Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 144. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Stegner und Dr. Dorls.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Dr. Preusker, Dr. Gülich, Karpf, Dr. Gerstenmaier, Böhm, Agatz, Vesper.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten: Stauch für eine Woche wegen einer Studienreise nach, Frankreich, Kohl ({0}) für eine Woche wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Spies für zwei Wochen wegen Krankheit, Bausch für drei Wochen wegen einer Studienreise nach den USA, Behrisch und Blachstein für vier Wochen wegen einer Studienreise nach Jugoslawien.
Entschuldigt ist der Abgeordnete Jahn.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß die Gesuche um Urlaub, soweit er über eine Woche hinausgeht, von Ihnen genehmigt worden sind.
Ich bitte Sie, davon Kenntnis zu nehmen, und bitte um Ihre Zustimmung dazu, daß der für morgen vorgesehene Mündliche Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit betreffend Einsparung von 150 Millionen DM Zinsen - Drucksache Nr. 2101 - heute mit dem sachlich damit in Zusammenhang stehenden Punkt 5 der Tagesordnung behandelt wird. - Das Haus ist damit einverstanden.
Weiterhin, meine Damen und Herren, habe ich in unserem Kreise als Abgeordneten zu begrüßen den für den heimgegangenen Abgeordneten Loibl im Wahlkreis Donauwörth in den Bundestag gewählten Bundesminister Herrn Professor Dr. Niklas. Ich heiße ihn in dieser neuen Eigenschaft in unserem Kreise willkommen und wünsche ihm eine erfolgreiche, Arbeit.
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Die amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Mai 1951 die Anfrage Nr. 85 der Fraktion des Zentrums betreffend Überprüfung der Subventionen an die Margarineindustrie - Drucksache Nr. 2196 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2279 vervielfältigt.
Der „Herr Bundesminister der Finanzen hat weiter unter dem 26. Mai 1951 die Anfrage Nr. 89 der Fraktion der FDP betreffend Umsatzsteuersatz für Tabakgroßhandel - Drucksache Nr. 2243 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2280 vervielfältigt.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 25. Mai beschlossen, hinsichtlich des Gesetzes zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei längerer bergmännischer Tätigkeit einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung;
b) Beratung der Interpellation der Abgeordten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen betreffend Saarfrage ({1});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Regelung der Saarfrage ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß für die Gesamtheit dieses Gegenstandes der Tagesordnung - Antrag und Interpellation - eine Aussprachezeit von 180 Minuten vorgesehen wird. - Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zunächst erfolgt also die Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und meine Herren! In der Saarfrage hat sich in der letzten Zeit einiges ereignet, was die Bundesregierung zwingt, zu dem gesamten Problem der Saar erneut Stellung zu nehmen. Zu den Tatsachen, die neuerdings eingetreten sind, gehören das Verbot der Einreise von Bundestagsabgeordneten ins Saargebiet, das Verbot der Demokratischen Partei, im Saargebiet und endlich der Brief, den der französische Außenminister Herr Schuman am 9. Mai 1951 an den Ministerpräsidenten Hoffmann gerichtet hat.
Der Deutsche Bundestag hat sich zuletzt am 10. März 1950 eingehend mit der Saar befaßt. Die Ausführungen, die ich damals machte, faßte ich in folgenden Punkten zusammen: „Die endgültige Regelung der Verhältnisse an der Saar muß in einem mit uns, d. h. mit der Bundesrepublik zu schließenden Friedensvertrag erfolgen. Daraus ergibt sich, daß vor Abschluß des Friedensvertrages an der Saar keine Verhältnisse geschaffen werden dürfen, deren Änderung durch den Friedensvertrag nicht mehr möglich ist.
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Wir haben den dringenden Wunsch, daß an der Saar die Grundsätze der Freiheit und der Demokratie verwirklicht werden. Wir wünschen eine Regelung der Saarfrage, die den Interessen aller beteiligten Staaten einschließlich Frankreichs und auch des Saargebiets gerecht wird."
Ich habe aber damals keinen Zweifel darüber gelassen, daß die Saarfrage unter keinen Umständen zu einer Störung der Bemühungen, , zwischen Deutschland und Frankreich gute Beziehungen herzustellen, und damit zu einer Erschwerung des Aufbaues von Westeuropa führen dürfte.
An diesen Grundsätzen hat sich für mich nichts geändert, insbesondere auch nicht an dem letzten Grundsatz. So unangenehm und so störend die von mir eingangs erwähnten Vorfälle sind, so sind sie doch letzten Endes zeit- und personenbedingt; sie geben aber keine Veranlassung, von der Linie der für Deutschland, Frankreich, Europa und den Welt- frieden entscheidenden Politik der Integration Europas und der Herstellung eines guten Einvernehmens zwischen Frankreich und Deutschland, das die Grundlage dieser Integration Europas ist, abzugehen. Es sei mir aber gestattet, hier dem dringenden und lebhaften Wunsche Ausdruck zu geben, daß die Weltlage und die Erfordernisse unserer Zeit, die für alle Völker gelten, in Paris das gleiche Verständnis, die gleiche. Würdigung finden wie bei
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uns, auch gegenüber bagatellhaften Querelen aus Saarbrücken.
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Ich werde an der Verfolgung der Europapolitik und der Politik der Herbeiführung eines guten Verhältnisses zwischen Deutschland und Frankreich trotz aller Zwischenfälle unbedingt festhalten.
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Ich lasse mich von der Verfolgung dieser Politik am allerwenigsten durch Herrn Hoffmann aus Saarbrücken abbringen.
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Die Frage ist berechtigt, was die Bundesregierung in dem verflossenen Jahr getan hat, um die von mir wiedergegebenen Grundsätze zur Geltung zu bringen. Wir haben gegen die französisch-saarländischen Konventionen vom 3. März 1950 bei der Alliierten Hohen Kommission Verwahrung eingelegt und dabei unter anderem auf folgendes verwiesen. Nach den Erklärungen der Alliierten vom 5. Juni 1945 hat Deutschland nicht aufgehört, als Staat nach dem Gebietsstand vom 31. Dezember 1937 zu bestehen.
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Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist zwar nur von dem deutschen Volke in elf Ländern geschaffen worden; das deutsche Volk in elf Ländern hat aber zugleich für die Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war.
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Die Bundesregierung, die sich auf freie demokratische Wahlen stützt, ist daher befugt und verpflichtet, die deutschen Rechte und Interessen insgesamt zu wahren. Durch das Potsdamer Abkommen
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und andere alliierte Erklärungen wurde grundsätzlich festgelegt, daß der Gebietsstand Deutschlands nur durch einen Friedensvertrag geändert werden kann.
({8})
Infolgedessen betrachtet die Bundesregierung die Saar rechtlich als einen Teil Deutschlands.
({9})
Die alliierten Regierungen, an die diese Note, deren Inhalt ich Ihnen eben mitgeteilt habe, gerichtet war, haben die Note widerspruchslos zur Kenntnis genommen.
({10})
Wir haben darüber hinaus die Genugtuung gehabt, daß das von uns in Anspruch genommene Recht, gesamtdeutsche Interessen international zu wahren, in der Erklärung der alliierten Außenminister zur Deutschlandfrage in New York im September vorigen Jahres beinahe mit den gleichen Worten anerkannt wurde, die sich in unserer Note zur Saarfrage vom 5. Mai finden.
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Die französisch-saarländischen Konventionen vom 3. März vorigen Jahres erweckten in ihrem Wortlaut den Eindruck, als sei das das letzte Wort, das die französische Regierung in der Saarfrage zu sprechen habe. Diese Konventionen haben aber dann ein merkwürdiges Schicksal gehabt. Während der saarländische Landtag die Abkommen in einer einzigen Sitzung wenige Tage nach der Unterzeichnung in Bausch und Bogen ratifizierte,
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hat es sich die französische Regierung bis zum Oktober, also volle sieben Monate, überlegt, ehe sie die Saarkonventionen ihren gesetzgebenden Körperschaften zur Zustimmung vorlegte. Über die Gründe dieser zögernden Behandlung möchte ich hier keine Vermutungen aussprechen.
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Wenn Sie die Saarpresse in dieser Zeit verfolgt haben, so werden Sie die Nervosität, ja die Angst haben feststellen können, die bei der Saarregierung wegen der verzögerten Ratifikation der Saarkonventionen herrschte. Tatsächlich sind sie dann in Kraft gesetzt worden, nämlich am 31. Dezember des vergangenen Jahres; allerdings mit einem sehr beachtlichen Unterschied: Die politischen Konventionen, d. h. die Abkommen, in denen die Separation der Saar vom übrigen Deutschland steckt, sind von der französischen Regierung ohne parlamentarische Ratifikation in Kraft gesetzt worden.
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Bei der Beratung der Konventionen in der französischen Nationalversammlung am 21. Oktober des vergangenen Jahres sagte Außenminister Schuman hierzu wörtlich:
Die nicht ratifikationsbedürftigen Abkommen
können ohne Mitwirkung der Parlamente geändert werden. Es kann notwendig sein, diese Abkommen leicht und schnell ohne Eingreifen
des Parlaments den in ständiger Entwicklung befindlichen Bedürfnissen anzupassen.
Aus diesen Worten, meine Damen und Herren, durften wir entnehmen, daß die Befürchtung, die französische Regierung habe sich endgültig auf die Saarkonventionen festgelegt, nicht zu Recht besteht und daß die französische Regierung unsere Ansicht teilt, daß das letzte Wort über die Saar noch nicht gesprochen ist.
Hier knüpft der Briefwechsel, der am 18. April dieses Jahres anläßlich der Unterzeichnung des Schumanplans zwischen mir und Außenminister Schuman stattgefunden hat, unmittelbar an. Durch diesen Briefwechsel ist nicht gesagt, daß sich die Bundesregierung und die französische Regierung über eine Lösung der Saarfrage einig wären. Wohl hat die französische Regierung wiederholt erklärt, daß sie den Gedanken einer Annexion des Saargebiets, wie er 1919 bestand und wie er 1945 und später im Saargebiet propagiert wurde, endgültig aufgegeben hat. Wenn wir in diesem Punkt mit der französischen Regierung völlig einig sind - denn, meine Damen und Herren, die Saar ist deutsches Land von jeher gewesen und seine Bevölkerung wird für immer deutsch bleiben -,
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so sind wir mit der französischen Regierung über die Lösung, die ihr gegenwärtig vorzuschweben scheint, aus verschiedenen Gründen nicht einig.
Außenminister Schuman ist genötigt gewesen, sehr viel öfter als ich zur Saarfrage zu sprechen: Am 20. Oktober des vergangenen Jahres vor der Assemblée Nationale, am 15. November vor dem
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Rat der Republik, am 20. Februar dieses Jahres anläßlich der Debatte über den Etat des französischen Hohen Kommissars im Saargebiet vor der Assemblée Nationale und am 25. April dieses Jahres noch einmal vor dem Rat der Republik. Aus seinen Ausführungen ist zu entnehmen, daß die französische Regierung gegenwärtig die Lösung der Saarfrage in der Schaffung eines selbständigen, von Deutschland politisch getrennten souveränen Saarstaates, eines zweiten Luxemburg, sucht und daß sie den Wunsch hat, diesem souveränen Saarstaat die internationale Anerkennung zu verschaffen.
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Hierzu, meine Damen und Herren, möchte ich vorweg etwas Grundsätzliches vom europäischen Standpunkt aus sagen. Ich würde diese Lösung schon vom europäischen Standpunkte aus unbedingt ablehnen müssen. Wir streben auf ein vereinigtes Europa hin, in dem die Grenzen fallen sollen. Es erscheint mir antiquiert, in diesem Stadium der europäischen Entwicklung noch erst neue europäische Zwergstaaten schaffen zu wollen.
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Ich kann mir auch nicht denken, meine Damen und Herren, welchen überzeugenden Grund die französischen Verfechter dieses Gedankens ins Feld führen könnten. Auf die Frage: „Warum soll ein selbständiger Saarstaat geschaffen werden?", gibt es keine Antwort, wenn die Elemente dieser Antwort nicht in den Vorstellungen einer Vergangenheit wurzeln, in denen man sich gegenseitig Landgebiete abnahm oder sich durch Puffer- und Satellitenstaaten schützen zu müssen glaubte.
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Das habe ich vom europäischen Standpunkt aus gesagt.
Vom deutschen Standpunkt aus ist folgendes zu sagen. Ob das Saargebiet von Frankreich annektiert oder ob es zu einem zweiten Luxemburg gemacht wird, ist von unserem deutschen Standpunkt aus gesehen gleichgültig. Von unserem Standpunkt aus gesehen ist es immer nur die Separation, die Losreißung von Deutschland; und die Saarpolitiker, die sich für diese Lösung stark machen, können sich nicht darüber beklagen, wenn die Verfechter einer solchen Separation in unseren Augen als Separatisten gelten!
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Mit dem Bestreben, dem Saargebiet internationale Anerkennung als Staat zu verschaffen, haben wir uns im vergangenen Jahre auseinandersetzen müssen., Die Saarregierung hat die Aufnahme des Saarlandes als assoziiertes Mitglied in den Europarat und die Zulassung eines Beobachters der Saarregierung zu den Sitzungen des Ministerkomitees in voreiliger Weise als eine Gleichstellung der Saarregierung mit der Bundesregierung und als eine internationale Anerkennung eines selbständigen Saarstaates gedeutet. Ich sagte, daß dies voreilig war. Die Saarregierung hätte gut daran getan, wenn sie sich des Beschlusses des Ministerkomitees vom 3. November 1949 erinnert hätte, der wörtlich lautete:
Da die Lage in den Besatzungszonen Westdeutschlands dazu geführt hat, daß die Saar augenblicklich nicht im Europarat vertreten ist, und indem es als wünschenswert erachtet wird,
daß seine Bevölkerung darin vertreten ist, bis ein Friedensvertrag das Statut der Saar endgültig regelt,
Das heißt ganz klar und deutlich, daß die Bevölkerung des Saargebiets, nicht aber ein Saarstaat im Europarat vertreten sein soll.
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Ich glaube, daß Außenminister Schuman ganz recht hatte, als er sich dem Drängen seines Parlaments, mit der Bundesregierung in eine Diskussion über die Saarfrage einzutreten, am 20. Februar dieses Jahres mit der Bemerkung entzog, er wolle in der Saarfrage keine sterilen Auseinandersetzungen mit der Bundesregierung führen; in der Politik werde der recht behalten, der die stärkeren Nerven habe. Das dürfen auch wir uns zu Herzen nehmen, meine Damen und Herren, und wir können das um so eher tun, als wir ,bei der Behandlung der Saarfrage bisher jedenfalls bewiesen haben, daß wir Herren unserer Nerven sind.
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Wir haben deshalb auch im Europarat die Saarfrage ruhig auf uns zukommen lassen; ausgewichen sind wir ihr nicht. Die Zulassung der Saarregierung als Signatar der Konvention des Europarates über die Menschenrechte und Grundfreiheiten mußte den Verdacht erwecken, daß hier - durch die Hintertür - der Versuch gemacht wurde, die Saarregierung und damit das zweite Luxemburg in den Kreis der europäischen Regierungen einzuführen. Wir haben hierauf mit der gebotenen Deutlichkeit reagiert und dem Generalsekretär des Europarats eine Rechtsverwahrung zugeleitet, in der ausdrücklich festgestellt ist, daß es kein politisches Statut für das Saargebiet gibt, auf Grund dessen dieses Land als völkerrechtlich handlungsfähig legitimiert wäre und daß diese Rechtslage auch durch die Unterzeichnung eines internationalen Abkommens durch das Saargebiet nicht berührt wird. Wir haben diese Rechtsverwahrung auch der Alliierten Hohen Kommission notifiziert, die dagegen ebensowenig Einwendungen erhoben hat wie gegen unsere Saarnote vom 5. Mai. Somit ist auch hier bei diesem Anlaß unser Rechtsstandpunkt voll gewahrt worden.
Demselben Versuch, die Saar beim Abschluß eines multilateralen internationalen Vertrages als Vertragspartner in den Kreis der europäischen Staaten einzuführen, sind wir bei der Unterzeichnung des Schumanplans begegnet. Die Saarregierung hat bei der französischen Regierung die Forderung gestellt, das Saargebiet müsse als siebtes Land und damit als gleichberechtigter Partner des Schumanplans zugelassen werden. Nach den Erfahrungen, die wir mit den Ansprüchen der Saarregierung in Straßburg gemacht haben, haben wir auf diese Absicht mit der gebotenen Deutlichkeit reagiert. Ein Versuch, die Saarregierung zur Unterzeichnung des Vertrages zuzulassen, hätte ein Scheitern des Vertrags zur Folge gehabt. Hieraus haben wir der französischen Regierung gegenüber kein Hehl gemacht. Schwierigkeiten ähnlichen Ausmaßes hätten sich auch dann ergeben, wenn die französische Regierung den Anspruch erhoben hätte, den Vertrag zweimal - d. h. einmal im eigenen Namen und im Namen der Saarregierung - zu unterzeichnen. Auch durch dieses Verfahren wäre das Saargebiet als eine politische, durch die französische Regierung vertretene völkerrechtliche Einheit anerkannt worden. Als die Saarregierung einsah daß sie mit einer Zulassung als siebter Vertragsstaat nicht rechnen könne, konzentrierten sich
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ihre Anstrengungen auf diese von mir eben gekennzeichnete Lösung. Auch diesen Gedanken hat die französische Regierung, um den Schumanplan nicht zu gefährden, fallen lassen.
In dem Ihnen bekannten Briefwechsel, den ich am 18. April dieses Jahres mit dem französischen Außenminister vollzogen habe und der einen integrierenden Bestandteil des Vertrags über die Montanunion bildet, sind die deutsche und die französische Regierung, beide unter Wahrung ihrer eigenen Standpunkte, übereingekommen; daß die endgültige Regelung der Saarfrage nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Ich betone - das scheint mir von besonderer Wichtigkeit zu sein -, daß bisher eine solche vertragliche Abmachung zwischen der deutschen und der französischen Regierung nicht bestanden hat. Eine solche Vereinbarung aber schließt in sich, daß bis zu dieser endgültigen Regelung von keiner Seite Handlungen vorgenommen und Verhältnisse geschaffen werden dürfen, die eine endgültige Regelung durch den Friedensvertrag illusorisch machen würden.
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Bereits im Frühjahr des Jahres 1950 ist durch einen Kabinettsbeschluß festgelegt worden, daß wir keinen Saarstaat anerkennen. Die Saarregierung - ich stelle das ausdrücklich vor aller Öffentlichkeit fest - ist weder von uns noch von einer anderen als der französischen Regierung anerkannt worden und von dieser, der französischen Regierung, wie der Briefwechsel vom 18. April zweifelsfrei feststellt, nur vorbehaltlich der endgültigen Regelung im Friedensvertrag oder in einem gleichartigen Vertrag.
Der Herr französische Außenminister hat diese Tatsache auch anerkannt, als er am 24. April dieses Jahres im Rat der Republik sagte:
Wenn es eine außenpolitische Souveränität für den Saarstaat geben soll, so genügt dazu keine zweiseitige Erklärung. Er muß von dritten Staaten anerkannt werden. Keiner der Signatarstaaten des Schumanplans hat den derzeitigen Zustand an der Saar anerkannt. Keiner hat daran gedacht, einen diplomatischen Vertreter bei der Saarregierung zu akkreditieren.
Ich darf also zusammenfassend feststellen, daß die Bundesregierung nichts versäumt hat, um den deutschen Rechtsstandpunkt zu wahren. Gegen diesen Rechtsstandpunkt hat die Alliierte Hohe Kommission keine Einwendungen erhoben. Wir können mit Befriedigung feststellen, daß es durch den Briefwechsel vom 18. April 1951 zum ersten Male, gelungen ist, diesem Rechtsstandpunkt Geltung in einem` internationalen Vertrag zu verschaffen. Besonders wichtig erscheint es mir, daß hierbei zwischen der deutschen und der französischen Regierung, die an der Saarfrage in erster Linie interessiert sind, eine Rechtsgrundlage für die künftige Gestaltung der Verhältnisse an der Saar geschaffen worden ist. Ich betone nochmals, daß dieser Briefwechsel integrierender Bestandteil des Vertrags über die Montanunion ist. Die in ihm dargelegte Rechtsauffassung ist auch von den übrigen Signatarmächten dieses Vertrags anerkannt worden. Darin sehe ich einen Erfolg, der um so größer ist, als er ohne Lärm, ohne Drohung und ohne Geschrei zum Fenster hinaus erreicht worden ist.
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Wenn wir auf diesem Weg fortfahren, wenn wir - um das Wort von Herrn Schuman nochmals zu gebrauchen - die ruhigen Nerven behalten, so könnten wir mit einer ebenso ruhig denkenden I französischen Regierung zu einer Einigung über die Saarfrage auch schon' vor dem Friedensvertrag kommen.
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Diese Einigung kann aber nur nach dem Grundsatz erfolgen, den ich von Anfang an vertreten habe: Frankreich hat wirtschaftliche Interessen im Saargebiet; wir haben wirtschaftliche und nationale Interessen in diesem Lande. Zwischen diesen Interessen muß im Geiste einer ehrlichen und zu Kompromissen bereiten europäischen Zusammenarbeit ein Ausgleich gefunden werden, der allen gerecht wird, insbesondere aber den Wünschen der Saarbevölkerung selber.
({27})
Die Schwierigkeiten, die uns trotz unseres guten Willens in den Weg gelegt wurden, kamen bisher sehr viel weniger von der französischen Regierung als vielmehr von der Saarregierung,
({28})
die die Zeichen der Zeit nicht verstehen will und einen Verzweiflungskampf um ihre Existenz kämpft.
({29})
Wenn die deutsche und die französische Regierung
sich darüber einig sind, daß der gegenwärtige Zustand an der Saar provisorisch ist, so müssen sich
auch die Herren der Saarregierung dieser Tatsache
beugen.
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Über die Saarfrage wird im Friedensvertrag oder in einem anderen Vertrag entschieden. Diese Entscheidung muß in Übereinstimmung mit dem Willen der Saarbevölkerung stehen. Die Saarregierung, meine Damen und Herren, ist nichts anderes als eine Verwaltungsbehörde in einem Lande, über das in einem Vertrage entschieden werden soll,
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an dem die Saarregierung sicherlich nicht als Verhandlungs- und Vertragspartner teilnehmen wird.
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Sie hat die Pflicht, dafür zu sorgen, daß sich im Saargebiet durch eine offene und freie Aussprache ein Urteil der öffentlichen Meinung über die im Friedensvertrag oder in einem anderen Vertrag zu findende Endlösung bilden kann.
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Ich denke, daß wir uns hier nicht mehr bei der Bedeutung oder Bedeutungslosigkeit der Wahlen zum saarländischen Landtag von 1947 aufzuhalten brauchen.
({34})
Wir haben uns hierüber an dieser Stelle am 10. März 1950 ausgesprochen. Inzwischen sind aber der Bundesregierung weitere Dokumente bekanntgeworden, die die Machenschaften, die zu diesen Wahlen führten, vollends klarwerden ließen. Ich möchte mich hier auf das Zeugnis der katholischen Geistlichkeit des Saargebietes berufen, die in einer von den Dechanten des Saargebietes einstimmig gefaßten Erklärung vom 26. März 1950, die dem Ministerpräsidenten Hoffmann zugeleitet wurde, folgendes feststellten:
({35})
Wir sehen uns heute genötigt, zur Steuerung der Wahrheit und zur Gewissensberuhigung vieler Katholiken folgendes festzustellen. Der heutige Status des Saargebietes beruht auf dem Ergebnis der Landtagswahl vom 5. Oktober 1947. Bei dieser Wahl standen die Katholiken vor der Entscheidung über christlich oder nichtchristlich orientierte Politik. Mit dieser Entscheidung wurde leider verknüpft eine Entscheidung für oder gegen den wirtschaftlichen Anschluß, der eine Trennung von Deutschland und eine begrenzte Autonomie im Rahmen einer Wirtschaftsunion mit Frankreich zur Folge habe. Die Entscheidung wurde erleichtert durch die Zusicherung, daß der politische Status des Saargebiets erst durch den Friedensvertrag endgültig geregelt werde. Die christlichen Wähler, soweit sie nicht weiße Zettel abgaben, wollten mit ihrer Stimmabgabe an erster Stelle die christlich-kulturellen Forderungen schützen und durchsetzen. Viele waren sich nicht bewußt, viele haben es schweren Herzens auf sich genommen, daß sie sich damit gleichzeitig vom bisherigen Vaterland vorübergehend lossagen müßten.
({36})
Diese Wahl war nicht frei von Furcht, von Zwang und von Unwissenheit.
({37})
Dieser Erklärung der Geistlichkeit des Saargebietes ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Wenn es aber geschehen muß, so möchte ich den jetzigen Chef des Presse- und Informationsamtes der Saarregierung zitieren, der als Landtagsabgeordneter im Landtag des Saargebietes am 15. November 1947
1) über die Wahlen vom Oktober 1947 sagte:
Die Befragung, die man hier durchgeführt hat,
ist als sehr problematisch zu bezeichnen, wenn
ein Volk unter der Peitsche der Not und des
Hungers seine Entscheidung trifft.
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Die Saarregierung, meine Damen und Herren, hat bisher so gehandelt, als ob es einen vom übrigen Deutschland getrennten Saarstaat gäbe, der eine endgültige und unabänderliche Einrichtung sei. Sie hat so gehandelt, als ob die Präambel ihrer Verfassung als ein Palladium mit allen Mitteln der Gewalt zu verteidigen wäre. Die Saarregierung tut so, als ob durch die Präambel ihrer Verfassung, die die politische Trennung der Saar von Deutschland ausspricht, ein Rechtszustand geschaffen worden sei, der nicht mehr zur Erörterung gestellt werden dürfe. Aus diesem Grunde hat die Saarregierung die Demokratische Partei des Saargebietes verboten. Die deutsche Öffentlichkeit hat diese von den Kennern der innersaarländischen Kabalen und Intrigen lang erwartete Maßnahme mit der größten Empörung aufgenommen,
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und ich zweifle nicht, daß dieses Hohe Haus mit der
Bundesregierung in der Verurteilung einer Maßnahme einig sein wird, die mehr als ein Fehler ist.
Die Auffassung der Saarregierung entbehrt jeder
Logik. Die endgültige Lösung der Saarfrage kann
nur durch den Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag herbeigeführt werden, wenn die
Saarbevölkerung zuvor durch eine gründliche Erörterung Gelegenheit gehabt hat, sich über ihre
eigenen Wünsche klarzuwerden. Daran, meine Damen und Herren, war die Saarbevölkerung auch 1 während der Zeit der Verwaltung des Gebiets durch den Völkerbund nicht gehindert, der in ähnlicher Weise, wie das heute der Fall ist, eine endgültige Regelung der staatlichen Zugehörigkeit des Gebiets vorbereiten sollte.
Ich bedaure sehr, daß sich der französische Herr Außenminister durch seinen Brief an den saarländischen Ministerpräsidenten den Vorwurf gegen die Demokratische Partei zu eigen gemacht hat, sie sei verfassungswidrig und sie sei nazistisch. Da wir nach dem Briefwechsel vom 18. April dieses Jahres das gleiche legitime Interesse an der politischen Gestaltung des Saargebiets haben wie die französische Regierung, da wir uns zudem bei der Unterzeichnung des Schumanplans ganz allgemein zur gegenseitigen Konsultation verpflichtet haben, wird uns, wie ich hoffe, die französische Regierung das Material, das ihr gegen die Demokratische Partei vorliegt, zur Kenntnis bringen.
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Auf diese Weise wird die erforderliche Klärung auch unter Mitwirkung der hierfür in Frage kommenden Stellen der Bundesregierung unschwer herbeigeführt werden können. Sollte sich dabei zeigen, daß die verfassungsrechtlichen und politischen Vorwürfe gegen die Demokratische Partei unbegründet sind, so zweifle ich nicht daran, daß die französische Regierung ihren Einfluß in Saarbrücken wiederum geltend machen wird, um einen bedauerlichen Mißgriff wiedergutzumachen.
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Ich würde also bitten, die Entwicklung dieser Angelegenheit, die die Bundesregierung sicherlich nicht auf sich beruhen lassen wird, mit Ruhe und mit den von Herrn Schuman empfohlenen guten Nerven abzuwarten.
Ich möchte aber diese Gelegenheit benützen, um zu einigen anderen Aspekten des Saarproblems mich wenigstens kurz zu äußern. Es paßt uns nicht, meine Damen und Herren, wenn Deutsche im Saargebiet auch in der Sprache der Gesetze dieses völkerrechtlich überhaupt nicht als Staat bestehenden Gebiets als Ausländer behandelt werden.
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Wir möchten, daß damit endgültig Schluß gemacht wird. Die Öffentlichkeit in der Bundesrepublik hat sich mit vollem Recht hierüber und über alles, was aus dieser Konzeption hergeleitet wird, empört.
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Es handelt sich aber nicht nur um gefühlsmäßige, sondern in erster Linie um rechtliche Erwägungen. Diese Erwägungen sind in einem Runderlaß des Bundesministers des Innern vom 9. November 1950 niedergelegt, der die Rechtslage hinsichtlich der im Saargebiet auf dem Gebiete der Staatsangehörigkeit erfolgten Regelung eindeutig klarstellt. Solange der Status des Saargebiets im Friedensvertrag nicht anders geregelt ist, als er bei dem Zusammenbruch des Hitlerregimes 1945 bestand, bleiben die Bewohner des Saargebiets, die bei Kriegsende deutsche Staatsangehörige waren, in ihrem Verhältnis zur Bundesregierung deutsche Staatsangehörige.
({44})
({45})
Das saarländische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 15. Juli 1947 übt auf die deutsche Staatsangehörigkeit der Bewohner des Saargebiets keinen Einfluß aus,
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gleich unter welchen Umständen und Voraussetzungen von einem Erwerb der saarländischen Staatsangehörigkeit gesprochen wird. Dieser unser Rechtsstandpunkt ist so unanfechtbar, daß einer der französischen Senatoren, die Außenminister Schuman seine ,angebliche Untätigkeit in der Saarangelegenheit zum Vorwurf machen - übrigens, meine Damen und Herren, ganz wie bei uns -,
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dazu nur folgendes zu sagen hatte:
Auch Wenn der deutsche Rechtsstandpunkt juristisch vertretbar ist,. so liegt in ihm eine Feststellung, die wir aus politischen Gründen nicht zulassen dürfen.
({48})
Ich möchte mit diesem Hinweis nicht den Gedanken aufkommen lassen, daß die französische Regierung in der Saarfrage die Politik - mit anderen Worten: die Macht - vor das Recht stellen will. Im Gegenteil, ich bin der Auffassung, daß durch den Briefwechsel vom 18. April der Rechtsboden von beiden Regierungen eindeutig und endgültig bezogen wurde.
({49})
Die Saarregierung wird ihre eigene Konzeption ebenfalls in diesen völkerrechtlich gezogenen Rahmen einbauen müssen. Sie tut das leider nicht, und damit setzt sie sich eben der Gefahr aus, daß sie auch von uns an ihre Pflichten erinnert wird. Ich denke hier in erster Linie an die leidigen AusWeisungen aus dem Saargebiet und an die Diskriminierung der deutschen Bevölkerung des Saargebiets nach politisch Berechtigten und nach politisch Rechtlosen. Nach einer Auskunft, die uns die Alliierte Hohe Kommission gegeben hat, wurden seit Kriegsende 2171 Deutsche aus dem Saargebiet ausgewiesen.
({50})
Ein großer Teil dieser Ausweisungen ist im Laufe der Zeit rückgängig gemacht worden. Zur Zeit sind aber noch 193 saarländische Familien von ihrer Heimat ferngehalten.
({51})
Es ist für uns aber nicht entscheidend, ob einer oder ob tausend aus politischen Gründen aus dem Saargebiet ausgewiesen werden.
({52})
Es handelt sich um den Grundsatz! Die Unterscheidung zwischen saarländischen Staatsangehörigen und deutschen Ausländern im Saargebiet ist völlig unzulässig.
({53})
Ich möchte hier daran erinnern, daß sogar im Versailler Vertrag, also zu einer Zeit, als die damalige französische Regierung offen auf die Annexion des Saargebietes hinarbeitete - sie tut das heute nicht, das möchte ich nochmals unterstreichen -,
({54})
alle Personen im Saargebiet, die am Tage des Inkrafttretens des Vertrages dort ihren Wohnsitz hatten, volle politische Gleichberechtigung genossen, auch hinsichtlich der Beteiligung an der
Volksabstimmung. Der Versailler Vertrag ließ die deutsche Staatsangehörigkeit der Bewohner des Gebietes völlig unberührt. Die Autoren des Versailler Vertrages sind dabei von dem zutreffenden und in der Natur der Sache liegenden Gedanken ausgegangen, daß es mit einer nur vorläufigen Rechtsstellung eines Gebietes unvereinbar ist, die Staatsangehörigkeitsverhältnisse der in dem Gebiet lebenden Menschen zu ändern.
Die Saarregierung legt ihrem Staatsangehörigkeitsgesetz die 'Idee des Bestehens einer saarländischen Nation zugrunde, ,die das Staatsvolk für einen Saarstaat liefern soll. Wer eine saarländische Nation konstruiert, meine Damen und Herren, macht sich des saarländischen Nationalismus schuldig. Eine Sünde gegen Europa und dazu noch eine lächerliche Sünde!
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Wir haben genug der Nationen! Wer den Nationalismus überwinden will, kann nicht gleichzeitig neue Nationalgefühle züchten.
({56})
Die Saar ist deutsch, und ganz Deutschland einschließlich der Saar wird sich mit Frankreich in Europa zusammenfinden.
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Herr Hoffmann hat einmal von einem Dreiklang Frankreich -Saar-Deutschland gesprochen. Ich glaube, je weniger wir von dem Mißton Saarstaat hören, desto besser werden wir den E i n klang mit Frankreich herstellen können.
({58})
Die Saarregierung wird, wenn sie nach dem Geist und Buchstaben des deutsch-französischen Notenwechsels vom 18. April verfahren will, sich verpflichten müssen, daß die Bewohner des Saargebietes keiner Verfolgung und keiner Vergeltungsmaßnahme oder Schlechterstellung wegen der Haltung unterworfen werden, die sie in Beziehung auf Fragen einnehmen, deren Regelung dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt.
