Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 134. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Menzel, Wittenburg, Wirths, Henßler, Frau Albertz, Dr. Kreyssig, Paul ({0}).
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({0}): Einzelplan VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern ({1})
({2}); in Verbindung damit:
a) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Wiederbesiedlung der Insel Helgoland ({3});
b) Beratung des Antrags der Fraktion des
Zentrums betreffend Sicherung von Eigentum auf der Insel Helgoland ({4});
c) Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen ({5});
d) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen ({6}).
Sie haben gestern abend die Aussprache der zweiten Beratung des Haushalts des Bundesministeriums des Innern beendet. Wir kommen demgemäß zunächst zur Abstimmung über den Haushaltsplan und die vorliegenden Abänderungsanträge. Es liegt mir vor der Antrag der kommunistischen Fraktion, den Einzelplan VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern - zu streichen. Ich habe den Eindruck, als ob das der weitestgehende Antrag wäre.
({7})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt ein Eventualantrag der kommunistischen Fraktion vor, das Amtsgehalt des Bundesministers des Innern zu streichen.
({8}) - Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat wegen ihrer politischen Haltung zur Bundesregierung die Einzelpläne der Ministerien und auch den Gesamthaushaltsplan in den letzten Jahren abgelehnt. Wir werden auch dieses Mal so verfahren. Der Abgeordnete Renner hat dem vorliegenden Eventualantrag gestern abend eine Begründung gegeben, die es der sozialdemokratischen Fraktion unmöglich macht, für diesen Antrag zu stimmen. Wir werden uns der Stimme enthalten.
Ich komme zur Abstimmung über den Eventualantrag der Kommunistischen Partei, das Amtsgehalt des Bundesministers des Innern zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die. diesem Antrag zuzustimmen wünschen,
({0})
die Hand zu erheben. - Gegenprobe!- Enthaltungen? - Bei Enthaltung der sozialdemokratischen Fraktion ist der Antrag gegen die fünf Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Weiter liegt der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck Nr. 146 vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kapitel I, Stellenplan, wird das Referat IV/7 mit den Stellen Nr. 265 und 266 wieder hergestellt.
Meine Damen und Herren, ich hatte gestern bereits darauf hingewiesen, daß an sich der Stellenplan nicht Inhalt der Entscheidung des Bundestages ist und dem Bundestag nicht zur Abstimmung vorgelegt wird. Darf ich den Antrag so verstehen, daß sich diese Abänderung des Stellenplans im nun laufenden neuen Haushaltsjahr haushaltsplanmäßig auswirken soll? - Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um allen Schwierigkeiten, die die Formulierung unseres Antrags vielleicht hervorrufen könnte, zu begegnen, darf ich Ihnen den Antrag in einer anderen Formulierung vorlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Das Referat Allgemeine Fragen des tierärztlichen Prüfungswesens, Zulassung zu tierärztlichen Heilberufen, Fragen der Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft - Fleischbeschau gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - verbleibt im Bundesministerium des Innern.
Darf ich fragen: sind sich die Damen und Herren über den Inhalt des Antrags, wie er jetzt gestellt ist, klar?
({0})
- Ich lese ihn noch einmal vor:
Der Bundestag wolle beschließen:
Das Referat Allgemeine Fragen des tierärztlichen Prüfungswesens, Zulassung zu tierärztlichen Heilberufen, Fragen der Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft - Fleischbeschau gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirschaft und Forsten - verbleibt im Bundesministerium des Innern.
Wenn dieser Antrag angenommen wird, müßte sich das haushaltsplanmäßig im nächsten Haushalt auswirken.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Meine Damen und Herren, ich halte diesen Antrag in seiner jetzigen Formulierung für noch weniger zulässig als den ursprünglichen. Wir haben als Bundestag nicht das Recht, in die Organisationsgewalt der Bundesregierung einzugreifen.
({0})
Wir können wohl im Haushaltsplan bei einem bestimmten Etat bestimmte Stellen streichen und können sie bei einem anderen Haushaltsplan bewilligen und hinzusetzen, aber nicht in erster Lime dadurch, daß wir den Organisationsplan ändern, sondern dadurch, daß wir die im Haushaltsplan selbst angegebene Stellenzahl vermehren oder vermindern und die Summe, die für die Besetzung der Stellen erforderlich ist, hinzufügen oder absetzen. Meines Erachtens müßte der Antrag so gefaßt werden, daß die Zahl der Stellen, die im Haushaltsplan für das Innenministerium vorgesehen sind, um die und die Positionen vermehrt und die Titelsumme entsprechend erhöht wird. Dann würde sich der Bundestag im zulässigen Rahmen halten. Aber in der letzten Form scheint mir der Antrag einen unzulässigen Eingriff in die Organisationsgewalt der Bundesregierung zu bedeuten.
Meine Damen und Herren! Ich erinnere daran, daß wir eine ähnliche Frage bereits das letzte Mal erörtert haben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Damit wir zu dem gewünschten Ziele kommen - ({0})
- Ich habe bereits gestern mitgeteilt, daß es außerordentlich wünschenswert ist.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist etwas schwierig, wenn Sie, jeder einzeln, Ihre Meinung zu dem Thema wieder vortragen.
Ich habe gestern für die Regierung vorgetragen, daß es sehr erwünscht ist, wenn dieser Antrag durchgeht.
({0})
Ich möchte Ihnen vorschlagen, die folgende einwandfreie Fassung für Ihren Antrag zu wählen. Dann wird das erreicht, was die Mehrzahl dieses Hauses unstreitig will.
({1})
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. I, Stellenplan, wird das Referat IV/7 mit seinen Stellen, eine Stelle A 1 b und eine Stelle A 2 b, wiederhergestellt.
Meine Damen und Herren, ich stelle ausdrücklich fest, daß wir die Sachdebatte nicht wieder aufnehmen.
({0})
- Meine Damen und Herren, es muß dem Bundestag doch freistehen, vor der Abstimmung zu klären, in welcher Form ein ganz bestimmtes Anliegen hier zur Abstimmung gestellt werden soll. Ich kann dem Herrn Bundesminister des Innern nicht verwehren, seine Meinung zur Formulierung eines Antrags zum Ausdruck zu bringen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hammer. Auch im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte, Herr Kollege!
Meine Damen und Herren! Gestern abend sind die Dinge etwas durcheinandergekommen.
({0})
Ich glaube, wir überlegen uns das Problem der gesundheitlichen Überwachung unserer wichtigsten Lebensmittel doch noch einmal kurz, um zu einem Entscheid zu kommen.
({1})
- Dazu habe ich das Recht. Denn der Herr Minister hat das Wort ergriffen und hat ebenfalls zur Sache geredet.
({2})
Herr Dr. Hammer, ich darf eben einmal unterbrechen. Der Herr Minister hat nichts anderes getan, als einen Vorschlag für die Formulierung des SPD-Antrages gemacht. Immerhin eine ganz interessante Zusammenarbeit!
({0})
Meine Damen und Herren, es gibt ja auch eine dritte Lesung. Ich werde mich dann wieder zum Wort melden.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies, ebenfalls zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Damit die letzten Zweifel verschwinden, ziehe ich die bisher gemachten Vorschläge der sozialdemokratischen Fraktion zurück und nehme den Vorschlag, den der Herr Innenminister gemacht hat, für die sozialdemokratische Fraktion auf.
({0})
Meine Damen und Herren! Damit jetzt klarsteht, welcher vom Herrn Innenminister formulierte Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vorliegt, lese ich ihn noch einmal vor.
