Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 140. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage dem Abgeordneten Dr. Oesterle aus dringenden familiären Gründen, den Abgeordneten Weickert, Schoettle und Rische wegen dienstlicher Inanspruchnahme, den Abgeord({0})
neten Agatz, Niebergall, Schüttler, Hoogen, Feldmann und Gibbert wegen Krankheit, für drei Tage dem Abgeordneten Determann aus dringenden familiären Gründen.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Spies für eine weitere Woche wegen Krankheit, Kurlbaum für eine Woche wegen Krankheit, Zühlke für eine Woche aus dringenden familiären Gründen, Dr. Hoffmann für zwei Wochen wegen Krankheit, Winkelheide für zwei Wochen wegen Krankheit, Frau Albertz für zwei Wochen wegen Krankheit, Maier ({1}), Hoppe Dr. Menzel, Dr. Dresbach, Neumayer für vier Wochen wegen einer Studienreise in die USA, Frau Hütter für vier Wochen wegen Krankheit, Dirscherl für weitere vier Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß, Volkholz, von Arentin, Dr. Holzapfel, Kühn.
Außerdem gelten als entschuldigt die Abgeordneten, die als Delegierte an der Sitzung des Europarates in Straßburg teilnehmen.
Meine Damen und Herren, die Voraussetzungen für die über eine Woche hinaus gewünschten Beurlaubungen sind von mir überprüft. Ich schlage Ihnen vor, die Beurlaubungen zu genehmigen. - Das ist erfolgt; ich stelle das fest.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich der Tatsache zu gedenken,
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daß Se. Exzellenz der Staatspräsident von Portugal Marschall Antonio Oscar de Fracoso Carmona am 18. April 1951 verstorben ist. Marschall Carmona ist in Portugal zunächst Außenminister, dann Ministerpräsident und Kriegsminister gewesen. Er ist im Jahre 1928 zum Staatsoberhaupt verfassungsmäßig gewählt und durch das Vertrauen des portugisischen Volkes dreimal wiedergewählt worden. Seinem Einfluß ist es zu danken, daß das portugiesische Volk von den spanischen Wirren verschont geblieben ist und Portugal im zweiten Weltkrieg seine Neutralität wahren konnte. Namens des Deutschen Bundestages spreche ich dem portugisischen Volk die Teilnahme zu dem schweren Verlust aus, den es durch den Tod seines Staatspräsidenten erlitten hat. - Sie haben sich zu Ehren des verstorbenen portugiesischen Staatspräsidenten von Ihren Plätzen erhoben. Ich stelle das fest und danke Ihnen.
Meine Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß der Untersuchungsausschuß, der Ausschuß Nr. 44, um 14 Uhr zu einer Sitzung im Zimmer 12 zusammentritt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat mich darauf hingewiesen, daß Herr Abgeordneter Dr. Koch ausweislich des Protokolls über die 137. Sitzung vom 20. April 1951 eine Stelle aus dem Bundesgesetzblatt zitiert hat, und zwar in der Form:
Der Bund gewährt dem Lande Schleswig-Holstein zur Aufrechterhaltung der Zahlungsunfähigkeit einen unverzinslichen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.
Ich habe festgestellt - und ich gebe Ihnen anheim, es nachzuprüfen -, daß es auf Seite 217 des Bundesgesetzblattes nicht „Zahlungsunfähigkeit", sondern richtig „Zahlungsfähigkeit" heißt und daß das Zitat des Herrn Abgeordneten Dr. Koch auf einen Nachdruck aus einer nichtamtlichen Sammlung von Gesetzen zurückzuführen ist. Zur Ehrenrettung des Bundesgesetzblattes möchte ich das hier ausdrücklich feststellen.
Dann, meine Damen und Herren, bin ich von dem Herrn Bundesminister der Finanzen gebeten worden, die Punkte 3 und 9 der Tagesordnung betreffend Kredit-Restriktionen und Krediteinschränkungen in der Grenzlandwirtschaft zusammen behandeln zu lassen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Schließlich bin ich darüber unterrichtet, daß der Punkt 6 der Tagesordnung - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland - sich dadurch erledigt hat, daß der Antrag zurückgezogen worden ist.
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Sie können also Punkt 6 der Tagesordnung streichen.
Die Mitteilungen, die noch zu machen sind, werden wie üblich ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 27. April 1951 beschlossen, den folgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz zur Änderung des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft - Änderungsgesetz;
Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen;
Gesetz über die Rechtsstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen;
Gesetz über den Sitz des Bundesverfassungsgerichts;
Zweites Gesetz über die Neugliederung in den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern.
Zum Gesetz zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister hat er beschlossen, einen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht einzulegen.
Er hat weiter beschlossen, das Verlangen auf Einberufung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes zurückzunehmen und dem Gesetz zuzustimmen.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 26. April 1951 die Anfrage Nr. 143 der Fraktion der KPD betreffend deutsche Auslandsschulden - Drucksache Nr. 1644 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2218 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 28. April 1951 die Anfrage Nr. 177 der Abgeordneten Frau Dr. Probst und Genossen betreffend Bundesversorgungsgesetz - Drucksache Nr. 2142 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2219- vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 2. Mai 1951 die Anfrage Nr. 178 der Fraktion der Bayernpartei betreffend Milchpreis - Drucksache Nr. 2165 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2220 vervielfältigt.
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In Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 103. Sitzung hat der Herr Bundesminister für Arbeit über die Bekämpfung der Schwarzarbeit berichtet. Sein Schreiben vom 25. April 1951 wird als Drucksache Nr. 2221 vervielfältigt.
Am 5. Mai 1951 hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen auf Grund des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 43. Sitzung über die Befreiung von Rundfunkgebühren für Erwerbslose berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2224 vervielfältigt.
Ich rufe auf Punkt la) und lb) der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes ({3});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen ({4}) über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Neue Wellenlänge für Radio München ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zu Punkt la) eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 90 Minuten, zur Besprechung des Berichts des Ausschusses zu Punkt lb) eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorzusehen. - Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Begründung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei Herr Abgeordneter Matthes, bitte:
Matthes ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Fraktionsvorsitzender Dr. Mühlenfeld hat bereits vor einigen Tagen Gelegenheit genommen, auf die Unzulänglichkeit des deutschen Rundfunkwesens im allgemeinen und bei dem größten deutschen Sender, dem Nordwestdeutschen Rundfunk, im besonderen hinzuweisen. Er hat dabei der deutschen Öffentlichkeit Tatsachen vorgetragen, .die es nach unserer Ansicht nicht nur rechtfertigen, sondern sogar verlangen, daß sich dieses Hohe Haus einmal grundsätzlich über alle Rundfunkangelegenheiten ausspricht. Diese Tatsachen sind so alarmierend und die aus diesen Tatsachen sichtbar werdende Tendenz ist so bedenklich, daß sich meine Fraktion schon auf Grund dieser Tatsachen ausreichend legitimiert fühlt, ihren Antrag auf Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes zu stellen.
Um es vorweg zu sagen: Meine Fraktion bedauert zutiefst, daß sich die Bundesregierung in der so eminent wichtigen Frage des Rundfunkwesens eine gewisse Zurückhaltung auferlegt hat. Sie bedauert das unter anderem schon deshalb, weil bereits im nächsten Jahr die nächste Internationale Wellenkonferenz stattfinden wird und bisher seitens der Bundesregierung nichts unternommen wurde, um zu erreichen, daß die Funkhoheit von der Alliierten Hochkommission auf die Bundesregierung übergeht, damit die Bundesrepublik auf der nächsten Wellenkonferenz mit einer eigenen Abordnung die Interessen unseres Bundes wahrnehmen kann.
Meine Fraktion hatte erwartet, daß die Bundesregierung sich beizeiten um den rein formalen Akt der Übergabe der Funkhoheit an die Bundesrepublik bemüht hätte, weil die Rundfunkversorgung im Gebiet der Bundesrepublik absolut unzureichend ist und auch dieser unerträgliche Zustand nur dann abzuändern ist, wenn wir wieder im Besitz der Funkhoheit sind und es verhindern können, daß man uns wieder so wie auf der Kopenhagener Konferenz übervorteilt. Es sollte für uns ein Grund zum Nachdenken sein, daß die Sender der Bundesrepublik durchweg schlecht zu empfangen sind, während die Sender der _Sowjetzone auch im Gebiet der Bundesrepublik einen hervorragenden Empfangsgrad aufweisen.
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Daß die Bundesregierung trotz dieser beiden Tatbestände noch nicht einmal den Versuch gemacht hat, sich um die Rückgabe der Funkhoheit zu bemühen, hat meine Fraktion mit der allergrößten Besorgnis erfüllt. Sie bittet auch heute die Bundesregierung nochmals dringendst, bei den Hochkommissionen zu intervenieren und das Versäumte nachzuholen. Sie bittet die Regierung außerdem, dieses Hohe Haus alsbald über die unternommenen Schritte zu unterrichten. Die beklagenswerte Inaktivität der Regierung hat es vermocht, daß im Laufe der letzten Zeit deutsche Rundfunksender zu selbständigen internationalen Verhandlungspartnern wurden und sich mit ausländischen Sendern über die gemeinsame Benutzung bestimmter Wellen einigten. So hat z. B. der NWDR seit geraumer Zeit die Welle des finnischen Senders Kuopio in Benutzung, mit dem der NWDR verhandelt hatte. Auch die eigenmächtige Verteilung der Ultrakurzwellen ist in der bisher geübten Form einer alsbaldigen einstweiligen Bundesregelung zu unterwerfen.
Aber neben diesen rein technischen Fragen, deren Zahl um viele zu erweitern wäre, gibt es sehr reale politische Gründe, die nach einer bundesgesetzlichen Regelung drängen.
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Ich darf hier zunächst auf die schweren Anklagen meines Fraktionsvorsitzenden Dr. Mühlenfeld verweisen, der nachweisen konnte,
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daß sich im Nordwestdeutschen Rundfunk eine SPD-Regierung etabliert hat,
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die rücksichtslos ihre Hauspolitik ausüben konnte.
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- Sie haben ja nachher Gelegenheit, den Gegenbeweis zu führen. Über die Propaganda und Ihre Zwischenrufe brauchen wir uns jetzt nicht zu streiten. Diese Propaganda fällt nur wieder auf Sie selbst zurück. - Mein Fraktionsvorsitzender Dr. Mühlenfeld hat nachgewiesen, daß sich unter der Führung des SPD-Generaldirektors Grimme ein Rundfunkregime der Manager breitgemacht hat, das schon in der Unterdrückung der viel zitierten „demokratischen Grundrechte" recht weit fortgeschritten ist.
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Denn was vor kurzer Zeit bei Herrn von Zahn noch ein Einzelfall war, das kann gut und gern, wenn man sich die verantwortlichen Herren des NWDR einmal genauer ansieht, morgen schon System sein. Diese Herren haben nämlich zu einem Teil eine Vergangenheit, die es ratsam macht, einmal die Frage aufzuwerfen: Wie steht denn eigentlich ein Teil dieser Männer, die sich ihre demokratische Reife in Moskau oder sonst irgendwo in
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der Schule Stalins holten, - wie stehen überhaupt diese Männer zu unserem demokratischen Staat?
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Aber nicht nur diese Frage wird zu prüfen sein. ({15})
- Herr Dr. Greve, Sie haben ja nachher Gelegenheit, Ihren Standpunkt darzulegen. Dann sind Ihre Ausführungen besser zu verstehen als jetzt Ihre Zwischenrufe.
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- Herr Dr. Greve, Sie haben nachher Gelegenheit, zu sprechen. Ich nehme an, daß Sie sicherlich Gelegenheit dazu nehmen werden. Grundsätzlich wird, 'dieses Haus zu entscheiden haben, ob wir in Deutschland einen Rundfunk machen wollen, der ergebener Untertan einer Parteiansicht ist. Wir wollen keinen Rundfunk, der durch die Bundesregierung - ({17})
- Nein, Herr Kollege Mellies, es handelt sich nicht um Schwarz-weiß-rot, absolut nicht. Hier handelt es sich nur um Rot.
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- Wir wollen keinen Rundfunk, der durch die Bundesregierung oder durch die Regierung eines Bundeslandes gelenkt wird. Aber wir wollen schon gar keinen Rundfunk, dessen lenkende Hand sich im Rundfunkreferat der Odeonstraße in Hannover befindet.
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Unmittelbar nachdem meine Fraktion vor wenigen Tagen der Öffentlichkeit über die Zustände beim NWDR Kenntnis gegeben hatte, bemühte sich der NWDR, zu retten, was zu retten war.
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- Wir haben es absolut nicht nötig, eine solche Propaganda zu machen, Herr Kollege!
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- Beruhigen Sie sich! Ich habe die Frage des
NWDR in meinen Referaten im Wahlkampf nicht gestreift. - Der NWDR konnte nicht viel retten. Er mußte nur zugeben und im übrigen den Versuch der Ablenkung von dem heißen Eisen im NWDR machen. Der NWDR mußte zugeben, daß durch Veranlassung des SPD-Mitgliedes Dr. Grimme, der ja einmal Kultusminister bei uns im Lande Niedersachsen war, Mitarbeiter des Nordwestdeutschen Rundfunks in bezug auf ihre politischen Beziehungen bespitzelt wurden.
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Ich darf Ihnen sagen, daß es sich bei den Bespitzelten und Überwachten u. a. um den ehemaligen Vorsitzenden des Verwaltungsrats des NWDR, Professor Raskop, handelt, dessen Verbrechen offenbar darin bestand, der CDU anzugehören, und um den ehemaligen Intendanten des' NWDR in Hamburg, Herbert Blank. Diese Herren - und nicht nur diese allein - wurden durch das Hamburger Detektivbüro Hoyer und Jonatis überwacht, und der NWDR entrichtete für diese Bespitzelung
- und hier muß ich die bisherigen Erklärungen meines Fraktionsvorsitzenden Mühlenfeld berichtigen - nicht 10 000, sondern 15 000 Mark, die
selbstverständlich der Rundfunkhörer aufzubringen hat.
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Wie im Auftrage des Demokraten Grimme diese Detektei bespitzelt hat, möchte ich Ihnen an Hand einer Kostprobe mitteilen. Mit Ihrer gütigen Genehmigung„ Herr Präsident, darf ich aus den Detekteiberichten wörtlich zitieren, und zwar handelt es sich - ({24})
- Daß es Ihnen so unangenehm ist, kann ich begreif en;
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denn das sind ja Methoden, die wir aus der Vergangenheit kennen.
In einem dieser Berichte heißt es:
Blank wurde wiederholt besucht von Professor Raskop, Dr. Dovifat, Professor Dr. von der Gablenz, Dr. Werner Nestel,
usw. usw.
Etwa sechsmal aß Blank im Restaurant Alstercafé zu Mittag,
usw. usw. Ich habe diese Berichte im Wortlaut hier vorliegen. Falls Sie sich ,dafür interessieren, stelle ich sie gerne zur Verfügung.
In einem anderen Bericht der Detektei heißt es:
R. wird zu unregelmäßigen Zeiten durch ein Auto mit Hamburger Nummer abgeholt und wieder nach Hause gebracht. Der Wagen nimmt jeweils Richtung auf eine der Ausfallstraßen und scheint nur für Fernfahrten benutzt zu werden usw.
Und in diesem Tenor geht es weiter.
Meine Damen und Herren! Wenn solche Überwachungen in einer Institution möglich sind, die dazu da ist, die öffentliche Meinung zu bilden, und zwar nach unserer Auffassung demokratisch zu bilden, dann ist es wirklich an der Zeit, solchen Menschen dieses Instrument, mit dem sie nicht umgehen können, aus der Hand zu nehmen.
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Es ist beschämend zu hören, daß Herr Dr. Grimme offenbar nur dann sein demokratisches Herz entdeckt, wenn es darum geht, seinen Parteifreund Schumacher vor der Wahrheit zu bewahren.
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- Das sollte Ihrer Seite verbleiben!
Herr von Zahn war es - also ein Mann, der nach seinem Mitbestimmungskommentar hoch in der Gunst der SPD stand -, der anläßlich eines Kommentars zum Schumanplan dem Vorsitzenden der SPD die Wahrheit sagen wollte. Ausgerechnet bei diesem Kommentar entdeckte Herr Dr. Grimme seine Kompetenzen, und ausgerechnet diesen Kommentar verbot er, und er ließ ihn erst vierzehn Tage später in erheblich geänderter Form sprechen. Abends ließ Herr Dr. Grimme die pikante und sinnige Version verbreiten, von Zahn habe eine Autopanne erlitten und könne daher seinen Kommentar nicht sprechen. Die Öffentlichkeit, also der zahlende Rundfunkhörer, hat ein Recht darauf, zu erfahren, ob und inwieweit der NWDR durch derartige Dinge die fundamentalsten Pflichten eines objektiven und überparteilichen Rundfunks verletzt hat.
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I Meine Fraktion, die sich seit einiger Zeit intensiv um die Verhältnisse beim NWDR gekümmert hat, stellt, um diese Dinge zu klären, folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Zur Klärung der mehrfach in der Öffentlichkeit seit langem behaupteten unzulänglichen sachlichen, personellen und politischen Verhältnisse im NWDR wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt.
Diesem Untersuchungsausschuß gehören 15 Mitglieder an, die von den Fraktionen nach dem d'Hondtschen System zu benennen sind. Der Untersuchungsausschuß hat die ihm gestellten Aufgaben beschleunigt zu erledigen.
- Herr Präsident, ich überreiche Ihnen ,diesen Antrag.
Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß dieses Haus unserem Antrag unverzüglich seine Zustimmung geben sollte, schon deshalb, weil es sowohl für dieses Parlament als auch für die Bevölkerung unerträglich ist, zu wissen, daß im NWDR Dinge vor sich gehen, die mit seiner Satzung jedenfalls nicht zu vereinbaren sind.
Es sind aber nicht nur diese politischen Verhältnisse, die nach einer Neuordnung des NWDR drängen. Was z. B. die finanziellen Dinge angeht, so sei hier nur gesagt, daß nach unserer Auffassung der NWDR seit langer Zeit an seinem Reichtum gewissermaßen lebensgefährlich erkrankt ist. Das drückt sich dann darin aus, ,daß er - und das ist meiner Fraktion sehr zuverlässig bekannt geworden -, „um sein Geld anzulegen", die Papiernotlage der Zeitungen dadurch noch verschärft, daß er für die von ihm beabsichtigte Rundfunkprogrammzeitschrift erhebliche Mengen Papier beschaffen will. 81 Millionen DM nimmt diese Sendegesellschaft jährlich ein, also genau so viel, wie alle anderen deutschen Sender zusammen. Mit diesem Geld macht dieser Sender ein Programm, das nach seinen finanziellen Möglichkeiten ein weit besseres sein müßte. Trotz dieses Geldes' aber hat der NWDR die Absicht, 'dem regsamen, zwar kleinen, aber durchweg anerkannten Konkurrenten in Bremen den Lebensfaden abzuschneiden. Auch über die Frage der Erhaltung dieses ausgezeichneten Senders in Bremen, der sich in seinem Hörerkreis der größten Beliebtheit erfreut, wird in positivem Sinne in dem zu schaffenden Bundesrundfunkgesetz zu reden sein.
Über den NWDR ist, solange er besteht, viel Kritisches gesagt und geschrieben worden. Vieles war richtig, aber eines hat man dabei 'übersehen: Der NWDR in seiner jetzigen Form kann ja gar nicht das sein, was sich seine Hörer und Hörerinnen von ihm vorstellen.
Nun noch einige Worte zu der Tendenz des Gesetzes, die wir wünschen und die wir vor allen Dingen in der Vorlage seitens der Bundesregierung sehen möchten. Ich habe bereits erklärt, daß wir keinen Regierungsrundfunk wünschen. Wir wollen ein Gesetz haben, daß die Unantastbarkeit der freien Publizistik sichert. Aber die Zustände beim NWDR haben bereits bewiesen, daß es gewisser Regulative bedarf, um die Einhaltung der Satzungen und die Unabhängigkeit des Rundfunks zu gewährleisten. Zu diesem Punkte schlägt meine Fraktion die Schaffung eines Bundesrundfunkrates vor, der nach der Art einer Selbstkontrolle die Arbeit der Rundfunksender zu überwachen haben würde. Außerdem würde die Funktechnik, insbesondere für das Fernsehen und den UKW, Sache dieses Rates sein und nicht Sache jedes einzelnen Senders. Schließlich sollte dieser Rat den Gebührenausgleich zwischen den Sendern vornehmen und ähnliche Dinge mehr bearbeiten.
Wir wissen sehr wohl, daß es eingehender und sorgfältigster Arbeit bedarf, ehe wir ein Gesetz verabschieden können, das allen Erfordernissen Rechnung trägt. Aber wir glauben, daß dieses Hohe Haus nicht zögern sollte, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. In Hamburg ist man dabei, den Ruf des deutschen Rundfunks schwerstens zu schädigen,
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und wir glauben, daß sich dieses Hohe Haus an dieser Entwicklung nicht mitschuldig machen sollte und daß es daher in dieser Frage schnellstens aktiv werden müßte. Über die Zuständigkeit des Bundes, auf dem Gebiete des Rundfunks gesetzgeberisch aktiv zu werden, besteht wohl innerhalb dieses Hohen Hauses kein Zweifel mehr. Es ist eine bare Selbstverständlichkeit, daß die Bundesrepublik auf internationalen Funkkonferenzen durch eine zentrale Institution vertreten sein muß und daß demzufolge auch der Zentrale des Bundes das Recht eingeräumt werden muß, die elementarsten Dinge des Funkwesens gesetzlich zu regeln. Wir wünschten, der Bundestag möge das so tun, daß weder die Rechte der Länder noch die der Rundfunkanstalten verletzt werden. Wir wünschen aber auch, daß der Bund die Rechte, die ihm zustehen, ausübt und zwar schnell und gründlich.
Nun gestatten Sie mir zum Schluß noch ein kurzes Wort. Der Herr Dr. Grimme hat uns vor wenigen Tagen auf den Tisch bzw. in die Fächer ein Büchlein legen lassen, in das er selbst einige sehr kluge Worte geschrieben hat. Er hat darin vom „Ethos des Rundfunks" gesprochen und von der Gefahr, die in der Etablierung einer „Rundfunkhausmacht" bestehe. Derartige Worte stehen zwar Herrn Dr. Grimme nach dem bisher Erwähnten nicht gut zu Gesicht, denn 'er und seine Partei haben wie kaum ein anderer in der Bundesrepublik dieses Ethos mißachtet. Aber wir sollten alle miteinander danach trachten, diesen Worten nunmehr Gehalt zu geben. Wir wissen, wie sehr sich im Laufe der letzten Jahre zahllose Rundfunkmänner redlich um den Ruf unseres Rundfunks bemüht haben. Wir wissen aber auch, daß es ihnen oftmals gelungen ist, wirklich Anstrengung mit Leistung und Objektivität zu verbinden. Gerade deshalb aber fragen wir diese deutschen Funkleute, wielange sie eigentlich noch zusehen wollen, bis die NWDR-Bürokratie in Hamburg auch das letzte bißchen Ansehen des Rundfunks zertreten hat.
Und nun noch ein Wort an die Bundesregierung. Meine Fraktion hat nicht die Absicht, von der Regierung zu erfahren, welche formalen Schwierigkeiten bestehen mögen, um uns die Funkhoheit zurückzuholen. Wir möchten aber trotzdem bitten, daß die Regierung in dieser Frage schnellstens handelt, und wir bitten das Hohe Haus, unseren beiden Anträgen zuzustimmen bzw. den Antrag auf Vorlage eines Rundfunkgesetzes dem zuständigen Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen.
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Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst auch den Bericht des Herrn Berichterstatters des 28. Ausschusses entgegennehmen und dann die Aussprache über beide Fragen zusammenfassen.
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Zunächst hat das Wort der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, daß die Regierung dem Hohen Hause ein Rundfunkgesetz unterbreiten sollte, entspricht durchaus dem Wunsche der Regierung. Die Materie ist sowohl nach der rechtlichen als auch nach der tatsächlichen Seite nicht einfach. Daraus erklärt es sich auch, daß dieses Rundfunkgesetz, das von meinem Hause bereits in Angriff genommen ist, noch im Stadium der Entwicklung ist. Ich habe wenige Monate nach der Übernahme meines Amtes den zuständigen Sachbearbeiter damit beauftragt, eingehende juristische Untersuchungen vorzunehmen, die die Rückübertragung der Rundfunkhoheit an die deutschen Behörden zum Gegenstand haben sollten; und weil die Angelegenheit nicht ganz einfach ist - die Ergebnisse der Arbeit des Herrn Referenten sind in einem dreißigseitigen Memorandum zusammengefaßt, das mir kurz vor Weihnachten vorgelegt wurde -, habe ich mich veranlaßt gesehen, die Angelegenheit bereits in dem Stadium der Vorerwägungen des Entwurfs dem Kabinett vorzulegen. Das Kabinett hat sich der Auffassung meines Hauses angeschlossen, daß man zunächst die Alliierte Hohe Kommission mit der Frage beschäftigen sollte, eine Reihe von Militärverordnungen und ein Kontrollratsgesetz - den Art. 3 der Verordnung Nr. 5 - aufzuheben. Diese Anregung liegt zur Zeit unserem Auswärtigen Amt vor. Ich habe mich noch heute morgen nach dem Stande der Sache erkundigt und gehört, daß die Angelegenheit in wenigen Tagen von dort aus der Hohen Kommission vorgetragen werden kann.
Meine Damen und Herren, wenn man vom Rundfunk spricht, muß man sich stets zwei Seiten dieses wichtigen Zweiges unserer öffentlichen Unterrichtung vergegenwärtigen: eine geistige und eine technische Seite. Die geistige Seite - das ist die Rundfunkanstalt, die ein Programm herstellt, dieses Programm bearbeitet, durcharbeitet, redigiert, um einen Presseausdruck zu verwenden; und dann die technische Seite - das ist das drahtlose Senden. Ich möchte mich zunächst einmal kurz mit der technischen Seite befassen, mit dem drahtlosen Senden. Hier steht nach unserer Verfassung, nach Art. 73 Ziffer 7 unseres Grundgesetzes, zweifellos dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung zu. Unter diesen Begriff Post- und Fernmeldewesen in Art. 73 Ziffer 7 fällt die Rundfunkhoheit, die nach der Auffassung der Bundesregierung dem Bunde gebührt. Auch insoweit betrachtet sich der Bund als der Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs. Die Tatsache, daß die Rundfunkgesetze z. B. im amerikanischen Gebiet von den Landtagen verabschiedet sind, hat verschiedentlich die Meinung aufkommen lassen, nicht nur der gegenwärtige Betrieb der Sender sei Ländersache, sondern auch die Rundfunkhoheit ruhe bei den Ländern. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Die Rundfunkhoheit ruht zur Zeit bei den Besatzungsmächten, und deshalb sind wir zur Zeit verhindert, selbständig zu handeln. Gemäß Art. 3 des Gesetzes Nr. 5 der Allierten Hohen
Kommission darf die bestehende sendetechnische Rundfunkorganisation ohne die Genehmigung der Alliierten nicht verändert werden. An diesem Zustand hat sich auch durch die kleine Änderung des Besatzungsstatuts zur Zeit noch nichts geändert. Auch die Wellenverteilung ist den deutschen Stellen entzogen. Sie obliegt ausschließlich der Hohen Kommission. Bevor also ein sendetechnisches Rundfunkgesetz entstehen und von uns Ihnen hier vorgelegt werden könnte, müßten die Alliierten veranlaßt werden, die genannten Bestimmungen aufzuheben und der Bundesrepublik die völlige Rundfunkhoheit zu übertragen. Wie ich Ihnen bereits sagte, ist ein entsprechender Entwurf von meinem Ministerium vorbereitet, und er wird in wenigen Tagen in den Händen der Alliierten Hohen Kommission zu deren Entscheidung sein.
Ich möchte in diesem Zusammenhang vor Ihnen betonen, daß durch die Revision des Besatzungsstatuts keine Änderung eingetreten ist und daß trotz Errichtung eines Außenministeriums die Bundesrepublik gemäß Ziffer 2 c des Besatzungsstatuts auch in der neuen Fassung noch nicht befugt ist, internationale Verträge, insbesondere auch nicht über die Wellenverteilung, abzuschließen. Solange diese Rechtslage besteht, müssen wir uns nach den von den Alliierten abgeschlossenen Wellenverträgen richten und können auch nicht von uns aus neue Wellenverteilungen vornehmen, soweit sie etwa in Widerspruch zu den alliierten Verträgen stehen. Wir müssen also die Übertragung der vollen Rundfunkhoheit mit der Forderung koppeln, der Bundesrepublik das Recht zum Abschluß von internationalen Wellenverträgen zu gewähren.