({59})
Ich habe diese Forderung bereits am 9. Februar der Alliierten Hohen Kommission gegenüber angemeldet, die unsere Note auch der Saarregierung zur Kenntnis gebracht hat. Leider haben wir bis jetzt kein Anzeichen dafür gespürt, aus dem sich entnehmen ließe, daß die Regierung des Herrn Hoffmann dieser rechtlich wohlbegründeten Forderung eine Folge geben will. Im Gegenteil, durch das Verbot der Demokratischen Partei hat sie die letzte Maske fallen lassen.
({60})
Die Bevölkerung des Saargebietes fordert von ihrer Regierung die volle Freiheit der politischen Meinungsäußerung gerade in den Fragen, die die politische Zukunft des Landes betreffen.
({61})
Sie verwahrt sich dagegen, daß diese Freiheit durch
offenen oder, versteckten Druck eingeengt wird.
Hier möchte ich noch einen grundsätzlichen Punkt herausstellen. Wenn die Saarfrage im Friedensvertrag gelöst werden soll, so darf die Bun({62})
desregierung hinsichtlich der Geltendmachung ihrer Auffassung im Saargebiet nicht schlechter gestellt sein als die französische Regierung.
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Die Saarregierung hatte es sich angewöhnt, Zeitungen aus dem Bundesgebiet, die zu Saarfragen in einer ihr unsympathisch erscheinenden Weise Stellung nahmen, entweder zu verbieten oder einfach ihre Verbreitung im Saargebiet zu verhindern.
({64})
Wir haben unseren Standpunkt auch hierzu der Alliierten Hohen Kommission dargelegt, und ich möchte hoffen, daß mit dieser Methode nunmehr Schluß gemacht wird.
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Es sind uns leider Fälle bekannt geworden, - ({66})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Ich bitte, ihn nicht ständig zu unterbrechen.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner! Ich verbitte mir, daß Sie meine Maßnahmen kritisieren. Ich rufe Sie zur Ordnung!
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Es sind uns leider Fälle bekanntgeworden, daß Bewohner des Saargebiets, die nach Bonn gekommen sind, schweren Nachteilen ausgesetzt waren.
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Der Chefredakteur der „Saarländischen Volkszeitung" hat deshalb seine Stellung verloren.
({1})
Ich darf auch auf den Fall eines Angestellten eines saarländischen Landratsamtes hinweisen, dessen Ausweisung damit begründet wurde, er sei mit Dr. -Schumacher im Briefverkehr gestanden.
({2}) Demgegenüber möchte ich wünschen, daß der Saarbevölkerung der Weg nach Bonn in Zukunft ebenso offensteht wie der nach Paris.
({3})
Wer aus dem Saargebiet Gedanken, Wünsche und Vorschläge an uns heranbringen will, der soll das tun, und er soll daran ebensowenig gehindert werden wie der Saarbewohner, der mit seinen Anliegen nach Frankreich geht.
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Ich möchte aber nicht, daß hier nun wieder die gleiche Einseitigkeit entsteht, die das System des Ministerpräsidenten Hoffmann kennzeichnet. Ich würde es nur begrüßen, wenn die saarländischen
, Politiker, die das tun wollen, das gleiche tun würden, was wir auch tun. Auch sie sollten sich um ein Verhältnis zu Frankreich bemühen, das ihnen eine offene und freie Aussprache nach allen Seiten hin ermöglicht.
Ich möchte mich vorläufig auf diese Bemerkungen beschränken. Ich habe dabei die Stellung der Saarwirtschaft im Schumanplan mit Absicht nicht erörtert, weil ich möchte, daß die innenpolitische Lage im Saargebiet, die uns zunächst beschäftigt, eine einheitliche Stellungnahme dieses Hauses möglich machen wird, wie dies auch am 10. März des vergangenen Jahres der Fall war. Die Saarfrage kann nur dann 'zu einer guten Lösung gebracht werden, wenn sie nicht zu einer Parteifrage gemacht wird.
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Bei der Erörterung des Gesetzentwurfes über die europäische Montanunion, den wir mit tunlichster Beschleunigung einbringen werden, werden sich die partei- und innenpolitischen Gegensätze mit aller Schärfe herausstellen. Hierbei wird selbstverständlich auch auf die Saarfrage zurückgegriffen werden müssen. Bis dahin wird es sich zeigen müssen, ob der durch das Verbot der Demokratischen Partei des Saargebietes ohne unsere Schuld durch die Saarregierung aufgeworfene Konflikt bereinigt werden kann. Wir werden uns auch auf allen uns zur Verfügung stehenden anständigen Wegen darum bemühen. Es wird uns auch eine Gewähr dafür gegeben werden müssen, daß das Recht der freien Meinungsäußerung über alle im Friedensvertrag zu lösenden Fragen für die Saarbevölkerung uneingeschränkt gewährleistet wird und daß damit unsere Auffassung von der Bedeutung des Briefwechsels vom 18. April Anerkennung findet.
Das Saargebiet wurde in seiner Eigenschaft als assoziiertes Mitglied des Europarates zur Unterzeichnung der Konvention des Europarates über die Menschenrechte und Grundfreiheiten zugelassen. Die Saarregierung ist verpflichtet, diesen Grundrechten in ihrem Bereich Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung wird die Aufmerksamkeit des Europarats auf die Tatsache lenken, daß die Saarregierung gegen diese Grundrechte verstoßen hat.
({6})
Auch die Alliierte Hohe Kommission wird gegenüber den Vorgängen im Saargebiet nicht untätig bleiben können.
({7})
Ich habe deshalb gestern dem geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission eine Note zugeleitet, in der unter anderem folgendes ausgeführt ist:
Die Bundesregierung hält die drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen für verpflichtet, auf die Entwicklung der Saarfrage Einfluß zu nehmen. Nachdem bei der Moskauer Außenministerkonferenz im Jahre 1947 eine Einigung über die von der französischen Regierung erhobenen Forderungen hinsichtlich des Saargebietes nicht erzielt worden war, sind die Regierungen der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs und der Französischen Republik übereingekommen, daß das Saargebiet in das französische Zoll- und Währungsgebiet einbezogen werden soll. Sie haben in einem Protokoll vom 20. Februar 1948 die technischen Anordnungen klargestellt, die sich aus der wirtschaftlichen Angliederung der Saar an Frankreich ergeben. Aus diesem Protokoll, das die Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung auf deren Bitte am 12. März dieses Jahres zur Kenntnis gebracht hat, kann die Bundesregierung in
({8})
keiner Weise entnehmen, daß mit der Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die politische Abtrennung des Gebietes von Deutschland verbunden sein sollte. Die These, daß die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet nicht durchgeführt werden könne ohne eine gleichzeitige politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, wurde niemals von allen Westalliierten angenommen, sebstverständlich auch nicht von der Bundesregierung. Die Präambel der Saarverfassung enthält zwar Bestimmungen über die politische Abtrennung des Gebietes vom übrigen Deutschland, aber abgesehen von den Tatsachen, die inzwischen über die Umstände, unter denen die Wahlen zum saarländischen Landtag stattgefunden haben, bekanntgeworden sind, kann ein solcher Landtagsbeschluß eines nicht souveränen Territoriums keine völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Wirkungen, die sich auf Deutschland erstrecken sollen, bewirken.
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Dieser Ansicht sind offenbar die drei Westalliierten Regierungen ebenfalls, da sie ja trotz dieser Präambel der Bundesregierung immer wieder erklärt haben, daß die endgültige Regelung der Saarfrage dem Friedensvertrag vorbehalten bleibt. Hierüber wurde auch anläßlich der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl in Paris am 18. April dieses Jahres zwischen der Bundesregierung und der französischen Regierung in einem Briefwechsel ein Einvernehmen erzielt. In diesem Briefwechsel, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerks bildet, sind die beiden Regierungen übereingekommen, daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgen kann. Diese Vereinbarung schließt weiter in sich, daß an der Saar nichts geschehen darf, was der Regelung im Friedensvertrag vorgreift und diese so zu einer inhaltlosen Geste macht.
Die Regierung der französischen Republik
- so heißt es in dieser Note an die Hohe Kommission zwecks Weitergabe an die westalliierten Regierungen
die sich in dem Briefwechsel vom 18. April ihren eigenen Standpunkt bewahrt hat, würde nicht nach den Grundsätzen des Briefwechsels vom 18. April handeln, wenn sie die Bestrebungen der Saarregierung unterstützen würde, die darauf hinauslaufen, jede Erörterung über die endgültige Lösung der Saarfrage im Friedensvertrag durch die Bevölkerung des Saargebietes vor dem Zustandekommen des Friedensvertrages zu unterbinden. Selbst wenn man die Vorschriften der Präambel als einen integrierenden Bestandteil der Verfassung des Saargebietes ansehen will, so ist es doch in keinem demokratischen Staat der Welt einzelnen Gruppen oder .Parteien verwehrt, über Wert oder Unwert bestimmter Verfassungsvorschriften, soweit es sich nicht um die demokratische Grundordnung selbst handelt, zu diskutieren ,und auch Vorschläge für die Änderung der Verfassung auf legalem Wege zu machen.
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- Ach, Sie alter „Demokrat", seien Sie doch ruhig!
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Die Saarregierung hat durch zahlreiche Gesetze
- so fährt die Note fort -,
die in der Öffentlichkeit vielfach unbemerkt blieben, weil im Saargebiet keine oppositionelle Presse geduldet wird, sich die Mittel zur Unterdrückung jeder ihr nicht genehmen politischen Meinung geschaffen. Hierher gehören die Verordnung über die Regelung des Versammlungswesens im Saarland vom 24. Februar 1948, die Verordnung über die vorläufige Regelung des Pressewesens vom 9. März 1948, das Gesetz über den Aufenthalt im Saarland vom 29. Juli 1948, das Gesetz zur Abänderung des Strafgesetzbuches vom 9. Juli 1950 sowie die zur Zeit dem saarländischen Landtag zur Beratung vorliegenden Gesetze zum Schutz der demokratischen Ordnung des Saarlandes, über die Zulassung politischer Parteien und über den Schutz des saarländischen Arbeitsmarktes. Ohne hier auf Einzelheiten eingehen zu wollen, muß im vorliegenden Zusammenhang wenigstens darauf hingewiesen werden, daß im Saargebiet politische Parteien nur auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Regierung mit Zweidrittelmehrheit des Landtages zugelassen werden können. Dies bedeutet praktisch die Ausschaltung jeder der Regierung nicht genehmen Opposition.
({12})
Der politische Druck, unter dem die Saarbevölkerung steht, findet' in der polizeilichen Überwachung aller Versammlungen und in einer mit aller Gründlichkeit durchgeführten Telefon- und Postüberwachung im Hinblick auf das auch in der Saarverfassung anerkannte Grundrecht der Freiheit der politischen Meinungsäußerung
einen besonders beschämenden Ausdruck. ({13})
- Manchmal glaube ich, Sie sind Beauftragter des Herrn Hoffmann.
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Da es im Saargebiet in den vier Jahren nicht möglich war, eine ordentliche Verwaltungsgerichtsbarkeit zu schaffen, besitzt die Saarbevölkerung auch keine Rechtsmittel zur Wahrung ihrer staatsbürgerlichen Rechte.
Die Bundesregierung sieht in dem Verbot der Demokratischen Partei eine Schlechterstellung einer politischen Gruppe, die in Hinsicht auf den im Friedensvertrag oder einem gleichartigen Vertrag zu regelnden Status der Saar eine andere Ansicht vertritt als die Saarregierung.
Die Bundesregierung bittet die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen, die infolge der Besetzung Deutschlands und durch das Abkommen vom 20. Februar 1948 über die Einbeziehung der Saar in das französische Zoll- und Währungsgebiet die Verantwortung für die Wahrung der demokratischen Grundrechte an der Saar übernommen
5672 Deutscher Bundestag - 144. Sitzurig. Soria, Mittwoch, den 30. Mai 1951
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haben, die geeigneten Schritte zu unternehmen, damit im Saargebiet die uneingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung und der Willensbildung hinsichtlich der Fragen hergestellt wird, die im Friedensertrag ihre endgültige Regelung finden sollen.
Ich zweifle nicht daran, daß die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen dem Standpunkt der Bundesregierung Verständnis entgegenbringen werden. Wir fordern die Freiheit der politischen Meinungsäußerung und Willensbildung für die Saar und die Beseitigung aller gesetzlichen und verwaltungsmäßigen Beschränkungen, gen, die dieser Freiheit heute im-Wege st hen.
Ich hoffe, daß das Hohe Haus der Regierung hierbei seine uneingeschränkte Zustimmung geben wird.
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Präsident, Dr. Ehlers: Zur Begründung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, hat das Wort der Abgeordnete, Strauß.
Strauß ({17}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorgänge an der Saar im Laufe der letzten Jahre, in zunehmendem Maße im Laufe der letzten Monate und in wesentlichem Maße im Laufe der allerletzten Zeit haben die Berechtigung der Interpellation der Abgeordneten Strauß, Dr. Mende, Dr. Hamacher und Genossen, Drucksache Nr. 2115, in vollem Umfange bestätigt.
Diese Interpellation ging nicht von der Zielsetzung aus, irgendwelche Gegensätze zu verschärfen. Sie diente nicht de Arbsicht, das europäische Gespräch, das bei den Verhandlungen in Paris in erfolgreicher Weise- geführt wurde, auch nur irgendwie zu belasten. Sie hatte in keiner Weise die Absicht vof Augen, etwa das wiedererwachende Vertrauen zwischen dem deutschen Volke und dem französischen Volke in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen oder zu stören. Wohl aber sollte diese Interpellation in der deutschen Öffentlichkeit und auch draußen über die wirklichen Vorgänge an der Saar Klarheit schaffen, und sie sollte als Warnung dienen, um eine Entwicklung zu verhindern, die weder für die Saarbevölkerung noch für Deutschland noch für Frankreich von Vorteil sein kann.
({18})
Diese Interpellation ist durch die Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann ausgelöst worden, daß der französische Außenminister den Schumanplan nach seiner Vorstellung mit doppelter Unterschrift unterzeichnen werde. Gerade nach dieser Erklärung des Herrn Johannes Hoffmann über die doppelte Unterschrift Frankreichs unter den Schumanplan gewinnt die Tatsache, daß der französische Außenminister nur einmal unterschrieben hat, und erhält der Notenwechsel vorn 18. April im Sinne eines Erfolges der Bundesregierung eine besondere Bedeutung.
({19}) Außerdem ist diese Interpellation durch die immer stärkeren Anzeichen von undemokratischen und sogar diktatorischen Maßnahmen zur Unterdrückung einer jeden echten Opposition im Saargebiet ausgelöst worden.
Damit über den Hintergrund der Gesinnung, in der wir uns mit diesen ernsten Sorgen an die Bundesregierung gewandt haben, kein Zweifel auftreten kann, stellen wir in der Rangfolge der Größenordnung unserer Lebensfragen und unserer Schicksalsnotwendigkeiten uns heute ganz -klar vor Augen, daß die Schaffung der Vereinigten Staaten von Europa, vorbereitet durch eine Wirtschaftsunion der europäischen Staaten, für uns den Vorrang Nummer 1 hat.
({20})
Die dafür nötigen Vorarbeiten und Voraussetzungen dürfen aber nicht durch die Politik der Saarverwaltung, die sich etwas hochtrabend mit dem Titel „Regierung" bezeichnet, gestört werden.
({21})
Auch die sogenannte Saarregierung muß sich der Größenordnung Nummer 1, der Schaffung Europas, beugen und darf nicht aus der treuhänderischen Verwaltung der Saar eine Saarpolitik und aus der Saarpolitik ein politisches und persönliches Saargeschäft machen.
Am 6. Juni 1947, als in München die Ministerpräsidentenkonferenz begann, traf dort ein Telegramm der damaligen Regierungskommission der Saar, unterzeichnet von dem Generalsekretär Kuchenbecker, ein, daß die saarländische Wirtschaft nach Frankreich orientiert sei und sich immer mehr dorthin orientieren werde. Deshalb sei die Entsendung eines Vertreters zur Münchener Ministerpräsidentenkonferenz zweck- und gegenstandslos. Dies geschah ein halbes Jahr vor dem sogenannten Wirtschaftsanschluß an Frankreich. Uns interessiert an dieser Tatsache in Erinnerung an die damalige Konferenz gerade, daß die Separatisten des Westens überhaupt nicht erschienen sind und die Separatisten des Ostens sich von der Konferenz entfernt haben.
({22})
Herr Kuchenbecker ist heute Präsident des saarländischen Verwaltungsgerichtshofes, der mangels Gesetz keine Tätigkeit ausüben kann. Herr Kuchenbecker soll demnächst auch über die Gesetzmäßigkeit des Verbots der Demokratischen Partei des Saarlandes mitentscheiden.
Zweitens darf ich nun auf die im Oktober 1947 stattgefundenen Landtagswahlen eingehen. Diese Wahlen haben ausschließlich zu dem Zweck stattgefunden, einen Landtag aufzustellen, und dieser Landtag sollte die von einer 20 -Männer-Kommission vorbereitete Verfassung annehmen. Das Ergebnis der Landtagswahlen von 1947 wird heute von der Saarregierung und einigen französischen Persönlichkeiten mehr und mehr zu einem Volksentscheid umgedeutet und mißbraucht, als ob damals gleichzeitig die Abtrennung von Deutschland durch die Bevölkerung gebilligt worden wäre. Diese Wahl stand unter dem Eindruck des Hungers, der an der Saar noch künstlich verschärft worden war, und unter der Hoffnung einer wirtschaftlichen Besserung nach der Abtrennung von Deutschland und dem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich. Die Wahl stand ferner unter dem Druck von mehreren Ausweisungswellen der Jahre 1946 und 1947. Die Wahlen trugen, intern gesehen, gemeindepolitischen Charakter und hatten viellicht kulturpolitische Bedeutung. Sie werden heute umgefälscht als Plebiszit für die Loslösung von Deutschland. Wir müssen dazu ausdrücklich und eindringlich feststellen: Eine Volksabstimmung über eine Volkszugehörigkeit hat nach dem Sinn der Atlantik -Charta im Saargebiet seit 1945 niemals stattgefunden.
({23})
({24})
Eine solche Volksabstimmung, wenn dieses Wort heute hier ausgesprochen wird, kann nur in einer Fragestellung vorgelegt werden, und diese lautet: Bist du für eine Abtrennung von Deutschland? Sie kann nicht in der Fragestellung vorgelegt werden: Bist du für eine Rückkehr oder für einen Wiederanschluß an Deutschland?, weil das Saargebiet völkerrechtlich niemals von Deutschland getrennt worden ist und weil mit einer solchen Fragestellung de jure eine Abtrennung des Saargebiets von Deutschland nachträglich anerkannt würde, obwohl sie nie stattgefunden hat.
In diesem Zusammenhang darf ich mich auf das Zeugnis eines französischen Professors, Georges Scelle, Direktor des Instituts für internationales Recht und Professor an der Sorbonne in Paris, berufen. Er unterscheidet in seinen Ausführungen bei den. Volksabstimmungen zwischen dem Begriff der Bestätigung und dem Begriff der Entscheidung, und er sagt über die Bestätigung folgendes:
Die ersteren,
- die Bestätigungen -,
welche in der Vergangenheit am häufigsten angewandt worden sind, dienen nur dazu, um Abtrennungen und einseitige Annexionen oder bereits getroffene Maßnahmen zu bestätigen, welche von den Regierungen bereits durchgeführt sind. Es sind dies wirkliche Augentäuschungen, denn die Regierungen greifen zu diesen Volksbefragungen nur, wenn sie ihrer sicher sind, und es gibt kein Beispiel dafür, daß durch sie jemals etwas an bereits vollendeten Tatsachen geändert worden wäre. Am häufigsten werden diese bestätigenden Volksbefragungen von annektierenden Regierungen vorgenommen und ausgeführt unter der Kontrolle ihrer Handlanger, ja selbst unter dem Zwang einer militärischen Besatzung.
Wenn heute von einer freien Entscheidung des Saarvolkes die Rede ist, dann kann es sich nicht um die Bestätigung einer Maßnahme der Vergangenheit handeln; es , kann sich lediglich um eine freie Entscheidung über die Lösung für die- Zukunft handeln.
({25})
Diese freie Entscheidung über eine Lösung für die Zukunft ist im Sinne der Atlantik-Charta auch - und wir wagen das zum Ausdruck zu bringen - ein Präjudiz für den Geist und für den Inhalt, den der Friedensvertrag in dieser Frage haben muß.
({26})
Im Zusammenhang mit den Landtagswahlen darf ich auch noch aufs das Schreiben eingehen, das bereits in der Regierungserklärung erwähnt worden ist, das Schreiben, welches der katholische 'Dechant Braun im Auftrage sämtlicher Dechanten und Pfarrer des Saargebietes an die Regierung gerichtet hat. Er stellt im letzten Absatz der Erklärung ausdrücklich fest - und dieses Schreiben stammt erst vom 26. März 1950 -:
Bis heute ist das Saarvolk - wie auch Léon - Blum ausdrücklich bekannte - noch nicht klar und eindeutig über seinen außenpolitischen Willen befragt worden, so daß die übliche amtliche Auslegung der bisherigen drei Wahlergebnisse als politische Willenskundgebung des Saarvolkes nicht einer objektiven Interpretation entspricht.
Um zu verhindern, daß die Politik einer kleinen Clique um Herrn Hoffmann herum an der Saar zu einer Trübung des deutsch-französischen Verhältnisses und für persönliche Zwecke im klaren Widerspruch zum Willen der Bevölkerung mißbraucht wird, haben wir in dieser Interpellation die dort aufgeführten Fragen gestellt.
Ich darf zur Frage. Nr. 1 folgendermaßen Stellung nehmen. Im Saargebiet ist bis heute keine echte Gewaltenteilung eingeführt, wie es in einer normalen Demokratie üblich ist. Freiheit der Presse, Freiheit der Versammlung, Freiheit der Vereinigung, Freiheit der Meinung, Freiheit der Person, Wahrung des Fernsprech-, Post- und Telegrafengeheimnisses sind in der saarländischen Verfassung formal niedergelegt, werden aber. bis zur gegenwärtigen Stunde häufig und in schwerwiegenden Fällen immer wieder gebrochen. Die Verwaltung nimmt dort Vollmachten der Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch, indem sie z. B. - ohne dafür zuständig zu sein - Parteiverbote erläßt und Haussuchungen vornimmt. Die Gesetzgebung übernimmt Aufgaben der Gerichtsbarkeit, indem nach dem Gesetz betreffend die Bildung einer Verfassungskommission über die Erklärung der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sowie über die Auslegung und Interpretation von Verfassung und Gesetzen eine Kommission entscheidet, in der ausschließlich Abgeordnete Stimmrecht haben. Das heißt doch nichts anderes, als daß man den Teufel bei seiner Großmutter verklagt
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oder daß der Delinquent über die Frage „schuldig oder nicht" selbst zu Gericht sitzen kann. Ich darf mich bei dieser Frage auf das Zeugnis eines saarländischen Landtagsabgeordneten selbst berufen, der bei der Debatte über die Bildung dieser Verfassungskommission folgende Äußerung gebraucht hat:
Meine Damen und Herren, machen Sie, was Sie I wollen. Das Schlimmste neben der Diktatur der Einzelpersönlichkeit ist die Parteidiktatur. Daran gehen Staaten genauso zugrunde wie an einer Diktatur des Einzelnen.
Und er sagte in diesem Zusammenhang weiter: Wenn so selbst die Verfassungskommission gegen die Verfassung gebildet werden kann, dann Gnade Gott der Demokratie, die wir erst schaffen wollen, und der Verfassung, die wir dem Volk geben.
Es gibt im Saargebiet keine Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wohl besteht ein Verwaltungsgerichtshof, der aber bis jetzt nicht tätig werden kann, weil bisher kein entsprechendes Gesetz verabschiedet worden ist. Der Verwaltungsgerichtshof kann nur in Wahlangelegenheiten tätig werden. Dieser Verwaltungsgerichtshof soll jetzt ohne gesetzliche Grundlage über etwas entscheiden, was ihm unter Berücksichtigung der Natur einer echten Demokratie in keinem Falle zustehen kann. Er soll über die Rechtmäßigkeit des Verbotes der Demokratischen Partei des Saarlandes entscheiden. Darüber kann nur ein Verfassungsgerichtshof entscheiden. Herr Hoffmann will nun einen- Verfassungsgerichtshof einrichten - der Antrag dafür ist im saarländischen Landtag eingebracht worden -, er soll aber mit drei Nichtparlamentariern und vier Parlamentariern besetzt werden. Die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die Verfassungsmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Anordnungen der Regierung kann nur durch einen echten Verfassungsgerichtshof festgestellt werden.
Wir haben im Saargebiet eine vorläufige Presseordnung vom Jahre 1948. Sie enthält Lizenzzwang, stäidige Verbote, Es gibt keine Rechtsmittel da5674 Deutscher ,Bundestag ({28})
1 gegen, da bisher kein Verwaltungsgerichtshof für solche Fragen zuständig ist. Darum kann die Opposition an der Saar keine Zeitung erhalten. Die SPS, die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes, stellt in unseren Augen auch keine echte Opposition in diesem Sinne dar, sondern in den meisten Fragen eine seiner Majestät gehorsamst untertänige Opposition, die den Mund nur so weit aufmachen darf, wie vorher abgesprochen worden ist und wie es ausreicht, um bei Naiven den Glauben an die Existenz einer Opposition hervorzurufen.
Diese Opposition hat bisher genau so Verfassungs-
und Verwaltungsmaßnahmen der Regierung gebilligt. Für die echte Opposition gibt es keinen Zugang zum Rundfunk, der von der Regierung und ihrer Partei ständig gebraucht wird.
Theoretisch haben wir im Saargebiet die Versammlungsfreiheit. Jede Versammlung muß angemeldet werden. Sie wird von uniformierter und Kriminalpolizei vor und hinter dem Vorhang überwacht. Reden werden mitstenographiert, Autos, die vorfahren, werden notiert. Die Versammlung der DPS ist am 6. Mai wegen Beunruhigung der Bevölkerung verboten worden.
Wir haben im Saargebiet formal auch die Vereinsfreiheit. Das Verbot der DPS ist auf Grund von angeblicher Verfassungswidrigkeit verhängt worden, weil durch sie vor Abschluß eines Friedensvertrages eine Änderung des gegenwärtigen Zustandes angestrebt worden sei. Der MRS, die Bewegung zum Anschluß des Saarlandes an Frankreich - was ja auch eine Vorwegnahme der endgültigen Regelung bedeuten würde -, ist nicht verboten worden, obwohl er offen den politischen Anschluß des Saargebietes an Frankreich propagiert hat. Der MRS braucht nicht verboten zu werden. Er hat Schiffbruch erlitten trotz des Gewissenszwanges, der bezüglich der Mitgliedschaft ausgeübt worden ist.
Als wir - Abgeordnete der CDU/CSU, der FDP und des Zentrums - am Abend des 5. Mai zum Besuch der Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes in das Saargebiet einreisen wollten, wurden wir trotz Vorhandenseins aller benötigten Papiere durch saarländische Kriminalpolizei angehalten und mit einem Aufenthaltsverbot von 48 Stunden belegt. Für den ganz hinterhältigen Fall, daß einer dieser Teilnehmer über ein französisches Visum verfügen und unter dem Vorwand einreisen sollte, nur durchreisen und nach Frankreich weiterreisen zu wollen, hat man vorsorglich motorisierte Verkehrsstaffeln bereitgestellt, um uns das Geleit bis zur französischen Grenze zu geben!
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Bei einem meiner früheren Aufenthalte im Saargebiet hat mich ein Beamter um folgendes gebeten: Wenn eines Tages wiederum die Grenze zwischen dem Bundesgebiet und dem Saargebiet fallen sollte, die Grenze, die von Separatisten gegen den Willen des Volkes errichtet worden ist, dann möge man ja nicht die Zugehörigkeit zum MRS, zur Anschlußbewegung an Frankreich, bei saarländischen Beamten zu Maßnahmen gegen sie verwerten, weil sie durch ihre Vorgesetzten dazu gezwungen worden seien.
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Er hat damit die Bitte ausgesprochen, ihnen vor einer eventuellen Spruchkammer später nicht die Zugehörigkeit zum MRS formal oder praktisch zur Last zu legen, und er hat mich noch dringlicher gebeten, ja nicht etwa seinen Namen zu nennen.
Nach der saarländischen Verfassung besteht auch I das Postgeheimnis. Das Postgeheimnis ist dort nicht mehr als ein paar Worte ohne jeden Begriff und ohne jeden Inhalt. Noch wird nach wie vor im Saargebiet jedes interessante Telefongespräch abgehört, noch werden Briefe zensiert. Selbstverständlich ist, daß das Telegrafengeheimnis nicht gewahrt wird. Es geht hier in diesem Zusammenhang auch nicht um die Frage, ob das durch saarländische Beamte oder durch französische Organe geschieht. Wesentlich ist die Tatsache, daß dieser Bruch des Postgeheimnisses in der Hauptsache deshalb ausgeübt wird, um alle Beziehungen und Verbindungen zwischen dem Saargebiet und Deutschland zu unterbrechen, so schwierig wie möglich zu machen, sie unter eine stille, latente Drohung zu stellen und letzten Endes damit politische Wirkungen zu erzielen.
Wir hören auch, daß an der Saar die Freiheit der Person gelten soll. Ich sagte schon vorhin im Zusammenhang mit den Landtagswahlen, daß die Ausweisungswelle im Jahre 1946 und 1947 bereits dazu gedient hat, die Landtagswahlen vorzubereiten. Wir haben bei der Abfassung unserer Interpellation ganz besonders an diesen Punkt, die Freiheit der Person, gedacht. Der hoffmannhörige Chefredakteur, der Verbreiter von Hoffmanns Erzählungen und Phantasien in der „Saarländischen Volkszeitung", Herr Dorscheid, hat dieser Interpellation entgegengehalten, daß wir falsch informiert seien, daß nur Kommunisten und Funktionäre des sowjetzonalen Sicherheitsdienstes ausgewiesen worden seien.
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Zu dieser Behauptung der saarländischen, Regierungsstimme, als die man die SVZ wohl bezeichnen kann, darf ich nur zwei Dinge verlesen, einmal eine. Bekanntmachung der Militärregierung. Sie stammt vom 6. Juli 1946. Dort heißt es:
Am Dienstag wurde im Saargebiet eine Polizeiaktion von nicht unerheblichen Ausmaßen durchgeführt. Diese Maßnahmen hatten den Zweck, eine gewisse Anzahl Familien nicht saarländischer Herkunft, deren Mitglieder in der Nazipartei eine wichtige Rolle spielten, aus dem Saargebiet zu entfernen. Diese Familien wurden angewiesen, sich in der Provinz Württemberg niederzulassen. Sie sind nicht Gegenstand einer Internierungsmaßnahme und haben ferner die Möglichkeit, in aller Freiheit Nachrichten nach der Saar zu übermitteln.
Zu dieser Ausweisung nimmt das State Department der USA im Jahre 1948 in folgender Weise Stellung:
Diejenigen, welche sich der gegenwärtigen Tendenz am entschiedensten feindselig zeigten, - der Tendenz der Saarregierung wurden aus dem Saarland ausgewiesen. Diese Aktion kam auf ihren Höhepunkt im Juni 1947, als ungefähr 1500 Familien aus der Saar vertrieben und in andere Teile der französischen Besatzungszone zerstreut wurden.
Ein Opfer dieser Ausweisung, die angeblich nur Kommunisten und sowjetzonale Sicherheitsleute erfaßt hat, ist unter anderem auch der katholische Pastor Burgarten geworden. Pastor Bungarten hat zu der Behauptung des Herrn Dorscheid, daß nur Kommunisten und Sicherheitsorgane der sowjetzonalen Institutionen ausgewiesen worden seien, Stellung genommen. Er hat wegen der Behauptung des Herrn Dorscheid angefragt. Herr Dorscheid schreibt nämlich:
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Uns wäre es interessant, einmal zu erfahren welche deutschgesinnten Staatsbürger ausgewiesen oder der Freiheit beraubt wurden. Er wird uns die Antwort schuldig bleiben.
Gemeint bin damit ich, der Abgeordnete Strauß. Die Antwort darauf gibt der katholische Pastor Bungarten. Pastor Bungarten, der vom Gauleiter Bürckel im „Dritten Reich" wegen seiner Einstellung gegen das Regime des Dritten Reiches bereits zweimal aus dem Saargebiet ausgewiesen wurde, der im Laufe des Dritten Reiches wegen seines Kampfes gegen die Diktatur, gegen den Nationalsozialismus, ständig unter Polizeimaßnahmen litt und unter Polizeidruck lebte, fragt die Saarregierung:
Wollen Sie behaupten, daß ich ausgewiesen wurde als kommunistischer Funktionär oder als Angehöriger des SSD? Wollen Sie im Ernst weiterhin behaupten, daß keine deutschgesinnten Saarbürger ausgewiesen wurden, sondern nur kriminell belastete oder bolschewistische Elemente?
Stufen Sie mich aber nicht in die Gruppe der kriminellen oder bolschewistischen Ausgewiesenen ein, dann frage ich Sie folgendes: Sind Sie bereit, nun einmal endlich in aller Offentlichkeit die realen Gründe meiner Ausweisung vom 6. Januar 1948 bekanntzugeben? Sind Sie bereit, in aller Öffentlichkeit zu bekennen, ob Sie oder jemand anderes die Verantwortung für meine Ausweisung aus dem Saarland trägt? Sind Sie bereit, mir, dem 76jährigen, endlich das elementarste Recht eines Staatsbürgers zu gewähren, wieder in das Saargebiet, die Stätte meiner 23jährigen Seelsorgertätigkeit zurückzukehren, um dort zu verweilen, oder wollen Sie in die Fußtapfen des NSDAP- Gauleiters Bürckel treten, der mich zweimal aus der Saar entfernen ließ, dessen Unrecht verewigen und dessen Brutalität noch übertreffen?
Mit dieser ausführlicheren Darstellung des Falles Bungarten wollte ich nur einmal beweisen, daß die Antwort der Regierung des Saarlandes in der. SVZ auf unsere Interpellation nichts anderes ist als ein ganz kläglicher Versuch, sich um eklatante Tatsachen herumzudrücken und ebenso eklatante Lügen zu verbreiten.
