ich möchte darauf hinweisen, daß das Verfahren, das man bei den Kasernen angegeben hat, in der Auswertung der Schlangenbader Beschlüsse offensichtlich auch etwas fehlerhaft gewesen ist und in der weiteren Durchführung der Arbeiten gewisse Schwierigkeiten zur Folge gehabt hat. Es heißt hier auf Seite 8 des Berichts:
Die ersten Kostenanschläge enthielten nur ein
dem Umfange nach beschränktes Programm
für die erste Aufnahme von Bundesorganen
im Sinne der Schlangenbader Beschlüsse.
Die Sache war völlig klar: Man wollte durch die
Schlangenbader Beschlüsse erreichen, daß in Bonn
zunächst nur das getan wird, was notwendig ist,
damit die Bundesorgane anfangen können. Aber
a die Zahlen, die man für diese Entscheidung uns zu unterbreiten hatte, waren doch nicht die Zahlen für die Aufnahme der ersten Arbeiten, sondern das waren doch selbstverständlich die Zahlen für die Einrichtung der Bundesorgane dann, wenn die Entscheidung über ihren Sitz gefallen wäre, und das ist offenbar bei den Kasernen auch etwas daneben gegangen.
Bei den organisatorischen Mängeln, von denen ich vorhin schon sprach, fällt uns insbesondere auf, daß es keine klare Aufgabenabgrenzung gegeben hat, daß das Personal weder der Zahl noch auch der Qualität nach ausreichend war, daß es an der notwendigen Aufsicht über die Stellen, die mit diesem umfangreichen Bau- und Beschaffungsprogramm betraut waren, offensichtlich gefehlt hat, und vor allem daran, daß die Aufsicht, wenn sich irgendwelche Mängel herausstellten, dann auch rechtzeitig eingriff, um sik abzustellen. Auch hier liegt die Verantwortung derer vor, die dem Parlament verantwortlich sind und niemand anderem sonst.
Zu den Einzelheiten darf ich darauf hinweisen, daß sich wie ein roter Faden durch den Bericht die Feststellung zieht, daß es trotz der Eile, mit der hier gebaut und geschafft werden mußte, nicht not-. wendig war, immer auf den Wettbewerb und auf Ausschreibungen zu verzichten.
Ein besonderes Kapitel ist in diesem Zusammenhang der Beschaffungsstelle eingeräumt. Sie kommt nicht gut davon. Ich erwähne die Beschaffungsstelle hier eigentlich mehr als Symbol. Sie hat es nicht erreichen können, daß alle Aufträge wirklich durch ihre Hand gingen. Angesichts der Höhe der in Frage kommenden Summen wäre es Aufgabe
der für die Organisation der Bundesbehörden verantwortlichen Stellen gewesen, dafür zu sorgen, daß die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zur Vereinheitlichung des Beschaffungswesens rechtzeitig getroffen worden wären. Das steht auch in dem Bericht, und das wollen wir nicht ganz untergehen lassen. Es wird dann im einzelnen darauf eingegangen, was alles an dieser Beschaffungsstelle gefehlt hat, daß es keine Ausstattungsrichtlinien gegeben hat, wie sie in einer ordentlichen Verwaltung sonst üblich waren. Das Fehlen dieser Richtlinien war es ja gerade, das jenes Chaos beim Presse- und Informationsamt und bei einigen Ministerien - Gott sei Dank nicht bei allen - verursacht hat.
Es hat uns auch gar nicht gefallen - diese Dinge sind ja im Haushaltsausschuß auch schon einmal behandelt worden -, daß der Herr Finanzminister es für notwendig gehalten hat, die Kunstwerke, die im Betrage von 173 395 DM angekauft wurden, nun ausgerechnet aus dem Katastrophenfonds zu bezahlen. Dieser Fonds für Unvorhergesehenes kann für alle möglichen Zwecke verwendet werden, vielleicht auch im Zusammenhang mit der Einrichtung der Bundesorgane - die Entscheidung mag man als Katastrophe betrachten; daraus erklärt sich manches -, aber auf keinen Fall zur Ausstattung mit Kunstwerken, so nützlich und lobenswert das ganze Vorhaben gewesen sein mag. Da hätte man auf jeden Fall eine andere haushaltsrechtliche Regelung finden müssen.
Das Bundespresse- und Informationsamt - es ist vorhin hier schon kurz gestreift worden - ist mit einem erheblichen Aufwand außerordentlich luxuriös ausgestattet worden. Das ist eigentlich der einzige Fall, wenn wir von dem Sportkabriolett des Herrn ERP-Ministers absehen wollen, das sich in diesem Zusammenhang auch ein klein wenig seltsam ausnimmt, in dem man wirklich von Luxus sprechen kann. Bei allen anderen Vorhaben kann man kaum von Luxus reden, sondern da haben die Ausgaben eben andere Gründe, die in der Überhastung, in der mangelnden Organisation und in dem Anwachsen der Aufgaben überhaupt liegen. Ich darf Ihnen das Kapitel über das Bundespresse-und Informationsamt zur Lektüre empfehlen und möchte hoffen, daß auch die Verwaltung ihre Schlüsse daraus zieht. Einige Zahlen hat Ihnen ja vorhin der Kollege Renner daraus verlesen. Ich möchte es mir also ersparen, Sie auf besonders markante Beispiele hinzuweisen.
Eines liegt mir aber dabei doch am Herzen. Der Ausschuß hat bei der Beschaffungsstelle darauf gedrängt, daß die Möbel, die man damals beschafft hat und dann, weil man sie trotzt des teuren Preises gar nicht gebrauchen konnte, auf die Bühne gestellt hat, nunmehr beschleunigt einer angemessenen Verwendung zugeführt werden. Am 15. März 1951 haben wir festgestellt, daß sich die Möbel immer noch unbenutzt im Abstellraum befinden.
({9})
Wir haben jetzt zu unserer Überraschung erfahren, daß trotz dieser Untersuchungen, trotz der eindeutigen Feststellungen, daß wir es mißbilligen, daß eine nachgeordnete Dienststelle einen derartigen Aufwand treibt, diese Möbel nun nicht etwa in Repräsentationsräume des Herrn Kanzlers oder des Herrn Bundespräsidenten oder des Auswärtigen Amtes gegangen sind, sondern sich nach und nach friedlich in den Räumen des Bundes({10})
presse- und Informationsamtes zum Gebrauch einfinden.
({11})
Ich glaube, das Parlament kann ein solches Verhalten nicht billigen.
({12})
Nachdem wir monatelang über diese Dinge eingehend verhandelt haben, hätten die Verantwortlichen jener Dienststelle wissen müssen, daß es
eine Aufgabe des Taktes ist, für diese Möbel nun
eine andere, zweckmäßigere Verwendung zu finden.
({13})
Hinsichtlich der Bauten möchte ich nur feststellen, daß die Auftragsverhältnisse besonders unklar waren. Es hat keine klare Abgrenzung der Art und des Umfanges der Leistungen bei den einzelnen Projekten, vor allem beim Hause Schaumburg, gegeben. Es wurde eben darauf losgearbeitet, weil es eilte, ohne daß man die Kostenfrage wirklich eingehend geklärt hätte. Man hat dem Architekten sehr viel freie Hand gelassen. Darüber ist ja hier schon gesprochen worden. Die Bundesbaudirektion, also die Stelle, die der Verantwortung des Herrn Bundesfinanzministers unterstellt ist, hat sich viel zu spät und mangelhaft in alle diese Bauvorhaben eingeschaltet. Das Haus Schaumburg war ursprünglich doch gar nicht als Sitz des Kanzlers vorgesehen. Seine Wünsche und die Improvisationen, die sich daraus ergaben, wirkten natürlich erheblich verteuernd. Ich will dem Hause nicht verschweigen, daß es auf unsere Fraktion einen wohltuend abstechenden Eindruck gemacht hat, als wir feststellen konnten, daß der Herr Bundespräsident eben gewartet hat, bis seine Räume fertig waren, und daß sich daraus für sein jetziges Haus ein verhältnismäßig erheblich niedrigerer Preis ergeben hat, weil man ruhiger und sachlicher bauen konnte als unter der Hetze der ständigen Improvisationen und des Setzens von Terminen, die nachher gar nicht eingehalten wurden. Ich darf daran erinnern: Am 9. November wurden für eine Raumgruppe sieben Tage Frist gesetzt. Etwa bis zum 15. November sollte sie fertig sein. Sie war am 16. November fertig. Bezogen wurde sie erst am 23. November. Man hätte sich also viel mehr Zeit lassen und wesentlich billiger bauen können.
In diesen Zusammenhang gehören auch einige Bemerkungen über den Garten. Ich will jetzt nicht weiter darauf eingehen, sondern nur einer Legendenbildung, die sich draußen leider 'bemerkbar gemacht hat, als ob die Kosten niedriger gewesen seien, vorbeugen. Ich will kein Wort darüber verlieren - das können Sie selber alles im Bericht lesen -, worauf die Aufwendungen in dem Garten zurückgehen und auf wessen Wünsche sie im einzelnen zurückzuführen sind. Ich möchte nur feststellen: er hat nicht 67 000 DM, sondern mit Wasserleitung und Parkbeleuchtung eben doch 145 000 DM gekostet.
({14})
Nur soviel zu den Einzelheiten. Und jetzt zum Abschluß noch einige Bemerkungen über das Verfahren selbst. Der Ausschuß hat in den letzten Monaten nicht gerade sehr schnell gearbeitet. Das muß ich als Mitglied dieses Ausschusses offen bekennen. Die anderen Mitglieder des Ausschusses werden es mir verzeihen, wenn ich hier den Wunsch ausspreche, nun nicht noch einmal jenes Experiment zu wiederholen, nach Abschluß der
Arbeiten fünf Monate lang am Bericht zu formu lieren, wie es tatsächlich geschehen ist, weil es außerordentlich schwierig war, auch nur in bescheidenen zeitlichen Zwischenräumen die sieben Ausschußmitglieder zu den Sitzungen zusammenzubringen. So schlimm war das doch gar nicht. Der Bericht hätte doch auch vor der Landtagswahl von. Niedersachsen kommen können; er hätte doch wirklich nicht das Ergebnis der Wahl entscheidend beeinflussen können.
({15})
- Wir haben das Ding doch gar nicht im Wahlkampf von Niedersachsen gebraucht, Herr Kollege Hasemann; da haben wir doch ganz andere Munition und brauchen nicht mit diesen kleinen Fischen zu kommen. Die Bundesregierung macht es uns doch so leicht! Was täten wir ohne den Bundeskanzler?!
