Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 15. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich lasse zunächst die Liste der abwesenden Mitglieder des Hauses verlesen.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Nickl, Gengler, Frau Rösch, Dr. Mücke, Schönauer, Klabunde, Müller ({0}), Müller ({1}), Fisch; auf Grund von Entschuldigungen die Abgeordneten Dr. Vogel, Dr. Baur, Kühling, Wönner, Reimann, Leibrand, Tichi, Determann und Klinge.
Weitere Mitteilungen sind meinerseits nicht vorgesehen.
Meine Damen und Herren! Zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung, Anträge der Fraktion der KPD, möchte ich erläuternd folgendes bemerken. Wir haben uns neulich im Ältestenrat noch einmal mit dem Abstimmungsmodus, der seinerzeit bei diesen Anträgen angewandt wurde, befaßt und sind zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Irrtum bei der Behandlung dieser Anträge bezüglich ihrer Abstimmung eingetreten ist. Deshalb herrschte im Ältestenrat Übereinstimmung, daß diese beiden Anträge noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt werden. Ich rufe also Punkt 1 und 2 der Tagesordnung auf:
1. Antrag der Fraktion der KPD betreffend Demontageverweigerer ({0});
2. Antrag der Fraktion der KPD betreffend Amnestierung verurteilter deutscher Demontageverweigerer ({1}).
Darf ich fragen, ob die Herren Antragsteller das Wort wünschen. - Bitte, Herr Abgeordneter Paul!
Paul ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ziemlich verspätet werden diese Anträge noch einmal durch das Plenum behandelt. Um so dringlicher ist die Annahme dieser Anträge.
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Trotz des Protestes des Hauses und der gesamten Öffentlichkeit werden die Demontagen verstärkt weitergeführt. In zahlreichen Betrieben kam es in den letzten Wochen zwischen den Demontageunternehmern und zum Teil auch den Demontagearbeitern und den betroffenen Belegschaften zu Zusammenstößen. Das ist so weit gegangen, daß man auf Gelsenberg bereits den Einsatz von Kriminalpolizei und Schutzpolizei zur Aufrechterhaltung des Arbeitsfriedens angeordnet hat. Im Lande Nordrhein-Westfalen mehren sich die protestierenden Stimmen und mehrt sich die Empörung über die verstärkte Durchführung der Demontage. Haufenweise erscheinen Flugblätter und werden Plakate von Kolonnen angeklebt, die die sofortige Einstellung der Demontagen fordern und die auch ganz offen das zum Ausdruck bringen, was die Bevölkerung über die profitsüchtigen und, ich möchte es ganz deutlich sagen, landesverräterischen Demontageunternehmer empfindet.
Wir haben Ihnen diese beiden Anträge unterbreitet, damit der Bundestag durch ihre Annahme zum Ausdruck bringt, daß er sich mit jenen Deutschen solidarisch erklärt, die sich im Interesse der deutschen Nation für die Erhaltung unserer Industriewerke und im Interesse der Werktätigen für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze einsetzen und eingesetzt haben. Wir sollten, nachdem die britische Militärregierung sogar in das Vorgehen der Regierungspräsidenten gegen die Vergehen einzelner Demontageunternehmer eingegriffen hat, zum Ausdruck bringen, daß unsere Sympathie bei jenen Menschen ist, die gegen die Demontage Widerstand leisten. Dieser Widerstand ist berechtigt und fußt auf dem Völkerrecht. Die Demontagen, die durchgeführt werden, widersprechen nämlich dem Abkommen von Potsdam.
Wir haben in den Anträgen zum Ausdruck gebracht, daß der Bundestag von der Militärregierung die Aufhebung der Urteile und die Amnestierung der Verurteilten wünschen sollte. Wir sind weiter der Meinung, daß man beschließen sollte, den Menschen, die unter Anklage gestellt waren, die Haft- und Prozeßkosten und den ausgefallenen Lohn oder das Gehalt zu bezahlen. Ich denke, daß durch die Annahme dieser Anträge der Bundestag noch einmal die Forderung auf sofortige Einstellung der Demontage deutlich unterstreicht. Alles Schreiben in der Presse, alle Verlautbarungen der Westmächte von Verhandlungen über die Demontage scheinen mir nur eine Verzögerung darzustellen. Man scheint uns mit einem Demontagestop dann beglücken zu wollen, wenn unsere Betriebe unter dem Schneidbrenner und unter dem Vorschlaghammer restlos zertrümmert wurden. Ich denke, durch die Annahme dieser beiden Anträge bringen wir auch gegenüber der Ruhrbevölkerung zum Ausdruck, daß wir im Kampf um die Erhaltung unserer Betriebe und der Arbeitsplätze hinter ihr stehen. Ich möchte Sie bitten, unseren Anträgen Ihre Zustimmung zu geben.
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Sie haben die Ausführungen des Herrn Antragstellers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? - Herr Abgeordneter Schoettle!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion beantragen, daß die Anträge der kommunistischen Fraktion, Drucksache Nr. 7 Ziffer 1 und Drucksache
Nr. 11, dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden. Wir sind der Meinung, daß diese Anträge heute im Plenum nicht einfach durch Abstimmung erledigt werden können, sondern daß über den sachlichen Hintergrund eine ernsthafte Beratung im Ausschuß stattfinden sollte.
Der Herr Abgeordnete Schoettle hat - ich darf es so ausdrücken - zur Geschäftsordnung beantragt, daß die Drucksachen Nr. 7 und Nr. 11, Punkt 1 und 2 der Tagesordnung, dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zur weiteren Behandlung überwiesen werden. Ich darf zunächst um Äußerung zu diesem Geschäftsordnungsantrag bitten. Wird das Wort dazu gewünscht?
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter Paul zu dem Geschäftsordnungsantrag!
Meine Damen und Herren! Ich halte diese Anträge für so wichtig, daß sie vom Plenum angenommen und nicht einem Ausschuß überwiesen werden sollten. Sie sind einfach und klar. Die Annahme dieser Anträge würde ein Beweis dafür sein, daß das Haus gewillt ist, hinter die Menschen zu treten, die für die Erhaltung deutscher Arbeitsstätten eintreten. Ich möchte um so mehr um eine sofortige, und zwar eine zustimmende Entscheidung des Hauses bitten, weil wir nicht die Möglichkeit haben, in dem Ausschuß unsere Anträge zu begründen. Durch einen Beschluß des Hauses hat man uns aus diesem Ausschuß ausgeschlossen. Ich möchte deshalb bitten, diese Anträge im Plenum zur Abstimmung zu bringen und nicht dem Ausschuß zu überweisen.
Wird zu dem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Schoettle weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache darüber.
Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Schoettle, ist, die Drucksache Nr. 7 unter Punkt 1 der Tagesordnung und die Drucksache Nr. 11 unter Punkt 2 der Tagesordnung an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ({0}).
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort zu Drucksache Nr. 117? - Herr Abgeordneter Arndgen!
