Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 141. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Die Liste der entschuldigten Abgeordneten liegt mir noch nicht vor. Ich werde sie im Lauf der Sitzung bekanntgeben lassen.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundeskanzler hat auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 70. Sitzung über die wirtschaftliche Lage der Deutschen Bundesbahn berichtet. Die Verteilung der diesbezüglichen Berichte und Pläne wird unter der Drucksachennummer 2228 in etwa drei Wochen erfolgen.
Ich bitte, den Punkt 4 der Tagesordnung - Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des von den Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen eingebrachten Entwufs eines Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit - von der Tagesordnung zu streichen. Auf Anregung des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge wird dieser Punkt noch einmal im Ausschuß behandelt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder vorgelegt werden.
({0})
- Herr Abgeordneter Euler hat zur Tagesordnung das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem Punkt 1 der Tagesordnung möchte ich bemerken, daß uns der Herr Bundeswirtschaftsminister mitgeteilt hat, daß die Bundessteile für den Warenverkehr selbstverständlich in Frankfurt verbleibt und daß auch die zentrale Genehmigungsstelle nicht aus der Bundesstelle für den Warenverkehr herausgelöst wird. Damit ist der Zweck unserer Interpellation erreicht. Wir bitten, den Punkt für erledigt zu erklären und von der Tagesordnung abzusetzen.
({0})
Ich verstehe die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Euler dahin, daß die Interpellation zurückgezogen wird. Damit ist der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der
SPD betreffend Devisenkontrolle ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung der Interpellation erteile ich dem Abgeordneten Dr. Bleiß das Wort.
Dr. Bleiß ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen hatten wir mehr als einmal Veranlassung, auf die bedrohliche Entwicklung unserer Zahlungsbilanz hinzuweisen. Wir haben in den Debatten über die Wirtschaftspolitik immer wieder zum Ausdruck bringen müssen, daß die vorhandene Devisenklemme nach unserer Auffassung eine Folge der völlig verfehlten Liberalisierung des Außenhandels ist. Aber, meine Damen und Herren, ich will heute nicht über den legal en
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Devisenschwund reden; das hat mein Freund Kalbitzer in der vorletzten Sitzung des Hohen Hauses sehr gründlich getan. Ich will mich heute mit dem illegalen Devisenschwund, mit der illegalen Kapitalausfuhr beschäftigen. Auch in dieser Beziehung haben wir Sorgen, die von einem Tag zum andern größer werden.
Es ist schwer zu schätzen, welchen Umfang die Kapitalflucht aus Westdeutschland angenommen hat. Nach einigen Informationen hat der Kapitalfluchtbetrag eine Höhe von über 800 Millionen DM erreicht. Es ist möglich, daß die effektive Zahl noch höher liegt. Es ist auch möglich, daß sie nicht ganz diese Höhe erreicht. Auf jeden Fall aber dürfte feststehen, daß die Devisenbeträge, die durch unverantwortliche Elemente in das Ausland verbracht werden, eine unerträgliche Höhe erreicht haben, und daß alles getan werden muß, um eine weitere Schwächung unserer Zahlungsbilanz zu verhindern.
Die Wege der Kapitalflucht sind mannigfaltig. Wir sind uns aber nicht darüber im klaren, ob seitens der Bundesregierung alles getan wurde, um zu verhindern, daß beispielsweise die Exporte zu niedrig fakturiert oder die ausländischen Waren zu überhöhten fiktiven Preisen nach Deutschland eingeführt werden, oder ob eine Kontrolle über die produktive Verwendung aller Importlizenzen mit aller Genauigkeit ausgeübt wurde.
Wir fragen deshalb die Bundesregierung:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung seit ihrem Bestehen im Rahmen der ihr zustehenden Kompetenzen ergriffen, um einen illegalen Abfluß deutschen Kapitals an das Ausland zu unterbinden?
Wir fragen weiter:
Was beabsichtigt sie, in Zukunft in dieser Richtung zu tun?
Wir erwarten hierauf eine erschöpfende Auskunft.
Wir fragen insbesondere die Bundesregierung:
Von welchen Stellen werden die Im- und Exportpreise geprüft, und mit welchem Grad der Genauigkeit und Verantwortung werden diese Prüfungen durchgeführt?
Nach unseren Informationen ist im Zuge einer Revision des Besatzungsstatuts die Kontrolle über den Devisenverkehr, die bisher ausschließlich bei den ausländischen Dienststellen lag, zu einem erheblichen Teil auf deutsche Behörden übergegangen. Wir fragen deshalb die Bundesregierung:
Welche deutschen und alliierten Stellen sind heute auf dem Gebiete der Devisenkontrolle in der Bundesregierung tätig? Welches sind ihre Verantwortung und ihre Tätigkeit?
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung bisher ergriffen, um eine weitgehende Koordinierung zwischen den Preisprüfungsstellen des Wirtschaftsministeriums und den Devisenkontrollstellen des Finanzministeriums herbeizuführen?
Wann und in welcher Weise wird die Zuständigkeit für die Devisenkontrolle zwischen den Bundesministern von der Bundesregierung geklärt?
Wir fragen weiter: Welche Schritte hat die Bundesregierung seit ihrem Bestehen unternommen, um die eigenen Kompetenzen auf dem Gebiete der Devisenkontrolle sicherzustellen bzw. um Einfluß auf die betreffende alliierte Gesetzgebung zu nehmen und endlich dafür zu sorgen, daß die Löcher in der Devisengesetzgebung endgültig gestopft werden?
Wir fragen schließlich die Bundesregierung, ob vor allem das vorhandene Devisenstrafrecht ausreicht, um die notorischen Devisenschieber so hart zu bestrafen, wie es unsere Devisenklemme verlangt.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir haben auf diesem Gebiet alles zu tun und wir dürfen nichts unterlassen, um endlich dafür zu sorgen, daß die illegale Kapitalausfuhr auf das äußerste beschränkt und daß die notorischen Sünder hart bestraft werden. In diesem Sinne bitte ich die Regierung zu unserer Interpellation Stellung zu nehmen.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich habe zu Beginn der Sitzung
({0})
- es ist mir auch aufgefallen, daß der zuständige Herr Minister nicht hier ist - bereits telefonieren lassen mit der Bitte, daß auch die Herren Minister bei der Besprechung von Interpellationen pünktlich hier sind. Ich kann im Augenblick eine Beantwortung der Interpellation durch die Regierung nicht erwarten, da die Regierung nicht vertreten ist. Darf ich Ihnen vorschlagen, da es sich auch bei Punkt 3 um eine Interpellation handelt - ich habe auch den zuständigen Herrn Innenminister bitten lassen, zur Beantwortung der Interpellation zu erscheinen -, zunächst den Punkt 5, Beratung des Antrages der Fraktion des Zentrums betreffend Handelsspannen, zu erledigen, damit wir auf 'das Eintreffen der Herren Minister warten können.