Im übrigen bedarf es in bezug auf die sendetechnische Seite des Rundfunks nicht unbedingt der Vorlage eines neuen technischen Rundfunkgesetzes. Das alte Fernmeldeanlagengesetz von 1928 enthält auch die sendetechnischen Bestimmungen für den Rundfunk. Dieses Gesetz ist heute auch noch in. Kraft; jedoch ist hier eben das Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission vorhanden, das teilweise das sendetechnische Gesetz überdeckt, das in einigen süddeutschen Ländern durch das Landesrecht mit partieller Wirkung abgeändert worden ist. Auf alle Fälle ist dieses alte sendetechnische Reichsgesetz über die Fernmeldeanlagen in einer ganzen Reihe von Punkten revisionsbedürftig.
Ich komme nunmehr im Anschluß an die Ausführungen über die technische Seite des Rundfunks zu seiner geistigen Seite. Das sind also, wie ich vorhin sagte, die Rundfunkanstalten, die das Programm vorbereiten und redigieren. Hier kommen wir auf ein äußerst umstrittenes Rechtsgebiet, nämlich auf die Frage, ob und inwieweit der Bund ordnend in diese Organisation eingreifen darf. Es läge meiner Meinung nach im Interesse der Rundfunkanstalten selbst, wenn der Bund alle im Grundgesetz gegebenen Möglichkeiten im vollen Umfang benutzen würde, um wenigstens in den Grundzügen eine gewisse Einheitlichkeit der Organisation in den Rundfunkanstalten herbeizuführen. Dabei wird es selbstverständlich das Bestreben der Bundesregierung sein, das kommende Gesetz in ständiger Fühlungnahme und möglichst im Einvernehmen mit den Ländern und mit den Rundfunkanstalten selbst vorzubereiten. Entsprechende Vorarbeiten sind von meinem Hause aufgenommen.
Bevor aber diese bundesgesetzliche Regelung über die Grundzüge der Rundfunkorganisation ergehen kann, müssen wir auch hier für den
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geistigen Rundfunk die Aufhebung besatzungsrechtlicher Bestimmungen erstreben. In der britischen Zone handelt es sich um die Verordnung Nr. 118, die das rechtliche Fundament des Nordwestdeutschen Rundfunks darstellt. In der französischen Zone sind es die Verordnungen 187 und 198, auf denen der Südwestfunk basiert. Diese rundfunk-organisatorischen Bestimmungen des Besatzungsrechts liegen zweifellos nach dem neuen, aber auch nach dem alten Besatzungsstatut außerhalb der den Besatzungsmächten vorbehaltenen Gebiete. Sie müssen also auf einen entsprechenden Antrag der zuständigen deutschen Dienststellen aufgehoben werden, sofern und sobald die dann gegebene Rechtslücke durch deutscherseits neu zu erlassende gesetzliche Bestimmungen geschlossen werden kann. Das ist auch das Ziel unserer vorbereitenden Arbeiten.
Angesichts der sowohl für den technischen als auch für den geistigen Rundfunk bestehenden rechtlichen Schwierigkeiten und auch angesichts der politischen Schwierigkeiten, die die Materie mit sich bringt, möchte ich Ihnen noch folgendes ergänzend ausführen. Die Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens, wie sie durch das Ihnen vorzulegende Bundesrundfunkgesetz geschaffen werden soll, wird die Grundrechte der freien Meinungsäußerung und -verbreitung sowie die Freiheit der Rundfunkberichterstattung, wie sie ausdrücklich in Art. 5 unserer Verfassung festgelegt sind, auf das Genaueste zu beachten haben. Diese Rechte finden gemäß Abs. 2 des Art. 5 ja nur insoweit eine Einschränkung, als sie nicht den Vorschriften der allgemeinen Gesetze widersprechen dürfen, als sie den Bestimmungen zum Schutze der Jugend und dem Recht der persönlichen Ehre Rechnung zu tragen haben.
Ich habe nun vor einiger Zeit aus Anlaß von Einzelfällen einmal den Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks gebeten, zu einer Aussprache nach Düsseldorf zu kommen. An der Aussprache beteiligten sich der Generaldirektor des Nordwestdeutschen Rundfunks, Herr Professor Dr. Grimme, der Vorsitzende deis Verwaltungsrats, Herr Professor Dovifat, auch der Vorsitzende des Hauptausschusses selbst. Wir haben in einer eingehenden Besprechung alle die Zweifelsfragen, die bei uns entstanden waren, einer gründlichen Diskussion unterzogen. Ich darf feststellen, daß erfreulicherweise bei allen Beteiligten eine Übereinstimmung in der Hinsicht erzielt werden konnte, daß eine starke Selbstkontrolle bei dem Rundfunk notwendig ist. Es ist anerkannt worden, daß das Recht der freien Meinungsäußerung und das Recht der freien, ungehinderten Übertragung im Rundfunk seine Grenzen hat und daß auch die organisatorischen Fragen unter besonderer Betonung der Unparteilichkeit und Überparteilichkeit des Rundfunks zu berücksichtigen sind. Es ist unser Bestreben gewesen, in dieser Besprechung auch schon vor Erlaß des von Ihnen heute begehrten Gesetzes zu einer gewissen Kontrolle 'im Wege der Selbstverwaltung zu kommen, sowohl hinsichtlich des politischen Programms, hinsichtlich der Ausführungen der politischen Kommentatoren und der Fühlungnahme des Generaldirektors des Rundfunks mit seinen Kommentatoren in dieser Hinsicht als auch hinsichtlich der Prüfung von Beschwerden aus dem Hörerkreis und von anderer Seite. Ich hoffe, daß die dort besprochenen Möglichkeiten inzwischen verwirklicht werden, auch ehe das Hohe Haus hier über ein Gesetz beschließt. Wir haben auch ebenso freimütig alle personellen
Beanstandungen und Wünsche 'durchgesprochen, und seit der Zeit besteht eine lebendige, ständige Fühlungnahme zwischen dem Referat meines Hauses und mir selbst einerseits und dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats des Nordwestdeutschen Rundfunks wie auch mit Herrn Generaldirektor Professor Dr. Grimme selbst andererseits. Wir hoffen, daß es unter geeignetem, gedeihlichem, freimütigem Zusammenwirken aller beteiligten Kräfte gelingen wird, dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die verfassungsmäßige Freiheit des Rundfunks ebenso beachtet, wie der Entwurf auch die Verantwortung betonen wird, die mit einer wahren Freiheit untrennbar verbunden ist.
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Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst den Bericht des Herrn Abgeordneten Stücklen zu Punkt 1 b der Tagesordnung hören. - Das Wort hat der Abgeordnete Stücklen.
Stücklen ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Zuständigkeit der Bundesregierung bzw. der Deutschen Bundespost als Verwaltung im Sinne des Internationalen Fernmeldevertrages ist zur Zeit noch beschränkt.
Die Rechtslage ist folgende
Die Alliierte Hohe Kommission hat in der Anweisung vom 21. 12. 1949 über die Abgrenzung der Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung auf dem Gebiete des Post- und Fernmeldewesens unter anderem festgelegt, daß
a) die Bundesregierung die Verfahren, Vorschriften und Empfehlungen des Internationalen Fernmeldevertrages zu beachten hat,
b) die Befugnis zur Zuweisung und Prüfung der Rundfunkfrequenzen der Alliierten Hohen Kommission vorbehalten bleibt.
Ferner hat die Alliierte Hohe Kommission in einer Anweisung an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen vom 27. 2. 1950 festgelegt, welche Rundfunkfrequenzen von der Deutschen Bundespost in eigener Zuständigkeit zugeteilt werden können, und das Verfahren für die Zuweisung der übrigen Rundfunkfrequenzen bestimmt. Die Zuteilung von Frequenzen ist in dieser Anweisung nicht geregelt, so daß dafür die Anweisung vom 21. 12. 1949 Buchstabe b gilt. Danach ist für die Zuteilung von Rundfunkfrequenzen und für die Durchführung des Kopenhagener Rundfunkplans, an dessen Aufstellung die Deutsche Bundespost nicht beteiligt war, weiterhin die Alliierte Hohe Kommission zuständig. Nach dem Kopenhagener Rundfunkplan sind für die US-Zone nur die Frequenzen 989 und 1602 kHz zugeteilt worden. Auf der Frequenz 1602 kHz arbeitet seit dem 15. März 1950 - das ist der Tag des Inkrafttretens des neuen Wellenplans - der Rundfunksender Nürnberg. Die Frequenz 989 kHz ist dem Rundfunksender Berlin ({1}) zugewiesen worden. Die Rundfunksender München und Hof benutzten gemeinsam vom 15. März bis 6. Juli 1950 die Frequenz 728 kHz, und vom 7. Juli 1950 an arbeiten sie mit der Frequenz 982 kHz. Die Frequenz 728 kHz, die dem Rundfunksender Athen als Einzelfrequenz zugeteilt worden ist, mußte von der Besatzungsmacht auf Grund eines Einspruchs der griechischen Verwaltung zurückgezogen werden. Nach dem Plan ist die Frequenz 962 kHz Finnland für den Rundsunksender Turku - 100-kW-Leistung - und Tunesien für
({2})
den Rundfunksender Tunis I - 120-kW-Leistung - zugeteilt.
Das Generalsekretariat des Internationalen Fernmeldevereins hat der Bundesregierung mitgeteilt, daß die tunesische Postverwaltung gegen die Benutzung der Frequenz 962 kHz durch den Rundfunksender München bereits Einspruch erhoben hat, da starke Störungen durch diesen Sender auftreten und die Verwendung der Frequenz in Widerspruch zu dem Kopenhagener Wellenplan erfolgt.
Die Zuteilung einer neuen Frequenz für den Rundfunksender München in Abweichung von dem Kopenhagener Plan dürfte im praktischen Betrieb immer zu internationalen Schwierigkeiten führen, obwohl die Besatzungsmächte entsprechende Vorbehalte bereits in Kopenhagen gemacht haben. Das Rundfunkabkommen von Kopenhagen sieht nach Art. 8 § 1 vor, daß Verwaltungen, die eine Frequenzänderung wünschen, Verhandlungen mit den beteiligten Verwaltungen aufzunehmen haben. Das Verfahren ist in den §§ 2 und 3 des Art. 8 festgelegt; es müßte aber auf Grund der Weisungen der Alliierten Hohen. Kommission von dieser in Gang gebracht werden.
Bevor ein solcher Schritt unternommen werden kann, wäre zu prüfen, welche Frequenz für die Versorgungsgebiete des Rundfunksenders München die günstigste ist, um für die Zukunft die jetzt das Gebiet beherrschenden Rundfunksender der Sowjetzone auszuschalten. Nach Ermittlung der günstigsten Frequenz, also der neuen Frequenz für Radio München, wäre dann nach Art. 8 des Kopenhagener Wellenplans mit den Verwaltungen zu verhandeln, denen nach diesem Plan die gleiche oder eine benachbarte Frequenz zugeteilt ist, mit dem Ziel, das Einverständnis dieser Verwaltungen zur Mitbenutzung der Frequenz zu erreichen. Ferner könnte die Frage geprüft werden, ob durch die Aufstellung einer größeren Anzahl von Sendern geringerer Leistung, die auf internationalen Gemeinschaftsfrequenzen betrieben werden, eine gute Rundfunkversorgung Bayerns erreicht werden könnte. Auf diese Art z. B. hat die Schweiz die Versorgung von Tälern gelöst, die die starken Sender nicht in genügender Lautstärke auszufüllen vermochten. Die Ausweichmöglichkeit über Ultrakurzwellensender ist für die einzelnen Rundfunkhörer im Hinblick auf die vielen alten Apparate im Augenblick noch zu kostspielig.
Als Voraussetzung für ein wirkungsvolles Einschreiten der Bundesregierung wäre es notwendig, daß die Bundesregierung Mitglied des Internationalen Fernmeldevereins und des Weltpostvereins wird. Gleichzeitig müßte der Bundesregierung die Funkhoheit über das Bundesgebiet zurückgegeben werden.
Der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen schlägt Ihnen vor, den Antrag Drucksache Nr. 1137 ler Bundesregierung als Material zu überweisen.
Meine Damen und Herren, zur Begrenzung der Aussprache weise ich darauf hin, daß der von Herrn Abgeordneten Matthes gestellte Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses nicht auf der heutigen Tagesordnung steht und nach § 53 der Geschäftsordnung darum heute auch nicht behandelt werden kann. Die Herren Antragsteller sind damit einverstanden, daß er zum nächstzulässigen Zeitpunkt auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Das Wort hat zur Aussprache über Punkt 1 a und 1 b Herr Abgeordneter Marx.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erklärungen und Mitteilungen des Herrn Bundesinnenministers waren hinsichtlich der künftigen Unabhängigkeit der deutschen Rundfunkgesellschaften derart alarmierend, daß die größten Bedenken geltend gemacht werden müssen. Anläßlich der Debatte über den Südweststaat ist hier in einer ganzen Anzahl von Reden die Vorzugswürdigkeit des Föderalismus gegenüber dem Zentralismus vertreten worden, wenn auch, wie ich glaube, in einer dafür wenig geeigneten Sache. Nun steht heute ein Antrag zur Debatte, bei dem die Ernsthaftigkeit der Vertreter des Föderalismus hinsichtlich der Treue zu ihren Prinzipien geprüft werden kann, d. h. hier ist wieder einmal an einem Beispiel zu prüfen, für wen der Föderalismus ein Prinzip und für wen er ein taktisches Mittel ist.
Der Antrag will, wenn er überhaupt einen Sinn haben soll, die Priorität des Bundes in Rundfunkfragen durch Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes sicherstellen. Es soll demnach eine öffentliche Einrichtung mit weit überwiegend kulturpolitischem Gehalt, die wie kaum eine andere geeignet ist, die Eigenarten und das Gedankengut der Länder zum Ausdruck zu bringen, einer zentralen Regelung unterworfen werden. Da scheint mir nun die Feststellung erlaubt, daß es wirklich erstaunlich ist, daß dieser Antrag von der Deutschen Partei gestellt wird, von einer Partei also, die zumindest von sich behauptet, eine föderalistische Partei zu sein;
({0})
aber möglicherweise ist das weniger erstaunlich als verdächtig.
({1})
Denn wenn .man die methodische Irreführung der öffentlichen Meinung durch die Informationsquellen der Deutschen Partei beobachtet, dann nimmt die Richtigkeit der Meinung an Wahrscheinlichkeit zu, daß mit diesem Antrag etwas ganz anderes beabsichtigt wird, als das, von dem gesprochen wird.
({2})
Da empfehle ich beispielsweise die Lektüre der der Deutschen Partei nahestehenden Zeitung „Niederdeutsche Stimme". In der Nummer 8 dieser Zeitung heißt es u. a. - Sie gestatten, Herr Präsident, daß ich das zitiere -:
Man fragt in Bonn bis heute vergeblich nach den Hintergründen, die die Vorlage dieses wichtigen Gesetzes immer wieder verzögern. Schon vor Jahresfrist sagte man uns im Bundesinnenministerium die Fertigstellung des Bundesrundfunkgesetzes für Herbst 1950 voraus. Tatsächlich hat der Entwurf bis. heute noch nicht einmal die Kabinettsebene erreicht. Angesichts dieser Verzögerungstendenzen sind Rundfunkgesetzentwürfe nunmehr auch im Bundespostministerium im Entstehen bzw. im Bundesjustizministerium diskutiert warden:
Meine Damen und Herren, ich möchte gern einmal
wissen, was der Bundesjustizminister dazu sagt.
Der Bundesjustizminister, der - wenn man sich
das so überlegt - ja immer grundsätzlich mißverstanden wird, sollte sich darüber klar sein, daß
auch mit dem Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes
diese grundsätzlichen Mißverständnisse seiner
Reden nicht aufhören werden.
In dem Aufsatz heißt es aber nun bemerkenswerterweise weiter:
Und es gibt wirklich eine Fülle ungeklärter
({3})
Rechtsfragen dabei, vor allem die, wer Träger
der künftigen Rundfunkgesellschaften werden soll, wie die Meinungsfreiheit garantiert werden soll, und dann heißt es - und das kennzeichnet vielleicht die Atmosphäre, aus der dieser Aufsatz geschrieben worden ist -:
aber das sind Probleme, die in Gesetzentwürfen ohne Zweifel zu bändigen sind.
- So heißt es in diesem Aufsatz!
Nun, so glaube ich aber, kommen wir zu dem Kern des ganzen Antrags. Da ich mir kaum vorstellen kann, daß die Deutsche Partei nicht weiß, daß die Rundfunkgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind und damit zur Rechnungslegung gegenüber irgendeinem obersten Rechnungshof verpflichtet sind, daß damit und in Verbindung mit den bei allen Rundfunkgesellschaften geschaffenen überparteilichen Verwaltungs- und Rundfunkräten die wohl zunächst beste Form, einer staatlichen Bevormundung zu entgehen und doch einen irgendwie gearteten Mißbrauch auszuschließen, geschaffen worden ist, - da ich mir nicht vorstellen kann, daß die Deutsche Partei das nicht weiß, möchte ich annehmen, daß sie, wenn sie nicht eine staatliche Kontrolle will, mit der Art und Weise nicht einverstanden ist, wie in den Rundfunkgesellschaften die Meinungsfreiheit garantiert wird.
Ich werde zu der Frage des NWDR nicht Stellung nehmen; das wird mein Freund Brunner tun. Aber ich möchte mich mit diesem Argument einmal grundsätzlich kurz beschäftigen. Wenn es eine wirklich begründete Berechtigung hätte -, die Sicherung und Wahrung der Meinungsfreiheit besteht doch keineswegs darin, meine Damen und Herren, daß der Rundfunk das Sprachrohr der Regierung
oder einer Partei ist.
({4})
Und die Meinungsfreiheit wird doch nicht schon dadurch verletzt, daß Kommentatoren gelegentlich - oder auch gelegentlich nicht - die Meinung der Regierung vertreten.
({5})
Sie wird verletzt, wenn sie ausschließlich oder überwiegend das eine oder das andere tun.
({6})
Wir haben durchaus Veranlassung, zu beanstanden, daß der Nordwestdeutsche Rundfunk - dazu wird mein Parteifreund Brunner etwas sagen - einem starken Druck von Regierungsseite und von CDU-Kreisen und möglicherweise auch ({7}) von Ihrer Seite
({8}) unterstellt wird und diesem Druck allzu leicht nachgegeben hat.
({9})
Wir haben Verständnis dafür, wenn sich die Regierung zu gegebener Zeit des Rundfunks bedient,
um zu wichtigen Fragen die gebotene Aufklärung
zu geben. Daraus folgt in einem demokratischen
Staat die selbstverständliche Konsequenz, daß der
Opposition dieselben Möglichkeiten gegeben werden.
({10})
- Ach, reden Sie doch nicht! Sie kennen anscheinend die Sendungen des Nordwestdeutschen Rundfunks oder anderer Rundfunkgesellschaften gar nicht! Vielleicht hören Sie sie nicht einmal! Mir ist nicht bekannt, daß die Regierung nicht auch von dieser Möglichkeit ausreichend Gebrauch gemacht
hat, und mir ist auch nicht bekannt, daß die Rundfunkgesellschaften, ganz gleich welche, nicht auch diesen Wünschen weitgehend Rechnung getragen haben. Mir ist im Gegenteil bekannt, daß Rundfunkgesellschaften an die Regierung herangetreten sind - an den Bundeskanzler beispielsweise -, zu wichtigen Fragen der Politik Stellung zu nehmen.
Was bleibt also übrig? Dazu möchte ich folgendes sagen - und das scheint mir besonders wichtig zu sein -: Es ist mir bekannt, daß die ganze Horde der Goebbels-Rundfunkkamarilla und NS-Günstlinge ihre Rückkehr in den Rundfunk anstrebt.
({11})
Es ist mir auch bekannt, daß die von diesen Leuten
angewendeten Mittel genau so unsauber sind wie
das System, dem sie begeistert gedient haben.
({12})
Ich möchte nicht annehmen, mein Herren Antragsteller, daß Sie sich als diejenigen ansehen, die das unterstützen, obwohl mich der Fall Dr. Ehrich mehr als bedenklich macht.
({13}) Sollten Sie aber der Meinung sein, daß die Zugehorigkeit von nur einigen leitenden Persönlichkeiten des Funks zur SPD schon ein Grund sei, die Überparteilichkeit des Funks zu bezweifeln, dann wäre das im Hinblick auf die Verpflichtung, die Öffentlichkeit sachlich zu unterrichten, mehr als eine üble Brunnenvergiftung.
({14})
Der Bund hat eine - ich glaube von allen unbestrittene - Aufgabe: die Wiedererlangung der deutschen Funkhoheit zu erwirken und dafür zu sorgen, daß es den deutschen Sendern ermöglicht wird, auf legalen Wellen den deutschen Hörern ein gutes und ordentliches Abhören zu gewährleisten. Ob für diese Aufgabe - und das hat der Herr Bundesinnenminister eben auch unterstrichen - ein besonderes Gesetz erforderlich ist und welches Ministerium die Aufgabe zu übernehmen hat, ein solches Gesetz zu schaffen, möchte ich zunächst außer acht lassen. Aber kein Parlament darf gestatten, daß die Lösung dieser Frage mit Absichten koordiniert wird, die dahin gehen, den Rundfunk von der Regierung abhängig zu machen, und sei es auch nur über das neutral klingende Bundespostministerium, von einer Regierung, die dann alle Mittel in der Hand hat, über die materielle Abhängigkeit eine geistige Hegemonie zu schaffen. Da, meine Damen und Herren, werden Sie unseren schärfsten Widerstand finden.
Wir beantragen, den Antrag der Deutschen Partei dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, dem Ausschuß für Rundfunkfragen und dem kulturpolitischen Ausschuß zu überweisen.
Ich möchte schließen mit der nochmaligen Warnung: Lassen Sie die Unabhängigkeit der Rundfunkgesellschaften bestehen und vermeiden Sie jede staatliche Bevormundung.
({15})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als mein Parteifreund Dr. Etzel diesen Antrag der Deutschen Partei las, sagte er: „Es tut mir in der Seele weh, wenn ich diesen Antrag seh'". Sein konsequent-föderalistisches Herz war verletzt, um so mehr als dieser Antrag von der Deutschen Partei gestellt war. Der heutige Sprecher der Deut({0})
schen Partei hat in seinen Ausführungen darauf hingewiesen, daß auch durch ein solches Gesetz die föderalistischen Grundsätze, insbesondere also hier die Länderrechte, gewahrt werden sollten. Wir möchten aber doch darauf aufmerksam machen, daß dieser Antrag gefährlich ist. Denn wir wissen, wenn der Bundestag über solche Dinge zu rechten hat, dann sind es weniger der wirkliche Inhalt des Grundgesetzes als vielmehr die Mehrheitsentscheidungen, die oft sehr gefährlich werden können.
Wir wissen, daß bereits seit über Jahresfrist über ein Bundesrundfunkgesetz verhandelt wird. Leider war der Öffentlichkeit bisher nicht die Möglichkeit gegeben, bei der Behandlung dieses wichtigen Problems mitzuwirken, weil ihr all diese Verhandlungen vorenthalten werden. In dem Augenblick, in dem die völlige Souveränität auf diesem Gebiet wiederhergestellt ist, können in der Frage der Zuständigkeit allein und ausschließlich nur Wortlaut und Sinn des Grundgesetzes maßgebend sein. Wir sehen keinen Grund, daß etwa der Bundestag irgendwelche Zuständigkeit auf diesem Gebiet an sich reißen könnte. Wir sehen nicht ein, welchen Sinn und Zweck es hätte sund welche Notwendigkeit bestehen sollte, dieses ureigenste Zuständigkeitsgebiet und Reservatrecht der Länder hier zu usurpieren.
({1}) Wir möchten darauf hinweisen, daß nie ein „Reichsgesetz" für die Regelung von Rundfunkfragen bestanden hat. Sogar der Weimarer Zentralismus hat darauf verzichtet. Nach dem Zusammenbruch wurde das Gebiet des Rundfunks lediglich zonenweise gesetzmäßig erfaßt, teilweise durch die Ländergesetzgebung wie z. B. in Bayern.
Wenn eben ein Zwischenruf gemacht worden ist, daß das Grundgesetz die Zuständigkeit gäbe, so möchte ich darauf hinweisen, daß im gesamten Grundgesetz das Wort „Rundfunk" nur ein einziges Mal erscheint, und zwar im Art. 5, wo das Grundrecht der Freiheit der Berichterstattung im Rundfunk niedergelegt ist.
({2})
- Das Fernmeldewesen ist im Art. 73 Ziffer 7 aufgeführt. Das hat aber mit dem Rundfunk auch begrifflich gar nichts zu tun.
({3}) Denn wenn hier im Grundgesetz eine Zuständigkeit hätte begründet werden sollen, dann hätte das Wort Rundfunk, das ja auch im Art. 5 des Grundgesetzes genannt ist, auch in den Zuständigkeitsbestimmungen nochmals eigens erwähnt werden müssen.
({4})
Im übrigen steht der Begriff des Rundfunks mit dem des Fernmeldewesens bei der Entscheidung dieser Frage in keiner Weise mehr im Zusammenhang. Höchstens noch kann die historische Entwicklung des Rundfunks mit dem Fernmeldewesen in Zusammenhang gebracht werden.
({5})
- Ich werde darauf zurückkommen. Die Protokolle kenne ich, und ich werde sogar einen Satz des Protokolls zitieren. Die Technik des Rundfunks ist ein Kind der drahtlosen Telegraphie; der Rundfunk selbst aber ist über das Fernmeldewesen hinausgewachsen, ist etwas völlig anderes geworden. Fernmeldewesen und Rundfunk gehören zwei verschiedenen Bezirken an, und jedes hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, seine eigenen Formen und Ziele
und bedarf der eigenen wesensmäßigen Behandlung.
Ich möchte das einmal an einem Beispiel demonstrieren. Der Unterschied wird deutlich bei dem Vergleich von Rundfunk und Presse. Obwohl die Druckereimaschine eine unentbehrliche Voraussetzung der Presse ist, wird niemand die Presse dem Druckereigewerbe zurechnen. Nicht anders ist es bei dem Verhältnis von Rundfunk und Fernmeldewesen.
({6})
- Weil Sie vorhin auf die Ausschußverhandlungen verwiesen haben, möchte ich Ihnen ein Zitat bringen. Mit Recht ist in den Ausschußvethandlungen als Beispiel angeführt worden, daß die Übertragung einer Beethoven-Symphonie - ({7})
- Einen Augenblick! ({8})
Ich habe es schon!
({9})
- Ich möchte ja zitieren;
({10}) der Herr Präsident wird es gestatten. - Damals ist das Beispiel angeführt worden, daß die Übertragung einer Beethoven-Symphonie so wenig als Fernmeldewesen betrachtet werden kann wie ein Konzert als Angelegenheit des Geigenbauergewerbes. Dieser Vergleich, der damals im Parlamentarischen Rat, bei der Behandlung der Frage nach Sinn, Zweck und Begriff des Rundfunks und des Fernmeldewesens gezogen wurde, ist so drastisch, daß er die völlige Wesensungleichheit von Rundfunk und Fernmeldewesen deutlich dartut.
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, daß auch das Grundgesetz die beiden Begriffe unterscheidet. In Art. 5 erwähnt es den Rundfunk; in den Bestimmungen über die Zuständigkeit - weder im Art. 73 noch bei den Bestimmungen über die konkurrierende Gesetzgebung noch in irgendeiner anderen Bestimmung des Grundgesetzes - ist vom Rundfunk nicht die Rede.
({11})
Daraus ergibt sich klar und eindeutig - und es ist auch gut so -, daß der Rundfunk in die Zuständigkeit, und zwar in die ausschließliche Zuständigkeit der Länder fällt. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut und aus der Auslegung des Grundgesetzes, sondern auch daraus, daß der Rundfunk eben eine rein kulturelle Angelegenheit ist. Er darf nicht mehr zu einem politischen Propagandainstrument werden. Wir haben ja heute hier gehört, wie man schon die Befürchtung hegt - und damit wird über eine solche Sache nach einem ganz falschen Gesichtspunkt verhandelt -, daß die eine oder die andere Partei mehr Einfluß hat. Das politische Moment wird also in den Vordergrund gerückt, während doch - wie das in einzelnen Ländergesetzen schon niedergelegt ist - der Rundfunk, eben damit er möglichst weite Kreise anspricht, das modernste und vornehmste Kulturinstitut sein soll.
Wir wissen, daß, wenn der Bundestag darüber zu entscheiden hat, hier wiederum in die Rechte der Länder eingegriffen wird. Ich erinnere nur an den massiven Angriff seitens der SPD, nämlich durch Herrn Carlo Schmid, der erst kürzlich den „Kulturföderalismus" angeprangert hat. Die große Ge({12})
fahr besteht darin, daß hier wieder etwas sehr Wertvolles in der vielfältigen Entwicklung durch einen völlig unangebrachten Zentralismus abgeschnürt wird. Zu dem Angriff von Herrn Carlo Schmid auf den „Kulturföderalismus" möchte ich zitieren, was ein bedeutender Mann über die Zustände in Frankreich geschrieben hat - wenn der Herr Präsident die Erlaubnis erteilt -:
Ein geistreicher Franzose hat eine Karte über den Kulturzustand Frankreichs entworfen und die größere oder geringere Aufklärung der verschiedenen Departements mit helleren oder dunkleren Farben zur Anschauung gebracht. Da finden sich nun besonders in südlichen, weit von der Residenz entlegenen Provinzen einzelne Departements, die in ganz schwarzer Farbe daliegen, als Zeichen einer dort herrschenden Finsternis. Würde das aber wohl sein, wenn das schöne Frankreich statt des einen großen Mittelpunktes zehn Mittelpunkte hätte, von denen Licht und Leben ausginge?