Arndgen ({1}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Antrag Drucksache Nr. 117 will meine Fraktion, der Regierungserklärung folgend, die Regierung ersuchen, ein Gesetz zur Neuordnung der Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern vorzulegen, ein Gesetz, in dem unter Beachtung der zeitgemäßen Entwicklung das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer verankert ist. Nachdem durch das Betriebsrätegesetz vom Jahre 1920 eine erste Entwicklung der Betriebsdemokratie und
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Betriebsverfassung angebahnt war, erlebten wir in dieser Entwicklung im Jahre 1933 eine jähe Unterbrechung. Heute sind die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, soweit sie betriebliche Angelegenheiten berühren, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 22 geregelt. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 ist aber nur ein Rahmengesetz, mit dem nur gearbeitet werden kann, wenn es durch Ausführungsgesetze ausgefüllt ist. Seit Anfang 1947 haben wir in den Ländern der amerikanischen Zone und der ehemals französischen Zone sogenannte Betriebsrätegesetze gehabt, die als Ausführungsbestimmungen zu dem Kontrollratsgesetz gelten konnten. Soweit in diesen Betriebsrätegesetzen das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer geregelt war, sind die Paragraphen dieser Bestimmungen von den damaligen Militärregierungen dieser Länder suspendiert worden. Sie sind suspendiert worden, weil die Militärregierungen auf dem Standpunkt standen, daß es Sache des Bundes sei, der jetzt errichtet worden ist, diese Dinge zu regeln. Auch waren die Rechtsbestimmungen für das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in diesen Gesetzen verschieden festgelegt. Es ist daher
jetzt an der Zeit, durch einheitliche Gesetzesbestimmungen die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer Weise zu regeln, wie es die augenblicklichen und kommenden Zeitverhältnisse bedingen, und auch das Mitbestimmungsrecht in irgendeiner Weise in einem Gesetz für den gesamtdeutschen Bund zu regeln.
Meine Damen und Herren! Die Arbeitnehmerschaft ist, wenn man ihre Entwicklung seit Beginn der Industrialisierung verfolgt hat, heute mündig geworden. Die Arbeitnehmerschaft hat durch wirtschaftliche und sonstige Einrichtungen, die sie im Laufe dieser Zeit selbst geschaffen hat, gezeigt, daß sie auch in der Lage ist, Verantwortung in der Wirtschaft zu übernehmen. Ich brauche nicht nur an die Gewerkschaften zu erinnern, sondern ich kann an die Genossenschaften auf den verschiedensten Gebieten verweisen, die uns heute klar zeigen, daß die Arbeitnehmerschaft in der Lage ist, auf wirtschaftlichem Gebiet die Verantwortung mitzutragen.
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Wenn wir heute feststellen, daß die Arbeitnehmerschaft in der Politik, bei den öffentlichen Behörden und auf sonstigen Gebieten gleichberechtigt mit die Verantwortung trägt und zur Verantwortung mitbestimmend herangezogen wird, dann bin ich der Auffassung, daß jetzt die Zeit gekommen ist, um die Arbeitnehmerschaft gleichberechtigt auch in der Wirtschaft neben den Unternehmer als dessen Mitarbeiter hinzustellen.
Weil ich dieser Auffassung bin, bitte ich das Hohe Haus, dem Antrag Drucksache Nr. 117 die Zustimmung zu erteilen.
({4})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen des Herrn Antragstellers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist für ein modernes, zeitgemäßes Betriebsrätegesetz, das für das gesamte Bundesgebiet Geltung haben soll. Sie ist nicht nur deshalb dafür, damit eine einheitliche Gesetzesgrundlage geschaffen wird,
sondern sie ist auch der Ansicht, daß einzelne Ländergesetze manche Lücken und Mängel aufweisen, und daß das Gute, was in einzelnen Ländergesetzen enthalten ist, Grundlage für die Bundesgesetzgebung sein muß. Wenn der Versuch gemacht werden sollte, daß man hier eine Rückwärtsrevidierung, insbesondere auf dem Gebiet der Mitbestimmung, durchsetzen will, so wird sich die sozialdemokratische Fraktion mit aller Entschiedenheit dagegen wehren. Keinesfalls kann das Betriebsrätegesetz vom Jahre 1920 die Grundlage bilden; denn die Entwicklung ist seit 1920 nicht stillgestanden, sondern sie ist vorwärtsgegangen. Die Betriebsräte, die im Jahre 1945 ohne eine gesetzliche Grundlage wieder eingesetzt und von der Arbeitnehmerschaft in den Betrieben und in den Verwaltungen gewählt wurden, haben bewiesen, daß ihre Existenz notwendig ist. Denn sie waren es, die gemeinsam mit ihrer Belegschaft die Trümmer in den Betrieben beseitigt, die Produktion in Gang gebracht und so die Voraussetzungen unserer Existenz geschaffen haben. Ich glaube, das muß eine Gesetzgebung auch berücksichtigen.
Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 ist zwar ein Gesetz mit nur wenigen Bestimmungen, hat aber verschiedene Bestimmungen, die in dem neuen Gesetz verankert sein müssen. Dazu gehört, daß die Gewerkschaften berechtigt sind, Kandidaten aus der Belegschaft zur Wahl von Betriebsräten vorzuschlagen, ebenso die Betriebsräte zu beraten und an den Sitzungen teilzunehmen. Dazu gehört weiter, daß die Vereinbarungen zwischen den Gewerkschaften und Arbeitgebern über Lohn- und Arbeitsbedingungen dem Recht der Betriebsräte vorgehen.
Wir sind der Auffassung, daß in der Vorlage der Bundesregierung die Bestimmung enthalten sein muß, daß die Betriebsräte einheitlich von allen Beschäftigten nach demokratischen Grundsätzen bei allen Unternehmungen und Behörden des privaten und öffentlichen Rechts zu wählen sind.
Das sind die wesentlichsten Grundgedanken, die in der Vorlage der Regierung unter allen Umständen enthalten sein sollten. Das, was mein Herr Vorredner sagte, daß 1920 mit dem Betriebsrätegesetz der Anfang zur Schaffung einer Betriebsdemokratie gemacht wurde, ist richtig. Es ist weiter richtig, daß an Stelle der einseitigen Arbeitgeberanordnung die Mitwirkung der Betriebsvertretung getreten ist. Wir wissen aber auch, daß diese Mitwirkung insbesondere auf personellem und wirtschaftlichem Gebiet sehr eingeschränkt war, daß sie teilweise nur eine Mitberatung, ein Anhören bedeutete. Wir sind der Meinung, daß in dem Betriebsrätegesetz, welches der Bundestag zu verabschieden hat, klar und deutlich das gleichberechtigte Mitbestimmungsrecht sowohl auf sozialem wie auf personellem und auf wirtschaftlichem Gebiet zu verankern ist. Unter Beachtung dieser unserer Einstellung stimmen wir dem Antrag zu.
Herr Abgeordneter Nuding!