({16})
Eine Klärung dieser Dinge liegt doch wirklich im Interesse aller. Die Arbeit des Ausschusses war zweifellos nützlich. Sie hat einen erheblichen erzieherischen Einfluß auf die Verwaltung gehabt. Manche Zustände sind überraschend schnell beseitigt worden, als der Ausschuß in die Untersuchungen einzusteigen begann. Wir haben Mängel gerügt, damit sie abgestellt werden. Es sind in diesem Zusammenhang auch einige Gerüchte, die Übertreibungen enthielten, „am Boden zerstört" worden. Wir wollen wünschen, daß man für die Zukunft daraus lernt, organisatorische Aufgaben, die sich uns doch immer wieder - vielleicht in einer noch größeren Gestalt - stellen können, von Anfang an anders anzupacken. Wenn das erreicht wird, hat der Ausschuß ein gutes Stück Arbeit getan, und dann hat auch die heutige Debatte ihren guten Sinn gehabt.
({17})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In manchen Punkten bin ich der gleichen Meinung wie Herr Kollege Erler, aber nicht in allen Punkten. In zwei sehr maßgeblichen Punkten bin ich anderer Ansicht. Der Herr Vorredner hat sich hier bei seinem Berichte bemüht, einen großen Überblick über den Inhalt dieses ersten und - wie Herr Kollege Erler mit Recht gesagt hat - vorläufigen Ausschußberichtes zu geben. Herr Kollege Erler hat zwar zahlreiche Einzelheiten angeführt; aber doch immerhin nur einen großen Überblick über den Bericht geben können, und zwar insbesondere natürlich über die Punkte, die er von seinem Standpunkt aus mit Recht als besonders rügenswert ansieht. So machte Herr Kollege Erler der Regierung zum Beispiel den Vorwurf, daß es insbesondere an einer zureichenden Organisation gefehlt habe. Das mag in mancher Hinsicht zutreffen. Aber ich glaube, diese Feststellung allein läßt der Sache keine Gerechtigkeit widerfahren, sondern es kommt darauf an, daß man die gesamten Umstände, unter denen damals die Regierung installiert werden mußte, berücksichtigt.
Um es mit einem Satz zu sagen: Wenn man die ganzen Vorgänge nur ex nunc und nicht ex tune beurteilt, gerät man in die Gefahr, sie, wenn auch nicht gerade falsch, so doch zumindest schief zu beurteilen. Ich möchte es mir deshalb ersparen,
({0})
auf alle Einzelheiten des Berichtes einzugehen; dafür liegt er Ihnen ja gedruckt vor. Das wäre auch bei der Länge des Berichtes und bei der großen Anzahl der Anlagen, die dem Bericht beigefügt sind, sowie bei dem sehr umfangreichen Zahlenmaterial schon zeitlich gar nicht möglich.
Für eilige Leser - und zu diesen eiligen Lesern möchte ich Herrn Kollegen Renner zählen, der verhältnismäßig eilig über den Bericht hinweggehuscht zu sein scheint - haben wir gleich zu Beginn des Ausschußberichtes den Auftrag, nämlich den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, zusammengestellt und haben am Schluß des Berichtes unter Bezugnahme auf diese sieben Ziffern des Auftrages festgestellt, was nun objektiv zu den einzelnen Punkten des Auftrages zu sagen ist.
Man kann, glaube ich, diese sieben Punkte in drei große Punkte zusammenfassen. Vier Punkte, nämlich der erste, der zweite, der vierte und der fünfte, handeln von den Aufträgen, die vergeben worden sind, ferner davon, ob Überforderungen vorgekommen sind, und insbesondere davon, ob bestimmte Interessenten oder Interessentengruppen bevorzugt worden sind. Dazu stellt der Ausschuß in der Zusammenfassung auf Seite 19 des Berichtes fest:
Das Auftragsvergebungsverfahren ist in dem Bericht im einzelnen dargestellt, soweit es sich um Aufwendungen für deutsche Dienststellen handelt.
Lassen Sie mich auch an dieser Stelle einfügen, daß wir es außerordentlich bedauert haben, daß sich die Untersuchungen nicht auch auf die im Interesse alliierter Dienststellen vergebenen Aufträge erstrecken konnten. Ich bin mit Herrn Kollegen Erler der Meinung, daß das doch ein recht dicker Brocken werden kann, demgegenüber uns das Zahlenmaterial in diesem Bericht verhältnismäßig klein zu sein scheint. Es heißt dann weiter in Ziffer 2:
Im allgemeinen sind die Aufträge nur von zuständigen Stellen vergeben worden.
Es heißt im Zusammenhang damit unter Ziffer 5 weiter, der Ausschuß habe nicht feststellen können, daß bestimmte einzelne Interessenten oder Interessentenkreise einseitig bevorzugt worden seien. Und in diesem Zusammenhang hat der Ausschuß, wie ich hervorheben darf - und, meine Damen und Herren, es liegt mir sehr viel daran, das hervorzuheben -, festgestellt:
Irgendwelche Anzeichen für Fälle von Untreue und Bestechung von Beamten und Angestellten haben auch die hierauf angestellten Ermittlungen nicht ergeben.
Ich darf Sie bitten, versichert zu sein, daß alle Mitglieder dieses Ausschusses in ihrem Frage- und Antwortspiel gerade darauf den allergrößten Wert gelegt haben. Und warum, meine Damen und Herren? Weil sich die Vorwürfe in der Öffentlichkeit besonders darauf erstreckten, weil es doch in der Öffentlichkeit schon so hieß, als seien auch hier wieder die Arbeiten so nach einem Schema vergeben worden, wie es in den unglückseligen Zeiten der deutschen Aufrüstung, als die Westwallarbeiten vergeben wurden, anscheinend vorgekommen sei und wie es wohl mit Bestimmtheit vorgekommen ist. Darauf zielte man ab, und das glaubte man nun den Beamten und Angestellten wieder vorwerfen zu können. Der Ausschuß hat nicht nur festgestellt, daß es sich nicht habe beweisen lassen, sondern er hat positiv festgestellt, daß es nicht der Fall gewesen sei.
Der Ausschuß hat aber darüber hinaus im letzten Satz des Berichtes auf Seite 20 oben in anderem Zusammenhang - über den Auftrag hinaus, aber im Zusammenhang mit ihm - festgestellt, es hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß dem Bundessitzausschuß schuldhaft falsche Zahlen über die voraussichtlichen Kosten für die Unterbringung der Bundesorgane in Bonn genannt worden seien. Auch das scheint uns wesentlich zu sein.
({1})
In diesem Zusammenhang darf ich noch einmal auf die Frage zurückkommen, warum die Kosten höher geworden sind. Meine Damen und Herren, ohne auf alle Einzelheiten noch einmal eingehen zu wollen, ohne sie auch im Einzelfall teilweise widerlegen zu können, weil sie aus dem Bericht selbst zu widerlegen sind, glaube ich doch, einige wenige allgemeine Gesichtspunkte, die für die Beurteilung des Vorganges von entscheidender Bedeutung sind, hervorkehren zu müssen.
Meine Damen und Herren, wie kam es denn eigentlich, daß die Einsetzung des Untersuchungsausschusses überhaupt notwendig wurde? Ich darf in Ihre Erinnerung die Situation zurückrufen, wie sie war, als Bonn zur vorläufigen Bundeshauptstadt gewählt worden war. Von diesem Tage an setzte doch in unserem Lande eine Kampagne, um nicht zu sagen: eine Hetze in der Öffentlichkeit gegen Bonn ein. Da man nichts Besseres wußte und da der Bundestag nun einmal so entschieden hatte, behauptete man, es würden hier Luxusbauten errichtet und es würde hier eine Verschwendung über alle Maßen getrieben. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang auf eine Stelle des Berichtes hinweisen, die gerade das soviel angefeindete Palais Schaumburg betrifft. Es heißt auf Seite 14 in der linken Spalte unten bzw. in der rechten Spalte oben:
Der Ausschuß hat sich davon überzeugt, daß trotz der verhältnismäßig hohen Instandsetzungskosten der Umbau des Palais Schaumburg durchaus gerechtfertigt war, da die Kosten für einen den gleichen Zwecken dienenden Neubau ganz wesentlich höher gewesen wären.
Auf die Zahlen ist in der Anlage 8 hingewiesen. ({2})
- Herr Kollege Renner, Sie verwechseln hier zu oft Dichtung mit Wahrheit!
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Es scheint damals so gewesen zu sein, daß in dieser Animosität gegen Bonn sogar die Komponisten oder Dichter Kölner Karnevalsschlager sich der Sache annahmen und daß hier hinter unserem Bundeshaus die Dampfer und vor unserem Bundeshaus die Omnibusse vorbeifuhren, deren Insassen singend wissen wollten, wieviel das denn nun kosten solle. Meine Damen und Herren, ich glaube, das war nicht die richtige Methode, sondern die richtige Methode war, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen - und ich bin der SPD sehr dankbar dafür, daß sie seinerzeit diesen Untersuchungsausschuß beantragt hat -, der nunmehr festgestellt hat, wie es wirklich gewesen ist. Meine Damen und Herren, diese Propaganda und diese Hetze, die damals nach der Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt gegen Bonn getrieben wurden, kamen ja doch aus ganz bestimmten Quellen.
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- Herr Kollege Renner, ich glaube, Sie kennen sie genau so gut wie ich!
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Deswegen haben wir es wirklich begrüßt, daß der Untersuchungsausschuß eingesetzt wurde, denn auf diese Art und Weise verstummte die Propaganda. Sie verstummte bereits, als der Ausschuß mit der gesamten Öffentlichkeit, vor der er ja tagte, mit der gesamten Presse und mit allen Photographen durch die Ministerien wandern konnte, durch die Zimmer des Bundeskanzlerpalais und durch das Zimmer des Herrn Bundeskanzlers selbst, während dieser darin arbeitete und auf die Fragen, die an ihn gerichtet wurden, Rede und Antwort stand. Von dem Tage an ebbte die Propaganda allmählich ab. Ich habe es schon gesagt, aber ich wiederhole es: schon deswegen hat sich die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gelohnt.
Meine Damen und Herren! Für die Beurteilung der ganzen Vorgänge scheint es mir auch gefährlich zu sein, Maßstäbe anzulegen, die in normalen Zeiten richtig sind. Ich glaube, man darf einen so einmaligen Vorgang wie die Errichtung einer Regierung und die Installierung einer neuen Bundeshauptstadt eines Staates von immerhin 48 Millionen Menschen nicht unter den Gesichtspunkten und nicht aus der Perspektive von Rechnungshöfen sehen.
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Wenn wir die Maßstäbe anlegen, die in normalen Zeiten richtig sind, werden wir der Sache nicht ganz gerecht.