({0})
- Ja, Herr Kollege Renner, das passiert Ihnen natürlich nicht.
({1})
Der Antrag lautet folgendermaßen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. I, Stellenplan, wird das Referat IV/7 mit seinen Stellen - Herr Minister?
({2})
- Jetzt sind auch die Schreibschwierigkeiten überwunden.
Der Bundestag wolle beschließen:
In Kap. I, Stellenplan, wird das Referat IV/7 mit seinen Stellen, eine Stelle A 1 b und eine Stelle A 2 b, wiederhergestellt.
({3})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit überwiegender Mehrheit angenommen.
({4})
Meine Damen und Herren! Ich weise darauf hin, daß wir auch heute ein gerütteltes Maß von Arbeit vor uns haben. Vielleicht können wir uns konzentrieren.
Es liegt der Antrag der Fraktion der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 148 in neuer Fassung vor:
1. In der Abteilung V wird ein Referat V 6 eingerichtet, das zuständig ist für die Bearbeitung und Betreuung von Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, der Währungsgeschädigten und der Evakuierten.
2. Das Referat V 6 wird mit folgenden Planstellen besetzt: eine 1-a-Stelle, eine 2-d-Stelle und eine A-3-b-Stelle.
Bitte Herr Abgeordneter Mellies.
({5})
- Es ist von der sozialdemokratischen Fraktion getrennte Abstimmung beantragt worden. Ich lasse also zunächst über die Einrichtung des Referats V 6 und dann über seine Besetzung abstimmen, wie sie vorgeschlagen worden ist.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 des Antrags zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich lasse jetzt über Ziffer 2 des Antrags, über die Besetzung mit einer 1-a-Stelle, einer 2-b-Stelle und einer A-3-b-Stelle abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich verstehe das so, daß das Innenministerium im Rahmen dieses Referats des neuen Haushalts Vorschläge für die Besetzung macht und daß der Haushaltsausschuß und das Haus sich dann darüber schlüssig werden.
({6})
Ich glaube, daß die Abänderungsanträge damit erledigt sind. Liegt noch ein Antrag vor? - Nein.
Ich komme dann zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 1907, den Einzelplan VI mit den aus der Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion des Zentrums. Ist Überweisung an den Ausschuß beantragt?
({7})
({8})
Es handelt sich um den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Wiederbesiedlung der Insel Helgoland.
({9})
- Es ist Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich darf das wohl unterstellen.
({10})
- Gleichzeitig erfolgt Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung.
Antrag Nr. 2018 betreffend Sicherung von Eigentum auf der Insel Helgoland. Damit hat wohl der Haushaltsausschuß nichts zu. tun. Der Antrag müßte wahrscheinlich an den Ausschuß für Besatzungsstatut.
({11})
- Also federführend Ausschuß für Besatzungsstatut und gleichzeitig Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung.
Es liegt weiter der Antrag Nr. 2019 der Fraktion des Zentrums betreffend Bemühungen zur Freilassung von in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen vor.
({12})
- Überweisung nur an den Rechtsausschuß. Ist das Haus damit einverstanden?
({13})
- Und Überweisung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen. Ist das Haus damit einverstanden? ({14})
Federführend ist der Rechtsausschuß.
Dann liegt noch der Antrag der Fraktion der KPD Nr. 2099 vor. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
({15})
Ich möchte beantragen, den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Zurückziehung des Beschlusses der Bundesregierung über Maßnahmen gegen Unternehmungen, die politische Organisationen verfassungsfeindlichen Charakters unterstützen - Drucksache 2099 - durch die gestrige Aussprache für erledigt zu erklären.
({0})
Sie haben den Antrag gehört. Ich lasse zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Bausch abstimmen, den Antrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 2099 als durch die gestrige Aussprache erledigt zu erklären. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Antragsteller des Antrags Drucksache Nr. 2099 ist der Antrag des Abgeordneten Bausch angenommen.
Damit ist die Beratung des Haushalts des Innenministeriums erledigt.
Ich möchte Ihnen mit Rücksicht auf die Notwendigkeit, die Herren Minister bei der Beratung Ihrer Haushaltspläne zugegen zu haben, vorschlagen, daß wir jetzt zunächst in die Beratung des Punktes 1 der für Donnerstag vorgesehenen Tagesordnung, nämlich in die Beratung des Haushalts für das Bundesministerium für Arbeit eintreten. Ich rufe also in der Hoffnung, daß der Herrn Bundesminister für Arbeit in aller Kürze erscheint - es war mit ihm vereinbart, daß der Haushalt zu allererst erledigt werden sollte -, Punkt 1 auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({0});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({1});
a) Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit ({2}) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherungsgesetzgebung, des Bundesversorgungsgesetzes und der öffentlichen Wohlfahrtspflege ({3}) und in Verbindung mit
b) Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten ({4}).
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß wir mit der Beratung des Haushalts beginnen, solange der Herr Minister nicht zugegen ist. Man kann auch dem Herrn Berichterstatter nicht zumuten, daß er den Bericht des Ausschusses in Abwesenheit des Ministers gibt. Ich stelle deshalb den Antrag, den Punkt so lange zurückzustellen, bis der Herr Minister erscheint. Vielleicht können wir inzwischen die restlichen Punkte der gestrigen Tagesordnung erledigen.
({0})
Den Grund Ihrer Heiterkeit habe ich nicht verstanden; aber der Herr Berichterstatter scheint mit Herrn Abgeordneten Mellies einer Meinung zu sein. Das ist der Fall.
({0})
- Da ein Fahrrad verhältnismäßig schnell repariert werden kann, hoffe ich, daß der Herr Minister bald eintrifft.
({1})
Ich rufe auf Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Freistellung landwirtschaftlichen Kleinbesitzes von der Grundsteuer ({2}).
Wer wünscht den Antrag für die Fraktion des Zentrums zu begründen?
({3})
- Diese Sitzung scheint zunächst unter einem Unstern zu stehen.
Zu Punkt 8 der Tagesordnung bin ich von Herrn Minister Schäffer gebeten worden, diesen Punkt bis 15 Uhr zurückzustellen, da Herr Minister Schäffer heute morgen durch Verhandlungen im Ausschuß in Anspruch genommen ist.
Falls wir mit der Beratung des Punktes 9 beginnen, fürchte ich, diese Beratung wird so lange
({4})
Zeit in Anspruch nehmen, daß es etwas schwierig wird.
({5})
Damit wir die Zeit nutzbringend ausfüllen, schlage ich vor, daß wir zunächst den Punkt 3 der heutigen Tagesordnung behandeln:
Beratung der Zweiten Ergänzungsvorlage der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({6}).
Im Ältestenrat war vorgesehen, diese Vorlage ohne Aussprache dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich darf annehmen, die Regierung wird auf eine mündliche Begründung verzichten, und bitte Sie, zuzustimmen, daß die Vorlage Drucksache Nr. 2092 ohne Aussprache dem Haushaltsausschuß überwiesen wird. Das ist geschehen.
Ich höre eben, der Herr Bundesarbeitsminister ist unterwegs.
({7})
Ich würde Ihnen vorschlagen, die zu Immunitätsangelegenheiten vorliegenden Anträge zu erörtern, - wenn Herr Abgeordneter Ritzel im Hause ist. Aber auch ihn sehe ich nicht. Vielleicht kann man Herrn Abgeordneten Ritzel veranlassen, hier zu erscheinen.
Zu Punkt 6 brauchen wir Herrn Abgeordneten Ritzel ebenfalls. Darf ich den Herrn Berichterstatter fragen, ob er in Anbetracht der Tatsache, daß der Herr Minister unterwegs ist, bereit ist, mit seiner Berichterstattung zu beginnen?