Das wird dann auf Deutschland übertragen, meine Damen und Herren - leider ist Herr Carlo Schmid nicht da -, und es wird gesagt:
Wodurch ist Deutschland groß als durch eine bewundernswürdige Volkskultur, die alle Teile des Reichs gleichmäßig durchdrungen hat? ... Gesetzt, wir hätten in Deutschland seit Jahrhunderten nur die beiden Residenzstädte Wien und Berlin oder gar nur eine, da möchte ich doch sehen, wie es um die deutsche Kultur stände, ja auch um einen überall verbreiteten Wohlstand, der mit der Kultur Hand in Hand geht!
Das könnte ein Bayernparteiler geschrieben haben; das ist nämlich unsere Auffassung über die Grundlage eines konsequenten Föderalismus. Wissen Sie, wer es geschrieben hat?! Das hat der große Kosmopolit Goethe geschrieben.
({13})
Handeln Sie bei der Beratung dieser Vorlage nach den Erkenntnissen dieses Mannes!
({14})
Für den Rest der Redezeit der Bayernpartei hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verhandlungen in Kopenhagen erfolgten in der geistigen Haltung der unmittelbar auf den Waffenstillstand folgenden Zeit. Dementsprechend führten sie zu einer Demontage der Wellenzuteilung für Deutschland. Unter dieser Demontage hat der Sender München am meisten zu leiden gehabt; denn er hat dadurch die Mittelwelle verloren, die technisch sehr brauchbar war.
Nun haben wir erfahren, daß in diesem Sommer Verhandlungen wegen einer neuen Wellenzuteilung für München angebahnt und gepflogen werden sollen. Aus diesem Grunde sind wir mit dem Antrag des Ausschusses einverstanden, den Antrag unserer Fraktion der Bundesregierung als Material zu überweisen. Wir möchten es aber der Regierung doch sehr ans Herz legen, diese Verhandlungen mit größter Tatkraft zu führen, um zu erreichen, daß diese Demontagemaßnahme wiedergutgemacht wird. Wir behalten uns vor, die ganze Angelegenheit wieder aufzugreifen, wenn die Verhandlungen zu keinem guten Ende führen sollten.
Das Wort hat der Abgeordnete Brunner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist seit einiger Zeit zur Methode geworden, publizistische Instanzen von Gewicht, Ansehen und Einfluß als sozialdemokratische Domänen hinzustellen. Das geschieht bei der dpa ebenso wie beim NWDR. Bei der dpa beispielsweise reichen schon Leute aus, die nur bis drei zählen können, um festzustellen, wieviel Sozialdemokraten sich dort befinden.
({0})
Diese Behauptung ist überhaupt nicht dadurch charakterisiert, daß sie zutrifft, sondern dadurch, daß sie die Absicht anzeigt, in diesen Institutionen auch noch den letzten geringen sozialdemokratischen Einfluß zu beseitigen.
({1})
Als unser Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films im Januar 1950 in Hamburg beim NWDR war, wurde den Mitgliedern ein Pamphlet mit sehr rüden Angriffen gegen diese Institution zugeleitet. Leute, die mit den Dingen vertraut waren, haben dieses Pamphlet achselzuckend beiseite gelegt. Der NWDR selbst hatte ein begreifliches, ja sogar ein verpflichtendes Interesse daran, den Urheber festzustellen. Dazu sind Nachforschungen über die Kriminalpolizei eingeleitet worden. Als die Kriminalpolizei mit den Dingen nicht zu Rande kam und dem NWDR nahelegte, sich wie sie selbst bestimmter Detektivinstitute zu bedienen, wurden die Nachforschungen auf diese Weise fortgesetzt. Da die Anlage des Pamphlets zeigte, daß ihre Urheber unter Umständen im Hause des NWDR selbst sitzen könnten, haben sich die Untersuchungen notgedrungen auch auf Mitglieder und auf das Haus selbst erstreckt. Daraus haben sich die Dinge ergeben, die wir hier von Herrn Matthes vorgetragen bekommen haben.
({2})
Auf dieses Pamphlet aber - und das scheint auch das einzige zu sein, was die Deutsche Partei als Grundlage ihrer Angriffe hat - hat sich die Deutsche Partei gestützt. Das geht schon daraus hervor, daß sie in einer Artikelreihe in ihrem Informationsdienst die Fehler wiederholt, die in diesem Pamphlet gemacht worden sind.
({3})
Beispielsweise wird da Herr Stübs unter den sozialdemokratischen Schlüsselstelleninhabern als Leiter des Schulfunks angegeben. Das haben Sie in Ihrem Artikel vor drei Wochen wiederholt. Der Herr ist seit 11/2 Jahren nicht mehr Leiter des Schulfunks. Vielleicht aber - und deshalb habe ich diese Sache hier aufgegriffen - kann uns Herr Matthes nun sagen, wer der Urheber dieses Pamphlets ist.
({4})
Das wäre für den NWDR wie für uns alle zu wissen sehr nützlich und angenehm.
In diesem Pamphlet sind nun an den sogenannten leitenden Stellen sage und schreibe zehn Sozialdemokraten entdeckt worden. Unter diesen freilich befindet sich auch Herr August Hoppe. Dieser war früher bei der FDP und gehört heute keiner Partei mehr an. Es ist ja möglich, daß er gelegentlich
({5})
einen so vernünftigen Eindruck macht, daß er uns zugezählt wird.
({6}) Diese „Kostprobe" - so heißt es in dem Artikel - finde ich sehr mager. Ich muß sagen, es wäre traurig, wenn das alles Sozialdemokraten wären, die am NWDR mitwirkten.
Wie sieht denn .aber die Wahrheit bei den Schlüsselstellungen aus? Ich halte beispielsweise die Stellungen der Intendanten beim NWDR für Schlüsselpositionen. Aber weder Herr Troester in Hamburg noch Herr Hartmann in Köln ist Sozialdemokrat. Unter den vier Direktoren, die unter dem Generaldirektor Dr. Grimme arbeiten, finden Sie keinen Sozialdemokraten. In Berlin befindet sich an den leitenden Stellen nach dem Tode unseres Freundes Mischke, der übrigens von sehr vielen bedauert und beklagt worden ist, die sich nicht in unserem Lager befinden, kein Sozialdemokrat.
({7})
Die drei Berliner Leiter für Verwaltung, Technik und Programm sind keine Sozialdemokraten,
({8})
und unter den Hauptabteilungsleitern finden Sie einen einzigen Sozialdemokraten, nämlich den Leiter der Abteilung „Politisches Wort" in Köln, Walter Steigner, der sich aber in seiner Abteilung unter den Anhängern der Koalitionsparteien in herzbeengender Vereinsamung befindet.
({9})
Die Sozialdemokratie wäre nach ihrer Stärke und Größe eher berechtigt, Forderungen nach stärkerer Berücksichtigung zu stellen.
({10})
Aber wir haben gar kein Interesse daran, diesen Spieß hier umzudrehen. Diesen Spieß wollen wir vielmehr fortwerfen und in der Auseinandersetzung über diese Dinge überhaupt nicht gebrauchen. Diese Methode des Aufrechnens nach dem Parteibuch schafft nur Unsicherheit unter den Kräften und hemmt die Arbeit. Der einzige Effekt, der erreicht wird, ist derjenige, daß die, die den Mut zum Bekenntnis einer politischen Haltung haben - und das soll in der Demokratie als Vorzug gelten -, diffamiert werden.
({11})
Dieser Angriff hat uns aber - nicht nur uns Sozialdemokraten, sondern, ich glaube, Ihnen allen - keine neuen Offenbarungen gebracht. Es ist der Ausdruck eines ständigen und systematischen Nörgelns und Bohren, von Beeinflussungsversuchen, von Versuchen, die NWDR-Leitung unter Druck zu setzen; und sich diesen ständigen Bestrebungen zu widersetzen, verlangt starke Nerven. Ich glaube, der einzige Vorwurf, den man unserem politischen Freund Grimme, der an der Spitze dieses Instituts steht, machen könnte, ist der, daß er diese starken Nerven vielleicht nicht immer gehabt hat.
({12})
Seit er Generaldirektor des NWDR wurde, sind
außer einem einzigen Fall nur Sozialdemokraten
entlassen, ist aber kein einziger angestellt worden.
Das sind die Tatsachen, Herr Matthes! Ihr Angriff gegen den Generaldirektor Dr. Grimme ist noch dazu von besonderer Unanständigkeit. Dr. Grimme ist von dem Verwaltungsrat des Nordwestdeutschen Rundfunks einstimmig gewählt worden, und zwar deshalb, weil er sich durch sein
Wirken und sein Wesen allgemeine Geltung und allgemeines Ansehen verschafft hat; und als Persönlichkeit des geistigen Lebens, als ein guter Repräsentant einer 'allgemeinen deutschen Sache wurde er an 'die Spitze dieses Instituts berufen. Es ist unfair, diesen Mann als einen „strammen SPD-Mann", wie Sie in Ihrem Artikel schreiben, in eine parteipolitische Statistik einzusetzen. Leute von der demokratischen Observanz des Herrn Matthes freilich sehnen sich nach anderen Repräsentanten. Der niedensächsische Wahlkampf hat gezeigt, daß man sich ehemalige Landesgruppenführer und Obersturmführer der Waffen-SS oder einen Generalrichter der Luftwaffe, der sich seiner Bluturteile rühmt, als Repräsentanten der eigenen Gesinnung auswählt.
({13})
Für solche Leute mag Dr. Grimme freilich nicht zureichen; er legt aber auch gewiß keinen Wert darauf, als ihr Repräsentant zu gelten. Es ist im übrigen ein ungemein erheiternder Eindruck, nach den Erfahrungen und Erlebnissen des niedersächsischen Wahlkampfes Herrn Matthes und seine Freunde hier als Gralswächter der demokratischen Meinungsfreiheit auftanzen zu sehen.
({14})
Von Herrn Dr. Grimme erwartete man - und deshalb zumeist hat man ihn auch erwählt - die Wahrung der Unabhängigkeit des Rundfunks durch einen gerechten Ausgleich.
({15})
Wir Sozialdemokraten haben den Eindruck: dieser Ausgleich ist manchmal so weit getrieben worden, daß er die Unabhängigkeit etwas beeinträchtigt hat. Es kam zu einem gar nicht rundfunkgemäßen System von Ausgleichsposition und Gegengewicht. Denken Sie nur an Herrn Dr. Starke in Hamburg, Herrn Renée in Berlin, Herrn Hans Wendt in Bonn, und denken Sie daran, daß als Sprecher über Wirtschaftspolitik im Rundfunk lediglich Herr Dr. Wesemann fungiert. Daß er ein Anhänger der Wirtschaftsauffassungen des Herrn Professor Erhard ist, ist seine Sache, und das ist ihm nicht übel zu nehmen. Übel zu nehmen wäre ihm vielleicht, daß er es sorglich vermeidet, im Rundfunk, der ja alle Meinungen auf diesem Gebiete zum Ausdruck bringen soll, auch die anderen Auffassungen zu Wort kommen zu lassen.
({16})
Was den Fall von Zahn und diesen Vortrag über den Schumanplan angeht, so hätten Sie sich den Fauxpas ersparen können, Herr Matthes, das Haus falsch zu unterrichten, wenn Sie die Güte gehabt hätten, den Ausführungen, die ich bei Behandlung des Etats des Bundesministeriums des Innern über diese Angelegenheit gemacht habe, zuzuhören oder sie nachzulesen. Dort war die Sache richtig dargestellt worden. Nicht von der Sozialdemokratie, sondern von der Bundesregierung ist eine Einmischung in die Personalpolitik des NWDR versucht und zum Teil durchgesetzt worden, die nicht dem entspricht, wonach dieses Institut arbeiten soll und wonach seine leitenden Stellen besetzt werden sollen. Die Art dieser Berufung und dieser Berufungshilfe hat die neuen Sprecher in gewisser Hinsicht gebunden und den Rundfunkstil - wenn ich es einmal so nennen darf -, der weit über die Parteigrenzen hinaus Anklang gefunden hat, verfälscht. Wenn ich sage, daß dieser Stil weit über die Parteigrenzen hinaus Anklang gefunden hatte, so kann ich mich dabei auch auf meinen sehr verehrten
({17})
Kollegen, Herrn Ewers, berufen, der in Ihren
Reihen sitzt. Es begann die Magermilch der
frommen Denkart in die Mikrophone zu tröpfeln,
({18})
und die Tribüne des NWDR wurde gelegentlich zu Herzblättchens politischem Zeitvertreib. Das alles scheint vielen Leuten so gut zu gefallen, daß sie die Entwicklung in dieser Richtung weiter vorantreiben wollen. Man huldigt hier offenkundig einer Art patriarchalischer Auffassung. Die Elterninstanz oder meinethalben die Großelterninstanz der Bundesregierung steht außerhalb der Diskussion. Über sie wird nicht diskutiert, sie wird respektiert, und allein an dem Grad des Respekts kann man die wahre Unabhängigkeit eines Rundfunkinstituts ablesen. Ich fürchte, das ist in Wirklichkeit gemeint.
Aber eins ist bei alledem, was dem NWDR hier vorgeworfen wurde, nicht gesagt worden: daß die erwähnten sozialdemokratischen Inhaber von Schlüsselstellungen der Qualifikation ermangelten. Man begnügt sich mit dem Vorwurf: sie sind Sozialdemokraten! Das mag an den Stammtischen der Deutschen Partei in Niedersachsen ausreichen;
({19})
hier in diesem Hohen Hause hätte man etwas mehr zu hören gewünscht. Haben diese Leute irgend etwas getan, um das Ansehen der Demokratie herabzusetzen, um eine aufrichtige und sachliche Diskussion zu beeinträchtigen? Es kann freilich sein, daß ein Sprecher wie Walter Steigner - und nicht er allein - den Hörer allmählich politisch zu einer solchen Reife bringt, daß er nicht mehr geneigt ist, die Deutsche Partei zu wählen, weil er sie für überflüssig hält.
({20})
Würde dadurch aber für die Bundesrepublik und für die demokratische Gesamtheit ein Schaden entstehen?
({21})
Einigen der erwähnten SPD-Männer wirft man vor, sie seien früher Kommunisten gewesen. Mir scheint entscheidend zu sein, was sie heute sind und wie sie heute wirken.
({22})
Für diese Auffassung erwarte ich Verständnis vor allem bei denen, die sonst immer alles Alte begraben sein lassen wollen
({23})
und die die Mitwirkung der Herren, welche ich vorhin genannt habe - und ich könnte die Liste noch erweitern -, in der deutschen Publizistik für sehr angebracht und wünschenswert halten. Vielleicht gehen wir einmal den politischen Stammbäumen auch dieser Leute nach! Im übrigen möchte ich nur eines sagen. Wenn mein politischer Freund Wehner - um nur ein Beispiel zu nennen -, der ja auch einmal Kommunist gewesen ist, diese Tribüne hier betritt, ist das den Kommunisten äußerst unangenehm.
({24})
Gerade solche Männer fürchten sie. Sie aber
dürfen versichert sein, daß Sie als Repräsentanten
einer erneuten politischen Selbstauflösung und Dekomposition des Bürgertums von Moskau durchaus mit Wohlwollen betrachtet werden.
({25})
Sie haben vielleicht festgestellt, daß sich der Herr Bundesinnenminister diese Vorwürfe und die Art, in der sie vorgetragen wurden, in keiner Weise zu eigen gemacht hat.
Es ist sicher, daß die Begründung dieses Antrages der Deutschen Partei, die übrigens mit seinem Inhalt sehr wenig zu tun hatte, nicht in die Zeugnisse demokratischen Verantwortungsbewußtseins eingereiht werden kann, die sonst in 'diesem Hause abgelegt worden sind.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu .dem Kern, zum Wesentlichen des heute zur Erörterung stehenden Themas zurückkehren. Wir sind dem Herrn Bundesminister des Innern für die Erklärung, die er heute abgegeben hat, dankbar. Wir haben dieser Erklärung entnehmen dürfen, daß die Bundesregierung bereits Schritte unternommen hat, um die deutsche Funkhoheit wiederherzustellen, daß sie den Versuch gemacht hat, mit den Alliierten in ein Gespräch darüber zu kommen, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen, um uns die deutsche Funkhoheit wieder zu verschaffen. Wir begrüßen daher den Antrag der Deutschen Partei, dem Deutschen Bundestag ein Bundesrundfunkgesetz vorzulegen, im Prinzip. Mit Recht ist aber von Regierungsseite schon darauf hingewiesen worden, daß zunächst einmal ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Durch die Diskussion in der Öffentlichkeit, in der Presse und auch durch die heutige Debatte in diesem Hohen Hause ist, glaube ich, auch allen denen, die sich mit der Frage, ob Bundesrundfunkgesetz oder nicht, oder denen, die sich mit Rundfunkfragen vielleicht überhaupt noch nicht beschäftigt haben, klar geworden, daß etwas geschehen muß, daß doch offenbar irgendwo etwas nicht in Ordnung ist.
In Ordnung ist sicherlich eines nicht: einstweilen bestehen nämlich immer noch die von den Alliierten geschaffenen oder auf sie zurückgehenden Rechtsverhältnisse. Der deutsche Funk muß meines Erachtens von den Schlacken der alliierten Ordonnanzen freiwerden, und es müssen Rückstände aus der ersten Nachkriegszeit, die überholt sind, beseitigt werden.. In der Debatte ist auch heute im Unterbewußtsein angeklungen, wo eigentlich der Hase im Pfeffer liegt. Es kann keinem Zweifel unterliegen', daß die deutsche Funkhoheit nach dem Grundgesetz beim Bunde liegt. Ebensowenig kann es aber auch einem Zweifel unterliegen, daß die Länderrechte rückhaltlos respektiert werden müssen, und zwar in allererster Linie in allen kulturellen Fragen, in der Kunstpflege, in der Heimatverbundenheit, im Schulfunk usw.
In der Debatte ist bereits die Forderung an die Alliierten angeklungen, einer Revision des Kopenhagener Wellenplanes zuzustimmen. Manch einem in diesem Hause ist vielleicht bekannt, daß die Amerikaner, die im übrigen den Kopenhagener Wellenplan nicht unterzeichnet haben, bereit sind, diesem deutschen Wunsche entgegenzukommen. Ich möchte von dieser Stelle aus an die Franzosen und an die Engländer den Appell richten, sich den berechtigten
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Forderungen Deutschlands anzuschließen und eine Revision des Kopenhagener Wellenplans mit uns gemeinsam zu fordern.
Warum, meine Damen und Herren, ist eine Revision unbedingt notwendig? Die geistige Demontage im Ätherraum ist wahrhaftig zu einem Problem geworden. Dabei erinnere ich an die ostzonale Rundfunkpropaganda nach dem Westen hin. Sie hat Formen angenommen, die einen verstärkten Gegeneinsatz notwendig machen. Wir müssen unter allen Umständen die erforderlichen Wellenbereiche erlangen, die es uns möglich machen, auch von uns aus im Rahmen dieses Gegeneinsatzes in die Ostzone einstrahlen zu können. Wir brauchen mindestens eine lange Welle mehr und noch mehrere Mittelwellen. Trotz der beachtlichen technischen Leistung und Entwicklung der UKW-Sendungen sind diese Sendungen meines Erachtens nur eine Ausweglösung, zumal sie technisch noch nicht einwandfrei genug sind und nicht absolut befriedigen.
Es wird fernerhin auch eine Aufgabe des Rundfunks sein, das Fernsehen weiterzuentwickeln.
Hier ist auch das Thema der Überparteilichkeit und der Unabhängigkeit des Rundfunks angeschnitten worden. Beides sind fraglos echte Ideale, aber Ideale, die man auch realisieren kann, wenn man den guten Willen dazu hat. Wie die bisherige Praxis bewiesen hat, sind jedenfalls Sicherungsmaßnahmen dringend erforderlich. Ob der Vorschlag, der von dieser Stelle aus gemacht worden ist, eine Art Selbstkontrolle einzuführen, ausreicht, vermag ich nicht zu übersehen. Ich weiß nur, daß diese Selbstkontrolle auf einem andern Gebiet, nämlich dem der Filmwirtschaft, den gewünschten Erfolg auch nicht gebracht hat. Es ist notwendig, ein wirksames System vertrauensvollen Zusammenwirkens zwischen den Männern der Praxis und den politischen Organen zu schaffen.
Ziel und Aufgabe des Rundfunks sollte es immer sein, die Demokratie wirklich glaubhaft, populär und auch funktionierend zu machen. Wenn ich das mit einer besonderen Betonung sage, so deswegen, weil die Erfahrungen aus der Vergangenheit, besonders aus der jüngsten Vergangenheit, gelehrt haben, daß nicht immer mit der notwendigen Sachlichkeit und mit dem notwendigen Ernst gehandelt worden ist. Der Rundfunk schlechthin sollte sich als Sachwalter objektiver Berichterstattung und verantwortungsbewußter Kommentierung auf allen Gebieten, besonders aber auf dem Gebiet der Politik fühlen. An dieser Verantwortlichkeit und an dem Verantwortungsbewußtsein hat es zuweilen stark gefehlt. Ich will den Kommentatoren keineswegs etwa einen Maulkorb umhängen. Ich will auch nicht die Neutralisierung der Kommentatoren. Wir brauchen Kritik. Ich möchte sogar so weit gehen und sagen, daß ein Institut wie der Rundfunk die Kritik als Lebenselement benötigt. Was wir aber brauchen, sind verantwortungsbewußte Kommentatoren, die sich ihrer Aufgabe gegenüber dem Staat und dem Volke vollkommen bewußt sind.
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Wir brauchen Kommentatoren; die die Grenzen des Rechts auf freie Meinungsäußerung kennen, Kommentatoren, die sich auf keinen Fall dazu hergeben, zu hetzen und zu zersetzen, die Autorität des Staates zu unterminieren und das Vertrauen zu den politischen und staatlichen Einrichtungen zu erschüttern.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch einen Satz zu dem Plan der Schaffung einer funkeigenen Programmzeitschrift sagen. Ich möchte dem
Nordwestdeutschen Rundfunk dafür dankbar sein, daß er diesen Plan aufgegeben hat.
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Ich hoffe, daß das keine temporäre Erscheinung ist, die etwa nur mit der augenblicklichen Papiermarktlage zusammenhängt, sondern ich hoffe und wünsche, daß das eine endgültige Entscheidung ist; denn ich bin der Meinung, daß der Funk auf dem Gebiete des Zeitschriftenwesens nichts zu suchen hat.
Abschließend möchte ich folgendes sagen. Der Rundfunk ist eines der wichtigsten Organe publizistischer Führung überhaupt. Er hat in der Demokratie zweifelsohne besondere Aufgaben zu erfüllen, und das Problem der publizistischen Führung ist heute aktueller denn je. Daher hielt ich es für notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Berichterstattung sowohl als auch die Kommentierung ihre Grenzen findet bei der Verantwortlichkeit, bei dem Verantwortungsbewußtsein.
Was wir weiter brauchen, ist ein leistungsfähiger Rundfunk, der ja schon auf rein technischem Gebiet Aufgaben zu erfüllen hat, die gewaltig sind. Ich erinnere dabei an den weiteren Ausbau der UKW-Sendungen, ich erinnere an die Entwicklung des Fernsehens usw. Das, was sich im deutschen Rundfunk bei allen Sendegesellschaften bewährt hat, sollte man jedenfalls erhalten. Eines muß, glaube ich, auch an dieser Stelle festgestellt werden. Bei allen Unterhaltungen, die ich mit Ausländern über die Qualität des deutschen Rundfunks gehabt habe, ist immer wieder, und zwar mit Ernst, versichert worden, daß wir uns mit unserem deutschen Rundfunk im allgemeinen in der Welt durchaus sehen lassen können. Auf Mangelerscheinungen, auf sogenannte oder wirkliche Mißstände ist hingewiesen worden. Ich halte es nicht für meine Aufgabe, darauf näher einzugehen. Wir müssen - so möchte ich einmal sagen - einen Rundfunk neu schaffen, der seine gesamtdeutsche Aufgabe erkennt, der seinen ganzen Dienst auf diesen Aufgabenbereich abstellt und der darüber hinaus auch eine europäische Verantwortung zu tragen gewillt ist.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man hatte im Verlauf dieser Debatte doch leider den Eindruck, daß der mit so viel Rasanz geführte niedersächsische Wahlkampf hier heute seinen Ausklang feiert.
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Es ist zum Teil zu einer parteipolitischen Auseinandersetzung gekommen. Man hat über Stellenbesetzungen, über Diäten des Rundfunks und kriminalistische Versuche des Rundfunks gesprochen, aber allzuwenig über das Bundesrundfunkgesetz und über die Dinge, die in diesem Zusammenhang der Regierung vielleicht vorgeschlagen werden könnten. Ich will daher versuchen, in der Art einer Diskussion darüber zu sprechen, wie man sich die Neuordnung des deutschen Rundfunkwesens in den Kreisen der FDP-Fraktion denkt, für die hier zu sprechen ich die Ehre habe.
Ich möchte zunächst die verfassungsrechtliche Situation kurz streifen. Ihnen, Herr Kollege Dr. Besold von der Bayernpartei, muß ich leider sagen, daß Sie die Protokolle des Parlamentarischen Rates schlecht gelesen haben.
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Es ist kein Zufall, daß der Rundfunk zum Beispiel nicht in Art. 75 erwähnt ist; in den Rahmenvorschriften des Bundes sind nur Presse und Film genannt. Herr Kollege Renner, der sich ja als ein gewisser Meister parlamentarischer Zwischenrufe nicht nur hier, sondern auch im Parlamentarischen Rat schon bewährt hat, hat auf die Frage: „Wo kommt der Rundfunk hin?" im Rahmen der Debatte um Art. 75 den Zuruf eines anderen Abgeordneten bekommen: „Der ist ja bereits in Art. 73, im Post- und Fernmeldewesen erfaßt". Sie sehen also, daß man damals ohne Widerspruch von irgendeiner Seite im Parlamentarischen Rat Post- und Fernmeldewesen sehr extensiv ausgelegt hat. Die Trennung, die auch der Herr Minister vorgenommen hat, eine ganz klare Scheidung in das Technische und das sogenannte Geistige, läßt sich nicht durchführen; denn der Rundfunk ist schließlich eine Institution besonderer Art. Sie können nicht eine so schematische Zäsur machen.
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Meine Fraktion ist der Auffassung, daß Art. 73 Ziffer 7 dem Bunde eine weitgehende Vollmacht im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebung gibt. Sie sehen ja selbst an Ihrem Antrag betreffend Radio München, wie sehr Sie die Hilfe des Bundes nötig haben und wie wenig Sie allein auskommen können. Wenn ich boshaft wäre, würde ich sagen: Der Kopenhagener Wellenplan hat auch etwas Gutes gehabt; denn er hat wenigstens das erreicht, was in Bayern bisher niemand erreicht hat, nämlich viele bayerische Hörer mit den Kommentaren von Walter von Kube ab und zu zu verschonen.
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Meine Damen und Herren! Es ist wohl selbstverständlich - und es denkt in diesem Raume keiner anders -, daß die besatzungsatmosphärisch entstandene Situation des Rundfunks von 1945 endlich unter deutscher Verantwortung geändert werden muß.
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Man kann sich da nicht auf die Länder berufen. Ich rufe Ihnen auch hier, Herr Kollege Dr. Besold, ein Wort zu, das im Parlamentarischen Rat ausgesprochen wurde: die Entstehung der Länder - jedenfalls mancher Länder - ist mehr originell als originär. Ich spreche nicht von Bayern. Ihnen gestehe ich das Recht zu, sich auf Reservate zu berufen, wie Sie es getan haben. Aber wollen Sie jedem der verschiedenen Zufallsländer seinen eigenen Sender und seine eigene Kulturpolitik geben, Herr Besold? Die Tatsachen sind doch über diese Lösung von 1945 längst hinweggeschritten.
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Wir geben Ihnen zu dem Bundesrundfunkgesetz eine ganze Anzahl von Empfehlungen. Wir möchten nicht, daß der Entwurf der Intendanten vom 29.9. 1950 etwa der Rahmen für den Entwurf der Bundesregierung wird. Wenn ich diesen Entwurf der Intendanten der deutschen Sender mit einem Schlagwort umreißen soll, so möchte ich sagen: Jedem Intendanten seinen eigenen Sender! Denn so ist der Entwurf aufgebaut. Er beschränkt die Einwirkungen des Bundes auf das rein Technische. Er will in § 16 einen Rundfunkbeirat schaffen. Er will in § 17 die Befugnisse des Rundfunkbeirats so festsetzen, daß der Bund in Rundfunkangelegenheiten lediglich beratend mitwirkt. An internationalen Verhandlungen der Bundesregierung ist der Rundfunkbeirat zu beteiligen; bei der Festsetzung der Genehmigungsbedingungen und der Vorschriften für
Überwachung der Rundfunkempfangsanlagen wirkt er nach Maßgabe der anderen Paragraphen mit. Das scheint uns in bezug auf die Möglichkeiten des Bundes, im Rundfunkwesen tätig zu werden, wesentlich zu wenig zu sein.