Meine Damen und Herren, mit meinen Ausführungen beabsichtige ich in keiner Weise, den endlich begrabenen Streit Frankfurt-Bonn nochmals aufzurühren. Aber ich glaube, doch eines sagen zu müssen: Die Vorwürfe, die man der Bundesregierung, insbesondere dem Herrn Bundeskanzler wegen des Neubaus bzw. Umbaus und der Einrichtung des Palais Schaumburg macht, obwohl man jetzt festgestellt hat - ich durfte Ihnen das eben vorlesen -, daß dort kein Luxus getrieben worden ist, laufen letztlich darauf hinaus - ich habe das schon im Ausschuß betont -, daß dort unorganisch und ohne Plan gebaut worden sei, daß der Bundeskanzler mit seiner Dienststelle zunächst in das Museum Koenig gezogen sei, daß er sich dann habe umsetzen lassen, wie es in dem Bericht so schön heißt, in Räume im Südflügel des Palais Schaumburg und schließlich nach weiteren 14 Tagen oder drei Wochen in das obere Geschoß des Palais Schaumburg übergesiedelt sei. Dazu darf ich zunächst etwas allgemeines sagen und damit gleich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Renner eingehen.
Ich darf in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß bereits im Herbst 1948, ehe der Parlamentarische Rat zusammentrat - das war bekanntlich am 1. September 1948 -, darüber gestritten wurde, wo er zusammentreten solle. Es ist unserem Kollegen, dem damaligen Innenminister Herrn Dr. Menzel zu verdanken, daß er seiner damaligen Regierung den Vorschlag gemacht hatte, das Land NordrheinWestfalen und die Stadt Bonn sollten den Parlamentarischen Rat nach hier einladen. Der Parlamentarische Rat war kaum zusammengetreten, als in einer Besprechung darüber, ob Bonn nun auch die endgültige Hauptstadt werden solle, der Vertreter Frankfurts betonte, daß diese Frage sehr schnell entschieden werden müsse, weil sie von außerordentlicher Bedeutung sei und weil die Vorbereitungen für die Einrichtung des Bundessitzes mit sehr großen Schwierigkeiten verbunden seien. Damals hatte der Vertreter der Stadt Frankfurt durchaus recht. Aber, meine Damen und Herren, was damals recht war, blieb auch später recht. Ich glaube sagen zu dürfen, und mit mir sind meine politischen Freunde der Meinung: Wenn man nach dem 10. Mai 1949, nachdem der Parlamentarische Rat Bonn zum Bundessitz bestimmt hatte, diese Entscheidung in der Öffentlichkeit nicht angezweifelt oder sogar bekämpft hätte, dann hätten die in Frage kommenden Behörden und Stellen alle diese Arbeiten mit viel größerer Ruhe und Sorgfalt erledigen können,
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und es hätte keinen Anlaß gegeben, ihnen solche Vorwürfe zu machen. Diese Umstände muß man, wenn man der Sache gerecht werden will, bei der Beurteilung auch berücksichtigen.
Lassen Sie mich nun zu einigen Einzelheiten kommen, weil gewisse Behauptungen nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Die Feststellungen des Presseamtes waren - insoweit schließe ich mich Herrn Kollegen Erler durchaus an - durchweg unerfreulicher Natur. Aber was die Gutachten anlangt - im Ausschuß ist uns nur ein Gutachten vorgelegt worden, der Bericht hat allerdings von einem zweiten Gutachten gesprochen, das vorliegen soll, das ich aber noch nicht kenne -, so möchte ich Ihnen nur eines sagen: Wer jemals in seinem Leben seine Rechte mit Hilfe von Gutachten beweisen mußte, ist ein sehr, sehr armer Mann. Denn alle diejenigen, die in diesen Dingen Erfahrung haben, wissen, daß man mit Gutachten entweder alles oder aber meistens gar nichts beweisen kann. Das, glaube ich, sollte man auch bei den Dingen berücksichtigen, die nun in diesem Bericht einmal ausschließlich mit Gutachten haben bewiesen werden müssen.
Es ist eben mit Recht von Herrn Kollegen Erler darauf hingewiesen worden, daß sich innerhalb dieses Hauses ein Ausschuß oder ein Unterausschuß - ich weiß im Augenblick nicht, welcher - mit Dingen befaßt hat, die an sich zur Zuständigkeit des Finanzministeriums gehören. Ich meine die Anschaffung von Kunstwerken oder Gemälden; ich weiß es nicht genau. Ich möchte diesem Ausschuß oder diesem Unterausschuß, dessen Mitglieder ich gar nicht kenne, keineswegs zu nahe treten. Aber eines möchte ich dabei feststellen: was an Unebenheiten und Ordnungswidrigkeiten, Zuständigkeitsvermengungen und Zuständigkeitsüberschreitungen bei der Regierung vorgekommen sein mag, ist sogar in diesem Hohen Hause vorgekommen. Ich mache es niemandem in dem Maße zum Vorwurf; aber es ist, glaube ich, doch ein Beweis dafür, daß man die Sache aus den Verhältnissen der damaligen Zeit heraus beurteilen muß und nicht ausschließlich vom heutigen Standpunkt aus.
Ferner ist hier der Vorwurf erhoben worden, daß der Wohnungsbau im Verhältnis zu den Zahlen, die im Bundessitz-Ausschuß angegeben worden seien, erheblich höhere Mittel verschlungen habe. Ich glaube, es kommt nicht so sehr darauf an, wieviel Mittel für den Wohnungsbau über die damals angegebenen Zahlen hinaus ausgegeben worden sind, sondern es kommt in erster Linie darauf an, d a ß hier gebaut worden ist; denn gebaut hätte werden müssen, sowohl in Frankfurt als auch in Kassel oder in Karlsruhe oder in Bonn - ich weiß nicht, wo überall -; Wohnungen hätten überall erstellt werden müssen.
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Der Bedarf an Wohnungen richtet sich eben danach, in welchem Umfange die Bundesregierung Beamte, Angestellte und Arbeiter nötig hat, um den mit der Zunahme der deutschen Souveränität immer größer werdenden Aufgabenkreis erfüllen zu können. Das ist das Entscheidende, und das konnte im Herbst 1949 niemand voraussehen.
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Auf etwas anderes, das mir wesentlich zu sein scheint, darf ich mir Sie hinzuweisen erlauben, nämlich auf die Übersicht, zu welchen Preisen hier in Bonn gebaut worden ist. Sie finden das auf den Seiten 38 und 39 des Berichts. Gestatten Sie mir, daß ich aus dem großen Zahlenmaterial, dás Sie auf diesen zwei Seiten finden, auf zwei Zahlen hinweise, und zwar auf die Endsummen in den Rubriken Nr. 9 und 18. In der Endsumme der Rubrik Nr. 9 finden Sie den Preis pro Kubikmeter umbauten Raums im gewogenen Mittel mit 42 DM angegeben, und in Spalte 18 die reinen Baukosten je Wohnungseinheit mit 13 480 DM im gewogenen Mittel angegeben. Ich glaube, an diesen Preisen braucht niemand Kritik zu üben. Die Bundesregierung kann mit diesen Preisen, die sie für Bauten im Raume Bonn gezahlt hat, bestehen.
Lassen Sie mich noch einen Punkt berühren, den ich während meiner Ausführungen schon gestreift habe, als ich vom Palais Schaumburg sprach, und zusammenfassend dazu noch folgendes sagen. Der Bericht befaßt sich mit dem Palais Schaumburg am ausgiebigsten. Das werden Sie sehen, wenn Sie ihn durchlesen. Das liegt sicher an der Größe des Hauses, das liegt sicher an seiner Schönheit; das liegt auch sicher an den hohen Instandsetzungskosten, von denen der Ausschuß festgestellt hat, daß ein D anderes Haus weit mehr gekostet hätte. Aber ich habe so den Eindruck, daß es vielleicht auch an der Person des Hausherrn liegt.
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Deswegen lassen Sie mich noch einige Ausführungen dazu zu machen. Die hohen Mehrkosten sind beanstandet worden. Dem . Bundessitzausschuß waren 180 000 DM als „über den Zaun geschätzt" angegeben worden. In Wirklichkeit hat es ein Vielfaches mehr gekostet. Die Gründe sind im Bericht angegeben. Zum andern sind - darüber habe ich bereits gesprochen - die verschiedenen Umzüge beanstandet worden. Aber, ich darf nochmals wiederholen: es scheint mir nicht nur an einer gewissen Planlosigkeit zu liegen - ich kann das durchaus nicht als Planlosigkeit anerkennen -, sondern umgekehrt scheint mir, daß der Bundeskanzler, nachdem seit dem 10. Mai 1949 soviel Zeit verstrichen war, nachdem durch den Kampf Bonn-Frankfurt in diesem Saal noch mehr vergeblich verstrichene Zeit hinzugefügt war, nunmehr als der für die Richtlinien der Politik verantwortliche Mann in der Regierung" recht daran tat, möglichst schnell die Bundesregierung so zu installieren, daß sie auch in ihrem Verkehr mit den übrigen Regierungen bestehen konnte. Ich darf Sie daran erinnern, daß alsbald - ich glaube, am 15. Januar - ein Empfang - wenn ich mich nicht täusche, des französischen Außenministers - in dem Hause stattgefunden hat, wobei ich hinzufügen darf, daß doch das Palais Schaumburg neben seiner Eigenschaft, Bundeskanzleramt zu sein, auch die Aufgabe hat, als Repräsentationsgebäude für den Empfang hoher ausländischer Gäste zu dienen, weil eben noch kein Gebäude für das Auswärtige Amt vorbanden ist.
Darf ich Sie in diesem Zusammenhang an folgendes erinnern. Wenn ich damit beginne, werden Sie sagen: das waren andere Zeiten, von denen Sie sprechen! Deswegen spreche ich auch nicht von der Errichtung des Reichstagsgebäudes und seiner Einrichtung. Ich denke nicht daran, weil das wirklich andere Zeiten waren. Aber im Jahre 1930, also in einer Zeit, in der Deutschland nicht in einem allzugroßen Wohlstand lebte und in der die deutsche Regierung sehr große Sorgen hatte, wurde der Erweiterungsbau der Reichskanzlei, der vielen hier im Hause bekannt ist, errichtet. Die Ausgabe für diesen Erweiterungsbau - ich habe mir die Mühe gemacht, den damaligen Etat in den Reichsgesetzblättern nachzulesen -, der sicherlich nicht größer war als das Palais Schaumburg, betrug damals 2 420 000 Mark gegenüber 809 000 DM für das Palais Schaumburg. Sie werden mir sagen: der Vergleich hinkt, und mit Vergleichen kann man alles beweisen. Ich sage nicht, daß man damit die Zahl von 809 000 DM beweisen und vertreten soll; aber ich behaupte wohl, daß man sie zumindest als Vergleich in dieser unserer Zeit einmal heranziehen darf.