Meine Damen und Herren! Zur Begründung der Vorlage Nr. 117 wurde an die Regierungserklärung angeknüpft. Vielleicht hat ein Teil der CDU-Fraktion wirklich das Bedürfnis, ein solches Gesetz zu schaffen, das einheitlich im Bundesgebiet das Mitbestimmungsrecht regelt. Aber wir haben einige Bedenken in dieser Frage, und diese möchte ich Ihnen vortragen. Sie werden auch heute ganz offen unterstrichen; Sie
({0})
dürfen nur auf die Regierungsbank schauen! Millionen Arbeiter interessieren sich für dieses Gesetz, und nicht einmal der Herr Arbeitsminister hält es für notwendig, anwesend zu sein. So ernst ist diese Sache der Regierung!
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- Warum sind Sie so nervös?
({2})
- Ich freue mich außerordentlich!
Nun habe ich eine Frage an Sie zu stellen. Was haben Sie unter „zeitgemäß" verstanden? Wissen Sie: bei uns, die wir in einem Ländchen wohnen, in dem bereits ein Gesetz seit eineinhalb Jahren angenommen und nicht verwirklicht ist, weil die hohe Militärregierung uns die demokratische Freiheit gibt, die Gesetze machen zu lassen, die ihr angenehm sind, aber nicht den Herren Unternehmern, - bei uns hat diese hohe Militärregierung vor einigen Wochen erklärt, daß mit dem Zustandekommen der Bundesregierung ihr Veto fällt und die Suspendierung aufgehoben ist. Was hat dieser Antrag zur Folge? Daß dieses Gesetz in Württemberg-Baden, in Hessen, in Bremen und, ich glaube, auch in Südbaden, weiter suspendiert wird. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem Antrag, daß die Gesetze weiter nicht durchgeführt werden, weil Sie jetzt dort mit Ihren Mehrheiten sagen werden: abwarten, bis die Bundesregierung ein Gesetz gemacht hat, das dann die rückständigsten Länder berücksichtigt und nicht die fortschrittlichen Maßnahmen durchführt, die bereits beschlossen sind. Das ist das „Zeitgemäße" an Ihrem Antrag, nämlich zu verhindern, daß diese Gesetze jetzt in der Praxis durchgeführt werden.
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Diese Tatsache möchte ich hier vor dem Hohen Hause unterstreichen und auch eine zweite.
Wir können nicht glauben, daß Sie das Mitbestimmungsrecht wollen. Die Regierung Dr. Adenauer hat ganz klar und unzweideutig in der Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht, daß der Staat seinen Zwang auf die beiden Sozialpartner soweit wie möglich beseitigen will. Wir können nicht glauben, daß er nun gerade an dieser Stelle den Zwang vergrößern wird, und das müßte er, wenn er ein wirkliches Mitbestimmungsrecht selbst in dem bescheidenen Rahmen, wie das in Hessen und Württemberg-Baden bereits zum Gesetz geworden ist, verwirklicht wissen wollte. Deshalb haben wir kein Vertrauen dazu, daß die Regierung das machen wird, und die Praxis der 15 Sitzungen dieses Hohen Hauses hat gezeigt, daß die Mehrheit rücksichtslos ihren Willen durchsetzt, ob das draußen der Masse der Arbeitenden gefällt oder nicht.
Aus diesem Grunde glauben wir, daß es besser wäre, daß die Gesetze in den Ländern, wo sie bereits angenommen worden sind, jetzt verwirklicht werden und nicht eine neue Bremse durch diesen Antrag angelegt wird, um sie erneut, nachdem die Militärregierungen die Suspendierung aufgehoben haben, durch die Bundesregierung zu suspendieren und das Gesetz auf den Sankt-NimmerleinsTag zu verschieben oder aber vollkommen dort zu suspendieren, wo fortschrittliche Maßnahmen enthalten sind, um dann ein Gesetz zu machen, das keinen Zwang auf die Herren Unternehmer, aber weiter den Zwang auf die Arbeiter ausübt. Denn die Arbeiter fühlen es, daß von 1945 ab, als die Herren Unternehmer noch Bücklinge vor ihnen
gemacht haben, bis heute eine gewaltige Wandlung zum „Herrn-im-Hause-Standpunkt" vor sich gegangen ist, und diesen „Herrn-im-Hause-Standpunkt" wollen Sie durch ein Bundesgesetz verwirklichen. Deshalb stimmen wir gegen diesen Antrag.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Meine Freunde haben keinerlei Zweifel, daß die Bundesregierung auch ohne diesen Antrag in aller Kürze ein Betriebsrätegesetz vorgelegt haben würde. In der Regierungserklärung hat Eindeutiges darüber gestanden, und die Regierung wird das - das bezweifeln wir, wie gesagt, nicht - auch erfüllen. Ich glaube, daß die Ausführungen, die wir insbesondere von meinem Vorredner gehört haben, schon zeigen, daß über die Einzelheiten und insbesondere - um das Kind beim Namen zu nennen - über die Konkretisierung des Mitbestimmungsrechts in diesem Hause die Ansichten sicherlich sehr verschieden sein werden.
({0})
Die Regierungsvorlage wird uns hinreichend Veranlassung geben, uns im Ausschuß insbesondere mit diesen Dingen zu beschäftigen.
Wir tragen keine Bedenken, der sehr allgemeinen und uns in bezug auf Art, Inhalt und Natur des Mitbestimmungsrechts in keiner Weise festlegenden Fassung des CDU-Antrags zuzustimmen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Ich stelle fest, daß es nicht der Fall ist. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 117 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Das war die überwältigende Mehrheit des Hauses. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag Drucksache Nr. 117 ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Vertriebenen ({0}); Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Wenzel.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Wenzel als Berichterstatter das Wort.
Dr. Wenzel ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der SPD-Fraktion unter Drucksache Nr. 33 eingebrachte Antrag betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Heimatvertriebenen ist vom Ausschuß für Heimatvertriebene in seiner letzten Sitzung nach Anbringung einiger Korrekturen und Anregungen, die ins Protokoll aufgenommen wurden, einstimmig angenommen worden.
Die SPD-Fraktion hat in dem Antrag Drucksache Nr. 33 die wesentlichsten und entscheidendsten Fragen herausgestellt, die zu wirkungsvollen Maßnahmen in der Bekämpfung der Notstände bei den Vertriebenen führen können. Alle diese Maßnahmen sind weithin abhängig von einer umfas({2})
senden Erhebung der Bundesregierung über den gegenwärtigen Stand der Vertriebenen-Situation. Die Erhebung muß von der Bundesregierung selbstverständlich unbeschadet der Durchführung aller Sofort-Hilfsmaßnahmen so schnell, wie es überhaupt möglich ist, durchgeführt werden.
Die unter sechs Einzelziffern aufgeführten Gesichtspunkte des Antrags zeigen, welche Fragen im einzelnen von der Bundesregierung geklärt und beantwortet werden müssen, wenn wirklich durchgreifende Maßnahmen in der HeimatvertriebenenPolitik auf der Ebene der Bundesregierung ergriffen werden sollen. Es handelt sich dabei in der Tat um die Kernfragen der Heimatvertriebenen-Politik überhaupt.
Ziffer 1 stellt die Frage nach dem Spitzenausgleich zwischen überlasteten und noch aufnahmefähigen Ländern. Dabei wird besonders als bald zu erreichendes Ziel die schnelle Räumung der Durchgangsläger und Notunterkünfte gefordert.