({8})
Dann könnten wir den Versuch machen, Punkt 4 der heutigen Tagesordnung, Besteuerung von Kleinpflanzertabak, vorher noch zu erledigen. Ist Herr Abgeordneter Junglas bereit?
({9})
- Er ist also auch nicht anwesend.
({10})
- Offenbar ist das wirklich die letzte Möglichkeit,
Punkt 9 der heutigen Tagesordnung vorzunehmen: Beratung der Übersicht Nr. 24 über Anträge von Ausschüssen des Bundestages über Petitionen ({11}).
Meine Damen und Herren! Ich bitte diejenigen, die den in Umdruck Nr. 128 gestellten Anträgen der verschiedenen Ausschüsse zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diesem Antrag ist stattgegeben. Punkt 9 der heutigen Tagesordnung ist damit erledigt.
({12})
- Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir mit Punkt 9 der gestrigen Tagesordnung beginnen und gegebenenfalls unterbrechen, sobald wir in die Beratung des Haushalts des Bundesministeriums für Arbeit eintreten können.
Ich rufe also auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Schatz, Strauß und Genossen betreffend Osthilfefonds zur Behebung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Notstandes Ostbayerns ({13});
b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, WAV, Z und Gruppe BHE-DG betreffend Bildung eines Grenzlandfonds zur Behebung wirtschaftlicher und kultureller Notstände ({14}).
Wer will den ersten Antrag begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Solleder!
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, eine Begründungszeit von je 10 Minuten und eine Aussprachezeit von insgesamt 60 Minuten vorzusehen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Solleder!
Dr. Solleder ({15}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag bezweckt, im Haushaltsplan dieses Jahres einen Osthilfefonds für Ostbayern in Höhe von 20 Millionen DM zu begründen. Die Lage Ostbayerns haben wir in diesem Hohen Hause wiederholt erörtert. Wir wissen, daß die politische Grenzveränderung dieses ostbayerische Grenzgebiet in außerordentlich schwierige Verhältnisse versetzt hat. Durch die Abschnürung im Norden durch die Sowjetzone und durch die Abschnürung im Osten gegenüber den Ostländern, der Tschechoslowakei usw. ist dieser östlichste Teil Bayerns in einen toten Winkel geraten und die wirtschaftliche Lage dieses Gebietes auf das ernstlichste bedroht.
Die Absatzgebiete des ostbayerischen Raumes lagen in erster Linie in Mitteldeutschland, ebenso die Bezugsgebiete für Rohstoffe wie Kohle und Eisen. Dieses Bezugsgebiet wurde durch die Grenzziehung der Sowjetzone abgeschnürt und damit die Frachtferne zum Ruhrgebiet geschaffen, das ungefähr zehnmal so weit entfernt ist wie das vor den Toren Ostbayerns liegende Kohlengebiet der Tschechoslowakei. So kommt es, daß die Frachtkosten für Kohle und Eisen einen ganz wesentlichen Bestandteil der Gesamtkosten für die Industrien in den dortigen Gebieten ausmachen. Wir haben uns darüber unterhalten, daß hier durch Frachterleichterungen Wandel geschaffen werden muß.
Die soziale und wirtschaftliche Notlage Ostbayerns ist auch durch eine Überbesetzung mit Flüchtlingen entstanden, die strukturell nicht gewandelt werden kann, wenn nicht von seiten des Bundes Abhilfe geschaffen wird. Ich erinnere daran, daß die Arbeitsbeschaffung in diesem Gebiet insbesondere dadurch erschwert ist, daß die Kreditmöglichkeiten dieses armen Landteils außerordentlich dürftig sind, daß die Kreditbeschaffung auf die größten Schwierigkeiten stößt und infolgedessen die wirtschaftliche Belebung dieses Gebiets aus eigener Kraft nicht möglich ist. Wir haben gehört, daß diese Kreditrestriktionen allgemein auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt werden sollen. Wenn dieses ohnedies schon schwer leidende Gebiet durch Kreditrestriktionen noch weiter wirtschaftlich belastet wird, so können wir uns vorstellen, daß das wirtschaftliche und soziale Niveau dieses Gebiets weiter absinken wird.
Der Kapitalmangel und die Frachtferne sind nur ein Teil der Ursachen der Not dieses Gebiets. Es ist weiterhin festzuhalten, daß Ostbayern der am weitesten nach Osten exponierte Teil des Bundesgebiets ist - ebenso wie Berlin - und daß hier eine Infiltration von Osten her erfolgt, die auch
({16})
politisch und kulturell ihre Auswirkungen hat. Ich erinnere daran, daß in diesen Gebieten die kommunistischen Organisationen ganz besonders augenfällig in Erscheinung treten und daß sich eine rege radikale Tätigkeit in diesen Gebieten bemerkbar macht.
({17})
- Es ist immerhin eigenartig, daß dort, wo die wirtschaftliche und soziale Not am größten ist, diese radikalen Elemente rapide Fuß fassen.
({18})
- Wir sind ja hier zu dem Zwecke beisammen, uns darüber zu unterhalten, wie man die Not dort beseitigen kann.
({19})
Die Beseitigung dieser Not kann eben nur durch eine Bundeshilfe erfolgen. Deshalb ist die Forderung begründet, daß die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse Ostbayerns durch einen Osthilfefonds gebessert werden. Ich weise darauf hin, daß eben für dasselbe Gebiet im Jahre 1931/32 das Osthilfegesetz geschaffen worden war, das wirtschaftliche und soziale Erleichterungen, auch steuerliche Erleichterungen, für dieses Gebiet vorsah.
Es wäre nicht verständlich, wenn nicht in einem Gebiet, in dem im Gegensatz zu den Verhältnissen im übrigen Bundesgebiet jeder dritte Mensch arbeitslos ist, in einem Gebiet, in dem Tausende von Menschen untätig sein müssen, weil sie eben keine Arbeit finden, von seiten des Bundes eiregegriffen würde. Wir wissen alle, daß in Westdeutschland eine Stärkung des wirtschaftlichen Lebens, eine gewisse Beseitigung der Arbeitslosigkeit stattgefunden hat, während im Osten die Armut und Arbeitslosigkeit nach wie vor in ihrer ganzen Größe bestehen.
({20})
Es ist doch so, daß sich das Wirtschaftsgefälle im Bundesgebiet allmählich immer mehr verstärkt, daß wir einen reichen Westen bekommen und einen immer mehr verarmenden Osten.
({21})
Die Idee des Bundesstaates und des Föderalismus ist doch die, daß sämtliche Teile des Bundesgebiets lebensfähig erhalten werden. Daher müssen die ärmeren und schwächeren Teile, die Landstriche im Osten des Bundesgebiets, die zum südöstlichen Wirtschaftsraum hin abgeschnürt sind, wirtschaftlich an das westliche Bundesgebiet herangezogen werden, und es müssen Mittel und Wege gefunden werden, die dort außerordentlich dürftigen Verkehrsverbindungen, die nach dem Osten und Norden hin orientiert sind, mehr nach Westen auszubauen. Denn wenn nicht in diesem Bundesgebiet einer für alle und alle für einen einstehen, dann werden wir kein einheitliches Bundesgebiet werden,
({22})
sondern werden Gegensätze schaffen, die für die weitere Entwicklung unheilvoll sind.
Das sind Probleme - man müßte darüber länger reden können -, die außerordentlich ernst sind und erkannt werden müssen, weil die Aufgaben im Zusammenhang mit der Frage Ostbayern und bayerische Ostmark echte Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland sind.