Wegen des Ablaufs der mir eingeräumten Redezeit lassen Sie mich zum Schluß zwei Dinge feststellen. Als Herr Kollege Dr. Arndt in der vergangenen Woche zu dem Bericht des Untersuchungsausschusses, Nr. 44 sprach, stellte er mit Recht fest, daß man bereit sein müsse, aus einem Untersuchungsausschußbericht Folgerungen zu ziehen. Die SPD-Fraktion hat damals die Folgerungen dadurch gezogen, daß sie in diesem Hause Anträge gestellt hat. Ich glaube, die Zeit zum Stellen von Anträgen ist noch zu früh, weil es sich ja um einen Zwischenbericht, einen vorläufigen Bericht handelt. Aber ich glaube, eine Konsequenz a sollten wir heute schon ziehen - jedenfalls möchte ich das für meine politischen Freunde tun -: wir sollten anerkennen, daß, wenn man von manchen Unebenheiten, Ordnungswidrigkeiten und Zuständigkeitsvermengungen absieht, in Bonn vernünftig und gut gebaut worden ist. Dafür gebührt allen denjenigen, die in dieser sehr, sehr kurzen Zeit hier die Bauten errichtet haben, unsere Anerkennung.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hasemann.
Herr Kollege Renner, das war nur versilbert, das war kein Silber! Ich glaube, Sie essen zu Hause auch mit versilberten Bestecken.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, dann tue ich das nicht mehr als Berichterstatter, sondern als Sprecher für meine Fraktion. Ich stelle mit großer Genugtuung fest, daß diese Diskussion sich gewissermaßen mit gedämpftem Trommelklang abspielt. Das ist sehr erfreulich, weil es den tatsächlichen Verhältnissen gerecht wird. Sie alle wissen, daß die Fragen, die der Ausschuß zu untersuchen hatte, besonders in der ersten Zeit unserer Tätigkeit hier im Bundestag in der breitesten Öffentlichkeit geradezu ungeheures Aufsehen erregt haben. Es schwirrten mehr oder weniger phantasievolle Gerüchte über den angeblich unverantwortlichen
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Luxus in Bonn, über die Vergeudung von ungeheueren Millionen von Steuergroschen unserer armen Bevölkerung in der Gegend herum, wobei es den Verbreitern solcher Gerüchte auf ein paar Dutzend Millionen, ja in einigen Berichten auf ein paar Hundert Millionen gar nicht ankam. Die Unruhe, die durch alle möglichen unkontrollierbaren Gerüchte Nahrung erhielt, wurde leider auch durch die teilweise unsachlichen und vielleicht auch etwas frühzeitigen Kommentierungen in einzelnen Zeitungen wesentlich gestärkt. Ich muß das einmal sagen, selbst auf die Gefahr hin, daß ich von einzelnen Zeitungen, die sich getroffen fühlen, in tausend Stücke gerissen werde. Denn dies alles hat dazu beigetragen, daß in weiten Kreisen unseres Volkes das Vertrauen zu unserer jungen Demokratie und zu seiner Repräsentanz, eben dem Bundestag, untergraben wurde.
Ich glaube, wir alle erleben es noch heute, daß wir sowohl als Abgeordnete als auch hinsichtlich unserer sehr ernsthaften Tätigkeit in diesem Hohen Hause draußen Berge von Mißtrauen zu überwinden haben. Leider haben auch einzelne politische Parteien aus der unbestrittenen Tatsache, daß die Einrichtung Bonns wesentlich mehr gekostet hat, als man noch im Hauptstadt-Ausschuß vermutet hat, Kapital zu schlagen oder, wenn ich mich der Terminologie unseres sehr verehrten Kollegen Schoettle bedienen darf, parteipolitischen Honig zu saugen versucht. Ich meine dabei nur, daß der Honig, den man aus solchen Dingen saugt, die etwas nach Stank riechen, nicht gut schmeckt.
Nun, man ist im politischen Kampf ja allerhand gewohnt, und es ist meist auch nicht besonders schwer, das Hintergründige dabei zu entdecken. So scheint es mir auch hier zu sein, Ich habe das Gefühl, daß durch die Entrüstung hindurch immer ein klein wenig die Enttäuschung über das Ergebnis der Hauptstadtwahl schimmerte, etwa wie das Hemd durch einen zerschlissenen Rock. Wir alle - ich betone das mit Nachdruck - hatten seinerzeit größtes Interesse daran, festzustellen, aus welchen Gründen die Kosten in Bonn eigentlich höher geworden waren, als man in den Beratungen des HauptstadtAusschusses angenommen hatte. Es trat ja der in diesem Hause seltene Fall ein, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion einstimmig angenommen wurde. Wäre es dann nicht besser gewesen, man hätte das Ergebnis des Ausschusses erst einmal abgewartet, anstatt ein mögliches oder vielleicht sogar erwünschtes Ergebnis im Wahlkampf oder auch sonst irgendwie als parteipolitischen Honigspender zu benutzen? Ich habe eine Menge von Presseberichten und auch Wahlzettel in meiner Mappe. Da muß man entweder den Kopf schütteln, oder es muß einem der Papierkragen platzen. Ich wähle das erstere; denn ich stehe auf dem Standpunkt: die Wahrheit kommt doch an den Tag. Der hier vorliegende Bericht ist eben die Wahrheit.
Was ist nun dabei herausgekommen? Unser Freund Renner hat schon bei den Beratungen des „Spiegel"-Ausschuß-Berichtes ein Wort gebraucht, das mir gefallen hat - der Herr Kollege Schoettle hat es gestern bei den Beratungen des Haushalts wiederholt -: das Wort von den Bergen, die kreißen und ein Mäuslein gebären. Ja, ich glaube, daß unsere Mäusefamilie hier wieder einem freudigen Ereignis entgegensieht. Es wird heute schon wieder ein Mäuslein geboren; denn viel mehr ist es nicht, was dabei herausgekommen ist.
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- Oder vielleicht ein kleines Häslein. Die Häslein
kennen auch sehr niedlich sein. Gewiß, wir haben
festgestellt, daß gewisse organisatorische Mängel e vorhanden waren, daß Ausschreibungen nicht ordnungsgemäß stattgefunden haben und dergleichen Dinge mehr. Wir wissen alle und wir waren uns im Ausschuß völlig darüber klar, daß es wünschenswert und für einen geregelten Gang im Staatsmechanismus für die Zukunft zumindest auch erforderlich ist, anders zu verfahren. Aber sprechen wir doch auch einmal von den mildernden Umständen. Sie alle erinnern sich noch an die Turbulenz der ersten Zeit. Sie alle werden noch wissen, welches Unmaß von Arbeit auf die mit der Einrichtung der Bundesbehörden beauftragten Dienststellen gewissermaßen eingestürzt ist. Ist es da verwunderlich, wenn unter dem Zwang der Eilbedürftigkeit und der ständigen Terminnot hier und da sonst gültige und sicherlich richtige Vorschriften nicht eingehalten wurden? Und ich glaube, meine Damen und Herren, nicht viele von uns allen wären bereit gewesen, die Arbeit und die Verantwortlichkeit des Herrn Staatssekretärs Dr. Wandersleb oder auch die des Herrn Oberregierungsrats Dr. Becker zu übernehmen. Ich persönlich muß für meinen Teil erklären: ich hätte das nicht sehr gerne getan. Aber bitte, mißverstehen Sie mich nicht; ich will nichts verkleinern. Ich wehre mich aber auch dagegen, daß etwas vergröbert wird. Denn es ist doch so, daß die Bundesbehörden sehr schnell eingerichtet werden mußten, und Herr Kollege Hoogen hat schon angedeutet, daß es nicht zweckmäßig wäre, etwa einen Vergleich mit der Errichtung des alten Reichstagsgebäudes hier anzuführen, das zehn Jahre geplant wurde und weitere zehn Jahre lang dann gebaut wurde. Im alten Deutschen Reich hatte man etwas mehr Zeit. Wir standen aber vor dem Zwang, daß die neu geschaffenen Bundesorgane arbeiten mußten, und deswegen mußte zum Teil auch mit Mitteln der Improvisation gearbeitet werden, so wenig erfreulich diese Verfahren manchmal sind und so sehr sie manchmal verteuernd wirken.
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- Lieber Herr Kollege Renner, wenn der Herr Bundeskanzler einmal mit Ihnen spazieren geht, muß der Weg etwas breiter sein.
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Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die Frage - und das ,ist die entscheidende Frage -, weshalb hat Bonn nun mehr gekostet, als vorgesehen war, liegt wohl darin, daß man vorher etwas geschätzt hatte, was nachher nicht einzuhalten war, und zwar nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch hinsichtlich des Umfangs der zu errichtenden Bauten. Die ersten Schätzungen gingen auf das Gutachten der Ministerpräsidenten in Schlangenbad zurück; und ich kann unserem Kollegen Erler nicht ganz folgen, wenn er sagt, der Herr Finanzminister hätte das besser voraussehen müssen. Im Gegenteil, wir hatten uns nur auf eine Angabe zu stützen, nämlich auf das Gutachten- der Sachverständigenkommission der Ministerpräsidenten-Konferenz. Und schon während der ersten Beratungen im Hauptstadtausschuß haben sowohl wir im Ausschuß wie auch der Herr Finanzminister eingesehen, daß die Arbeit mit diesen damals vorgesehenen rund 3400 Köpfen einfach nicht zu bewältien war. Wir sind dann auf 5100 gegangen, und für diese 5100 war damals ja auch Raum da. Allerdings sind dann im Haushaltsplan 1950 die von
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lem Herrn Kollegen Erler zitierten fast 6000 Bundesbediensteten erschienen. Ja, meine Damen und Herren, wenn das Parlament seinen Ministerien 6000 Bedienstete bewilligt, müssen zwangsläufig für diese Bediensteten auch Arbeitsplätze geschaffen werden. Das hat mit Illusionen des Herrn Finanzministers nichts zu tun. Das ist eine Realität, der Bonn gegenüberstand, genau wie Frankfurt oder irgendeine andere Stadt diesen Realitäten gegenübergestanden hätte. Ich bin davon überzeugt, daß es auch Frankfurt nicht möglich gewesen wäre, diese erhöhte Zahl von Bundesbediensteten unterzubringen. Auch da hätte man ganz zweifellos Neubauten errichten müssen.
Ich hatte vorhin in meinem Bericht schon ganz kurz die fünf Hauptgründe angegeben, wozu auch z. B. die Einrichtung von Küchen und Kantinen gehört; das ist eine soziale Maßnahme, die sicherlich die Billigung des ganzen Hauses findet, genau so wie die Tatsache die Billigung des Hauses findet, daß man für viele Millionen Wohnungen gebaut hat, um die Bundesbediensteten unterzubringen. Das ist kein verlorenes Geld; selbst dann nicht, wenn sich die Wohnraumlage mal etwas lockern sollte, was sicherlich noch sehr lange Zeit dauern wird. Dann sind die Räume nicht etwa nutzlos ausgebaut, sondern sie werden zusätzlich als Büroräume zur Verfügung stehen können.