Nun wird die grundsätzliche Frage auftauchen: Wollen wir eine Zerschlagung des Rundfunks in Landessender oder wollen wir leistungsfähige Sendegesellschaften? Die FDP ist der Auffassung, daß es nicht richtig wäre, bestehende starke Sendegesellschaften wie z. B. den NWDR zu zerschlagen und einen Landessender Nord und einen Landessender West zu schaffen. Sie hält vielmehr die Zusammenfassung einiger Sender in eine Sendegesellschaft für viel richtiger, weil eben eine solche Zusammenfassung leistungsfähiger ist. Des weiteren läßt sich auf diesem Wege die Wellensituation optimaler ausnutzen. Auch hier verweise ich auf Ihren eigenen Antrag. Sie brauchen ja gerade die Hilfe der anderen, um für München eine bessere Welle zu bekommen. Gerade der Fall München beweist, daß eben nur Sendegesellschaften die uns leider zur Verfügung stehenden schlechten Wellen so optimal wie möglich einsetzen können. Ich möchte noch erwähnen, daß nur leistungsfähige Sendegesellschaften auch Forschungsarbeit betreiben können. Hier verweise ich auf den großen Abstand, den wir leider Gottes gegenüber dem Ausland haben. Im Fernsehen ist uns das Ausland zehn Jahre, im Amateurfunk vielleicht zwanzig Jahre voraus. Auch dieses Programm kann nicht von finanzschwachen kleinen Sendern, von Landessendern durchgeführt werden. Es bedarf hier der leistungsfähigen Zusammenfassung. Nicht zuletzt ist auch die Repräsentation gegenüber dem Ausland eine deutsche Angelegenheit, Herr Kollege Seelos, und nicht eine bayerische, pfälzische, niedersächsische, bremische oder hamburgische.
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Wie soll nun aber diese Organisationsform aussehen? Hier möchte ich etwas auf den NWDR eingehen. Ich möchte dabei nicht die Fortsetzung jener Auseinandersetzung, von Angriff und Gegenangriff, die wir eben hörten, praktizieren. Der NWDR ist durch ein Statut ins Leben gerufen worden, oder besser: seine Körperschaft ist durch die Militärverordnung Nr. 118 am 19. August 1949 ins Leben gerufen worden -, also allzu rasch und allzu eigenartig kurz vor der Konstituierung der Bundesorgane. Er soll parteipolitisch frei sein. Ja, meine Damen und Herren, ist er es denn? Hier kommen wir zum Kernpunkt der NWDR-Auseinandersetzung. Der NWDR ist leider nicht parteipolitisch frei, weil seine beiden Gremien, nämlich der Hauptausschuß und der Verwaltungsrat, nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt werden müssen. Warum? Der Hauptausschuß besteht aus 16 Mitgliedern, darunter die vier Ministerpräsidenten und die vier Kultusminister. Es ist doch bekannt, daß Ministerpräsidenten und Kultusminister politische Exponenten sind. Auf dem Umwege über die Ministerpräsidentschaft und die Ministerien kommt also doch ein parteipolitischer Exponent in den Hauptausschuß. Von den sieben Persönlichkeiten des Verwaltungsrats sind ebenfalls sechs exponierte politische Persönlichkeiten. Entweder muß hier die gesamte politische Struktur in der britischen Zone - verzeihen Sie mir noch einmal das Zonendenken - beteiligt werden, entweder müssen alle in den Landtagen vertretenen Parteien in Hauptausschuß und Verwaltungsrat mitsprechen können, oder es darf überhaupt keine partei({8})
politisch exponierte Persönlichkeit, auch nicht auf dem Umwege über den Ministerpräsidenten, in den Hauptausschuß und den Verwaltungsrat hinein.
Zur Frage der politischen Sendung. Vielleicht ist hier an eine Art Selbstkontrolle zu denken. Ich weiß, daß der NWDR selbst die Einrichtung eines Senats plant. Natürlich kann diese Selbstkontrolle immer erst nach den Sendungen tätig werden, aber ich könnte mir denken, daß ein siebenköpfiger Senat in der Lage wäre, bei Streitfällen zu klären, ob diese oder jene politische Richtung benachteiligt ist. Mir sagte unlängst ein von mir hochgeschätzter und hier genannter Rundfunkkommentator: Die eine politische Partei hält uns das linke Nasenloch zu, die andere das rechte, die dritte den Mund, der Verwaltungsrat hält uns die Hände fest, und dann sollen wir noch arbeiten! Im Sinne einer besseren Rundfunkarbeit gilt es, den Rundfunk weitestgehend von den parteipolitischen Einflüssen aller Art zu befreien. Vielleicht ist ein solches Organ der Selbstkontrolle - natürlich nur für die politische Sendung - die richtige Institution.
Nun zur Einschaltung der Bundesregierung. Herr Kollege Brunner, wir sind in vielen Dingen, gerade in Rundfunkangelegenheiten, gleicher Meinung. Sie können aber der Bundesregierung in so hochgespannten politischen Zeiten nicht das Recht absprechen, vom Rundfunk Gebrauch zu machen, wenn es gilt, die Bevölkerung schnell aufzuklären oder eine Panikstimmung zu verhindern. Selbstverständlich ist es auch ein Recht der Opposition, zu Wort zu kommen. Ich habe das Gefühl, daß man jetzt allmählich im NWDR jene Form findet. Wir sollten also die Ansätze, die sich jetzt zeigen, nicht als ein Nachgeben des Generaldirektors Grimme noch als ein zu starkes Drängen der Bundesregierung ansehen, sondern als einen glücklichen Weg, hier die richtige Form des Einsatzes des Rundfunks für Regierung und Opposition zu praktizieren.
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Als ich an einem Sonntagabend - da haben sogar Parlamentarier die Zeit, Rundfunk zu hören - den Rundfunk einschaltete, hörte ich nach den Nachrichten jenen von Haß triefenden Kommentar des Herrn Auerbach. Meine Damen und Herren, wenige Stunden vorher hatte sich das Landsberger Ereignis abgespielt, und zwar in einer anderen Form, als es Herr Auerbach dargestellt hat. Herr Kollege Seelos wird es bestätigen können; denn er hat mich wenige Tage später daraufhin angesprochen. War es nötig, daß wenige Stunden später Herr Auerbach eine solche Sendung direkt ins Mikrophon, nicht einmal aufs Band sprach? - Sehen Sie, zumindest so schnell wie Auerbach muß auch die Bundesregierung Gelegenheit haben, zu solch aktuellen Fragen Stellung zu nehmen.
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- Daß er es ist, weiß ich nicht einmal. Ich möchte die ganze Debatte aus der parteipolitischen Sphäre heraushalten.
Ich möchte noch auf einige Details zu sprechen kommen, zunächst auf die Frage der Haushalte. Selbstverständlich muß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft die Haushalte veröffentlichen. Hier hat der NWDR nicht richtig gehandelt, daß er dies eben erst jetzt tut und nicht schon vor Jahren. - Auch die Ausschreibung gewisser Aufträge ist nötig. Man muß nicht nur Künstler des Hauses beteiligen. Es darf nicht zu einem Team kommen, zu einem Schneeball-System der Vergebung der künstlerischen Aufträge. Es soll und muß hier auch der Künstler, der außerhalb eines Rundfunkteams steht, beteiligt werden können. Ich erinnere an die Auseinandersetzungen um die Schlagertexte von Kurt Feltz und was da alles an unerfreulichen Dingen z. B. durch die Rundfunkpresse der Öffentlichkeit bekanntgegeben wurde.
Ich möchte, daß das Amateur-Funkwesen wesentlich mehr gefördert wird. Es ist 1933 von Hitler verboten worden. Wir hinken daher 20 Jahre hinterher. Das wäre eine Aufgabe des Bundesrundfunkgesetzes, hier große Vollmacht für das Amateur-Funkwesen zu schaffen und ihm vielleicht auch von den Rundfunkbeiträgen materielle Unterstützungen zu geben.
Die Rundfunkzeitschriften sind erwähnt. Selbstverständlich kann der NWDR das Programm erläutern, indem er z. B. einen kostenlosen Kommentar für die 2 DM Sendegebühr leistet. Wir verwahren uns aber dagegen, daß eine rundfunkeigene Zeitschrift den monopolistischen Charakter des Rundfunks noch stärker zum Ausdruck bringt. Die Kritik sollte man ruhig einer Vielzahl von Rundfunkzeitschriften im freien Wettbewerb überlassen.
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Ich möchte nun zum Schluß noch etwas zu der Gesamtstellung des Rundfunks sagen. Meine Damen und Herren, es bedarf nicht erst der Erfahrung, die wir haben, und es bedarf auch nicht erst des Lesens von Gustave Le Bons Massenpsychologie, um zu wissen, welch staatspolitisch wertvolles Instrument der Rundfunk sein kann, wenn er richtig angesetzt ist, und wie vernichtend und verheerend der Rundfunk sein kann, wenn er mißbraucht wird. Es muß also hier im neuen Bundesrundfunkgesetz der richtige Rahmen gesucht werden. Vielleicht wird der richtige Weg in der Mitte zwischen der früheren Zentralisation im Reichsrundfunk und der jetzigen Zerschlagung in Zufalls-Sendegesellschaften und Zufalls-Sender liegen. Ich empfehle der Bundesregierung, sich dann speziell auf die alten erfahrenen Rundfunkpioniere Deutschlands, Bredow und Magnus, zu berufen und sie mit heranzuziehen für die Ausarbeitung des Bundesrundfunkgesetzes. Im übrigen, Herr Bundesinnenminister, sollte man in bezug auf Kompetenzen nicht zu ängstlich sein. Sehen Sie: auch das Grundgesetz ist nicht ewig.
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Es heißt selbst in Art. 146:
Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.
Meine Damen und Herren, wer will etwa leugnen, daß die Entwicklung auf vielen Gebieten längst über die Situation hinausgegangen ist, die damals im Parlamentarischen Rat noch geherrscht hat! Ein solches Gebiet, das dringend einer Neuordnung bedarf, einer Herausnahme aus dem besatzungsatmosphärischen Raum und einer Hineinnahme in alleinige deutsche und in europäische Verantwortung, das ist der deutsche Rundfunk.
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Ich komme hier noch zu einer Frage, die kurz anzuschneiden ist, zur Frage der Vertretung des deutschen Rundfunks im Ausland. Meine Damen und Herren, jetzt nach sechs Jahren gibt es im ganzen Auslande noch keinen deutschen Rundfunkkorrespondenten, der den Deutschen über die deutsche Welle direkt aus dem Auslande Eindrücke vermittelt. Ich erinnere mich noch der früheren Sendungen von Kurt G. Sell „Worüber man in Amerika spricht". Wenn schon die Sendegesellschaften bisher
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nicht in der Lage waren, Auslandskorrespondenzen einzurichten, und zwar so einzurichten, daß sie nicht nur Deutschland repräsentieren, sondern auch wirklich die Stimme aus dem Ausland nach Deutschland hereintragen - unbeeinflußt von den Besatzungsmächten -, dann ist das, wenn es schon die Sendegesellschaften nicht konnten, auch eine Aufgabe, der sich die Bundesregierung annehmen sollte.
Wir stimmen dem Antrage auf Verweisung an die drei Ausschüsse zu und bitten dringend, die Behandlung des Problems so zu beschleunigen, daß wir es nicht nur aus staatspolitischen, sondern auch aus Gründen unserer demokratischen Sicherheit bald nicht mehr nötig haben, den sächsischen Dialekt aus Leipzig in München zu hören, Herr Kollege Seelos.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern haben die Alten erzählt, sie wäre so heftig gewesen, daß die Gefallenen sich noch im Jenseits gegenseitig bekriegt hätten. Fast so heftig wie die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern scheint der Wahlkampf in Niedersachsen am letzten Sonntag gewesen zu sein; denn noch drei Tage nachher kämpfen die Helden dieses Wahlkampfes auf der Tribüne des Deutschen Bundestages. Aber sie scheinen dabei zum Teil ganz übersehen zu haben, daß es in Deutschland nicht nur einen Nordwestdeutschen Rundfunk, sondern auch noch einige andere ganz beachtliche Rundfunkstationen gibt; denn der Nordwestdeutsche Rundfunk hat ja wohl den größten Teil der heutigen Reden ausgefüllt.
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- Ich habe den Vorzug, Ihren Rundfunk nicht zu hören, bin also auch nicht befugt, Kritik zu üben. Ich glaube, ich kann nach all dem, was man von anderen erzählt bekommt, froh sein, daß ich ihn nicht höre.
Meine Damen und Herren, ich möchte auf den Kern der Dinge zurückkommen. Die Funkhoheit wird heute noch von den Alliierten ausgeübt, und das ganze Haus ist sich darin einig, daß dieser Zustand bald beendet und die Funkhoheit wieder auf deutsche Stellen zurückübertragen werden muß. Wenn und soweit hierzu ein Bundesrundfunkgesetz Voraussetzung sein sollte, wird es die Zustimmung auch der Christlich-Sozialen Union finden. Wir müssen aber betonen, daß ein Bundesgesetz über den Rundfunk noch nicht die Schaffung eines Bundesrundfunks bedeutet. Für den fehlen alle verfassungsmäßigen Voraussetzungen. Das Fernmeldewesen ist nach Art. 73 Ziffer 7 des Grundgesetzes Sache des Bundes und untersteht seiner ausschließlichen Gesetzgebung. Herr Kollege Dr. Besold hat gemeint, der Rundfunk sei bereits über das Fernmeldewesen hinausgewachsen und man könne ihn eigentlich nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen. Ich persönlich würde mich dieser Meinung gerne anschließen, und ich weiß, daß viele Fachleute der gleichen Meinung sind. Der Parlamentarische Rat ist aber anderer Meinung gewesen. Es war einhellige Auffassung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, daß der Rundfunk ein Teil des Fernmeldewesens sei.
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Er hat es ja damals auch abgelehnt, einem Antrag des damaligen Abgeordneten und heutigen Innenministers Dr. Lehr zu entsprechen, Fachleute zur Beratung dieser Frage zuzuziehen, und hat sie aus eigener Sachkunde dahin entschieden, daß der Rundfunk Teil des Fernmeldewesens ist.
Im Parlamentarischen Rat ist aber auch deutlich ausgesprochen worden, daß sich dies einzig und allein auf die technische Seite und nicht auf die kulturell-organisatorische Seite des Rundfunks beziehen kann. Ich brauche nicht nur Herrn Geheimrat Laforet und seine Ausführungen im Parlamentarischen Rat zu zitieren; ich kann auch Herrn Kollegen Carlo Schmid nennen, von dem das Zitat stammt, das Herr Dr. Besold angeführt hat, daß man nämlich die Übertragung einer Beethoven-Symphonie nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen kann. Schließlich ergibt es sich aus der Natur des Rundfunks, dessen Aufgabe darin besteht, Kulturgut zu übermitteln und damit öffentliche Kulturpflege zu treiben, daß man ihn als Ganzes nicht als Teil des Fernmeldewesens ansehen kann. Sonst müßten Sie ja den geistigen Inhalt einer Sendung zur Funktion der Technik erklären, und das wird niemand in diesem Hause wollen, nicht einmal ein Vertreter mechanistischer Staatsauffassungen.
Wenn aber nur die technische Seite des Rundfunks - also diejenige Seite, die in unlöslicher Verbindung mit dem Funken selber als technischem Betrieb steht - Sache des Fernmeldewesens und damit nach dem Willen des Parlamentarischen Rates Sache der Bundesgesetzgebung ist, dann erstreckt sich auf alle übrigen Gebiete des Rundfunks die Gesetzgebung der Länder; denn nach dem Grundgesetz behalten die Länder sämtliche Rechte in Gesetzgebung und Verwaltung, die nicht ausdrücklich dem Bund übertragen worden sind. Der Bund ist nicht einmal befugt, ein Rahmengesetz über die kulturell-organisatorischen Fragen des Rundfunks zu schaffen.
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In dieser Beziehung ist er auf dem Gebiete des Films und auf dem Gebiet der Presse viel freier gestellt und hat er ein viel größeres Maß an Gesetzgebungsrechten als eben beim Rundfunk. Wenn ich dies feststelle, dann darf ich ausdrücklich betonen, daß die Gesetzgebung über alle Fragen der Organisation, über die Errichtung von Sendestationen, die Verleihung des Sende- und Empfangsgeräts, über alle Fragen der Programmgestaltung und der etwaigen politischen Kontrolle im Sinne des Verfassungsschutzes ausschließlich Landessache ist. Hier kann wirklich die Gesetzgebung der amerikanischen Zone Vorbild sein, in der für jedes Land ein eigener Sender besteht. Wenn kleinere norddeutsche Länder kein Interesse an einem solchen Sender haben, ist es ihnen überlassen, sich auf dem Wege des Verwaltungsabkommens mit anderen Ländern zum Betrieb eines gemeinsamen Senders zusammenzufinden. Man darf aber nicht den Ländern, die auf Grund eines gültigen Rundfunkgesetzes bereits einen Rundfunk haben, diesen wider ihren Willen nehmen.
Im übrigen glaube ich, daß heute die einhellige Meinung der Öffentlichkeit dahin geht, daß ein Staatsrundfunk weder in den Ländern noch im Bund erwünscht ist. Wir haben in der amerikanischen Zone eine weitgehende Selbstverwaltung. Davon sollte allerdings nicht die Frage betroffen werden, daß die Regierungen der Länder und des Bundes Gelegenheit haben müssen, das Volk über ihren Standpunkt zur Politik ausreichend zu in({3})
formieren. Ein Schutz der Verfassung nach der personellen und sachlichen Seite muß auch bei den Rundfunkstationen der Länder möglich sein.
Wenn nun aber schon Bedenken gegen die Schaffung eines Staatsrundfunks auf Länderebene bestehen, so müssen sich diese gegen einen Bundesrundfunk vervielfachen. Denn ein solcher Bundesrundfunk wäre ja in der Lage - wie es einst der Reichsrundfunk war -, die Meinung auf den Ätherwellen zu monopolisieren, selbst dann, wenn er von der Bundesregierung formell unabhängig wäre. Das wäre aber der Anfang jener Druckknopfpolitik, die uns schon einmal in die Katastrophe geführt hat. Wenn wir uns allerdings auf den Boden des Grundgesetzes stellen, dann ist es gar nicht möglich, daß eine solche Gefahr aufdämmert, weil eben der Funk nur Landesangelegenheit sein kann.
Es ist deshalb völlig unmöglich, einen Bundesrundfunkrat zu fordern - wie es der Vertreter der Deutschen Partei getan hat -, der die Programmgestaltung der Sender beeinflussen, kontrollieren oder regulieren soll. Dem müssen wir, schon weil es verfassungswidrig ist, energisch widersprechen. Ich darf allerdings auch betonen: Wenn der Bund eine Zuständigkeit nur für die technische Seite des Rundfunks hat, dann wundern wir uns, daß in der Bundesregierung ressortmäßig offenbar das Innenministerium zuständig ist; denn eigentlich kann hier nur das Postministerium zuständig sein.
Unabhängig von allen verfassungsrechtlichen Fragen will .ich aber nicht verkennen, daß der Bund im Hinblick auf den Osten auch gewisse gesamtdeutsche Aufgaben und im Hinblick auf die Welt auch gewisse außenpolitische Aufgaben im Äther hat und haben muß. Ohne heute im Rahmen der beschränkten Redezeit dazu Stellung zu nehmen, ob dies ohne Änderung des Grundgesetzes möglich ist, erscheint mir, wenn schon eine Lösung gefunden werden muß, als einzig tragbare Lösung die, daß neben die Landessender ein Bundessender tritt, der diese Aufgaben übernehmen könnte. Das würde den föderativen Charakter des Grundgesetzes nicht stören, würde auch die Rechte der Länder auf ihre Sender nicht beeinträchtigen und könnte doch dem Bund das geben, was er vielleicht aus gesamtdeutschen und außenpolitischen Gründen notwendig hat.
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- Natürlich der Bund! Das kann er ja; wenn das Land Bayern sich einen Rundfunk halten kann, wird sich der Bund doch auch noch einen leisten können.
Abgesehen von dieser Frage glaube ich aber, daß ein Bundesrundfunkgesetz die Vertretung der deutschen Sender gegenüber dem Ausland auf internationalen Konferenzen und die Frage der Wellenverteilung zu regeln hätte. Die Frage der Wellenverteilung ist deswegen besonders kritisch, weil schon in der nationalsozialistischen Zeit der deutsche Rundfunk über sehr wenig Wellen verfügt hat, da ja der Reichsrundfunk gar kein Interesse daran hatte, viele Wellen zu haben; denn er wollte sowieso eine uniforme Meinung herstellen. Es läge also nur im Interesse der Bestrebungen der Besatzungsmächte, die Demokratie in Deutschland zu fördern, wenn sie sich dafür einsetzen wollten, daß wir weitere Wellen erhalten oder daß wenigstens ein Teil der von ihnen beschlagnahmten Wellen den deutschen Sendern zurückgegeben würde.
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Das Bundesrundfunkgesetz hätte darüber hinaus das Verhältnis zur Post zu regeln. Es ist nicht naturnotwendig, daß der Rundfunk mit der Post gekoppelt ist. Es gibt Länder, in denen das nicht der Fall ist. Es gibt viele Länder, in denen die Gebühren, die die Post einsteckt, erheblich geringer sind als in der britischen und amerikanischen Zone. Aber es wird sich nach den Erfahrungen vor 1933 sicherlich bewähren, die technischen Angelegenheiten der Post zu übertragen. Die Einzelheiten mag man regeln. Diese Dinge also gehören dem Bunde; das übrige gehört den Ländern. Es wird allerdings vielleicht auch zweckmäßig sein, den Intendanten der Ländersender die Möglichkeit zu geben, in einem Ausschuß gleichberechtigt mit den Vertretern der Post auch dort mitzuwirken, wo es sich um die Frage der internationalen Vertretung, der Wellenverteilung usw. handelt. Sie haben schließlich ihre Aufgaben bisher nicht schlecht erfüllt; denn die Zusammenarbeit der westdeutschen Rundfunkstationen wird von allen Seiten als befriedigend geschildert. Außerdem ist es den Intendanten der amerikanischen Zone gelungen, die Auflagesendung der „Stimme Amerikas" auf eine vertragliche, kündbare, auf die Hälfte der Sendezeit beschränkte und außerdem sendezeitmäßig beliebig verschiebbare Sendung herunterzudrücken und damit einen Erfolg zu erzielen, den sicher auch andere Stellen nicht besser hätten erzielen können.
Wir schließen uns nun dem Antrag an, den Antrag der Deutschen Partei den Ausschüssen zu überweisen, insonderheit auch dem Rechtsausschuß, damit er die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Bundes zum Erlaß eines Bundesrundfunkgesetzes prüft.
Eines möchte ich zum Schluß noch eindeutig betonen: Die Freiheit des Funks, die Art. 5 des Grundgesetzes zusichert, bleibt reine Theorie, wenn nur eine Meinung die Ätherwellen beherrschen und wenn nur e i n Träger des Rundfunkwesens in Deutschland bestehen sollte. Über der technisch notwendigen Einheitlichkeit auf den Gebieten der Wellenverteilung und des Technischen überhaupt dürfen wir nicht die geistige Vielfalt der deutschen Kultur übersehen, auf der einzig und allein die Kraft und die Bedeutung der deutschen Kultur beruht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Miller ({0}) ({1}): Meine Damen und Herren! Es hatte zuerst den Anschein, als ob die Differenzen zwischen der DP und dem Nordwestdeutschen Rundfunk die Veranlassung für den Antrag der Deutschen Partei auf Vorlage eines Rundfunkgesetzes seien. Es hat sich aber inzwischen - und das bestätigt auch die Diskussion, das bestätigen insbesondere die Ausführungen der Redner der Regierungskoalition - herausgestellt, daß die eigentliche Aufgabe des Antrages der Deutschen Partei eine ganz andere ist, nämlich dem Herrn Adenauer und dem Bundespropagandaminister Herrn Kaiser durch das Rundfunkgesetz eine nicht nur organisatorisch-technische Handhabe, sondern auch ein Mittel zur politisch einheitlichen Ausrichtung und Direktive zu geben.
({2})
Meine Damen und Herren, daß das Einbringen dieses Antrages in der jetzigen Situation nicht zufällig ist, wurde auch in der Diskussion bereits bestätigt, als davon gesprochen wurde, daß die gespannte Situation es erforderlich mache, auch noch so kleine Differenzen und Nuancen, wie es bei der
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Auseinandersetzung mit dem NWDR geschieht, auszumerzen, um eine einheitliche Lenkung der deutschen Bevölkerung durch den Rundfunk zu erreichen. Die Regierung ist sich dabei auch absolut darüber klar, und ich glaube, auch wir wissen es alle, welche entscheidende Bedeutung der Rundfunk nicht nur für die Nachrichtenübermittlung, sondern auch für die Meinungsbildung hat.
({4})
Wenn in der Diskussion von der „Objektivität des
Rundfunks" gesprochen wurde, so steht doch
zweifellos fest, daß man auch im Nordwestdeutschen Rundfunk gegenüber dem Osten und
gegenüber meiner Partei, der Kommunistischen
Partei, eine so infame Hetze durchführt, daß die
DP absolut gar keine Veranlassung hätte zu einer
Auseinandersetzung mit dem Nordwestdeutschen
Rundfunk. Und das betrifft ja nicht nur den NWDR.
Greifen wir einen anderen Sender heraus, meinetwegen den hessischen. Dann stellen wir fest, daß der
eine Kommentator, um nur ein Beispiel zu nennen,
ein gewisser Herr Otto Herr, zwar eine deutsche
Kennkarte in der Tasche hat, aber sonst absolut im
amerikanischen Geist seine Sendungen und seine
giftsprühenden Hetzreden gegen den Osten und
gegen die Kommunistische Partei vom Stapel läßt.
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In dieser Situation gerade will man eine Zentralisierung, eine einheitliche Ausrichtung und Orientierung sämtlicher Sender mit diesem Rundfunkgesetz, das hier verlangt ist, schaffen. Man bezweckt Einrichtung und Durchführung einer Zensur, obwohl das mit dem Grundgesetz in Widerspruch steht. Auch wenn mein Vorredner davon sprach, daß eine gewisse Einschränkung der „Stimme Amerikas", dieser üblen Hetzstimme, erreicht sein soll, ist es in der Praxis so, daß die gesamte politische Betätigung aller Sender nichts anderes ist als die Übertragung der „Stimme Amerikas" über alle Sender von früh um 6 Uhr bis abends um 24 Uhr mit dem Ziel, in dieser Situation unser Volk einzustellen und zu gewinnen für die Pläne der amerikanischen Milliardäre!
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Meine Damen und Herren, das ist der Zweck des Gesetzes, und dagegen wenden wir uns. Wir werden weder diesem Gesetz noch der Überweisung dieses Gesetzes zustimmen, weil, wie ich noch einmal feststellen möchte, die Absicht keine andere ist, als dieser Regierung Adenauer und Jakob Kaiser das Instrument zu einer noch schärferen Handhabung der Propaganda gegen den Osten und für den Krieg in die Hände zu geben!
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Ich stelle fest, Herr Abgeordneter Müller, daß Sie die Tanzmusik von 24 Uhr bis 1 Uhr nicht in die Propaganda eingerechnet haben.
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Für die letzte bayerische Minute hat das Wort der Abgeordnete Dr. Seelos.
Ich möchte auf den Sprecher der FDP zurückkommen. Es ist für uns immer hochinteressant, daß diese Individualisten der Wirtschaft, die gegen jede Planung und gegen jeden Zwang sind, die immer für den freien Wettbewerb eintreten, ausgerechnet dort, wo es sich nicht um materielle, sondern um geistige, um kulturelle Dinge handelt, einen Zwang ausüben wollen. Hier wollen sie den Individualismus der Länder abschaffen, hier wollen sie von dem wohltuenden Wettkampf der einzelnen Sender nichts wissen. Man will wieder, wie es in der Nazizeit war, einen EinheitsReichssender; man will ein Reichskultusministerium; dann ist man glücklich!
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Eine solche Haltung widerspricht der von sogenannten liberalen demokratischen Menschen. Es spricht hieraus die Haltung eines massiven geistigen Materialismus, den wir ablehnen.
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Es ist doch traurig, wenn man sagen muß, daß die geistvollen Ausführungen von Herrn von Cube nur dadurch abgeschaltet werden können, daß man die Wellenlänge wegnimmt oder daß man es durch einen „Reichssender" verhindert. Das ist ein trauriges Zeichen der Unfreiheit.