({1})
Ich rufe also mit Ihrem Einverständnis zunächst auf:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Handelsspannen ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Dr. Bertram ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel unseres Antrages ist ein begrenztes. Es soll bei seiner Begründung nicht wieder das schon oft besprochene Problem der Handels- und Gewinnspannen im allgemeinen erörtert werden, sondern nur die Frage, wie sich die Handelsspannen bei den Waren, die mit Verbrauchsteuern belegt sind, auswirken. Es ist insbesondere nicht die Frage, ob der Handel allgemein zu viel oder zu wenig verdient. Das sind Dinge, die sich bei der Überprüfung der Handelsspannen einer einzelnen Warengattung gar nicht erörtern lassen und auch bei der Beratung unseres Antrages nicht erörtert werden sollen. Der unmittelbare Zweck des Antrages ist die Feststellung, ob die Höhe der Verbrauchsteuern über ihren unmittelbaren Einfluß auf die Preisgestaltung dieser Warengattung noch einen weiteren, sekundären Einfluß durch die Einrechnung der Verbrauchsteuern in die Kosten({4})
rechnung hat und dadurch eine zusätzliche Preissteigerung eintritt. Als Warengattungen, die mit Verbrauchsteuern belegt sind, kommen in Frage Kaffee und Tee, die mit Zoll und Verbrauchsteuer belegt sind, Zucker, Bier, Branntwein, die mit Steuer belegt sind, Zigarren und Zigaretten, bei denen Zoll, Tabak- und Verbrauchsteuern auf den Waren liegen, für die aber gleichzeitig - das ist die Besonderheit bei dieser Warengattung - ein fester Endpreis festgesetzt ist. Dann kommen noch sonstige Erzeugnisse wie Salz, Zündwaren, Leuchtmittel und Lotterielose in Frage.
Ich möchte Ihnen am Beispiel des Kaffees einmal darlegen, wie außerordentlich die Verbrauchsteuern über ihren unmittelbaren Einfluß auf den Preis durch ihre Höhe noch einen weiteren preissteigernden Einfluß durch die Art der Kalkulation haben. Bei Kaffee ergibt sich eine Steuerbelastung von 40 % des Endverbraucherpreises. Bei einer Gesamtbelastung von 13,81 DM an Zoll, Umsatzausgleichsteuer und Verbrauchsteuer sowie Verlust aus Einbrand dürfte sich unter Zugrundelegung einer normalen Vorkriegskalkulation beim Einstandspreis des Kaffees von 2,50 DM je Kilo nur ein Endverbraucherpreis von 19,61 DM je Kilo ergeben.
Die Einzelkalkulation ist aber folgende:
Einstandspreis des Importeurs DM 2,50 je kg
Unkosten des Importeurs ({5}) = 11 % DM 0,28
DM 2,78
Einstandspreis des Großrösters
Zoll = DM 1,60 + Umsatzausgleichsteuer DM 1,70
Verbrauchsteuer DM 10,Versicherung und Transportkosten DM 0,25
DM 14,73
Einbrand 18 % DM 2,65
DM 17,38
Rösterspanne einschließlich
3 % Umsatzsteuer = 18 % DM 3,12
DM 20,50
Einstandspreis des Großhandels Großhandelsspanne einschließlich 3/4 % Umsatzsteuer = 10 % DM 2,05
DM 22,55
Einstandspreis des Einzelhandels Einzelhandelsspanne einschließlich 3 % Umsatzsteuer
= 25 % DM 5,64
Verbraucherpreis DM 28,19
Demgegenüber muß man, wenn man die richtige Kalkulation zugrunde legt, indem man die Spannen nur auf den Warenpreis, nicht aber auch auf die Steuerbelastung berechnet, zu folgender Kalkulation kommen:
Einstandspreis des Importeurs ca. kg-Preis DM 2,50
Unkosten des Importeurs
ca. 11 % DM 0,28
Versicherung und Transportkosten DM 0,25
DM 3,03 Übertrag DM 3,03
Zoll = DM 1,60 + Umsatzausgleichsteuer DM 1,70
Verbrauchsteuer DM 10,Einbrand 18 % DM 0,55 0,31 1,80
Verdienst einschließlich
3 % Umsatzsteuer = 18 % DM 0,64
DM 4,22 2,01 11,80
Großhandelsspanne einschließlich 3/4 % Umsatzsteuer = 10 % DM 0,42
DM 4,64 2,01 11,80
Einzelhandelsspanne einschließlich 3 % Umsatzsteuer = 25 % DM 1,16
Verbraucherpreis DM 5,80 + 2,01 + 11,80
= DM 19,61
Es ergibt sich eine Verdienstspanne des Rösters von 0,64 DM im Vergleich zu 3,12 DM, die sich ergeben, wenn die 18 % auch noch auf die Steuern gerechnet werden, eine Verdienstspanne des Großhändlers von 0,42 DM verglichen mit einer Verdienstspanne von 2,05 DM, die sich ergibt, wenn die Handelsspanne auch noch auf die Steuern gerechnet wird, und eine Einzelhandelsspanne von 1,16 DM bei der richtigen Kalkulation im Vergleich zu einer Einzelhandelsspanne von 5,64 DM, die sich ergibt, wenn die Kalkulation so durchgeführt wird, wie es jetzt der Fall ist, daß nämlich kalkulatorische Zuschläge auch auf die Steuern berechnet werden. Das würde also bedeuten, daß nur dadurch, daß die Zuschläge auch noch auf die Steuer aufgerechnet werden, der Unterschied im Preis beim Endverbraucher von 19,61 DM - das ist die Kalkulation unter Zugrundelegung der Vorkriegsspannen auf den vereinbarten Warenwert - auf 28,19 DM steigt. Um 10 DM steigt der Preis je Kilo Röstkaffee also nur deshalb, weil die kalkulatorischen Zuschläge des Verteilerapparates noch zusätzlich von den Verbrauchsteuersätzen berechnet werden. Das ist natürlich ein Ding der Unmöglichkeit.
Man muß sich nun fragen: Was kann dagegen gemacht werden? Die Ursache dieser überhöhten Handelsspannen ist die brancheübliche Zuschlagskalkulation, diese Zuschlagskalkulation durch Prozentsätze, ein Kalkulationsverfahren, das seit eh und je im Handel üblich ist. Man kann dadurch, daß man nun die Steuer auf einen Umsatzvorgang legt, nicht erwarten, daß der Handel dieses System ändern wird. Dieses Zuschlagssystem ist in Deutschland allgemein verbreitet, und es ist nicht anzunehmen, daß der Handel jemals davon abgehen wird. Nach den Preis-Strafrechtsverordnungen, insbesondere nach den §§ 19 und 20 des Wirtschaftsstrafgesetzes, könnte zwar eine Bestrafung erfolgen. In § 19 Abs. 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes heißt es wörtlich:
Bei gestiegenen Anschaffungskosten ist unangemessen auch ein Entgelt, wenn die nach
Hundertsätzen berechnete Gewinn- und Handelsspanne nicht angemessen gesenkt ist.