Die Ziffer 2 fragt nach dem Ausmaß der Arbeitslosigkeit der Flüchtlinge gegenüber der einheimischen Bevölkerung und verlangt auch eine Statistik über die berufsfremd beschäftigten vertriebenen.
Ziffer 3 beschäftigt sich mit den neuen Arbeitsmöglichkeiten, die für die arbeitslosen und berufsfremd arbeitenden Vertriebenen an ihren jetzigen Wohnorten geschaffen werden könnten. Dabei wird vor allen Dingen deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die restlose Eingliederung der Vertriebenen nur zu erreichen sein wird, wenn die innere Umsiedlung der Heimatvertriebenen vollzogen werden kann.
Ziffer 4 fragt nach der praktischen Auswirkung der Flüchtlingsgesetzgebung in den einzelnen Ländern. Dabei ist von sehr wesentlicher Bedeutung, zu erfahren, ob die Bestimmungen im einzelnen ausreichend sind, um eine anteilmäßige Vertretung der Heimatvertriebenen in allen Zweigen der Verwaltung und der öffentlichen Körperschaften zu sichern.
Ziffer 5 stellt die Frage, durch welche Maßnahmen die vorliegenden Pläne zur Beschaffung von Wohnungen und Siedlungen zur gewerblich-industriellen Selbsthilfe der Neubevölkerung in einer beschleunigten Weise durchgeführt werden können, und zwar dahingehend, daß eine deutliche Antwort darauf gegeben wird, in welchem Umfange die Länder diese Aufgaben lösen können und wieweit dazu die Bundeshilfe erforderlich ist.
Ziffer 6 endlich stellt die sehr entscheidende Frage, von deren Beantwortung die praktische Durchführung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Vertriebenen endgültig abhängt, wieweit Bund und Länder in der Lage seien, aus eigener Kraft die mit der völligen Eingliederung der Vertriebenen verbundenen Aufgaben zu lösen, und inwieweit dazu internationale Hilfe erforderlich sei.
In einem Schlußsatz des Antrags wird ausgesprochen, daß die in Drucksache Nr. 33 von der Bundesregierung geforderte Erhebung sich auch auf das Gebiet von Berlin zu erstrecken habe.
Ich möchte nun dem Hohen Hause die Korrekturen mitteilen, die der Heimatvertriebenenausschuß an der Drucksache Nr. 33 angebracht hat und die in der Beratung ebenfalls einstimmig angenommen wurden.
Im ersten Absatz des Antrages sind in der letzten Zeile die Worte „innerhalb acht Wochen" zu
streichen, und es ist dafür zu setzen: „in kürzester Frist".
In Ziffer 4 erhält der zweite Satz folgenden Wortlaut:
Reichen die Bestimmungen aus, um insbesondere eine anteilmäßige Vertretung der Heimatvertriebenen in allen Zweigen der Verwaltung und der öffentlichen Körperschaften zu sichern?
In Ziffer 6 werden im zweiten Satz die Worte „um den Vertriebenen wieder ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen" gestrichen.
Der Ausschuß hat weiterhin beschlossen, im vorliegenden Antrag die Worte „Flüchtlinge", „Vertriebene" usw. einheitlich durch „Heimatvertriebene" zu ersetzen.
Außerdem wurden folgende Anregungen ausdrücklich zu Protokoll gegeben.
Zu Ziffer 4 wurde ausdrücklich zu Protokoll gegeben, daß der Ausschuß eine Aufgliederung nach den Besoldungsgruppen des unteren, mittleren und gehobenen Dienstes erwartet.
Darüber hinaus hat der Ausschuß folgenden
drei Anfragen zugestimmt, die in der vorzulegenden statistischen Erhebung zu beantworten sind:
Wie hoch ist der Prozentsatz der all einstehenden Frauen, der Alten und Kranken in der Gesamtzahl der Heimatvertriebenen?
Wieviel Beamte sind in den Ländern nicht untergebracht?
Wieviel Beamte sind auf Widerruf eingestellt?
Meine Damen und Herren! Nachdem der Heimatvertriebenenausschuß nach den eben angeführten Abänderungen bzw. Erläuterungen im Protokoll dem Antrag der SPD-Fraktion betreffend Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Heimatvertriebenen unter Drucksache Nr. 33 einstimmig zugestimmt hat, darf ich im Auftrag und im Namen des Ausschusses für Heimatvertriebene das Hohe Haus bitten, diesem Antrage ebenfalls zuzustimmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Es scheint sich niemand zum Wort zu melden. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen.
Wer für die Annahme des Antrags des Ausschusses Drucksache Nr. 125 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Arbeitsbeschaffung für Heimatvertriebene ({0}); Berichterstatter: Abgeordneter Reitzner.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Reitzner ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Es wurde in diesem Hohen Hause schon öfter der Feststellung zugestimmt, daß das Problem der Heimatvertriebenen eine sehr ernste Angelegenheit bildet und in der Prozession der deutschen Sorgen mit an der Spitze stehen soll. Der Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 77 zeigt wiederum die Fülle der angestauten Probleme. Ich glaube, daß mit Rücksicht auf die einstimmige Haltung des
({2})
Ausschusses für Heimatvertriebene eine weitere Begründung nicht nötig ist. Ich möchte aber betonen: wir müssen über den Zustand theoretischer Anerkennung der Notlage der Heimatvertriebenen hinauskommen und Stück für Stück praktische Hilfe leisten.
Wenn das Hohe Haus dem Antrag zustimmt, der mit der Forderung nach Arbeitsbeschaffung für die Heimatvertriebenen beginnt - eine Forderung, die wir als die wertvollste Hilfe für die Heimatvertriebenen betrachten - und mit finanzieller Hilfe über die Soforthilfe und das Hausratsgesetz endet, dann, glaube ich, kann die Bundesregierung mit Initiativakten beginnen.
Meine Damen und Herren, ich möchte in diesem Zusammenhang auch vor einer überdimensionierten Hoffnung auf Auslandshilfe warnen, so sehr wir diese Hilfe schätzen und notwendig haben. Wir haben jetzt wieder mit Befriedigung gelesen, daß der Herr Vizekanzler in Paris Gelegenheit hatte, über das Problem der Heimatvertriebenen zu sprechen. Aber diese vielleicht unerläßliche Hilfe des Auslandes kann keineswegs die eigene, die Selbsthilfe auf deutschem Boden ersetzen, und zu dieser Selbsthilfe gehört, daß wir dem Antrag auf Drucksache Nr. 77 zustimmen, damit schrittweise die Initiativakte gesetzt werden können und damit auch in kürzester Zeit den Heimatvertriebenen praktische Hilfe geboten werden kann.
Ich bitte daher das Hohe Haus im Namen des Ausschusses für Heimatvertriebene, diesem Antrag zuzustimmen.