Es gibt noch eine Reihe von Fällen, deren Darstellung hier zu weit führen würde. Erst im November 1950 ist auch der Diözesan -Jugendseelsorger des Bistums Trier ausgewiesen worden. Wir sind wohl darüber informiert, warum Pastor Bun-garten ausgewiesen wurde. Es geschah deshalb, weil er an den Heiligen Vater wegen des Verbleibs bei den angestammten Bistümern Trier und Speyer einen von mehr als 300 Priestern unterschriebenen Brief gerichtet hat. Aus diesem und aus keinem anderen Grunde ist Pastor Bungarten ausgewiesen worden. Wenn wir dafür noch eine Bestätigung bräuchten, würden wir sie finden, indem wir einmal die Stimme eines französischen Abgeordneten, der dort der Vorkämpfer der französischen Saarpolitik antiquierten Stiles ist, vernehmen. Am 20. Oktober 1950 erklärte dieser Abgeordnete Jaques Bardoux, Präsident der Französisch-Saarländischen Vereinigung von vor 1935, Präsident der franco-saarländischen Freundschaftsgruppe, führender Saarpolitiker Frankreichs in der Nationalversammlung:
Die Saar hat noch keinen Bischof. Auf Grund
der Intervention der französischen Regierung
hat der Heilige Stuhl einen Apostolischen Visitator ernannt; aber es handelt sich um einen Visitator, nicht um einen Apostolischen Administrator. Indessen üben die Bischöfe jenseits d?r saarländischen Grenze ihre Autorität auf kirchlichem Gebiet noch frei aus. Es ist für niemand ein Geheimnis, daß diese Autorität sich auch auf politischem Gebiet auswirkt, und zwar in 'einem der saarländischen Autonomie und der franco-saarländischen Zusammenarbeit feindlichen Sinne. Die Einsetzung eines saarländischen Bischofs muß deshalb die erste Voraussetzung einer saarländischen Selbständigkeit sein. Sie muß durch den saarländischen Ministerpräsidenten mit Unterstützung der französischen Regierung vom Vatikan gefordert werden.
Meine Damen und Herren, nach dem im Saarland geltenden Strafprozeßrecht bedarf es zu jeder Haussuchung eines richterlichen Untersuchungsbefehls. Beim Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes haben sich die Herren geweigert, in die Haussuchung einzuwilligen. Sie wurden unter Androhung der sofortigen Verhaftung gezwungen, die Haussuchung bei sich vornehmen zu lassen. Mir ist beim Lesen dieser Nachricht ein Vorgang in Erinnerung gekommen, der sich bei uns in Bayern in den letzten Tagen ereignet hat. Dort haben 600 Polizisten auf Grund eines richterlichen Untersuchungsbefehls das Ausländerlager, das sogenannte Valka-Lager in Nürnberg durchsucht. Dieses Lager ist eine Unterbringungsstätte von vielen politischen Flüchtlingen aus der Tschechoslowakei, es ist aber auch Asyl für eine Reihe von schwer kriminellen Elementen und gleichzeitig ein Unterschlupf für Waffen geworden, mit denen Verbrechen gegen Leben und Eigentum begangen werden. Die amerikanische Militärregierung in Bayern hat das Vorgehen der Polizei als verfassungs- und gesetzwidrig bezeichnet, weil nicht jeder der 600 Polizisten einen Durchsuchungsbefehl bei sich in der Tasche gehabt hat.
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- Ich glaube, die waren längere Zeit Ihre Freunde, Herr Kollege.
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- Wenn Sie mir Ihren Informationsdienst zur Verfügung stellten, wäre ich genau so gut informiert wie Sie.
Im Zusammenhang mit dem Verbot der DPS und den darauf folgenden Maßnahmen darf ich wohl noch einmal kurz auf die eigenartige Angelegenheit zu sprechen kommen, die mit dem sogenannten Schuman-Brief zusammenhängt. Am 5. Juni dieses Jahres hat Herr Hoppe, der gegenwärtige Leiter des saarländischen Informationsamtes, ehemaliger kommunistischer Landtagsabgeordneter, erklärt, daß enge Beziehungen zwischen der Demokratischen Partei des Saarlandes und der Sozialistischen Reichspartei bestünden. Am 6. Mai wurde die Kundgebung der Demokratischen Partei des Saarlandes verboten. Am 7. Mai wurden in Straßburg durch eine unbekannte Dame Abschriften eines Telegramms in englischer Sprache an die gesamte Presse mit Ausnahme der deutschen Presse verteilt, eines Telegramms, das Herr Dr. Dorls und Herr Remer im Namen der Sozialistischen Reichspartei an den Generalsekretär des Europarats geschickt haben sollen und in dem sie gegen das Verbot der DPS protestiert und ihre
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Solidarität mit der Demokratischen Partei des Saarlandes erklärt haben sollen. Die sofort aufgenommenen Nachforschungen haben ergeben, daß dieses Telegramm niemals beim Generalsekretär des Europarats eingetroffen ist. Herr Dr. Doris hat sich bereit erklärt, in einer vor dem Notar aufgenommenen eidesstattlichen Versicherung zu erklären, daß dieses Telegramm nie abgesandt worden sei, daß zwischen ihm und seiner Partei auf der einen Seite und der Demokratischen Partei des Saarlandes auf der anderen Seite keine Beziehungen bestünden oder jemals bestanden hätten. Mit dieser plumpen Telegrammfälschung - es ist ganz gleich, wer sie begangen hat - wollte man auch diejenigen deutschen Politiker diffamieren, die sich zum deutschen Gedanken an der Saar bekennen und schon bisher dafür eingetreten sind. Noch am 7. .Mai gab der saarländische Rundfunk dieses Telegramm durch. Interessant ist nur, daß die Telegrammabschriften auf einem Papier angefertigt sind -- man kann ja nie genau nachweisen, welches Papier jemand benutzte -, das genau dem Papier entspricht, das der saarländische Rundfunk im allgemeinen verwendet. Am 8. Mai hat das saarländische Informationsamt dieses Bärentelegramm der saarländischen Presse zur Verfügung gestellt, die es gerne übernommen hat. Am 8 und 9. Mai weilten Monsieur Grandval, der Hohe Kommissar des Saargebiets, und Herr Ministerpräsident Johannes Hoffmann in Paris, um sich dort angeblich über den Austausch von Gesandtschaften zu unterhalten. Am 8. und 9. Mai! Das Datum des 8. Mai trägt auch der Brief des Herrn Schuman an die Saarregierung, in dem er empfiehlt, gegen die DPS wegen ihrer Tätigkeit die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen oder sie in diesem Sinne zu betrachten und zu behandeln.
Wenn auch niemals faktisch ein Kausalzusammenhang nachgewiesen werden kann, der Sinnzusammenhang zwischen diesen vorläufigen Ereignissen, zwischen dem Besuch des Herrn Hoffmann sowie dem Besuch des Herrn Grandval in Paris und dem Datum, das der Brief des Außenministers Schuman an die Saarregierung trägt, ist gegeben, wenn auch Außenminister Schuman heute erklärt, es sei ihm Material zur Verfügung gestellt worden, das ihn zu diesem Schritt veranlaßt habe. Wir wollen ihm auf der anderen Seite aber ruhig zugute halten, daß die Herren, die das Telegramm für die Weltöffentlichkeit gefälscht haben, mit diesem Telegramm auch hausieren gegangen sind und es benutzt haben, damit ihnen der geeignete Brief zur Verfügung gestellt wurde.
Diese Methoden, meine sehr verehrten Damen und Herren, erinnern verzweifelt an Vorgänge, wie sie bei uns einmal stattgefunden haben, Vorgänge aus einem Geiste, gegen den die Saarregierung heute angeblich zu kämpfen vorgibt.
2. Im Europarat sitzen heute saarländische Delegierte neben deutschen Delegierten. Das Saarland ist gegen unseren Willen assoziiertes Mitglied geworden. Der Deutsche Bundestag hat die Konvention der Menschenrechte ebenso wie der saarländische Landtag ratifiziert. Die Deutsche Bundesregierung und der Deutsche Bundestag halten sich an diese feierliche Verpflichtung. Im Saargebiet ist bisher die Konvention der Menschenrechte nicht mehr gewesen als ein Fetzen Papier. Wir legen feierlich Verwahrung dagegen ein, weil wir uns mit aller Kraft dagegen wehren, daß die Entwertung, die Verzerrung und der Mißbrauch der Begriffe von Freiheit und Recht damit auch seinen
Einzug in den Westen halten würde, nachdem uns im Osten schon seit Jahren dieses Beispiel der Verzerrung vorexerziert worden ist.
3. Wir haben uns in dieser Interpellation auch gegen die Maßnahmen der Endgültigkeit gewendet. Zu diesen Maßnahmen der Endgültigkeit sollte auch die Schaffung eines Begriffes der saarländischen Staatsangehörigkeit und der saarländischen Nationalität gehören. Der Deutsche ist Ausländer; der Franzose kann gleichzeitig Saarländer sein. Der Saarländer kann Franzose, nicht aber Deutscher sein. Wir stellen mit aller Deutlichkeit fest: Wenn auch nach dem saarländischen Staatsangehörigkeitsgesetz die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Saarregierung erloschen ist - die deutsche Staatsangehörigkeit der Saarländer im Verhältnis zur Bundesregierung und zur Bundesrepublik ist nicht erloschen!
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Es gibt kein Vaterland, das von Homburg an der Saar bis nach St. Wendel an der Saar geht, wie es Herr Hoffmann in der Antwort auf den Hirtenbrief vom 15. März 1947 von sich bekannt hat. Es gibt nur eine Lüge von der saarländischen Nationalität, und von ihr ist es nur ein Schritt zur saarländischen Ideologie und damit zu einem Mikronationalismus, auf bayerisch: einem Nationalismus aus der Pinscherperspektive.
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Wirtschaftlich ist das Saargebiet vor allem nach Frankreich orientiert. Französische Normenvorschriften sollten übernommen werden; unter dem Widerstand der Wirtschaft sind sie fallengelassen worden. Alle Exportverträge gehen über die Hohe Kommission nach Paris zur Entscheidung. Wir haben auch von Maßnahmen gehört, die auf Endgültiges in allen Angelegenheiten der Kulturpolitik, im besonderen der Erziehung, hinzielten. Bei der Aufführung deutscher Stücke müssen Tantiemen bis zu 28 0/o der Einnahmen gezahlt werden, bei der Aufführung französischer Stücke werden diese Tantiemen erlassen.
Wir haben das gleiche bei der Personalpolitik. Der Direktor der Universität Saarbrücken ist Franzose, ebenso zwei Drittel der Lehrkräfte; die Lehrsprache ist zum Teil französisch, wogegen gar nichts einzuwenden ist, z. B. aber auch für deutsche Rechtsgeschichte. Französisch sind aber auch der Direktor der Schule für Kunst und Handwerk, der Direktor des staatlichen Konservatoriums, sämtliche maßgebenden Leute der Régie des Mines, der Direktor des Landesamtes Saar, der Generaldirektor der Vereinigten Saarländischen Elektrizitätswerke, der Saareisenbahn, der Generaldirektor von Völklingen und Neunkirchen, die Generaldirektoren aller Großbanken und Versicherungen, ebenso Innenminister Hektor, Spezialminister für Ausweisungen, Verbote und Haussuchungen, ebenso der Landespolizeipräsident in Saarbrücken. Diese Liste kann noch beliebig ergänzt werden.
Wir haben aus französischem Munde gehört, daß das Saarland verpflichtet ist, seine Bevölkerung, die europäische Einheit und die europäische Sicherheit mitverteidigen zu helfen, aber als saarländische Division unter französischen Fahnen.
Am Tage nach der Paraphierung des Schumanplans und wenige Stunden vor der Abreise des französischen Staatspräsidenten nach Paris kam die Nachricht, daß saarländische und französische Gesandtschaften ausgetauscht werden sollen. Das Haus der Saarregierung ist in Paris gekauft. Haus
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und Diensträume für den französischen Gesandten in Saarbrücken werden von der Saarregierung zur Verfügung gestellt. Gesandtschaften sind im allgemeinen ein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand. In diesem Falle stellen wir fest: Ganz gleich, welchen Titel man diesen Vertretungen gibt, ob sie Konsulate, Gesandtschaften oder Botschaften sind, gleichgültig, welche Begriffe und welche Namen verwendet werden, der Austausch solcher Vertretungen kann kein völkerrechtlicher Anerkennungstatbestand sein. Nach dem Notenwechsel Schuman -Adenauer wurden die französischen Kreisdelegationen im Saargebiet in konsularische Agenturen umgewandelt.
5. Wir haben aus diesem Grunde in unserer Interpellation bei der Regierung die Entsendung eines deutschen Bevollmächtigten ins Saargebiet angeregt. Wir stellen im Zusammenhang damit - und um keinen Irrtum aufkommen zu lassen - ausdrücklich fest, daß es sich bei der Entsendung eines solchen Bevollmächtigten und bei diesem Wunsch nicht um die Anerkennung des Saarstaates handelt, sondern um das Recht, durch einen deutschen Bevollmächtigten dort Informationen einzuholen und durch diesen Bevollmächtigten, demgegenüber die Saarregierung auskunftspflichtig ist, zuverlässig über die Vorgänge an der Saar informiert zu werden. Wir wollen damit nur die gleiche Basis für den Ausgang bei den Friedensverhandlungen oder einem ähnlichen Vertrage für uns sichern. Bei diesem -Bevollmächtigten handelt es sich in keiner Weise um irgendeine diplomatische Vertretung, die auf diplomatischem Wege mit der Saarregierung zu verkehren hat.
Wir möchten zum Schluß zusammenfassend unsere Forderungen bekanntgeben:
1. Deutschland hat politische und wirtschaftliche Interessen an der Saar. Frankreich hat wirtschaftliche Interessen an der Saar und sollte, um diese zu sichern, keine politischen haben.
2. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs an der Saar werden durch die Herauslösung von Kohle und Stahl aus den nationalen Wirtschaftseinheiten infolge des Schumanplans in einer höheren europäischen Einheit gesichert. Darum sollte Frankreich seine politische Hand aus dem Saargebiet zurückziehen, um Herrn Hoffmann und seinen separatistischen Mitarbeitern keinen Rückhalt für eine Störenfried-Politik zwischen Deutschland und Frankreich und für ihre antieuropäische Tätigkeit abzugeben. Das Saarproblem soll und darf keine Erschwerung für die Schaffung eines vereinigten Europas und keine Vorbelastung für eine deutsch -französische Verständigung sein.
3. Wir können Herrn Hoffmann und sein Kabinett nicht als die Regierung eines autonomen Staates betrachten und demgemäß behandeln. Deshalb sind auch alle Versuche Herrn Hoffmann, sich auf dieser Grundlage an Bonn zu wenden und dort zu ' verhandeln, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Wir warnen aber die Saarbevölkerung vor dem falschen Glauben, der ihr durch eine verlogene Propaganda aufgezwungen wird, daß die deutsche Bundesrepublik kein Interesse an den Verhältnissen an der Saar habe, weil sie nicht bereit und in der Lage ist, mit Herrn Hoffmann zu verhandeln. Wir fordern Herrn Hoffmann auf, das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes als ernstete Erschwerung des Gesprächs zwischen Deutschland und Frankreich und als eine Erschwerung für die endgültige Regelung der Verhältnisse zurückzunehmen, Wir fordern ihn auf, sein Amt zur Verfügung zu stellen, damit eine unbelastete Persönlichkeit die Verwaltung an der Saar im Geiste der demokratischen Grundrechte und in der Gesinnung der Atlantik -Charta bis zur endgültigen Klärung in einem Friedensvertrage oder einem ähnlichen Vertrage führt. Johannes Hoffmann hat gezeigt, daß er unfähig oder unwillig war, gegenüber Frankreich Gefühl und Einstellung der deutschen Bevölkerung an der Saar in richtiger Weise zu interpretieren.
4. Wir stellen deshalb fest, daß der Kampf um die politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands an der Saar weder gegen Europa noch gegen Frankreich gerichtet ist. Wir lehnen die bewußten Zweck- und Propagandalügen mit aller Schärfe ab, daß dieser Kampf nationalsozialistischem Geiste entspringe. Es ist ein Kampf um das Selbstbestimmungsrecht eines deutschen Bevölkerungsteils, es ist ein Kampf gegen den Chauvinismus und gegen einen gezüchteten Kleinnationalismus und es ist damit ein Kampf für die Grundsätze, um derentwillen von den Demokratien der letzte Krieg geführt worden ist. Die Saarländer wollen und sollen ehrliche Deutsche und damit gute Europäer sein, aber nicht halbe oder schlechte Franzosen.
Wir haben als besten Grundsatz für das friedliche Zusammenleben der Völker und für die Beseitigung aller Konflikte aus der Vergangenheit den Grundsatz gelernt, dessen Verwirklichung wir auch hier fordern: Recht und Freiheit sollen vor Macht und Vorteil gehen.
({39})
Meine Damen und Herren! Ich darf 'annehmen, daß die Herren Interpellanten die Beantwortung der Interpellation als mit der Erklärung der Bundesregierung erfolgt ansehen.
({0})
Ich darf weiter unterstellen, daß eine Besprechung der Interpellation im Zusammenhang mit der Besprechung der Erklärung der Bundesregierung erfolgen soll.
({1})
Der Abgeordnete Dr. Schmid wünscht, die Begründung des Antrages der SPD mit deren Beitrag zur Aussprache zu verbinden. Ich darf damit die Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung, die Interpellation und den Antrag der Fraktion der SPD eröffnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Dr. Schmid ({2}) ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen der Fraktion der SPD den von ihr eingereichten Antrag zu begründen und gleichzeitig zu der soeben vom Herrn Bundeskanzler abgegebenen Regierungserklärung Stellung zu nehmen.
Der Herr Bundeskanzler hat in dieser Regierungserklärung im wesentlichen zum Ausdruck gebracht, daß die Regierung der Bundesrepublik die Saar als einen Bestandteil des deutschen Staatsgebietes betrachtet; daß sie der Auffassung ist, daß eine endgültige Regelung dessen, was man das Saarproblem nennt, erst in einem Friedensvertrage oder in einem gleichwertigen Vertrage erfolgen könne, und sie hat uns mitgeteilt, daß die französische Regierung durch eine an sie gerichtete Note sich zu der gleichen Auffasung bekannt habe. Sie hat uns zu verstehen gegeben, daß sie aus diesen Gründen eine auf Schaffung vollendeter Tatsachen
({4})
ausgehende französische Politik an der Saar nicht für loyal halten könne. Weiter haben wir von der Regierung vernommen, daß sie auf Grund sicheren Materials behaupten könne, daß an der Saar keine rechtsstaatlichen Verhältnisse bestehen, wie es insbesondere das Verbot der Demokratischen Partei des Saarlandes ausweise. Freilich hat uns die Regierung hierzu gesagt, daß sie zwar den Vorfall aufs höchste bedauern müsse, daß man diesen Vorfall aber wohl nicht Paris zur Last legen dürfe, sondern Herrn Hoffmann und seinen Helfershelfern in Saarbrücken.
Schließlich, wenn ich recht verstanden habe, hat die Bundesregierung erklärt, daß sie bei allem festen Willen, an ihrer bisherigen Außenpolitik festzuhalten, nun doch gewisse Zusicherungen verlange, Zusicherungen bezüglich der Saar, ehe sie den Vertrag über die Montanunion diesem Parlament zur Ratifikation vorlegen könne.
Habe ich richtig verstanden, Herr Bundeskanzler?
({5}) - Dann tut es mir leid, mich geirrt zu haben.
Schließlich ist uns dann weiter noch gesagt worden, daß in einer Note an die westlichen Besatzungsmächte diese gebeten worden sind, dafür zu sorgen, daß an der Saar rechtmäßige Zustände eintreten; und letzten Endes hat uns der Herr Bundeskanzler ermahnt, die Nerven zu behalten, und hat seiner Hoffnung Ausdruck gegeben, daß dies auch in Paris und anderswo der Fall sein möge. Dann werde schließlich alles gut gehen.
Nun, meine Damen und Herren, das Zutrauen des Herrn Bundeskanzlers in die politische Heilwirkung guter Nerven in allen Ehren - gute Nerven sind eine gute Sache; aber die Hoffnung daß alle, auf die es ankommen könnte, überall gute Nerven haben werden, scheint mir doch reichlich hypothetisch zu sein; und im Bereiche der Politik genügen Hypothesen so wenig wie gute Absichten.
Gute Absichten wie Hypothesen werden erst von dem Augenblick an politisch erheblich, von dem an sie eine gute Politik auslösen; und Politik ist immer nur dort am Werk, wo Tatsächlichkeiten geschaffen werden, d. h. wo man sich so verhält, daß der Partner vor Entscheidungen gestellt wird, deren Folgen ihm nicht gleichgültig sein können. Nach der Tauglichkeit ihrer Maßnahmen und nicht nach ihren Absichten ist zu entscheiden, ob sich eine Regierung politisch richtig, d. h. zweckmäßig verhalten hat.
({6})
Nun, Rechtsverwahrungen haben ihren Wert, einen großen Wert und sie sind wichtig. Aber wenn sie allein bleiben, haben sie nicht mehr Wert als ein Alarmsignal, und wenn nichts auf sie folgt, werden alle Rechtsverwahrungen wirkungslos - jedenfalls dort, wo es sich nicht nur um Randerscheinungen, sondern um politische Grundverhältnisse handelt. Sie werden dann in der Welt der Tatsachen . nur so ernst genommen wie ein Nachtusch oder wie das Sichsträuben eines Mannes, der entschlossen ist, schließlich doch mitzugehen, wenn die Respektsfrist, die man sich schuldig ist, einmal abgelaufen sein wird.
({7}) Rechtsverwahrungen sind politisch nur dann erheblich - und es handelt sich bei den Dingen, von denen wir hier sprechen, um Politik und ;nicht darum, Handakten für einen künftigen Zivilprozeß anzulegen -,
({8})
wenn auf die Rechtsverwahrung ein Verhalten im
Bereich der Tatsächlichkeiten folgt, ein Verhalten, das geeignet ist, den in der Rechtsverwahrung angesprochenen Rechtszustand tatsächlich herzustellen oder seine Herstellung wenigstens zu begünstigen. Die Bundesregierung hat in ihrer bisherigen Politik nicht immer nach diesen Grundsätzen gehandelt. Ich werde das des Näheren auszuführen haben.
Zunächst ein Wort über die Rechtslage an der Saar. Was der Herr Bundeskanzler hierüber als die Meinung der Regierung ausgeführt hat, ist richtig und bedarf keiner Ergänzung. Ebenso richtig ist, was der Kollege Strauß gesagt hat. Ich glaube, daß ich es mir schenken kann, weitere Rechtsausführungen über dieses Thema zu machen. Ich stelle fest: Das Saargebiet ist völkerrechtlich betrachtet nichts anderes als ein Teil der französisch besetzten Zone Deutschlands, und zwar ein Teil, der von der Besatzungsmacht einem Sonderregime unterworfen worden ist;
({9})
denn einseitige Maßnahmen vermögen nirgends auf der Welt Völkerrecht zu schaffen.
({10})
Wenn die Hohen Kommissare mit ihrer in der Note vom 23. Oktober 1950 vertretenen Auffassung recht haben, daß die Bundesrepublik das alleinige Recht habe, die Rechte des früheren Deutschen Reiches bis zur Friedensregelung zu übernehmen und bis zur Wiedervereinigung Deutschlands das deutsche Volk in internationalen Angelegenheiten zu vertreten, dann hat die Bundesregierung auch das Recht, international in Angelegenheiten aufzutreten, die das Saargebiet betreffen, und sich intern und nach außen der Rechte der Deutschen anzunehmen, die - nur durch Wirkung von Tatsachen ihrer Jurisdiktion entzogen -, an der Saar leben. Sie mischt sich damit nicht in fremde Angelegenheiten ein, sondern macht damit ein legitimes eigenes Recht geltend. Eine klarere Aktivlegitimation, als sie in der zitierten Note der Hohen Kommissare zum Ausdruck kommt, kann es nicht geben.
Gestatten Sie mir eine Bemerkung. Auch bei uns in Deutschland hat sich ein Sprachgebrauch eingebürgert, der geeignet ist, die Klarheit dieser rechtlichen Situation zu verwischen In der Note der Bundesregierung vom 18. April 1951 findet sich dieser Sprachgebrauch auch, der etwa besagt, daß die „endgültige Regelung des Status der Saar" nur durch den Friedensvertrag erfolgen könne. Wird damit nicht dem Mißverständnis Raum gegeben, daß die Saar heute noch keinen klaren rechtlichen Status habe?
({11})
Die Saar hat einen rechtlichen Status, der eindeutig ist: sie ist ein Bestandteil des deutschen Staatsgebiets.
({12})
Wenn etwas einer rechtlichen Regelung bedürfte, so wäre das nicht der heutige rechtliche Status der Saar, sondern eine etwaige Veränderung dieses rechtlichen Status, der dann nach den Vorschriften des Völkerrechts durch einen neuen zu ersetzen wäre. Wäre es nicht gut, meine Damen und Herren, wenn wir unseren Sprachgebrauch ein bißchen sorgfältiger wählten? Wir laufen sonst Gefahr - was ich hier sage, gilt für uns alle -, etwas als zweifelhaft erscheinen zu lassen, das keinen Zweifel leidet!
Und noch eine Bemerkung: Man spricht so oft von Völkerrecht, das auf Grund alliierter Vereinbarungen für uns geschaffen worden sei. Nun,
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alliierte Vereinbarungen und ihre Dignität in allen Ehren; sie vermögen aber kein Recht für Deutschland zu schaffen. Deutschland können rechtlich nur Vereinbarungen entgegengehalten werden, die es selber mit getroffen hat!
({14})
Nun sagt man in Paris und auch anderswo: Ja, das ist alles richtig, aber inzwischen hat sich doch an der Saar einiges vollzogen, das man nicht wegdisputieren kann. Man sagt, das Saarvolk habe sich doch durch einen eigenen freien Entschluß von Deutschland losgesagt, und es habe sich eine Verfassung gegeben. Man sagt weiter: Völkerrecht hin, Völkerrecht her: Staaten entstehen originär; sie bestehen auch dann, wenn ihre Entstehung nicht von völkerrechtlichen Akten begleitet wird. Wenn sie sich durchgesetzt hätten, sagt man, hätten sie Anspruch auf Anerkennung durch dritte Staaten, auch durch den Altstaat, von dem sie sich etwa separiert haben sollten. Nun ja, es gibt eine Saarverfassung vom 15. Dezember 1947. Ja - in der Präambel dieser Verfassung wird „die politische Unabhängigkeit des Saarlandes vom deutschen Reich" erklärt. So heißt es wörtlich. Was ist das politisch, moralisch und juristisch wert, und wie ist das zustande gekommen?
Der Wille eines Volkes wird überall in der Welt durch eine ordnungsgemäß durchgeführte Volksabstimmung mit klarer, eindeutiger Fragestellung ermittelt. An der Saar ist nie ein Plebiszit erfolgt. Man hat sich damit begnügt, einen Landtag wählen zu lassen. Glaubt man denn wirklich, daß man mit Anspruch auf politische, moralische und juristische Beachtung die Frage, ob sich mehr als 900 000 Menschen endgültig von ihrem Mutterlande loslösen wollen, so nebenher beantworten lassen kann? Ich habe da einen Artikel des Herrn Johannes Hoffmann vor mir liegen, den er im Jahre 1930 geschrieben hat. Darin spricht er - und er meint uns - von „unseren Brüdern, die zu uns gehören und zu denen wir gehören; nur eine Grenze ist dazwischen, eine lächerliche Grenze, eingezeichnet auf den Karten, nicht aber in unseren Herzen." Das sagt der Stifter der Saarnation,
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und er fährt fort:
Will man in Frankreich wahren Frieden mit Deutschland, will man der Saarbevölkerung ihr Recht geben, will man eine ehrliche wirtschaftliche Zusammenarbeit, die auch im wohlverstandenen Interesse Frankreichs liegt -- nun gut, wir sind dazu bereit. Dann gebe man uns aber erst unser einziges politisches Recht: die freie, unbeeinflußte Abstimmung, je eher, um so lieber. Sie ist die Waffe und Hoffnung, daß wir heimkehren dürfen ins Vaterhaus als freie Söhne eins freien, einigen, zu neuer Größe erstehenden deutschen Vaterlandes.
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So schrieb Herr Hoffmann im Jahre des Heils 1930. Warum denkt er heute, seit er von der Besatzungsmacht zum Ministerpräsidenten in Saarbrücken erkoren worden ist, anders? Warum wagt er denn heute dieses Plebiszit nicht, und warum erklärt er heute - vielleicht indem er die Worte eines seiner Vorgesetzten nachredet -, daß es an der Saar kein Plebiszit geben werde, denn ein Plebiszit sei undemokratisch?
({17})
Der Entwurf dieser Verfassung ist von einer Verfassungskommission von 20 Mitgliedern ausgearbeitet worden. Diese 20 Männer wurden von der Verwaltungskommission des Saarlandes, also von den Beauftragten und Vertrauensleuten des Hohen Kommissars an der Saar ernannt. Ernst Roth, der in Straßburg Verstorbene, der von seiner Partei vorgeschlagen worden war, wurde abgelehnt. Man wußte schon, was für Leute man zu delegieren hatte.
({18})
Der Entwurf der Verfassung durfte vor der Wahl zum Landtag, der diese Verfassung zu beschließen hatte, nicht publiziert werden. Die Ausgabe der „Volksstimme", der sozialdemokratischen Zeitung in Saarbrücken, in der die gesamte Verfassung abgedruckt war, wurde verboten, genauer gesagt, die Zensur nahm die schon gesetzte Verfassung heraus, und der verbliebene Raum mußte mit Feld-, Wald-und Wiesenartikeln ausgefüllt werden. Ein von Ernst Roth verfaßter Artikel über die Präambel durfte nicht erscheinen. Der Text der Verfassung wurde einige Tage vor der Wahl zum Landtag auf den Rathäusern ausgelegt. Dort sollte die Bevölkerung die Verfassung einsehen, und großmütigerweise hat man für die 900 000 Bewohner des Saargebietes 10 000 Exemplare drucken lassen, die sie auf den Rathäusern abholen konnten. Als der erweiterte Vorstand der Sozialdemokratischen Partei im Saargebiet mit 18 :3 Stimmen beschloß, eine Volksabstimmung über die Verfassung zu verlangen, wurde ein Teil seiner Mitglieder einzeln zu Herrn Grandval geholt und dort einzeln „aufgeklärt".
({19})
Ein paar Tage später erklärte sich dasselbe Gremium mit 20 : 4 Stimmen gegen eine Volksabstimmung. Das heiße ich Regierungskunst!
({20})
Als der Landtag gewählt war und über die Verfassung abstimmen sollte, ließ Herr Grandval fünf sozialdemokratische Abgeordnete, die erklärt hatten, gegen die Präambel der Verfassung - also gegen die Separations -Präambel - stimmen zu wollen, zu sich kommen. Einer von ihnen hat mir persönlich berichtet, daß Herr Grandval den fünfen damals summa summarum gesagt habe, wenn die Abstimmung nicht so ausgehe, wie vorgesehen, werde Frankreich von den liberalen Verwaltungsmethoden von heute zu den Methoden der Besatzungsmacht zurückkehren,
({21})
und sie würden das zu verantworten haben.
({22})
Und was hat man der Bevölkerung selber gesagt? Man hat ihr gesagt - es gibt ja tausend Sprachrohre, vermittels derer man so etwas in eine Bevölkerung hineinflüstern kann -, wenn das Saargebiet bei Deutschland verbleiben wolle, würden die Kohlengruben als Reparationen in Anspruch genommen; würden die Industriewerke nach der Methode Morgenthau demontiert; würden die Lebensmittellieferungen aus den übrigen Ländern der französischen Zone wegfallen - denn von dort kamen die Lebensmittellieferungen nach dem Saargebiet, und nicht aus Frankreich -,
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und dann würde auch die Saarbevölkerung die erdrückenden Reparationszahlungen leisten müssen, die die Deutschen zu erwarten hätten, und es
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werde das Saargebiet dann einen recht schlechten Umrechnungskurs zum französischen Franc bekommen.
Die Bevölkerung stand dem Sog dieser Propaganda hilflos gegenüber, sie war einseitiger Propaganda ausgesetzt, sie war abgeschnitten vom Verkehr mit dem übrigen Deutschland und seiner Presse. Die Rundfunksender wurden damals unter alliierter Aufsicht betrieben. Im Saargebiet hungerte mari mehr als sonstwo in Deutschland, und schließlich hat man dem Volke dort das Märchen eingetrichtert, Deutschland existiere nicht mehr. Die Saarverfassung - so mußte jeder denken - ist die logische Konsequenz der Verhältnisse, in denen wir nun einmal leben müssen, wenn wir nicht physisch untergehen wollen. Uns kann nur noch der wirtschaftliche Anschluß an Frankreich helfen; dann erhalten wir wenigstens die Möglichkeit, physisch zu existieren. - Ist es denn da ein Wunder, daß die Bevölkerung an der Saar eben die Listen wählte, die man ihr präsentierte -andere hatte sie ja nicht vor sich liegen -, diese Listen, auf die die Dienststellen des Herrn Grandval einen recht maßgeblichen Einfluß genommen haben? Und ist es ein Wunder, daß das so geschaffene Gebilde eine Monstrosität geworden ist?
Im allgemeinen sind Verfassungen der Ausdruck des Freiheitswillens eines Volkes und nicht seines Willens zur Selbsterniedrigung.
({25})
Verfassungen wollen Instrumente der Selbstbestimmung und nicht der Unterwerfung sein. In der Saarverfassung aber setzt sich das Saarvolk selbst einen Landvogt, und sogar in der Präambel, an dem Ort der Verfassung, in den man sonst das Pathos einer Verfassung zu legen pflegt.
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Dieser Landvogt soll das letzte Wort in allen
Dingen haben - und er hat dieses letzte Wort in allen Dingen. Und glaubt man denn, daß so etwas in den Gehirnen der 900 000 Menschen an der Saar gewachsen sein kann?