({23})
Zur Begründung des interfraktionellen Antrags - Punkt 9 b der gestrigen Tagesordnung - hat das Wort der Abgeordnete Dr. Edert.
Dr. Edert ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der interfraktionelle Antrag, den zu begründen ich die Ehre habe, bezweckt im Grunde nichts weiter als die Verwirklichung oder genauer die Durchführung des Beschlusses, den dieses Hohe Haus bereits am 18. Januar 1950 einstimmig gefaßt und in dem es die Bundesregierung ersucht hat, einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den der Notlage der Grenzgebiete, insbesondere der sogenannten „roten Zone", also aller Grenzgebiete, die durch den Krieg und die- Nachkriegszeit mehr als die anderen Gebietsteile unseres Vaterlandes gelitten haben, abgeholfen werden soll, insbesondere durch Einsatz von Mitteln zur Bildung eines Grenzlandfonds.
Es erscheint mir nicht nötig, diesem Hohen Hause noch einmal die Notstände in den Grenzländern darzustellen. Sie sind Ihnen allen bekannt, einerlei ob es sich um die Westgrenze, etwa die „rote Zone" oder die Stadt Kehl, ob es sich um die Ostgrenze, den Bayerischen Wald oder Salzgitter, oder um den Norden, das Flüchtlingsland Schleswig, handelt. Es ist erfreulich, daß - soweit ich sehe - alle Fraktionen des Bundestags diesen Antrag unterstützen und damit den Willen bekunden, den Grenzländern zu helfen.
Der Grenzlandausschuß hat in einer Reihe von Sitzungen zusammen mit den zuständigen Ministern und den zuständigen Referenten des interministeriellen Ausschusses für die Sanierung von Notstandsgebieten die Art der Hilfsmaßnahmen wirtschaftlicher und kultureller Art erörtert. Die praktische Durchführung ist so gedacht, daß nach Rücksprache mit den Ländern die für die einzelnen wirtschaftlichen Maßnahmen erforderlichen Summen in die Haushalte der zuständigen Ministerien eingesetzt werden, eine Maßnahme, die schon deswegen notwendig ist, um Überschneidungen mit bereits geplanten oder schon in Ausführung befindlichen Projekten - sei es der Länder, sei es der Bundesministerien - zu vermeiden. Für Volkstumsfragen würde das Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten wie bisher zuständig sein. Über die Einzelheiten wird in den Ausschüssen zu reden sein.
Ich bitte namens des Grenzlandausschusses die Bundesregierung und insbesondere den Herrn Finanzminister, diesen Antrag nunmehr mit größter Beschleunigung zu behandeln und nachdrücklich zu unterstützen. Ich schlage vor, diesen Antrag dem Haushaltsausschuß und dem Grenzlandausschuß zu überweisen.
({1})
Ich eröffne die Aussprache über beide Anträge im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 60 Minuten.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gestern einen Brief bekommen, in dem mir
({0})
mitgeteilt worden ist, daß sich in den süddeutschen Ländern ein Privatbüro aufgetan hat, das die Aufgabe habe, Verlagerungen von Industrien aus den angeblich gefährdeten Grenzgebieten in andere Gebiete des süddeutschen Raumes vorzunehmen.
({1})
Diese Stelle, die sich da gebildet hat, bemüht sich, diese Verlagerungen - an manchen Stellen anscheinend sogar mit Erfolg - mit Geldern der einen oder der anderen Landesregierung durchzuführen.
({2})
Wenn das bei uns Schule machen sollte, dann wären allerdings alle die von Ihnen hier geforderten Hilfsmaßnahmen für die Grenzgebiete, wohl auch die in unserem Ministerium, wegen der ungeheuren Arbeitslosigkeit in diesen Landesteilen völlig sinnlos. Ich lasse gerade den Brief aus meinem Büro holen und bin gern bereit, ihn den maßgebenden Herren der entsprechenden Ausschüsse zu übergeben, damit sich diese Ausschüsse auch einmal mit solchen meines Erachtens sehr gefährlichen Manipulationen irgendwelcher privater Leute beschäftigen und nach außen hin sehr klar davon abrücken. Dann haben wir sehr ernst zu prüfen, ob wir diesen Leuten nicht durch irgendwelche gesetzlichen Maßnahmen das Handwerk legen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit, die uns beschäftigt, ist notorisch; sie ist allgemein bekannt, und es hieße wohl, Reden nach Bonn tragen, wenn ich weiter über das Problem im einzelnen sprechen wollte. Wir sind der Auffassung, daß genug geredet worden ist und daß nun gehandelt werden muß.
Die Schwierigkeiten, die der Aktion selbst entgegentreten oder ihr entgegengesetzt werden, liegen ja nicht in mangelnder Einsicht und Erkenntnis, sondern ausschließlich in den Einwendungen und Schwierigkeiten, die seitens der Bundesfinanzverwaltung gemacht werden. Nach unserer Meinung kommen zwei große Gruppen von Maßnahmen in Frage.
Dankenswerterweise hat ein interministerieller Ausschuß unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums bereits Rohmaterial für die aufzustellende Liste der als Sanierungsgebiete anzuerkennenden Gegenden zusammengetragen. Offenbar sind aber die Ausarbeitungen des Ausschusses noch nicht so weit gediehen, daß sie bereits einen kabinettsreifen Entwurf hätten zustande bringen können. Wir hoffen, daß sich das im Laufe der nächsten Monate erreichen läßt. Aber das, worum es uns jetzt unmittelbar geht, ist, daß endlich eine effektive und prompte Hilfe geleistet wird. Draußen warten die Wirtschaftskreise, wartet die Bevölkerung der betroffenen Gebiete. Es handelt sich nicht nur um eine bayerische, sondern um eine gesamtdeutsche Angelegenheit. Ich sage: Draußen harrt die Bevölkerung, wartet die Wirtschaft auf den wirksamen Beitrag des Bundes; denn das Ganze kann nicht gedeihen, wenn wichtige Grenzgebiete Not leiden.
Es muß möglich sein, im Rahmen der Investitionsprogramme der Bundesregierung solche Grenzland- und Notstandsfonds bereitzustellen. So muß es sich insbesondere auch bewerkstelligen lassen, die 100 Millionen, die in einem interfraktionellen Antrage gefordert werden, für das laufende Jahr aufzubringen und bereitzustellen. Hier handelt es sich um eine Priorität ersten Ranges.
Darüber hinaus wird man dann das allgemeine Programm, das der interministerielle Ausschuß ausarbeitet, rasch fertigstellen müssen. In dieses Programm sollen später die Sonderaktionen jener prompten Hilfe einmünden. Es muß möglich sein, im Rahmen der jährlichen Investitionsprogramme der Bundesregierung diese prompten Hilfen zu gewähren. Eine größere, nachdrücklichere Klärung wird wohl erzielt werden können, wenn am 25. April das Bundeswirtschaftsministerium im Wirtschaftspolitischen Ausschuß den beabsichtigten Bericht erstattet hat.
Wir wünschen aber nicht nur die Bereitstellung des Fonds von 100 Millionen, sondern fordern und erwarten auch, daß die Bank deutscher Lander erkennt, daß im Zuge der Restriktionsmaßnahmen, die sie mit der orthodoxen Ziffer der einen Milliarde durchzuführen gedenkt, das Grenzland nicht schematisch behandelt werden darf.
({0})
Es muß möglich sein, von dieser Ziffer einen Betrag von etwa 150 bis 200 Millionen abzustreichen und diesen den Grenzgebieten aller Kategorien innerhalb des Bundesgebiets zu belassen.