Aber nun die beiden Objekte, meine Damen und Herren, für die wohl, das Gefühl habe ich, alles andere ein Stück Kulisse ist, das sind das Palais Schaumburg und die Villa Hammerschmidt. Herr Kollege Hoogen hat sich schon weitgehend über den Komplex Palais Schaumburg geäußert, so daß ich nicht viel hinzuzufügen brauche. Warum ereifert man sich eigentlich so sehr? Daß etwa das Bautempo so stark forciert wurde? Sie wissen doch alle, daß die Zeit drängte. Der Bundeskanzler mußte arbeiten. Im Museum Koenig waren für ihn die Arbeitsmöglichkeiten eigentlich nicht gegeben. Ich erinnere mich noch, daß einer der Herren Minister mir vor einiger Zeit gesagt hat, daß sogar Kabinettssitzungen im Mantel abgehalten wurden, weil das Museum Koenig eben nur auf Museumstemperatur zu heizen ist und nicht darüber hinaus. Im übrigen ist es doch meiner Meinung nach eine Frage der elementarsten Höflichkeit und auch der elementarsten Vernunft, daß man Rücksicht nimmt auf das Alter und die Gesundheit des Kanzlers, nicht des Herrn Adenauer, sondern des Kanzlers, genau wie man das getan hätte, wenn der Kanzler Dr. Schumacher geheißen hätte. Ich bin überzeugt, daß man auch dann Rücksicht genommen hätte. Es ist ebenso selbstverständlich, daß der Kanzler als Amtsträger - auch wieder nicht als Person Adenauer - für offizielle Gelegenheiten repräsentative Empfangsräume braucht. Und, meine Damen und Herren, wir haben uns durch Augenschein davon überzeugt, daß alle Räume im Palais Schaumburg ohne jeglichen Prunk sind, wenn man von diesen paar vielbesungenen Kirschbaumtüren absieht, die effektiv den einzigen Schmuck dieses Hauses darstellen. Aber diese Räume stellen nun auch wohl das Mindeste dar, was ein Volk für sich selbst und seinen ersten Staatsdiener an Repräsentanz braucht. Wir wissen alle: das Palais Schaumburg ist ein ganz alter Kasten, der viel Geld verschlungen hat; aber, meine Damen und Herren, der Ausbau war immerhin noch die billigste Lösung, und das ist meiner Ansicht nach das Entscheidende. Irgendwo mußte das Bundeskanzleramt untergebracht werden, und da war der
Ausbau des Palais Schaumburg wesentlich billiger, als wenn man beispielsweise einen Neubau aufgeführt hätte; denn den Neubau hätte man auch mit gewissen repräsentativen Möglichkeiten ausstatten müssen.
Nun ist da diese Diskrepanz zwischen den ersten Zahlen und den zum Schluß erschienenen großen Zahlen. Da fällt mir ein sehr einprägsames Wort des Herrn Dr. Wandersieb ein, der einmal gesagt hat: „Das war doch nur für ein Bürohaus gedacht, also gewissermaßen für eine Arbeitshose, und wenn das nachher ein Maßanzug geworden ist, kostet das natürlich etwas mehr Geld". Ich bin der Auffassung, daß man dem Kanzler für seine Arbeit ruhig einen Maßanzug zubilligen darf.
Und nun noch das Arbeitstempo, das auch viel angefochten worden ist, und das sicherlich verteuernd gewirkt hat. Auch hier steht ja immer der Zwang zur Eile dahinter, und ich darf in aller Bescheidenheit doch wohl darauf hinweisen, daß man sich auch anderorts einer großen Eile befleißigt hat, wenn nicht einmal ein solcher Zwang dahinter stand. Ich entsinne mich noch sehr gut, daß wir uns bei der Besichtigung Frankfurter Bauten durch Augenschein davon überzeugt haben, daß an dem Bau der Frankfurter Kongreßhalle bzw. eines Plenarsaales fieberhaft Tag und Nacht gearbeitet wurde und daß man auch bei einem Teil dieses Bauvorhabens auch auf Ausschreibungen usw. verzichtet hat, um das Tempo zu beschleunigen. Ich habe aber nirgendwo gelesen oder gehört, daß man sich darüber entrüstet hätte. Ich mache den Frankfurtern daraus keinen Vorwurf - ich möchte da nicht mißverstanden werden - aber ich wehre mich doch gegen zweierlei Maß.
Nun noch ein Projekt, das mir gerade auf Grund von Zeitungsmitteilungen und Zeitungsartikeln, die ich jetzt gelesen habe, ein wenig am Herzen liegt, nicht nur, weil es den aus meiner Partei hervorgegangenen Herrn Bundespräsidenten betrifft, sondern weil es die sachliche Diskrepanz einfach erfordert, darüber noch ein paar Worte zu sprechen. Es werden einfach die Zahl von 160 000 DM, die dem Hauptstadtausschuß genannt wurde, und auf der andern Seite die mehr als 2 Millionen gegenübergestellt, die das Projekt nachher verschlungen hat. Ja, meine Damen und Herren, wie kommt denn diese Summe zustande? Auch die Villa Hammerschmidt war zunächst nur als Büroraum vorgesehen, aber man stand später der Notwendigkeit gegenüber, den Herrn Bundespräsidenten statt in Viktorshöhe anderswo unterzubringen, weil in, Viktorshöhe pro Jahr eine Miete von sage und schreibe 114 000 Mark gezahlt werden mußte. Und wenn Sie diese Summe kapitalisieren, meine Damen und Herren, dann sehen Sie ein, daß, à la longue gesehen, der Ausbau der Villa Hammer-schmidt zum Präsidentenpalais einfach schon deswegen vorgenommen werden mußte, weil es die billigste Lösung war.
Nun stolpert man draußen im Volke aber immer über diese Summe von 2 Millionen und ich glaube, daß ein fairer Chronist nicht nur zwei nackte Zahlen gegenüberzustellen hat, sondern auch sagen muß, wie nun die letzte, scheinbar so ungeheuer große Zahl zustande kommt. Da möchte ich darauf hinweisen, daß in dieser Summe der Erwerb eines sehr großen Grundstücks von 43 000 qm, rund gerechnet, steckt, wofür mit den darauf befindlichen Gebäuden 750 000 DM erforderlich waren. Die Summe erscheint hoch; wenn man sie aber auf die Fläche umrechnet, läßt sich errechnen, daß je
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Quadratmeter dieser Fläche nur 11 DM bezahlt werden mußten, während er bei jedem anderen Grundstück in der Koblenzer Straße etwa 25 DM kostet, während uns die Stadt Bonn für Gelände um das Bundeshaus herum sogar 30 DM je qm abfordert. Also, ich glaube, daß das sogar ein einigermaßen gutes Geschäft ist. - Ich komme sofort zum Schluß, Herr Präsident.
In dieser Summe stecken noch 500 000 DM für das Präsidialamt, 180 000 DM für das Garagengebäude mit Wohnung und dergleichen Dinge mehr. Was bleibt übrig? Für den Ausbau des Sitzes des Bundespräsidenten sind ganze 248 000 DM aufgewandt, also umgerechnet nur 24 DM je Kubikmeter umbauten Raumes. Das ist ein Betrag, der wirklich nicht zu hoch ist. Denn wenn man einen Neubau errichtet hätte, hätte es mindestens 70 DM je Kubikmeter gekostet.
Ich will zum Schluß kommen. Von den technischorganisatorischen Mängeln bei der Beschaffung und in der Auftragsvergabe abgesehen, auch abgesehen von der erklärten Erhöhung der Gesamtaufwendungen für die Bauten hat sich nun doch herausgestellt, daß alle Vermutungen und Kombinationen, wie arglistige Täuschung, Vorspiegelung falscher Tatsachen, betrügerische Manöver und dergleichen, nicht den Tatsachen entsprechen. Es ist meiner Ansicht nach im Interesse des Ansehens des Bundestages erforderlich, daß die Presse - und das ist ein Wunsch, den ich an die Presse richte - bei der Besprechung dieser draußen im Volke mit größtem Interesse verfolgten Angelegenheit dieser Kommentierung etwas mehr Raum gibt, damit nicht nur die nackten Zahlen genannt werden, sondern damit auch die ganzen Zusammenhänge, die zu diesen Zahlen geführt haben, ein wenig besser aufgeklärt werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige ganz kurze Bemerkungen. Die SPD ist die Partei der Planung, und ich halte es für möglich, wenn einer ihrer Hauptplaner, der verehrte Herr Kollege Erler z. B., im September oder Oktober 1949 in Bonn hätte planen sollen, er vielleicht besser vorgeplant hätte, als es denjenigen Leuten gelungen ist, die von der Planung des menschlich irrenden Geistes ohnehin nicht allzu viel halten. Die wesentliche Überschreitung von vorveranschlagten Kosten beruht darauf, daß man für ein Fünfmonatskind, wie es die Bundesrepublik im September/Oktober 1949 war, geplant hat, das sich nachher als ein sehr kräftiges Zehnmonatskind erwiesen und sich nach dem neuesten Etat in einer Weise aufgebläht hat, die schon kaum mehr mitanzusehen ist. Diese Tatsachen wären jedem Planer - er mag sitzen, wo er will - begegnet. Wir alle sitzen hier nicht nur reell, sondern auch symbolisch im Glashaus, und ich warne davor, zu behaupten, daß anderwärts, besonders in Frankfurt, richtiger und besser geplant worden wäre.
Das Erfreuliche an dem Bericht ist, daß er, offenbar einstimmig angenommen, nur zu dem Ergebnis kommt: „Bitte, nehmt mich zur Kenntnis; ich fahre noch fort und komme mit gröberem Geschütz bei den Besatzungskosten". Das Erfreuliche ist, daß die Herren Redner, die hier sehr lange und sehr eingehend gesprochen haben, weitere Konsequenzen aus diesem Bericht nicht ziehen und weitere Anträge nicht vorlegen können. Und das Allererfreulichste ist, daß mit der Schlußfeststellung des Berichts - außer schier drei oder vier schwachen Minuspunkten, darunter dem bemerkenswerten Punkt, daß sich einige Gewerbetreibende bei der Hast der Auftragserteilung Überforderungen haben zuschulden kommen lassen - nun jedenfalls feststeht, daß planmäßig und absichtlich niemand derjenigen, die in der nervösen Hast der ersten Aufbaustunden des neuen Staates hier verantwortlich tätig waren, aus Böswilligkeit oder aus zu beanstandenden Gründen gefehlt hat. Irrtümer sind im Bereich des menschlichen Lebens möglich, und wer sehr rasch näht, sticht sich auch mal in den Finger. Was ich besonders betonen möchte, ist, daß in dem Bericht klar hervorgehoben ist: Wenn es hier schon einen Bundeskanzlersitz geben muß, so bietet sich nach Lage und Bauweise das Palais Schaumburg dermaßen an, daß, wenn man es ausstatten konnte, zwar etwas teurer, als man ursprünglich dachte, es eine schwere Unterlassungssünde gewesen wäre, es nicht so herzurichten, wie es jetzt hergerichtet ist.