({3})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Es meldet sich niemand zum Wort. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme der Empfehlung des Ausschusses für Heimatvertriebene auf Drucksache Nr. 126 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Einstimmige Annahme. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Stellenbesetzung in den Bundesministerien mit Schwerbeschädigten ({0}); Berichterstatter: Abgeordneter Bazille.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Bazille ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Zu den Problemen, vor die der zweite Weltkrieg den Gesetzgeber gestellt hat, gehört die berufliche Unterbringung der Kriegsbeschädigten. Der Ausschuß für Kriegsopferfragen war sich darüber einig, daß bei der Lösung dieses Problems die Organe des Staates mit gutem Beispiel voranzugehen haben. Wenn man zugrunde legt, daß heute jeder achte Deutsche im arbeitsfähigen Alter zum weiteren Kreis der Kriegsbeschädigten und etwa jeder fünfzehnte Deutsche zum enger gefaßten Kreis der Schwerbeschädigten zählt, erschiene eine Quote von zehn vom Hundert aller Beschäftigten angebracht. Der Ausschuß war sich aber auch darüber im klaren, daß bei der Beschäftigung Schwerbeschädigter im Rahmen der Organe der Bundesregierung nicht das Merkmal der Beschädigung, sondern der Qualifikation ausschlaggebend für die Durchdringung mit Schwerbeschädigten sein müßte. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß bewußt davon Abstand genommen, eine zeitliche Befristung seines Antrags vorzunehmen. Es müßte eine Selbstverständlichkeit sein, daß die Bundesregierung bestrebt bleibt, bei der Einstellung von Verwaltungsangehörigen und -angestellten das Angebot der Schwerbeschädigten in gebührendem Maße zu berücksichtigen.
Ein Hinweis sei mir allerdings noch gestattet. Man möge daran denken, daß sich unter diesen Schwerbeschädigten auch eine ganze Reihe qualifizierter Menschen befindet, die nicht nur für untergeordnete Tätigkeiten in Frage kommen. Nach der seitherigen Verwaltungspraxis besteht Veranlassung, darauf hinzuweisen, daß man sich auch der verbliebenen Arbeitskraft dieser Menschen bei der Besetzung der Stellen der Bundesregierung bedient.
Aus all diesen Gründen bitte ich Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag des Ausschusses stattzugeben.
({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme der Empfehlung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen auf Drucksache Nr. 131 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Einstimmige Annahme. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht der Ausschüsse für Sozialpolitik und für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend sofortige Erhöhung der Versorgungsbezüge der Kriegsopfer und über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Dr. von Brentano und Genossen betreffend Vorlage eines Überbrückungsgesetzes zum KB-Leistungsgesetz ({0}); Berichterstatter: Abgeordneter Bazille.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bazille als Berichterstatter.
Bazille ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Seit jenem verhängnisvollen Federstrich, mit dem die Besatzungsmächte im Jahre 1945 das Recht der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen auf Versorgung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beseitigt hatten, sind unter dem Zwange der Not dieses Personenkreises acht verschiedene Gesetze in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik in Kraft getreten. In ihrem materiellen Inhalt weichen diese Gesetze in so hohem Maße voneinander ab, daß ein zwingendes Bedürfnis besteht, die Leistungen nach diesen Gesetzen einander anzugleichen. .
Darüber hinaus hat die Besatzungsmacht dem vom Wirtschaftsrat verabschiedeten Gesetz zur Verbesserung der Leistungen für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene ihr Veto entgegengesetzt mit der Erklärung, daß diese Angelegenheit durch den Deutschen Bundestag erledigt werden solle. Diese Gründe im wesentlichen haben zu den Anträgen der KPD und der CDU geführt, den Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen eine Überbrückungshilfe bis zu jenem Tage zu ge({2})
währen, an dem dieses Hohe Haus ein neues, einheitliches Versorgungsgesetz verabschieden wird, das auf der einen Seite den Belangen der Kriegsopfer, auf der anderen der Not unseres Volkes Rechnung tragen soll.
Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen war sich darüber klar, daß ein solches Überbrückungsgesetz nicht alle Wünsche befriedigen und allen sozialen Notwendigkeiten gerecht werden konnte, die durch die ungenügende Lösung des Versorgungsproblems der Kriegsopfer gegeben sind. Trotzdem ist es notwendig, dringende Notstände wenigstens auf diesem Wege zu beseitigen und ein in verschiedenen Ländern bestehendes Unrecht aufzuheben. Der Ausschuß war sich bewußt, daß die vorliegenden Anträge in diesem Sinne vielleicht formal lückenhaft sein können. Die Erklärung des Vertreters der Bundesregierung war aber eindeutig so aufzufassen, daß die Bundesregierung, wenn sie einen Entwurf fertigstellt, alle jene Punkte berücksichtigen wird, die sich in der bestehenden Ländergesetzgebung als reformbedürftig erweisen.
Nach den warmherzigen Worten, die der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung für die Kriegsopfer gefunden hat, und nach den Ausführungen, die von den verschiedenen Fraktionen dieses Hohen Hauses zu dem Problem der Kriegsopferversorgung gemacht worden sind, kann ich wohl darauf verzichten, die einzelnen Notstände, die eine Neuregelung der Kriegsopferversorgung notwendig machen, aufzuzeigen.
Nach der früheren Praxis des Deutschen Reichstags wurden Fragen der Kriegsopferversorgung von allen Fraktionen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten als ein gemeinsames Anliegen des deutschen Volkes behandelt, und zwar unter bewußter Zurückstellung jedweden Agitationsbedürfnisses. Ich glaube, daß den Kriegsbeschädigten auch in diesem Falle durch eine möglichst rasch einsetzende sachliche Arbeit mehr geholfen werden kann als durch Proklamationen und Erklärungen von dieser Stelle. Ich möchte Sie deshalb bitten, dem Antrage des Ausschusses zu entsprechen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Der Herr Abgeordnete Renner hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Jeder elfte Bewohner Westdeutschlands hat bereits nach dem heutigen Stand der Versorgungsgesetzgebung einen Anspruch auf Versorgung, weil er Kriegsopfer in irgendeiner Form geworden ist. Wie sieht die Versorgung im Augenblick aus? Es ist keine Übertreibung, wenn man ausspricht, daß die derzeitigen Versorgungsgebührnisse nur als Hungerrenten zu bezeichnen sind. Wenn man weiß, daß nach der Regelung auf der Basis der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27, die für die gesamte britische Besatzungszone Gültigkeit hat, die Vollrente, also die Rente eines völlig arbeitsunfähigen Kriegsbeschädigten, nur 100 Mark pro Monat beträgt, wenn man bedenkt, daß die arbeitsunfähige Kriegerwitwe oder die Witwe, die an der Ausübung einer Berufsarbeit gehindert ist, weil sie für mehrere kleine Kinder zu sorgen hat, nur 60 Mark Rente bekommt, wenn man sich weiter der Bezugsbedingungen der Renten für die Kriegereltern erinnert, dann muß man zu dem Ergebnis kommen - und es auch offen aussprechen -, daß die derzeitige Regelung der Versorgungsgebührnisse nicht mehr länger verantwortet werden kann.