Wir sind mit der Überweisung der Anträge an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß unter der Bedingung und in der Annahme einverstanden, daß nach der Behandlung am 25. April wirklich eine prompte Hilfe erreicht werden kann, und ich möchte den Herrn Bundesfinanzminister sehr inständig und dringend gebeten haben, seine an und für sich durchaus verständlichen Bedenken zurückzustellen und daran zu denken, daß es sich hier um eine cause célèbre der Bundesrepublik Deutschland handelt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns mit diesem Problem schon so oft beschäftigt, daß man glauben möchte, die Bundesregierung würde es nun endlich einmal von sich aus aufgreifen, ohne daß erst die Abgeordneten dieses Hauses dazu Stellung nehmen. Im Antrag Drucksache Nr. 2078 steht, daß der Bundestag bereits am 18. Januar 1950 einstimmig beschlossen hat, diese Notstandsgebiete besonders zu beachten. Die Bundesregierung hat bis heute in dieser Hinsicht nichts getan. Zum Beweis führe ich an, daß verschiedene Anträge, die dieses Haus mit großer Mehrheit angenommen hat, ob es sich nun um den Straßenbau oder den Bahnbau oder um sonstige Projekte handelte, bisher sämtlich dem Papierkorb überantwortet worden sind. Dagegen müssen wir alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, protestieren; denn. Beschlüsse sind nicht dazu da, nicht ausgeführt zu werden, sondern sie werden gefaßt, um der Bevölkerung draußen das zu geben, was ihr zusteht.
Wir leben von Passau bis Hof in einem Notstandsgebiet. Haben Sie denn, meine Damen und Herren, und Sie, meine Herren von der Regierung, eine Ahnung, was es heißt, in diesem Gebiet leben zu müssen, von Passau bis Hof eine Brustwehr gegen
({0})
die östliche Infiltration aufzubauen, die sich bisher nur auf die geistigen Kalorien beschränkt hat? Es wird uns Abgeordneten in der Zukunft nicht mehr möglich sein, den Unwillen der Bevölkerung aufzuhalten. Wir haben unser Möglichstes getan und hoffen nunmehr, daß die Regierung ihrerseits unser heftiges Bemühen, der Demokratie durch nachhaltige Hilfe einen Schutz angedeihen zu lassen, unterstützt.
Welches Ausmaß von Not in kultureller, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht herrscht, ist hier sattsam erörtert worden, und ich habe den Eindruck, daß dieses so wichtige Problem nicht in dem Maße gewürdigt wird, wie es sein müßte. Wir haben uns wirklich aufgeschlossen dem Problem Berlin hingegeben und haben erkannt, daß Berlin für Deutschland das Sinnbild des demokratischen Lebens darstellt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie dringendst bitten, sich einmal mit den Grenzschwierigkeiten zu beschäftigen, die Notstände dort zu berücksichtigen und daraus zu schließen, in welch weitem Maße dort große politische Gefahren drohen. Hier nützen keine Deklamationen mehr. Sie wissen: vom Osten her ist der Generalangriff gegen unser Bundesgebiet politisch eröffnet worden,
({2})
und die ersten Gebiete, die davon betroffen sind, die all die Schwierigkeiten aufzufangen haben, sind doch die Grenzgebiete. Ich möchte den Status des Notstandsgebiets nicht näher erörtern. Wir sind eigentlich weniger Notstandsgebiet als vielmehr gefährdetes Grenzlandgebiet mit allen wirtschaftlichen und soziologischen Folgen,
({3})
und zwar infolge der Totwinkellage, infolge der unglücklichen Grenzziehung, die nach dem Kriege erfolgt ist.
Das Beispiel, das ich Ihnen nun geben möchte - und sagen Sie mir nicht, es sei ein extremes -, ist ein Musterbeispiel für das durchschnittliche Ausmaß der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Not dieses Gebietes. So gibt es in einem Kreis, im Kreise Neunburg vorm Wald - ich wiederhole: das ist kein Sonderbeispiel, sondern dieses Beispiel gibt einen Querschnitt durch die allgemeine Lage -, keine Gewerbeschulen, keine Turnhallen, kein öffentliches Bad, keine Bibliothek, keine Jugendherberge. Eine Rundfrage in den Schulen hat ergeben, daß von 2460 Kindern nur 1492, also etwa die Hälfte, ein eigenes Bett haben; 750 Kinder schlafen zu zweit, 333 mit Erwachsenen. 2456 Kinder haben kein Bad im Hause, 1310 keine Wasserleitung, 1324 keine Zahnbürste, 742 haben nur 1 Paar Schuhe, 368 Kinder sind noch nie mit der Bahn gefahren. Daraus mögen Sie ersehen, welch schreckliche Not dort herrscht.
Wir möchten Sie nicht allein deshalb bitten, die Verwirklichung der beiden Anträge nun doch in sichtbarere Nähe zu rücken, als dies bisher geschehen ist, um dieser Not Einhalt zu gebieten, sondern vor allem, um unserem dortigen so tapferen und demokratisch widerstandsfähigen Volke wieder Boden unter den Füßen zu geben. Wir sind für die Überweisung der Anträge Drucksachen Nrn. 2078 und 2069 an den Haushaltsausschuß und bitten darum, daß das Wirtschafts- und das Arbeitsministerium das schon seit langem
geforderte Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Notstandsgebiete uns in der nächsten Zeit vorzulegen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich komme hier zu einer außerordentlich ernsten Angelegenheit und möchte einmal einen Weg zeigen, wie man einen Erfolg erreichen kann. Zunächst möchte ich betonen, daß ich für jede Hille für unsere Grenzlandgebiete bin, gleichgültig, wo sie liegen.
({0})
- Heute bin ich gut aufgelegt; infolgedessen kriegen Sie von mir keine Bemerkung! ({1})
Das ist der erste Grundsatz. Wir sind uns darüber einig, daß wir allen Gebieten an der Grenze unsere besondere Fürsorge zuwenden müssen. Zwei Gebiete aber bedürfen einer besonders vordringlichen Fürsorge: Berlin und die bayerische Ostmark; denn die - schauen Sie die Karte an! - ragen am weitesten in den Ostraum hinein. Dazu kommt noch, daß durch die Verkehrsverhältnisse in der bayerischen Ostmark bei den Fahrgelegenheiten in diesem Gebiet für das Zubringen und Wegholen der Frachten Umwege entstanden sind, die jetzt im Durchschnitt 200 bis 300 Kilometer ausmachen. Ich erinnere nur an die Kohle, die früher leicht aus der Tschechoslowakei herüberzubringen war und die jetzt aus dem Ruhrgebiet, also aus gewaltiger Entfernung, herangeholt werden muß. Da sind besondere Notstände entstanden, denen Rechnung getragen werden muß.
Aber jetzt kommt ein gefährliches Wort von mir, das vielleicht bloß ich mir erlauben kann.
({2})
Die Verhältnisse sind nämlich so: Um diese Frage, die für Bayern hier eine Rolle spielt, müßten sich folgende Minister kümmern: der Finanzminister - ein Bayer -, der Wirtschaftsminister - ein Bayer -, der Ernährungsminister - ein Bayer -, der Verkehrsminister - zufällig außerhalb Bayerns geboren ({3})
und dann der Minister für gesamtdeutsche Fragen; der ist ehemals aus Bayern ausgewandert, der hat sich bloß die Berliner Sprache angewöhnt; deswegen kennt man ihn nicht mehr, aber er gehört auch zu dem Verein. Sein Bruder hat noch einen Grundbesitz in Unterfranken. Wir kennen die Kaiser ganz gut, die verkappten Berliner; in Wirklichkeit sind sie ausgewanderte Bayern.