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Daß das alles sehr teuer war, daß es nicht mit langwierigen Ausschreibungen geschehen konnte, beruht allein darauf, daß der vorläufige Sitz des Herrn Bundeskanzlers einfach gesundheitsschädlich war, was man Anfang September noch nicht genau wußte.
Ich komme zum Abschluß. Ich meine, wenn wir über einen so klaren Sachverhalt, wie er in diesem Bericht dargelegt ist, hier im Bundestag anderthalb bis zwei Stunden sprechen, dann schädigen wir die Demokratie, statt ihr zu nützen. Gerade wenn wir durch diesen Ausschuß der Verwaltung auf die Finger gesehen haben, so wird demgegenüber der Nutzen, den diese Ausschüsse haben, dadurch wieder wettgemacht, daß wir vor einem ziemlich leeren Hause und einer langsam einschlafenden Tribüne über einen so einfachen Sachverhalt stundenlang reden.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Namen der Bundesregierung zum Abschluß dieser Debatte noch ein paar Worte sage. Ich möchte damit beginnen, daß ich den Herrn Kollegen Erler zitiere, der an einer Stelle seiner Ausführungen gesagt hat: „So schlimm war das ja gar nicht". Das erscheint mir sehr wesentlich; denn in dem hysterischen Geraune über den Komplex Bonn, das draußen im Volke umgeht und unter dem wir alle zu leiden haben, gleichgültig auf welcher Seite des Hauses wir sitzen, hat die mündlich und schriftlich verbreitete Legende von den Luxusbauten in Bonn, von den verschleuderten Millionen, und ein Geraune von Korruption eine erhebliche Rolle gespielt. Ich hoffe, daß mindestens ein Teil dieses Komplexes, um wieder den Herrn Kollegen Erler zu zitieren, jetzt „am Boden zerstört" worden ist.
Meine Damen und Herren! Ich will noch ein paar Einzelheiten herausgreifen. Die Schlangenbader Beschlüsse, vorn denen gesagt wurde, daß sie nicht allen Beamten hier bekannt waren, waren zweifellos dem Sinne nach bekannt; und der Sinn der Schlangenbader Beschlüsse war ja, daß die Einrichtungen in Bonn auf das zu beschränken seien, was zur Aufnahme der Regierungstätigkeit unbedingt
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erforderlich ist, weil ja nach dem ersten Beschluß des Parlamentarischen Rats im Laufe der politischen Auseinandersetzung wieder die Unsicherheit über den Sitz der Bundeshauptstadt hervorgerufen worden war. Nachher hat diese, wenn Sie so wollen: verlorene Zeit wieder hereingeholt werden müssen, und das kostet beim Bauen Geld. Wir dürfen überhaupt nicht übersehen, daß wir doch mit dem Bund, auch mit der Bundesverwaltung in der äußeren Einrichtung des Apparats am Punkte Null haben anfangen müssen und daß dieser Anfang nicht leicht war und die Durchführung des Notwendigen unter einem ungeheuren Zeitdruck stand.
Man hat beanstandet, daß die ersten Anmeldungen, die sich auf das beschränkt haben, was der Ausschuß „Bundeshauptstadt" verlangt hat, nachher weit übertroffen worden sind durch den Bedarf. Aber das hängt doch auch damit zusammen, daß zunächst in den Ländern und beim Bund sehr weitgehend die Absicht bestand, den Bund und seine Funktionen möglichst klein zu halten. Daß das nicht möglich war, hat die Entwicklung dann sehr rasch gezeigt. All das, was später an Personal mit dem dazugehörigen Büroraum dazugekommen ist, hat dann die Billigung des Hohen Hauses, des Haushaltsausschusses und der anderen zuständigen Gremien gefunden.
Mir scheint es, glaube ich, nötig zu sein, noch einmal hervorzuheben, wie das von den Herren Rednern hier schon geschehen ist, daß bei dieser ungeheuren Aufgabe, die unter Zeitdruck und in Hast hat vollendet werden müssen, tatsächlich kein Fall von Durchstecherei oder Bestechung oder Korruption vorgekommen ist. Ich glaube, das war eine Leistung, die neben der technischen Leistung anerkannt werden muß, und die Männer, die dafür die Verantwortung übernommen haben, haben Anspruch auf unseren Dank.
Noch eines zu der Frage der Besatzungsbauten, die sich ja unserer Kontrolle entziehen. Der Ausschuß hat ja weder die Bauten für das Parlament noch die Bauten der Besatzung behandelt, sondern nur das, was für die Verwaltungseinrichtungen nötig war. Wegen der Besatzungsbauten ist von der Regierung immer mit der zuständigen Stelle, an die wir immer wieder verwiesen worden sind, verhandelt worden und niemals nur mit nachgeordneten Persönlichkeiten, die dann nachher desavouiert worden wären. Das ist, glaube ich, auch festzuhalten.
Ich darf noch eines bemerken. Ich habe draußen schon gehört, da habe jetzt „wieder ein Ausschuß monatelang getagt, und herausgekommen sei nichts; damit hätte man wieder bloß Zeit und Geld vertan". Ich glaube, dieser Meinung ist entgegenzutreten. Es ist notwendig und nützlich, daß das Parlament Untersuchungsausschüsse einrichtet, wenn der Verdacht auftritt, daß bei irgendwelchen Verwaltungsdingen nicht korrekt verfahren worden sei. Das gehört zum Wesen der Demokratie. Zweitens hat der Ausschuß eine ganze Reihe sehr nützlicher Hinweise und Anregungen gegeben, Richtlinien für die Einrichtung von Büroräumen, Flächengrößen, Erfahrungen für Neubauten, Vereinfachung des Ausschreibungsverfahrens. Der Ausschußbericht bedeutet auch eine Warnung an manche Leute, die glauben, bei Lieferungen an die öffentliche Hand sehr großzügig kalkulieren zu können.
({1})
Ich glaube, das ist nützlich; und wenn wir eine
Lehre aus den Dingen ziehen wollen, so wird es die sein, daß wir dann, wenn der Sitz der Bundesregierung aus der vorläufigen Bundeshauptstadt Bonn nach der endgültigen Hauptstadt des Deutschen Bundes, Berlin, verlegt wird, wissen, wie wir es machen sollen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt der Antrag des Ausschusses auf Seite 20 des Berichtes vor. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage des Ausschusses ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei wenigen Enthaltungen angenommen. Ich rufe nun den nächsten Punkt der Tagesordnung auf; Punkt 6:
a) Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet ({0});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Tillmanns und Genossen betreffend Flüchtlingsausgleich zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland ({2}).
Zunächst zur Begründung des Antrages für die
antragstellenden Fraktionen Herr Abgeordneter
Tillmanns!
Dr. Tillmanns ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet vor. Ich darf daran erinnern, daß dieses Gesetz die Aufnahme derjenigen Deutschen regelt, die ihren Wohnsitz in der Sowjetzone bzw. im Sowjetsektor Berlins haben und die in den Geltungsbereich des Grundgesetzes übersiedeln wollen. Es sieht vor, daß hierfür eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, die nicht verweigert werden kann, wenn eine drohende Gefahr für Leib und Leben und die persönliche Freiheit vorhanden ist oder wenn sonstige zwingende Gründe vorliegen. Das Gesetz sieht weiter Aufnahmeausschüsse bzw. Beschwerdeausschüsse vor, die über die vorliegenden Anträge entscheiden, und regelt schließlich die Verteilung der Aufgenommenen auf die Länder. Es ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnungen Bestimmungen über Lager, Ausschüsse, Verfahren, Verteilung usw. zu erlassen. Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung durch die Verordnung vom 11. Juni dieses Jahres Gebrauch gemacht.
Der hier vorliegende Antrag sieht nun vor, daß dieses Gesetz über die Notaufnahme auch für Berlin gelten soll. Dieser Antrag, der von den drei großen Fraktionen des Hauses gemeinsam gestellt wird, ist das Ergebnis von Beratungen innerhalb der beteiligten Ausschüsse; er wird auch im Einvernehmen mit den beteiligten Ressorts gestellt. Ich kann mich deswegen bei der Begründung wohl kurz fassen.
Der Zustrom politischer Flüchtlinge nach Berlin ist ganz besonders groß; er ist prozentual wesentlich größer als der in das Bundesgebiet. Er beträgt zur Zeit monatlich rund 4 000 Personen und hat steigende Tendenz. Es ist unmöglich, daß Berlin
({4})
die ihm dadurch zufallende schwere Last allein trägt. Es mußte schon dazu übergehen, die Bestimmungen über die Anerkennung sehr viel strenger und schärfer zu fassen, als sie hier innerhalb der Bundesrepublik gelten. So konnten in der letzten Zeit im Durchschnitt nur etwa 24 % der einströmenden politischen Flüchtlinge als solche anerkannt werden. Das ist keine wirkliche Lösung, denn die Nichtaufgenommenen gerade in Berlin können in den allermeisten Fällen nicht zurück. Zur Zeit befinden sich über 80 000 nichtaufgenommene politische Flüchtlinge in Berlin, die nicht aufgenommen werden können. Was das an sozialer Not und Gefährdung bedeutet, meine Damen und Herren, das brauche ich, glaube ich, nicht näher auszuführen.
Durch die Novelle soll nun erreicht werden, daß das Notaufnahmegesetz und die dazu ergangene Durchführungsverordnung auch für Berlin Geltung erlangen, und zwar in der Weise, daß die politischen Flüchtlinge in Berlin nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und der dazu ergangenen Verordnung behandelt werden, d. h. daß die Aufnahme und die Anerkennung nach den bundesgesetzlichen Vorschriften erfolgen soll. Dasselbe soll für die Verfahren vor den Ausschüssen gelten, und schließlich soll die im Bundesgesetz enthaltene Bestimmung über die Verteilung der Flüchtlinge auf die Länder auch auf die anerkannten Flüchtlinge in Berlin angewandt werden. Sie werden einbezogen in den vom Bundesrat festzusetzenden Verteilungsschlüssel. Damit ist nicht nur ein weiteres Stück der Rechtsvereinheitlichung zwischen dem Bundesgebiet und Berlin durchgeführt, sondern vor allen Dingen eine erhebliche Entlastung Berlins auf einem entscheidenden sozialpolitischen Gebiete dadurch erreicht, daß die Verteilung der Aufgenommenen auch auf die Länder der Bundesrepublik ermöglicht wird. Es bleibt allerdings für Berlin, weil es die schwere Last der vielen Zehntausende nicht anerkannter politischer Flüchtlinge zu tragen hat, noch ein Problem übrig, das schwer genug ist.