Wenn man Wellenlängen mit dem Ausland aushandeln will, dann hat man dazu sehr wohl das Auswärtige Amt. Man hat auch in kulturellen Dingen früher durch die Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes verhandelt, ohne daß man einen Reichskultusminister brauchte. Es ging sehr wohl mit den Länderkultusministern. Genau so kann man auch Wellenlängen über das Auswärtige Amt aushandeln. Deswegen allein braucht man keine zentrale Stelle.
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Meine Damen und Herren, zum Abschluß der Aussprache noch eine Minute - auch aus Bayern - Frau Abgeordnete Dr. Ilk!
Meine Herren und Damen! Es tut mir leid, daß Herr Kollege Seelos zum Schluß noch einen solchen Angriff gestartet hat; seine Ausführungen gegen den Liberalismus trafen uns nicht. Und wenn er auch gerade die geistvollen Ausführungen von Herrn von Cube zitiert, so muß ich gestehen, daß ich da auch nicht ganz seiner Meinung bin.
Ich will aber nicht dazu sprechen, sondern Ihnen sagen, daß ich im Grunde genommen als Hörerin des Bayerischen Rundfunks dem Sinn und Inhalt nach dem Antrag der Bayernpartei zustimme; denn gerade für uns Frauen, die wir unsere langweiligen Stopfstunden doch so gern ein wenig durch die Darbietungen des Rundfunks verkürzen lassen, ist es wirklich unerträglich, wenn z. B. die netten bayerischen Stanzln und Jodler plötzlich von den langweiligen Rhythmen des Senders Tunis untermalt werden oder wenn ein Beethoven-Konzert durch gellende Saxophonklänge des AFN unterbrochen wird. Es ist tatsächlich so, daß wir in vielen Teilen Bayerns kaum noch in den Tagesstunden Rundfunk hören können, und wenn, dann nur mit Kurzwellen- und Ultrakurzwellenempfängern, und diese Apparate kann sich heute ja nur die wohlhabende Schicht der Bevölkerung kaufen, die ihrerseits Zerstreuung auch dadurch finden kann. daß sie in ein Konzert oder Theater geht. Gerade im Interesse derjenigen Volksgruppen, die ihre Zerstreuung und vor allen Dingen auch ihre Be({0})
lehrung und die gute Musik, die sie einmal hören wollen, aus dem Rundfunk schöpfen, müssen wir die Regierung bitten, daß sie, wenn sie in Verhandlungen eintritt, auch diesen Argumenten Rechnung trägt und ihre Begründung nicht nur auf das Politische abstellt. Ich bin fest davon überzeugt, daß die bayerischen Hörer ihr ganz besonders dankbar sein werden, wenn sie diese Argumente ebenfalls berücksichtigen wollte, insbesondere die bayerischen Frauen, die sicherlich den größeren Teil der Hörer ausmachen.
Im übrigen möchte ich Ihnen sagen, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei den Anträgen des Ausschusses zustimmt.
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Und Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner Fraktion noch einmal kurz zu der Rechtsfrage Stellung nehmen und dabei zum Ausdruck bringen, daß uns die rechtlichen Darlegungen des Herrn Bundesinnenministers nicht in vollem Umfange befriedigen konnten. Es ist zum Ausdruck gebracht worden, daß die Funkhoheit, die ja ein Teil der gesamten Hoheitsrechte Deutschlands ist, noch bei den Alliierten läge. Diese grundsätzliche Konstruktion wird von uns bestritten. Es ist Tatsache, daß nach den Verordnungen, die 'hier zitiert worden sind, die Funkhoheit durch die Besatzungsmacht in Anspruch genommen worden ist. Lediglich die Ausübung ist von den Besatzungsmächten in Anspruch genommen worden, und nach dem revidierten Besatzungsstatut steht diese Inanspruchnahme in Widerspruch zu dem System, in dem die
deutschen Hoheitsrechte sonst insgesamt ausgeübt
werden. Unsere Kritik hat sich dagegen gerichtet, daß man jene Rechtslage nicht schon viel wirksamer bekämpft hat, um die volle Funkhoheit nicht nur ihrem rechtlichen Wesen nach, sondern auch hinsichtlich ihrer Ausübung wieder in deutsche Hände zu bekommen. Wir sind ferner der Auffassung, daß nach dem revidierten Besatzungsstatut die Funkhoheit in Nachfolge des Deutschen Reiches in vollem Maße beim Bund liegt.
Es ist so, daß der Bund in bezug auf alle Hoheitsrechte Deutschlands mit dem früheren Deutschen Reich identisch ist. Nunmehr ist von den Vertretern der Fraktion der Bayernpartei zum Ausdruck_ gebracht worden, daß es eine Landesfunkhoheit geben könne. Ich kann dieser Auffassung auch bei Würdigung der föderalen Grundlagen, die unsere Verfassung gibt, nicht beitreten. Die Funkhoheit, die beim Deutschen Reich gelegen hat, kann nur vom Bunde ausgeübt werden. Das ergibt sich schon daraus, daß wir - diese Begriffe sind heute hier verwendet worden - zwischen dem technischen Rundfunk und dem geistigen Rundfunk zu unterscheiden haben. Wenn man die organisatorischen Maßnahmen, die rechtlichen Grundlagen und die Beziehungen mit anderen Staaten, die sich aus dem technischen Wesen des Rundfunks ergeben, betrachtet, so wird' man zu Kompetenzen kommen müssen, die in keiner Weise und in keinem Umfang den Ländern überlassen sind noch überlassen werden können. Es ist z. B. ausgeschlossen, daß die über den Rundfunk abzuschließenden internationalen Verträge in bezug auf die Wellenlängen etwa in Ausübung einer Landeshoheit durch die Länder abgeschlossen werden könnten.
Es ist richtig, wenn hier ausgeführt wurde, daß sich neben dem Fernmeldewesen der Rundfunk als ein selbständiges Sachgebiet entfaltet und entwickelt habe. Wenn man aber praktisch nach den organisatorischen und rechtlichen Grundlagen fragt, so wird man hier dieselben Prinzipien und dieselben Entwicklungslinien feststellen, wie sie für das Fernmeldewesen gültig gewesen sind. Infolgedessen bin ich der Auffassung, daß die Kompetenz vom Bund, der allein in der Nachfolge zum Deutschen Reich eine wirkliche Funkhoheit haben kann, in Anspruch genommen werden muß. Im Grundgesetz sind die Kompetenzen, die mit dem technischen Rundfunk zusammenhängen - und das sind tatsächlich drei Viertel der gesetzgeberisch zu regelnden Fragen -, dem Bunde übertragen. Dabei wird man aber auf eine scharfe Trennung und Unterscheidung achten müssen, damit durch die Gesetzgebung des Bundes nicht die Hoheit der Länder auf kulturellem Gebiet beeinträchtigt wird. Ich stimme insofern vollkommen mit den Darlegungen der Redner der Bayernpartei überein. Bei allem, was das eigentlich Kulturelle beim Rundfunk ausmacht, muß die Autonomie der Länder, d. h. ihre Selbstbestimmung als Staat in ihrem kulturellen Bereich, ihre Berücksichtigung finden. Es kann sich also bei der Struktur eines solchen Bundesgesetzes letzthin nur um Rahmenvorschriften handeln.
Ich darf zum Schluß kommen. Die polemischen Angriffe des Kollegen Brunner möchte ich nicht mit einer Retourkutsche beantworten.
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- Ob wir das können oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Es ist jedenfalls außerordentlich ungut, wenn man eine politische Auseinandersetzung in dem Stile führt, wie er von der SPD in ihrer Polemik bevorzugt worden ist.
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Wir haben sehr viel einzuwenden.
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Als Herr Brunner sprach, wurde ich an ein Gedicht von Wilhelm Busch über die bösen Buben von Athen und den Esel erinnert. Nun ist die Frage, wer von uns beiden die Rolle des Esels oder die der bösen Buben in Anspruch nehmen will.
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Das ist eine Geschmacksache. Es ist auch durchaus geschmacklos zu glauben, eine Partei wie etwa die Deutsche Partei in eine Nachbarschaft zu gewissen neofaschistischen Kräften zu bringen oder sie als Förderer solcher Kräfte hinstellen zu wollen. Wenn Sie sich draußen einmal umhören, wie der Rundfunk in der öffentlichen Meinung beurteilt wird, wie in diesem Instrument der Meinungsbildung parteipolitische Einflüsse erkennbar sind, dann werden Sie feststellen, daß die Meinungen darüber sehr geteilt sind. Bestimmte parteipolitische Färbungen sind in der Art der Kommentierung faustdick sichtbar.
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Man muß schon irgendwie benebelt sein, wenn man diese handgreiflichen Dinge nicht bemerken will. Wir wenden uns nicht gegen Personen. Ich lehne es absolut ab, eine Polemik gegen bestimmte Menschen zu richten. Das interessiert mich nicht. Wir haben aber ein Interesse daran, die notwendige Objektivität bei der Bildung der öffent({5})
lichen Meinung zu sichern. Man kann keinem Rundfunkkommentator verbieten, daß er eine persönliche Meinung hat. Aber die Kommentare eines Rundfunks haben sich ganz wesentlich zu unterscheiden etwa von den Leitartikeln, wie sie in der Presse möglich sind. Auf diesem Gebiet sind Mißstände beim Rundfunk zu verzeichnen, Mißstände, die auch bis in die Behandlung kultureller Themen und Darbietungen hineinreichen.
Wenn man einmal feststellt, wie wenig der Rundfunk das wichtige Heimatgut berücksichtigt, wie hier eine gewisse Intellektualität erkennbar ist, die wir ablehnen, dann sieht man, daß auch selbst auf dem Gebiet der Kulturpflege Sicherungen notig sind, um jenes Maß kulturpolitischer Objektivität sicherzustellen, das bei einem Monopolinstrument, wie es der Rundfunk ist, gewährleistet sein muß.
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Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Aussprache zu den Punkten 1 a und b der Tagesordnung.
Es liegt der Antrag vor, den Antrag auf Drucksache Nr. 2006 den folgenden Ausschüssen zu überweisen: erstens dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, zweitens dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film, drittens dem Kulturausschuß. Weiterhin ist mir die Anregung zugegangen,
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auch eine Überweisung an den Ausschuß für Post-und Fernmeldewesen vorzunehmen.
({1})
Da von der engen Verbindung mit dem Post- und Fernmeldewesen selbst im Grundgesetz gesprochen wird, würde ich Ihnen vorschlagen, diesen Ausschuß ebenfalls heranzuziehen. Ist das Haus mit dieser Überweisung einverstanden? -Das ist offenbar der Fall.
Weiterhin liegt der Antrag des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen auf Drucksache Nr. 2016 vor, den Antrag der Fraktion der Bayernpartei der Bundesregierung als Material zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Offenbar die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
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- Wer ist dagegen? ({3})
Offenbar nur der Herr Abgeordnete Horlacher. Wer enthält sich? - Niemand.
Meine Damen und Herren, ich möchte eine Mitteilung einfügen. Ich habe vor einigen Wochen zu meinem Bedauern übersehen, Herrn Abgeordneten Grafen von Spreti nach einer langen Erkrankung in unserem Kreise wieder zu begrüßen. Da Herr Abgeordneter Etzel ({4}) heute in unseren Kreis zurückgekehrt ist, möchte ich nicht den gleichen Fehler machen. Ich freue mich über seine Gesundung und heiße ihn unserem Kreise herzlich willkommen.
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Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP betreffend Bezahlung von Handwerkerrechnungen
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Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten vor.
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Zur Begründung hat der Abgeordnete Günther das Wort.
Günther ({8}), Interpellant: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Normalerweise ist es im Geschäftsleben so, daß man auch bezahlt, was man bestellt, und zwar so bezahlt, wie es sich gehört. Es gibt Leistungen, die im voraus bezahlt werden; andere Leistungen werden während der Ausführung bezahlt, und bei manchen Leistungen wird die Bezahlung sofort nach Fertigstellung fällig. Wenn jemand mit der Eisenbahn fährt, nimmt er keinen Anstoß daran, daß er sich vorher eine Fahrkarte lösen muß. Bei der Beamtenschaft würde ein Sturm der Entrüstung losbrechen, wenn sie das Monatsgehalt rückwirkend statt wie üblich im voraus bekäme. Es ist auch ganz klar, daß auf der Straßenbahn während ihrer Leistung kassiert wird. Wenn -man in einer Gaststätte ein Glas Bier oder Wein trinkt, ist es auch üblich, nach dem Verzehr sofort zu bezahlen. Früher war es üblich, daß sich die öffentliche Hand beim Fälligwerden von Rechnungen nach der Verdingungsordnung für örtliche Bauleistungen richtete, Abschlagszahlungen leistete und vor allen Dingen Rechnungen spätestens acht Wochen nach Hereingabe ganz bezahlte.
Aber anscheinend haben gewisse Behörden eine Doppelmoral. Einmal verlangen sie vom Bürger, daß er seine Steuer pünktlich bezahlt. Tut er das nicht, dann wird der Bürger mit einem entsprechenden Aufschlag belegt. Auf der andern Seite kann man feststellen, daß dieselben Behörden, die den Bürger an seine Pflichten ketten, mit Forderungen, die die Handwerker an sie zu stellen haben, ganz anders verfahren. Es hat sich besonders im Bonner Raum, aber auch im gesamten Bundesgebiet herausgestellt, daß Rechnungen ungebührlich lange Zeit unbeglichen bleiben. Im vergangenen Jahr betrugen die Zeitspannen im Bonner Raum im Durchschnitt 6 Monate, zum Teil über ein Jahr. Heute noch gibt es unbeglichene Rechnungen aus dem Jahre 1949. Das ist - wenn ich diesen Ausdruck anwenden darf - ein Skandal.
Hinzu kommt, daß die Handwerker zur Zeit über Außenstände verfügen, wie sie sie noch zu keiner Zeit gehabt haben. Nach den Statistiken, die das Statistische Amt nach der Handwerkerzählung vom 1. Oktober 1949 aufgestellt hat, waren bei den Handwerkern nicht weniger als 807 325 000 DM an Außenständen zu verzeichnen. Es handelt sich hier um Außenstände, die älter als vier Wochen sind. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Außenstände hegt bei der öffentlichen Hand.
Der Handwerker könnte zwar die Rechnungsbeträge einfordern, aber ihm liegt das Prozessieren nicht. Für den Handwerker ist es auch außerordentlich schwer, diesen Weg zu gehen, einmal weil er befürchten muß, dann vom Auftraggeber nicht mehr aufgefordert zu werden, zum anderen, weil ihm Zeit und Geld verloren gehen und er auf dem Standpunkt steht, man soll schlechtem Geld kein gutes nachwerfen.
Was man dem Handwerker hierdurch angetan hat und zum Teil noch antut, ist absolut nicht am Platze. Unsere Interpellation ist daher gerechtfertigt.
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Um Ihnen zu beweisen, daß das, was ich vorbringe, auch berechtigt ist, darf ich Ihnen - der Herr Präsident wird es gestatten - einige Beispiele anführen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben haben. Über Malerarbeiten z. B. wurde am 31. 3. 1950 eine Rechnung über 20 000 DM ausgestellt. Am 4. 8. 1950 wurde eine Zahlung von 13 000 DM geleistet. Am 31. 1. 51 bestand noch eine Restforderung von 6750 DM. Eine Rechnung vom 26. Oktober 1950 über 772 DM ist bis zum heutigen Tage noch nicht bezahlt, es sei denn, daß es in den letzten vier Wochen geschehen ist. Von einer Rechnung vom 10. 6. 1950 über 4900 DM steht noch ein Rest von 847 DM offen.
In einem anderen Fall war eine längst fällige und zedierte Forderung von einer Sparkasse hier am Platze zu 80 % mit 11 000 DM beliehen worden. Die Rechnungsstelle hatte diese Forderung dem Kasseninstitut bestätigt mit der Zusicherung, daß die Rechnungsbeträge im Oktober 1950 gezahlt würden. Trotzdem wurde nicht bezahlt, und erst Anfang und Mitte Dezember 1950 wurden zwei Abschlagszahlungen in Höhe von 6 300 DM an das Kasseninstitut geleistet. Ende Januar forderte daher das Kasseninstitut den Schuldner auf, den Debetsaldo abzudecken. Die hierdurch dem Handwerker entstandenen Bankkosten und Bankzinsen betrugen 1000 DM, die von der Behörde nicht bezahlt wurden.
Ein anderer Handwerksmeister teilt mit, daß seine Forderungen vom 5. und 31. Mai 1950 über 1757 DM bis Ende März 1951, also neun Monate später noch nicht beglichen waren.
Wieder ein anderer, ein Schreinermeister, hat Außenstände von 3661 DM, die noch in das Jahr 1950 zurückgehen. In einem anderen Fall, wo er für ein Ministerium gearbeitet hat, hatte er die Leistung im September 1949 erbracht. Die Rechnungen tragen die Eingangsdaten des betreffenden Ministeriums vom 27. Oktober und 6. November 1949. Am 28. Februar dieses Jahres bekommt er von diesem Ministerium eine Antwort, in der es heißt:
In der Auseinandersetzung zwischen dem Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen über die Bezahlung von. Leistungen beim Aufbau von Bundesministerien in Bonn hat das Land Nordrhein-Westfalen nunmehr die Bezahlung übernommen und das Staatliche Hochbauamt in Bonn auch den Betrag für die beim Ausbau unseres Dienstgebäudes angefallenen Rechnungen überwiesen. Das Staatliche Hochbauamt ist nicht in der Lage, Ihre Rechnungen in der vorliegenden Form ohne Angabe der Leistungsbeschreibungen, der Maße und ohne unterschriebene Tagelohnzettel zu bezahlen. Ich bitte deshalb um Ergänzung bzw. Neuaufstellung und direkte Einreichung an das Staatliche Hochbauamt Bonn.
Dieses Schreiben setzt dem ganzen Verhalten gegenüber den Handwerkern die Krone auf. Anderthalb Jahre nach Erbringung der Leistung soll der Mann die Lohnzettel wieder einschicken, damit nachgeprüft werden kann, ob die Rechnung in Ordnung geht oder nicht.
Ein anderer Handwerker, ein Installateur, hat den Klageweg beschritten. Ein Ministerium hatte Arbeiten durch ihn ausführen lassen. Zu guter Letzt hat das Ministerium erklärt, es sei nur Vermittler gewesen, die Hausbesitzer hätten diese Rechnungen zu bezahlen. Daraufhin hat sich der Betreffende an den Rechtsanwalt gewandt. Ein Rechtsanwalt des Ministeriums hat dem Handwerksmeister geantwortet, daß das Ministerium die Bezahlung ablehne, weil die Leistungen nicht für das Ministerium erbracht worden seien. Als man hörte, daß hier eine Interpellation anstand, hat das Ministerium seine Einwände zurückgezogen; offenbar fühlte es sich nicht ganz wohl bei dieser Angelegenheit.
Die Handwerker sind auf jeden Fall durch diese Art der Behandlung außerordentlich geschädigt. Sie hätten sich im vergangenen Sommer vielleicht besser in die Sonne oder ins Gras gelegt als hier zu arbeiten; denn die Unkosten, die sie durch die Eintreibung des Geldes haben, übersteigen zum Teil den Verdienst. Man muß auch an die Unkosten denken, die sie bei ihren Hausbanken haben, bei denen sie zum Teil 12 und 15 % und mehr an Zinsen für kurzfristige Gelder zahlen müssen. Der Handwerker erleidet hier kolossalen Schaden. Er hat durch den Währungsschnitt sowieso sehr wenig Betriebskapital zur Verfügung, so daß er nicht die Lieferanten und zugleich auch die Bank befriedigen kann. Immer wieder muß prolongiert werden. Dadurch wird das Ansehen und der Kredit des Handwerkers auf die Dauer geschädigt. Dabei tragen vielfach die Behörden die Schuld.
Ein anderer Handwerker schreibt, daß er bei einer ganzen Reihe von Rechnungen, die auf das Besatzungskostenamt lauteten, 14, 12, 14, 18, 14, 10, 16 Monate usw. auf die Bezahlung der Rechnungsbeträge wartete und daß jetzt auch schon wieder mehrere Rechnungen über 4, 5 Monate alt sind. Als er sich bei der Kreisfeststellungsbehörde in Köln beschwerte, wurde erklärt, daß die Schuld einmal daran läge, daß der Sachbearbeiter krank sei und Unklarheiten über die Zuständigkeit vorhanden wären, zum andern daran, daß die Art der Organisation eine gewisse zeitliche Dauer für die Erledigung der Rechnungen beanspruche. Es ist natürlich, daß in dem einen oder anderen Fall eine Verzögerung eintritt; aber man muß sich meines Erachtens an die Verdingungsordnung, die nun einmal in Kraft ist, halten, und es müßte, ohne daß es einer Einklagung bedürfte, die entsprechende Verzinsung und der Ersatz des dem Handwerker sonst entstehenden Verlustes eo ipso geleistet werden; dann könnte der Handwerker ohne weiteres zu seiner Bank gehen, die ihm den Rechnungsbetrag vorlegt. Auf diese Weise würde der Handwerker vor Schaden bewahrt.
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Es kommt noch folgendes hinzu. Wenn die Rechnungen über das Jahresende offenstehen, werden diese Beträge als Guthaben für die Berechnung der Gewerbe-, Vermögen- und Einkommensteuer herangezogen. Der Handwerker hat aber noch außerordentlich viel Arbeit, wenn er dann im kommenden Jahr das Geld einzutreiben versucht. Daß die Behörden es anders können, haben sie bei der Währungsreform bewiesen; da haben sie sich außerordentlich geeilt, da wurden die Rechnungen innerhalb von vierzehn Tagen kontrolliert und auch bezahlt, um nicht mit vielen Schulden in die DM-Zeit hineinzugehen. Und wenn im Etat einer Behörde am Jahresende noch etwas vorhanden ist, werden im Februar und im März sehr schnell Aufträge gegeben, und dann werden die Rechnungen auch noch bis zum 15. April bearbeitet. Das ist ein Zeichen dafür, daß man es auch schneller machen kann. Deswegen kann man einen Teil der Entschuldigungen, die von den Behörden kommen, nicht ohne weiteres hinnehmen.
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Ein anderer Fall - auch bei Besatzungsbauten -, der sich in Köln abgespielt hat: Da hat ein Handwerker auf Veranlassung des Architekten einen Auftrag zusätzlich zu seinem Angebot ausgeführt. Diese Arbeitsgemeinschaft für Besatzungsbauten Köln - Siegkreis - Godesberg gibt diese Rechnungen, nachdem einige Monate verstrichen sind, zurück mit der Erklärung, die Rechnungen könnten, da von ihr kein Auftrag erteilt sei, nicht bezahlt werden, und man stelle anheim, sie bei der Stelle einzureichen, die den Auftrag erteilt habe. Auf die Rechnung hatte aber der Hausarchitekt, der von dieser Stelle eingesetzt war, handschriftlich den Vermerk gesetzt: Von der Besatzung nachträglich gewünscht und deshalb in Auftrag gegeben. Der Handwerker muß sich heute wer weiß wie bemühen, um diesen Betrag zu bekommen.
Wir wollen die Verhältnisse, wie sie sich hier in dem Streit zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Bund entwickelt haben, nicht weiter behandeln. Es ist aber eine Tatsache, daß Handwerker wegen dieses Verhaltens im vergangenen Jahr mehr als ein Jahr auf ihr Geld warten mußten. Es ist nicht mehr als recht und billig, daß von Staats wegen denjenigen, die länger als fünf Monate auf die Bezahlung von Rechnungen warten müssen, ein Prozent pro Monat nachgezahlt wird, ohne daß sie erst den Rechtsweg beschreiten müssen, und daß zum andern in Zukunft für jeden Verzug einer Behörde - egal, ob der Sachbearbeiter krank ist oder nicht -- von der betreffenden Behörde dieser Aufpreis bezahlt wird, ohne daß das eingeklagt ,zu werden braucht. Das ist nicht mehr als recht und billig, und deswegen möchte ich diese Forderung erheben. Ich möchte das zuständige Bundesministerium bitten, die Bundesstellen anzuweisen, so zu verfahren, zugleich aber auch einen Einfluß auf die Länder und auf die Gemeinden auszuüben, damit auch dort ebenso verfahren wird.
Außerdem habe ich noch eine berechtigte Bitte. Auch derjenige, der öffentliche Mittel zur Finanzierung seines Vorhabens beansprucht, muß angewiesen werden, die Handwerkerrechnungen pünktlich zu bezahlen. Das ist im normalen bürgerlichen Leben eine Selbstverständlichkeit. Wer Aufträge erteilt, ohne das Geld dafür zu haben, kann eben nur als Hochstapler bezeichnet werden. Ich möchte wünschen, daß die Behörden - gleichgültig, ob Bund, Land oder Gemeinden - in Zukunft von der bis jetzt geübten Methode Abstand nehmen.
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Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Staatssekretär Hartmann vom Finanzministerium.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann die Interpellation namens des Bundesfinanzministeriums heute nur ganz allgemein beantworten, da mir die Fälle, die der Herr Interpellant hier vorgetragen hat, bis zu diesem Augenblick nicht bekanntgegeben waren. Ich hätte sonst versucht, sie vor dem Tage der Beantwortung der Interpellation zu klären. Der Herr Abgeordnete Günther hat schon bèi den Einzelfällen, die er hier brachte, darauf hingewiesen, daß es sich hier um Dinge handelt, die aus dem Übergang der Landesverwaltung auf die Bundesverwaltung, also aus den ersten Monaten der Bundesverwaltung herrühren und die daher stammen, daß damals Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Bund über die Pflicht zur Bezahlung der Rechnungen bestanden haben. Die Bundesverwaltung mußte hier ja erst aufgebaut werden und ist erst seit dem 1. Dezember 1949 in Funktion. Alle Aufträge, die vorher vergeben worden sind, sind also vom Lande vergeben worden, natürlich nicht immer für das Land, sondern zum Teil auch für Zwecke des Bundes. Daher war eine Auseinandersetzung darüber notwendig, was von den Bestellungen, die das Land vorgenommen hat, auf das Land und was auf den Bund entfällt. Es ist bedauerlich, daß diese Auseinandersetzung eine geraume Zeit in Anspruch genommen hat. Aber schließlich kann ja das Bundesfinanzministerium nicht Rechnungen begleichen, die das Land angehen. Wir stehen ja nicht nur unter der Kontrolle des Bundesrechnungshofes, sondern ich glaube, auch der Haushaltsausschuß des Hohen Hauses wäre nicht einverstanden gewesen, wenn wir Verpflichtungen, die den Bund nichts angehen, durch Zahlungen anerkannt hätten.
Trotzdem haben wir uns bemüht, zu verhindern, daß diese Meinungsverschiedenheiten zu Lasten der Lieferanten ausgetragen werden, und haben bei besonders dringlichen Fällen, obwohl die Zahlungsverpflichtung nicht feststand, aus dem Haushalt des Bundesfinanzministeriums vorweggezahlt, also mit dem Risiko, ,daß unsere Verhandlungen mit dem Land Nordrhein-Westfalen dadurch etwa ungünstig beeinflußt wurden. Wir haben aus dem Haushalt 1949 insgesamt 286 532,16 DM vorwegbezahlt, um der Notlage bestimmter Handwerker, wie sie der Herr Abgeordnete Günther geschildert hat, abzuhelfen. In der Zwischenzeit sind auch die damals nicht erledigten Rechnungen reguliert worden, so daß, soweit es mir bekannt ist, heute überhaupt keine Verpflichtungen des Bundes aus der damaligen Zeit mehr offenstehen. Abgesehen von diesen Meinungsverschiedenheiten in Nordrhein-Westfalen hat der Bund immer pünktlich innerhalb der vereinbarten Zahlungsfrist seine Zahlungen geleistet.
Dasselbe gilt für die Bauträger, die mit Bundesmitteln z. B. den Wohnungsbau in Bonn für die Bundesbediensteten durchführen. Es haben sich dabei gewisse Schwierigkeiten dadurch ergeben, daß infolge der Lohnerhöhung im Bauhandwerk auf Grund des Remagener Schiedsspruchs Streitigkeiten über die Abwälzung der dadurch entstandenen Mehrkosten aufgetreten waren. Bei den unmittelbaren Bundesaufträgen sind diese Meinungsverschiedenheiten durch einen Erlaß des Bundesfinanzministeriums von Ende Januar 1951 ausgeräumt. Bei den Bauträgern soll eine entsprechende Regelung erfolgen.
Das war die Antwort zu Punkt 1.
Zu Punkt 2 darf ich sagen: Es ist uns bekannt, daß die betroffenen Handwerker zum Teil gezwungen waren, Bankkredite in Anspruch zu nehmen. Ich habe schon gesagt, daß wir durch Vorwegzahlungen in möglichst vielen Fällen helfen wollten.