Die angebliche Autonomie des Saargebiets ist eine Protektoratsverfassung, die man - weil sich das heutzutage besser macht -, von einem eingeschüchterten Landtag beschließen ließ. In der ganzen Welt gehen die politischen Methoden und die völkerrechtlichen Formen des klassischen Kolonialismus zurück. An der Saar wurden sie in der Form dieser Verfassungskomödie neu eingeführt.
({27})
Und warum hat man das getan? Man hat es getan, um die Saarkonventionen aus der Taufe heben zu können, diese Konventionen, die die Bergwerke auf die Dauer von 50 Jahren Frankreich zur unkontrollierten Ausbeutung überlassen, die der Besatzungsmacht die Verwaltung der Eisenbahnen praktisch in die Hände spielen, und das für dauernd, die dazu Frankreich über die Sequesterbetriebe die Produktion der Hütten sicherten, die, weiter die Banken und Versicherungen in französische Hände gaben und damit auch die Spargelder der Saarbevölkerung großenteils dem französischen Kapitalmarkt zuleiteten - von den Zolleinnahmen und anderem ganz zu schweigen. In allen Kommissionen, die in diesen Konventionen vorgesehen sind, hat Frankreich die ausschlaggebende Stimme. Das ist keine gute Sache, und man berufe sich nicht auf den Vertragscharakter dieser Konventionen. Kontrahieren mit Herrn Johannes Hoffmann ist doch für die französische Republik ein Kontrahieren mit sich selbst..
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Und was ist das für eine Autonomie, bei der entscheidende innerpolitische Maßnahmen wie Parteiverbote und vieles andere durch Briefe des französischen Außenministers ausgelöst werden können, bei der. der Hohe Kommissar erklären kann, daß er' die Einführung des Mitbestimmungsrechts in der Industrie der Saar nicht dulden werde, denn die Saar könne keine anderen Gesetze haben als Frankreich.
({29})
Und was ist das für eine Autonomie, bei der ein fremder Hoher Kommissar das erste und das letzte Wort in allen politischen Angelegenheiten hat? Man lese doch die Artikel 2 bis 4 der allgemeinen, der politischen Saarkonvention, und vor allen Dingen: man lese die beiden geheimen Zusatzprotokolle, in denen dem Hohen Kommissar das entscheidende Recht bei der Ernennung der wichtigen Beamten, in Polizeiangelegenheiten und letzten Endes allem, was politisch interessant ist, zuerkannt wird. Die Saarkonventionen und die geheimen Zusatzprotokolle - das ist die wahre Verfassung der Saar!
({30})
Was ist das für eine seltsame Union, bei der kein einziger Franzose einem Saarländer unterstellt ist, weder in der Wirtschaft noch in der Verwaltung, aber Zehntausende von Saarländern einigen Franzosen?
Und was ist das für eine Autonomie, im Namen derer die neugegründete Universität Saarbrücken einem französisch beherrschten Verwaltungsrat unterstellt ist und einem französischen Rektor, einem Rektor, der gestern 45 Studenten, die mit dem Omnibus nach Bonn fahren wollten, bedeutet hat, das gehe nicht!
({31})
Man spricht so gern von der europäischen Universität Saarbrücken. Aber eine solche Universität ist noch keine europäische Universität.
({32})
Ich bin für eine Europäisierung und Entnationalisierung aller Universitäten, überall,
({33})
aber nicht im Wege einseitiger Maßnahmen und Auflagen.
({34})
Die Verfassung des Saarlandes ist sonst - man muß es sagen - wunderschön; sie enthält nicht weniger als 59 Grundrechtsartikel. Was waren wir daneben, die wir das Grundgesetz der Bundesrepublik schufen, für armselige Wichte!
({35})
Welch ein Rekord an Menschenrecht ist an der Saar aufgestellt worden! Und was ist daneben die Verfassungswirklichkeit? Nun, diese Verfassungswirklichkeit ist die Karikatur eines Rechtsstaates. Die Wirklichkeit an der Saar weist wenig von lebendig gewordenen Grundrechten auf, aber dafür alle Merkmale des Polizeistaates.
({36})
Politische Parteien bedürfen der Genehmigung durch die Regierung - was doch nichts anderes heißt, als daß eine der Regierung nicht genehme
({37})
Politik nicht betrieben werden kann. Die Post wird überwacht -- das hat Herr Strauß näher ausgeführt -; die Presse der Bundesrepublik wird ferngehalten, wenn sie Artikel bringt, die den Herren in Saarbrücken nicht gefallen. Politisch unerwünschte Personen werden ausgewiesen. Noch 1948 wurde Ernst Roth ausgewiesen und vor einigen Wochen der frühere Abgeordnete und französische Staatsangehörige Danzebrink, der nur das „Verbrechen" begangen hat, die Innenpolitik Johannes Hoffmanns zu mißbilligen. Kundgebungen oppositioneller Gruppen werden verboten. Bundestagsabgeordneten wird die Einreise unmöglich gemacht ({38})
von einem entsprechenden Verbot für französische
Abgeordnete hat man bisher noch nichts gehört ...
Herr Hoffmann verfügt über einen Fonds von 60 Millionen Francs für die Propaganda für das Saarland,
({39})
über einen Dispositionsfonds in Höhe von 20 Millionen Francs und über einen Fonds von 30 Millionen Francs, euphemistisch „Fonds zur Unterstützung der Europabewegung" genannt, zusammen rund 1,2 Millionen DM für das Jahr 1951. Und über diesen Fonds kann er verfügen, ohne daß der Rechnungshof seine Verfügungen nachprüfen könnte.
({40})
Der Landespolizeipräsident Lackmann ist französischer Staatsangehöriger ebenso wie sein Chef, der Innenminister Hektor.
({41})
Die Krönung der polizeistaatlichen Praxis ist das Verbot der UPS vom 21. Mai dieses Jahres. Bei dieser Partei handelt es sich um eine ordnungsmäßig von der seinerzeitigen Militärregierung zugelassene und lizenzierte Partei. Ihr Programm lautet: Bis zum Friedensvertrag soll die Saarfrage entpolitisiert werden, d. h, das bisherige Protektoratssystem soll dadurch ersetzt werden, daß ein Beobachter der Bundesrepublik und ein Beobachter der französischen Republik eine unpolitische, neutrale und rein fachliche Verwaltung des Saargebiets überwachen. Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen beiden Beobachtern soll ein Kontrollorgan des Europarates schlichten. Die Bundesrepublik 'wie auch Frankreich sollen auf die politische, kulturelle und sonstige Durchdringung des Saargebiets verzichten und diese Frage dem Willen der Bevölkerung überlassen. Das Programm sieht dann weiter vor,_ daß die Regierung in eine Verwaltung umgewandelt und daß der deutsche Markt wieder geöffnet werden solle. Als erstrebenswertes Ziel wird die Wiedereinführung des Wirtschafts- und Zollsystems angesehen, das in der Zeit von 1920 bis 1935 bestanden hat.
Und mit welcher Begründung wurde diese Partei verboten? Einmal: ihr Programm widerspreche den Grundgedanken der Verfassung. Und weiter: die Partei störe die ruhige wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Saargebiet, sie erschwere die deutsch-französische Verständigung und mache eine europäische Lösung der Saarfrage unmöglich. Außerdem habe sie laufend unwahre Behauptungen über die Saarregierung verbreitet und mache das Saarland, seine Verfassung und seine staatlichen Einrichtungen verächtlich. Zu diesem Verbot
hat sich jüngst hier in Bonn der Präsident der Beratenden Versammlung des Europarates, Henri Spaak, geäußert. Er hat gesagt, wie man denn in Zukunft noch von westlicher Demokratie sprechen könne, wenn man politische Argumente mit Polizeigewalt beantworte.
({42})
Offenbar tut' man es deswegen, weil man gegen die Wahrheit kein anderes Mittel zu haben glaubt als eben Polizei.
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Was heißt denn „gegen die Grundgedanken der Verfassung verstoßen?" Der Justizminister in Saarbrücken, Braun, hat im Jahre 1947 vor der Verfassungskommission des Saargebietes ausgeführt:
Die verfassungsmäßige demokratische Grundordnung des Staates ist das, was wir schützen
wollen. Das bedeutet nicht, daß ich, wenn ich
-wiedasMRS
das ist das Mouvement pour le Rattachement de _ la Sarre à la France für den politischen Anschluß
- in Klammern: natürlich an Frankreich - bin, einen Angriff auf die demokratische Grundordnung der Verfassung unternehme. Denn was ich anstrebe, nämlich den Anschluß an einen demokratischen Staat, ist niemals undemokratisch.
Er hatte recht, der Herr Minister Braun. Will man heute behaupten, die Bundesrepublik sei etwa ein undemokratischer Staat, und man habe deswegen die Demokratische Partei des Saarlandes leider verbieten müssen? Oder gilt an der Saar nicht gleiches Recht für alle Nachbarn?
Nein, diese Partei ist verboten worden, weil sie eine Auffassung über die Grundlegung des deutschfranzösischen Verhältnisses vertritt, die der französischen Politik nicht gefällt. Durch den Brief des Außenministers Schuman an Herrn Hoffmann vom 9. Mai wurde kundgetan, daß es über diese Frage an der Saar nur eine Auffassung geben darf. Und, meine Damen und Herren: wenn die Propaganda gegen die Schaffung vollendeter Tatsachen, die die endgültige Regung präjudizieren sollen, verfassungswidrig ist, d wenn eine Partei, die solches betreibt, verboten werden kann, warum wurde dann nicht seinerzeit, ehe sie aus Mangel an Masse einging, die Bewegung zum Anschluß der Saar an Frankreich verboten, dieses Mouvement, das ja zu keinem anderen Zweck gegründet worden ist, als um den Anschluß des Saargebiets an Frankreich und damit die Vernichtung der Autonomie des Saargebietes vorzubereiten?
({44})
Und warum wird denn heute nicht die Kommunnistische Partei an der Saar verboten,
({45})
die offen die Herren in Saarbrücken des Landesverrats zeiht? Wohl verstanden, nur in Saarbrücken, nicht entsprechend in Leipzig.
({46})
Aber Herr Johannes Hoffmann hat sich noch in seiner Rede am 21. Mai dieses Jahres, in der er auf dieses Treiben hinweist, wohlweislich gehütet, die Auflösung der Kommunistischen Partei anzukündigen.
({47})
({48})
- Warum denn, Herr Rische? Ich will es Ihnen sagen; Sie kommen von sich aus doch nicht darauf:
({49})
Herr Hoffmann braucht einen Popanz,
({50})
im Hinblick auf den er sagen kann: „Wer deutsch denkt, fördert die Kommunisten." Das ist der Grund, weswegen er sie braucht und weswegen er sie nicht verbietet.
({51})
Warum das Verbot der DPS? Nun, man hat sie verboten, weil man die kommenden Wahlen fürchtet, weil man an tausend Anzeichen erkannt hat, daß das Volk an der Saar sich wieder gefangen hat. Ich will hier auf die Symptome nicht näher eingehen. Sie kennen ja diese Dinge, sogar aus unserer Presse. Durch das Verbot dieser Partei will man die Opposition einschüchtern, auch die Opposition, die sich in anderen Parteien, insbesondere in der Sozialdemokratischen Partei des Saargebietes immer lebendiger regt. Darum scheut man sich nicht, ein in der Konvention der Menschenrechte - die der Europarat angenommen hat - verbrieftes Recht, das da heißt „Freiheit der demokratischen Meinungsäußerung" aufzuheben. Man but es, weil man weiß, daß dieses Regime nur gerettet werden kann, wenn man Neuwahlen ohne oppositionelle Parteien und ohne eine ernst zu nehmende oppositionelle Presse durchführt.
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Es ist für mich besonders schmerzlich, feststellen
zu müssen, daß dies alles auf einen Brief hin geschehen ist, der die Unterschrift Robert Schumans
trägt. - Herr Kollege Strauß, ich glaube nicht, daß Ihre Hypothese richtig ist, daß der französische Außenminister durch ein Stückchen gelben Durchschlagpapiers zu seinem Briefe hätte bewogen werden können.
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Dazu schätze ich nun doch die Ernsthaftigkeit seines Denkens zu hoch ein.
Ich glaube nicht, daß die Kunststücke, die man an der Saar versucht, viel nützen werden, auch wenn man oppositionelle Parteien nicht zuläßt. Die Bevölkerung an der Saar kann ja bei der Wahl weiße Zettel abgeben und damit zum Ausdruck bringen, was sie von dem Regime hält. Sie hat schon bei den letzten Wahlen da und dort weiße Zettel abgegeben. Bisher haben es 10 % der Wähler so gehalten. Bei der nächsten Wahl könnten es 80 % werden, wenn es sich einmal herumgesprochen hat, wie man auch wählen kann.
({54})
Diese Zustände an der Saar entsprechen nicht dem, was die Art. 3, 4 und 5 des Statuts des Europarates als Voraussetzung für die Mitgliedschaft im Europarat bestimmen. Für diese Mitgliedschaft ist danach Voraussetzung - ich spreche noch gar nicht von der Menschenrechtskonvention -, daß auf dem Gebiet eines Mitgliedstaates jede seiner Jurisdiktion unterworfene Person im Genuß der Menschenrechte und der Grundfreiheiten sein muß. Im Saargebiet ist das nicht der Fall.
Nun frage ich die Regierung, ob sie glaubt oder ob sie nicht glaubt, es den Menschen an der Saar schuldig zu sein, im Ministerrat des Europarates die Frage .der Unvereinbarkeit der Zustände an der
Saar mit diesen Artikeln des Europarat-Statuts aufzuwerfen und geeignete Folgerungen zu ziehen, wenn sie damit nicht gehört werden sollte.
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Noch eines zum Brief Robert Schumans vom 9. Mai. Es heißt dort, der verbotenen Partei sei vorzuwerfen, daß sie in dem Saarstatut ein Regime substituieren wolle, das die Existenz einer autonomen Saar leugnet und damit „par anticipation", das heißt im Wege der Vorwegnahme, die endgültige Regelung der Saarfrage bestimmen wolle. Nun, das scheint mir, doch nicht ganz folgerichtig gedacht zu sein. Wer hat denn etwas zu antizipieren versucht? Jener, der die Saarkonventionen geschaffen hat, oder jener, der die Dinge an der Saar politisch neutralisieren will, um auf diese Weise eine einwandfreie Gesamtregelung möglich zu machen? Wenn schon durch die Forderung der Freiheit der politischen Meinungsäußerung das endgültige Schicksal der Saar vorweggenommen wird, auf welch schwachen Füßen muß dann die These stehen, die Saarländer stünden mit überwältigender Mehrheit auf dem Baden der heutigen de-facto-Regelung!
Und wie nimmt sich eine solche Feststellung bei einem Manne aus, der am 20. Februar dieses Jahres vor dem Senat in Paris ausgeführt hat, daß die französische Politik nach wie vor darauf angelegt sei, auch durch Maßnahmen im Saargebiet selbst - und dabei wurden die Saar-Konventionen als Maßnahmen zitiert, die die Staatlichkeit des Saargebiets konsolidieren sollten - die Abtrennung dieses Gebietes von Deutschland praktisch zu vollziehen?
Es steht doch fest - und hier nützt doch kein Versuch, über die Tatsachen hinwegzublicken -: trotz Europa-Politik, trotz Schumanplan ist die Loslösung der Saar von Deutschland ein integrierender Hauptbestandteil der französischen Außenpolitik geblieben. Und es steht fest - Sie sehen es doch jede Woche -, daß die französische Regie- rung keine Gelegenheit vorübergehen läßt, die erhofften Endresultate dieser Politik durch Schaffung vollendeter Tatsachen vor einer endgültigen rechtlichen Regelung vorwegzunehmen. Immer wieder können wir beobachten, daß sie mit viel Geschick und viel Beharrlichkeit darauf ausgeht, solche Gelegenheiten zu schaffen.
Ich stelle die Frage: Wie hat die Regierung der Bundesrepublik auf diese französische Politik reagiert? Diese Frage ist nicht von der Beantwortung der Frage zu trennen, welche Rolle die Saar innerhalb der politischen Gesamtkonzeption der Bundesregierung spielt und spielen muß. Ist für sie die Saar-Politik nur ein Punkt unter vielen anderen, wohl eine sehr wichtige Sache, aber doch nur ein relativ bedeutsames Anliegen, dem andere vorgehen könnten? Oder ist der endgültige Verbleib der Saar bei Deutschland für die Bundesregierung im Rahmen ihrer politischen Gesamtkonzeption ein prinzipales Anliegen, etwas, das der Relativierung nicht fähig ist, etwas, dem die Priorität vor anderen auch höchst bedeutsamen politischen Zielsetzungen zukommen muß? Dies muß so sein; denn sonst wird es nicht möglich sein, irgend etwas Großes und Europäisches wirksam und mit Aussicht auf dauernden Bestand zu schaffen.
Wenn es sich nur um Kohle, nur um Eisenhütten handelte - nun, dann könnte man vielleicht streiten. Aber es handelt sich um Menschen, es handelt sich um mehr als 900 000 Menschen,
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denen man das Recht verwehren will, sich in Freiheit als Glieder des Volkes zu bekennen, zu dem sie nach ihrer Gedankenwelt und ihrer Geschichte seit je gehören. Da geht es um Absolutes. Da gibt es kein halb und halb, sondern da gibt es nur ja und nein und den Willen zur Konsequenz nach außen und nach innen.
Der Kampf um die Einheit Deutschlands, der doch ein Kampf um die Einheit Europas ist, kann nur geführt werden, wenn Recht überall Recht und Unrecht überall Unrecht ist und wenn die Regierungen diesem Wissen entsprechend handeln. Wenn wir uns dem Geschehen an der Saar gegenüber im Prinzip anders verhalten als gegenüber dem Geschehen im Osten - welche politische, juristische und moralische Legitimation haben wir dann noch für unseren Kampf um die geraubten Ostgebiete?
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Dabei ist das Prinzip entscheidend. Ist dieses aufgegeben, kann man für die Sache selber nicht mehr streiten. Ich brauche hier nicht darzulegen - Ihnen gesagt, meine Herren da drüben '({58}) -, daß die Lebensverhältnisse der Menschen an der Saar mit denen der Menschen im Osten nicht vergleichbar sind und daß ich hier keinen Vergleich ziehen oder auch nur anregen will.
Darum handelt die Bundesregierung nur dann richtig, wenn sie der Erhaltung der Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland innerhalb ihrer Politik eine zentrale Stellung einräumt - auch um Europas willen, das nur auf dem Fundament des Rechts aufgebaut werden kann, und weil man sich an Europa versündigt, wenn man - und sei es auch nur durch Unterlassen - die Hand dazu böte, daß sich durch blindes Verschulden drüben im Westen eine neue Irredenta bildet. Wir sollten nicht vergessen, welches Unglück über die Welt gekommen ist, weii man einmal einen Freistaat Danzig geschaffen hat!
Ich habe aus der Regierungserklärung den Eindruck gewonnen - und ich hoffe, daß ich mich diesmal nicht getäuscht habe -, daß die Zugehörigkeit der Saar zu Deutschland für die Bundesregierung etwas Unabdingbares ist, demgegenüber es nichts ins Feld zu führen gibt. Ich freue mich, daß die Regierung dieser Meinung Ausdruck verliehen hat.
Eine solche Politik kann natürlich wie jede Politik nur im Rahmen der Mittel getrieben werden, die man hat.
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- Aber, Herr Kollege, Politik ist nicht nur die
Kunst des Möglichen. Hinter diesem Satz kann
sich manchmal Phantasielosigkeit und Freude an
Untätigkeit verstecken. Politik ist vielmehr auch
die Aufgabe, das Notwendige möglich zu machen,
({60})
zum mindesten aber nichts dazu beizutragen, daß das Notwendige unmöglich werden könnte.
Nun, hat die Bundesregierung immer nach dieser Erkenntnis gehandelt? Sie sagt es.
Sie hat gewissen Warnungen gegenüber, die wir ausgesprochen haben, erklärt, daß sie die Maßnahmen, vor denen wir warnten, gerade um der` Saar willen treffe, deren Lage sie so bessern wolle und werde. Die Bundesregierung hat geglaubt, der Eintritt Deutschlands in den Europarat gleichzeitig mit Vertretern der Saar-Bevölkerung werde der französischen Politik an der Saar die Grundlage und die Intensität nehmen. Man sagte uns: Nun, sobald wir Deutschen in Straßburg sind, verliert auch die Frage der Zugehörigkeit des Saargebietes zu Deutschland jedes politische Interesse für die Franzosen. Wir hatten soviel Glauben nicht und haben gewarnt, die Franzosen würden diesen Schritt vielleicht dahin auswerten, daß die Bundesrepublik sich mit dem an der Saar geschaffenen Zustand abgefunden hätte. Man hat uns der Kleingläubigkeit dem Geiste Straßburgs gegenüber geziehen, und es fiel damals häufig das böse und törichte Wort von unserem angeblichen Nationalismus. Nun, am 20. Februar 1951 hat der französische Außenminister vor dem Senat erklärt, zwar habe die Bundesregierung das Saarland und die Saarregierung nicht anerkannt, aber das Bestehen des de-facto-Zustandes an der Saar sei unter anderem tatsächlich - nicht de iure, aber tatsächlich - durch die Bundesrepublik dadurch anerkannt worden, daß ihre Vertreter neben denen des Saargebiets auf den Bänken des Europarats Platz genommen haben.
({61})
Das ist deutlich, und es ist klar, daß der französische Außenminister damit etwas sagen wollte. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, daß er der Meinung sei, daß aus diesem Umstand, etwas ausgehe, wenn nicht Rechtswirkungen, so doch mindestens politische Wirkungen.
({62})
- Ich komme darauf noch zu sprechen, Herr Kollege Euler.
({63})
- Herr Kollege Kunze, ich habe Sie nicht verstanden; es tut mir leid, Ihnen darum nicht antworten zu können.
Übrigens eine Frage: Warum hat man denn auf diese Rede, die doch ein politisches Ereignis ersten Ranges war, ein Ereignis, das der Aufmerksamkeit der Bundesregierung nicht entgangen sein dürfte, nicht geantwortet?
({64})
Ich meine, dazu hätte man etwas sagen müssen,
etwas, das vielleicht wirksamer gewesen wäre,
Herr Euler, als nachträgliche Rechtsverwahrungen.
({65})
Und nun frage ich weiter: Will die Bundesregierung nicht im Hinblick auf Art. 26 des Europarat-Statuts, der davon spricht, daß die assoziierten Mitglieder Staaten sind, im Ministerrat Protest dagegen einlegen, daß dieser einen Beobachter der Saarregierung zugelassen hat? Sie kann das tun; denn als man uns eingeladen hatte, war nur davon die Rede, daß die Saar„ bevölkerung" vertreten werden sollte, und niemand sprach davon, daß man eine Saar„ regierung" in die Gremien des Europarats aufnehmen wolle.
Die Bundesregierung hat weiter geglaubt, durch die Unterzeichnung des Schumanplans die französischen Absichten auf die Saar dämpfen zu können. Man sagte: Wenn schon Kohle und Stahl in Europa gemeinsam verwaltet werden, welche praktische Bedeutung kann es dann für die Franzosen noch haben, daß die Saar zu Deutschland gehört? So sagte man uns, als wir warnten und darauf hinwiesen, was ein solcher Schritt alles zu präjudizieren vermöchte.
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Unter anderem hatten wir gesagt, man werde durch die Unterschrift nicht umhin können, das Recht Frankreichs auf völkerrechtliche Vertretung des Saargebiets als eines selbständigen Landes zum mindesten faktisch anzuerkennen. Art. 79 des Montan-Vertrages nennt die Saar - in einer, wie ich glaube, unverfänglichen Weise; vielleicht ' aber hätte dieser Artikel besser anders formuliert werden sollen. Wir sagten, man werde so einen völkerrechtlichen Vertrag mit einem Teile des deutschen Staatsgebietes abschließen, der dabei durch einen Staat vertreten wird, der es von Deutschland loslösen will.
Als der Herr Bundeskanzler und sein Staatssekretär nach dem 18. April nach Bonn zurückkehrten, sagten sie uns, es sei ein großer Erfolg erzielt worden. Der Herr französische Außenminister habe nicht als völkerrechtlicher Vertreter des Saargebiets unterzeichnet, sondern - ich erinnere mich noch einigermaßen - die wirtschaftlichen Hauptinteressenten an der Saarwirtschaft hätten gewissermaßen gemeinsam die Montanindustrie der Saar in den gemeinsamen Pool eingebracht. Kurz darauf sagte der Außenminister Schuman: natürlich habe er mit Wirkung für das „Saarland" als französischer Außenminister unterschrieben, und es habe doch nicht anders sein können, denn es gehe doch bei der Montanunion um die Übertragung von Hoheitsrechten; und natürlich werde darum das Saarparlament die Montanunion zu ratifizieren haben!
({67})
Auch diese Erklärung ist, glaube ich, deutlich. Sie kam in Bonn manchem unerwartet; aber das konnte doch nur geschehen, weil man die Rede des französischen Außenministers vor dem Senat offenbar nicht gelesen hatte. Dort hat er am 20. Februar erklärt: „Auch wenn wir im Namen der französisch-saarländischen Wirtschaftsunion handeln, handeln wir im Namen zweier unterschiedener und unabhängiger Staaten."
({68}) Was dies an Bedrohlichem alles beinhaltet, brauche ich hier nicht auszuführen. Diese Erklärung kannte man oder mußte man kennen - und man hat trotzdem unterschrieben. Und nun frage ich, was man denn tun wird, wenn einmal die Ratifikationsurkunden hinterlegt werden, und wenn dann in der von dem französischen Außenminister vorgelegten Urkunde steht, daß das französische Parlament zugestimmt hat und daß nach Artikel soundso der Verfassung des Saarlandes auch das Saarparlament zugestimmt hat und daß infolgedessen die Montanunion nunmehr in Rechtswirksamkeit getreten sei. Wird denn durch einen solchen Akt nicht die völkerrechtliche Subjektivität des Saargebiets zum mindesten postuliert?
Und wie stand es mit der Meinung, durch die Unterstützung der Wirtschaftsunion verbessere man die deutsche Position an der Saar vom Wirtschaftlichen her? Am 13. Juni hat der Herr Bundeskanzler noch erklärt - ich lese nur den letzten Satz vor -: „Das Saarproblem verliert durch den Schumanplan in ganz großem Maße seine Bedeutung."
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Nun, einige Tage nach der Unterzeichnung hat der französische Außenminister kundgetan, das Ziel der französischen Außenpolitik bleibe dasselbe; es sei nach wie vor auf die Schaffung eines unabhängigen Saarstaates gerichtet.
({70})
Und am 9. Mai, am Tage nach unserer Debatte in der Beratenden Versammlung über den Schuman-plan, hat. Herr Minister Robert Schuman den Brief an Johannes Hoffmann geschrieben, den Brief, auf Grund dessen die Partei verboten worden ist, von der wir heute so oft gesprochen haben, und auf Grund dessen das Recht auf freie politische Willensbildung an der Saar aufgehoben worden ist.
Das, meine Damen und Herren, sind die Realitäten. In der Politik gelten nicht unsere Vorstellungen von den Dingen, sondern die Tatsachen; denn diese und nicht jene bestimmen die Wirklichkeit, in der wir leben müssen.
Eine Zeitung, die unserer Partei im allgemeinen nicht wohlwill, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", hat zu diesen Dingen am 25. Mai geschrieben:
Die französische Regierung hat erst abgewartet, bis ihr die Unterzeichnung des Schumanplans sicher erschien, und dann hat sie im Saargebiet zugeschlagen, um jede Gegnerschaft gegen
. die Hineinführung in die französische Schutzherrschaft unmöglich zu machen.
({71})
Angesichts dieser Tatbestände kann man doch wohl nicht gut behaupten, daß die Außenpolitik der Regierung, daß die Art, wie sie geführt wurde, eine Verbesserung der deutschen Position an der Saar herbeigeführt habe.
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Man weist gern auf den Notenwechsel hin, der dem Vertrag über die Montanunion beigegeben worden ist. Nun, was enthält dieser Notenwechsel? Er enthält die gegenseitige Erklärung, daß der endgültige Status der Saar nur durch einen Friedensvertrag fixiert werden könne, und die gegenseitige Feststellung, daß die Unterschrift der deutschen Regierung nicht als juristische Anerkennung der Loslösung der Saar von Deutschland gewertet werden dürfe.
Nebenbei gesagt: In Saarbrücken - und nach der Presse zu schließen wohl auch da und dort in Paris - legt man diesen Briefwechsel anders aus als wir das in Bonn tun.
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Dort legt man den Briefwechsel so aus, daß die deutsche Regierung durch diesen Notenwechsel verpflichtet sei, den jetzigen Status an der Saar bis zum Friedensvertrag - bis zum Friedensvertrag nur! - als Rechtszustand anzuerkennen. Herr Braun hat in einer der letzten Sitzungen der Beratenden Versammlung des Europarates diesen Standpunkt vertreten. Ich halte diesen Standpunkt für unsinnig. Aber man sieht, auf welche Weise und aus was allem man Kapital zu schlagen versuchen kann.
Dieser Notenwechsel ist natürlich etwas und er hat seine Bedeutung; aber letzten Endes bringt er doch politisch nichts, was nicht schon mehrmals erklärt worden wäre. Aber wird denn. durch diese Rechtsverwahrungen das eigentliche Problem überhaupt getroffen? Das Problem ist doch nicht so sehr, daß man Rechtsansprüche nicht verschweigen darf - natürlich darf man das nicht, natürlich muß man deswegen Rechtsverwahrungen erheben -; aber das Problem ist doch: Handelt eine deutsche Regierung politisch richtig, wenn sie für die Dauer von 50 Jahren mit einem Staate eine so enge Bindung eingeht wie sie die Montanunion darstellt, mit einem Staate, der ihr offen erklärt ein wesentliches
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Ziel seiner Politik sei, ein lebenswichtiges Stück aus dem Volkskörper Deutschlands herauszuschneiden,
({75})
und der heute schon alles tut, um durch Schaffung vollendeter Tatsachen gegen das Völkerrecht und gegen jeden echten Geist einer europäischen Politik, ja gegen den vorgegebenen Zweck der Montanunion sich der Erreichung dieses Ziels zu versichern.
Was kann nach dem Beitritt Deutschlands zum politischen System des Europarats denn das Ziel einer solchen Politik Frankreichs sein? Doch nicht mehr politische Sicherung gegen einen deutschen . Angriff; doch nicht mehr Sicherung des Bezugs von Kohle aus der Saar, die man angeblich für die Minette in Lothringen braucht; doch offenbar etwas anderes, etwas rein Politisches, das ich nicht anders deuten kann als Schwächung Deutschlands an und für sich, selbst eines Deutschland, das die Verfügung über seine Montanindustrie einer internationalen hohen Behörde übergeben hat, in der Deutschland von neun Mitgliedern zwei stellt. Will man da noch behaupten, daß diese Außenpolitik richtig gewesen sei und daß es heute noch richtig sei, sie fortzusetzen?
Ich weiß, man übt einen starken Druck aus, auch einen moralischen Druck. Auch in Straßburg wurde das getan, und André Philip iat uns dort gesagt: noch seien die Tränen der Mütter nicht trocken und wir sprächen von der Saar!
Nun: Glaubt man französischerseits, die Saar zur Befriedigung von Reparationsansprüchen fordern zu müssen? Aber: die Herauslösung von 900 000 Deutschen aus ihrem Vaterland hat mit Reparationen nichts zu tun!
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Was Deutschland schuldet, hat Gesamtdeutschland zu leisten und dies in Geld und in Sachwerten, aber nicht in Menschen!
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Und was die moralische Seite anlangt: ohne Zweifel, es gibt da eine moralische Seite und ein moralisches Problem, an dem wir schwer zu tragen haben und das wir nie außer acht lassen dürfen. Aber Unrecht macht man nicht durch Unrecht gut, und Unrecht wird nicht durch den Hinweis .auf größeres Unrecht zu Recht gemacht. Man wird sich drüben fragen müssen: Will man Deutschland gegenüber dem Bedürfnis nach Sühne, nach noch so gerechter Sühne Raum geben, oder will man ein tragfähiges Fundament für eine bessere Zukunft bauen? Wenn man dies will, nun, - dann muß man eben Politik machen, d. h. seine Maßnahmen im Hinblick auf ihre Auswirkungen in der Zukunft auswählen und nicht mit dem Blick auf die Vergangenheit.
Wir wissen, daß man der Bundesregierung gut zuredet. Vielleicht hat man ihr auch in Aussicht gestellt, daß nach den französischen Wahlen anderslautende Erklärungen abgegeben werden könnten. Wir hoffen nicht, daß die Bundesregierung glaubt, allein durch Zuschauen, durch gutes Zureden, durch Wiederholen ihres Rechtsstandpunktes, durch den Ausspruch ihres Bedauerns über das Geschehene, durch Noten, in denen man darum bittet, vertragsmäßige Zustände herzustellen, eine Politik umlenken zu können, deren Ziele und Methoden so eindeutig ein Kernstück einer so traditionsgebundenen Politik ausmachen, wie es die französische leider Gottes ist.
({78}) Und schließlich hat es ja etwas zu bedeuten, daß die Rücktrittsgesuche Monsieur Grandvals nicht angenommen worden sind und daß er, statt im Departement Moselle für die Partei des General de Gaulle zu kandidieren, weiter die französische Politik an der Saar zu betreiben haben wird.
({79})
Immer wieder versichert man uns, Frankreich wolle keine Annexion der Saar. Sicher will es das nicht.
({80})
Es wäre auch sehr ungeschickt, das zu wollen. Heute erzielt man denselben Effekt, zu dem man früher das schwerfällige Instrument der Annexion brauchte, auf andere Weise. Man separiert, macht autonom und setzt einen Hohen Kommissar ein.
({81})
Wenn dann noch Wirtschaftskonventionen dazukommen, was braucht man da noch viel zu annektieren? Ja, was kann man da noch viel annektieren?
Ich möchte darauf hinweisen, welche Haltung die französische Regierung eingenommen hat, als das Deutsche Reich der Weimarer Republik mit osterreich die Konvention über die Zollunion abgeschlossen hat.
({82})
Damals hat die französische Regierung erklärt; wenn ein kleiner Staat mit einem großen Staat in ein so enges wirtschaftliches Verhältnis trete, dann komme das praktisch dem politischen Anschluß gleich, auch wenn er nicht expressis verbis ausgesprochen sei.