({4})
Aber das nur nebenbei.
({5})
- Herr Kollege Loritz, regen Sie sich nicht auf, ich komme sofort zur Sache.
({6})
Die Sache ist nämlich so, daß sich diese Minister für Finanzen, Wirtschaft, Ernährung, Verkehr sowie für gesamtdeutsche Fragen endlich einmal zu einem Koordinierungsausschuß zusammenfinden müßten, um das notwendige Hilfsprogramm für die bayerischen Notgebiete auszuarbeiten,
({7})
({8})
d. h. nicht bloß für die bayerischen Ostgebiete, sondern auch für die übrigen Gebiete an der Grenze. Dabei müßten sie auch mit den Ministern der Länder zusammenarbeiten, denn auch auf diese kommt es an.
({9})
Oft gibt es auch in den Landern gemütliche Betrachtungsweisen, und da sollte vielleicht - wir wünschen das ebenfalls - vom Bunde her etwas nachgeholfen werden, wenn es möglich ist.
Die Not, die jetzt im Bayerischen Wald, die in der bayerischen Ostmark entstanden ist, ist außerordentlich groß. Es kommt nämlich hinzu, daß dort die Infiltration aus dem Osten besonders gefährlich ist.
({10})
Wir haben heute - Herr Kollege Renner ist nicht da - Kenntnis von den Zuschriften. Wir sind genau orientiert, daß in der Stadt Regensburg, wo man es gar nicht für möglich halten sollte, diese Infiltration eine ganz besondere Rolle spielt.
({11})
Eine ganz besonders gefährliche Angelegenheit ist das. Eine Bevölkerung, die sich in Not befindet, deren Lebensexistenz nicht gesichert ist, ist diesen Zuflüsterungen besonders zugänglich.
Leider haben wir auch noch folgenden Zustand. Infolge der Naturverhältnisse haben wir dort unglücklicherweise eine ärmliche Landwirtschaft. Deswegen ist es notwendig, einmal ein Gesamtprogramm zusammen mit der bayerischen Regierung aufzustellen und der Bevölkerung zu zeigen, daß eine wirksame Hilfe geplant ist. Dazu gehört erstens das Arbeitsbeschaffungsprogramm, zweitens ein Programm über die Verbesserung der Straßenverhältnisse. Wer die Straßenverhältnisse in diesem Gebiet kennt, der weiß, daß sie oft geradezu trostlos sind. Hier müssen sowohl von seiten des Bundes als auch des Landes zusätzlich Millionenbeträge eingesetzt werden. Des weiteren muß unbedingt ein Frachtenausgleich stattfinden. Man kann hier nicht bloß mit einer Tarifermäßigung auskommen, sondern einzelne Industriezweige in diesen Gebieten brauchen einen zusätzlichen Frachtenausgleich, um die Unkosten einigermaßen auf dem gleichen Niveau halten zu können. Das ist mir eine sehr ernste deutsche Frage. Ich möchte nicht haben, daß das Rhein-Ruhrgebiet reich wird und die Randgebiete ärmer werden.
({12})
Wir wollen eine gleichmäßige Ausstreuung haben. Die Fürsorge auf diesem Gebiet muß gleichmäßig zum Zuge kommen. Das fördert unser gesamtdeutsches Denken; und unsere Vorliebe für die ehemaligen Preußen wird um so größer, je mehr man dort einsieht, daß da unten eine deutsche Frage zu lösen ist.
({13})
Es muß also ein Frachtenausgleich geschaffen werden. Die bisherigen Verhältnisse sind direkt trostlos. Wir haben dort hervorragende Exportindustrien. Ich erinnere an die Porzellanindustrie, an die Textilindustrie, an unsere Industrie der Steine und Erden. Diese Gesichtspunkte müssen in die Waagschale geworfen werden. Ich verhehle Ihnen nicht, daß es in München Beamte gibt, die nicht einmal wissen, daß in der bayerischen Ostmark ein großes Industriegebiet liegt. Ja, das gibt es auch!
({14})
Es ist so, daß die Unvernunft nicht nur im Norden
wohnt, sondern die wohnt im Süden auch sehr stark.
({15})
- Herr Kollege Loritz, regen Sie sich nicht auf! Ich bin in diesem Gebiet geboren, und deswegen verstehe ich etwas davon. Ich bin nicht in der ganzen Welt herumzigeunert.
({16})
- Herr Kollege Loritz, streiten Sie sich mit mir nicht als Weltreisender! Ich komme überall herum, wo ich hinkommen will. Ich war schon in sehr vielen Ländern. Ich habe die Dinge genau betrachtet.
({17})
-- Regen Sie sich doch nicht auf!
({18})
- Warum regen Sie sich über mich auf? An Schönheit und Würde kommen Sie an mich doch nicht heran.
({19})
Dann kommt als nächster Punkt die Frage der wirtschaftlichen Investierungen. Aus dem Investierungsprogramm der Bundesregierung muß nach meiner Überzeugung ein Teil für die Grenzlandgebiete abgezweigt werden. Es kann nicht alles bloß in die Grundstoffindustrien gehen. Zum Schutze des deutschen Volkes müssen auch die Grenzlandgebiete berücksichtigt werden.
Hinzu kommt die Förderung des Fremdenverkehrs. Auch das ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Die ärmlichen Gebiete Deutschlands sind meistens Gebiete, die über gewisse Naturschönheiten verfügen. Diese Naturschönheiten müssen auch erschlossen werden.
So ergibt sich ein großes Gesamtprogramm. - ich habe nur einzelne Gesichtspunkte angedeutet -, das mit allem Ernst angepackt werden muß. Ich hoffe, daß das Kollegium von Ministern bayerischer und nichtbayerischer Herkunft sich endlich zusammenfindet, um eine wirksame Hilfe für die Grenzlandgebiete, insbesondere für unsere bayerische Ostmark herbeizuführen.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Der Redner der sozialdemokratischen Fraktion hat einleitend Kritik daran geübt, daß seitens der Regierung der Bundestagsbeschluß vom vergangenen Jahr noch nicht durchgeführt worden ist. Wenn man der Frage etwas nachgeht, ergibt sich ohne weiteres eine Beantwortung. Es dürfte auch Ihnen nicht unbekannt sein, daß die Amerikaner gar kein Interesse daran haben, in diesen Grenzgebieten irgenwie eine Wirtschaft aufzubauen und ein gesundes soziales Leben zu schaffen.