Zu Punkt 3 darf ich sagen: Es trifft nicht zu, daß Verzugszinsen von öffentlichen Auftraggebern nicht anerkannt werden. Nach unserer Ansicht kann die Bundesregierung als Schuldner privatrechtlicher Forderungen nicht anders behandelt werden als jeder andere Vertragschließende. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen sieht vor, daß, wenn eine fällige Zahlung trotz Mahnung innerhalb einer gestellten Nachfrist nicht geleistet wird, sie vom Ende der Nachfrist ab nach dem
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Zinssatz der Notenbank für Lombard zu verzinsen ist. Der Auftraggeber hat außerdem auch etwaige weitere Schadenersatzansprüche zu erfüllen. Die Bundesregierung beabsichtigt nicht, sich dieser zivilrechtlichen Verpflichtung zu entziehen.
Zu Punkt 4: Die Bundesregierung hat keinen Einfluß auf die Zahlungsweise der Länder und der Kommunalverwaltungen. Nach dem föderativen Charakter des Grundgesetzes steht uns ein solcher Einfluß nicht zu. Soweit die Länder Bundesbauaufgaben durchgeführt haben, hat die Bundesregierung stets für rechtzeitige Überweisung der erforderlichen Mittel gesorgt, so daß etwaige Verzägerungen in der Prüfung und Bezahlung der Baurechnungen vom Bund jedenfalls nicht zu vertreten sind.
Nach unserer Ansicht sind besondere Maßnahmen nicht erforderlich, da die damals enstandenen Schwierigkeiten jetzt beseitigt sind. Sollten dem Herrn Abgeordneten Günther oder anderen Mitgliedern des Hohen Hauses noch Fälle bekannt sein, in denen Zahlungen nicht erfolgt sind, so darf ich bitten, diese Fälle dem Bundesfinanzministerium zur Prüfung zu übermitteln. In den Fällen, in denen es sich um Bundesverpflichtungen handelt, wird selbstverständlich unverzüglich Zahlung geleistet werden.
Wird ein Antrag auf Besprechung der Interpellation gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann ist mit der Beantwortung der Interpellation dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Wir gehen über zum nächsten Punkt.
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- Die Besprechung ist geschlossen worden. Jetzt kann das nicht geschehen.
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- Es müssen 50 Abgeordnete einen Antrag auf Besprechung der Interpellation stellen. Das ist nicht geschehen.
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Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Orth und Genossen betreffend Kredit-Restriktionen ({3}).
Wir haben zu Beginn der heutigen Sitzung beschlossen, mit diesem Gegenstand den Punkt 9 der Tagesordnung zu verbinden:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Krediteinschränkungen in der Grenzlandwirtschaft ({4}).
Ich eröffne darüber die Aussprache. Zunächst hat Herr Dr. Orth das Wort zur Begründung seiner Interpellation.
Dr. Orth ({5}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu der Ihnen als Drucksache Nr. 2146 vorliegenden Interpellation noch einige Worte der Begründung und Erklärung sage. Ich werde mich kurz fassen. Die Zeit ist schon sehr vorgeschritten, und es wird auch wohl nicht allzuviel Interesse daran bestehen, daß lange Ausführungen zu einer Sache gemacht werden, zu der die Regierung ja Stellung nehmen muß.
Zunächst darf ich vorausschicken, daß meine politischen Freunde, die die Interpellation mit mir unterschrieben haben, nicht daran denken, den Banken wegen der Maßnahmen, die im Zuge der Kreditrestriktion getroffen wurden, in einer billigen Verallgemeinerung Vorwürfe zu machen oder an ihren Maßnahmen ohne Einschränkung Kritik zu üben. Wir wissen genau, daß es eine erhebliche Anzahl von Banken, und zwar große Banken, gibt, die in ihrer Kreditpolitik von vornherein so vorsichtig waren, daß sie bei ihrer Liquidität heute in der Lage sind, nicht schematisch jeden Kreditnehmer hart anzufassen. Es gibt Banken, die unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten ihre Kunden entsprechend vorsichtig behandeln.
Wir erkennen unter allen Umständen an, daß eine Kreditrestriktion innerhalb des Bundesgebietes angebracht war. Man darf nicht verkennen, daß das Kreditvolumen im Bundesgebiet sich vom Jahre 1949 bis heute von ungefähr 11 Milliarden DM auf 14 Milliarden DM erhöht hat. Angesichts dieser Erhöhung kann der Wirtschaft nunmehr auch eine Rückführung um 1 Milliarde DM billigerweise zugemutet werden. Sie kann ihr meines Erachtens auch deshalb zugemutet werden, weil viele Kreise der Wirtschaft Kredite sehr gern und in vielleicht höherem Maße als vertretbar aufgenommen haben, um damit vielleicht Waren anzusammeln oder erzeugte Waren zurückzuhalten und diese Waren mit Rücksicht auf einen eventuellen spekulativen Gewinn nicht dann zu verkaufen, wenn es notwendig gewesen wäre, sondern sie erst zu einem späteren Zeitpunkt auf den Markt zu bringen.
Wir anerkennen also, daß die Bank deutscher Länder mit ihrem Beschluß hier etwas richtiges getan hat, wenn sie sich zum Ziel gesetzt hat, Warenhortungen zu vermeiden oder angesammelte Warenläger durch Rücknahme von Krediten zur Auflösung zu bringen. Wir anerkennen auch, daß in manchen Fällen, in denen Kredite - sei es zeitlich oder sachlich - mißbräuchlich genommen wurden, eine Rücknahme der Darlehen ebenfalls vorgenommen werden kann und soll. Dies muß schon' allein mit Rücksicht auf den Kreis der Konsumenten geschehen.
Nun sind aber durch den Beschluß des Zentralbankrats der Bank deutscher Länder viele Banken - oder wenigstens eine große Zahl von Banken - dazu übergegangen, alle bei ihr genommenen Kredite zunächst einmal in einer Höhe von etwa 20 bis 300/o schematisch kurzfristig aufzukündigen. Hier, meine Damen und Herren, wird etwas, was in der Zielsetzung zweifellos richtig ist, zum Schema und verliert nun seinen Sinn. Ich darf Ihnen vielleicht einmal von einem Rundschreiben Kenntnis geben, das eine zentrale Rankendirektion an ihre untergebenen Banken geschickt hat und das gerade in unseren Kreisen, in den Kreisen der gewerblichen Wirtschaft, des Mittelstandes, sehr alarmierend gewirkt hat. Aus ihm ist zu entnehmen, was den Banken auferlegt ist. Diese zentrale Direktion sagt ihren Banken: ihr habt von jedem eurer Kreditnehmer 20 bis 30 % der Darlehen kurzfristig zurückzufordern; es ist auch ganz unabhängig davon zurückzufordern, ob es liquididätsmäßig notwendig ist oder nicht. Den Banken wird außerdem angedroht, daß, wenn sie diese Kredite nicht zurückverlangen, Schecks oder Wechsel, die von ihren Kunden bei der zentralen Direktion vorgelegt werden, eines Tages nicht honoriert werden, und zwar auch dann nicht, wenn der betreffende Akzeptant oder Scheckaussteller ein Gut({6})
haben bei der untergeordneten Bank hat. Daß sich die gewerbliche Wirtschaft hiergegen wehren muß, finden Sie doch alle selbstverständlich.
Wir müssen bedenken, daß viele Leute, die bei einer Bank einen Kredit aufgenommen haben, diesen Kredit in den Vereinbarungen mit der Bank zeitlich und der Höhe nach fixiert haben, nicht in der Lage sein werden, einen bestimmten Prozentsatz dieser Kredite von heute auf morgen zurückzuzahlen. Denken Sie einmal daran: ein Vertriebener hat sich mit Hilfe eines Bankkredits wiederum eine Existenz gegründet, ein Mann, der den Kredit sicher bis zur höchstmöglichen oberen Grenze in Anspruch nehmen muß. Nun soll er in kürzester Zeit einen Teil dieses Kredites zurückzahlen. Das ist eine unbillige Härte und auf jeden Fall auch wirtschaftlich nicht sinnvoll. Denn man bringt ja nicht nur ihn persönlich in eine sehr schwierige Lage, sondern man schädigt damit auch all die Kreise, die wirtschaftlich mit ihm zu tun haben.
Oder stellen Sie sich einen Landwirt vor. Er nimmt im Frühjahr einen Kredit bei seiner ländlichen Sparkasse auf, um damit seine Düngemittel zu kaufen. Es ist doch unmöglich, daß ein solcher Kreditnehmer vor Einbringung der Ernte in der Lage sein wird, einen Teil des Kredites zurückzuzahlen. Es ist gerade vorhin von meinem Vorredner gesagt worden, daß eine große Anzahl Handwerker heute von dem Tage an, an dem sie ihre Leistung und ihren Auftrag ausgeführt haben, bis zu dem Tage, an dem ihre Rechnungen honoriert werden, längere Zeit warten müssen. Wir wissen ja selbst, wie langwierig gerade im Baugewerbe die Restfinanzierungen sind, daß dort Formalitäten ,wie Grundbucheintragungen und andere Dinge abgewartet werden müssen. Der Handwerker muß also eine gewisse Zeit überstehen können, bis er sein Geld bekommt. Er braucht also als Betriebsmittel einen Kredit von der Bank, und er kann diesen Kredit sicherlich nicht früher zurückzahlen, bis die Rechnung für seine Leistung honoriert wird. Analog liegen die Verhältnisse in der Industrie. Wenn hier ein Unternehmen ebenfalls einen Kredit als Betriebsmittelkredit aufgenommen hat, der dem Unternehmen im Produktionsumlauf dient, dann ist es unmöglich, diesen Kredit während dieser Laufzeit zurückzuzahlen.
Was wir mit der Interpellation wollen, kann ich zusammenfassend ungefähr so formulieren: Wir gestehen ohne weiteres zu, daß eine Kreditrückführung in all den Fällen, in denen der Kredit mißbräuchlich zur Warenhortung oder zeitlich oder sachlich mißbräuchlich verwendet wird, erfolgen muß, daß die Bank deutscher Länder dann das Recht hat, zu verlangen, daß der Kredit zurückgezahlt wird, auch wenn die Rückzahlung mit Härten verbunden sein sollte. Wir dürfen aber meines Erachtens nicht so weit kommen, daß Kredite, die als Betriebsmittel in der gewerblichen Wirtschaft und in der Landwirtschaft laufen, nun von heute auf morgen zurückverlangt werden; denn damit bringen wir nicht nur die Darlehensnehmer in Schwierigkeiten, sondern wir richten auch in der gesamten Volkswirtschaft einen nach meiner Auffassung nicht absehbaren Schaden an.
({7})
Die Meinung, die ich mit meinen Freunden, die diese Interpellation mit eingebracht haben, vertrete, ist die, daß die Regierung bei dem Zentralbankrat der Bank deutscher Länder ihren Einfluß
dahin geltend machen muß, daß die Kreditrückführungen nicht schematisch auf jeden angewendet werden, sondern daß man mit vorsichtiger Hand die Forderung auf Rückzahlungen überwacht und daß man die Kredite nur so zurückverlangt, daß nicht volkswirtschaftliche und persönliche Schäden für die Kreditnehmer entstehen.
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Zur Begründung des Antrages der Fraktion der Bayernpartei Nr. 2169 hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Etzel ({0}).
Dr. Etzel ({1}) ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gegenstand unseres Antrages bildet eine Teil- und Sonderfrage der Gesamtprobleme, die heute beide, wenn sich die erforderliche Zahl von 50 Mitgliedern des Hauses für die Beratung auch der Interpellation findet, zur Debatte anstehen, nämlich der Restriktion der Kredite und der Bekämpfung und Beseitigung der Grenzlandnot. Die alte Frage, die sich hier erhebt, ist die, ob leichtes oder knappes Geld geboten werden soll. Diese Streit- und Kampffrage ist zu verschiedenen Zeiten immer wieder verschieden beantwortet worden. Die Verfechter des leichten Geldes sind die Anhänger des Gedankens, daß die Währung und die Kreditregelung maßgebend unter dem Einfluß der politischen Gewalt zu stehen haben. Die Anhänger des knappen Geldes dagegen sind die Verfechter der Unabhängigkeit des Zentralbanksystems, der Währungsbank. Den schmalen Weg zwischen diesen beiden äußersten Möglichkeiten zu gehen, ist die hohe Kunst der Kredit-, Geld-, Kapital- und Wirtschaftspolitik im allgemeinen. Wir sehen heute - in besonderer Schärfe in den Grenzgebieten - unter den Auswirkungen eines' Schematismus der Kreditpolitik, der sozusagen mit Stock und Exerzitium und überfallartigen Einschränkungen hingegebener Kredite arbeitet, ein flaues Gefühl sich in der Wirtschaft ausbreiten. Wir beobachten eine wachsende Illiquidität der Betriebe, eine nur langsame Entlastung des Arbeitsmarkts und das Zögern der Preise, mit der durch die Kreditrestriktionen gewollten Abwärtsentwicklung zu beginnen.
Bei der Entscheidung darüber, ob leichtes oder knappes Geld herrschen soll, wird sich das Zentralbanksystem daran erinnern müssen, daß nur eine pflegliche, behutsame und individuelle Behandlung der Kreditnehmer zu einem Erfolg führen kann. Mit einer schematisierenden Handhabung würden auch gesunde Unternehmungen zum Erliegen gebracht. Unter dem doppelten Stoß und Druck einer ungeheuren, ständig wachsenden Steuerlast und der Einschnürung der Kredite gerät die Wirtschaft in Gefahr, und es könnte sein, daß man, indem man zwar die Scylla der Inflation vermeidet, in die Charybdis der Deflation gerät.
Für die Grenzlandwirtschaft hat diese Frage und ihre Lösung eine besondere Dringlichkeit. Es gilt hier, mit noch behutsamerer, pfleglicherer Hand die Krediteinschränkungen vorzunehmen, also nur solche, die wirklich begründet sind, begründet, weil sie den Ausgangspunkt und Grundgedanken der Kreditrestriktionen verwirklichen sollen. Im ganzen bedeutet - dies möchte ich hier einschalten - die Festsetzung der rechtgläubigen Ziffer von 1 Milliarde DM eine willkürliche Entscheidung. Für uns geht es darum, vor allem die Anweisung der Bank deutscher Länder an die Landeszentralbanken, wonach die Kreditrückführung nicht nach
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einem allgemeinen Schema, sondern individuell unter angemessener, pfleglicher Berücksichtigung der Verhältnisse und Aufgaben eines Betriebes erfolgen soll, dahin zu ergänzen, daß auf die besondere Bedeutung und Stellung eines Betriebes in der Grenzlandwirtschaft jeder Bedacht genommen wird. Es erscheint weiterhin notwendig, daß in besonderen Ausführungsvorschriften der Bank deutscher Länder und der Landeszentralbanken den Geschäftsbanken der Grenzgebiete genügende Bewegungsfreiheit gegeben wird, um den dortigen Kreditbedarf unter allen Umständen zu befriedigen. Drittens muß Wert darauf gelegt werden, daß die Bank deutscher Länder und die Landeszentralbanken darauf verzichten, die entgegenkommendere Handhabung der Kreditlinie gegenüber der Grenzlandwirtschaft durch eine Verschärfung der Kreditpraxis gegenüber berechtigten Kreditbedürfnissen und -ansprächen anderer Wirtschaftsgebiete auszugleichen.
Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat heute morgen das Gesamtproblem der besonderen Nöte und Schwierigkeiten der Grenzlandwirtschaft erörtert. Einen Teil davon - aber unabhängig von dem in interministeriellen Konferenzen festgelegten Sanierungsplan - bildet diese Frage. Die Bank deutscher Länder würde meines Erachtens gut daran tun, sich von Zeit zu Zeit in angemessenen Abschnitten darüber zu vergewissern, ob nicht der Punkt erreicht ist, an dem zwar die inflatorische Entwicklung abgestoppt, gleichzeitig aber mit einer deflatorischen Entwicklung begonnen wird. Deflation des Kredits und der Währung bedeutet Arbeitslosigkeit, Inflation den Anfang der Enteignung der Bürger. Als der schlaue und einfallsreiche Odysseus auf seiner zehnjährigen Irrfahrt in die Nähe der Symplegaden kam, hat er, diese
überlistend, eine Taube losgelassen, um mit seinen Genossen hindurchzukommen. Es gelang ihnen, und es blieben den Symplegaden nur einige Schwanzfedern dieser Taube. Wenn die Bank deutscher Länder diese Taube nicht rechtzeitig entläßt, um sich zu vergewissern, wie die Verhältnisse sind, dann befürchte ich, daß es sich nicht nur um einige Schwanzfedern der Wirtschaft in der Bundesrepublik handeln wird.
An sich sind wir der Ansicht, daß der Antrag in unmittelbarer Abstimmung erledigt werden könnte. Für den Fall, daß das Hohe Haus dieser Form der Erledigung nicht zustimmt, möchten wir uns den Vorschlag erlauben, den Antrag dem Ausschuß für Geld und Kredit - federführend - zu überweisen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik mitzubeteiligen. Die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags kennt keine Dringlichkeitsanträge. Angesichts der Dringlichkeit des Problems glaube ich gleichwohl, daß es zweckmäßig Und wirksam wäre, wenn das Hohe Haus für den Fall der Überweisung zum Ausdruck brächte, daß die Ausschüsse das Problem mit der größten Promptheit angehen und beraten möchten.
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Zur Beantwortung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Orth und Genossen hat Herr Staatssekretär Hartmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Interpellation und zugleich auch die Anfrage der Bayernpartei wie folgt beantworten: Der Zentralbankrat hat in seinen Sitzungen vom 28. Februar und 1. März 1951 beschlossen, das gesamte Volumen der kurzfristigen Kredite um eine Milliarde DM unter den Stand vom 31. Januar zurückzuführen. Der damalige Stand war 14 Milliarden. Die Zurückführung sollte also etwa einen Betrag von 7 % ausmachen. Diese als vorübergehende Maßnahme gedachte Einengung der Kreditversorgung wurde vorgenommen, um die übersteigerte Nachfrage nach in- und ausländischen Gütern auf ein erträgliches Maß herabzusetzen und damit insbesondere auch auf einen Ausgleich unserer Zahlungsbilanz hinzuwirken. In der Zeit vom Juni 1950 bis Februar 1951 war das Kreditvolumen von etwa 11,6 auf 14,3 Milliarden DM, also um ca. 25 % angestiegen. Von diesem Anstieg um 25 % sollte also nur ein Betrag von 7 % rückgängig gemacht werden.
Ich habe den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Orth entnommen, daß er im Grundsatz hiergegen keine Bedenken erhoben hat. Bei dem Beschluß des Zentralbankrats ist, wie sich aus diesen Zahlen ergibt, berücksichtigt worden, daß die gesteigerte Erzeugung und die Erhöhung der Umsätze eine gewisse Ausweitung des Kreditvolumens erforderlich machen, an deren Rückgängigmachung nicht gedacht worden ist. Nach der Verlautbarung der Bank deutscher Länder im Bundesanzeiger vom 3. März soll die Rückführung volkswirtschaftlich gerechtfertigte Finanzierungen nicht verhindern und, soweit es sich um Außenhandelsgeschäfte handelt, auch nicht die devisenpolitisch unbedenklichen Finanzierungen. Bei der Aufteilung der für die einzelnen Landeszentralbankbezirke festgesetzten Beträge soll von den Landeszentralbanken nicht schematisch verfahren werden. Der auf die einzelnen Kreditinstitute entfallende Rückführungsbetrag ist unter Berücksichtigung ihres Status und der Besonderheit ihrer Kreditentwicklung zu bestimmen.
Infolge einer nicht unerheblichen erneuten Kreditausweitung im Monat Februar ist das Kreditvolumen im März und April gegenüber dem Stande vom 31. Januar nicht voll in dem geplanten Umfange zurückgeführt worden. Daher haben die Landeszentralbanken die Kreditinstitute erneut auf die Notwendigkeit hingewiesen, die ihnen auferlegten Rückführungsbeträge einzuhalten. Die Bank deutscher Länder hat andererseits gemäß den Wünschen der Bundesregierung auf eine Reihe von volkswirtschaftlichen Bereichen besondere Rücksicht genommen. Es soll u. a. sichergestellt werden, daß die Restriktionsmaßnahmen den Export nicht beeinträchtigen. Auch den besonderen Belangen der Vertriebenen und Flüchtlinge sowie der Notstands- und Grenzlandgebiete soll Rechnung getragen und für Düngemittel und Gräserkredite eine Sonderrate eingeräumt werden.
Die von den Interpellanten befürchtete Zunahme von Moratorien und Vergleichsverfahren ist bisher nicht festzustellen.
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Dagegen lag die Indexziffer der industriellen Produktion im März mit 127 - bei einem Stande von 100 im Jahre 1936 - wieder um drei Punkte höher als im Februar und nur noch um drei Punkte niedriger als bei ihrem bisher höchsten Stand im November des vorigen Jahres. Die Arbeitslosigkeit hat von 1 820 000 im Januar auf 1 510 000 per 15. April 1951 abgenommen, und die Kohlenförderung ist weiter gestiegen. Im ganzen ergibt sich auch auf
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dem Gebiet der Zahlungsbilanz der Eindruck einer größeren Beruhigung und Konsolidierung der Verhältnisse. Die Bereitstellung von Mitteln aus dem ERP-Fonds, die ja nun in Kürze in größerem Umfange freigegeben werden sollen, und aus dem zu bildenden Selbsthilfefonds der Wirtschaft wird die Voraussetzungen für eine weitere nachhaltige Steigerung des Sozialprodukts schaffen.
In der Interpellation wird betont, daß einzelne Projekte, die von den Banken kreditmäßig garantiert waren, infolge Einstellung der Kreditgewährungen in einem halbfertigen Stadium hätten abgebrochen werden müssen. Hierbei kann es sich aber nicht um Erscheinungen handeln, die mit der Rückführung des Volumens der kurzfristigen Kredite zusammenhängen, da diese Restriktionen sich nicht auf Investitionskredite, sondern nur auf Kredite bis zu sechs Monaten beziehen.
Die in der Interpellation gestellten beiden Fragen werden daher wie folgt beantwortet.
Zu 1: Die vom Zentralbankrat angeordnete Rückführung des Volumens der kurzfristigen Kredite um 1 Milliarde DM steht den allgemeinen wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der Bundesregierung nicht entgegen. Mit Rücksicht auf die Verhandlungen mit der EZU in Paris und wegen der Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz hat sich die Bundesregierung diesen Maßnahmen nicht widersetzt.
Zu 2: Das Ziel der Rückführung des Kreditvolumens, die übersteigerte Nachfrage nach in- und ausländischen Gütern einzudämmen, ist nicht zu erreichen, wenn sich die Restriktionsmaßnahmen ausschließlich auf Fälle spekulativer Warenhortung, spekulativen Mißbrauchs und Fälle der zeitlichen
und sachlichen Zweckentfremdung des Kredits be- schränken. Die Bank deutscher Länder wird jedoch ihre Maßnahmen in dem Maße lockern und abbauen, wie sich der angestrebte Erfolg auf dem Preis- und Lohngebiet abzeichnet. Bei den getroffenen Maßnahmen ist - ich erwähnte das schon - auf Anregung der Bundesregierung ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sie nicht schematisch, sondern individuell durchgeführt werden sollen und daß es Aufgabe der Kreditinstitute ist, den volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung zu tragen, insbesondere hinsichtlich des Exports, der Vertriebenen und der Grenzgebiete.
Ich komme damit auf den Antrag der Bayernpartei, der besonders die Krediteinschränkungen in der Grenzlandwirtschaft betrifft, und möchte hinzufügen, daß der Zentralbankrat in seiner Sitzung vom 12. April die Frage der Durchführung der Kreditrestriktionen in Grenzland- und Notstandsgebieten allgemein erörtert hat und dabei zu der Auffassung gekommen ist, daß die zuständigen Landeszentralbanken bei der Durchführung der Beschlüsse der besonderen Lage der Notstandsgebiete Rechnung tragen sollen.
Der Herr Bundesfinanzminister wird Gelegenheit nehmen, in der nächsten Sitzung des Zentralbankrates noch einmal auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Erfordernisse im Sinne der Ausführungen der beiden Antragsteller hinzuweisen.
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Ich stelle nun auch hier die Frage an das Haus: Wird eine Besprechung der Interpellation beantragt?
({0}) - Der Antrag muß dann von 50 anwesenden Mitgliedern unterstützt werden. Ich bitte die Damen und Herren, die den Antrag unterstützen wollen, die Hand zu erheben. - Die Zahl der Unterstützenden bleibt unter 10; damit ist also die notwendige Unterstützung nicht erfolgt. Die Interpellation ist mit der Beantwortung erledigt.
Zum Punkt 9 der Tagesordnung war von Herrn Abgeordneten Dr. Etzel eigentlich die sofortige Abstimmung gewünscht worden.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Meine Damen und Herren! Nach den Auskünften, die der Herr Staatssekretär des' Bundesfinanzministeriums zu der Frage der Kreditrestriktionen in den Grenzgebieten gegeben hat und die vollkommen eindeutig die Herausnahme dieser Bereiche aus den generellen Restriktionen darlegten, möchte ich beantragen, den Antrag der Fraktion der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 2169 durch die Auskunft des Bundesfinanzministeriums für erledigt zu erklären.
Wird ein anderer Antrag gestellt? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich annehmen, daß das Haus diesem Antrage auf Erledigung beitritt. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz Dr. Dehler zum Mitbestimmungsrecht ({0}).
Zur Begründung der Interpellation hat das 'Wort der Herr Abgeordnete Wönner.
Wönner ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Pressemeldungen soll der Herr Bundesminister der Justiz in Uslar heftige Angriffe gegen die Gewerkschaften und gegen das Mitbestimmungsrecht gerichtet haben. Er soll das Mitbestimmungsrecht als eine von den Gewerkschaften geschaffene brutale Rechtlosigkeit bezeichnet t' und soll behauptet haben, daß die Gewerkschafter des Zuchthauses würdig geworden seien. Diese Berichte über solche Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz haben in der breiten Öffentlichkeit, insbesondere natürlich in Gewerkschafts- und in allgemeinen Arbeiterkreisen, eine außerordentliche Beunruhigung und Erregung hervorgerufen.
Wir müssen deshalb die Bundesregierung fragen, ob der Herr Bundesminister der Justiz sich tatsachlich in diesem Sinne geaußert hat und ob die Bundesregierung solche Außerungen eines ihrer Mitglieder billigt?
Kein Gewerkschafter wird einen derartigen Angriff hinnehmen können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund, der mehr als 5 Millionen Mitglieder zahlt, ist die überparteiliche Organisation der deutschen Arbeitnehmerschaft und starkstes Bollwerk der Demokratie. In aller Welt ist anerkannt, und die Bundesregierung selbst hat es wiederholt gewürdigt, daß diese einheitliche Gewerkschaftsbewegung in 'Deutschland einen überragenden Anteil am Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft
({2})
nach 1945 hat. Die Diffamierung des Deutschen Gewerkschaftsbundes durch den Herrn Bundesjustizministers ist nicht nur eine völlige Negierung der gewerkschaftlichen Aufbauleistung, sondern sie kommt einem direkten Angriff auf die Demokratie gleich.
Wieweit die Pressemeldungen im einzelnen die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz richtig wiedergeben, wird der Herr Bundesminister der Justiz selbst zu erklären haben. Er hat jedoch - mit seiner Unterschrift - am 17. April 1951 an zahlreiche Zeitungen eine Stellungnahme versandt, die in ,den entscheidenden Punkten die Richtigkeit der Pressemeldungen bestätigt. In dieser Stellungnahme schreibt der Herr Bundesminister der Justiz:
Ich bezeichnete die Streikdrohung der Gewerkschaften als eine Machtpolitik aus Übermut, weil die Regelung der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie durch die Maßnahmen der Besatzungsmacht gegenwärtig festgelegt sei und für eine deutsche gesetzliche Regelung kein drängendes Bedürfnis bestehe.
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Daraus folgt: Entweder weiß der Herr Bundesminister der Justiz als Mitglied der Bundesregierung überhaupt nicht, aus welchem Anlaß die deutsche Regelung des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Stahl notwendig wurde, oder der Herr Bundesminister der Justiz hat hier trotz besseren Wissens die Unwahrheit gesagt; denn es ist unrichtig, daß die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auch für die Unternehmen des Bergbaus durch Maßnahmen der Besatzungsmacht festgelegt gewesen sei, wie es für die Unternehmen der eisen- und stahlerzeugenden Industrie der Fall war. Es sollte weiter jedem bekannt sein -auch dem Herrn Bundesjustizminister -, daß im Zuge der von uns allen gewünschten und geforderten Aufhebung der Besatzungsvorschriften im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 27 sich zwingend die unmittelbare Notwendigkeit ergab, die Frage des Mitbestimmungsrechts deutscherseits zu lösen. Andernfalls hätten mit der erwarteten und bevorstehenden Aufhebung der Besatzungsvorschriften die Bestimmungen des deutschen Handels- und Gesellschaftsrechts, die noch kein Mitbestimmungsrecht kennen, wieder Platz gegriffen. Der Herr Bundesminister der Justiz, zu dessen Ressort das Handels- und Ge. sellschaftsrecht gehört, muß das doch als erster wissen. Schon in ,der Behauptung, daß für eine deutsche gesetzliche Regelung kein drängendes Bedürfnis bestanden habe, liegt daher eine beklagenswerte Unwissenheit oder Unwahrheit begründet.