Aber trotz dieser im Gesetz verankerten klaren
Vorschrift hat bisher weder eine Behörde eingegriffen, noch ist zu erwarten, daß der Handel seine
seit langem gebräuchliche Kalkulationsmethode
ändert. Die Erfahrung hat eben gelehrt, daß Gesetze auf dem Papier stehenbleiben, wenn sie mit
({6})
den alten Handelsbräuchen und Gewohnheiten nicht übereinstimmen.
({7})
Ob die Regierung durch Anwendung des Preisgesetzes etwas machen könnte, ist zweifelhaft. Man muß wahrscheinlich einen anderen Weg gehen. Dieser andere Weg soll gleich von mir aufgezeigt werden.
Die gleiche üble Entwicklung - und das ist der tiefere Grund, weshalb wir den Antrag zu diesem Zeitpunkt eingebracht haben - ist zu befürchten, wenn wir die Sonderumsatzsteuer bekommen. Die Sonderumsatzsteuer ist der Höhe nach nichts anderes als eine Verbrauchsteuer. Wenn beispielsweise zur Kaffeesteuer, die 40 °/o des Endverbraucherpreises beträgt, eine Sonderumsatzsteuer von 33 °/o träte, dann würde damit praktisch eine Verbrauchsteuer auf die Ware gelegt. Das würde nichts anderes bedeuten, als daß durch das übliche Zuschlagssystem, das wir in Deutschland haben, die Handelsspannen diese Steuersätze um mehr als das Doppelte und Dreifache hinauftreiben. Wenn also zu der Sonderumsatzsteuer noch diese in den Verteilergewohnheiten begründeten Zuschlagskalkulationen hinzugerechnet würden, würde das Preisniveau eine Steigerung ins Unerträgliche erfahren, wie ich am Beispiel der Kaffeekalkulation nachgewiesen habe, aber auch am Beispiel der Bierpreiskalkulation und an anderen Beispielen, die darzulegen mir die Zeit fehlt, ohne weiteres nachweisen könnte. Kommt eine derartige Besteuerung auf breiter Basis, dann müssen wir mit einem kaninchenhaften Emporwachsen der Preise rechnen.
({8}) - Elefantenhaft ist noch besser.
Wenn im Einzelhandelsgeschäft dem Publikum die Ware zu teuer wird, dann wird der Einzelhändler die Höhe des Preises immer auf die Umsatzsteuer zurückführen. Kein Mensch kann feststellen, wieviel dabei anteilig auf die Steuer und wieviel tatsächlich auf die gestiegenen Kalkulationszuschlagssätze zurückzuführen ist. Eine Anhebung der Preise auch der nicht von der Sonderumsatzsteuer ergriffenen Waren wird erfolgen, da die Preise der nichtbelasteten Waren sich ebenfalls dem höheren Preisniveau anpassen werden. Das ganze Preisniveau muß sich ruckartig nach oben bewegen. Die Existenz- und Lebensfrage unserer Wirtschaft ist aber die Stabilhaltung des Preisniveaus. Erhard selber hat am 14. März hier erklärt, daß stabile Preise die Grundlage sozialer Befriedung, organischer Spartätigkeit und politischer Ordnung seien. Die Bank deutscher Länder hat darauf hingewiesen, daß zur Zeit die Preisfestsetzung in weitem Umfange psychologisch bedingt ist, daß Preise gegriffen werden und daß eine echte Marktpreisbildung nicht erfolgt. Deshalb ist es für uns von größter Wichtigkeit, daß eine Preisstabilität durch Verzicht auf derartige Steuern erreicht wird. Wir könnten dies erreichen, wenn an Stelle dieser Steuerbelastung die Rohgewinnabgabe eingeführt würde. Die Industrie hat bei ihren Vorschlägen zur Investitionsabgabe selbst den Vorschlag der Rohgewinnabgabe gemacht. Die Industrie, ich muß sagen: die gewerbliche Wirtschaft weiß selbst am besten, wo tatsächlich ihre Reserven sitzen. Die Einführung einer Rohgewinnabgabe würde alle diese Sorgen, die wir bei den beabsichtigten Steuern haben müßten, daß nämlich das Preisniveau uns weglaufen würde, beseitigen, weil durch die Rohgewinnabgabe tatsächlich nur der Gewinnanteil erfaßt würde und nur auf die Dinge Steuern gelegt würden, die auch Steuern vertragen könnten und bei denen eine Abwälzung nicht in Frage käme.
Der von uns gestellte Antrag soll in letzter Stunde der Öffentlichkeit beweisen, daß der eingeschlagene Weg falsch ist und uns in die größten finanziellen Gefahren bringen muß. Nach den Informationen, die wir bekommen haben, hat der Bundesfinanzminister hierüber eingehende Unterlagen gesammelt. Er hat deshalb vorgeschlagen, daß die Sonderumsatzsteuer beim Einzelhändler gesondert ausgewiesen werden muß. In einem heftigen Kampf zwischen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfinanzminister hat offenbar das durch den Bundeswirtschaftsminister vertretene Gewinnstreben den Sieg über die volkswirtschaftlich richtigen Erkenntnisse des Bundesfinanzministers davongetragen. Es wäre sehr interessant, einmal vom Bundesfinanzminister die Unterlagen zu erhalten, die auch ihm bewiesen haben, daß ohne eine Offenlegungspflicht hier eine verhängnisvolle Entwicklung eingeschlagen werden müßte.
Durch Festlegung von Festpreisen wie bei den Tabakerzeugnissen kann man es natürlich bei den verbrauchsbesteuerten Waren erreichen, daß die uferlose Zuschlagskalkulation unterbunden wird. Die Voraussetzung dafür, daß bei den mit einer Verbrauchsteuer belegten Waren die fehlerhafte Kalkulation beseitigt wird, wäre also die Festlegung von Festpreisen. Man komme uns nicht mit dem Argument, das sei nicht marktkonform. Ein Preis, der wie bei Kaffee und Tee in seiner Höhe durch Verbrauchsteuern beeinflußt wird, ist kein marktkonformer Preis. Er bildet sich eben nicht nach den Geschehnissen des Marktes, sondern er wird entscheidend durch die Steuern gebildet. Dann hat aber auch der Staat die Pflicht, durch Festlegung von Festpreisen dafür zu sorgen, daß nicht noch auf die Steuern unangemessen hohe Zuschläge gemacht werden und dadurch unangemessen hohe Teile des Volkseinkommens in die Hände einiger weniger fließen. Wir glauben, daß durch die Festlegung von Festpreisen bei verbrauchsbesteuerten Waren eine erhebliche Verbilligung eintreten könnte, daß damit mehr Absatz herbeigeführt werden könnte und eine Verbesserung des Handelsverkehrs insbesondere in unseren Beziehungen mit Brasilien und Griechenland eintreten und damit unserem Export Schleusen und Wege geöffnet werden könnten, die ihm jetzt verschlossen sind, weil der gegenseitige Umsatz nicht erzielt wird.