({83})
Noch in seinem Brief vom 9. Mai hat der französische Außenminister gesagt, daß durch die Zoll- und Währungsunion mit Frankreich die politische Loslösung des Saargebietes von Deutschland vollzogen worden sei.
Was ist zu tun? Die Bundesregierung muß ihren Rechtsverwahrungen und ihrer Note ein Verhalten folgen lassen, das in der Logik dieser Rechtsverwahrungen liegt. Genügt es denn wirklich festzustellen, daß alle die Dinge, von denen wir heute sprechen, zeit- und personenbedingt seien? Was ist denn nicht zeit- und personenbedingt in der Geschichte? Genügt es wirklich zu sagen, man lasse sich durch diese Dinge von dem Bemühen, ein gutes Einvernehmen zwischen Deutschland und Frankreich herzustellen, nicht ablenken? Ja, wer von uns will denn nicht ein gutes Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich?
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Wer will denn nicht die Integration des Westens in den Vereinigten Staaten von Europa? Die Frage ist doch: Wie soll das geschehen? Die Frage ist doch: Was muß getan werden, damit dieses Werk wirklich gelingt und daß das Gebäude hält,
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daß nicht nur ein Kartenhaus aufgebaut wird; die Frage ist doch, daß man von den Deutschen nicht Unterwerfung verlangen darf, eine Unterwerfung, die sich böse rächen müßte, wenn irgendeiner in Deutschland auf den Gedanken käme, man müsse drohen. Man kann doch wirklich nach all dem, was wir wissen, nicht mehr davon sprechen, daß man in Paris so sehr viel Verständnis für das habe, was an der Saar nötig sei. Nach dem Brief vom 9. Mai kann man das doch nicht mehr sagen. Man kann da doch nicht mehr sagen, daß der böse Jo({86})
hannes Hoffmann nur die guten Absichten störe, die man in Paris habe. Die Saarregierung kann doch nur tun, was Paris genehmigt oder vorschreibt.
({87})
Auch der Appell an unsere guten Nerven genügt nicht. Auch die besten Nerven können reißen. Es ist Sache der Politik einer Regierung, Verhältnisse zu schaffen oder vorzubereiten, die unsere Nerven nicht auf diese Zerreißprobe stellen. Es hat doch auch wenig Sinn, darauf hinzuweisen, daß man in Paris sieben Monate mit der Ratifizierung gewartet habe. Nun, ich glaube, da gibt es doch sehr deutliche Äußerungen der verantwortlichsten Männer in Paris, die sehr viel eindeutiger zu interpretieren sind als diese Sieben-Monats-Pause in den Arbeiten des französischen Parlaments. Wenn der französische Herr Außenminister in Paris gesagt hat, gewisse Saar -Konventionen - die politischen -'brauche man nicht zu ratifizieren und solle man nicht ratifizieren, denn man müsse in der Lage sein, sie durch einfache Vereinbarungen ohne Beteiligung der Parlamente rasch zu ändern, damit man sie rasch der Entwicklung anpassen könne, - wer erlaubt uns denn, nach all dem, was geschehen ist, davon auszugehen, der französische Herr Außenminister habe damit gemeint, es könne sich einmal darum handeln, sich an eine im deutschen Sinne gehenden Entwicklung anzupassen?
({88})
Ich glaube, er hat doch wohl eher gemeint, man müsse schnell handeln können, wenn die Entwicklung im Sinne der französischen politischen- Ziele geht.
Natürlich wird die Bundesregierung immer versuchen müssen, auf normalem Wege durch Vereinbarungen zu regeln,
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was zwischen zwei Nachbarstaaten geregelt werden muß. - Daß ich das sage, Herr Kollege, sollte Sie nicht wundern!
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Aber wenn Sie sich nicht endgültig der Möglich keit begeben wollen, eines Tages den Endkampf an der Saar mit Aussicht auf Erfolg zu kämpfen, dann müssen Sie künftig davon absehen, politische Bindungen von höchster Tragweite einzugehen, solange an der Saar nicht die Meinungsfreiheit und die politische und sonstige Koalitionsfreiheit hergestellt sind; und solange nicht durch solide Garantien sichergestellt ist, daß Frankreich seine endgültige Haltung von dem Ergebnis einer freien, unbeeinflußten Volksabstimmung abhängig machen wird,
({91})
und solange man in Paris nicht bereit ist, Fragen, die das Saargebiet betreffen, mit Bonn zu verhandeln, so' wie es das Völkerrecht verlangt.
({92})
Nur, wenn man dieses Junktim herstellt, wird es einen Sinn haben, die Mächte, die es angeht, um Verhandlungen zu bitten. Das zu fordern ist der Inhalt und Sinn unseres Antrags, den wir aus deutscher und aus europäischer Verantwortung heraus gestellt haben.
Der Herr Bundeskanzler hat einmal gesagt, wir müssen uns zentimeterweise vorwärts kämpfen. Das ist richtig, wenn man die Betonung nicht nur auf das Längenmaß, sondern auch auf das Verbum, nämlich auch auf „kämpfen" legt.
({93}) Wir müssen kämpfen. Kämpfen heißt eben, leider Gottes, zuweilen nein sagen, um den Platz für das gute Ja freimachen zu können.
({94})
Daß wir den Krieg verloren haben, ist eine Binsenwahrheit. Ihre Erkenntnis entbindet uns nicht von der Verpflichtung, den Bestand Deutschlands auch und gerade im Zuge einer europäischen Politik. zu wahren. Europa kann ja nur aus heilen Gliedern bestehen, wenn es dauern soll. Mit verstümmelten Gliedern wird es nie gedeihen:
({95})
Auch ein geschlagenes Volk hat Mittel: die Kräfte, die von seinem Willen zur Selbstachtung und Selbsterhaltung ausgehen. Und auch ein geschlagenes Volk hat Waffen: das Recht und die Festigkeit in der Verfolgung des Rechts. Nur durch sie schafft man dem Frieden und dem guten Willen der Menschen eine dauerhafte Stätte auf dieser Welt. Und auch einem geschlagenen Volk wird es nicht abgenommen, sich zu entscheiden. Die Entscheidungen, vor denen wir Deutsche noch lange stehen werden, werden von uns fast immer auch fordern, daß wir zwischen dem breiten bequemen und dem steilen schmalen Weg wählen. Immer wird die Versuchung an uns herantreten, den breiten Weg dem schmalen vorzuziehen. Hüten wir uns davor, eine Politik zu betreiben, bei der man gerade durch die Vorteile, die man am jeweils heutigen Tage einzuheimsen glaubt, das verlieren muß, worum es am Tage der Schicksalsentscheidung für Europa und für Deutschland gehen wird!
({96})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Hinblick auf die bisherige Ausdehnung der Debatte haben wir, d. h. die noch vorgesehenen Redner, uns dahin abgesprochen, nur zu einem Bruchteil von unserer Redezeit Gebrauch zu machen 'und uns darauf zu beschränken, nur wesentliche Gedanken vorzutragen. Ich darf namens der Fraktion der CDU/CSU angesichts der Ausführungen meines Herrn Vorredners kurz folgende Gedanken darlegen.
Die heutige Rede des Herrn Bundeskanzlers hat erneut bestätigt, daß die Politik der Bundesregierung von dem Gedanken durchdrungen ist, die , Saarfrage nicht zu einer Störung der Beziehungen zwischen Deutschland und ,Frankreich und damit zu einer Erschwerung des Aufbaus von Westeuropa werden zu lassen. Aus diesem Grunde hat die Regierung die Saarfrage, deren einzig mögliche gerechte Endlösung ein Herzensanliegen des gesamten deutschen Volkes ist, stets mit besonderem Takt, aber deshalb nicht weniger mit Geradlinigkeit, Festigkeit und Konsequenz behandelt.
Angesichts der Darlegungen des Herrn Professor Schmid möchte ich zusammenfassend noch einmal auf folgende Feststellungen des Herrn Bundeskanzlers hinweisen. Erstens: Es ist weder von deutscher Seite noch von seiten dritter Staaten jemals die völkerrechtliche Einheit eines Saarstaates anerkannt worden. Zweitens: Auch der offizielle Sprecher Frankreichs hat erklärt, daß ein Saarstaat durch zweiseitige Erklärungen allein nicht geschaffen oder anerkannt werden könne. Drittens: Der Herr Bundeskanzler hat genau wie der Redner der Opposition eindeutig erklärt, daß das Saargebiet nach wie vor Bestandteil Deutschlands ist.
({0})
Viertens: In dem Schriftwechsel anläßlich des Schumanplans vom 18. April 1951 ist ausdrücklich festgelegt, daß die endgültige Regelung des Status des Saargebiets im Friedensvertrag erfolgen werde. Dieser Standpunkt ist nicht nur von Frankreich, sondern von allen drei Westalliierten anerkannt worden. Die Anerkennung dieses Standpunktes führt zu, der Konsequenz, daß den Vertretern der Auffassungen beider Teile im Saargebiet bis zum Abschluß des Friedensvertrags völlige Freiheit gegeben werden muß. Daraus ergeben sich die Forderungen, die vom Herrn Bundeskanzler und auch von meinem Fraktionskollegen Strauß gestellt worden sind.
Der Herr Kollege Schmid hat beanstandet, die Regierung habe sich im wesentlichen auf Rechtsverwahrungen beschränkt. Es handelt sich aber dabei nicht nur um Rechtsverwahrungen, sondern auch um gegenseitige Erklärungen, um Erklärungen zwischen der Bundesrepublik und den Alliierten, insbesondere auch der französischen Republik.
Im übrigen fragen wir den Herrn Kollegen Schmid, wenn er diese Beanstandungen erhebt, einmal: Welche anderen Mittel und Wege hat er uns denn gewiesen, damit wir schneller und besser zu anderen Verhältnissen an der Saar kommen?
({1}) Zudem, meine Damen und Herren, darf ich auch den Satz nicht unterdrücken, daß ich das Gefühl habe, Herr Professor Schmid hat mit manchem Satz, den er hier unterstreichend ausgesprochen hat, dem gemeinsamen deutschen Anliegen der Opposition und der Regierung nicht gedient.
({2})
Es scheint mir nicht Aufgabe dieses Hauses zu sein, Standpunkte des anderen Partners zu unterstreichen, und nachdrücklich zu unterstreichen, von denen wir der Überzeugung sind, daß sie im wesentlichen einer Vergangenheit angehören.
Außerdem sehe ich auch - gerade nach den Ausführungen des Herrn Professor Schmid - nicht recht, weswegen eine gemeinsame Linie von Regierung und Opposition in .dieser Frage nicht hat erreicht werden können.
({3})
Herr Abgeordneter, darf ich unterbrechen! Ich habe nicht genau gehört, aber ich habe eben das Wort „Flegel" gehört.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, ich frage Sie, ob ich das Wort „Flegel" von Ihnen richtig verstanden habe?
({1})
Ich bitte um Entschuldigung. - Deshalb frage ich.
({2})
Es ist die einstimmige Feststellung des Vorstandes; daß das Wort „Flegel" gefallen ist. Darf ich fragen, wer das Wort gebraucht hat?
({3})
- Ich kann im Augenblick nicht feststellen, von welchem Abgeordneten der Zwischenruf „Flegel" gemacht worden ist. Ich hätte diesen Zwischenruf sonst selbstverständlich mit einem Ordnungsruf gerügt.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Ich sehe nicht ein, warum nicht eine gemeinsame Linie von Regierung und Opposition in diesem gemeinsamen deutschen Anliegen erreichbar gewesen ist, eine gemeinsame Linie, wie sie in anderen Ländern stets als eine einheitliche Linie der Volksvertretung gewahrt zu werden pflegt.
({0})
Es ist eine schmerzliche Tatsache, daß wir im Nachkriegsdeutschland nicht dazu kommen, in deutschen Lebensfragen eine Einheit nach außen zu finden, weil uns diese Einheit nach außen von der Opposition immer wieder verweigert wird.
({1})
Es ist nicht Aufgabe dieser Diskussion; den Gründen nachzugehen, aus denen sich dieser Zustand entwickelt hat; das scheint mir bei anderer Gelegenheit besser und zweckmäßiger zu sein.
Meine Damen und Herren! Wenn ich nun nochmals auf die Linie der Bundesregierung zurückkommen darf, so darf ich sagen: sie scheint mir von der politisch einzig vernünftigen Erwägung ausgegangen zu sein, daß Friede und Verständigung zwischen Völkern, die allzu lange und allzu oft gegeneinander gestanden haben, nicht durch erneute Aufpeitschung nationaler Leidenschaften herbeigeführt werden können, sondern daß nur durch ein ehrliches gegenseitiges Verstehen und Zueinanderfinden auf der Grundlage gemeinsamer Menschheitsideale der Gerechtigkeit und der Freiheit das Bollwerk des Friedens und der Ordnung in Europa geschaffen werden kann, das allein der uns alle gleichmäßig bedrohenden Gefahr aus dem Osten auf die Dauer wirksam zu widerstehen vermag.
Wir werden uns auch durch die politischen Ereignisse an der Saar, die sich in der letzten Zeit dort abgespielt haben, in dieser Erkenntnis nicht irre machen lassen; denn wir sind und bleiben - trotz allem! - der Überzeugung, daß die Dinge an der Saar nicht diesen Lauf genommen hätten, wenn die ihre Herrschaft nicht einem freien Willensentschluß des deutschen Saarvolkes verdankende Saarregierung sich als Vollstrecker des wirklichen Willens des Saarvolkes betätigen würde, anstatt in fortgesetzter Handlung zeitlich längst überholte Separationstendenzen vorgestriger Konzeption zu konservieren und diese bei der Besatzungsmacht als angeblichen Willen des Saarvolkes zu propagieren.
({2})
Dabei kann man die Feststellung nicht unterdrücken, daß die Konservierung dieser überholten
Separationstendenzen zugleich die Konservierung
der eigenen, dem deutschen Saarland seinerzeit unter der Drohung des Hungers Lind der Demontage
aufgedrängten Machtposition der gegenwärtigen
Saarregierung bedeutet. Der frühere französische
Ministerpräsident Reynaud sagte kürzlich einmal
über den Unterschied zwischen einem Staatsmann
und einem Politiker: „Ein Staatsmann ist ein
Politiker, der sich in den Dienst seines Volkes stellt. Ein Politiker dagegen ist ein Staatsmann, der das eigene Volk in seinen Dienst stellt."
Wäre Herr Johannes Hoffmann mehr Staatsmann als Politiker, dann würde man auch in Frankreich schwer Anlaß finden, die separate Auffassung des separierten Herrn Hoffmann und seiner vielfach 'unter dem Druck höherer Gewalt stehenden Anhänger und Mitläufer zu unterstützen und zum Bestandteil der eigenen Politik zu machen.
({3})
({4})
Es ist nicht verwunderlich, daß es noch Franzosen gibt, die Herrn Hoffmanns überholte Saarpolitik vertreten. Aber beschämend ist es, daß Herr Hoffmann im Saarland eine separate Politik treibt und vorgibt, das im echten Auftrag des Saarvolkes zu tun, den er in diesem Sinne nie erhalten hat und unserer Überzeugung nach auch niemals erhalten wird.
({5})
So ist es letztlich nicht unser französisches Nachbarvolk - so sehen wir die Dinge -, mit dem wir ja gemeinsam ein einheitliches, freiheitliches und friedliches Europa schaffen wollen, so ist es nicht Frankreich, das der Erreichung dieses unseres hohen europäischen Zieles die entscheidenden Schwierigkeiten bereitet, sondern es ist die Volksfremdheit einer sich nur auf eine unglückliche erste Nachkriegssituation stützenden Saarregierung, die sich durch ihr Handeln nicht nur von der deutschen Heimat, sondern auch vom Gedanken der europäischen Konföderation separiert und dadurch zu einem Störer der europäischen Einheit und des europäischen Fortschritts wird.
({6})
Die deutsche und die französische Regierung haben ja den wesentlichsten Streitpunkt des Saarproblems bereits untereinander bereinigt, indem sie durch den Schumanplan das eigentliche Streitobjekt, die Saargruben und die Saar -Stahlerzeugung, auf die gemeinsame europäische Ebene hinaufverlagert haben. Auf dieser Ebene stehen sie sich als gleichberechtigte Partner mit gemeinsamer, gleicher Zielsetzung bei der gemeinsamen Betreuung der Saargruben und der Stahlerzeugung an der Saar gegenüber, so daß doch der wirtschaftlich-politische Ausgangspunkt für die frühere französische Saarpolitik heute bereits entfallen ist. Diese Dinge sollte man sehen, und darauf sollte man aufbauen, anstatt diese früheren Konzeptionen jetzt hier von der Tribüne des Bundestages aus noch zu unterstreichen.
Meine Damen und Herren, damit sind auch die wesentlichen wirtschaftlich -politischen Begründungen für die in der aufgezwungenen Präambel zur Saarverfassung festgelegte politische Separation widerlegt, die Herr Hoffmann heute - aus allzu durchsichtigen Gründen - mit allen .ihm verfügbaren Diktaturmethoden zu verteidigen sucht.
Unser Ringen um die Freiheit für die Saar richtet sich also eigentlich nicht gegen unseren französischen Nachbarn, sondern gegen diejenigen Leute, die in Frankreich und in der Welt in völliger Verkehrung der Tatsachen den Eindruck erwecken wollen, als bedürfe unser deutsches Saargebiet des Schutzes Frankreichs gegen seine deutsche Heimat. Wir werden nicht ruhen und rasten, bis unsere Saar wieder in freier Selbstbestimmung ihren wirklichen Willen über ihren politischen Status erklären kann.
Das Saargebiet wurde ja nicht vom Nationalsozialismus befreit, um jetzt mit Diktaturmethoden in einen Dauerzustand neuer Unfreiheit, persönlicher Unsicherheit und Bevormundung überführt zu werden. Das Saargebiet wurde wie alle anderen europäischen Gebiete vom Nationalsozialismus befreit, um sich gemeinsam mit allen anderen Völkern Europas der Segnungen der Freiheit und der natürlichen Menschenrechte zu erfreuen.
Es ist Pflicht des Deutschen Bundestages, der namens des ganzen` deutschen Volkes, des Volkes in den Grenzen von 1937, zu sprechen berufen ist, an das Gewissen der Welt zu appellieren und politische und persönliche Freiheit und Selbstbestimmung für unsere Saar zu fordern. In diesem Sinne billigen und begrüßen wir in vollem Umfange und uneingeschränkt die heutige Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und besonders auch die gestern an die drei Westalliierten 'gerichtete Note. Wir möchten. Ihnen vorschlagen, daß das Hohe Haus in Bestätigung dieser Regierungserklärung die nachfolgende Entschließung annimmt:
Der Bundestag stimmt der Erklärung der Bundesregierung zur Saarfrage zu.
Er unterstützt mit Nachdruck die in der Note an die Hohe Kommission vom 29. Mai 1951 ausgesprochene Bitte, die in der Hohen Kornmission vertretenen Regierungen mögen die geeigneten Schritte unternehmen, damit im Saargebiet die uneingeschränkte Freiheit der Meinungsäußerung und der Willensbildung auch hinsichtlich der Fragen hergestellt wird, die im Friedensvertrag ihre endgültige Regelung finden sollen. Er appelliert an die demokratischen Völker der Welt und insonderheit an die im Europarat vertretenen demokratischen Völker Europas, für die Herstellung des demokratischen Freiheitszustandes an der Saar einzutreten, den die Menschenrechte erheischen.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß nur noch wenige Sätze: Wir würden uns am Wiederaufbau Europas und an den Menschenrechten, zu denen gerade wir uns nach allem Erlebten mit heißem Herzen bekennen, versündigen, wenn wir jetzt nicht alles tun würden, um politische Freiheit, Recht und persönliche Würde des Menschen auch im deutschen Saargebiet wiederherzustellen.
Und ein letztes, was schon angeklungen ist, aber auch hier nicht unterdrückt werden kann: Wie sollen wir erfolgreich unseren Kampf gegen die Oder-Neiße-Grenze weiterführen, wenn den Sowjets und ihren Helfershelfern in der Ostzone das Argument in die Hand gegeben würde, daß unter den freiheitlichen Grundsatzen der westlichen Welt ein wichtiger Gebietsteil ohne Zustimmung der eingesessenen Bevölkerung von seinem Mutterlande gelöst wird? Die Separation an der Saar gegen den Willen der Bevölkerung wäre Wasser auf die Mühlen der Herren Pieck, Grotewohl und Stalin, und kein rechtlich und freiheitlich denkender Staat sollte sich dazu hergeben, diese Mühlen in Gang zu halten.
Schließlich möchte ich zum Ausgangspunkt meiner Darlegungen zurückkehren mit einem nochmaligen leidenschaftlichen Bekenntnis zu unserem unbeirrbaren Glauben an ein auf der Grundlage der Menschenrechte für alle Europäer konföderiertes Europa, dessen geistige Grundlagen auch die Garantie für die freie Selbstbestimmung der Saar in sich tragen und der Schlüssel zur Gerechtigkeit und zum Frieden sind. Wir lassen uns diesen Glauben nicht nehmen, weil er das Kernstück unseres Glaubens an eine bessere, friedliche Zukunft Deutschlands und Frankreichs wie auch Europas und der ganzen Welt ist.
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Vizepäsident Dr. Schäfer: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich die bisherige Debatte in mich aufnahm, da habe ich meine Rede -- zu meiner
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Schande muß ich gestehen: meine vorbereitete Rede --- beiseite geschoben,
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und ich habe mir gesagt: Das Saarproblem besteht doch nicht bloß aus einer Aufzählung von Fakten, aus juristischen Deduktionen mit fast Vorlesungscharakter, sondern man muß in dieser wichtigen Sache hier das Herzblut spüren, das uns alle durchpulst, wenn man zu dieser Frage spricht.
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Hier muß man die Wärme spüren, die das ganze deutsche Volk erfüllt, wenn wir uns zu unseren Brüdern an der Saar bekennen.
({3}) Man hätte uns viel von dem, was in den juristischen Darlegungen gesagt worden ist, ersparen können, vor allem dem Volke draußen, das ja das nicht alles versteht, wenn man hier, wie es in demokratisch -parlamentarischen Einrichtungen üblich ist, den auswärtigen Ausschuß damit befaßt und dort das Wesentliche und das Unwesentliche auseinandergeschieden hätte. So kann ich nur eines sagen: Das, was hätte gesagt werden müssen, hat bisher voll und ganz nur die Regierungserklärung getroffen, die bei aller erforderlichen Sachlichkeit und Nüchternheit eine tiefe Wärme in der Beurteilung des Problems spüren ließ
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und die - auch das mußte man durchfühlen - noch viel mehr sagen wollte, als sie eben in einer Lage, wie sie die Regierung zu berücksichtigen hat, sagen konnte.
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Wir freuen uns, daß das Leitmotiv der Regierungserklärung der Wille blieb, die Beziehungen zu Frankreich nicht abreißen zu lassen, sondern immer weiter auf diesem Gebiet im positiven Sinne zu arbeiten; und wir freuen uns auch darüber, daß die europäische Idee das Leitmotiv der Regierungserklärung blieb. Wir betrachten all das, was von der Regierung angeführt worden ist - wie die Ablehnung der Gleichberechtigung der Saar in Straßburg, die Ablehnung des Wunsches, das Saarland als siebtes Land in den Schumanplan aufzunehmen, die Reaktion der Saarvertreter in Straßburg, die Reaktion von Herrn Grandval, die Reaktion des Ministerpräsidenten Hoffmann in Paris auf die Schritte der deutschen Regierung -, als ganz große positive Fakten, als Tatsächlichkeiten und nicht als Hypothesen, wie sie der Vertreter der SPD geschildert hat. Wir billigen daher auch die Schritte, die die Bundesregierung bei der Hohen Kommission zu unternehmen gewillt ist.
Ich glaube, daß ein stärkerer Eindruck von der Saardebatte im Inland und im Ausland erzielt worden wäre, wenn wir zu einer gemeinsamen Erklärung gekommen wären. Aber es ist auch so erfreulich, daß von allen Sprechern aller Parteien - auch der Opposition - gute, wesentliche Argumente vorgebracht worden sind. Man soll es der Oppositon nicht verübeln, wenn sie manches mehr sagt, als eine Regierung sagen kann. Ich muß sogar sagen, daß ich die Rede von Herrn Professor Schmid als einen durchaus konstruktiven Beitrag zu der Lösung des Problems ansehe, wenn auch starke Bedenken in dieser Rede angemeldet worden sind.
Ich möchte zu Einzelheiten nicht weiter Stellung nehmen, sondern meine Ausführungen in drei Appellen zusammenfassen. Den ersten Appell richte ich an den französischen Außenminister, Herrn Schuman, der schon einmal in einem Zeitpunkt, als die deutsch-französischen Beziehungen Anfang des vorigen Jahres auf einem toten Punkt angelangt waren, die Initiative ergriffen und durch seinen wirklich genialen Akt des Vorschlages des Schumanplans im Mai vorigen Jahres einen wesentlichen Schritt zur Überwindung dieses toten Punktes getan hat. Herr Schuman hat sich ja ausdrücklich noch vor wenigen Wochen - im April - dazu bekannt, daß die große Mehrheit der Franzosen davon überzeugt sei, daß sie nicht mehr in den Irrtum ihrer Politk nach dem ersten Weltkrieg zurückfallen dürften. Dem entspricht auch die geradezu ergreifende Formulierung der Präambel im Schumanplan, die davon spricht, daß endlich die alten Rivalitäten beseitigt werden müssen und daß durch neue schöpferische Ideen endlich Friede in die Welt kommen soll. Ich bin der Überzeugung und spreche die Hoffnung aus, daß auch diesmal Herr Schuman, nachdem er schon seinen unklugen Brief an den saarländischen Ministerpräsidenten geschrieben hat, zu dem Entschluß kommen kann, wieder einen gewissen schwierigen Punkt, einen neuralgischen Punkt in dem Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland zu beseitigen. Wir hoffen, daß es endlich möglich sein wird, bald Wahlen im Saargebiet abzuhalten, die unter internationaler oder deutschfranzösischer Aufsicht und Kontrolle stattfinden können und die den klaren Willen der Saarbevölkerung zum Ausdruck bringen sollen.
Einen zweiten Appell möchte ich an dieses Haus richten. Diese Abstimmung wird erleichtert, wenn die Saarländer das Gefühl haben, daß sie sich im Rahmen der Bundesrepublik wohlfühlen und daß sie in ihrem Lande so handeln und leben können, wie es ihnen gefällt. Denken Sie daran, wenn hier dauernd Versuche gemacht werden, den föderalistischen Charakter des Bundes in Richtung auf einen zentralistischen Einheitsstaat zu ändern.
Dann noch einen Appell an die Welt. Die Welt hat zum ersten Male wieder Deutschland Wohlwollen und Sympathie entgegengebracht, als sich Berlin in der Verteidigung der Menschenrechte und in der Abwehr gegen undemokratische östliche Diktaturen mannhaft und mutig zeigte und als ganz Westdeutschland in diesem Abwehrkampf gegen den Osten, dem Kampf für die Demokratie, hinter Berlin stand.
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Die Welt soll uns jetzt, da wir das sehr undemokratische Verhalten der Saarregierung kritisieren und darauf bestehen, daß auch an der Saar die Menschenrechte in ihrem vollen Umfang gelten müssen, ebenso ihre Unterstützung gewähren.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Mayer.
Herr Präsident Meine bamen und Herren! Gestatten Sie, daß ich nach der „außenpolitischen Generaldebatte" mit ihren kritisierenden und moralisierenden Bemerkungen wieder zum Thema „Saar" komme. Ich will im Gegensatz zu meinem Vorredner die Aufzeichnung dessen, was ich zu sagen beabsichtigt habe, nicht weglegen, sondern ich will im wesentlichen das auch sagen, was ich sagen wollte, weil ich glaube, daß es gesagt werden muß. Es muß, vielleicht gar nicht so sehr in
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diesem Hohen Hause, sondern angesichts der Weltöffentlichkeit gesagt werden.
Zunächst, meine Damen und Herren, habe ich n. amens meiner Fraktion zu erklären, daß wir uns rückhaltlos hinter die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers und die Note der Bundesregierung stellen,
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daß wir die bisher gegen die Entwicklung an der Saar unternommenen Schritte und die eingelegten Rechtsverwahrungen billigen und daß wir das Vertrauen haben, daß auch künftig nichts von dem versäumt wird, was geschehen muß, um Deutschland und Europa vor neuen Fehlentwicklungen und neuen Rückfällen in eine überholte nationalistische Territorialpolitik zu bewahren.
So sehr wir die Erklärung der Bundesregierung begrüßen, so sehr bedauern wir den Anlaß, nicht. nur weil nationale Interessen unseres Volkes gekränkt und deutsche Menschen um ihre primitivsten, von allen Kulturnationen erst kürzlich feierlich bestätigten Rechte betrogen wurden und werden, sondern weil an der Saar das neue Europa gekränkt wird, indem man den Geist verleugnet und höhnt, in dem es werden soll. Gegen diese Kränkung, gegen die Unfreiheit, gegen die im Namen der Demokratie geübte polizeistaatliche Willkür an der Saar hat sich die Partei aufgelehnt, deren Verbot den Anlaß zur heutigen Debatte gab. Gegen sonst gar nichts! Ich habe im Hinblick auf die heutige Aussprache das Schrifttum der DPS durchgesehen. Ich bin an keiner Stelle einer Forderung begegnet, die darüber hinausgegangen wäre. Ich bin an keiner Stelle der ihr vorgeworfenen Heim -insReich-Parole begegnet. Ich habe an keiner Stelle Formulierungen oder Forderungen , gefunden, die o den durch infame Verdächtigungen oder plumpe Fälschungen belegten Behauptungen Beweiskraft geben könnten, daß diese Partei Verbindung oder Gemeinschaft mit neofaschistischen Gruppen im Bundesgebiet hätte. Ich stieß überall nur auf den Protest gegen ein System der Willkür und des Terrors, der Rechtlosigkeit und der Entmündigung von fast einer Million deutscher Menschen. Aber selbst wenn diese Partei mehr gewollt hätte, wenn sie die Rückgliederung der Saar an Deutschland angestrebt hätte, wäre das - wie Herr Professor Schmid den Herrn Justizminister an der Saar vorhin richtig zitiert hat - kein Grund für ein Verbot gewesen. Sie hat es aber gar nicht getan, die verbotene DPS; sie hat sich nicht einmal gegen diesen Pseudo-Staat gewendet, sondern sie hat nur gegen die Art gekämpft, wie er beherrscht wird. Daß sie dazu ein Recht hatte, kann niemand leugnen, der sich in den vergangenen Jahren auch nur ein Weniges um das gekümmert hat, was an der Saar gespielt wurde, und der heute dieser Debatte folgte. Weil die DPS sich zur rechten Zeit zum Sprecher des unterdrückten Volkes gemacht hat, daher ihr Aufschwung, der Herrn Hoffmann so bedrohlich erscheint, daß er jetzt zum Polizeiknüppel gegen sie gegriffen hat. Die Opposition ist nicht von ihr durch staatsfeindliche Umtriebe entfacht worden, sondern die im Volke vorhandene und immer mehr wachsende Opposition hat die jetzt verbotene Partei hochgetragen. Das Volk hat sich ihrer als Sprecher und als Dolmetscher bedient. Aus den Tiefen eines gekränkten Volkes, nicht aus dem bösen Willen einer Parteiführung ist die Erbitterung gegen Herrn Hoffmann und gegen sein Regime gewachsen.
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Die Bevölkerung an der Saar erkennt die Rechtsgültigkeit des Saarregimes genau so wenig an wie wir - wir nicht, weil ihr die Legitimität und Souveränität fehlen, die Leute an der Saar nicht, weil sie noch besser als wir wissen, wie das Regime zustande kam, in welchem Maße es hörig ist, und weil sie die Auswirkungen dieses Regimes verspüren. Die durch einseitiges Vorgehen geschaffene Lage an der Saar hat, wie heute wiederholt festgestellt worden ist, keinerlei Stütze in den Abmachungen der Alliierten untereinander und keine in ihren Abmachungen mit Deutschland. Die Wahl, auf die sich Herr Hoffmann beruft, war unter dem Druck der Not und fremden Willens zustande gekommen. Wie die sogenannte Verfassung zustande kam, wurde hier ausführlich dargelegt. Dem Volk war sie nicht bekannt. Ihm ist aber mittlerweile bekanntgeworden, daß die wenigen zugelassenen Parteien damals nur zugelassen wurden, wenn sie als Minimum in ihr Programm den wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich und die politische Separation von Deutschland als Forderung aufnahmen. Die Gründungsakten der DPS, die uns als Beweismittel vorliegen, erweisen, wie stark damals der Vertrauensmann der Besatzungsmacht, Monsieur Gauthier, Einfluß genommen hat. Er setzte bei der Gründung dieser Partei durch, daß die ursprünglichen Gründer zurücktraten, weil sie zu deutsch schienen, daß Leute fremder Staatsangehörigkeit als Gründer auftraten,
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daß auf dem Programm das Bekenntnis zu einer föderalistischen deutschen Bundesrepublik gestrichen, daß das Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft ausgemerzt werden mußte und daß an ihre Stelle die Forderung des wirtschaftlichen Anschlusses an Frankreich und des kulturellen Austausches mit Frankreich aufgenommen wurde.
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Unter Zwang hat die sogenannte Demokratie an der Saar begonnen, und mit Zwang wird sie ,fortgeführt. Monsieur Gauthier und Monsieur Grandval könnten über Einzelheiten Auskunft geben, beispielsweise auch darüber, wie damals das Telegramm an die Moskauer Konferenz zustande kam und wie andere „spontane Willensäußerungen" des sogenannten Saarvolkes zustandegekommen sind.
Die Saar lebt auch heute noch unter dem Zwang. Auch nachdem die sogenannte Saarregierung sich durch ihren Beitritt zum Europarat zu einer demokratischen Regierungsmethode verpflichtet und den Pakt von Rom über die Menschenrechte unterzeichnet hat, dauern der Terror und der Druck unvermindert an. Sie verschärfen sich mit der wachsenden Erkenntnis des Herrn Hoffmann, daß die Tage seines Regimes gezählt sind.