Wir fragen die Bundesregierung, wie sie sich dazu stellt, daß der Herr Bundesminister der Justiz gegenüber der Öffentlichkeit solche falschen Informationen geben kann. Wir fragen die Bundesregierung, ob sie es billigt, daß der Herr Bundesminister der Justiz den geschichtlichen Kampf der Gewerkschaften um ein eigenes deutsches Mitbestimmungsrecht als eine „Machtpolitik aus Übermut" zu bezeichnen wagt.
Ferner hat der Herr Bundesminister der Justiz in der von ihm persönlich unterschriebenen und an zahlreiche Zeitungen versandten Stellungnahme folgendes erklärt:
Ich bezeichnete weiterhin als eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung, daß die Gewerkschaften, unterstützt von der Sozialdemokratie, durch die Streikdrohung den Bundestag zur gesetzgeberischen Anerkennung ihrer Forderung des Mitbestimmungsrechts in den Unternehmen des Bergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie nötigten.
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Ich erklärte dabei, daß derjenige, der es unternehme, eine gesetzgebende Versammlung zu einem Beschluß zu nötigen, nach dem Strafgesetz des Zuchthauses würdig sei.
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Hierzu ist festzustellen: Der Herr Bundesjustizminister muß als Jurist wissen, daß er hier dem § 105 des Strafgesetzbuches eine Ausweitung gegeben hat, die keiner irgendwie gearteten sachlichen Nachprüfung standhält; denn die mit Zuchthausstrafe bedrohte Parlamentsnötigung setzt voraus, daß der gesetzgebenden Körperschaft selbst ein rechtswidriges Übel angedroht wird. Davon konnte im vorliegenden Falle, wie jeder Laie einsieht, überhaupt keine Rede sein.
Was haben denn die Arbeiter in der Kohle- und Stahlindustrie getan? Sie haben sich 1945 unter Übernahme der vollen Verantwortung dazu zur Verfügung gestellt, unsere schwergetroffene Wirtschaft an einem ihrer wichtigsten Punkte wieder aufzubauen. Sie haben sich, als ihre bisherige verantwortliche Stellung gefährdet erschien, zur Kündigung ihrer Arbeitsverträge ihren Sozialpartnern gegenüber, also den Unternehmen gegenüber, entschlossen, wenn diese Unternehmen ihnen nicht das Mitbestimmungsrecht fortgewähren wollten. Verhält sich denn ein Arbeitnehmer rechtswidrig, wenn er seinen Arbeitsvertrag nur unter der Voraussetzung fortsetzen will, daß er oder seine Gewerkschaft zur gleichberechtigten Mitbestimmung im Unternehmen mit berufen ist? Gibt es nach Auffassung des Herrn Bundesministers der Justiz etwa einen Arbeitszwang nach Art der Leibeigenschaft,
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der es dem Arbeitnehmer versagt, sein Vertragsverhältnis zu lösen, falls die Bedingungen dieses doch vertraglichen Arbeitsverhältnisses nicht verändert werden? Im übrigen würde sich - nicht auf diesen Fall hier bezogen, aber um etwaigen künftigen Ausdeutungen vorzubeugen - die Rechtssituation auch nicht im geringsten verändert haben, wenn an Stelle der Kündigung der Einzelarbeitsverträge die kollektive Arbeitsniederlegung in Aussicht genommen worden wäre; denn nicht die Form der Arbeitsniederlegung, sondern ,der Zweck ist entscheidend. Und hier war der Zweck nicht irgendein öffentlicher, sondern ein nur auf den betreffenden Betrieb bezogener.
Der Hinweis auf eine Zuchthausstrafe entbehrte also in diesem Zusammenhang jeder sachlichen und auch jeder rechtlichen Richtigkeit und konnte keine andere Absicht verfolgen, als den Deutschen Gewerkschaftsbund mit Mitteln zu diffamieren, die jeder demokratisch und jeder rechtlich denkende Mensch auf das schärfste ablehnen muß. Außerdem sind die Behauptungen des Herrn Bundesministers
({7})
der Justiz tatsächlich falsch und beleidigen nicht nur den Deutschen Gewerkschaftsbund und die
Arbeitnehmerschaft, sondern, wie wir glauben, auch das Parlament. Denn angesichts der hier gegebenen Tatsachen glauben wir doch sagen zu dürfen, daß es nichts weiter als ein Gebot der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und ein Gebot der staatsmännischen' Klugheit war, die Dinge nicht draußen in den einzelnen Betrieben sich abspielen zu lassen, sondern sie nach Möglichkeit hier in gesetzgeberischer Form allgemeingültig zu gestalten.
Nicht die Gewerkschaften haben durch ihre Streikdrohung den Bundestag zu einem Gesetz genötigt, sondern die Bundesregierung selbst hat diese Gesetzesvorlage im 'Bundesrat und im Bundestag eingebracht. Nicht der Gewerkschaftsbund hat das Parlament zur Annahme eines Gesetzentwurfs genötigt, sondern der Bundestag hat sich in langen und eingehenden Beratungen mit Mehrheit, wie wir doch glauben dürfen, fr ei für das Gesetz über die Mitbestimmung entschieden. Die Arbeitnehmerschaft in den Betrieben der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie und der Kohleförderung wird künftig wie ehedem mitverantwortlich einer besseren sozialen Ordnung dienen. Sie legt aber Wert darauf, es unbeschwert durch die Dr. Dehlersche Sach- und Rechtsdiffamierung zu tun. Wir fragen deshalb - ich wiederhole -: Hat der Herr Bundesjustizminister sich in diesem Sinne geäußert und billigt die Regierung diese Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers?
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Zur Beantwortung der Interpellation hat 'das Wort der Herr Bundesminister des Innern Dr. Lehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation der Fraktion der SPD beantworte ich namens der Bundesregierung dahin, daß die Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz in der Wahlversammlung der FDP in Uslar am 14. April 1951 über dias Thema „Recht und Staat" teilweise unrichtig, teilweise durch die verkürzte und zusammenhanglose Darstellung entstellt wiedergegeben worden sind.
({0})
Unter diesen Umständen erübrigt sich eine Stellungnahme der Bundesregierung zu der Frage, ob sie die in der Interpellation aufgeführten Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers Dr. Dehler billige.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich richte die Frage an das Haus, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird.
({0})
- Sie ist nicht nur beantragt, sondern auch genügend unterstützt. - Wortmeldungen? - Herr Dr. Arndt!
Der Ältestenrat schlägt für dieses Thema 60 Minuten Redezeit vor. Ich nehme an, daß das Haus diesem Vorschlag beitritt. - Es ist so beschlossen
Das Wort hat Herr Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort, die der Herr Bundesminister für die Bundesregierung erteilt hat, ist ein Affront für das Hohe Haus.
({0})
Ich erspare mir zunächst jede weitere Erörterung und überreiche dem Herrn Bundesminister des Innern eine Darstellung des Inhalts der Uslarer Rede mit der eigenhändigen Unterschrift des Herrn Bundesministers Dehler, damit die Bundesregierung weiß, was dort gesagt worden ist, und hier nicht derartig wie der Vogel Strauß den Kopf in den Sand steckt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Art und Weise, wie der Herr Bundesminister des Innern für die Bundesregierung, die Interpellation meiner Fraktion beantwortet hat, ist nicht nur beschämend für den Herrn Bundesminister,
({0})
sondern auch für die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit. Man kann mit einer großen Gruppe dieses Hauses nicht einfach so umspringen!
({1})
Wenn die Bundesregierung es von sich aus nicht fertiggebracht hat, in Erfahrung zu bringch, was eines ihrer Mitglieder gesagt hat, - -({2})
- Es ist nicht unsere Sache, Herr Kollege Hilbert! Wenn wir diese Interpellation eingereicht haben, war es Sache der Bundesregierung, zu erforschen, was der Herr Bundesminister der Justiz gesagt hat, der ja kein Neuling auf diesem Gebiet ist
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und sonst bei allen möglichen Gelegenheiten in der Gegend umherredet!
'({4})
Es ist ja auch nicht so, daß der Herr Bundesminister der Justiz nur in Uslar etwas Derartiges gesagt hat. Wir konnten ihn bei seinen Wahlreden in Niedersachsen von Ort zu Ort verfolgen. Wenn hier schon von einer schweren Erschütterung der demokratischen 'Rechtsordnung die Rede ist, so ist das Auftreten des Herrn Bundesministers der Justiz eine fortgesetzte Handlung im Hinblick auf eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung und nichts anderes, meine Damen und Herren!
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Denn jedesmal, wenn der Herr Bundesminister der Justiz eine Rede hält, tut er irgend etwas, was mit dem, was ein Mitglied der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland verantworten sollte, wirklich nicht zu vereinbaren ist. Mein Parteifreund Arndt hat zum Ausdruck gebracht, daß der Herr Bundesminister der Justiz als ein Totengräber der deutschen Justiz anzusehen ist. Ich will das, selbst auf die Gefahr hin, mir dabei auch einen Antrag auf Aufhebung meiner Immunität zuzuziehen, an dieser Stelle wiederholen.
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Man kann einfach nicht eine Organisation wie die Gewerkschaften und man kann auch nicht eine Mehrheit dieses Bundestages in Zusammenhang mit dem Zuchthaus und in Zusammenhang mit der Unterbringung in einem Zuchthaus bringen.
Meine verehrten Anwesenden! Der Herr Bundesjustizminister hat dadurch, daß er zugegeben hat, was in unserer Interpellation zum Ausdruck gebracht ist, sich ein weiteres Mal in gleicher Weise erklärt. Zu der Frage „Machtpolitik aus Übermut" kann ich nur sagen: ich weiß nicht, bei wem der Übermut größer ist, bei Herrn Dr. Dehler, Reden dieser Art zu halten, oder bei den Gewerkschaften, sich in irgendeiner Art und Weise für die arbeitenden Menschen einzusetzen, wie sie es in der Frage des Mitbestimmungsrechts getan haben.
Ich will an dieser Stelle nur noch eines sagen: Die Bundesregierung hätte die Pflicht gehabt, den Herrn Bundesminister der Justiz in seiner Eigenschaft als Mitglied der Regierung zu veranlassen, sich zu erklären, was er in Uslar gesagt hat. Herr Bundesinnenminister, Sie können uns nicht damit abspeisen, daß Sie sagen, diese Rede in Uslar sei teilweise unrichtig und teilweise entstellt wiedergegeben. Wir haben den Anspruch darauf, von Ihnen zu erfahren, was nach den Feststellungen, die Sie hätten treffen müssen, der Herr Bundesjustizminister gesagt hat und wie die Bundesregierung sich dazu stellt, ob Herr Dr. Dehler das Recht hatte, sich so zu äußern, und ob die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit diese Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz inhaltlich billigt. Wir bitten Sie und ersuchen Sie dringend, das, was Sie heute verabsäumt haben, nachzuholen!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, mich mit der Antwort der Bundesregierung auf die Interpellation auseinanderzusetzen, sondern mit dem Satz, den ich gleich vorlesen werde und der aus einer Erklärung stammt, die der Herr Bundesjustizminister am 17. April abgegeben hat. Ich zitiere das nach dem Schriftstück, das der Kollege Dr. Arndt hier vorhin übergeben hat. Dort heißt es:
Ich bezeichnete weiterhin als eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung, daß die Gewerkschaften, unterstützt von der Sozialdemokratie, durch die Streikdrohung den Bundestag zur gesetzgeberischen Anerkennung ihrer Forderung des Mitbestimmungsrechts in den Unternehmen des Bergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie nötigte.
Im Anschluß daran wird dieses „Nötigen" - nicht ein allgemeiner politischer Tatbestand - in Verbindung mit 'dem Strafgesetzbuch gebracht. Meine Damen und Herren! Ich stehe nicht an zu erklären, daß ich diesen Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers unter gar keinen Umständen zustimmen kann, ja, daß ich sie unbedingt ablehnen muß. Ich glaube, daß gerade diese Äußerung durchaus geeignet ist, auf das schwierige Gesetzgebungswerk, auf das wir Wochen intensivster Arbeit verwendet haben, historisch in einem falschen Licht erscheinen zu lassen.
({0})
Ich habe nicht die Absicht, mich mit der Vorgeschichte dieser Regierungsvorlage, die zu dem Gesetz geführt hat, zu beschäftigen; das ist eine Sache der Regierung. Was hier in diesem Hause geschehen ist, ist eine Sache des Parlaments. Sie wissen sehr gut, wie wir darum gerungen haben, diese Regierungsvorlage zu behandeln und sie umzugestalten, und Sie wissen sehr genau, daß die Vorlage schließlich jene Form erhalten hat, für die dann eine Mehrheit in diesem Hause zu finden war. Sie wissen ganz genau, und jeder, der sich einmal die drei Texte in der Gegenüberstellung ansieht - die Regierungsvorlage, die Beschlüsse des 20. Ausschusses und schließlich das inzwischen in Kraft getretene Gesetz -, weiß sehr gut, wieviel intensivste Arbeit darin steckt, und Sie, Herr Dr. Preusker, wissen es vielleicht noch besser als manche anderen Angehörigen dieses Hauses. Wenn das, was schließlich Gesetz geworden ist, anders - jedenfalls in einigen Punkten anders - aussieht als das, was in den kombinierten Ausschüssen als Vorlage verabschiedet werden konnte, dann lag das- und das wissen Sie ganz genau - nur daran, daß eben keine genügende Mehrheit in diesem Hause vorhanden war, um die Vorlage in diesem Sinne zu verabschieden.
({1})
- Herr Hasemann, das stimmt keineswegs! Sie haben nicht den Vorzug gehabt, bei den Verhandlungen in den Ausschüssen dabei zu sein, können also nicht wissen, wie tagelang - tagelang ist viel zuwenig gesagt -, ja wochenlang um .diese Dinge gerungen worden ist, und Sie wissen genau, wie wir uns bemüht haben, hier wirklich tragfähige Mehrheiten zustande zu bringen. Sie wissen, wie wir darum gerungen haben, dieses Gesetz . möglichst mit der Zustimmung des ganzen Hauses zu verabschieden. Deswegen ist es unerträglich, wenn gesagt wird, daß dieses Gesetz auf einem strafrechtlichen Tatbestand fundiere. Wenn das Haus sich das gefallen läßt, meine Damen und Herren, dann können wir die Gesetzgebungstätigkeit weitgehend einstellen.
({2})
Dieses Gesetz ist in diesem Hause mit einer sehr breiten Mehrheit verabschiedet worden. Ich glaube mich zu entsinnen, daß gesagt wurde, es sei gegen etwa 50 Stimmen verabschiedet worden.
({3})
- Das ist die Feststellung des Präsidenten gewesen; ich brauche im einzelnen nicht zu untersuchen, wie groß die Mehrheit war und ob nun 50 oder einige Stimmen mehr dagegen gewesen sind. Aber es ist kein Zweifel daran, 'daß es eine sehr breite Mehrheit gewesen ist, und nach Verabschiedung eines solchen Gesetzes - ich nehme an, daß diese Daten in der Weise zueinander passen - eine solche Behauptung aufzustellen, bedeutet das Verbreiten eines historisch nicht zutreffenden Bildes über den Tatbestand. Ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß irgendein Gesetz, welches hier von einer Mehrheit verabschiedet worden ist, als unter irgendeinem Druck zustande gekommen
angesehen werden könnte. Ich würde diesem Haus nicht einen Tag länger angehören, wenn ich unter Druck meine Stimme irgendeinem Gesetz geben sollte. Deswegen bin ich der Meinung, daß diese
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Äußerung des Herrn Bundesjustizministers sehr zu beanstanden ist.
({5})
Das Wort hat der Herr Justizminister Dr. Dehler.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich habe keinen Anlaß, an meinen Erklärungen etwas zu ändern. Ich habe es auch nicht nötig, mich mit der Interpellation der SPD auseinanderzusetzen.
({0})
Ich möchte nur einen Irrtum 'des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder aufklären. Er mißversteht das, was ich hier in der nachträglichen Interpretation meiner Uslarer Ausführungen niedergelegt habe. Ich habe mit keinem Wort behaupten wollen, daß der Bundestag sich habe nötigen lassen,
({1})
- ach was! - daß er sich habe nötigen lassen. ({2})
Ich habe lediglich erklärt und halte diesen Vorwurf aufrecht, daß die Gewerkschaft es unternommen hat, den Bundestag zu nötigen,
({3})
und das ist entscheidend!
({4})
Ich bitte um Ruhe. Lassen Sie den Herrn Minister doch ausreden!
({0})
Die Gewerkschaften haben - ({0})
Die Gewerkschaften haben mit dem Streik gedroht,
({1})
wenn nicht bis zum 31. Januar dieses Jahres
({2})
ihnen die Erklärung abgegeben würde, daß die Regierung ein Gesetz entsprechend ihrem Willen einbringt.
({3})
Daran wollen wir doch nicht deuteln: Es ist ein Druck.
({4})
Es ist unternommen worden, die gesetzgebenden Organe zu nötigen,
({5}) Herr Kollege Schrader, und etwas anderes habe ich nicht gesagt.
({6})
Ich gebe zu: Dieser Satz, aus dem Zusammenhang gerissen, könnte den Eindruck erwecken, als ob ich den Vorwurf erheben wollte, der Bundestag habe sich nötigen lassen. Der strafrechtliche Tatbestand setzt lediglich voraus, daß jemand es unternimmt, ein gesetzgebendes Organ zu nötigen, und das ist geschehen.
({7})
Ich habe mit keinem Wort behauptet, daß die Gewerkschaften des Zuchthauses würdig seien.
({8})
- Vielleicht können Sie mich einmal in Ruhe den Sachverhalt darlegen lassen.
({9})
- Sie wollen die Wahrheit nicht hören! ({10})
Ich habe den Vorzug gehabt, in dem schon beinahe klassischen niedersächsischen Wahlkampf auch als Redner gebeten zu werden. Ich bin nach Uslar gekommen. Man hat mir dort das Thema gestellt, über Recht und Staat zu sprechen, und ich habe erklärt, daß es meine und meiner Freunde Überzeugung ist, daß die Demokratie die wesentliche Voraussetzung der Verbindlichkeit des Rechtes hat und daß es keine deutsche Demokratie gibt,
({11})
wenn nicht in unserem Volke die Überzeugung von dem Wert und von der bindenden Kraft des Rechtes besteht. Ich habe an Beispielen exemplifiziert, wo diese Achtung vor der Verbindlichkeit des Gesetzes und des Rechtes gefehlt hat,
({12})
und dabei habe ich das Verhalten der Gewerkschaften zitiert. Ich nehme das für mich als Staatsbürger in Anspruch, und ich glaube, daß ich niemand Rechenschaft schulde, wenn ich diese Anklage erhebe.
({13})
Ich gehe aber darüber hinaus und sage: Ich wäre ein schlechter Justizminister,
({14})
ich wäre ein schlechter Hüter des Rechtes,
({15})
ich wäre ein schlechter Hüter des Rechtes,
({16})
wenn ich das, was seitens der Gewerkschaften dem deutschen Rechte angetan worden ist, nicht rügen würde,
({17})
wenn ich nicht mit meiner ganzen Person dafür sorgen würde, daß ein solcher Rechtsbruch nicht mehr möglich ist.
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige Bemerkungen. Das war die Visitenkarte unserer Regierung.
({0})
Es gibt eben Leute, die können sich nur auf diese Art und Weise interessant machen. Jedenfalls ist von dem Bundesjustizminister nicht bestritten worden, daß er diese Äußerung getan hat, die eine Beleidigung der gesamten Arbeiterschaft, insbesondere der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter bedeutet, eine reine Provokation der Arbeiter, deren Fleiß er und seine - wie er selbst sagt - „Freunde" ihr Hiersein verdanken. Man spricht ganz offen aus, brutale Rechtlosigkeit sei die Streikandrohung der Gewerkschaften gewesen. Ich will Ihnen sagen, was brutale Rechtlosigkeit ist.
({1})
Brutale Rechtlosigkeit ist, wenn man den Gewerkschaften,
({2})
wenn man dem Arbeiter das Mitbestimmungsrecht vorenthält! Das ist brutale Rechtlosigkeit!
({3})
Dann macht man den Arbeiter - und zwar auf brutale Art und Weise - dadurch rechtlos, daß einige wenige über die Wirtschaft einfach diktatorisch bestimmen.
({4})
Das Koalitionsrecht für die Besitzenden - das ist Wirtschaftsdiktatur und hat mit Demokratie nichts zu tun!
({5})
Und dann kommen Sie her, Herr Justizminister, und sagen, die Gewerkschaftler gehörten ins Zuchthaus. Ich will Ihnen sagen, wer ins Zuchthaus gehört: diejenigen, die zwei Weltkriege verschuldet haben und dabei sind, einen dritten zu organisieren! Die gehören ins Zuchthaus!
({6})
Und nicht allein die gehören ins Zuchthaus; ins Zuchthaus gehören auch diejenigen, die es ihnen mit Hilfe der Gesetzgebung gestatten, daß sie das wiederholen können. Die gehören ins Zuchthaus!
({7})
Man kann uns nicht nachsagen, daß wir diesem Mitbestimmungsrecht, das hier über die Bühne gegangen ist, irgendwelches Vertrauen entgegenbringen. Wir sagen ganz offen: dieses Mitbestimmungsrecht ist kein wirkliches Mitbestimmungsrecht; dieses Mitbestimmungsrecht ist ein Aushandeln des Burgfriedens gegen Positionen in den Aufsichtsräten der Betriebe. Aber trotzdem: was von dem Bundesjustizminister gesagt wurde, ist eine Provokation, eine Gemeinheit.
({8})
Das sind Angriffe auf die Demokratie, das sind Angriffe auf die Rechte der Arbeiterschaft, die den größten Teil des Volkes ausmacht; das sind Angriffe auf die Koalitionsfreiheit, das sind Angriffe auf das Streikrecht; denn was wäre die Koalitionsfreiheit für die Arbeitnehmer ohne das Streikrecht?
Das sind dieselben Methoden, die schon früher angewandt wurden: die Methoden, Versammlungen zu verbieten. Zeitungen, Volksbefragungen zu verbieten, Streiks zu verbieten, die Koalitionsfreiheit zu verbieten. Das sind Meilensteine auf einem gewissen Wege, den wir alle schon einmal hinter uns haben.
({9})
Ich kann Ihnen nur sagen: Machen Sie nur so
weiter, unterstützen Sie von der Opposition diese
Regierung, die einen solchen Justizminister hat,
nur so weiter; unterstützen Sie weiter, und Sie
werden sehr bald wieder einen 30. Januar erleben!
({10})
Was hat Legien einmal gesagt? „Keine Regierung kann länger als 24 Stunden an der Macht bleiben, wenn es die Gewerkschaften nicht wollen!" Wohlan denn, Gewerkschaften, beseitigt diese Regierung, die einen solchen Justizminister nicht zum Teufel jagt! Fegt sie hinweg!
({11})
Was steht geschrieben in der „Welt der Arbeit"? „Herrlich weit haben wir es gebracht!" - Und damit möchte ich schließen.
({12})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Bundesminister der Justiz Erklärungen abgegeben hat die das Hohe Haus herausgefordert haben und die von mir nur als schimpflich bezeichnet werden können, beantragt die sozialdemokratische Fraktion, den Herrn Bundeskanzler herbeizurufen.
({0})
Meine Damen und Herren, ein solcher Antrag ist nach der Geschäftsordnung jederzeit zulässig. Er muß aber von einer Mehrheit angenommen werden. Die Rednerliste zeigt noch zwei Namen.
Wir unterbrechen also. diese Beratung. Ich stelle zunächst den geschäftsordnungsmäßigen Antrag Dr. Arndt zur Abstimmung. Wünscht jemand dagegen zu sprechen?
({0})
- Ich bitte diejenigen Damen und Herren, welche dem Antrag Dr. Arndt zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
({1})
- Das Büro ist sich einig, daß das letztere die Mehrheit war. Der Antrag ist abgelehnt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Industriegewerkschaft Metall hat am 3. Januar 51 in Gegenwart des verstorbenen Vorsitzenden ,des Gewerkschaftsbundes, Herrn Dr. Böckler, den Beschluß gefaßt, die Arbeiter in der eisenschaffenden Industrie würden am 1. Februar die Arbeit niederlegen, falls bis dahin keine den gewerkschaftlichen Forderungen entsprechende Regelung des Mitbestimmungsrechts ergangen sei. Bei dieser Androhung handelte es sich nicht um einen gewöhnlichen Streik; denn was gefordert wurde, lag außerhalb dessen, was die Arbeitgeber bewirken konnten. Es handelte sich nicht um die Herbeiführung bestimmter wirtschaftlicher und sozialer Arbeitsbedingungen, sondern um eine gesetzgeberische Maßnahme. Ein Streik, der gesetzlich gerechtfertigt sein soll, muß sich gegen die Arbeitgeber als diejenigen wenden, die in der Lage sein müssen, die bestimmten wirtschaftlichen und sozialen Arbeitsbedingungen herbeizuführen, um die gerungen wird. Hier handelte es sich aber um eine generelle Regelung, die nur Gegenstand eines Gesetzes sein konnte. Eine Forderung, deren Erfüllung durch Streik erzwungen werden soll, ist, wenn sie so beschaffen ist, daß sie sich auf den Inhalt eines bestimmten Gesetzes richtet, die Androhung eines politischen Streiks.
({0})
Der politische Streik ist ausnahmsweise nur erlaubt, wenn er auf den Zweck gerichtet ist, den Staat in seinem demokratischen Bestand zu schützen.
({1})
- Es gibt auch ungeschriebene Grundgesetze in einer Demokratie.
({2})
Im Parlamentarischen Rat bestand Einmütigkeit darüber, daß der politische Streik in einer rechtsstaatlichen Demokratie keine Berechtigung haben könne, es sei denn, es handelt sich um einen Akt der Notwehr, um einen Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat zu verhüten oder diesem Angriff durch eine entsprechende Gegenwehr zu begegnen.
Es bleibt also 'dabei und kann nicht bestritten werden, daß eis sich bei dem Verhalten der Gewerkschaften um die Androhung eines unerlaubten rechtswidrigen politischen Streiks handelte. Streiks als Druckmittel auf den Gesetzgeber sind der rechtsstaatlichen Demokratie wesensfremd. Die repräsentative Demokratie, die in unserem Grundgesetz niedergelegt ist, überträgt das Gesetzgebungsrecht ausschließlich bestimmten Organen. Die Gesetzgebung ist nur Sache der hierfür bestellten Organe, und das ist insonderheit als Gesetzgebungsorgan par excellence das Parlament. Die Mitglieder des Parlaments sind nach Art. 38 an Weisungen und Aufträge nicht gebunden. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen.
({3})
Die Entschließungsfreiheit dieser nur ihrem Gewissen unterworfenen Mitglieder des Parlaments untersteht dem strafrechtlichen Schutz des § 105 des Strafgesetzbuches.
({4})
Darüber hinaus ist seit jeher auch in der zivilrechtlichen Judikatur anerkannt gewesen, daß die gewerkschaftlichen Kampfmittel nur im Rahmen der allgemeinen Gesetze gegeben sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bleibt zu konstatieren, daß sich die Gewerkschaften mit der Drohung, die an die Adresse der Regierung und des Parlaments gerichtet war, um ein Gesetz bestimmten Inhaltes herbeizuführen, eines schweren Angriffs auf die Demokratie schuldig gemacht haben.
({5})
Dieser Angriff war um so schwerer, als er von einer machtvollen Organisation ausging. Angriffe gegen die Demokratie müssen als um so schwerwiegender beurteilt werden, je machtvoller die Verbände oder Interessengruppen sind, von denen sie ausgehen.
Deshalb bestand auch gerade für den Justizminister die Verpflichtung - nicht nur gegenüber diesem Hause, sondern auch im politischen Wirken draußen -, die Öffentlichkeit auf die Gefahren hinzuweisen, die sich für den Bestand der rechtsstaatlichen Demokratie daraus ergeben, daß die Gewerkschaften einmal jedenfalls zu dem Mittel der Androhung eines rechts- und verfassungswidrigen politischen Streiks geschritten sind. Es besteht das allergrößte Interesse daran, daß die deutsche Öffentlichkeit erkennt: Bei einer solchen Praxis darf es nicht bleiben. Wenn man irgend etwas wünschen kann, dann dies, meine sehr geehrten Herren und Damen von der Sozialdemokratie, daß Sie zu der Einsicht gelangen: das Verhalten der Gewerkschaften, Streikmaßnahmen gegen Parlament und Regierung anzudrohen, darf sich nicht wiederholen.