Meine Damen und Herren, das Problem ist tatsächlich so ernst - ob wir nämlich auf dem Wege der indirekten preissteigernden Verbrauchsteuer und Umsatzsteuer fortschreiten oder aber ob wir den Weg der Rohgewinnabgabe und der Ausschöpfung der Einkommensteuer beschreiten wollen -, daß es gerade hier im Bundestage behandelt und in einem Ausschuß darüber beschlossen werden müßte. Es kann nicht richtig sein, daß diese lebenswichtige Frage im Schoße der Regierung, im Schoße der verschiedenen Beratungsgremien - ich glaube, es sind sieben verschiedene Beratungsgremien -, besprochen wird, daß aber die Volksvertretung, die über diese lebenswichtige Frage zu befinden hätte, nicht über sie befinden kann. Ich glaube, wenn unser Antrag im zuständigen Ausschuß behandelt werden würde, würden wir sehr schnell darüber Klarheit gewinnen, daß
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der eingeschlagene Weg falsch ist und daß ein anderer Weg beschritten werden muß. Ich beantrage deshalb Ausschußüberweisung.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Fraktion der WAV schon vor vielen Monaten einen Antrag hinsichtlich der Handelsspannen eingereicht hat. Dieser Antrag wurde dann - Herr Abgeordneter Horlacher, Sie kennen die Sache auch, da Sie sich damals an der Diskussion beteiligten - etwas modifiziert, und die Regierung wurde in diesem Antrage vom Parlament aufgefordert, 'dem Bundestag in der Form, wie es durch den Ausschuß angenommen wurde, eine genaue Rechenschaft darüber abzulegen, wie es sich denn mit den überhöhten Handelsspannen verhalte. Ich kann mich nicht entsinnen, daß dies geschehen ist, obgleich schon viele Monate verstrichen sind. Wenn ich mich nicht sehr irre, bekam die Bundesregierung Frist zum 1. Juni gesetzt, schon voriges Jahr! Wir haben bis jetzt Berichte dieser Art durch die Bundesregierung nicht bekommen. Ich möchte die Bundesregierung daran erinnern, solche Berichte dem Bundestag doch laufend vorzulegen. Dann wäre schon ein erheblicher Schritt vorwärts geschehen, und vielleicht hätte dann die Zentrumsfraktion diesen unseren Antrag gar nicht mehr neu aufzugreifen brauchen.
Wir sind selbstverständlich voll und ganz mit dem Antrage der Zentrumsfraktion einverstanden. Wir wehren uns nur dagegen, daß die Sache jetzt wiederum im Ausschuß behandelt werden soll, daß dann wiederum eine solche Anregung und auch eine solche Aufforderung an die Bundesregierung kommen wird, etwas zu tun, uns Berichte zu geben, und daß dann wiederum nichts geschehen wird. Dagegen müssen wir uns mit aller Kraft wenden; denn daß die überhöhten Handelsspannen eine ungeheure Gefahr für unsere ganze Volkswirtschaft sind, darüber dürfte sich die Mehrheit in diesem Hause und die Mehrheit in unserem Volke wohl einig sein. Hier muß etwas geschehen, wenn nicht das gesamte Preisgefüge zu Gunsten einiger weniger tausend Wucherer zusammenbrechen soll.
({0})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirfschaftspolitik beantragt. Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Das ist der Fall.
Ich bitte nunmehr den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. von Merkatz, Gockeln, Görlinger, Kuhlemann, Böhm, Naegel, Dr. Weber ({0}), Wagner, Wirths und Meitmann.
Da inzwischen der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums eingetroffen ist, kommen wir zur Beantwortung der Interpellation der Fraktion der SPD unter Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Devisenkontrolle ({0}).
Ich bitte den Herrn Staatssekretär, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe ich die Interpellation beantworte, darf ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß es mir nicht möglich war, die Begründung der Interpellation zu hören. Im Vertrauen auf einen regulären Ablauf der Tagesordnung hatte ich um 3,1410 Uhr hier angefragt, welche Beratungsdauer der Punkt 1 in Anspruch nehmen würde, und hatte die Antwort bekommen, daß eine Dauer von einer Stunde in Aussicht genommen sei.
Nun komme ich zur Beantwortung der Interpellation, die ich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft vornehme.
Zu Punkt 1 der Interpellation: Die Devisenkontrolle im Sinne der Kontrolle der Ablieferung der anfallenden Devisenbeträge und der Verfolgung von Zuwiderhandlungen gegen die Ablieferungspflicht wird von deutschen Stellen ausgeübt. Sie besteht in einer Kontrolle der Ein- und Ausfuhrgeschäfte als solcher im Zusammenhang mit der Genehmigung dieser Geschäfte, in der Kontrolle des Eingangs der Exporterlöse, in der nachträglichen Kontrolle durch Devisenprüfungen und in der strafrechtlichen Verfolgung festgestellter Zuwiderhandlungen im Verwaltungswege oder durch die ordentlichen Gerichte, also in einer vierfachen stufenweisen Kontrolle.
Im einzelnen: Die Warenausfuhr wird durch die JEIA-Anweisung 1 geregelt. Nach § 12 dieser Anweisung soll bei der Ausfuhr jeweils der günstigste Weltmarktpreis erzielt werden. Die Wareneinfuhr regelt die JEIA-Anweisung 29; sie soll zum günstigsten Preise erfolgen. Eine Überprüfung der 0 Preise innerhalb des Genehmigungsverfahrens erfolgt hauptsächlich durch die Fachstellen als Organe der Wirtschaftsverwaltung. In Einzelfällen sind noch Sonderbestimmungen getroffen, nach denen Lieferungsgenehmigungen zur Ausfuhr unter einem bestimmten Preise nicht erteilt werden.
Die Devisenablieferungskontrolle wird unter Einschaltung der Außenhandelsbanken von der Bank deutscher Länder ausgeübt. Die Preisprüfung im Genehmigungsverfahren schließt die Ausfuhr von Waren zu höheren Preisen oder die Einfuhr zu niedrigeren Preisen als deklariert und damit zur Kapitalflucht nicht völlig aus. Es sind daher ergänzende Devisenprüfungen notwendig. Diese werden von den Oberfinanzdirektionen und von den obersten Wirtschaftsbehörden der Länder planmäßig,
ferner außerplanmäßig in besonderen Verdachtsfällen durchgeführt. Der Prüfungsapparat ist gegenwärtig im Aufbau.