({0})
- Ich werde das gleich belegen! - Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, daß die Amerikaner im Zuge ihrer Kriegspolitik daran interessiert sind, in den sogenannten Grenzgebieten eine tote Zone zu schaffen. Auf einer Sitzung nordostbayerischer Wirtschaftler in Selb war der Vertreter des
({1})
amerikanischen Hohen Kommissars, ein gewisser Mr. Buttenwieser. Er erklärte auf dieser Sitzung, daß die Industrie im Interesse des amerikanischen kalten Krieges ihre Belange zurückstellen und gemeinsam mit den Amerikanern kämpfen müsse. Auf dieser Sitzung waren unter den Vertretern der Industrie - ich greife dieses Beispiel heraus -, auch solche der Porzellanindustrie und der Textilindustrie anwesend. Sie wandten sich mit aller Schärfe gegen die amerikanische Politik, durch die Nordostbayern und die Oberpfalz zu einer toten Zone gemacht werden sollen. Ich sagte bereits vorhin: das bezieht sich nicht nur auf Bayern, sondern auf sämtliche übrigen sogenannten Grenzgebiete. Es waren der Vertreter der Porzellanindustrie Dr. Rudolf Sies und neben ihm der Vertreter der Textilindustrie Direktor Lindner, die darauf hinwiesen, daß allein in diesen beiden Industrien rund 100 000 Beschäftigte in die große Gefahr der Arbeitslosigkeit geraten würden, daß vor allem - und dagegen wandten sich besonders die Vertreter der Wirtschaft - die amerikanischen Eingriffe in den Export westdeutscher Industrieprodukte nach der Tschechoslowakei zur Folge gehabt haben, daß die so dringend benötigte Braunkohle aus der Tschechoslowakischen Volksrepublik ausgeblieben ist. Es wurde außerdem darauf hingewiesen, daß die Porzellanindustrie zu rund 80 % kurzarbeitet, da sie das hochwertige Kaolin aus dem Karlsbader Becken, aus der tschechoslowakischen Volksrepublik angewiesen sei und daß auf Grund der Verhinderung des Exports durch die Maßnahmen der Amerikaner die Belieferung mit diesem für die Porzellanindustrie so notwendigen Stoff eingestellt und damit eine sehr schwere wirtschaftliche Gefährdung eingetreten sei. Es wurde in derselben Sitzung verlangt, daß Maßnahmen zur Versorgung Nordostbayerns mit der tschechischen Braunkohle eingeleitet werden, die insbesondere für die Glasindustrie von so entscheidender Bedeutung ist - ich brauche das hier nicht zu wiederholen; alles dies ist Ihnen ja zum großen Teil bekannt -, da gerade die Glasindustrie auf diese hochwertige tschechische Braunkohle angewiesen ist. Die Folge ist, daß sich der Bundestag jetzt mit der Frage der Hilfe für diese ganzen Gebiete beschäftigen muß.
Was die Maßnahmen anlangt, die seitens der Bundesregierung eingeleitet worden sind, so stelle ich die Frage: Warum ist im März die Ersatzlieferung für tschechische Braunkohle, die zu 90 % für dieses Gebiet zugesagt war, auf 10 % reduziert worden, so daß die Industrie- und Handelskammer in Nürnberg beim Bundeswirtschaftsministerium gegen die Reduzierung Einspruch erheben und auf die schweren Gefahren dieser Reduzierung hinweisen mußte? Die Kammer erklärte, daß die Verminderung der Belieferung mit Braunkohle auf nur 10 % schwere Gefahren in sich berge, daß eine Belieferung mit nur 10 % wertlos sei, da mit dieser Menge die Kalkbrennbetriebe nicht annähernd in Gang gehalten werden könnten, vielmehr die gesamte nordbayerische Kalkindustrie sofort, und zwar vollständig, stillgelegt werden müßte. Die Kammer weist dann noch auf die Folgeerscheinungen hin, die sich daraus ergeben.
Meine Damen und Herren! So wie die Verhältnisse in den Ostgebieten Bayerns liegen, so liegen sie auch in den anderen sogenannten Grenzgebieten, ob es sich nun um Nordhessen und Sontra, um Niedersachsen, um Schleswig-Holstein oder andere Gebiete handelt. Die entscheidende Ursache liegt in der Tatsache, daß durch die Grenzziehung, die von den Amerikanern im Interesse ihrer Politik durchgesetzt worden ist und aufrechterhalten wird, die Bevölkerung auf das schwerste leiden muß. Wir sind der Meinung, daß, wenn man den beiden Anträgen auf Hilfe für diese Gebiete zustimmt, gleichzeitig ein Ergänzungsantrag angenommen werden muß, den ich auch dem Ausschuß zu überweisen bitte. Dieser Antrag verlangt, daß ein besonderer Ausschuß zu schaffen ist, der im Einvernehmen mit den zuständigen Regierungen den Einsatz der Mittel zweckgebunden durchführen soll. Wenn wir auch den Anträgen zustimmen, so möchte ich doch feststellen, daß wir so lange Zuschüsse für diese Gebiete werden leisten müssen, daß es so lange ein Faß ohne Boden sein wird, als nicht die Grundfrage geklärt und gelöst wird, nämlich die Trennung Deutschlands überwunden und Deutschland einheitlich und unabhängig wird. Dann wird diesen Gebieten durch den freien innerdeutschen Handel, den freien Export mit allen Ländern geholfen sein. Das ist die entscheidende Frage, zu deren Lösung sich alle Einsichtigen zusammenfinden müssen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist allmählich langweilig, hier von der Kommunistischen Partei jedesmal dieselben Dinge hören zu müssen. Deswegen war ich heute morgen sehr froh, als ich etwas Neues hörte, daß nämlich die Grenzziehung im Osten nach amerikanischen Interessen erfolgt sei. Ich habe bisher immer die Meinung vertreten, daß diese Grenze gleich Eiserner Vorhang ist und daß dieser Eiserne Vorhang nicht von Amerika, sondern von der östlichen Seite vorgehängt worden ist.
({0})
Im übrigen ist die Situation an der Ostgrenze von Schleswig-Holstein herunter bis nach Bayern dieselbe, und ich möchte in aller Bescheidenheit auch hier einmal für Niedersachsen ein paar Worte sagen. Wir haben eine gemeinsame Grenze gegen die Ostzone von über 500 km. Die Notsituation, die hier von den Bayern mit solcher Intensität vorgetragen wird, herrscht genau so bei uns in Niedersachsen. Ich meine, wir sollten allmählich diese Situation an unserer Zonengrenze im Osten von Norden bis Süden einheitlich sehen. Es sind dieselben Dinge - ob das Frachtfragen sind, ob das Kreditrestriktionen sind, ob das Beschränkung des Fremdenverkehr ist -, es sind Probleme, die uns am Harz genau so auf den Nägeln brennen wie den Bayern in ihren bayerischen Waldgebieten. Deswegen bin ich der Meinung, es wird höchste Zeit, daß diese 100 Millionen DM jetzt eingesetzt werden. Wir begrüßen dankbar diesen Antrag, der die Aufmerksamkeit des Bundes und auch die finanziellen Möglichkeiten in den Vordergrund stellt. Wir sind der Meinung, daß wir jetzt hier nicht noch lange über die Dinge reden sollten - denn die Dinge sind bekannt - sondern daß möglichst schnell die Möglichkeit geschaffen werden sollte, daß diese 100 Millionen DM Realität werden.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
({0})
Fröhlich ({1}): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Ausführungen, die der verehrte Herr Kollege Dr. Horlacher hier gemacht hat, stimme ich als Neubayer, als zugereister Preuße hundertprozentig zu. Lassen Sie mich hierzu noch folgendes ausführen. Was für die Grenzgebiete in Oberfranken und für die Oberpfalz gilt, gilt genau so für Niederbayern. Es ist eine altbekannte Tatsache - und das bestätigen mir die Alteingesessenen immer wieder -, daß die bayerischen Regierungen nicht nur heute, sondern seit Jahrzehnten und seit einem Menschenalter diese Gebiete von sich aus schon vernachlässigt haben.