Nun bestehen im Gebiet der westdeutschen Bundesrepublik sieben verschiedene Versorgungsgesetze, und die Leistungen nach diesen Gesetzen weisen kleine Unterschiede auf. Aber auch die derzeit beste Lösung, die Lösung in den Landesteilen, in denen das alte sogenannte Reichsversorgungsgesetz im Prinzip noch in Kraft ist, ist völlig ungenügend. Die Kriegsopferorganisationen fordern, unseres Erachtens mit Recht, die Schaffung eines zentralen Versorgungsgesetzes, in dem den Kriegsopfern der Rentenanspruch als Rechtsanspruch garantiert wird, soll heißen, in dem ihnen eine Rente unabhängig von der Tatsache gewährt wird, ob sie daneben noch einen ebenso wohlerworbenen Rechtsanspruch auf Invaliden- oder Unfallrente haben.
Es war - das ist eine Selbstverständlichkeit - nicht leicht, einen Weg vorzuschlagen, auf dem diese Überbrückungslösung, deren Schaffung von allen Parteien im Ausschuß als zumindest zwingend notwendig anerkannt wurde, gefunden werden soll. Wir Kommunisten haben in unserm Antrag vorgeschlagen, dieses Überbrückungsgesetz unter Anpassung an die Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 der britischen Besatzungszone aufzubauen, die bekanntlich die Rente nach den Bestimmungen der Unfallversicherungsgesetzgebung der Reichsversicherungsordnung unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Jahresarbeitseinkommens von 1800 Mark errechnet. Zwei Drittel davon sind nach der Unfallversicherungsgesetzgebung die Vollrente. Daraus ergibt sich, daß die Vollrente bei uns im Lande Nordrhein-Westfalen und in der britischen Zone 100 Mark beträgt.
Wir Kommunisten haben verlangt, daß dieser der Rentenberechnung auch für die Witwen, Waisen und Hinterbliebenen zugrunde gelegte Betrag von 1800 auf 2880 Mark pro Jahr erhöht wird. Diese unsere Forderung ist identisch mit der Forderung der Kriegsopferorganisationen. Die Realisierung unserer Forderung würde bedeuten, daß die Vollrente eines Kriegsbeschädigten von 100 auf 160 Mark pro Monat erhöht wird. Ich glaube, daß man diese Forderung nicht als agitatorisch ansprechen darf.
Nachdem aber hier festgestellt worden ist, daß der Ausschuß einstimmig beschlossen hat, dem Hohen Hause die Schaffung eines Überbrückungsgesetzes vorzuschlagen, haben wir noch einige andere Ansprüche, noch andere Sorgen anzumelden. Der Herr Berichterstatter hat von der Not unseres Volkes gesprochen, die man bei dem kommenden zentralen Versorgungsgesetz berücksichtigen müsse. Nun, ich will mich über das Problem der Not unseres Volkes hier nicht auslassen, sonst könnte und müßte ich zu der Feststellung kommen, daß in diesem „christlichen" westdeutschen Bundesstaat die Lasten sehr eigenartig und sehr ungleichmäßig auf die Schultern des Volkes verteilt sind. Aber ich nehme eine andere Sache heraus. In einer Reihe von Ländern der westdeutschen Bundesrepublik haben die Landtage ein Problem, und zwar das der Wiederherstellung des Pensionsanspruchs ehemaliger Wehrmachtsberufsbeamter, bereits aufgegriffen und gelöst; in anderen Ländern ist die Frage noch in der Diskussion. Im Lande Nordrhein-Westfalen hat man ein Gesetz beschlossen, das für diesen Personenkreis eine Höchstpension von monatlich 160 Mark vorsieht. In an({0})
deren Ländern geht die Diskussion darüber fröhlich weiter bis zu der Höchstforderung nach voller und restloser Wiederherstellung des Pensionsanspruchs der ehemaligen Wehrmachtsberufsbeamten. Ich bin der Meinung: wenn dieses Problem gelöst werden konnte oder in einigen Ländern der Lösung noch entgegengeht, wenn also für diesen Personenkreis unser in Not geratenes Volk Geld hat, dann sollte dieses unser Volk auch Geld haben, um eine ausreichende Rentenversorgung für die Kriegsopfer sicherzustellen. Man sollte Schluß machen mit dem Zustand, daß Kriegsopfer, Kriegerwitwen und -waisen Renten beziehen, die praktisch zum Teil unter den Wohlfahrtsrichtsätzen liegen.
Aber bei dieser Regelung der Pensionsansprüche der Wehrmachtsberufsbeamten ist noch eine andere Sache in Erscheinung getreten. Bekanntlich wird auf die Renten der Kriegsopfer, unterschiedlich je nach der Höhe dieser Rente, das vorhandene Arbeitseinkommen angerechnet. Bezeichnenderweise hat man nun bei der Regelung im Lande Nordrhein-Westfalen für die Wehrmachtsberufsbeamten eine Freigrenze von 160 Mark belassen. Der Wehrmachtsberufsbeamtenpensionär kann also bei Vorliegen von 50 Prozent Arbeitsunfähigkeit eine Vollpension in Höhe von 160 Mark beziehen, und er darf daneben noch 160 Mark Arbeitseinkommen haben; erst der darüber hinausgehende Betrag wird ihm auf seine Rente in Anrechnung gebracht.
Das alte Reichsversorgungsgesetz kannte dieses System der Anrechnung des Arbeitseinkommens auf die Grundrente nicht. Das vorhandene Einkommen hat höchstens bei der Bemessung und Anerkennung der Zusatzrente eine Rolle gespielt. Die Grundrente wurde ohne Rücksicht auf das vorhandene Arbeitseinkommen gewährt. Auch das alte Mannschaftsversorgungsgesetz aus der Periode vor 1914 und ebenso die damalige Offizierspensionsgesetzgebung kannten diese Anrechnung des Arbeitseinkommens auf die Rente nicht. Wir sind der Auffassung, daß dieses Unrecht bereits in dem Überbrückungsgesetz beseitigt werden muß.
Wir sind des weiteren der Auffassung, daß bereits im Überbrückungsgesetz mit den aus der Periode Brünings noch rechtsgültigen Anordnungen Schluß gemacht werden muß, insbesondere mit der Hunger-Notverordnung von 1930, die erlaubt, daß Invalidenrenten anteilmäßig oder ganz auf die Versorgungsrenten angerechnet werden. Wir sind der Meinung, daß, wenn heute im Lande mit Recht der Streit um Aufhebung der berühmten sechsprozentigen Gehaltskürzungen für die Beamten geführt wird, dann auch bei den Kriegsopfern endlich mit der Anwendung Brüningscher HungerNotverordnungen Schluß gemacht werden sollte.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß dieses Überbrückungsgesetz rückwirkende Kraft erhalten soll. Bekanntlich ist ein Zwischenlösungsvorschlag des Wirtschaftsrats von den Besatzungsmächten - damals noch von den Herren Militärgouverneuren - abgelehnt worden. Damals also war man sich im Wirtschaftsrat bereits darüber einig, daß ' die derzeitigen Rentenbezüge gänzlich ungenügend sind. Wir stellen deshalb den Antrag, in dem Überbrückungsgesetz festzulegen, daß es bereits mit dem Datum des damaligen Beschlusses des Wirtschaftsrats in Kraft tritt. Wir sind zu diesem Antrag gekommen, weil wir wissen, daß die derzeitigen Rentenbezüge der Kriegsopfer es ihnen unmöglich machen, auch nur den notwendigsten Winterbedarf zu beschaffen. Die Forderung, diesem Überbrückungsgesetz rückwirkende Kraft zu geben,
ist also unserer Meinuñg nach vollkommen gerechtfertigt.