Für die Ahndung von Devisenzuwiderhandlungen sind bei Ordnungswidrigkeiten die Oberfinanzdirektionen und im grenzüberschreitenden Verkehr auch die Hauptzollämter, bei Wirtschaftsstraftaten die ordentlichen Gerichte zuständig; im letzten Falle steht der Oberfinanzdirektion das Recht der Nebenklage zu. Die Tätigkeit der beteiligten Stellen ist durch eine Reihe von Verwaltungsanordnungen koordiniert.
Die Bank deutscher Länder überwacht den Eingang der Exporterlöse im Wege des Hollerithverfahrens. Dem illegalen Abfluß deutschen Kapitals ins Ausland wird durch regelmäßige Devisenprüfungen der Außenhandelsfirmen begegnet. Wir sind laufend mit einer Verfeinerung dieser Kontrollmaßnahmen befaßt.
({0})
Die Gesetzgebung über die Devisen liegt zur Zeit noch bei der Alliierten Hohen Kommission; die Bundesregierung ist jedoch auf Grund weitgehender alliierter Ermächtigungen auf dem Gebiet der Devisenkontrolle - wie dargelegt - tätig. Die Einflußnahme der Bundesregierung auf die alliierte Gesetzgebung erfolgt im Wege von Vorschlägen an die Alliierte Hohe Kommission und im Wege der laufenden Zusammenarbeit. Diese Zusammenarbeit ist befriedigend. Es ist aber selbstverständlich, daß die Bundesregierung mit allem Nachdruck anstrebt, ein deutsches Devisengesetz zu erlassen.
Pressemeldungen über einen Zuständigkeitsstreit hinsichtlich der Devisenkontrolle zwischen den Bundesministerien für Wirtschaft und für Finanzen beruhen weitgehend auf Irrtümern oder auf Übertreibungen. Verschiedene Auffassungen haben nur in einem Punkte bestanden, nämlich wegen der Abgrenzung derjenigen Personen und Firmen, bei denen die Oberfinanzdirektionen Devisenprüfungen vornehmen, und solchen, bei denen die obersten Wirtschaftsbehörden der Länder Prüfungen vornehmen. Es ist dafür gesorgt, daß Doppelprüfungen vermieden und die zur Verfügung stehenden Prüfer im beiderseitigen Einvernehmen eingesetzt werden.
Ich habe betont, daß der Prüfungsapparat im Aufbau ist. Wir werden bei der Vorbereitung des Haushaltsplans 1951 prüfen, inwieweit der Apparat zu verstärken ist, und wir hoffen, daß etwaige Mehranforderungen im Haushaltsausschuß des Hohen Hauses wohlwollend aufgenommen werden.
({1})
Meine Damen und Herren, ich frage, welche Abgeordneten eine Besprechung der Interpellation wünschen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Bleiß!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich halten es nicht für angebracht, heute schon zu einer Besprechung über die Interpellation zu kommen. Wir glauben aber, daß die Materie derart wichtig ist, daß bezüglich der Devisenkontrolle eine Ausschußberatung erfolgen sollte. Wir stellen deshalb den Antrag, die Interpellation dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Über die Möglichkeit der Überweisung einer Interpellation an einen Ausschuß hat bisher immer eine gewisse Verschiedenheit der Auffassungen bestanden. In der Geschäftsordnung ist an sich vorgesehen, daß zur Behandlung eines Antrages auch die Interpellation einem Ausschuß überwiesen werden kann; die Antragstellung ist im Rahmen der Besprechung einer Interpellation möglich. Es müßte also zunächst ein Antrag dazu gestellt werden. Wenn das Haus im Interesse der Vereinfachung glaubt, die Interpellation dem Außenhandelsausschuß überweisen zu sollen - wir sind ja schließlich in der Auslegung unserer Geschäftsordnung souverän -, dann würde ich das vorschlagen, damit wir nicht aus formellen Gründen hier eine Komplikation vornehmen.
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- Es ist also gebeten worden, die Interpellation
erstens dem Außenhandelsausschuß und zweitens
dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen, wobei der Außenhandelsausschuß federführend sein soll. Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob Sie mit der Überweisung der Interpellation an diese Ausschüsse einverstanden sind. - Das ist der Fall.
Ich habe den Herrn Bundesminister des Innern bitten lassen zu erscheinen; es ist mir mitgeteilt worden, daß er unterwegs ist. In der Hoffnung, daß wir ihn in den nächsten Minuten bei uns begrüßen dürfen, rufe ich den Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Hagge, Steinhörster und Genossen betreffend Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Das Wort zur Begründung der Interpellation hat Herr Abgeordneter Hagge.
Hagge ({2}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Veranlassung zu der Interpellation ist die Beantwortung der Anfrage Nr. 173 durch den Herrn Bundesminister des Innern, Drucksache Nr. 2118. Was ist nun geschehen? Am 24. Oktober 1948 sind in Schleswig-Holstein auf Grund des Wahlgesetzes für Schleswig-Holstein vom 15. Juni 1948 Wahlen für alle Gemeinde- und Kreisvertretungen vorgenommen worden. Zu der Zeit bestand weder eine Landesverfassung in Schleswig-Holstein noch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Somit war die Rechtsgrundlage für diese Wahl das Wahlgesetz selbst. Es sagt in seinem § 1 folgendes:
Die Wahl ist allgemein, gleich, geheim und
unmittelbar. Weiter sagt dieses Wahlgesetz in § 2 Abs. 1:
Die Vertretungen werden auf vier Jahre
gewählt.
Wahltag war der 24. Oktober 1948. Die Wahlen wurden nach diesen gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen. Das Wahlergebnis wurde den gewählten Vertretern mitgeteilt, die gewählten Vertreter nahmen die Wahl an, und die Wahlfeststellung ist geschehen.
In der Landessatzung von Schleswig-Holstein, die am 13. Dezember 1949 verkündet worden ist, wird in Art. 2 folgendes gesagt:
Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahlen. Es handelt durch seine gewählten Vertretungen im Lande, in den Gemeinden und Gemeindeverbänden.
Weiter sagt Art. 39 dieser Landessatzung in Abs. 3: Das Land sichert durch seine Aufsicht die Durchführung der Gesetze.
Die Aufsicht über die Durchführung der Gesetze ist durch das Land leider nicht wahrgenommen worden; denn der Landtag hat Anfang dieses Jahres beschlossen, Neuwahlen für alle Vertretungen der Gemeinden und Kreise Schleswig-Holsteins auszuschreiben, ohne dabei die bestehenden Vertretungskörperschaften für Gemeinden und Kreise aufzulösen.
Was sagt nun die bestehende Rechtsordnung über
den Bestand der Vertretungen? Die Gemeindeordnung in Schleswig-Holstein, die am 24. Januar
1950 beschlossen und verkündet ist, sagt in § 44:
Der Landtag kann auf Antrag des Landesministers des Innern eine Gemeindevertretung
auflösen, wenn sie dauernd beschlußunfähig
({3})
ist oder wenn eine ordnungsmäßige Erledigung der Gemeindeaufgaben auf andere Weise nicht gesichert werden kann.