({5})
Ich glaube, daß dieser vorliegende Antrag ein weiterer Ausdruck der Solidarität aller Länder mit Berlin ist. Es wird damit zum Ausdruck gebracht, daß auch diese schwere Aufgabe, die uns der politische Terror der Sowjetzone auferlegt, von uns allen gemeinsam getragen wird. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung.
({6})
Das Wort hat zu Punkt 6 b als Berichterstatter Herr Abgeordneter Bielig.
Bielig ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Tillmanns kann ich meinen Bericht äußerst kurz halten. Der Antrag Drucksache Nr. 2048 wurde seinerzeit vom Plenum dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen, dem Berlinausschuß und dem Vertriebenenausschuß zur Behandlung überwiesen. Das Ergebnis der Beratungen ist die vorliegende Drucksache bzw. der vorliegende Gesetzentwurf. Ich kann auf Beschluß des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen nur beantragen, den Antrag Drucksache Nr. 2048 als erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen nun zur Aussprache. Für die Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brookmann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dem Hohen Hause vorliegende Initiativgesetzentwurf der CDU/ CSU, SPD und FDP entspringt einem dringenden Bedürfnis, um nicht zu sagen: einer zwingenden Notwendigkeit. Lassen Sie mich das kurz begründen!
Das Land Berlin kann auf einer Fläche von rund 500 Quadratkilometern nicht ständig einer wachsenden Zahl von Bewohnern der Ostzone, die in Berlin wegen politischer Verfolgung Asyl suchten, Unterkommen und Arbeit geben. Der Kollege Dr. Tillmanns hat bereits die Zahl von- 80 000 Flüchtlingen aus der Sowjetzone genannt - eine mehrfach geprüfte Zahl -, die sich in Berlin befinden. Fast alle diese Menschen sind arbeitslos, und für alle besteht kaum Hoffnung, in Berlin jemals Arbeit und Brot zu finden. Monatlich beantragen rund 4 000 Menschen die Aufnahme in Berlin, von denen bisher rund ein Viertel bis ein Drittel als politische Flüchtlinge anerkannt werden konnten. Vergleichsweise sei angeführt, daß in Gießen und Uelzen, den Flüchtlingsdurchgangslagern, monatlich durchschnittlich rund 9 000 Zuwanderer aus der Sowjetzone die Notaufnahme begehren. Annähernd einem Viertel von ihnen wurde bisher Notaufnahme gewährt.
Berlin bemüht sich seit längerer Zeit, von den dort zusammengeströmten Flüchtlingen entlastet zu werden. Es wünscht einen Flüchtlingsausgleich mit dem Bundesgebiet; und dieser Wunsch ist unbedingt berechtigt, da Berlin nicht mit Flüchtlingen überfüllt werden kann, ohne in seiner Gesamtsituation - und das scheint mir besonders wichtig zu sein - so gefährdet zu werden, daß es seine politische Aufgabe als vorgeschobenes Land, als zwölftes Land der Bundesrepublik nicht mehr erfüllen kann. Ein solcher Flüchtlingsausgleich ist jedoch ohne Einbeziehung Berlins in das Notaufnahmegesetz vom 22. August 1950 einfach nicht möglich.
Auch in Berlin ist zwar die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Sowjetzone gesetzlich geregelt. Da Berlin aber noch nicht in aller Form zwölftes Land der Bundesrepublik ist, hat die Anerkennung in Berlin noch nicht die Folge, daß der dort anerkannte Flüchtling zugleich auch im Bundesgebiet die Notaufnahme zugebilligt bekommt. Er muß sie nach seiner Abwanderung in das Bundesgebiet immer erst noch in den Durchgangslagern Uelzen oder Gießen beantragen. Allein hieraus ergeben sich vielerlei Schwierigkeiten, weil die in Berlin geltende gesetzliche Regelung von der des Bundesgebietes verschieden ist. In Berlin erfolgt eine Anerkennung als Flüchtling nur wegen unmittelbarer Bedrohung an Leib, Leben oder Freiheit. Im Bund können auch andere zwingende Gründe zu einer Notaufnahme führen. Für einen Flüchtling, der die Notaufnahme im Bund erhalten hat, ist es von größerer Bedeutung, ob er wegen einer unmittelbaren Bedrohung oder aus sonstigen zwingenden Gründen aufgenommen wurde. Im ersten Fall hat der Betreffende nämlich steuerliche Vergünstigungen und, falls er Angehöriger des öffentlichen Dienstes war, die Möglichkeit, wieder in den öffentlichen Dienst zurückzukehren bzw. eine Pension oder eine Rente zu erhalten. Allein diese unterschiedlichen Rechtsfolgen machen ein völlig einheit({0})
liches Aufnahmerecht und eine ebenso einheitliche Aufnahmepraxis in der Bundesrepublik und in Berlin notwendig.
({1})
Diese kann aber nur durch die Einbeziehung Berlins in die Geltungsbereiche des Notaufnahmegesetzes vom 22. August 1950 erreicht werden. Hierdurch würde auch zugleich die notwendige Entlastung Berlins - und das scheint mir das Entscheidende zu sein - erzielt. Nach Einbeziehung Berlins in das Notaufnahmegesetz würde neben den Lagern Uelzen und Gießen in Berlin ein drittes Lager als Notaufnahmelager errichtet werden müssen. Das Aufnahmeverfahren würde vom Bundesminister für Vertriebene gelenkt werden. Ein von diesem Ministerium bestimmter Verteilungsleiter würde nach einem vom Bundesrat festgesetzten Verteilerschlüssel die in Berlin anerkannten politischen Flüchtlinge auf die Länder der Bundesrepublik und auf Berlin aufteilen. Berlin würde hiermit automatisch eine größere Entlastung erfahren, und die Länder der Bundesrepublik hätten die Gewißheit, daß in Berlin nach genau dem gleichen Recht und genau der gleichen Praxis verfahren wird, wie es in Uelzen und Gießen bisher geschieht.
Hierzu lassen Sie mich bitte noch bemerken, daß in den in Berlin tätigen Aufnahme- und Beschwerdeausschüssen auch Vertreter aller Länder der Bundesrepublik sitzen würden. Die Ausdehnung des Notaufnahmegesetzes auf Berlin ist somit eine Lösung, die neben der notwendigen Entlastung der Stadt auch eine Vereinheitlichung des Rechts und der Praxis bringt und damit viele sich heute aufzeigende Notstände und Schwierigkeiten wesentlich mildern würde.
Das Hohe Haus, meine Damen und Herren, hat heute wieder einmal Gelegenheit, in aller Einmütigkeit seine Hilfsbereitschaft für Berlin zu beweisen. Ich darf Sie entsprechend dem Vorschlage meines Kollegen Tillmanns bitten, dem Gesetzentwurf heute in erster, zweiter und dritter Lesung Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Akt der Solidarität aller Deutschen, wenn Sie der Ausdehnung des Notaufnahmegesetzes auf Berlin zustimmen. Damit ist zwar auch eine Hilfe für Berlin verbunden, aber ich glaube, daß der Hilfscharakter hierbei eine weniger entscheidende Rolle spielt als die organisatorische Bedeutung der Tatsache, daß nämlich die Bedingungen der Aufnahme vereinheitlich werden. Von Herrn Dr. Tillmanns ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß wir auch aus der Schwierigkeit unserer Lage heraus gezwungen gewesen sind, in Berlin einen viel schärferen Maßstab bei der Auslese der politischen Flüchtlinge anzuwenden. Das ist aber nicht nur ein Akt der Sparsamkeit, sondern wir haben in Berlin auch die Möglichkeit, die Frage des politischen Charakters der Flucht sehr viel kritischer zu prüfen. Wir - und ich glaube, auch unsere deutschen Landsleute in der sowjetischen Besatzungszone - sehen manchmal mit Verwunderung und Besorgnis manchen hier in Westdeutschland herumlaufen, von dem wir uns gar nicht recht denken können, wieso der eigentlich durch die Prüfung in bezug auf den Charakter als
politischer Flüchtling hat durchkommen können. Ich glaube, das kann in Berlin nicht passieren. Deshalb, meine Damen und Herren, wird mit der Erstreckung des Gesetzes auf Berlin nicht nur eine Rechtsvereinheitlichung, nicht nur eine Vereinheitlichung der Organisation, geschaffen, sondern Berlin selbst wird auch mehr als bisher in den Dienst der Gesamtorganisation gestellt. Ich glaube, daß die Möglichkeiten, die Berlin in der Beurteilung von Personen als politische Flüchtlinge hat, durch diese Vereinheitlichung dem Ganzen zugute kommen werden. Worauf es letzten Endes ankommt, ist doch dieses: Wir wollen keinen Anreiz dafür schaffen, daß Menschen - aus verständlichen Gründen -, denen es in der sowjetischen Zone nicht mehr gefällt, nach dem Westen kommen. Das können wir uns auch nicht leisten. Wir wollen aber denen, die im Freiheitskampf als Verwundete - d. h. Verwundete an ihrer Existenz - auf der Strecke geblieben sind, helfen. Deshalb müssen wir gerade um dieser Menschen willen die Maßstäbe der Auslese besonders scharf wählen. Das ist bisher im Westen vielfach nicht geschehen. Berlin wird, wenn es jetzt in die Gesamtorganisation eingeordnet ist, mit dazu beitragen können, daß hier allmählich wirklich eine echte Auslese entwickelt wird. Denn auf die kommt es an. Das sind wir denen schuldig, die wirklich Leib und Leben und ihre Existenz riskiert haben und für die die Solidarität der deutschen Nation einzustehen hat.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich freue mich außerordentlich über die einheitliche Meinung, die sich bisher in diesem Hause über die absolute Notwendigkeit dargetan hat, daß Lasten, wie sie das Schicksal den Flüchtlingen in Deutschland auferlegt hat, von allen gemeinsam getragen werden müssen, soweit sie eben im Augenblick in Deutschland getragen werden können. Ich hätte allerdings gewünscht, daß auch von seiten der Regierung ein Wort zu diesem Problem gesagt worden wäre. Denn, meine Herren und Damen, es handelt sich ja hier um die allertragischste Kriegsfolgeerscheinung. Wenn es heute, 6 Jahre nach Beendigung des Krieges, noch möglich ist, daß aus einem Teil Deutschlands täglich Menschen fliehen müssen, aus Angst um ihr Leben, um ihre Freiheit, um ihre Gesundheit, dann, glaube ich, ist das ein Zeichen für die Schwere der Kriegsfolgen, die wir heute zu tragen haben, wie es schlimmer überhaupt nicht gedacht werden kann.