Nun ein letztes Wort! Der Vertreter des Herrn Arbeitsministers hat im Ausschuß erklärt, daß er den Entwurf eines Überbrückungsgesetzes innerhalb von drei Wochen vorlegen werde. Neben der Hoffnung, die ich hiermit ausspreche, daß unsere Anregung, die ich hier vorzutragen die Ehre hatte, in diesem Überbrückungsgesetz Berücksichtigung findet, gebe ich auch der Erwartung Ausdruck, daß der Herr Arbeitsminister seine verantwortlichen Beamten zur Eile mahnt, damit wir spätestens in der Sitzungsperiode Ende November in der Lage sind, dieses Gesetz zu verabschieden.
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Das Wort zur Geschäftsordnung hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Ich bitte das Hohe Haus, nach der Berichterstattung des Kollegen Bazille, mit der in aller Klarheit zum Ausdruck kam, daß sein Anliegen gleichermaßen ein Anliegen aller Fraktionen und der Regierung ist, so schnell wie möglich das Gesetz und die Fürsorge für die Kriegsbeschädigten so zu gestalten, wie es uns allen ohne Ansehen der Partei oder Fraktion am Herzen liegt. Im Hinblick auf diese Tatsache bitte ich, von einer weiteren Debatte abzusehen und den Ausschußantrag ohne Aussprache anzunehmen.
Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag auf Schluß der Debatte ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die weit überwiegende Mehrheit des Hauses; es ist so beschlossen.
Dann lasse ich über den Antrag der beiden Ausschüsse, des Ausschusses für Sozialpolitik und des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, Drucksache Nr. 130, abstimmen. Wer für die Annahme der Empfehlungen der Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Einfügung eines neuen § 48a ({0}) in die vorläufige Geschäftsordnung ({1}); Berichterstatter: Abgeordneter Hilbert.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da dieser Antrag von grundsätzlicher Bedeutung ist und da überdies gegen das Ziel verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, beantrage ich, den mündlichen Bericht noch nicht zu erstatten, sondern die Vorlage auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassung und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Ausschuß für Geschäftsordnung mag federführend bleiben und, nachdem auch die beiden anderen beteiligten Ausschüsse Stellung genommen haben, dann hier seinen Antrag stellen.
Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag. - Keine Wortmeldungen.
Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer für die zusätzliche Verweisung an die beiden genannten Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Der Antrag ist einstimmig angenommen. ({0})
({1})
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Es sind einige wenige Stimmen dagegen. Sollen diese Stimmen näher bezeichnet werden? - Es wird darauf verzichtet. Die Verweisung ist beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen und Genossen betreffend Verhältnisse des Durchgangslagers Bohldamm ({2}).
Ist die Bundesregierung bereit, die Anfrage zu beantworten?
Der Ressortminister ist leider nicht anwesend.
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Das ist bedauerlich. Selbstverständlich ist die Tagesordnung der Bundesregierung mitgeteilt worden. Der zuständige Ressortminister hätte Gelegenheit gehabt, sich vertreten zu lassen.
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Ich stelle Punkt 9 der Tagesordnung in der Hoffnung zurück, daß sich bis zum abermaligen Aufruf der zuständige Herr Bundesminister eingefunden haben wird.
Ich rufe auf Punkt 10 ,der Tagesordnung: Anfrage der Abgeordneten Frau Wessel und Genossen betreffend Anschlag im Pressehaus über die Abwertung der D-Mark ({1}).
Ist ein hier anwesendes Mitglied der Bundesregierung bereit, die Anfrage zu beantworten? ({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn schon der Anlaß zu der Anfrage, die hier zur Erörterung steht, ein solcher war, der nicht gerade besondere Hochachtung vor der Würde des Hauses ausdrückte,
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so muß ich doch meiner allergrößten Verwunderung darüber Ausdruck geben, daß trotz Kenntnis der Tagesordnung jetzt nicht einmal irgendein Mitglied der Regierung anwesend ist,
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um dazu Stellung zu nehmen und darüber zu berichten.
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- Es ist nicht üblich, Anfragen zu begründen.
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Es ist auch nicht notwendig, Anfragen zu begründen; dagegen ist es notwendig, daß eine Antwort
erteilt wird, wenn das Haus eine Anfrage vorlegt.
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Ich kann für mein Teil nicht umhin, daraus die Schlußfolgerung zu ziehen, daß die Regierung mit der sonst den parlamentarischen Gepflogenheiten entsprechenden Hochachtung vor dem Hohen Haus noch nicht genügend Bekanntschaft gemacht hat.
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Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere, daß ich infolge eines Gesprächs mit einem Mitglied des Hohen Hauses, das mir eine Angelegenheit vortrug, um eine Sekunde zu spät meine Wortmeldung einreichen konnte. Ich darf das damit nachholen.
Die Anfrage bezieht sich auf folgende Angelegenheit. Die seinerzeitige Abwertung des Pfundes hat dazu gezwungen, daß auch die Bundesregierung eine Umstellung des Umrechnungskurses vorgenommen hat. Diese Umstellung des Umrechnungskurses mußte der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden. Es war nun am Schwarzen Brett ein einfacher Zettel angeschlagen, auf dem diese Abwertung der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde. Nach meiner Unterrichtung hängt dies damit zusammen, daß damals die Presse ebenfalls sofort verständigt werden mußte und daß, da nicht die gesamte Presse erreichbar war, für die Presse - ich weiß nicht von wem, aber ich muß annehmen: von einem Mitglied der Presse - dieser Anschlag gemacht worden ist. Im übrigen darf ich feststellen, daß die Notifizierung des Umrechnungskurses innerhalb einer halben Stunde erfolgen mußte, da ja die Frist vorn 19. September bis zum - ich glaube - 26. September bereits abgelaufen war. Infolgedessen mußten die Banken und die Öffentlichkeit sofort die Mitteilung erhalten. Den Mitgliedern des Hohen Hauses_ wird die Tatsache der Pfundabwertung und die Umstellung des deutschen Umrechnungskurses auf 4,20 Mark zu jener Zeit längst bekannt gewesen sein.
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Reismann.
Ich finde die Anfrage nicht erschöpfend beantwortet. Es ist angefragt worden, ob diese Nachricht, die damals bekanntgegeben wurde, zutrifft. Darauf ist keine Antwort erteilt worden. Der Bundestag hat nur durch die Presse erfahren, wie die Abwertung erfolgt ist, obwohl er damals versammelt war.