Ich stelle fest, daß die Vertretungskörperschaften der Gemeinden und Kreise im Lande Schleswig-Holstein im allgemeinen absolut keine Veranlassung zur Ausschreibung der Neuwahlen durch den Landtag gegeben haben. Auch die Kreisordnung für Schleswig-Holstein, die am 27. Februar 1950 beschlossen und verkündet worden ist, sieht keine andere Möglichkeit vor, als daß der Landtag auf Antrag des Landesministers des Innern die Auflösung der einzelnen Vertretungskörperschaften vornimmt.
Welche Bestimmungen enthält die Landessatzung über die Auflösung von Vertretungskörperschaften im allgemeinen? In bezug auf die Vertretungskörperschaften für die Gemeinden und Kreise kein Wort; wohl aber sagt sie in Art. 31:
Findet ein Antrag des Ministerpräsidenten, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung ... , so kann der Ministerpräsident binnen zehn Tagen ... den Landtag auflösen.
Also weder hinsichtlich der Gemeinde- noch hinsichtlich der Kreisvertretungen und auch nicht bezüglich der Landesvertretung gibt es für den Landtag eine Möglichkeit, die Auflösung direkt oder indirekt zu beschließen.
Das Grundgesetz, das mit dem 23. Mai 1949 für die deutsche Nation in Kraft getreten ist, sagt in Art. 20 Abs. 1:
Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
1 In Art. 20 Abs. 2:
Alle Staatsgewalt geht vorn Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen ... ausgeübt.
Und in Abs. 3:
Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung ... gebunden.
Ich behaupte, daß die Gesetzgebung des Landes Schleswig-Holstein durch die Verabschiedung dieses Gesetzes, wonach für alle Gemeinden und Kreise Neuwahlen ausgeschrieben werden sollen, von der verfassungsmäßigen Ordnung abgewichen ist; denn meine Ausführungen von vorhin haben in absolut klarer Weise die Rechtsgrundlage für den Bestand und die Durchführung der Wahlen für alle Gemeinde und Kreisvertretungen dargelegt. Das Grundgesetz sagt in Art. 28, dem Artikel, in dem die Grundrechte der Gemeinden und Kreise besonders niedergelegt sind, folgendes:
Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des ... demokratischen ... Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.
Weiter sagt dieser Artikel:
In den Ländern, Kreisen und Gemeinden muß das Volk eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist.
Die am 24. Oktober 1948 gewählten Vertretungen in den Gemeinden und Kreisen des Landes Schleswig-Holstein sind nach diesen zwingenden Voraussetzungen und Erfordernissen des Grundgesetzes geschaffen und haben damit ein Recht auf Bestand für die Zeit, für die sie nach dem Wahlgesetz des Landes Schleswig-Holstein gewählt sind.
Nun sagt aber Art. 28 des Grundgesetzes weiter: Der Bund gewährleistet, daß die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Grundrechten und den Bestimmungen der Absätze 1 und 2 entspricht.
Das sind die Absätze, in denen festgelegt ist, daß sie einmal die Gemeinde- und Kreisvertretungen haben müssen und daß zweitens diese Gemeinde- und Kreisvertretungen aus den vorgeschriebenen Wahlen hervorgegangen sein müssen und deswegen ein Recht auf Bestand haben. Ja, sie haben nicht nur ein Recht auf Bestand, sondern der Bund hat auch die Gewährleistungspflicht für den Bestand dieser so geschaffenen Institutionen.
Mit der Anfrage Nr. 173 ist die Bundesregierung wegen dieser Tatsachen befragt worden. Sie hat durch den Herrn Bundesminister des Innern wie folgt geantwortet - ich darf das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen -:
Eine rechtliche Prüfung dieser Vorgänge hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß insbesondere das von dem Landtag des Landes Schleswig-Holstein beschlossene Gesetz über die Neuwahl der Gemeinde- und Kreisvertretungen vom 20. November 1950 entweder gegen die Wahlrechtsbestimmungen des Artikels 28 Absatz 1 des Grundgesetzes oder gegen die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung im zweiten Absatz des gleichen Verfassungsartikels verstößt.
Meine Damen und Herren, ich glaube Ihnen mit den Ausführungen, die ich zu der Rechtsordnung und zu dem Rechtsbestand dieser Vertretungskörperschaften gemacht habe, absolut den Beweis dafür erbracht zu haben, daß doch Rechtsverletzungen vorgekommen sind. Zusätzlich zu den der Bundesregierung schriftlich vorgelegten Fragen darf ich mir erlauben, noch die folgenden Fragen zu stellen:
Wir fragen erstens: Ist der Herr Innenminister der Auffassung, jeder Landtag sei Vorgesetzter aller Gemeinde- und Kreisvertretungen? Wir fragen ferner: Kann jeder Landtag allgemein die Neuwahl der Vertretungen aller Gemeinden und Kreise bestimmen, ohne daß die Wahlperiode der ordnungsgemäß gewählten bestehenden Vertretungen durch Zeitablauf beendet ist oder diese wegen eines gesetzmäßig zugelassenen Grundes aufgelöst sind?
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Meine Damen und Herren, wir haben die Möglichkeit der Aussprache. Ich bitte doch, den Herrn Redner zu Ende sprechen zu lassen.
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Hagge ({1}), Interpellant: Es ist möglich, Herr Oellers, daß es Ihnen gedient hätte, wenn ich diese Fragen nicht gestellt hätte.
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Aber ich glaube, daß ein Abgeordneter oder mehrere Abgeordnete absolut das Recht haben, hier der Regierung bzw. dem Herrn Minister durch eine Interpellation Fragen zum Grundgesetz vorzulegen. Ich glaube absolut, daß das das Recht der
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Abgeordneten ist. Daneben muß es jedem Abgeordneten frei bleiben, sich seine Rechtsinformationen da zu holen, wo es ihm beliebt; und wenn ich Sie als den geeigneten Anwalt dafür finden sollte, dann würde ich Sie ganz bestimmt fragen und Sie bitten, die Vertretung für uns zu übernehmen.
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- Das ist ja möglich. - Drittens fragen wir: Kann jeder Landtag, wenn er vor Ablauf der Wahlperiode für alle Vertretungen der Gemeinden und Kreise Neuwahlen bestimmen kann, diese Vertretungen auch zeitlich in ihrem Bestand verlängern? Und viertens: Wann und bei welcher Gelegenheit hat der Bund auf Grund seiner Gewährleistungspflicht gemäß Art. 28 Abs. 3 des Grundgesetzes Veranlassung zum Einschreiten?
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Interpellation ist die Frage nach der Rechtsgültigkeit der Abkürzung der Wahlperiode für die kommunalen Vertretungskörperschaften in Schleswig-Holstein aufgeworfen. Es war deshalb zunächst die Aufgabe der Bundesregierung, festzustellen, ob das angefochtene schleswig-holsteinische Landesgesetz vom 20. November 1950, durch das unter Abkürzung der laufenden vierjährigen Wahlperiode Neuwahlen bis zum 30. April 1951 aus) geschrieben sind, gegen das Grundgesetz und gegen das Bundesrecht verstößt und deshalb ungültig ist.