. Es gibt keine Freiheit an der Saar. Das muß die Welt wissen, das soll die Welt heute von hier aus hören. Die Freiheit der Meinung wird unterdrückt, das Post- und Fernsprechgeheimnis wird nicht gewahrt. Saarländische Minister geben in aller Offenheit und Schamlosigkeit dem Parlament Kenntnis von abgehörten Ferngesprächen. Die Bespitzelung ist widerwärtig und nicht geringer als im Dritten Reich. Der Parteitag der DPS fand in einem Lokale statt, in dem die Regierung heimlicherweise Abhörmikrophone hatte einbauen lassen.
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Es gibt keine Pressefreiheit an der Saar, und es soll auch nach dem neuen Entwurf eines Pressegesetzes keine Pressefreiheit geben. Es existieren an der Saar statt früher 15 Zeitungen heute drei, von
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denen die größte französisch ist und je eine der SPS und CVP gehören. Der DPS hat man nicht nur keine Zeitung gestattet, sondern man hat ihr sogar die Herausgabe hektographierter Mitteilungsblätter verboten. Nicht nur die Herausgabe von Zeitungen unterliegt einer Lizenzierungspflicht, sondern auch die Betätigung als Journalist. Voraussetzung für die Gewährung der Konzession ist das Bekenntnis zur Präambel der sogenannten Saarverfassung, ist das Bekenntnis zum Verrat an Deutschland.
Es gibt an der Saar keine Koalitionsfreiheit -das wurde schon gesagt -, nicht nur nicht für die Parteien, auch nicht für die wirtschaftlichen Verbände, noch nicht einmal für die Sportvereine. Alles wird reglementiert mit dem Ziel, auch die leiseste oppositionelle Regung zu unterbinden. Und was damit nicht erreicht wird und erreicht werden kann, versucht man mit Ausweisung oder mit der Drohung mit ihr zu erreichen. Sie haben heute gehört, daß man dabei weder haltmacht vor alten, ehrwürdigen, verdienten Geistlichen noch vor alten Weggenossen des Herrn Hoffmann noch vor anerkannten Kämpfern gegen den Nationalsozialismus.
Über die Rechtswidrigkeit der Statuierung einer saarländischen Staatsangehörigkeit wurde ausreichend gesprochen, über die Handhabung des Staatsangehörigkeitsrechtes gleichfalls; sie wird dadurch gekennzeichnet, daß das Staatsbürgerrecht nicht nur willkürlich verliehen, sondern auch willkürlich entzogen werden kann. Infolgedessen sind außer den hier zitierten widerrechtlich Ausgewiesenen hier im Bundesgebiet Tausende deutscher Menschen, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können oder nicht zurückkehren dürfen.
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Ein Deutscher hat im deutschen Saargebiet heute nichts zu sagen. Er ist kaum geduldet. Er hat weniger zu sagen als jeder Ausländer. Durch die Aufteilung der Bevölkerung in Gruppen verschiedenen Rechts, durch die Drohung mit alten Polizeiverordnungen, die der Regierung das Recht zur Ausweisung von Politikern ebenso geben wie zur Ausweisung von Personen, die Unzucht getrieben oder sich des Bettels schuldig gemacht haben, durch die Drohung mit Staatssicherheitsgesetz und Gesetz zum Schutz des Arbeitsmarktes wird die Bevölkerung an der Saar in ständiger Furcht gehalten und von jeder Meinungsäußerung abgehalten. Das soll die Welt hören!
Gegen diesen Terror gibt es keine Möglichkeit, Gerechtigkeit zu erlangen. Es gibt -- es wurde zitiert - kein Verfassungsgericht, kein Verwaltungsgericht, es gibt keine Finanzgerichtsbarkeit. Die beklagte Regierung ist , zugleich und immer Richter in eigener Sache. Es gibt keinen Schutz gegen die Willkür der Regierung und keinen gegen ihre fremden Ratgeber.
Dank dieser Rechtlosigkeit und dank der Verträge, die Herr Hoffmann mit Frankreich geschlossen hat, wird der einzelne Saarländer laufend an seinem Vermögen geschädigt, ist das Saarland dauern benachteiligt. Die Überfremdung der saarländischen Wirtschaft ist beispiellos. Ebenso beispiellos ist die persönliche Bereicherung einzelner In- und Ausländer. Die Aufwendung des Saargebiets für seine an Frankreich verpachteten Gruben und die darin Tätigen beträgt ein vielfaches der erzielten Pacht. Diese beträgt nämlich 1 % des Verkaufserlöses für die Kohle, und der Erlös dieses Jahres - um einen Vergleich der Größenverhältnisse zu gestatten - wird etwa zur Hälfte dazu ausreichen, ein Verwaltungsgebäude in Saarbrücken zu bezahlen, das jetzt erstellt wird. Die Saarwirtschaft hat bisher aus den Marshallplangeldern 1% von dem erhalten, was ihr im Verhältnis ihrer Kapazität zu der französischen zustehen würde.
Diese Verhältnisse, meine Damen und Herren, nicht der Wille einer Partei, haben den Unwillen, haben die Opposition an der Saar mobilisiert. Dieser Unwille wendet sich primär genau so wenig gegen Frankreich, wie sich unser eigener Unwille gegen Frankreich in erster Linie kehrt. Die Bevölkerung an der Saar und wir wollen letztlich und erstlich nur Freiheit und Recht und den Frieden. Den Frieden vor allem mit Frankreich! Aber so schafft man keinen Frieden, und so bereitet man weder Europa noch die Einigung seiner Völker vor. Um des Friedens unserer Völker und um dieses. Europas willen beschwören wir Frankreich und seinen Außenminister, das Unrecht an der Saar so schnell wie möglich zu liquidieren.
Solange ein widernatürliches Staatsgebilde mit willkürlichen Grenzen gegen den Willen der Bevölkerung an der Saar aufrechterhalten wird, liegt etwas zwischen Deutschland und Frankreich. Wir aber wollen nicht, daß in Zukunft etwas zwischen uns liege. Die gegebene Zustimmung Frankreichs, daß die Endregelung an der Saar erst mit dem Friedensvertrag erfolge, wird zur Farce, wenn Herr Schuman in seinem letzten, sehr unglückseligen Brief den Inhalt dieser Regelung präjudizierend bereits vorwegnimmt.
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Meine Freunde werden weder einer früher getroffenen noch einer künftigen einseitigen präjudizierenden Maßnahme jemals zuzustimmen vermögen.
Wir wenden uns an das französische Volk, von sich selbst aus solche Lösungen auch nicht zuzulassen und nicht anzustreben, weil sie seiner und unserer Zeit unwürdig sind. Vielleicht war es früher verständlich, daß Frankreich die Annexion der Saar betrieb im Namen seiner Sicherheit oder weil es, wie Monsieur Bardoux im französischen Parlament formulierte, Tradition französischer Politik sei, an der Nordostgrenze eine Barriere autonomer Staaten aufzubauen. Bei der heutigen Weltlage, meine Damen und Herren - dafür sollte man auch in Paris Verständnis haben -, ist eine derartige Betrachtungsweise ein Anachronismus. Die Barriere, die heute Frankreich von der Unsicherheit, vom Krieg und von einer Vernichtung trennt, ist Deutschland, das ganze Deutschland,
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ein Deutschland, das im Interesse Frankreichs politisch, wirtschaftlich und sozial so stark wie irgend möglich sein soll. Wir sind bereit, diese Barriere vor Frankreich, vor Europa und vor unserer eigenen Vernichtung mit aufzurichten. Aber wir können das nur tun - auch das soll man in Paris wissen - in Freiheit und in Gemeinschaft mit unseren gleichberechtigten Brüdern.
Wenn Frankreich aber nur wirtschaftliche Vorteile will, dann werden wir mit allem Verständnis für sein . Bedürfnis und unter Anerkennung seiner ihm durch Hitler zugefügten Schäden mit ihm reden können. Wir sind bereit, dem deutsch -französischen Verhältnis, dem Frieden und der Einigung Europas wirtschaftliche Opfer zu bringen. Wir können - Kollege Schmid sprach vorhin schon davon -- Kohle und Eisen geben, und wir können wirtschaftliche Vorteile geben um des Friedens willen! Aber wir können, dürfen und werden nie deutsche Menschen
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geben, nicht ihre Freiheit und nicht ihre Menschenwürde!
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Das kann und das darf aber auch ein Land gar nicht wollen, das der Welt die Menschenrechte geschenkt hat und das in seine heute gültige Verfassung von 1946 den Satz aufgenommen hat:
Keine Gebietsabtretung, kein Gebietstausch,
kein Gebietsanschluß ist ohne die Zustimmung
der betroffenen Bevölkerungsteile gültig.
Das kann kein Land wollen, das der AtlantikCharta zugeschworen hat, in der es heißt:
Sie
--- die Vereinten Nationen wünschen nicht, daß territoriale Veränderungen
zustande kommen, die nicht mit dem frei geäußerten Willen der betroffenen Völker
übereinstimmen.
Politische Abtrennung von Deutschland ohne Volksbefragung kann niemand anerkennen, der sich zu diesen Thesen bekennt. Es kann sie aber auch niemand anerkennen, der einer politischen Zukunft Europas nachstrebt, statt nationalistischen Ressentiments nachzuhängen. Wir wollen Europa, und wir waren und sind bereit, unter Zurückstellung vieler Bedenken uns mit Frankreich und den übrigen westeuropäischen Völkern auf der Basis des Schumanplans zu finden. Unser Parteivorsitzender Blücher hat neulich unsere Haltung zum Schumanplan unter die Überschrift gestellt: „Besorgte Zustimmung". Wir richten heute die ehrliche und ernste Bitte an Frankreich, das Maß unserer Sorge nicht so schwer zu machen, daß es das Maß unserer Bereitschaft überwiegen könnte. Was soll, meine Damen und Herren, ein Schumanplan für den europäischen Markt, aus europäischem Geist, wenn regionale Regelungen aus einer primitiv -nationalistischen Denkweise heraus vorweggenommen werden?
Und nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluß noch ein mehr persönliches Wort. Ich habe jahrelang mit unserem letztlich an der Saarfrage verstorbenen Kollegen Ernst Roth in unserer gemeinsamen westdeutschen Heimatstadt auf der gleichen Schulbank gesessen, und mit uns saßen auf dieser Bank und saßen in dem Raum Kameraden, die Herr Johannes Hoffmann heute für seine „Saarnation" in Anspruch nimmt, die nach seinem Willen für uns Ausländer sein sollen, wie wir nach seinem Willen für sie Ausländer sein sollen. Die jetzt drüben über der künstlichen Grenze Wohnenden und wir, wir haben aus der Geschichte unserer Heimat dort im Westen nur die eine Lehre gezogen, daß Friede sein soll und muß -auch um einigen Preis - zwischen Deutschland und Frankreich.
Wir gestehen auch zu, daß das, was man uns vorhält, seine Berechtigung haben mag, daß Frankreich, wenn es uns die Hand reichen soll, einiges vergessen muß. Wir bitten aber im Anblick der Ruinen unserer Heimat im Westen und in Kenntnis ihrer blutgetränkten und branddurchwehten Grenzlandgeschichte um Verständnis dafür, daß auch wir einiges zu vergessen haben.
({12})
Wir wollen vergessen, und wir, die wir im Westen
unsere Heimat haben, wollen das besonders. Wir
wollen den Frieden mit Frankreich. Wir wollen,
daß auch Frankreich vergißt, daß alles vergessen
wird, was vorgestern und was gestern war. Was an
der Saar ist und wirkt, meine Damen und Herren,
das ist von gestern, Geist von gestern und Wille von gestern.
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Wir möchten - und ich glaube, ich darf das auch namens meiner Freunde tun -- das heutige, nicht des gestrige Frankreich beschwören, mit uns den Geist und den. Willen eines neuen, eines gemeinsamen europäischen Morgen zu mobilisieren.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist in diesem Hause sehr viel von dem Terror gesprochen worden, unter dem die saarländische Bevölkerung heute steht. Es sind darüber hinaus auch sehr oft die Menschenrechte zitiert worden. Zu allen diesen Äußerungen bekennen wir uns vollinhaltlich.
Warum besteht der Streit um das Saargebiet? Weil man offensichtlich ein wirtschaftlich so außerordentlich wertvolles Gebiet, anstatt es zu einer Brücke zwischen Deutschland und Frankreich zu machen, im Interesse einiger wirtschaftlich daran besonders interessierter Kreise dem französischen Wirtschaftskörper einverleiben möchte. Im Saargebiet werden allein 9 % der gesamten deutschen Kohle, 23 % Roheisen, 18% Rohstoffe und Walzwerkerzeugnisse, 12,5 % Benzol, 31 % Thomasmehl gefördert. Ich könnte weiter und weiter Zahlen zitieren, die den unerhört großen wirtschaftlichen Wert des Saargebietes dokumentieren.
Deshalb will man also dieses Gebiet dem 'deutschen Wirtschaftskörper nehmen, um damit auch die deutsche Wirtschaft zu schwächen und den Aufstieg Deutschlands zu verhindern. Daß damit letzten Endes vielleicht auch der französische Arbeiter Nachteile einstecken müßte, das hat man vielleicht in Paris noch nicht so ernst genommen, wie es bereits die französischen Arbeiter der mittelfranzösischen Kohlengruben ernst genommen haben, die genau wissen, daß, wenn das Saargebiet Frankreich restlos einverleibt wird -- worauf man in Paris offensichtlich hinstrebt -, sie arbeitslos werden, weil ihre Kohlengruben wegen Unrentabilität geschlossen würden.
Seit dem Einzug der Franzosen und vor allem seit der Regierung des Hohen Kommissars Grandval ist im Saargebiet eine Politik des Terrors und des Hungers getrieben worden, die in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands, vielleicht überhaupt einmalig ist.
({0})
Ich glaube, daß selbst die Ostzone - wenigstens für die Zeit, in der die Hungerpolitik im Saargebiet getrieben wurde - auch keine geringeren Lebensmittelrationen verteilte, als es Herr Grand-val tat, so daß die Kinder während dieser Zeit mit Hungerkröpfen, ausgemergelt, hohläugig und hohlwangig herumgelaufen sind, ein Bild, das mir, der ich damals auch da unten gewesen bin, heute noch klar und deutlich vor Augen steht. Dieser Herr Grandval konnte sich nicht entblöden, kürzlich zu erklären: „Ich, der ich vier Jahre im Saarland weile, kann bestätigen, daß man den Deutschen mit dem Saarländer nicht verwechseln darf." Entweder hat er soviel in der Volksschule nicht mitbekommen, daß zwischen den Saarländern und den Deutschen überhaupt kein Unterschied besteht, daß die Saarländer auch Deutsche sind, oder aber er sieht seine Aufgabe darin, sich als notorischer Brunnen({1})
vergifter zu betätigen. Man hat genau so wenig, wie man das anfangs in der französischen Zone getan hat, die Ostvertriebenen in das Saargebiet aufgenommen; im Gegenteil, man schritt, wie das heute schon erwähnt wurde, noch dazu, unliebsame saarländische Bewohner auszuweisen und sie einer ähnlichen Not preiszugeben, wie sie die Ostvertriebenen an sich haben verspüren müssen. Die Geschichte der französischen Besatzung seit 1945 ist eine einzige Kette einseitiger und auf die Unterdrückung der deutschen Bevölkerung im Saargebiet gerichteter Maßnahmen.
Man hat dann nach dem alten Rezept Napoleons, aus den Deutschen heraus die nötigen Canaillen - wie Napoleon das bezeichnete - zu finden, eine Bewegung für den Anschluß an Frankreich aufgemacht, die sehr große Geldmittel zur Verfügung gestellt bekam und der - wie heute schon von Professor Schmid ausgeführt wurde - tunlichst jeder, der in einer öffentlichen Stellung war, angehören mußte. Aber es wäre falsch, nun nur Frankreich die Schuld für eine solche Entwicklung im Saarland zuzuschreiben. Ich weise vielmehr darauf hin, daß die französische Bevölkerung sich eine solche Politik - wenigstens in dem Ausmaß - vielleicht nicht geleistet hätte, wenn sie nicht die Unterstützung Englands gehabt hätte, von der - es ist wiedergegeben in der CDU-Zeitung HNN ({2})
- ja, die lese ich, Herr Graf von Spreti! - die Zeitung „Die Tat" erklärt hatte, „an der Entschlossenheit der, sozialistischen Regierung Englands, Deutschland auch das Saarkohlengebiet zu nehmen, darf nicht gezweifelt werden."
Im Saarland hat man nun, weil man die Unterstützung Englands offensichtlich hatte, ein regelrechtes Kolonialstatut eingerichtet, das dem von Marokko und Indochina ähnelt. Der Hohe Kommissar hat überall Weisungsbefugnisse. Ob es sich um Verordnungen, Anordnungen der Regierung oder Gesetze handelt, - sie bedürfen der Gegenzeichnung durch den hohen Kommissar. Ob es sich um Ernennungen hoher saarländischer Beamter, ob es sich um die Aufrechterhaltung der sogenannten öffentlichen Ruhe und Ordnung handelt, alles das ist letzten Endes in die Weisungsbefugnisse des Hohen Kommissars gegeben. Darüber hinaus konnte eine schweizerische Zeitung kürzlich berichten, daß die saarländische Polizei engsten mit der französischen Sûreté zusammenarbeitet, von der wohl jeder weiß, was er von dieser Einrichtung zu halten hat. Danach hat sich die Saarregierung verpflichtet, höhere Polizeibeamte nur im Einvernehmen mit dem französischen Vertreter zu ernennen und außerdem für eine nicht spezifizierte Übergangszeit die saarländische Staatsangehörigkeit nur an solche Ausländer - das sind natürlich Deutsche
zu erteilen, die den Franzosen genehm sind, ja darüber hinaus bei Gewährung oder Entzug der Aufenthaltsgenehmigung im Saarland den Wünschen der zuständigen französischen Dienststellen entsprechende Beachtung zu schenken.
Das bedeutet nichts anderes, als daß der Hohe Kommissar in Wirklichkeit der Regent ist und nicht jener Mann, der sich so großartig als Regierender in Saarbrücken aufspielt. Der Bischof Bornewasser von Trier hat einmal gesagt: Wer dem Vaterland die Treue bricht, ist ein Verräter. Als ein solcher ist ein Mann zu bezeichnen, der ursprünglich nach seinem Abzug aus Saarbrücken, beim Deutschen Telegrafenbüro tätig war, bis zum Jahre 1930 gegen die Franzosen schimpfte und jeden Deutschen, der sich im Saargebiet nicht als guter Deutscher betätigte, als einen Feind des Vaterlandes bezeichnete, um dann nach seinem Ausscheiden aus demselben Telegrafenbüro plötzlich zur anderen Seite überzulaufen und das so konsequent zu tun, daß er sogar, wie er selber gesagt hat, im letzten Kriege auf der Seite Frankreichs gegen Deutschland gekämpft hat. Das ist der Sarrois Johannes Hoffmann. Er ist ein genau so erbärmliches Subjekt, das mit Lügen übelster Art - auf die ja heute dankenswerterweise schon der Kollege Strauß hingewiesen hat - arbeitet wie jener Mann, mit dem zusammen er seinerzeit die wohl übelste Zeitung, die jemals in sogenannter deutscher Sprache erschienen ist, herausgegeben hat, nämlich die „Saarbrücker Zeitung". Das ist das Mitglied der Sozialdemokratischen Partei des Saargebietes, Peter Zimmer. Was diese Männer im Jahre 1945 in der „Saarbrücker Zeitung" an Lügen, an Verdrehungen, an Gemeinheiten, die sogar ans Pornographische heranreichen, veröffentlicht haben, das dürfte, glaube ich, sogar manchen Giftkoch in Redaktionen in Deutschland, vielleicht bei der „Neuen Zeitung" oder bei der „Welt", zum Erblassen bringen, wenn sie diese „Leistungen" einmal zu Gesicht bekommen würden.
Professor Schmid hat heute Herrn Spaak erwähnt und gesagt, politische Argumente sind nicht mit Polizeigewalt zu unterdrücken. Das Wort ist richtig. Nur durfte man nicht gerade Herrn Spaak erwähnen, der nämlich in seinem eigenen Land politische Dokumente und politische Argumente, die über seine Vergangenheit berichten, ebenfalls mit Polizeigewalt unterdrückt. Und dann wundere ich mich über die Klagen, die hier von Parteien angestimmt werden, die immer so großen Wert auf ihre internationalen Beziehungen legen und es nicht einmal vermocht haben, entweder mit diesem kleinen Klüngel in Saarbrücken fertig zu werden oder diesen Klüngel von der Gefolgschaft zu trennen.
Die Regierung hätte die Möglichkeit, auch auf die unfreundliche Politik Frankreichs Druck auszuüben, wenn sie einfach sagen würde: Wir spielen beim Schumanplan nicht mit, solange die Saarfrage nicht im Sinne des Rechts und damit im deutschen Sinne gelöst ist. Wir möchten hier der Regierung den Rat geben, doch in diesem Sinne tätig zu sein.
Zum Schluß möchte ich noch folgendes sagen. Die vielen guten Worte, die heute hier gefallen sind, veranlassen mich, dem Herrn Bundesinnenminister den herzlichst gemeinten Rat zu geben, das Protokoll von heute sehr genau durchzustudieren und sich auch danach richten zu wollen, damit nicht dieselbe Debatte, Herr Bundesinnenminister, vielleicht im saarländischen Landtag als Anklage gegen die Bundesrepublik noch einmal durchgeführt werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn etwas tief bedauerlich ist, dann ist es die Tatsache, daß jetzt wie ein Blitz aus heiterem Himmel diese Komplikationen über uns hereingebrochen sind, die die Saar betreffen und die das Verhältnis zwischen Deutschland und , Frankreich, das uns wohl allen am Herzen liegt, zu trüben drohen. Ich möchte folgendes klarstellen:
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Ich glaube, nach all den Lehren der Vergangenheit muß Friede und Freundschaft mit dem französischen Nachbarvolk der Wunsch. jedes guten Deutschen sein. Gerade unter diesem Gesichtspunkt schmerzt uns die ganze Angelegenheit so besonders.
Es ist heute schon manches über das Problem gesprochen worden; nur eines scheint mir noch nicht erwähnt worden zu sein. Wie kam es denn, daß all das mit solcher Wucht plötzlich über uns hereingebrochen ist? Ich glaube, wir sind teilweise über die ganzen Gegebenbeiten in dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich falsch informiert worden, leider auch von seiten der Regierungsbank, die uns nicht genügend und. nicht rechtzeitig über die Widerstände informiert hat, die in weiten Kreisen der Bevölkerung Frankreichs und auch im französischen Außenministerium noch gegen die Prämissen bestehen, die von seiten der Bundesregierung bereits als gegeben angenommen worden sind. Es ist in der Politik immer falsch, wenn man sich entweder selber rosenrote Brillen aufsetzt oder sie anderen Leuten aufsetzen will und die Gegebenheit nicht berücksichtigt. Gerade da hat man uns die Wahrheit nich t gesagt! So kam es, daß manche hier in diesem Hause und in der Öffentlichkeit sich in dem falschen Glauben gewiegt haben, als könnte man den Schumanplan ohne weiteres unterzeichnen und als seien die Probleme zwischen Deutschland und Frankreich bereits so geklärt, daß es darüber keiner weiteren Auseinandersetzungen mehr bedürfte. Es wäre Sache des Herrn Bundeskanzlers gewesen, bei den einschlägigen Besprechungen mit dem französischen Außenminister sich durch rechtzeitige Rückfragen zuerst zu vergewissern, wie die Situation im allgemeinen ist, und, wenn man darüber Gewißheit hat, selbstverständlich auch von sich aus eine entsprechende Politik einzuschlagen, eine Politik, die nicht Äpfel pflücken will, welche noch nicht reif sind, vor allem eine Politik, die nicht Dinge hingibt, die wir noch sehr notwendig brauchen könnten - wie heute schon von anderer Seite des Hauses gesagt worden ist -, die nicht Dinge hingibt, ohne dafür die nötigen Gegenleistungen im voraus zugesichert zu bekommen.
Darüber gibt es doch keinen Zweifel: wenn schon eine Lösung kommen soll, wie der Schumanplan sie vorsieht, dann ist Grundvoraussetzung eine vollkommene Bereinigung der Streitpunkte zwischen Frankreich und Deutschland. Wenn dis von seiten irgendeines Partners, sei es von seiten des französischen Partners, sei es sonstwoher, nicht getan wird, dann sind auch für uns die Voraussetzungen in Wegfall gekommen, die zu einer Ratifizierung des Schumanplans durch uns in dem jetzigen Moment führen könnten und dazu in etwa berechtigen würden. „Gouverner c'est prévoir" - Regieren heißt voraussehen - gilt doppelt und dreifach für die Außenpolitik! Ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat leider nicht vorausgesehen, was hier alles kommen würde, kaum daß die Tinte auf dem Dokument trocken war, in welchem der Herr Bundeskanzler den Schumanplan zuerst für sich unterzeichnet hat!
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen:
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Wir können nur dann mit Recht gegen undemokratisches Verhalten gewisser Leute im Saargebiet protestieren, wir können nur dann uns mit Recht, wie das heute geschehen ist, darüber entrüsten, daß die Opposition im Saargebiet nicht über das Radio
sprechen darf, daß sie in ihren Rechten da und l dort beschnitten wird, wenn wir bei uns selber mit gutem Beispiel vorangehen, wenn wir nicht nach Parteiverboten schielen,
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wenn wir nicht auf dem Wege über die Nichtzulassung zum Radio versuchen, im Inneren Deutschlands die Opposition niederzuhalten! Nur d a s können wir mit Recht auch vom Ausland verlangen, was wir hier selbst tun, und es hat mich sehr gefreut, daß der Bundeskanzler heute so entschieden betont hat, daß Verbote von Parteien der denkbar schlechteste Weg sind, um eine Demokratie zu stärken:
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Lassen Sie mich am Schluß noch einen Satz sagen, damit keine Mißverständnisse entstehen: Das Schicksal Europas, das Schicksal der Welt hängt ab
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von Freundschaft und Frieden zwischen Deutschland und Frankreich. Möge das überall erkannt werden; möge über a 11 ein Rückfall in die Fehler und die Sünden der Vergangenheit unterbleiben! Nur dann kann Europa und nur dann kann die Demokratie gerettet werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was die Frage der Saar selber anlangt, so haben wir eine sehr ähnliche und fast genau so wie heute durch allzulange Reden etwas entwertete Debatte hier im Hause am 10. März 1950 gehabt. Damals wie heute, darf ich feststellen, herrschte bei der Opposition von links und rechts und bei den Regierungsparteien Einmütigkeit darüber, daß erstens rechtlich alles, was an der Saar geschieht, von Frankreich befohlen, geduldet oder herbeigeführt, für uns und die übrigen Völker nicht existent sein kann und daß wir zweitens das Unrecht, das unseren Landsleuten, diesen 900 000 Saarländern, geschieht, beklagen. Daß wir andererseits als Nachbarn Frankreichs sehr wohl einmütig anerkennen, daß Frankreich mit Rücksicht auf die Saarkohle und seine lothringischen Erze stärkste wirtschaftliche Interessen im Saargebiet und in den angrenzenden Gebieten zu vertreten und für sich selbst wahrzunehmen hat, darüber herrscht Einigkeit. Über die außerordentlich beklagenswerten Einzelumstände an der Saar ist heute sehr eingehend gesprochen worden. Dazu - ven mir aus kein weiteres Wort.
Was die Sache so ungemein ernst, ich möchte sagen, tragisch macht, das hat mein Vorredner, Herr Loritz, angedeutet. Seinen Kursus darüber, wie sich ein Außenminister im Ausland nach seiner Meinung benehmen muß, wird sich der Herr Bundeskanzler zu eigen machen, und er wird ihm ein gelehriger Schüler sein. Ich glaube allerdings, daß Belehrungen in dieser Beziehung nicht gerade nötig sind; aber sie schaden auch nichts, und man nimmt sie zur Kenntnis.
Herr Loritz hat aber insofern recht, als er sagt, daß wir hier im Bundestag, zumindest zum Teil und jedenfalls wir auf den Regierungsbänken durch das, was mit dem Schuman-Brief vom 9. Mai 1951 im Saarland angerichtet worden ist, überrascht,
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alle aber ausnahmslos geradezu empört sind. Dieser Umstand ist in der Debatte mit Rücksicht auf die Regierungserklärung nicht sehr hervorgetreten. Auch ich will ihn nicht sehr breit behandeln. Ich halte dieses Überraschungsmoment aber für das Entscheidende, worüber heute gesprochen werden muß, was in den Ausführungen meines Vorredners, des Herrn Kollegen Mayer von der FDP, auch durchklang.
Wie liegen insofern die Dinge? Als wir uns am 10. März 1950 hier über die Saarkonventionen an Hand einer außerordentlich einprägsamen und nachlesenswerten Regierungserklärung unseres Herrn Bundeskanzlers unterhielten, da hatten wir alle das Gefühl, daß durch derartige Dinge bei uns in Deutschland in den Kreisen rechtsradikaler Agitatoren größtes Unheil angerichtet werden könnte; denn selbstverständlich wird sich einem französischen Nationalismus wiederum ein deutscher entgegenstellen, und damit kommen wir dann wieder etwa auf den Standpunkt des Jahres 1900 zurück, als hätten Frankreich und Deutschland ein halbes Jahrhundert nichts erlebt. In jener Debatte am 10. März 1950 hat mein Parteifreund Dr. von Campe erklärt, daß man sich durch solche peinlichen Unrechte, wie sie an der Saar begangen würden, nicht von der klaren Konzeption abbringen lassen dürfe, daß man vielmehr, indem man auf wirtschaftlichem Gebiet in Europa durch Verträge Ordnung schaffe, derartige vollkommen aus der Zeit gefallene imperialistische Regungen zurückdämmen solle und könne. Dann fiel, von uns allen freudigst begrüßt, in diese abwartende Atmosphäre hinein von Frankreich aus die unter dem Namen Schumanplan inzwischen weithin populär gewordene Anregung, bei der Montanindustrie wirtschaftlichpraktisch mit dem Aufbau Europas zu beginnen.
Unabhängig davon, was man vom Schumanplan im einzelnen halten mag, möchte ich hier nur zweierlei betonen: Einmal ist daran das völlig Neue, daß hier zum erstenmal auf einem für die Wirtschaft der verbundenen Nationen wichtigsten Teilgebiet eine europäische Souveränität geschaffen wird, daß zum erstenmal in der Weltgeschichte überhaupt selbständige Staaten zu einem Überstaat zusammentreten. Zweitens ist dadurch, daß man sich ausgerechnet bei der Bewirtschaftung der Grundstoffe Kohle, Eisen und Erz zu einer Souveränitätsaufgabe veranlaßt sah, endgültig ausgeschlossen, daß zwischen diesen verbundenen Staaten jemals wieder ein Krieg geführt werden kann. So ist es nach Annahme dieses Planes angesichts der Natur der modernen technischen Kriege vollkommen unmöglich, daß Frankreich und Deutschland jemals wieder auf verschiedenen Seiten in einen Krieg eintreten können. Diese beiden Umstände - der erste praktische Schritt zu einem überstaatlichen Gebilde und die nicht durch irgendwelche „Nichtangriffspakte", nicht allein mit Worten erklärte, sondern durch die Tat, durch die Satzung, durch die Schaffung neuer Gewalten herbeigeführte Unmöglichkeit der Kriegführung zwischen zwei Nationen, die jetzt seit genau 300 Jahren fast nichts anderes getan haben, als gegeneinander Krieg zu führen - bilden das unglaubwürdig Neue und das, was - so meine ich - auch bei den Herren der SPD hier im Hause einige Hoffnung und einige Begeisterung hervorrufen könnte. Diese Dinge werden durch einen Vertrag eingeleitet, dessen Präambel mein Vorredner Herr Dr. Seelos mit gerührten Worten schon als geradezu „begeisternd" bezeichnet hat. Es ist in dieser Präambel davon die Rede, daß „schöpferische Anstrengungen für den
Weltfrieden" gemacht werden, daß „ein Beitrag für ein organisiertes und lebendiges Europa und zur Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen" geleistet werde und daß die Entschlossenheit betätigt werde, „an Stelle jahrhundertealter Rivalitäten den Zusammenschluß der wesentlichsten Interessen" und sonstiger Gemeinsamkeiten zu fördern. Alles das ist wunderschön und aller Ehren wert.
Nur haben wir als das besiegte Volk, das immer noch, wenn auch abgeschwächt, unter dem Besatzungsrecht leidet - ich muß es sagen: leidet! -, von unseren Besatzungsmächten je und je in den letzten sechs Jahren -- immer mehr abgeschwächt, aber immer wieder neu - einige Nadelstiche empfangen, die uns allzu hochmögende Erklärungen etwas skeptisch ansehen lassen. Wir haben dergleichen aber noch niemals in einem Vertrage als eine verbindliche Rechtssatzung niedergelegt gesehen; denn wir können ja erst seit jüngsten Daten überhaupt Verträge schließen, nachdem wir außenpolitisch wieder selbständig geworden sind. Und nun. muß es uns passieren, daß unmittelbar nach der Unterzeichnung, man kann fast sagen: am Tage darauf im Saargebiet, dieser Achillesferse unserer französischen Beziehungen, etwas geschieht, was uns vor unheimliche Fragen stellt, nämlich besonders vor die Frage: Welchem Frankreich stehen wir gegenüber? Dem, das diesen Vertrag unterzeichnete und sich zu so hohen menschlichen Taten bereit erklärt hat, oder demjenigen, das sich, als hätten wir kein halbes Jahrhundert erlebt, mit Grenzverschiebungen, durch Eroberung wertvoller Gebiete selbst schadlos halten will und vor dem mit größtem Mißtrauen gesehenen Nachbarn schützen zu müssen glaubt. Das eine ist der Imperialismus des 19. Jahrhunderts, das andere ist der zukunftsfrohe Glaube einer modernen europäischen Nation. Man kann nicht beides gleichzeitig vertreten wollen. Eines von beiden ist geheuchelt; und wir Deutschen haben uns zu fragen: was ist geheuchelt? Diese Frage werden wir heute hier nicht beantworten. Ich möchte aber auf eine Frage eingehen, die Herr Dr. Carlo Schmid schon anschnitt.
Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, daß er „mit tunlichster Beschleunigung" die Vorlage über den Schumanplan einbringen werde. „Tunlichster" - der Superlativ bedeutet doch wohl „größtmöglicher". „Tunlicher" hieße „unter Abwägung alles Für und Wider so schnell wie möglich". Ich hätte gewollt, es hieße - gramatisch richtiger - „tunlicher Beschleunigung". - Er hat nun aber weiter erklärt, daß dann, wenn das geschähe, hier im Saale, wie er befürchten müsse, politische Meinungsverschiedenheiten entstehen könnten, von denen heute nicht die Rede sein solle, und daß - nun kommt es - es sich „bis dahin" zeigen werde, ob der bestehende Konflikt an der Saar bereinigt werden könne. Daraus hat Herr Dr. Carlo Schmid die Möglichkeit abgeleitet, daß man also mit der Einbringung der Vorlage warten würde, bis sich an der Saar irgend etwas -hoffentlich auch äußerlich, nicht nur erklärungsmäßig - gegenüber dem heutigen Zustand geändert habe. Der Herr Bundeskanzler aber hat diese Frage verneint
Ich möchte demgegenüber folgendes zum Ausdruck bringen. Der Schumanplan, dessen Grundtendenz ich gefeiert habe, enthält in seinen Einzelheiten eine solche Fülle von Bestimmungen, daß nur der Jurist - wie ich etwa - die juristischen, der Wirtschaftler die wirtschaftlichen, der Kohleexperte die Kohlebestimmungen, der Erzfachmann die Erzbestimmungen usw. in jeder Beziehung übersehen kann. Er ist ein Gesamtwerk, aus einer Fülle sachlicher Beratungen entstanden, dessen
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letzte Qualität ein Einzelner kaum beurteilen kann. In den Schumanplan sind sehr viele institutionelle Garantien eingebaut, damit dieser oder jener Staat nicht an die Wand gedrückt werde, so daß man hoffen kann, dieser Plan werde technisch funktionieren. Es sind aber auch so viele Bestimmungen drin, die dem Laien schildern, wie außerordentlich schwierig und kompliziert die Übergangszeit ist, daß man sieht: auch die Verfasser haben die Sorge, ob die Überleitung der Einzelwirtschaften in den großen europäischen Markt auch überall reibungslos verlaufen werde. Er ist also jedenfalls alles in allem ein Wagnis, und zwar ein wunderschönes, kühnes, fortschrittliches Wagnis. Wie es funktioniert,, wissen wir aber nicht.
Ich halte nun gar nicht viel von „institutionellen Garantien". Wir haben ja bekanntlich als solche z. B. im Dritten Reich die Sondergerichte gehabt, um eine „Rechtsprechung" zu garantieren. Ich kann Ihnen nur sagen: Das war eine äußerliche Garantie; innerlich wurde nicht Recht gesprochen. Deswegen sind auch hohe Gerichte, die eingesetzt werden, nur dann eine Garantie, wenn man den Geist kennt, aus dem sie urteilen werden. Wenn wir zu den Partnern unseres Vertrages nicht das volle, mit aller Nüchternheit abgewogene Vertrauen haben können und wissen, daß der Geist des Vertrages der gleiche ist, den wir wollen, nämlich die unter Opfern vollzogene Einreihung in eine größere europäische Gemeinschaft, wenn wir uns dessen nicht sicher sind, so ist es - ich sage das offen - unmöglich, das Risiko eines solchen Vertrages zu laufen. Denn es hängt ja nicht von den Paragraphen, es hängt von dem Geist ab, mit dem dieser neuartige, schöne Vertrag durchgeführtwird, ob er funktioniert und ob er unseren Kindern und Enkeln zum Segen wird. Andernfalls laden wir unter Umständen einen Fluch auf uns, den wir vor niemandem verantworten können. In diesem Sinne ist es - mit Herrn Loritz gesprochen - so tieftraurig und tragisch, daß uns das jetzt passieren muß und daß unsere Skepsis gegenüber dem Vertragspartner des Herrn Bundeskanzlers so erheblich zugenommen hat. Ich hoffe sehr, daß es seiner hohen Kunst, seinem europäischen Willen und seinem deutschen Herzen gelingen möge, diese Schwierigkeiten zu beheben, so daß wir mit voller Zuversicht und mit voller innerer Überzeugung etwas Segensreiches schaffen und dem Werke des Schumannlans, wenn es uns vorliegt, werden zustimmen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden die Saarfrage, Herr Bundeskanzler, nie zu einer Parteifrage machen. Wenn sich unser Blick zum Saarland wendet, dann geschieht es aus Sorge, Verantwortung, nationaler und christlicher Verbundenheit. Allein daß es heute nochmals oder, besser gesagt, schon wieder zu einer Saardebatte kommen mußte, beweist die Stichhaltigkeit meiner Worte zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers am 27. September 1949, mit denen ich seine Stellungnahme zum Radikalismus und Nationalismus widerlegte.
Für uns Sudetendeutsche ist die für ganz Europa tragische Entwicklung im Saargebiet kein Novum, nichts Neues; denn wir haben die nationalistische Patronatsherrschaft Frankreichs am eigenen Volkskörper verspürt. Als ich vor einem Jahr eine Vertretung aus dem Saarland anhören konnte, da vermochte ich festzustellen, daß die heutigen Zustände an der Saar ein lebendiges Ebenbild von unseren Verhältnissen im Sudetenland von anno dazumal sind. Zunächst fängt man mit der Wirtschaft an. Man knobelt sie aus, bringt fremdländische Ingenieure heran, die allmählich Besitzer der Unternehmungen werden, indem man den Eigenbesitz vernichtet. Die eigenständigen Arbeiter werden Sklaven dieser Eindringlinge, wobei man vorher durch eine künstliche Arbeitslosigkeit die Arbeiterschaft gefügig macht, die dann, um nur überhaupt noch leben zu können, ihre Arbeitskraft für einen Spottpreis zur Verfügung stellt. Noch viel brutaler geht man mit dem Kreis der Personen um, die durch ein Beamten- oder Angestelltenverhältnis vom Staate abhängig sind. Diese Beamten oder Angestellten müssen unter der Oberaufsicht dieser Patronatsherren ihre Dienste leisten und werden, wenn sie nicht den Wünschen ihrer nationalistischen Vorgesetzten entsprechen, als unbrauchbar entlassen. Diese Eindringlinge ziehen ihre Familien nach. Das nehmen wir ihnen nicht übel. Aber dann werden für ganz wenige Kinder in rein deutschen Gemeinden Schulen für diese fremdländischen Kinder gebaut. Man fängt an, die abhängigen Menschen dazu zu bewegen, auch ihre deutschen Kinder in diese Schulen zu schicken. So wird auch die Intelligenz nach und nach brotlos und damit gefügig gemacht, und so erreicht man langsam aber sicher die Entnationalisierung der angestammten Bevölkerung. Den charakterfesten Teil der bodenständigen Bevölkerung macht man mundtot; denn jedes selbstverständliche Sichwehren gegen diese teuflische Entmenschlichung wird als nationalistisch und staatsfeindlich hingestellt.
Frankreich hatte nach 1918 das Patronat über das krankhafte mitteleuropäische Lügengebilde Tschechoslowakei übernommen und duldete die Vertschechisierungspolitik an 3 1/2 Millionen Deutschen von seiten dieser hussitischen, nationalistischen Tschechen. Genau dasselbe machen heute die Franzosen an der Saar, nur mit dem Unterschied, daß sie sich diesmal nicht der Benesch-Leute, sondern der Hoffmann' schen Verräter an der Saar bedienen. Der Geist Richelieus ist heute in Frankreich lebendiger denn je, so wie heute der Hussitismus in den slawischen Ländern eine neuerliche Blütezeit erlebt.
Auch die Vorgänge an der Saar sind ein Beweis dafür, daß noch nie in der Geschichte die Lüge, die Demagogie, die Begriffsentwertung derartige Triumphe gefeiert hat wie heute im modernen Zeitalter der Sklaverei. Der todbringende krasse Materialismus im Denken und Handeln des einzelnen Menschen und ganzer Völker und Nationen ist der Motor dieser Zeiterscheinung. Aus diesem grundsatzlosen, vermaterialisierten Zeitgeist heraus ist allein auch das nationalistische, brutale Verhalten Frankreichs im Saarland zu erklären. Dieses Verhalten Frankreichs in der Saarfrage macht es, gelinde gesagt, schwer, noch an Worte der Verantwortlichen dieses Staates zu glauben, wenn sie von Demokratie, von Freiheit sprechen. Kein Geringerer als Bundeskanzler Dr. Adenauer selbst sagte in seiner Rede am 10. März 1950 hier in diesem Hohen Hause, daß im Saargebiet weder Freiheit noch Demokratie herrsche.
Wenn sich auch Frankreich nicht an den Abkommen von Potsdam und Jalta beteiligte - Schanddiktate, die wir Deutsche immer verfluchen werden -, so macht Frankreich durch sein Verhalten im Saarland gegenüber Deutschland doch praktisch das gleiche, was die Mächte von Potsdam und Jalta
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an Deutschland und damit an Europa verbrochen haben. Sowenig wie wir nur auf einen Quadratmeter ehemals deutschen Bodens im Osten und Südosten verzichten und niemals eine Oder-NeißeLinie als Friedensgrenze Ostdeutschlands anerkennen oder auf unser Sudetenland verzichten werden, so wenig werden wir unsere Brüder und Schwestern im deutschen Saarland abschreiben lassen.
Wir zweifeln keine Sekunde daran, daß unser Herr Bundeskanzler nicht alles getan hat, was in seiner hohen Stellung menschenmöglich war; denn seine Worte in der 46. Sitzung am 10. März 1950 und seine heutigen Ausführungen zur Saarfrage geben ein beredtes Zeugnis von seinem idealen Wollen, im Interesse unseres ganzen Kontinents eine aufrichtige Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland herbeizuführen, ohne daß auch nur ein Land etwas von seinen berechtigten Interessen aufzugeben hätte. Das deutsche Saarland gehört aber nun einmal volkspolitisch, wirtschaftlich, geographisch und geschichtlich zu Deutschland.
Man soll Wunden nicht aufreißen, sondern heilen. Wunden kann man aber nur heilen, indem man wiedergutmacht, was man auch an Deutschland verbrochen hat. Ich weiß nur zu gut, daß man unsere schönen deutschen Wälder, die auch die Herren Franzosen abgeholzt haben, nicht von heute auf morgen wiederaufforsten und in ihrer ursprünglichen Größe und Schönheit wiedererstehen lassen kann. Ich will schweigen von den unmenschlichen Behandlungen und Grausamkeiten, die unseren deutschen Soldaten widerfuhren. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, was in Kriegsgefangenenlagern und an politischen Gefangenen bis in die jüngste Zeit von seiten der Franzosen geschehen ist. Aber unverständlich und unverzeihlich ist es, was jetzt an der Saar geschieht, während man von einem Vereinigten Europa, von einem Schumanplan spricht.
Man rede nicht von einer bolschewistischen Gefahr, wenn man es genau so schlecht macht wie die, die man fürchtet. Die Furcht Frankreichs vor Deutschland ist nichts anderes als das schlechte Gewissen, das Frankreich auf Grund seines nationalistischen, unrechten Handelns in Vergangenheit und Gegenwart hat.
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Frankreichs Vorgehen an der Saar macht einen Schumanplan unmöglich und bereitet dadurch in dem noch freien Westeuropa dem Bolschewismus das Bett.
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Man macht es sich sehr billig, indem man jeden, der sich gegen Maßnahmen wehrt, wie sie im Saarland praktiziert werden, als Nationalisten roter oder brauner Prägung beschimpft und sein Auftreten in der Öffentlichkeit verbietet. Man unterschätzt das deutsche Volk, wenn man glaubt, daß es sich noch mit einem engstirnigen nationalistischen Gedankengut befassen und sich gar davon begeistern lassen würde. Unser Volk weiß, daß sich der reine Nationalstaatgedanke überlebt hat. Die ungeheure Entwicklung von Technik und Wissenschaft hat die Entfernungen auf unserem Globus zusammenschrumpfen lassen. Man weiß, daß alle kleinen Staaten Europas aus ihrer Isolation heraus müssen, um weiterhin lebenstüchtig bleiben zu können. Wenngleich diese Auswirkungen sich zunächst auf die Wirtschaft bezogen und auf- diesem Sektor den Wandel von Volkswirtschaft zur Weltwirtschaft brachten, so vollzog sich doch auch auf politischem Gebiet ein klarer Prozeß, zumal Politik und Wirtschaft durch mannigfaltige
Wechselbeziehungen naturgemäß miteinander verknüpft sind. In unserem Jahrhundert beginnen sich die politischen Kräfte zu konzentrieren. Die einzelnen Mächte gehen in Machtgruppen auf. Immer deutlicher zeichnet sich im globalen Raum eine Ausrichtung des Kräftespiels in zwei gewaltige Lager ab. Unsere schicksalhafte geographische Lage läßt gerade uns Deutsche die ungeheure Problematik der Spaltung in Ost und West bewußt werden. Man erkennt, daß der klaren entschlossenen Ideologie des Ostens eine klare und entschlossene Verständigung der freien Völker auf der Grundlage des geistigen Erbes des Abendlandes entgegengesetzt werden muß.
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Die erforderliche geschichtliche Selbstbesinnung ist nur möglich, wenn das Abendland seine Fundamente neu überdenkt und ordnet.
Die politische Gestaltung Europas ist dem Rhytmus des Fortschritts der Technik und der Wissenschaft nicht gefolgt. Die nationalistisch, hussitisch ausgerichtete Welt hat den Ruf der Zeit nicht erkannt und vielleicht zur größten Tragik unseres Kontinents bewußt nicht Folge geleistet; denn das, was Frankreich heute an der Saar tut, geschieht von dieser Seite bewußt. Durch die Isolierung jedes einzelnen europäischen Landes in Währung, Wirtschaft, Handel und Politik ist eine Atomisierung unseres kleinen Kontinents eingetreten, die ihn lebensunfähig gemacht hat.
Aus der scheinbaren Ausweglosigkeit ist nur herauszufinden, wenn wir alle unsere Probleme von der nationalistischen Kleinstaatprüderie herausnehmen und auf die europäische Ebene heben. Der Weg zu diesem Ziel ist das erzieherische und moralische Einwirken auf den Menschen. Wir müssen in Begriffen denken lernen, die über den Rahmen des isolierten Nationalstaates hinausgehen. Zu der lebensnotwendigen Erkenntnis, daß eine weitere Rivalität der europäischen Nationalstaaten wirtschaftlich und politisch unseren Untergang bedeuten würde, muß das gemeinsame Bewußtwerden des christlichen, abendländischen Kulturgutes kommen. Nur so wird praktisch ein Ausweg gefunden werden können. Wenn wir mit diesen europäischen Bestrebungen Erfolg haben, wird unser Zeitalter von späteren Geschlechtern nicht als die Epoche der selbstmörderischen Bruderkriege und des Ablebens einer innerlich morschen Führungsschicht bezeichnet werden, sondern als der Beginn einer zweiten Renaissance, in der Europa seine traditionelle Führungsrolle mit der brüderlichen Gefährtenschaft Amerikas wieder eingenommen hat.
Als bewußte Deutsche in den europäischen Gedanken hineinzuwachsen, das ist das Gebot der Stunde. Ein europäischer, übervölkischer Zusammenschluß bedeutet nicht die Aufgabe, sondern die einzige Möglichkeit zur Bewahrung unseres Volkstums.
Als bewußte Deutsche und als Christen bitten wir Frankreich, im Interesse ganz Europas in Saarfragen den Kurs radikalst ändern zu wollen, denn , die Menschen des christlichen Abendlandes möchten endlich erkennen, daß das bloße Lippenbekenntnis zum Christentum dieses Abendland entchristlicht hat und daß ein bloßes Lippenbekenntnis zu Europa dieses Europa vernichten wird.
Wir waren bereit, dem Schumanplan auf Grund meiner gemachten Ausführungen zuzustimmen. Aber wir müssen unsere Einstellung im Interesse Frankreichs und Deutschlands einer genaueren Prüfung unterziehen. Solange die französische Re({4})
gierung nicht bereit ist, der Saar und damit Deutschland die Rechte zu geben, die uns auf Grund des Völkerrechts gebühren, können wir niemals einem Schumanplan b e d i n g u n g s l os zustimmen. Die Verantwortung trifft einzig und allein die französische Regierung, und das französische Volk soll sich für die Folgen bei seiner Regierung bedanken.
Wir fordern:
Erstens: Persönliche und politische Freiheit für die saarländische Bevölkerung als Bestandteil des deutschen Volkes.
Zweitens: Mit diesen demokratischen Grundrechten hängt die Forderung auf Aufhebung des Verbots der Demokratischen Partei des Saarlandes zusammen.
Drittens: Verhinderung von Maßnahmen der sogenannten Saarregierung zur Entfremdung vom deutschen Volkstum und von ihrem Mutterlande.
Viertens: Daß die Bundesrepublik Deutschland bei allen Regelungen, die das Saarland betreffen, eingeschaltet und das Saargebiet beim Friedensvertrag endgültig als freies Land dem freien Staate Deutschland angegliedert werde. Für uns ist das Saarland ein Bestandteil der deutschen Bundesrepublik!
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Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frankreich gefällt sich in der Saarfrage in einer Politik des Rechtsbruchs. Um v o r dem Friedensvertrag Tatsachen Zu schaffen, handelt es nach dem Grundsatz: „Roma locuta,
causa finita". Gegenüber den deutschen Proteststimmen gegen diese historisch leider oft sanktionierte Methode der Gewalt stimmte der regieführende Herr Schuman. eine Jeremiade an, die zweifellos gewissen Parteien und ihren durchsichtigen Interessen im französischen Wahlkampf mehr nützte als der deutsch-französischen Verständigung. Wenn Frankreich seine Stellungnahme und seine Handlungen nicht ändert, wird die Idee Straßburgs blasse Theorie bleiben. Das immer wieder an die Wand gemalte Gespenst des deutschen Nationalismus scheint uns weit weniger gefährlich und akut zu sein als der erwachende französische Chauvinismus.
Wir möchten feststellen: Solange Frankreich weiterhin Amputationsversuche an dem ohnehin schon invaliden Deutschland unternimmt, solange es seine begehrlichen Finger nicht von der Saar zurücknimmt, so lange wäre eine Ratifizierung des Schumanplans durch dieses Haus heller Wahnsinn!
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Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
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von Thadden ({1}): Ich bin der letzte, der kommt!
Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte über das Saargebiet ist nicht nur durch die jüngsten Vorkommnisse ausgelöst worden, die in diesem Hause nun in großer Breite behandelt worden sind; die Debatte um die Saarfrage ist unseres Erachtens leider kaum noch zu trennen von dem Problem des Schumanplans.
Meine Damen und Herren! Wir bedauern den französischen Außenminister, daß er sich mit Rücksicht auf den Wahlkampf und seine eigenen Parteifreunde, nicht zuletzt auch auf Monsieur Bidault jetzt gezwungen sieht, die Fensterscheiben einzuwerfen, die er selbst erst kürzlich in das europäische Haus eingesetzt hat. -Wenn es in der Presse heißt, die Saarregierung habe auf Druck von Herrn Schuman jetzt Maßnahmen gegen eine deutsche Partei im Saargebiet veranlaßt, die wir ablehnen müssen, so möchte ich sagen: Die Presse sollte das Wort „Saarregierung" grundsätzlich immer in Anführungsstriche setzen. Eine Saarregierung gibt es unseres Erachtens nicht; es gibt höchstens eine Gruppe von Agenten im Dienste einer ausländischen Macht, die aber, meine Damen und Herren, als deutsche Staatsbürger nach wie vor deutschen Strafgesetzen unterstehen. Diese Leute werden sich den einschlägigen Vorschriften unseres Strafgesetzbuchs und unseres Grundgesetzes eines Tages nicht entziehen können.
Herr Hoffmann äußerte kürzlich einmal die absurde Idee, zusammen mit dem deutschen Bundeskanzler den Schumanplan unterzeichnen zu wollen. Meine Damen und Herren, es gibt nur ein einziges Papier, das Herr Hoffmann gemeinsam mit einem deutschen Beamten unterzeichnen könnte, nämlich das Formular über seine Einlieferung in Siegburg oder in eine andere westdeutsche Strafanstalt. Dorthin gehört er wegen Landesverrats.
Vielleicht bleibt ihm aber dieses Schicksal erspart; denn die französische Regierung war ihren Agenten gegenüber immer außerordentlich nobel, wie wir dies ja von früher her kennen. Wir denken da vielleicht an Herrn Dr. Dorten, der eine Villa 'bekam. Vielleicht bekommt sie Herr Hoffmann eines Tages auch.
Herr Hoffmann sagte, er handle auf Befehl von I Paris. Vergleiche mit der Ostzone drängen sich auf. Aber der Vergleich mit der Ostzone fällt für die Herren Genossen Pieck und Grotewohl günstig aus; denn sie behaupten wenigstens noch, daß die Dinge, die sie dort tun, nicht auf Druck von Moskau, sondern auf Grund ihrer eigenen Initiative geschähen. Zu den Maßnahmen des Herrn Hoffmann können wir nur sagen, daß sie mit dem freundlichen Gebell eines Dackels zu vergleichen sind, der damit anzeigt, da 3 sein Herr gepfiffen hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall. '
Meine Damen und Herren! Die Regierung Johannes Hoffmann von Gnaden der Wallstreet und des Comité des Forges hat den seitherigen antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen gegen die Bevölkerung des Saargebiets eine neue hinzugefügt. Im Auftrage des Herrn Außenministers Schuman wurde die Demokratische Partei des Saargebiets verboten und aufgelöst. Dieser Vorgang zeigt unter anderem in aller Deutlichkeit, was von dem Schumanplan und den sogenannten Vereinigten Staaten von Europa und dem Abkommen des Europarats über die Wahrung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten zu erwarten ist.
Herr Außenminister, Herr Bundeskanzler, Sie sind von Paris zurückgekehrt und haben davon gesprochen: Nun haben wir endlich die Gleichberechtigung! - Das, was sich jetzt im Saargebiet abspielt, ist eine Antwort auf die Gleichberechtigung. Wer den Krieg vorbereitet, wer den Krieg
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will, der kann keine demokratische Entwicklung, keine Pressefreiheit, keine Versammlungsfreiheit und keine Meinungsfreiheit dulden!
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Es erhebt sich die Frage: Wie war eine solche Entwicklung im Saargebiet möglich? Niemand kann bestreiten: Das Saargebiet ist ein kerndeutsches Land, und die Mehrheit seiner Bevölkerung ist deutsch.
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Abgesehen von einer ganz kleine Clique nach 1918 gab es im Saargebiet nie eine separatistische Basis. Selbst nach der Machtübernahme Hitlers haben die Parteien, die für den status quo eintraten, niemals daran gedacht, ein autonomes, separates Saargebiet zu schaffen, sondern sie forderten damals eine zweite Abstimmung für den Fall, daß Hitler gestürzt würde. Ihre Parole war damals: für Deutschland, gegen Hitler!
Und nicht nur das! Ih einer Denkschrift der Zeitung „Neue Zeit" vom 9. September 1949 zur Lage im Saargebiet und der sogenannten Saarkonvention wird richtig festgestellt:
Diesen Standpunkt
- damals, 1935! vertrat nicht nur die Leitung der Kommunistischen Partei und die Führung der Sozialdemokratie, sondern auch der heutige Ministerpräsident des Saargebiets, Johannes Hoffmann, in dessen Zeitung „Neue Saarpost" am 12. Januar 1935 ein Aufruf erschien, in dem es hieß: „Wir bekennen uns zu unserem Deutschtum und zur unlöslichen Verbindung mit unserem deutschen Vaterland, zur deutschen Volksgemeinschaft, zur deutschen Ehre und Freiheit."
Der Aufruf schloß damals: „Für Christus und Deutschland - gegen Hitler!"
Aus eigener Erfahrung ist mir bekannt, daß Herr Johannes Hoffmann Ende 1945 in einer Unterredung mit mir erklärte - allerdings war es damals noch fragwürdig, ob er Ministerpräsident werden würde -: „Ich werde nie meine Hand geben für die Abtrennung des Saargebiets".
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Das zeigt, was Hoffmannsche Worte und Hoffmannsche Erzählungen wert sind.
Zutreffend wird weiter in der bereits genannten Denkschrift über den staatsrechtlichen Zustand des Saargebietes nach 1945 festgestellt:
Die staatsrechtliche Zugehörigkeit des Saargebiets zum deutschen Reichsverband ändert sich auch mit der Kapitulation Deutschlands im Jahre 1945 nicht. Nach dem Einzug der amerikanischen 15. Armee bildete es einen Teil der Verwaltungshoheit des Oberregierungspräsidiums Saar-Pfalz-Hessen. Nach den Beschlüssen der Potsdamer Konferenz vom 17. Juli 1945 gehört das Saargebiet weiterhin zu Deutschland. Die von dem alliierten Kontrollrat als Rechtsnachfolger der deutschen Reichsregierung erlassenen Gesetze hatten auch für das Saargebiet Gültigkeit und bestätigen damit die Tatsache, daß das Saargebiet, weiterhin zum Reichsgebiet gehört.
Deshalb brauchen wir nicht bis zum Friedensvertrag zu warten, weil das Saargebiet deutsch war und deutsch ist und deutsch bleiben wird. Im Gegensatz zur Oder /Neiße gibt es über die Abtrennung des
Saargebiets weder ein internationales Abkommen noch ein Statut der Alliierten.
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- Das eine Tatsache; an der können S nicht vorbeigehen.
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Was wir seit 1945 im Saargebiet an antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen der Herren Hoffmann, Kirn und Hektor sahen und erlebten, ist nichts anderes als die konsequente Fortsetzung dessen, was bereits im Jahre 1944 im Auftrage einer Gruppe des amerikanischen Imperialismus von einer antideutschen separatistischen Clique Braun, Hektor, Levi und anderen in Frankreich ausgeheckt wurde. Nach der Befreiung von Paris hat diese antideutsche, antidemokratische Gruppierung, damals genannt MLS, Mouvement pour la Liberation de la Sarre, die weder am Kampf gegen Hitler noch am Kampf des französischen Volkes teilgenommen hat, bereits in einer Denkschrift erklärt:
Die Industrie des Saargebietes und seine Bodenschätze können ein wesentlicher Bestandteil, ein Reservoir in den kommenden Auseinandersetzungen zwischen Ost und West sein. Die Voraussetzung aber dazu ist die politische und wirtschaftliche Abtrennung des Saargebiets von Deutschland und die rücksichtslose Ausschaltung aller jener im Saargebiet, die nicht mit dieser Lösung einverstanden sind.
Soweit die Denkschrift der Saarseparatisten aus dem Jahre 1944. - Aber diese Clique hätte auch im Bunde mit dem Herrn General de Gaulle ihre Pläne nicht durchführen können, wenn sie nicht die Unterstützung bestimmter Gruppen in England und I Amerika gehabt hätte, die ihre Pläne im Saargebiet gefördert haben. Das Saargebiet wurde von allem Anfang an von dem amerikanischen Imperialismus als Pfandobjekt gegenüber dem französischen Imperialismus benutzt, um Frankreich in den antisowjetischen Atlantikblock zu zwängen, und zum andern, um sich wertvollen billigen Anteil an der Saarindustrie und den Bodenschätzen des Saargebiets zu sichern.
Im Gegensatz zur Sowjetunion stimmten im April 1947 die Regierungen der USA und Großbritanniens der de-facto-Annexion des Saargebiets durch den französischen Imperialismus zu. Lediglich die Sowjetunion war es, die damals zweimal schärfsten Protest gegen diese kalte Annexion einlegte. Mit dem Einzug der französischen Besatzungstruppen am 6. Juli 1945 wurde schrittweise - entgegen dem Potsdamer Abkommen und dem Willen der Bevölkerung des Saargebiets - eine Maßnahme nach der andern zur Herauslösung des Saargebiets aus der deutschen Verwaltungshoheit eingeleitet und durchgeführt. Von Anfang an konnte sich die Militärregierung im Saargebiet nur auf eine kleine Clique von Separatisten aus der Zeit von 1918 bis 1935 und auf ähnliche Elemente stützen, die in der französischen Emigration zu Separatisten oder französischen Staatsbürgern geworden waren.
Die Loslösung des Saargebiets begann mit dem Einsatz von 1200 französischen Zollinspektoren am 22. Dezember 1946, die eine Zollgrenze zwischen dem Saargebiet und dem übrigen Deutschland errichteten. Das französische Außenministerium erklärte damals, man verfolge mit dieser Maßnahme nur das Ziel, zu verhüten, daß die Lebensmittel, die Frankreich liefere, nach Deutschland verschoben
5700 Deutscher Bundestag - 144. Sitzurig. Bonn, Mittwoch, den 30. Mai 1951
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werden würden. Außerdem wolle man den Zustrom von deutschem Geld in Anbetracht der Währungsreform, die im Saargebiet bevorstände, verhindern. In Wirklichkeit war das die erste Maßnahme zur Loslösung des Saargebiets von Deutschland. Eng auf dem Fuß erfolgte dann der Aufkauf von Grundstücken Wohnblöcken, Geschäftshäusern und Industrieanlagen durch ausländische Kapitalisten. Dabei ging man nicht wählerisch vor. Mit Drohungen und Erpressungen wurden Deutsche gezwungen, ihr Hab und Gut für einen Spottpreis abzustoßen.
Diese Politik der Schaffung vollendeter Tatsachen, der Abtrennung des Saargebiets und der Ausschaltung des Willens der Bevölkerung fand in der sogenannten Saarkonvention eine Krönung. In dieser Saarkonvention wurde unter anderem festgelegt, daß die Saargruben für 50 Jahre an das Comité des Forges auszuliefern seien. Durch den Schumanplan wurde der ganze Westen an die amerikanischen Kapitalisten und Imperialisten ausgeliefert.
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Mir scheint, daß die Saarkonvention und der Schumanplan toute la méme chose sind, ein und dieselbe Sache.
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- Ich weiß, warum Sie sich aufregen, ich komme noch dazu.
Für diese Politik tragen die CVP und die SPS und in einem bestimmten Maße auch die DPS die volle Verantwortung. Sie tragen deshalb die Verantwortung, weil sie all die antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen angeregt, beschlossen und auch durchgeführt haben. Es tragen aber auch die Verantwortung die westlichen Alliierten, die diese Pläne unterstützt haben, und ebenso sind jene westdeutschen Politiker, die damals zu diesen Maßnahmen aus Gründen, die den westlichen Besatzungsmächten genehm waren, geschwiegen haben, mit dieser Verantwortung belastet.
({9})
Die Führer der CVP und der SPS haben keinerlei Recht, sich dabei auf den Willen des Saarvolkes zu berufen. Im Gegenteil, bis zur Stunde wurde die Bevölkerung im Saargebiet weder Ober ihre Meinung zur Abtrennung noch über die Verfassung noch über die sogenannte Saarkonvention befragt. Weder die Kommunalwahlen im Jahre 1946 noch die Wahlen im Jahre 1947 zum Landtag waren freie, demokratische Wahlen. Sie können keinesfalls als eine Entscheidung der Wähler des Saargebiets für den politischen und wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich, wie es fälschlicherweise Herr Hoffmann behauptet, gewertet werden.
Der wahre Charakter dieser Wahlen und der Regierung Johannes Hoffmann sind gekennzeichnet durch die fortgesetzte Verletzung des Brief- und Telefongeheimnisses, durch Drohungen, Verhaftungen, Ausweisungen, Fälschungen und Erpressungen gegenüber all jenen, die nicht mit der separatistischen Politik des Herrn Hoffmann einverstanden sind. Es gibt kein Land in Europa, wo der Spitzeldienst so ausgebaut ist wie im Saargebiet. MRS, Sûreté, Militärpolizei, politische Polizei und dazu noch die Agenten von Herrn Hoffmann sind die Träger dieses Systems.
({10}) - Unsere Freunde im Saargebiet haben seit 1918 für Deutschland gekämpft und kämpfen auch morgen dafür, damit Sie das wissen!
({11})
Auf Betreiben dieser Instanzen wurden allein im Jahre 1947 mehr als 464 Familien und insgesamt mehr als 1500 Personen aus dem Saargebiet ausgewiesen. Es ist keine Übertreibung, wenn behauptet wird, daß von 1947 bis 1951 mehr als 3500 Menschen aus dem Saargebiet ausgewiesen wurden. Dabei handelt es sich nicht um Kriegsverbrecher oder um Gestapo-Agenten oder SD-Leute; im Gegenteil, diese Leute sind im Dienst des Herrn Hoffmann und werden als Büttel gegenüber der deutschen Bevölkerung im Saargebiet benutzt. Bei den Ausweisungen aus dem Saargebiet handelt es sich um Katholiken, Sozialisten, Kommunisten und Parteilose. Darunter sind namhafte Widerstandskämpfer gegen den Hitlerismus, aufrechte Deutsche, die für die Einheit ihres Vaterlands und für den Frieden eingetreten sind und sich eingesetzt haben.
({12}) Betroffen von dieser Ausweisung wurde der katholische Pastor Bungarten, der Jesuitenpater Hollenbach, der Jugendseelsorger Waßmuth, die Bergarbeiterführer Oskar Müller, August Hey, und viele andere.
({13})
Für einige dieser Ausweisungen wie die des Herrn Pastor Bungarten und die des verstorbenen Bundestagsabgeordneten Ernst Roth trägt die unmittelbare Verantwortung Herr Johannes Hoffmann; denn er war derjenige, der sowohl Roth wie Bungarten beim Hohen Kommissar angezeigt hat. Dabei hat man mit gefälschten Dokumenten gearbeitet.
({14})
Über 40 000 Personen wurde im Saargebiet das Wahlrecht entzogen. Sie sind ständig von der Ausweisung bedroht. Man versucht sie mit dieser Methode für die Politik des Herrn Johannes Hoffmann zu erpressen.
Alle öffentlichen Zusammenkünfte und Mitgliederversammlungen der Opposition sind verboten. Flugblätter werden beschlagnahmt. Die „Neue Zeit" ist fast mehr beschlagnahmt oder verboten, als sie erscheint. Die Pressefreiheit des Herrn Johannes Hoffmann ist durch folgende Tatsachen gekennzeichnet. Seit dem Bestehen der Zeitung „Neue Zeit" von 1947 bis 1951 wurden folgende Verbote, Beschlagnahmen und Einschränkungen vorgenommen: 41 Verbote insgesamt für 359 Tage, 3 Nummern wurden beschlagnahmt, 84 Artikel wurden durch die Vorzensur ganz gestrichen, 173 Artikel wurden teilweise gestrichen und 6 Artikel wurden zurückgestellt. Das ist die Pressefreiheit des Herrn Johannes Hoffmann! Uns ging gestern abend die Mitteilung zu, daß die Zeitung „Neue Zeit" erneut für vier Wochen verboten ist.