({0})
Es ist ganz klar, daß das Los dieser Flüchtlinge das
gleiche ist, ob sie nach Berlin oder ob sie nach
Westdeutschland kommen. Aber es ist ebenso
selbstverständlich, daß die 2-Millionen-Stadt Berlin,
die unter der Spaltung, unter den Gefährdungen
der Ostzone, von der sie umgeben ist, täglich zu
leiden hat, mit diesem Problem nicht allein fertig
werden kann. Denn wie sieht es in der Tat aus?
Jede politische Maßnahme im Osten, ob es sich um
irgendeine Abstimmung oder um Vorgänge dreht,
wo Menschen den Mut haben, nicht unehrlich zu
sein, ob es sich um den Zwang dreht, die Kinder
in die Ostschulen zu schicken und sie dort der
ganzen Tragödie dieser Schulen preiszugeben, ob es
sich um Enteignungen oder politische Verfolgungen
({1})
dreht, ob es sich darum dreht, daß die Männer gegen ihren Willen nach Aue verpflichtet werden, immer wirkt es sich in der Zahl der nach Berlin und natürlich auch nach dem Westen kommenden Flüchtlinge aus. Nicht nur haben wir bis Ende März dieses Jahres über 142 000 Flüchtlinge in Berlin zu verzeichnen gehabt, sondern auch im April und im Mai sind es jeweilig über 4000 Menschen - Männer, Frauen, Kinder, Jugendliche -, die täglich nach Berlin kommen. Nun soll dieses Berlin - ohne landwirtschaftliches Hinterland, denn es ist ja doch so, daß wider alles Recht in den letzten Monaten Berlin immer noch wieder Güter weggenommen worden sind, die zu West-Berlin gehörten -, nun soll dieses Berlin mit seinen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, ohne Landwirtschaft und umgeben von den sowjetischen Grenzen, nun soll dieses Berlin mit seinen Währungsschwierigkeiten mit diesem Problem fertig werden.
Es ist, ich glaube, schon von Herrn Dr. Tillmanns darauf hingewiesen worden, daß wir in Berlin gezwungen waren, härtere Bestimmungen für die Anerkennung politischer Flüchtlinge zu erlassen. Das ist ein Unrecht gegen diese Menschen. Denn es ist ganz selbstverständlich, daß die Flüchtlinge genau so gleich behandelt werden müssen, wie auch ihr Schicksal das gleiche ist. Aber Berlin war nicht in der Lage, es zu tun. Denn wie sollen wir mit unserer Arbeitslosigkeit auch nur annähernd diesen Menschen helfen können? Denn wir wissen, daß wir von der Zahl von 300 000 Arbeitslosen- obgleich wir rund 50 000 Arbeitsplätze neu geschaffen haben - infolge dieses Zustroms aus dem Osten nicht herunterkommen. Unter diesen Flüchtlingen sind die Arbeiter, die Angestellten, die Landwirte, die Selbständigen, die in Berlin keine Arbeit finden hönnen, und da sind die Jugendlichen ohne Angehörige, die nun allein dastehen in der größten Großstadt Deutschlands mit ihren ungeheueren Trümmern, mit ihren Ruinen, mit der ganzen Gefahr, meine Herren und Damen, die sich immer wieder in den furchtbarsten Ereignissen ausdrückt - ich erinnere Sie an die Zeitungsmeldungen in der letzten Zeit -, die sich immer gerade in diesen Ruinen abspielen.
Von diesen 142 279 Flüchtlingen, die bis Ende März nach Berlin gekommen sind, sind ganze 11 200 nach Westdeutschland abgeflogen worden, d. h. 8 %. Deshalb ist es notwendig und begrüße ich es, daß die großen Parteien dieses Hauses - und ich hoffe, daß sich alle anderen Parteien anschließen werden - bereit sind, durch Einschluß in die Flüchtlingsverordnung bezw. in die Ausführungsverordnungen eine gemeinsame Arbeit für die Flüchtlinge zu leisten.
Trotzdem, meine Herren und Damen, dürfen wir darüber nicht im unklaren sein, daß wir die Not der Flüchtlinge dadurch noch nicht beheben. Ich möchte auch von dieser Stelle aus und gerade im Hinblick auf Ausführungen, die wir in der vorigen Woche bei der Frage des Bundesaufsichtsamts für Privatversicherung gehört haben, noch einmal sagen, daß wir darüber hinaus alles tun müssen, um Berlin wieder in den Stand zu setzen, seine Menschen zu ernähren; denn dann können wir den Flüchtlingen auch ganz anders helfen.
({2}) Darüber hinaus müssen wir, wie wir es ja im Europarat bereits getan haben, dafür sorgen - Herr Präsident Spaak, der vor kurzem von diesem Platz gesprochen hat, hat es auch in seinem Bericht
von seinem Besuch in Westdeutschland ausdrücklick ausgeführt -, daß den Flüchtlingen auf internationaler Basis geholfen wird. Denn dieses Problem ist kein Berliner Problem, ist kein deutsches Problem, sondern ein europäisches und ein internationales Problem.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich sehr langer Ausführungen enthalten; denn dieses Gesetz ist in absolutem Einverständnis mit allen beteiligten Stellen eingebracht worden. Es ist eingebracht worden, weil wir formal die gesetzliche Grundlage brauchen. Sachlich sind wir vom ersten Augenblick an überzeugt gewesen, daß wir Berlin hier helfen müssen. Darüber hat nie ein Zweifel bestanden, und ich darf mich deshalb so kurz fassen, weil ich glücklich bin, feststellen zu können, daß ich in Übereinstimmung mit allen Seiten dieses Hauses dem Gesetz nur zustimmen kann.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
({0})
- Ich habe keine Wortmeldung bekommen. Ich habe die Aussprache geschlossen, Herr Abgeordneter!
({1})
- Ich habe keine Wortmeldung vorliegen. ({2})
- Ich muß mich da auf die Geschäftsordnung berufen. Wortmeldungen sind hier bei den Schriftführern anzubringen.
({3})
Also ich kann, nachdem ich jetzt die Aussprache
geschlossen habe, das Wort nicht mehr geben. ({4})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben nicht das Wort!
({5})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben nicht das Wort!
({6})
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst der Entwurf eines Gesetzes auf Drucksache Nr. 2292 vor. Ich nehme an, daß die vorausgegangene Aussprache als Generaldebatte der ersten Lesung angesehen werden soll.
({7})
({8})
Unter diesen Umständen ist die erste Lesung geschlossen.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
({9})
Dann rufe ich auf: Einziger Paragraph, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
({10})
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der in zweiter Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen
({11})
in dritter Beratung angenommen.
({12})
- Meine Damen und Herren, ich bitte doch, dem Gang der Geschäfte auch noch einige Aufmerksamkeit zuzuwenden!
Wir haben nun über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2312 abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf: Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Zuckerungsfrist bei Wein ({13});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({14}) ({15}).
({16})
Das Wort hat als Berichterstatter Herr Abgeordneter Gilbert.
Gibbert ({17}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht in jedem Jahre scheint die liebe Sonne auf unsere deutschen Weinbaugebiete so, daß alle deutschen Weine in naturreinem Zustand dem Geschmack des Weintrinkers entsprechen. Nach unserem Weingesetz kann nun eine Verbesserung, eine notwendige Verbesserung von solchen Mosten und Weinen vorgenommen werden, die ein Übermaß von Säure und einen Mangel an natürlichem Zucker haben, und zwar eine Verbesserung durch eine Zuckerung.
Um einer Verfälschung von Weinen nach Möglichkeit vorzubeugen, hat der Gesetzgeber diese Zuckerung mengenmäßig und zeitlich begrenzt. Die Zuckerung darf nur in der Zeit vom Beginn der Ernte bis 15. Januar des folgenden Jahres stattfinden. Bei der Ernte des Jahres 1950 war es nun unmöglich, die gesamte Zuckerung in dieser Zeit vorzunehmen. Die Erntemenge war ziemlich groß, und ein erheblicher Teil der Ernte mußte gezuckert werden. Insbesondere der deutsche Weinhandel. konnte aus finanziellen Gründen in dieser vorgeschriebenen Zeit nicht die benötigten Mengen
Erntegutes und Zuckers einlagern. Dadurch wurde eine Zuckerung in späterer Zeit notwendig. Diese stillschweigend geduldete Überschrelitung der gesetzlichen Zuckerungsfrist und die später vorgenommenen Zuckerungen sollen durch den § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs legalisiert werden.
In § 2 wird den zuständigen Ministern, dem Minister des Innern und dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Ermächtigung erteilt, künftig bei Vorliegen besonderer Verhältnisse durch Rechtsverordnung die Zuckerungsfrist um zwei Monate zu verlängern. Da es sich um Ausnahmefälle handeln muß, darf dem Wunsche und der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß von dieser Ermächtigung sparsamster Gebrauch gemacht wird.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich mit dieser Gesetzesvorlage beschäftigt und schlägt dem Hohen Hause vor, den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung der Drucksache Nr. 2163 zu beschließen.
({18})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat wurde vereinbart, von einer Aussprache zu diesem Punkt der Tagesordnung abzusehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Ich kann also die Aussprache für geschlossen erklären.
Wir kommen zur Einzelberatung. Dazu rufe ich auf: § 1, - § 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in der zweiten Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die überwiegende Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Lesung beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 8 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den vorläufigen Handels-und Schiffahrtsvertrag vom 19. Dezember 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen 04. Ausschuß) ({1}).
({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Lange.
Lange ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner 138. Sitzung hat das Plenum die Drucksache Nr. 2150 ohne Aussprache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen verwiesen. Dieser Ausschuß hat sich am 31. Mai mit dem Entwurf eines Gesetzes über den vorläufigen Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 19. Dezember 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Island befaßt. Er schließt sich der in der angeführten Drucksache von
({4})
der Regierung gegebenen Begründung an und empfiehlt aus diesem Grunde, dem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Ich habe nur die eine Aufgabe, Sie entsprechend dem Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 2293 zu bitten, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen.
({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, auch bei diesem Punkt der Tagesordnung wurde im Ältestenrat davon ausgegangen, daß auf eine Aussprache verzichtet werden kann. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Die Aussprache ist also geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Beratung. Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und
Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; damit ist der Gesetzentwurf in der zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in zweiter Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir sind am Ende unserer Tagesordnung angelangt.
Ich habe noch mitzuteilen: die FDP-Fraktion gibt bekannt, daß eine Fraktionssitzung nicht heute abend, sondern morgen 8 Uhr 30 stattfindet.
Ich berufe die nächste, die 153. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 15. Juni, 9 Uhr vormittags, ein.
Die 152. Sitzung ist damit geschlossen.