Soweit es sich lediglich um Auslegungsfragen des Landesrechts handelt, haben wir es nur mit einer Verfassungsstreitigkeit innerhalb des Landes selbst zu tun. Zu ihrer Entscheidung würde infolgedessen nach der besonderen Vorschrift des § 37 der Landessatzung von Schleswig-Holstein vom 13. Dezember 1949 das Bundesverfassungsgericht zuständig sein.
Die einzige bundesrechtliche Vorschrift, die Normativbestimmungen für die Wahlen zu den kommunalen Vertretungskörperschaften enthält, ist der Art. 28 unseres Grundgesetzes. Diese Vorschrift bestimmt in ihrem Abs. 1, daß diese Körperschaften aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehen müssen, und sie enthält in dem Abs. 2 die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung. Nur unter diesen Gesichtspunkten können die in der Interpellation aufgeworfenen Fragen auf Grund des Bundesrechts von Bundesregierung und Bundestag nachgeprüft werden.
Ich habe bereits zu der Anfrage Nr. 173 der Abgeordneten. Hagge, Steinhörster und Genossen ausgeführt, daß sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß das Landesgesetz vom 20. November 1950 gegen einen dieser beiden eben von mir vorgetragenen Gesichtspunkte verstößt. In der Interpellation ist bemängelt worden, daß diese Erklärung rechtlich nicht begründet sei. Ich darf deshalb in Ergänzung meiner früheren Ausführungen darauf hinweisen, daß in keinem der beiden angeführten Absätze des Art. 28 des Grundgesetzes etwas über die Dauer und die Möglichkeit der Abkürzung der Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaften gesagt worden ist. Die Dauer der Wahlperiode zu bestimmen, ist in das Ermessen des Landesgesetzgebers gestellt. Daß eine laufende Wahlperiode durch Gesetz abgekürzt wird, ist sowohl hinsichtlich der staatlichen Parlamente als auch der kommunalen Vertretungskörperschaften durch Art. 28 des Grundgesetzes nicht ausgeschlossen. Die bundesgesetzliche Garantie der Selbstverwaltung verlangt lediglich, daß in jedem Kreis und in jeder Gemeinde stets eine kommunale Vertretungskörperschaft vorhanden ist und daß sie den Grundzügen des Art. 28 Abs. 1 entsprechen muß.
Die Sache läge nur dann anders, wenn die Wahl in eine kommunale Vertretungskörperschaft ein subjektives öffentliches Recht des Gemeindevertreters begründen würde, das dann allerdings nicht durch Landesgesetz aufgehoben werden könnte. Ein solches subjektives öffentliches Recht besteht aber nach allgemein gültigen Rechtssätzen weder für die Abgeordneten des Bundestages und der Landtage noch für die Mitglieder kommunaler Vertretungskörperschaften. Es bestehen danach keine bundesrechtlichen Schranken, die dem Land Schleswig-Holstein verbieten, durch Gesetz die laufende Wahlperiode der kommunalen Vertretungskörperschaften abzukürzen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich darf fragen, ob eine Besprechung gewünscht wird. - Ich entscheide, daß es 50 Abgeordnete sind, die dafür stimmen. Die Besprechung findet statt. Ich eröffne die Aussprache über die Interpellation.
Herr Abgeordneter Mellies hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Es wäre nach der Praxis, die wir vorhin bei der Interpellation geübt haben, vielleicht nicht notwendig gewesen, eine Aussprache zu verlangen. Wir wollten aber auf alle Fälle geschäftsordnungsmäßige Schwierigkeiten vermeiden.
Uns liegt nur daran, daß die ganze Frage doch noch genauer im Bundestag geprüft wird. Leider haben wir ja keinen kommunalpolitischen Ausschuß. Ich glaube, gerade in diesem Augenblick zeigt sich wieder, wie bedauerlich es ist, daß der Bundestag den kommunalpolitischen Fragen so wenig Interesse zugewandt und nicht einmal einen Ausschuß dafür eingesetzt hat.
Ich beantrage namens der sozialdemokratischen Fraktion, daß diese Interpellation dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die rechtlichen Fragen würde ich mich mit dem Anwalt des verehrten Herrn Kollegen Hagge dann sehr gern unterhalten, wenn dieser Anwalt vom öffentlichen Recht etwas verstehen sollte. Mit dem Herrn Kollegen Hagge selbst möchte ich mich darüber nicht unterhalten, sondern mich der politischen Situation zuwenden.
Wie liegen die Dinge? In Schleswig-Holstein besteht eine Landesregierung, deren Chef ein Parteifreund von Herrn Hagge ist. Diese Landesregierung ist - ich hoffe, daß es inzwischen überall
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bekannt ist - eine Koalitionsregierung, in der die Flüchtlingspartei vertreten ist. Die Flüchtlingspartei hat zur Bedingung der Koalition gemacht, daß die Gemeindevertretungen vorzeitig - wie vorzeitig, ist unklar - neu gewählt würden, um der inzwischen neu hinzugekommenen Partei einen Einfluß in den Gemeindevertretungen zu verschaffen, also die aus freien Wahlen hervorgehenden Selbstverwaltungskörperschaften der Gemeinden besser zu stützen, als es in der Zeit des Bestehens der Militärregierung, in der die Partei der Vertriebenen nicht gegründet werden durfte, möglich gewesen ist. Daß dieser Vorgang in allen Gemeinden, auch in den Stadtgemeinden - wie z. B. in meiner Heimatstadt Lübeck - nicht sehr willkommen war, ist klar; denn er bringt Unruhe; es handelt sich dabei aber um ein Politikum erster Ordnung.
Wir erleben nun, daß sich ein Mitglied der Regierungspartei Schleswig-Holsteins mit der Opposition zusammensetzt und mit einer, wie mir scheinen will, ganz außerordentlich schlechten Rechtsbegründung hier Rechtsauskünfte verlangt. Ich möchte empfehlen, daß das Bundesinnenministerium für solche Rechtsauskünfte eine Gebühr einführt, vielleicht 50 DM für jede Auskunft.
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Jedenfalls sind wir im Bundestag nicht dazu da, der verehrten Sozialdemokratie, die in Schleswig-Holstein Opposition betreibt, Mittel an die Hand zu geben und Wege zu öffnen, um dort neue Unruhe zu stiften.
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So sehe ich die Sache an. Ich möchte bitten, daß, nachdem wir länger als 12 Jahre von demokratischen Methoden leider nichts lernen konnten, wir uns auf unsere alten demokratischen Herzen wieder besinnen
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und Politik, wenn wir sie machen, unter klaren Vorzeichen machen. Es steht nichts im Wege, daß Herr Kollege Hagge der SPD beitritt, gar nichts. Aber es steht alles im Wege, daß er als Mitglied seiner Fraktion hier im Bundestag seiner eigenen Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag Schwierigkeiten macht.