({6})
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es besteht Anlaß, daran zu erinnern, daß der Ältestenrat für diesen Gegenstand eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen hatte. Das wird sich zwar nicht ganz streng durchführen lassen; aber ich bitte doch die Redner, darauf Rücksicht zu nehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine sehr verehrten Damen und 'Herren! Wenn 'es noch eines Beweises bedurft hätte, was der Herr Bundesjustizminister hat sagen wollen und auch gesagt hat, dann wäre er durch die Kommentierung seiner Rede durch Herrn Abgeordneten Euler eben erbracht worden.
({0})
Das, was Herr Euler hier eben gesagt hat, ist genau dasselbe, was der Herr Bundesjustizminister in seinen vielen Reden zum Ausdruck gebracht hat.
({1})
Herr Euler konnte es nicht unterlassen, davon zu reden, daß die Gewerkschaften durch ihre Handlungen schwere Angriffe gegen die demokratische Ordnung gerichtet 'und diese erschüttert haben. Das ist im Grunde genommen das gleiche, was der Herr Bundesjustizminister gesagt hat. Ich will mich aber nicht mit Herrn Euler, sondern mit dem Herrn Bundesjustizminister befassen.
Ich bin der Auffassung: wenn der Herr Bundesminister der Justiz nur einen Funken von Empfinden dafür gehabt hätte, was eines Mannes würdig 'ist, der Mitglied der Regierung ist, dann hätte er sich hier erklärt, er hätte das gesagt, was er gesagt hat, bedauere es aber und könne sich nicht dazu bekennen. Auch in das politische Leben
({2})
gehört menschlicher Anstand, wenn man für sich in
Anspruch nimmt, als Charakter bewertet zu werden.
({3})
Der Herr Bundesminister der Justiz hat 'es selbst nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Schröder fertiggebracht, das in Abrede zu stellen, was er selbst unterschrieben hat. Der Herr Bundesminister der Justiz hat gesagt, er hätte nur zum Ausdruck gebracht, daß die Gewerkschaften es unternommen hätten, den Bundestag unter Druck zu setzen und ihn zu nötigen. Nun, bitte, hören Sie einmal in Ruhe an, was der Herr Bundesminister der Justiz selbst unterschrieben hat:
Ich bezeichnete weiterhin als eine schwere Erschütterung der demokratischen Rechtsordnung, daß die Gewerkschaften, unterstützt von der Sozialdemokratie, durch 'die Streikdrohung den Bundestag zur gesetzgeberischen Anerkennung ihrer Forderung des Mitbestimmungsrechts in den Unternehmen des Bergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie nötigte.
Meine Damen und Herren, hier steht nichts davon: „Ich habe gesagt, daß die Gewerkschaften es unternommen haben ..." Hier steht es schwarz auf weiß: der Herr Bundesminister der Justiz hat gesagt: die Gewerkschaften haben den Bundestag genötigt.
({4})
Der Herr Kollege Dr. Schröder hat sich von diesen ...Äußerungen des Herrn Bundesministers der Justiz mit Recht abgesetzt.
({5})
Wir können gegenüber diesem Mitglied der Bundesregierung nur sagen: solange es ein Deutsches Reich gibt, gleichviel in welcher Staatsform, hat es noch keinen Reichsminister oder Bundesminister der Justiz gegeben, der der demokratischen Rechtsordnung und dem, was in einer demokratischen Rechtsordnung gehörig ist, soviel Schimpf und Schande 'angetan hat wie dieser Bundesjustizminister Dr. Dehler.
({6})
Herr Abgeordneter Dr. Greve, für diese Beschuldigung rufe ich Sie zur Ordnung.
({0})
Das, was der Herr Bundesjustizminister heute zum Ausdruck gebracht hat, gibt uns letztlich das Recht, auch jetzt wieder von ihm zu fordern, daß er den Platz, auf dem er heute noch sitzt, für einen andern freimachen möge,
({0})
der nicht in gleicher Weise das Recht und die demokratische Rechtsordnung herausfordert wie Herr Dr. Dehler.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige kurze Bemerkungen zu dieser Debatte.
({0})
Da es sich um eine Wahlrede handelt, bei der man das Recht der Paragraphen kaum in Anwendung bringen kann, möchte ich nur einige Grundsätze ansprechen; das Juristische halte ich für nebensächlich, und es ist ja hier auch schon erörtert.
({1})
- Das ist eine Sache für sich.
Die Situation ist die, daß es unter seht auffälligen und für gewisse Abgeordnete peinlichen Umständen
({2})
zur Einbringung der Vorlage über das Mitbestimmungsrecht kam. Ich glaube, das haben wir alle von ganz links bis rechts außer den Kommunisten empfunden. Soviel ist doch klar: ein Abgeordneter von einigem freiheitlichen Selbstbewußtsein mußte sich vom ersten Moment an bei Behandlung dieser Vorlage' in peinlicher Weise unter Druck gesetzt fühlen.
({3})
Ich erkläre Ihnen namens meiner Fraktion, daß wir bis zur Verabschiedung dieser Vorlage von diesem Druck nicht frei geblieben sind,
({4})
und wenn wir dagegen gestimmt haben, so ist das von einer Reihe meiner Fraktionsfreunde insbesondere deshalb getan worden, weil wir keinem Druck weichen wollten.
({5})
Das ist das, was seitens des Herrn Justizministers in einer Wahlversammlung. als ein Einbruch in demokratische Freiheiten gegeißelt worden ist.
({6})
Etwas anderes hat er meiner Überzeugung nach nicht gesagt. Wer hier in diesem Saal diesen Druck nicht gespürt hat, daß die Urindustrie, die Kohle und Eisen schaffende Industrie mitten im Winter die Tätigkeit einstellen und damit das deutsche Volk in ein Chaos stürzen wollte, der muß ein gefühlloses Individuum,
({7})
ja er muß ein Funktionär sein.
({8})
Ohne Rücksicht auf politische Parteirichtungen und Geschmacksfragen bin ich der Meinung, daß es dem Rechtsbeflissenen, auch dem Justizminister, in der Tat obliegt, in einer Wahlauseinandersetzung diese Dinge zur Sprache zu bringen.
Und noch ein zweites grundsätzliches Wort. Meine sehr geehrten Damen und Herren: Sind denn Bundesminister keine freien Menschen?
({9})
Dürfen die denn eigentlich auch in Wahlversammlungen immer nur ex cathedra als Minister sprechen?
({10})
Haben sie keine Privatmeinung? Kann man die Bundesregierung, die eine Koalitionsregierung ist, fragen, ob sie jedes in einem Wahlkampf gesagte Wort eines Ministers billigt? Ist das möglich?
({11})
({12})
Daß der Minister sich wegen des Gewichts seiner Worte eine gewisse Reserve auferlegen soll, darüber sind wir uns alle einig.
({13})
Aber ich meine, angesichts des Drucks, den ich
jedenfalls im tiefsten gespürt habe, hat der Herr
Minister der Justiz hier scheinbar nichts gesagt,
was er nicht vor sich, seiner Partei und auch vor
dem deutschen Volk sehr wohl verantworten kann.
({14})
Lassen Sie uns doch abschließend folgendes feststellen. Dieser mißliche Vorfall aus dem Januar bis März dieses Jahres möge unserer jungen Demokratie eine Lehre sein. Sie werden in den zukünftigen Parlamenten dieses Bundes keine freien Menschen mehr sehen, wenn es möglich ist, daß eine machtvolle Organisation wie die Gewerkschaften, die wir alle von ganz rechts bis ganz links in ihrer Existenz billigen, es für richtig hält, hier, unfreie Menschen zu Abstimmungsmaschinen zu erniedrigen. Der Versuch ist leider einmal gemacht geworden!
({15})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht vor, zu der Vorgeschichte dieses Gesetzes Stellung zu nehmen, sondern lediglich zu dem Satz, den mein Kollege Schröder zitiert hat und der auch von Herrn Abgeordneten Greve zitiert worden ist. In diesem Satz hat das Wort „nötigen" Anlaß zu einer falschen Interpretierung gegeben. Wir begrüßen es sehr, daß der Herr Justizminister die Erklärung abgegeben hat, er habe nicht sagen wollen, daß das Parlament sich habe nötigen lassen, dieses Gesetz zu beschließen. Wir sind es der sachlichen Arbeit und der Ehre der Männer und Frauen, die das Gesetz gemacht haben, schuldig, diese Erklärung hier abzugeben.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist nur noch eine kurze Redezeit übrig. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird nun versucht, die aggressiven Äußerungen des Herrn Bundesjustizministers in ihrem wirklichen Gehalt zu schmälern. Das veranlaßt mich, aus meiner persönlichen Erfahrung auf der bayerischen politischen Bühne
({0})
doch noch etwas dazu zu sagen. Es handelt sich hier nicht etwa um eine einmalige Entgleisung des Herrn Bundesjustizministers, sondern es dreht sich tatsächlich um eine fortgesetzte Handlung.
({1})
Denn schon einmal hat er absolut unmotiviert aus Anlaß eines nur auf einen Tag begrenzten Proteststreiks den Gewerkschaften den Vorwurf gemacht, sie hätten sich des Hochverrats schuldig gemacht. In der damaligen Äußerung und auch in derjenigen, die heute Gegenstand unserer Interpellation war, scheint mir doch zum Ausdruck zu kommen, daß der Herr Bundesjustizminister sich eben in die Denkformen der Rechtsdisziplin des Arbeitsrechts und des Koalitionsrechts nicht einzudenken und nicht einzufühlen vermag. Sonst würde er nicht
solchen logischen Trugschlüssen verfallen, wie er es hier tatsächlich tut. Und wenn sich, wie hier festgestellt wurde - und ich freue mich, daß das zum Schluß noch aufgeworfen wurde -, in diesem Hause tatsächlich jemand unter Druck stehend gefühlt hat, dann war das nur möglich, weil er die Rechtssituation nicht ausreichend zu durchdenken in der Lage war.
({2})
Ich habe mir doch schon vorhin bei der Begründung der Interpellation darauf hinzuweisen erlaubt, daß es darum geht, ob die Dinge in den einzelnen Betrieben draußen ausgetragen werden sollen oder ob es nicht glücklicher wäre, aus Gründen einer vernünftigen Wirtschaftsgestaltung und aus Gründen der Rechtsgleichheit ein Gesetz dafür zu schaffen.
({3})
Fast ware ich jetzt versucht -- ich will es tun -, mich eines Wortes zu erinnern, daß uns im Zusammenhang mit dem Betriebsrätegesetz General Clay einmal gesagt hat: Wir in Amerika, d. h. die Arbeiter in Amerika, haben ein viel besseres Mitbestimmungsrecht, als ihr es in Deutschland durch das beste Gesetz jemals bekommen könnt!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Böhm.
Meine Damen und Herren! Mir scheint, zu der Interpellation, die hier von der sozialdemokratischen Fraktion eingebracht wurde, hat man versucht, die Rollen etwas zu vertauschen, und zwar aus dem Angeklagten den Ankläger bzw. aus dem Mörder den Gemordeten zu machen.
({0})
Ich möchte in diesem Zusammenhang, gerade weil ich verantwortlicher Funktionär der Gewerkschaftsbewegung bin, ein paar ganz kurze Erklärungen abgeben.
({1})
Die Aktion, die von den Gewerkschaften durchgeführt wurde, war eine im Rahmen der Verfassung zulässige Handlung,
({2})
die sich absolut mit dem Koalitionsrecht verträgt.
({3})
- Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen. Daß Sie anderer Auffassung sind, nehme ich Ihnen nicht übel. Aber ich möchte Sie bitten, diese Ihre Auffassung von den verfassungsrechtlichen Grundsätzen auch bei anderen Gelegenheiten zum Ausdruck zu bringen.
({4})
Als im vergangenen Jahr der ehemalige Minister Hermes sein Landvolk mobil machte, um für die Erhöhung der Brotgetreidepreise zu sprechen, da haben, sie diese Vorwände nicht vorgebracht.
({5})
Eine andere Frage noch. Wenn man die Reden, die von den einzelnen Diskussionsrednern hier gehalten worden sind, einmal auf ihren sachlichen Inhalt überprüft, wird es, um Geschichtsklitterungen
({6})
zu vermeiden, notwendig sein, folgende Tatsachen festzustellen. Es kann nicht einfach Sache der Regierungskoalition sein, sich nur dann der Gewerkschaften zu bedienen, wenn es in ihr Koalitionsprogramm hineinpaßt,
({7})
sondern man' muß die Stellung der Gewerkschaften auch dann verstehen, wenn sie dem Weg der Regierungskoalition nicht entspricht.
({8})
Wenn ich diese Reden hier mit der Rede vergleiche, die gestern abend der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Herr Schröter, über die Stellung der Gewerkschaften zum Schuman-Plan gehalten hat, dann möchte ich nur einmal fragen: Wo kommen die Vorwürfe des Herrn Bundesjustizministers gegen die Gewerkschaften überhaupt her?
({9})
Das festzustellen, war, glaube ich, doch einmal notwendig.
({10})
Wir lassen uns, jedenfalls soweit wir als Gewerkschaften in Frage kommen, weder unsere Statuten noch unsere Handlungsweise noch unsere Taktik von denen vorschreiben, die mit der Gewerkschaftsbewegung nicht das geringste zu tun haben.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn hier über den Druck gesprochen wurde, der bei dem Gesetz seinerzeit hier ausgeübt worden ist, so kann ich wohl sagen: die einzige Fraktion, die diesen Druck offenbar nicht gefühlt hat, war die CDU, vielleicht weil sie zu weich war, um ihn zu spüren,
({1})
und weil sie zu nachgebefreudig war.
({2}) Meine Damen und Herren, die Sozialdemokratie wußte, was sie mit dem Gesetz zusammen mit den Gewerkschaften erreichen wollte. Alles das, was -hier weiter nach rechts saß, wußte auch, was es abzuwehren galt, und das waren hier die Fronten. Daß Sie ({3}) mit Ihrem Votum der Vorlage Gesetzeskraft verschafft haben, spielt hier keine Rolle.
Meine Damen und Herren, es zeigt sich bei dieser Debatte, wie dringlich es ist, daß eine Regelung des Streikrechts endlich einmal gesetzlich formuliert wird,
({4})
und zwar etwas ausführlicher, als das bisher der Fall gewesen ist. Denn es kann doch wirklich keinem Funktionär irgendeiner Gewerkschaft gestattet sein, die Produktion eines Industriezweiges oder mehrerer Industriezweige für Stunden, Tage oder Wochen zu stoppen und damit der Volkswirtschaft mehr Schaden zuzufügen, als er in seinem ganzen Leben vielleicht an Nutzen erarbeiten kann. Das sind doch Dinge, die, wenn sie außerdem noch mit politischen Gesichtspunkten gekoppelt werden, außerordentlich kritisch sind. Bisher war es - abgesehen von einigem Abschwenken der Gewerkschaften, z B. jetzt in Sachen Schumanplan doch immer so, daß die Gewerkschaften der verlängerte Arm der SPD waren, und zwar der undemokratisch nach draußen verlängerte Arm, der überall dort in Aktion trat, wo der demokratische Arm in Gestalt ihrer Parlamentsfraktion nicht mehr weiterkonnte. Das haben wir zum erstenmal bei dem Generalstreik im Herbst 1948 erlebt.
({5})
- Das habe ich nicht in „Mein Kampf" gelesen, sondern das ist sehr einfach aus der Geschichte der letzten Jahre zu ersehen, nicht zu erlesen!
Wenn der Herr Justizminister in einer Rede darauf hingewiesen hat, daß eventuell der § 105 des Strafgesetzbuches in Aktion hätte treten müssen, so frage ich Sie, Herr Justizminister: Wo sind die Staatsanwälte, die diesen § 105 - vielleicht auf einen kleinen Wink des Justizministeriums hin - in Bewegung gesetzt hätten? Das wäre durchaus möglich gewesen. Man hätte es nur meines Erachtens - die juristische Grundlage war vorhanden - rechtzeitig tun und nicht warten sollen, bis hier ein schwerwiegendes Präjudiz geschaffen wurde.
({6})
Meine Damen und Herren, die Rednerliste zu diesem Gegenstand ist erschöpft.
({0})
Anträge dazu sind nicht gestellt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Notarordnung für das Land Rheinland-Pfalz ({1}).
Zur Begründung des Antrages hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
({2})
Ich bitte um Aufmerksamkeit für den nächsten Redner.
({3})
Dr. Reismann ({4}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Sommer 1949, also kurz vor den Wahlen zum Bundestag, hat der Landtag von Rheinland-Pfalz eine Notarordnung verabschiedet, die für das ganze Land Rheinland-Pfalz das Nur-Notariat eingeführt hat, d. h. also die Trennung von Notariat und Anwaltschaft.
({5})
Darf ich bitten, die Zwiegespräche einzustellen!
Dr. Reismann ({0}), Antragsteller: Diese Trennung zwischen Notariat und Anwaltschaft ist im linksrheinischen Gebiet seit der napoleonischen Zeit Sitte. Dagegen wendet sich auch niemand. Das ist eine eingeführte berufsständische Teilung, die sich dort bewährt hat. Im rechtsrheinischen Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz dagegen ist diese Regelung, die durch Landesgesetz partikuläres Bundesrecht geworden ist und deswegen der Gesetzgebungsgewalt des Bundestages untersteht, sehr schwer zu ertragen. Diese Trennung der beiden Berufsstände hat nicht nur für die Angehörigen dieser Stände unangenehme Folgen. Aber das allein würde schon Grund genug sein. Es ist so, daß die Anwälte, die sich dort niedergelassen haben, darauf rechnen konnten, nach Ablauf einer gewissen Zeit auch das Notariat zu bekommen. Wenn
({1})
man ihnen diese Anwartschaft nimmt, so verlieren sie damit einen wesentlichen Teil ihrer Existenzgrundlage. Sie haben sich nun einmal dort niedergelassen, haben sich dort eingerichtet, und nun soll ihnen, was sie vorher nicht erwarten konnten, diese Aussicht entfallen. Daraus ergeben sich schwere Notstände für die davon betroffenen, nämlich für die Rechtsanwälte, die sich dort niedergelassen haben und noch nicht Notar geworden sind.. Auf der andern Seite aber sind dort die Amtsgerichtsbezirke, für welche der einzelne Nur-Notar zugelassen werden sollte, nicht groß, nicht volkreich genug, um einen Nur-Notar zu tragen. Daraus ergibt sich die Konsequenz, daß dort entweder gar keine Notare oder nur solche, die nicht existenzfähig sind, die nicht ordentlich leben können, bleiben werden.
Die Unzuträglichkeiten haben sich jetzt schon gezeigt. Es liegen Beschwerden von der Industrie- und Handelskammer des Bezirks Montabaur vor, also aus dem rechtsrheinischen Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz, die im einzelnen darauf hinweisen, daß es so nicht weitergehen kann und daß sich die Wirtschaft sehr benachteiligt fühlt. In zwei Amtsgerichtsbezirken, Nastätten und St. Goarshausen, ist z. B: nur ein Notar, und umgekehrt ist im Amtsgerichtsbezirk Nastätten überhaupt kein Anwalt, in St. Goarshausen ist nur einer, der in Nassau wohnt, mehrere Bezirke betreuen muß, der das aber nur deswegen kann, weil er ein pensionierter Beamter ist.
Die Regelung, die durch die Notarordnung für das Land Rheinland-Pfalz eingeführt wurde, erscheint danach also schlecht erträglich sowohl für die Angehörigen der beiden beteiligten Berufsstände als auch für die Bevölkerung, der letzten Endes das Notariat dienen soll, als auch für die Rechtspflege. Denn es ist wirklich nicht erfreulich, wenn Notariatsakte, die schnell erledigt werden müssen - ich erinnere an Testamente oder Erbverträge, die gemacht werden müssen, oder Erklärungen, die binnen bestimmter Fristen abgegeben werden müssen -, nicht ausgeführt werden können, weil der nächste Notar zu weit weg ist. Es geht nicht an, daß ein Notar deswegen im ganzen Amtsgerichtsbezirk nicht vorhanden ist, weil er von der Praxis als Notar allein nicht leben kann, und umgekehrt ein Rechtanwalt nicht vorhanden ist, weil er von der Anwaltspraxis allein nicht leben könnte, während beides zusammen ausreichen würde.
Wir bitten deswegen, diese Notarordnung für das Land Rheinland-Pfalz bezüglich der rechtsrheinischen Gebiete abzuändern. Ich bitte, den Antrag dem Rechtsausschuß zu überweisen, damit er dort einer genauen Prüfung unterzogen wird.
Meine Damen und Herren, der Altestenrat war der Meinung, daß dieser Gegenstand ohne besondere Aussprache erledigt und dem Rechtsausschuß überwiesen werden könnte. Ich glaube, das Haus schließt sich dieser Auffassung an. - Ich stelle das fest.
Den nächsten Punkt, Punkt 6 der Tagesordnung, hatten wir abgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei langer bergmännischer Tätigkeit ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}).
({3}).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sozialpolitische Ausschuß nahm in seiner Sitzung vom 13. April dieses Jahres zu dem Gesetzentwurf Stellung und verabschiedete ihn in der vorliegenden Fassung, also ohne Änderungen. Er ließ sich dabei von der Tatsache leiten, daß zwischen dem Arbeitsministerium und den beteiligten Organisationen sowie der Knappschaft Übereinstimmung über den Gesetzentwurf erzielt wurde. Der Sozialpolitische Ausschuß war sich aber auch darüber klar, daß es notwendig ist, das Gesetz möglichst schnell zu verabschieden, damit zwischen dem Tage der Verabschiedung und dem Termin des Inkrafttretens des Gesetzes, der nämlich nach dem Gesetzentwurf auf den 1. Oktober des vergangenen Jahres zurückdatiert werden muß, nicht ein so großer Zeitraum entsteht. In dem Ausschuß bestand weiter einmütige Auffassung darüber, daß durch eine schnelle Verabschiedung nun endlich die Härten und Ungerechtigkeiten b ei der Rentenberechnung gerade bei den alten Bergleuten beseitigt werden sollten. Der Ausschuß betonte aber ausdrücklich, und zwar einmütig, daß dieses zu verabschiedende Gesetz nichts mit einer allgemeinen Rentenerhöhung zu tun hat, daß diese Frage vielmehr in einem besonderen Gesetz und möglichst dringlich' von der Bundesregierung zu regeln sei. Ein Teil der alten Bergleute, besonders die, welche nach der Begründung der Regierungsvorlage in die Gruppe C fallen - und das sind nach Angaben der Regierung doch immerhin rund 72 000 Rentner und Witwen-, fallen jedoch nicht unter dieses Gesetz. Um nun auch diesen Alten gegenüber gerecht zu werden, kam der Ausschuß einmütig zu der Auffassung, die Regierung zu ersuchen, bei der Neuordnung der knappschaftlichen Rentenversicherung eine Regelung zu treffen, nach der die Renten, welche heute noch nach dem vor dem 1. Januar 1943 geltenden Recht gewährt werden, entsprechend der Verordnung vom 4. Oktober 1942 umzurechnen sind.
Der Ausschuß bittet das Hohe Haus, dieser einstimmig angenommenen Entschließung zuzustimmen und das Gesetz im übrigen heute noch in der zweiten und dritten Lesung zu verabschieden.
Ehlers: Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache in der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung über § 1, - § 2, - § 3, - § 4, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Soviel ich sehe, einstimmig angenommen!
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Zur allgemeinen Aussprache liegen keine Wortmeldungen vor, - zur Einzelberatung ebenfalls nicht. Ich rufe auf die §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift - und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei langer bergmännischer Tätigkeit. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzu({0})
stimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag des Ausschusses, der von dem Herrn Berichterstatter vorgetragen worden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die der Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Entschließung ist ohne Enthaltungen einstimmig angenommen worden.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Gleichstellung der Kriegsgeschädigten ({2}).
({3})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Reitzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestatte mir, folgenden Antrag zu stellen. Der vorliegende mündliche Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik betrifft die Gruppen Heimatvertriebene, Bombengeschädigte und Heimkehrer. Ich ersuche das Hohe Haus, die Beratung dieses Punktes auszusetzen, also Punkt 8 zu vertagen und die Angelegenheit dem Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. - Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Strauß.
Wenn der Herr Kollege Reitzner beantragt hat, diese Vorlage an den 'Ausschuß zurückzuverweisen, so kann der Grund nur darin liegen, daß wegen der vorliegenden Formulierung die Angelegenheit noch einmal dem Auschuß für Sozialpolitik und mitberatend dem Ausschuß für Fragen der Heimatvertriebenen überwiesen werden soll. Nachdem aber in diesem Antrag auch ausdrücklich die Heimkehrer aufgeführt sind, müssen wir auch den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen mitberatend einschalten: Ich möchte das in diesem Falle ausdrücklich beantragen.
Wird der Antrag in dieser Form von Ihnen aufgenommen, Herr Abgeordneter Reitzner? - Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Reismann.
Ich möchte nur beantragen, die Angelegenheit auch dem Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen, da es sich nicht nur um Vertriebene und Heimkehrer, sondern auch um Ausgebombte handelt.
Wenn ich recht verstehe, wird erstens beantragt, den Gegenstand an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß zurückzuverweisen, zweitens mitberatend an den Ausschuß für Vertriebene. Drittens hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann beantragt, die Angelegenheit auch an den Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen.
Zur Geschäftordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Fink.
Meine Damen und Herren! Ich möchte dem eben gestellten Antrag widersprechen und Sie bitten, den Punkt heute nicht von der Tagesordnung abzusetzen, sondern darüber zu debattieren.
Meine Damen und Herren! Es wird also beantragt, diesen Punkt der Tagesordnung an den Ausschuß für Sozialpolitik, an den Ausschuß für Vertriebene, an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und an den Ausschuß für innere Verwaltung zu verweisen. Insgesamt wünscht der Herr Abgeordnete Dr. Fink, daß alle diese Überweisungsanträge abgelehnt werden und wir heute diskutieren.
Wir kommen zuerst .zur Abstimmung über den Antrag, die Sache an den Ausschuß für Sozialpolitik als den federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für Vertriebene und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist so beschlossen.
Weiterhin hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann beantragt, die Angelegenheit mitberatend auch dem Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist abgelehnt, und damit ist auch der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Fink erledigt.
Punkt 9 der Tagesordnung ist vorhin bereits zusammen mit Punkt 3 erledigt worden.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Anrechnung von Besatzungskohle auf die Exportquote ({0}).
Der Ältestenrat schlägt fünf Minuten Redezeit für die Begründung vor und empfiehlt, keine Aussprache zu führen.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Antrag der Bayernpartei doch um eine etwas wesentlichere Sache, als man vielleicht annehmen könnte. In eineinhalb Jahren der Besatzungszeit sind - die Zahl ist wenig bekannt - an die Besatzungsmächte 3 799 000 t Kohlen aus Deutschland geliefert worden. Wenn man bedenkt, daß vierteljährlich an Exportlieferungen etwa 6,2 Millionen t angesetzt sind - die Zahl variiert etwas -, dann muß man feststellen, daß vierteljährlich eine ganz erhebliche Summe, die in die vielen Hunderttausende Tonnen geht, von diesen 6,2 Millionen t abgezogen würde, daß also etwa 1 Million weniger zu liefern wäre. Ich bitte also, unseren Antrag zu berücksichtigen und ihn zur näheren Beratung federführend dem Ausschuß für Besatzungsfragen und dem Ausschuß für Wirtschaft zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung 'des Antrags gehört. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt worden. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung des Antrages ist erfolgt.
({0})
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Etzel ({1}), Dr. Horlacher und Genossen betreffend Übergangsregelung für die Einfuhr von Gemüse und Obst ({2}).
Für die Begründung des Antrages sind 10 Minuten vorgesehen.
({3})
- Meine Damen und Herren, die unmittelbar interessierten Herren sind nicht anwesend. Dann dürfen wir die Frage stellen, ob eine Überweisung ohne Aussprache an den Ausschuß möglich ist?
({4})
- Wir haben nur noch den Punkt 12, der zwar nach der Auffassung des Herausgebers der Zeitschrift „Gegenwart" unzureichend behandelt wird, aber doch heute nicht anders behandelt werden kann. ({5})
Ich vermute, daß es die sachliche Erledigung nicht wesentlich verändern würde, wenn wir jetzt noch eine Debatte darüber führten und die Begründung hörten. Ich darf Ihnen vorschlagen, auf die Begründung zu verzichten und den Punkt 11 der Tagesordnung, den Antrag der Abgeordneten Dr. Etzel ({6}), Dr. Horlacher und Genossen, an den Ausschuß für Außenhandel sowie an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Die Überweisung ist erfolgt.
({7})
- Federführend Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Besteht darüber Einmütigkeit? - Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung der Übersichten Nr. 26 und Nr. 27 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({8}).
Meine Damen und Herren, Sie haben von den Anträgen der Ausschüsse, die in diesen Umdrucken enthalten sind, Kenntnis genommen. Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen der Ausschüsse zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Anträge sind einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir überraschend schnell am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste, die 141. Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf Donnerstag, den 10. Mai 1951, 10 Uhr.
Ich gebe noch bekannt, daß sofort der Untersuchungsausschuß Nr. 44 im Zimmer 12 zusammentritt.
Damit schließe ich die 140. Sitzung des Deutschen Bundestages.