Es ist ferner angefragt worden, ob die damalige Mitteilung amtlich war. Es hieß damals, daß diese Nachricht nicht von einem Mitglied der hier akkreditierten Pressevertretungen, sondern von dem Bundespresseamt herausgegeben wurde. Es wäre also die Frage zu beantworten, ob das zutrifft oder nicht; denn die Journalisten behaupteten damals, der Aushang sei vom Bundespressechef veranlaßt worden. Ich muß sagen, daß die Eile gar keine Entschuldigung darstellt. Man hätte sehr wohl einen Briefkopf der Bundespressestelle nehmen und auch die Bekanntmachung unterzeichnen können. Die halbe Minute, die das länger gedauert hätte, wäre doch sicherlich tragbar gewesen. Und überdies ist es nicht die richtige Art und Weise, dies durch einen solchen Zettel bekanntzugeben, und zwar weder für die Presse noch für uns, daß wir es erst auf dem Umweg über die Presse erfahren. Ich bin also durch die bisherige Antwort nicht zufriedengestellt, ganz abgesehen davon, daß die Frage nicht beantwortet wurde, warum der Bundestag nicht informiert worden ist. Der Herr Bundeskanzler hat an dem gleichen Tag, an dem die Sache herauskam, hier zu diesem Thema gesprochen. Er hätte dann Gelegenheit nehmen können, eine Stunde später, wenn gerade in dieser Stunde die Entscheidung gefällt worden ist, auch diese Mitteilung dem Bundes({0})
tag zu machen. Auch die Frage, warum der Bundestag nicht eher informiert wurde, ist nicht beantwortet worden. Vielleicht ist die Bundesregierung willens, dem Hause nachträglich eine erschöpfende Antwort auf diese gestellten Fragen zu geben.
Der Herr Bundesfinanzminister meldet sich zum Wort.
Meine Damen und Herren! Wenn ich den Herrn Vorredner richtig verstanden habe, wünscht er eine Auskunft darüber, warum dem Bundestag nicht eine förmliche Mitteilung zugegangen ist. Ich kann die Frage vielleicht folgendermaßen beantworten. Es sind damals Erklärungen der Regierung und der Minister über alle wirtschaftlichen Folgen, die die Umstellung des Umrechnungskurses nach sich ziehen, dem Bundestag bekanntgegeben worden. Die Tatsache, daß die Umrechnung des Kurses mit 4,20 erfolgt ist, ist allen Mitgliedern des Bundestags bekannt gewesen und auch bei der Debatte über die Regierungserklärung besprochen worden.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Dann stelle ich fest, daß Punkt 10 der Tagesordnung erledigt ist.
Ich rufe wiederum Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen und Genossen betreffend Verhältnisse des Durchgangslagers Bohldamm ({0}).
Ich frage den Herrn Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen, ob er bereit ist, die Anfrage zu beantworten. - Der Herr Bundesminister hat das Wort.
Die Frage der Lager hat uns in den letzten Wochen außerordentlich bewegt. Die Zustände, die sich dort entwickelt hatten, waren wirklich nicht duldbar. Sie sind unterdessen, wie mir insbesondere der Herr Landesflüchtlingsminister von Niedersachsen noch heute mitgeteilt hat, bereinigt. Außerhalb des Lagers befindet sich niemand.
Im übrigen ist die Frage grundsätzlicher Natur zu bereinigen. Es ist von mir der Entwurf für eine Rechtsverordnung auf Grund des Artikel 119 des Grundgesetzes im Zusammenhang mit Artikel 11 vorbereitet. Die Dinge liegen dem Bundesrat und dem Flüchtlingsausschuß des Bundesrats bereits vor. Es ist gestern in die beiden Lager Uelzen und Gießen je ein Bundesflüchtlingskommissar geschickt worden, der die Verhältnisse dort untersucht und für Abstellung sorgen wird. Ich kann aber nur betonen, daß die ganze Frage von viel weitertragender Bedeutung ist und ihre grundsätzliche Regelung finden muß. Darüber schweben zwischen den Ländern und den einzelnen Ministerien hier sehr eingehende Verhandlungen. Der Bundesrat wird in allernächster Zeit eine Rechtsverordnung vorgelegt bekommen, damit er seine Zustimmung erteilt. Praktisch sind im Augenblick die Verhältnisse bereinigt. Daß stets die Gefahr droht, daß mit den Überschreitern der Ostzonengrenze große Massen hereindrängen, ist eine andere Frage, die uns schwer bedrückt.
Ich danke dem Herrn Bundesminister für die Beantwortung der Anfrage.
Die Aussprache ist eröffnet. Wird das Wort gewünscht ? - Das ist nicht der Fall.
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- Ich danke Ihnen sehr für die Belehrung, Herr Abgeordneter!
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Anfrage der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend Anschlag im Pressehaus über die Abwertung der D-Mark ({1}).
Bestehen Sie noch auf der Beantwortung, nachdem der Herr Bundesfinanzminister eine ganz ähnliche Anfrage beantwortet hat ?
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- Dann erteile ich Ihnen das Wort, Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht gern die Rolle eines Nachrichters spielen. Wir haben aber an dieser Haltung der Regierung gemerkt, wie schwer es ist, wenn ich so sagen darf, Ruhendes in Bewegung zu bringen.
Aber etwas Sachliches zu der Antwort. Die Antwort des Herrn Ministers scheint mir insofern an den Dingen vorbeizugehen, als sie übersieht, daß uns doch in der Erklärung der Regierung eine andere Zahl als Basis der Abwertung gegeben worden ist, als es in dieser so umstrittenen Veröffentlichung im Haus der Presse gesagt worden ist.
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Diesen Widerspruch zwischen Regierungserklärung und Inhalt des Anschlages, gleichgültig, woher er kommt - ich bin auch überzeugt, daß er von der Pressestelle des Bundes kommt -, aufzuklären, wäre doch vielleicht für uns noch ein bißchen interessant. Stellt sich nämlich meine Vermutung als richtig heraus, dann wäre der Anspruch des Bundestags um so gerechtfertigter, vor der Presse informiert zu werden, zumal der Bundestag hier anwesend war.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Herr Bundesfinanzminister, die Antragsteller sind nicht damit einverstanden, daß ihre Anfrage durch die Antwort, die Sie auf die vorherige Anfrage gegeben haben, für erledigt erklärt wird. Wollen Sie hierzu noch das Wort ergreifen? - Der Herr Bundesfinanzminister gibt keine Antwort auf die Frage.
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Damit ist auch dieser Punkt erledigt. Die Tagesordnung ist erschöpft.
Ich habe noch mitzuteilen, daß der Ältestenrat sich heute um 17 Uhr am üblichen Ort versammelt.
Ich kann leider nicht mitteilen, wann die nächste Plenarsitzung stattfinden wird. Voraussichtlich wird der Ältestenrat beschließen, in der nächsten Woche, wahrscheinlich am Donnerstag, eine Plenarsitzung stattfinden zu lassen. Es liegen drei Vorlagen der Regierung vor, die rasch beschieden werden müssen. Sicher werden Ausschußsitzungen und wahrscheinlich auch Fraktionssitzungen stattfinden.
Ich schließe die Sitzung.