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Dagegen verwahre ich mich.
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Herr Abgeordneter Steinhörster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So leicht, wie es sich der Herr Abgeordnete Ewers macht, soll man sich die Dinge nun weiß Gott nicht machen. Hier ist ja von einer Freundschaft zwischen seinen politischen Freunden in Schleswig-Holstein und etwa der Opposition in Bonn überhaupt keine Rede. Wenn Sie sich einmal die Unterschriften unter dieser Interpellation genau ansehen würden, dann würden Sie feststellen, daß das alles Leute aus der Selbstverwaltung sind, die wirklich aus der ernsten Befürchtung, hier könne, veranlaßt durch das Exempel Schleswig-Holstein, etwas passieren, handeln,
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und, meine Damen und Herren, das was Schleswig-Holstein erlebt hat, ist in der Tat ein Exempel.
Es geht gar nicht so sehr um die politische Seite dieser ganzen Geschichte. Wenn ich die politische Seite etwas näher untersuchen wollte, dann müßte ich Sie darauf hinweisen, daß es kein anderer gewesen ist als der Herr Bundeskanzler selber, der auf die gefährliche Situation hingewiesen hat, die sich in Schleswig-Holstein entwickeln muß und entwickeln wird, wenn so weitergearbeitet wird. Wohin kämen wir denn, wenn eine Länderregierung bei jeder Gelegenheit, bei jeder politischen Umstellung die Gemeinde- und Kreisparlamente auflösen wollte?
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Stellen Sie sich einmal vor: Morgen hätten wir in Niedersachsen die Situation, daß meinetwegen eine Veränderung in der Regierung eintritt, und die niedersächsische Landesregierung würde die Kreis- und Gemeindeparlamente auflösen.
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- Die Sache ist doch ein wenig anders. Im Bundestag liegen die Verhältnisse vollkommen anders.
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Als die Kreise und Gemeinden bereits arbeiteten, war von einem Bunde überhaupt noch nicht die Rede, meine Damen und Herren! Die Kreise und die Gemeinden sind es gewesen, die den ersten Stoß nach 1945 aufgefangen haben, die überhaupt das Leben und das Verwaltungsleben in Deutschland wieder in Gang brachten, und erst viel später hat sich das entwickelt, was wir heute als Bundeskonstitution haben. Wären die Gemeinden und Kreise nicht gewesen, dann sähe es heute weit, weit schlechter in der Bundesrepublik aus. Und so bin ich der Meinung: Das, was in Schleswig-Holstein geschehen ist - wir haben heute im Grunde ja nur noch eine rückläufige Betrachtung anzustellen, das Bundesverfassungsgericht wird sich zweifellos damit befassen müssen -, war nichts anderes als ein politischer Willkürakt, lein absoluter politischer Willkürakt ohne Fundierung im Staatsrechtlichen und ohne Fundierung im Demokratisch-Parlamentarischen.
Wir haben kürzlich bei der Beratung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes von dieser Stelle ganz klare Worte darüber gehört, wie in der Zukunft die Kreise und die Gemeinden hinsichtlich einer Beschwerde gestellt werden sollen, die beim Bundesverfassungsgericht anhängig gemacht werden kann. Es hat erst eines Kampfes bedurft, um überhaupt den Gemeinden und Kreisen das Verfassungsbeschwerderecht zu geben. Dieses Verfassungsbeschwerderecht ist nunmehr gegeben. Meine Damen und Herren! Solange das Bundesverfassungsgericht noch nicht bestand, wäre nach meiner Meinung die Bundesregierung verpflichtet gewesen, wenigstens in etwa, soweit es sich um die Überwachung nach dem Grundgesetz handelt, diese Funktionen auszuüben, und das hat die Bundesregierung im Falle Schleswig-Holsteins nicht getan. Ich will nicht sagen, daß sie als Ersatz für das erst zu schaffende Bundesverfassungsgericht zu wirken hatte, aber sie hatte, was das Grundgesetz und seine Bestimmungen betrifft, gewisse Überwachungsfunktionen zu übernehmen.
Wir stehen also auf dem Standpunkt, daß der Fall in Schleswig-Holstein, die vorzeitige Auflösung der Gemeinde- und Kreisparlamente, das Bundesverfassungsgericht beschäftigen, und zwar sehr bald
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beschäftigen muß. Das schleswig-holsteinische Exempel ist von größter Gefahr für den Bestand der Demokratie überhaupt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hagge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure außerordentlich, daß ein so prominenter Kenner des Rechts und der demokratischen Ordnung wie mein sehr verehrter Herr Kollege Ewers sich in bezug auf meine Person und meine politische Parteizugehörigkeit zu solchen Unanständigkeiten hat hinreißen lassen.
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Es liegt nicht an mir, Herrn Ewers, dessen Alter ich respektiere, noch weiteres zu sagen.
Herr Abgeordneter Euler!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Steinhörster hat das, was in Schleswig-Holstein geschah, als einen politischen Willkürakt ohne rechtliche Begründung bezeichnet. Was zunächst einmal die rechtliche Begründung anlangt, so habe ich hier kein Argument gegen die Richtigkeit der Rechtsauffassung gehört, die Herr Minister Dr. Lehr soeben hier dargelegt hat. Was den „politischen Willkürakt" anbetrifft, so darf ich darauf hinweisen, daß die Lage in Schleswig-Holstein insofern ganz exzeptionell ist, als Schleswig-Holstein dasjenige unter den deutschen Ländern ist, das den bei weitem höchsten Satz von Heimatvertriebenen hat, und daß es sich lediglich darum handelte, die politischen Vertreter dieser Heimatvertriebenen jetzt auch auf der Kreis- und Kommunalbasis überhaupt zur Wirksamkeit kommen zu lassen.
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Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr; ich schließe die Aussprache. Es ist von Herrn Abgeordneten Mellies beantragt worden, diese Interpellation - entsprechend der Übung, die wir vorhin bei der Überweisung von Interpellationen angewandt haben - dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus mit der Überweisung einverstanden? - Darf ich fragen, wer für Überweisung an den Rechtsausschuß ist? - Dagegen? - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf darauf hinweisen, daß nach Vereinbarung im Ältestenrat die nächsten Plenarsitzungen vorgesehen sind für Montag, den 21. Mai, 14 Uhr, Dienstag, den 22. Mai, 14 Uhr, und Mittwoch, den 23. Mai, 10 Uhr.
Ich bin gebeten worden, mitzuteilen, daß die FDP-Fraktion heute um 15 Uhr zusammentritt. Die CDU-Fraktion tritt sofort im Anschluß an unsere Sitzung zusammen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Montag, den 21. Mai, 14 Uhr, und schließe die 141. Sitzung des Deutschen Bundestages.