Vor einigen Tagen begann ein Prozeß gegen 13 deutsche Patrioten im Saargebiet. Was haben sie getan? Sie sind eingetreten für den Frieden und die Einheit Deutschlands und haben die schwarz-rot-goldene Fahne mit sich geführt. Das ist die Demokratie des Herrn Johannes Hoffmann.
Die einzige Partei, die im Saargebiet getreu ihrer Tradition von 1918 her gegen diese anti({15})
deutschen und antidemokratischen Maßnahmen des Herrn Hoffmann den Kampf ohne Rücksicht auf Verfolgung geführt hat, war die Kommunistische Partei. Sie war es, die als erste gegen die Abtrennung, gegen die Verbote und Ausweisungen Stellung genommen hat. Sie war es, die nach den ersten Bestrebungen zur Lostrennung des Saargebietes, bei den ersten Verboten und Ausweisungen auf die Folgen der Politik Johannes Hoffmanns hingewiesen hat. Ich kann mir heute noch Herrn Becker vorstellen, wie er damals laut lachte, als ich ihm nach einer Stadtratssitzung in Saarbrücken sagte: Erst sind es die Kommunisten, dann sind es die Demokraten und am Ende alle Menschen, die nicht mit der Politik Johannes Hoffmanns einverstanden sind. - Heute ist der Beweis erbracht, wohin der Kurs im Saargebiet geht. Wo waren damals die Proteste der Herren Adenauer, Blücher, Erhard, als es galt der Saaropposition den Rücken zu stärken? ({16})
Da hat man es den Kommunisten überlassen und einigen fortschrittlichen Politikern in Westdeutschland und den Politikern der Demokratischen Republik und den demokratischen Parteien in der Demokratischen Republik.
({17})
Herr Adenauer hat zu den Vorkommnissen im Saargebiet eine Erklärung abgegeben. Er sagte, das Verbot der DPS an der Saar sei ein Zeichen außerordentlicher Schwäche der Saarregierung:
Es ist immer ein Zeichen von Schwäche, wenn eine Regierung zu Gewaltmitteln gegenüber dem Volk greifen muß. Die Bevölkerung muß sich gegen die undemokratischen Maßnahmen empören.
Gut gesprochen, Herr
Das, was Herr Bundeskanzler hinsichtlich des Verbotes der DPS und des Regimes Johannes Hoffmann gesagt hat, trifft in vollem Maße auch auf Westdeutschland zu.
({0})
Deshalb hat die Bevölkerung in Westdeutschland das durch das Grundgesetz verbriefte Recht, sich gegen die undemokratischen Maßnahmen, gegen das Verbot der Volksbefragung, gegen die Remilitarisierung mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen und für einen Friedensvertrag im Jahr 1951 einzutreten. ({1})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme gleich zum Schluß. - Wir Kommunisten und mit uns alle, die für den Frieden und die Einheit unseres Vaterlandes eintreten, wissen uns eins mit dem französischen Volk. Die Abtrennung des Saargebietes, die antideutschen und antidemokratischen Maßnahmen liegen weder im Interesse des französischen noch des deutschen Volkes, sondern einzig und allein im Interesse der Kriegstreiber diesseits und jenseits des Rheins.
({0})
Wir protestieren in aller Schärfe gegen die Abtrennung des Saargebietes. Wir werden diesen Zustand nie anerkennen. Wir fordern die Zurücknahme und Einstellung der Ausbürgerungen und
Ausweisungen. Wir fordern die Aufhebung des
Schandurteils gegen deutsche Patrioten. Die Bevölkerung des Saargebietes kann versichert sein: Hinter ihrem Kampf stehen alle fortschrittlichen Menschen in ganz Deutschland und alle fortschrittlichen Kräfte in der ganzen Welt. Alle fortschrittlichen Menschen im Westen unseres Vaterlandes müssen die Lehre aus den Vorgängen im Saargebiet ziehen: Mit Verboten fing es schon einmal an, mit dem Krieg und der Katastrophe Deutschlands hat es geendet. Wer seine Heimat liebt, wer den Frieden will, wer für eine deutsche Lösung des Saarproblems, wer für die Einheit unseres Vaterlandes ist, der muß gegen Adenauer und gegen Hoffmann sein.
({1})
Da war ein Teil Ihrer Freunde noch braun, da hat man mich aus dem Saargebiet ausgewiesen.
Das Wort hat der Abgednete Dr. Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch viele Reden kann eine Sache von solcher Bedeutung auch zerredet werden.
({0})
Ich habe so . den Eindruck, daß diese ganze Aussprache über die Saarfrage eine viel größere Wirkung nicht nur in diesem Hause, sondern auch in der gesamten Presse und der breiten Öffentlichkeit erweckt hätte, wenn von der Bundesregierung und vom Bundestag eine gemeinsame Erklärung vorbereitet worden wäre. Ich bin nämlich nach wie vor der Überzeugung, daß wir bei dieser Saardebatte genau so wie bei der Saardebatte am 10. März 1950, bei der der Herr Bundeskanzler zu Beginn eine Erklärung abgegeben hatte, zu einer gemeinsamen, einigenden Kundgebung hätten kommen können. Wenn, wie gesagt, eine solche Kundgebung vorbereitet worden wäre, dann wären wir sicher in eine Stunde fertig gewesen, und der Eindruck draußen wäre viel stärker geworden. Nun ist aber das Thema weit und breit behandelt worden. Deshalb kann ich mich dem Antrag direkt zuwenden, der Ihnen ja jetzt als Antrag meiner politischen Freunde vorgelegt wird, nämlich diese Saarfrage in eine weitere Ebene und auf eine größere Plattform zu bringen.
Das Gespräch, das wir jetzt vier Stunden miteinander geführt haben, war mehr oder weniger ein Gespräch zwischen Deutschland und Frankreich. Wir haben doch immer wieder auch hier und dort durchgehört, daß die Saarfrage auf eine breitere Ebene gestellt werden müsse; daß sie ein völkerrechtliches Problem wird und daß sie ein Menschheitsproblem ist, daß es dabei um das Selbstbestimmungsrecht der Völker geht. Um diese Frage wieder stärker in den Vordergrund zu rücken, haben meine politischen Freunde und ich den Antrag gestellt, von seiten der Bundesregierung bzw. vom 'Bundestag aus an die Vereinten Nationen mit dem Wunsch heranzutreten, das Selbstbestimmungsrecht der Saarbevölkerung wiederherzustellen. Das ist jetzt durch die Maßnahme des Außenministers Schuman bzw. des Ministerpräsidenten Hoffmann unterbunden.
Gestatten Sie mir jedoch vorher noch eine Frage, die ich hier aufwerfen möchte. Man fragt sich doch: wie kommt ausgerechnet Herr Außenminister Schuman jetzt während der Wahlen dazu, einen solchen Brief zu schreiben, den man mehr oder
({1})
weniger doch als einen Schuß gegen den Schumanplan ansehen könnte? Ist er nicht frei in seinen Entscheidungen? Haben die maßgebenden Kräfte des Auswärtigen Amtes auf ihn einen solch starken Einfluß ausgeübt, daß er sich veranlaßt gesehen hat einen solchen Brief bekanntzugeben? Wir haben aus der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vernommen, wie diese Erklärung auch auf ihn und seine ganze Außenpolitik eingewirkt hat. Ich möchte noch einen weiteren Schritt zurück tun. Die ganze Debatte hat sich mehr oder weniger um den Stand der Saarfrage der letzten Jahre entwickelt.
Aber ich glaube, ich müßte weiter zurückgehen und feststellen, daß diese Saarfrage auch in den vergangenen Jahrzehnten nach dem ersten Weltkrieg eine sehr bedeutsame Rolle gespielt hat. Ich brauche nur daran zu erinnern, und jeder wird wissen, worum es sich handelt. Ich gehe aber noch weiter zurück, meine Damen und Herren, und stelle fest, daß wir hier bei der Entwicklung der Saarfrage in den letzten drei, vier Jahrhunderten nach meiner Überzeugung nichts anderes sehen müssen und sehen können als die Fortsetzung der französischen Kabinettspolitik gegen Deutschland, die wir in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder haben erkennen können. Es ist notwendig, von dieser Kabinettspolitik zu einer anderen Politik überzugehen. Wir müssen an Frankreich herantreten, diesen Weg der Kabinettspolitik zu verlassen und den Weg des Zusammengehens zwischen Deutschland und Frankreich vorzubereiten.
Die Saarfrage ist jetzt zu einem Prüfstein für das Geschick Europas geworden, und deshalb treten wir mit dem Antrag an die Regierung heran, auf
die Vereinten Nationen einzuwirken, eine Abstimmung über die Saarfrage vorzubereiten. Der' Bundestag möge sich selbst zum Sprecher des Saargebiets machen, nachdem nun die Opposition im Saargebiet zum Schweigen verurteilt ist. Der Bundestag darf auf keinen Fall von diesem Rechte, von dieser Forderung und von dieser Pflicht abgehen, bis schließlich der Gedanke der Abstimmung über die Saarfrage so in die Öffentlichkeit hineingetragen ist, daß das Saargebiet zu seinem vollen Recht kommt.
Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich einige Worte zitieren, die Sie in der Wochenschrift „Die Zeit" nachlesen können. In einem Aufsatz von Prinz Löwenstein heißt es dort:
Hier geht es ja schließlich um mehr als um ein deutsches Problem und eine französische Prestigefrage. Hier geht es darum, im europäischen Hause das Recht auf Selbstbestimmung wiederherzustellen. Es ist dasselbe unteilbare Menschenrecht, das alle Nationen
' Europas gegenüber dem Ansturm des totalitären Sowjetismus zu verteidigen haben. Von der deutschen, der französischen, ja der europäischen Ebene aus muß die Saarfrage auf eine internationale .Ebene übertragen werden, auf die Ebene der Vereinten Nationen.
Deshalb stellen meine Freunde den Antrag, den sich der Bundestag zu eigen machen möge, damit diese Frage nun zu einem Gespräch des gesamten Bundestag werde.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in diesen Tagen in Paris eine Erinnerung auffrischen können. Ich war dort in der Deputiertenkammer und habe mir das Relief angesehen, das
die Begegnung der Nationalversammlung unter der Führung von Graf Mirabeau mit dem Vertreter des Königtums wiedergibt. Damals hat Graf Mirabeau die Worte gesprochen: Wir werden nicht auseinandergehen, bis das Parlament dem französischen Volke eine Verfassung gegeben hat! Möge auch der Bundestag, wenn er sich diesen von uns gestellten Antrag zu eigen macht, nicht eher ruhen, als bis dem Saargebiet die volle Selbstbestimmung wiedergegeben und die Saarfrage auf eine europäische Ebene getragen wird!
({2})
Meine Damen und Herren! Die Rednerliste ist erschöpft. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Bei der Bedeutung, die der Beschlußfassung des Hohen Hauses in dieser Frage zukommt, halten wir es für erforderlich, daß den Fraktionen. Gelegenheit gegeben wird, zu den vorliegenden Anträgen noch einmal Stellung zu nehmen. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion, die Sitzung um eine halbe Stunde zu unterbrechen, und bitte das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich glaube, es bedarf keiner langen Debatte über diesen Antrag. Wenn von einer großen Fraktion des Hauses eine solche Unterbrechung gewünscht wird, dann ist selbstverständlich diesem Wunsche Rechnung zu tragen. Ich darf daher die Sitzung unterbrechen bis 20 Uhr.
({0})
Die Sitzung wird um 20 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Damit Klarheit über die zur Abstimmung stehenden Anträge besteht, gebe ich bekannt. Es liegen vor der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2114, der Antrag der Fraktion des Zentrums Drucksache Nr. 2283, der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und BP - so bin ich unterrichtet - auf Annahme einer Entschließung, die von Herrn Abgeordneten Dr. WUermeling bekanntgegeben worden ist. Darf ich fragen, ob gewünscht wird, zu diesen Anträgen oder zur Abstimmung noch Erklärungen abzugeben? - Herr Abgeordneter, Ollenhauer, bitte!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte im Namen der sozialdemokratischen Fraktion folgende Erklärung zur Abstimmung über die Entschließung der Regierungsparteien abgeben.
Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich aus folgenden Gründen außerstande, der vorgelegten Entschließung der Regierungsparteien zuzustimmen.
1. Die Bundesregierung hat nicht zu erkennen gegeben, daß sie gewillt ist, sich von ihrer bisherigen passiven Haltung in der Saarfrage abzuwenden und sich in Zukunft entschieden und aktiv ge({0})
gen die französische Politik der Herauslösung des Saargebietes aus dem deutschen Staatsverband zu wenden.
2. Die Bundesregierung hat nicht erkennen lassen, durch welche politischen Maßnahmen über die gestrige Note an die Alliierte Hohe Kommission hinaus sie die Lage im Saargebiet zu einem deutschfranzösischen Freundschaftsverhältnis im Sinne der Gleichberechtigung zu wenden gedenkt.
3. Insbesondere hat die Bundesregierung nicht erklärt, welche Schritte sie angesichts der undemokratischen Verhältnisse im Saargebiet im Europarat zu unternehmen gedenkt.
4. Endlich hat die Bundesregierung unterlassen zu erklären, daß sie bis zur Herstellung demokratischer Zustände im Saargebiet alle weiteren vorbereitenden Maßnahmen hinsichtlich des Vertrages über eine Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl unterlassen werde, insbesondere auch alle Schritte zur Herbeiführung der Zustimmung der deutschen gesetzgebenden Körperschaften zu diesem Vertrag.
Die sozialdemokratische Fraktion wird sich aus den genannten Gründen bei der Abstimmung über diese Entschließung der Stimme enthalten.
Eine weitere Erklärung zur Abstimmung wünscht der Abgeordnete Dr. von Merkatz abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt der Antrag der Zentrumspartei auf Drucksache Nr. 2283 vor. Dieser Antrag hat den Zweck, das Recht der Saarbevölkerung auf Selbstbestimmung effektiv zu machen. Dieser Tendenz des Antrags darf ich in jeder Hinsicht zustimmen. Andererseits bedarf aber diese Frage - die Redaktion des Antrags ist offenbar durch den Artikel des Prinzen Löwenstein in der „Zeit" inspiriert - doch noch einer gewissen Überprüfung. Ich möchte daher beantragen, diesen Antrag dem Auswärtigen Ausschuß zur Prüfung vorzulegen und einen Bericht dieses Ausschusses einzufordern.
Der Antrag enthält einige Unrichtigkeiten. Zum Beispiel wird erklärt, daß die Vereinten Nationen als Rechtsnachfolger des Völkerbundes zu betrachten sind. Diese Feststellung ist unrichtig. Zweitens wird hier auf eine Abstimmung vom 6. Dezember 1934 Bezug genommen, die seinerzeit vom Völkerbund zugesagt und von Frankreich zugestanden worden sei. Diese Frage bedarf eingehender Prüfung; denn für mich kann kein Zweifel daran bestehen, daß das Abstimmungsergebnis von 1935 seine Gültigkeit hat und die Grundlage unserer Auffassung darstellt. Das Saargebiet ist ein Bestandteil des Deutschen Reiches, und wenn eine Abstimmung in Erwägung gezogen werden kann, so könnte sie doch nur im Hinblick auf eine Änderung des Ergebnisses von 1935 in. Erwägung gezogen werden. Alle diese Fragen bedürfen einer sehr eingehenden Prüfung, und ich halte es deshalb für richtig, den Antrag dem Auswärtigen Ausschuß zu überweisen.
({0})
Eine weitere Erklärung zur Abstimmung wünscht der Abgeordnete Renner abzugeben.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen Herren! Zu den beiden hier vorliegenden Entschließungsentwürfen habe ich im Namen meiner Fraktion folgendes zu erklären. Wir sind der Auffassung, daß das Anrufen der Hohen Kommission vollkommen falsch ist. Die Hohe Kommission ist unserer Auffassung nach nichts anderes als ein Exponent der Westmächte, die mittels der Saarkonventionen den im Saargebiet bestehenden völkerrechtswidrigen und die deutsche staatliche Hoheit beseitigenden Zustand geschaffen haben. Wir sehen in der Saarfrage eine gesamtdéutsche Frage. Wir sind der Auffassung, daß die Volksabstimmung vom Jahre 1935, die mit dem Bekenntnis zu Deutschland geendet hat, einen Rechtszustand geschaffen hat, der nach wie vor besteht. Wir sind nicht in der Lage, die Bundesregierung als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches anzuerkennen.
({0})
Hinzu kommt, daß wir der Bundesregierung auch nicht zutrauen, daß sie deutsche Interessen an der Saar vertritt.
({1})
Wir halten also die Bundesregierung nicht für zuständig,
({2})
diese Verhandlungen zur Klärung dieser deutschen Frage durchzuführen.
({3})
Wir sind der Auffassung, daß die Bundesregierung bestenfalls gemeinsam mit der Regierung der DDR diese gesamtdeutsche Frage aufgreifen sollte.
({4}) Wir sind der Meinung, daß der von der Regierung der DDR vorgeschlagene Konstituierende Rat, dessen Aufgabe ja die Vorbereitung einer gesamtdeutschen Regierung sein soll,
({5})
die Körperschaft sein sollte und ist, der auch die Klärung des deutschen Standpunktes bezüglich der Saar anvertraut werden sollte,
({6})
und zwar im Sinne der Wiederherstellung eines für uns ganz selbstverständlichen Zustandes, nämlich der Wiederherstellung der uneingeschränkten deutschen staatlichen Hoheit an der Saar.
({7})
Wir sind darüber hinaus der Meinung, - ({8})
- Herr Präsident, darf ich nicht um etwas Ruhe bitten?
({9})
Meine Damen und Herren!
({0})
-- Meine Damen und Herren, wir haben doch die Erfahrung gemacht, daß es am schnellsten geht, wenn weniger Zurufe gemacht werden.
Herr Strauß, - ({0})
- Brüllen, Herr Strauß', können auch Rinder!
({1})
({2})
Wir sind der Auffassung, daß die Durchführung einer Volksabstimmung an der Saar vollkommen überflüssig ist. Das Bekenntnis der deutschen Bevölkerung an der Saar zu Deutschland ist so klar und eindeutig, daß es keiner Unterstreichung durch eine neue Volksabstimmung bedarf. Weiter sind wir - das sage ich abschließend - der Auffassung, daß, falls überhaupt irgendeine außerdeutsche Instanz in Frage kommen sollte, um diese unserer Meinung nach geklärte deutsche Frage abzuschließen,
({3})
dann höchstens ein Appell an den Außenministerrat in Betracht kommt. Aber auch dieser Appell kann nicht Sache der Adenauer-Regierung allein sein, sondern muß Sache einer deutschen, einer gesamtdeutschen, also einer Regierung sein, die im Namen des gesamten deutschen Volkes zu handeln berufen ist. Die Adenauer-Regierung ist das nicht.
({4})
Unter diesen Umständen, die ich zum Ausdruck gebracht habe, sind wir nicht in der Lage, den beiden Entschließungen zuzustimmen.
({5})
Aber Ihr Gegröle ändert ja nichts an dem Tatbestand, daß Sie selber gegen die verfassungswidrigen Zustände. an der Saar gar nichts. Ernstliches zu tun gedenken,
({6}) und es steht Ihnen schlecht an, von Demokratie zu reden, die Sie hier in unserem eigenen Land , die Demokratie dauernd mit Füßen treten.
({7})
Sie sind faule Vertreter der Demokratie!
({8})
- Herr Strauß, müssen Sie denn immer beweisen, daß Sie einer der ungebildeten Urbayern sind?
({9})
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, als ob diese Diskussion das Bestreben hat, sich auszuweiten. Ich wäre dankbar, wenn wir uns auf Erklärungen zur Abstimmung beschränken könnten.
Frau Abgeordnete Wessel wünscht das zu tun.
({0})
Meine Herren und Damen! Die Zentrumsfraktion ist damit einverstanden, daß ihr Antrag dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen wird.
({0})
Uns kam es nur darauf an, mit unserem Antrag
auch -der Regierung die Möglichkeit zu geben, die
Frage der Volksabstimmung erneut in den Auseinandersetzungen um das Saargebiet aufzuwerfen.
({1})
Wir werden uns bemühen gerade bei den Beratungen im Auswärtigen Ausschuß in unserer positiven Haltung zur Saarfrage ,weiter mitzuarbeiten.
({2})
Aus den Ausführungen des Herrn von Merkatz haben wir entnommen, daß man dem Antrag des Zentrums mit dem Ernst und der positiven Haltung gegenübersteht, die dieser Antrag wohl verdient.
Aus diesen Gründen sind wir auch durchaus bereit, uns der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers und der Erklärung, die von den Regierungsparteien abgegeben worden ist, anzuschließen.
({3})
Als letzter hat das Wort zur Abstimmung Herr Abgeordneter von Thadden.
({0})
von Thadden ({1}): Ich freue mich natürlich, daß wir uns immer miteinander freuen, wenn wir uns hier sehen.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich möchte hier folgendes erklären. Mit Bedenken stimmen wir der Regierungserklärung zu.
({3})
Der Antrag der CDU ist, so wie das meiste, was uns von dieser Partei bisher geliefert wurde, nämlich weich. Der Antrag der SPD wird in Punkt 2 meines Erachtens konkretisiert durch den Antrag des Zentrums, der von allen hier eingebrachten Anträgen unseres Erachtens der beste ist.
({4})
Die Bedenken, die Herr von Merkatz vorgetragen hat, mögen richtig sein. Auch wir sind der Auffassung, daß die Volksabstimmung von 1935 ein Definitivum ist. Wenn aber seinerzeit die Franzosen die Möglichkeit gewollt haben, diese Abstimmung noch einmal zu wiederholen, weil sich die Dinge vielleicht einmal wandeln könnten, dann sollten wir dankbar diese Möglichkeit, die der Völkerbund damals geschaffen hat, für unsere Zwecke ausnutzen.
({5})
Das sind schon sechs Sätze, Herr von Thadden!
von Thadden ({0}): Der Herr Präsident macht mich darauf aufmerksam, daß es bereits sechs Sätze sind. Meine Damen und Herren, wir werden dem Zentrumsantrag zustimmen. Unsere Meinung zur Regierungserklärung habe ich Ihnen gesagt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf dann also, auch formell die Besprechung schließen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Entschließung zur Erklärung der Bundesregierung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Vertreter der kommunistischen Fraktion bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Der Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2114! Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({1})
- Die Fraktion der SPD ist der Auffassung, daß der Antrag nicht erledigt ist. Ich habe über den Antrag abstimmen zu lassen. Ich bitte um die Gegenprobe. -({2})
- Meine Damen und Herren, zur Klärung: Ich vertrete den Standpunkt, daß auch dann, wenn ein
({3})
Antrag nach der Auffassung eines Teils des Hauses sachlich erledigt ist und gegenstandslos sein mag, eine Abstimmung nicht ohne weiteres Überflüssig zu sein braucht.
({4}) - Der Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache Nr. 2114 - liegt Ihnen allen vor!
({5})
- Der alte Antrag der Fraktion der SPD! Also ich darf, nachdem die Unklarheit beseitigt ist, noch einmal abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erhaben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen abgelehnt.
Weiterhin ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion des Zentrums - Drucksache Nr. 2283 - dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Oberweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die ganz überwiegende Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Damit ist der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Ich bin gebeten worden, Ihnen vorzuschlagen, Punkt 7 der Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Aufhebung von Kriegsvorschriften - Drucksachen Nrn. 2093 und 2236 ({6}) - jetzt aufzurufen, da es aus internationalen Gründen zweckmäßig erscheint, dieses Gesetz möglichst bald zu beschließen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Bevor ich Punkt 7 der Tagesordnung aufrufe, möchte ich darauf hinweisen, daß die Wahlmänner für das Bundesverfassungsgericht gebeten werden, sich morgen, Donnerstag, um 10 Uhr, im Ruheraum neben dem Plenarsaal zu einer Besprechung einzufinden.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Aufhebung von Kriegsvorschriften ({7}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({8}) Nr. 2236 [neu] der Drucksachen).
({9})
Der Ältestenrat hat einen besonderen Vorschlag über die Aussprachezeit nicht gemacht. Ich darf annehmen, daß auf eine Aussprache verzichtet werden kann. - Das ist offenbar der Fall.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wahl, Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen..
Dr. Wahl ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage der Drucksache Nr. 2236 ({11}), über die ich die Ehre habe dem Hohen Hause namens des Rechtsausschusses zu berichten, betrifft ein Gesetz, durch das nunmehr auch durch die deutschen Gesetzgebungsinstanzen die diskriminierende Behandlung der kriegführenden Staaten und ihrer Staatsangehörigen aufgehoben wird. Natürlich hatten die Besatzungsmächte alsbald nach der Besetzung die Maßnahmen außer Kraft gesetzt, die von deutscher Seite während des Krieges gegen die Alliierten und ihre Verbündeten ergriffen worden waren. Aber es ist wichtig, daß nun auch die deutsche Gesetzgebung formell die Kriegsgesetze außer Kraft setzt, weil nach dem Stand der Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Alliierten ein solcher Gesetzgebungsakt die Voraussetzung dafür bildet, daß entsprechende Gesetze in den alliierten Staaten zur Aufhebung der Beschränkungen für die deutsehen Staatsangehörigen ergehen.
Der Rechtsausschuß war nicht in der Lage, im einzelnen nachzuprüfen, ob der Katalog der fn der Regierungsvorlage enthaltenen Gesetze vollständig ist. Insoweit muß er sich auf die Vorarbeiten des Bundesjustizministeriums verlassen, das auch die aus der Drucksache ersichtliche Einfügung der Verordnung vom 13. Juli 1943 angeregt hat. Der Rechtsausschuß hat das von der Bundesregierung vorgeschlagene Datum, auf das die Aufhebung der Kriegsvorschriften zurückbezogen wird, nämlich das Datum des 8. Mai 1945, in seiner Berechtigung geprüft und schließlich gutgeheißen. Nach unserer Auffassung ist der sogenannte Wirtschaftskrieg, der mit Hilfe dieser diskriminierenden Vorschriften geführt wird, mit der Kriegführung selbst, den sogenannten Feindseligkeiten, den Kriegshandlungen aufs engste verbunden, und es schien richtig, die Maßnahmen des Wirtschaftskrieges mit der Einstellung der Feindseligkeiten aufzuheben.
Wie aus der Begründung der Regierungsvorlage hervorgeht, hat die Regierung nur einem Verlangen der drei westlichen Besatzungsmächte entsprochen, als sie dem Entwurf folgende Präambel voranstellte:
Um der Beendigung des Kriegszustandes zwischen Deutschland und den alliierten Staaten im innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Ausdruck zu geben, hat der Bundestag das folgende Gesetz beschlossen:
Gegen diese Fassung der Präambel waren schon im Bundesrat von dem Herrn Ministerpräsidenten Zinn erhebliche Bedenken angemeldet worden, weil sie der Auslegung Raum geben könnte, als ob der völkerrechtliche Kriegszustand zwischen Deutschland und den Alliierten schon zu Ende sei, "was mangels eines Friedensvertrages und mangels der Wiederaufnahme, normaler diplomatischer Beziehungen nur dann der Fall sein könnte, wenn das Deutsche Reich im Jahre 1945 untergegangen wäre Diese Bedenken erschienen dem Rechtsausschuß äußerst schwerwiegend. Er schlug deshalb in der Drucksache Nr. 2236 alter Ausgabe eine Fassung vor, die zu einer solchen Auslegung keine Handhabe geboten hätte. Da unser Land das größte Interesse daran hat, eines Tages als Partner für den Friedensvertrag über alle deutschen Probleme anerkannt zu werden, hätte der Bundestag nie sein Einverständnis mit einer Präambel erklären können, durch die der Anschein erweckt worden wäre, als ob der Kriegszustand durch den Untergang des Deutschen Reiches aufgehört habe und die deutsche Bundesrepublik einer der Nachfolgestaaten sei, der das Aufhören des Deutschen Reiches als These hingenommen hätte.
Mittlerweile haben die Alliierten den Rechtsausschuß wissen lassen, daß sie angesichts der entstndenen Differenzen über die Wortfassung der Präambel den ursprünglichen Vorschlag der Bundesregierung, das Gesetz ohne Präambel zu erlassen, anzunehmen bereit sind. Zumal von der Verabschiedung des Gesetzes die Aufhebung der Beschränkungen der Deutschen in den kriegführenden Staaten abhängt und deshalb Eile geboten ist - man denke bloß an die bisherige Ausschließung der Deutschen von der Anrufung der amerikanischen Gerichte -, glaubte der Rechtsausschuß auf der von ihm neugefaßten Präambel nicht bestehen zu sollen und schlägt Ihnen das Gesetz nunmehr ohne Präambel zur Annahme vor, nachdem der deutsche Rechtsstandpunkt in meinem Referat nochmals klargestellt worden ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, -§ 4, - § 5, - § 6. Wer für diese Bestimmungen ist, den bitte -ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich habe noch über die Anlage abstimmen zu lassen. Wer für die Annahme der Anlage mit der vom Ausschuß vorgeschlagenen Einfügung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich rufe zur Einzelberatung auf: §§ 1 bis 6, Einleitung, Überschrift und Anlage. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Gesamtabstimmung: Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Meine Damen und Herren, nun habe ich bekanntzugeben, daß auf Grund interfraktioneller Vereinbarung die Punkte 2 und 3 von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war vorgesehen, daß morgen die Sitzung um 14 Uhr beginnt. Die Fraktion der CDU/ CSU bittet Sie, die Plenarsitzung morgen bereits auf 13 Uhr anzusetzen. Einige unserer Freunde müssen nach Berlin; sie müssen an der Sitzung teilnehmen. Infolgedessen bitten wir Sie, zu beschließen, daß morgen die Sitzung schon um 13 Uhr beginnt.
Kein Widerspruch? - Dann wird der Präsident die Sitzung auf 13 Uhr einberufen.
Ich muß noch fragen, ob das Haus mit der Absetzung der Tagesordnungspunkte 2 und 3 einverstanden ist. - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir heute abend nur diejenigen Tagesordnungspunkte behandeln, bei denen auf eine Aussprache verzichtet wird. Ich glaube kaum, daß es dem Ernst der Sache dienlich wäre, wenn wir hier noch Aussprachen versuchen wollten. ,
({0})
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau ({1}).
Der Ältestenrat war der Meinung, daß es hier nicht zur Aussprache kommen werde. Wird es etwa doch zur Aussprache kommen?
({2})
- Nein! Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Vorlage muß wohl an den Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden? - Kein zusätzlicher Antrag? - Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Verteilung des im Geschäftsjahr 1950 erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder ({3}).
Hier mag es eine Schwierigkeit geben, weil an diesen Tagesordnungspunkt 5 nachträglich der Mündliche Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit betreffend Einsparung von 150 Millionen Zinsen - Drucksache Nr. 2101 - angehängt worden ist, dessen Behandlung, wie man mir sagte, erst für morgen vorgesehen gewesen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Scharnberg ({4}), Berichterstatter: In der Annahme, daß der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird, verzichte ich auf die Berichterstattung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen, dessen Behandlung für die morgige Tagesordnung vorgesehen war und nun `auf die heutige Sitzung verlegt worden ist, damit wir den Gesetzentwurf der Regierung heute in erster Lesung verabschieden können.
-
Dann eröffne ich die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldung. Ich schieße die Aussprache. Die Vorlage ist wohl an den Ausschuß für Geld. und Kredit zu überweisen.
- Das' Haus ist damit einverstanden. Es- ist so beschlossen.
Also der Mündliche Bericht auf Drucksache Nr.
2101 ist zurückgezogen, Herr Kollege Scharnberg?
({0})
- Dann ist das erledigt.
Ich rufe Ziffer 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis ({1}).
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine
Wortmeldung. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Die Überweisung erfolgt an den Ausschuß
für Fragen des Gesundheitswesens. - Das Haus
ist einverstanden.
({2})
- Ich hatte die Frage an das Haus gestellt. Das Haus hat auf eine Aussprache verzichtet.
Punkt '8 der Tagesordnung:
Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 4. Mai 1951 auf Zustimmung des Bundestages zur Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks gemäß § 47 Absatz 3 der Reichshaushaltsordnung ({3}).
Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. - Keine
Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache. Der Antrag ist wohl an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden?
({4})
- Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene ({5}) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Wahrung der Interessen der aus dem westlichen Ausland ausgewiesenen Deutschen ({6}).
({7})
Hierzu hat der Ältestenrat eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen. Will das Haus nicht auf eine Aussprache verzichten?
({8})
- Herr Müller, verzichten Sie?
({9})
- Sie wollen nicht verzichten. Dann schlage ich vor, die Sache heute nicht zu behandeln, sondern die Behandlung auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung zu setzen.
({10})
- Das Haus ist damit einverstanden.
Zu Punkt 10 der Tagesordnung betreffend einheitliche Regelung der Niederlassung und über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen ist, wie ich höre, der Herr Präsident um Absetzung gebeten worden. Das Haus ist damit einverstanden?
({11})
- Es ist so beschlossen. Dann kommen wir zu Punkt 11:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die
Ausschüsse ({12}).
({13})
- Diese Ziffer 1 betrifft den Antrag auf Einsetzung einer Sachverständigenkommission zur Vorbereitung der Neugliederung des Bundesgebiets. Das Haus wird damit einverstanden sein. -- Dann nehmen wir die Ziffer 1 heraus, und es bleiben nur die Ziffern 2 und 3 und Ziffer 4 gemäß Umdruck zu Nr. 184. Wer für die Überweisung der Anträge an die in dem Umdruck Nr. 184 und zu Nr. 184 angegebenen Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Nunmehr rufe ich Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Übersicht Nr. 28 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({14}).
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für die Annahme des Ausschußvorschlages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Behandlung der Tagesordnungspunkte abgeschlossen.
Ich berufe die nächste, die 145. Sitzung auf morgen, Donnerstag, den 31. Mai 1951, 13 Uhr, ein und schließe die heutige, die 144. Sitzung des Deutschen Bundestags.