({2}) Ich habe, wenn ich von Oberbayern in das tiefe Niederbayern fahre - und das geschieht in jeder Woche zweimal -, den gleichen Eindruck, den ich früher hatte, wenn ich aus Ostdeutschland durch den Korridor nach Ostpreußen fuhr. Insbesondere sind die Straßenverhältnisse in Niederbayern verglichen mit denen in Oberbayern katastrophal. Es ist auch interessant, sich einmal die Verteilung der Mittel anzuschauen, die der bayerische Staat für kulturelle Zwecke zur Verfügung stellt. Hierbei ist seit altersher festzustellen, daß in erster Linie immer München und noch einmal München bedacht wird. Dann kommt Oberbayern, dann kommt eine ganze Weile nichts, und dann kommen die anderen Gebiete. Deshalb möchte ich Sie, sehr verehrter Herr Kollege Dr. Horlacher, bitten, den Appell, den Sie hier an die Bundesregierung und das Hohe Haus gerichtet haben, auch einmal an unsere bayerische Staatsregierung zu richten. Dafür wären wir Ihnen sehr dankbar. Wir werden dazu auch das unsere tun.
)
Meine Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, bekanntzugeben, daß der Untersuchungsausschuß Nr. 44 um 10 Uhr 45 in Zimmer 102 des Südflügels zu einer kurzen Beratung zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Nowack.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist der Ansicht, daß zu diesen Dingen jetzt schon alles das gesagt worden ist, was zu sagen notwendig war. Es ist nicht notwendig, die Dinge immer noch einmal zu wiederholen. Notwendig ist, daß nun endlich einmal Tatsachen geschaffen werden. Dazu dient der vorliegende Antrag und bietet er die Voraussetzungen. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß die Mittel so schnell als möglich bereitgestellt werden, damit wirklich eine praktische Hilfe geleistet werden kann.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Kemper.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht in die bayerischen Angelegenheiten mischen. Ich möchte nur betonen, daß wir in dem interfraktionellen Antrag bewußt die Notstände in den Grenzgebieten insgesamt behandelt haben. Dieser Antrag, der auf interfraktioneller Basis beruht, ist ein Fortschritt, mit dem wir zufrieden sind. Ich möchte nur, nachdem soviele Reden zu diesem Thema gehalten worden sind - ich freue mich übrigens, daß es diese Aufmerksamkeit gefunden hat -, die Gelegenheit benutzen, um die Regierung sehr dringend zu bitten, endlich Taten folgen zu lassen.
Denn darin bin ich mit meinen bayerischen Freunden einig, es wird die höchste Zeit, daß etwas für alle diese Grenzgebiete geschieht.
({0})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich vermute, daß Ihnen allen inzwischen bereits aufgefallen ist, daß in der gedruckten Tagesordnung für Mittwoch unter Punkt 9 b) - Antrag Drucksache Nr. 2078 - bei der Aufzählung der antragstellenden Fraktionen die Fraktion der SPD fehlt. Auf der Drucksache Nr. 2078 ist dies richtig gedruckt.
Es ist beantragt worden, die beiden Anträge auf Drucksachen Nrn. 2069 und 2078 sowie den Änderungsantrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 147 den Ausschüssen zu überweisen. Es scheint mir Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß der Haushaltsausschuß federführend ist und die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Grenzlandfragen beteiligt werden. Ist das die gemeinsame Überzeugung?
({0})
- Dann ist diese Überweisung erfolgt.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, ich komme dann zu dem bereits einmal aufgerufenen Punkt 1 der Tagesordnung für Donnerstag, nachdem ich Sie darauf hingewiesen habe, daß der Punkt 7 der Tagesordnung für Donnerstag betreffend kleinen Grenzverkehr an der deutsch-schweizerischen Grenze auf Antrag der Herren Antragsteller heute abgesetzt werden soll.
Ich rufe auf Punkt 1 a) und b) der Tagesordnung:
1. Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({1});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({2}) :
a) Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit ({3}) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherungsgesetzgebung, des Bundesversorgungsgesetzes und der öffentlichen Wohlfahrtspflege ({4});
b) Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten ({5}).
Für diese Punkte der Tagesordnung ist eine Aussprachezeit von 120 Minuten und zusätzlich eine Begründungszeit von 15 Minuten für den Antrag der KPD vorgesehen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Arndgen, das Wort zu nehmen.
Arndgen ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Einzelplanes XI, des Bundesministeriums für Arbeit, im Haushaltsausschuß ist diesem Ausschuß bezüglich des Stellenplanes wie auch des gesamten Aufgabengebietes dieses Ministeriums ausreichendes Material vorgelegt worden. Dieses Material vermittelte uns einen genauen Einblick in den Aufbau und die Organisation dieses Ministeriums. Dem
({7})
Haushaltsausschuß hat ein Stellenplan vorgelegen, der 171 Beamten-, 144 Angestellten- und 58 Arbeiterstellen, insgesamt also 373 Stellen für das Haushaltsjahr 1950 vorsieht. Gegenüber dem Jahre 1949 sind das 69 Beamten-, 31 Angestellten- und 30 Arbeiterstellen, insgesamt 130 Stellen mehr.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Mehr an Stellen im Bundesarbeitsministerium ist notwendig geworden, weil dieses Ministerium aus dem jüngsten Amt des damaligen Zweizonen-Wirtschaftsrates in den Bund hineingewachsen ist. Das jetzige Ministerium hat seine Arbeit mit dem Stellen- und Organisationsplan des damaligen Amtes für Arbeit beim Zweizonen-Wirtschaftsrat begonnen, obwohl die Zuständigkeit und das Aufgabengebiet dieses Ministeriums gegenüber dem Aufgabengebiet des damaligen Amtes für Arbeit gewaltig angewachsen sind. Aber nicht nur das Aufgabengebiet ist ausgeweitet worden. Dem jetzigen Bundesarbeitsministerium fällt auch die Aufgabe zu, die aus der Zeit des früheren Deutschen Reiches stammenden und auch die sonst bestehenden Gesetze, die sich mit Fragen der Arbeit, des Arbeitsrechts, mit dem Lohn- und Tarifwesen sowie mit der gesamten Sozialversicherung und der Kriegsopferversorgung beschäftigen, zu überholen, neu zu fassen und auf die heutigen Verhältnisse abzustellen. Fast alle hier einschlägigen Gesetze müssen durch- und umgearbeitet werden.
Um dem Arbeitsministerium die notwendigen Kräfte zeitig zur Verfügung zu stellen, hatte der Haushaltsausschuß schon im Verlaufe des Jahres 1950 von den vorhin genannten Mehrstellen im Wege der Vorwegbewilligung 42 neue Beamten-, 25 neue Angestellten- und 30 neue Arbeiterstellen genehmigt. Diese neuen Stellen wurden in der Hauptsache in der Abteilung III dieses Ministeriums benötigt, das die Fachgebiete Arbeit, Arbeitsrecht, Lohn-, Tarif- und Schlichtungswesen und den Arbeiterschutz behandelt. Diese Abteilung ist in sechs Referate aufgeteilt. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zu dem Haushaltsplan des Arbeitsministeriums die Auffassung vertreten und verlangt, daß in dieser Abteilung aus dem Plan zwei Referate gestrichen werden und nur vier verbleiben. Im Haushaltsausschuß haben wir uns gerade mit dieser Abteilung und ihrem Aufgabengebiet eingehend beschäftigt und sind der Meinung gewesen, daß es bei sechs Referaten bleiben soll.
Des weiteren wurde das Mehr an Arbeitskräften in der Abteilung IV b dieses Ministeriums benötigt, die sich mit der Kriegsopferversorgung zu beschäftigen hat. In dieser letztgenannten Abteilung sind nicht nur die Gesetze betreffend die Versorgung der Kriegsopfer zu erarbeiten, sondern in ihr wird auch der gesamte finanzielle Aufwand, der für die Kriegsopferversorgung erforderlich ist, verwaltet. Dieser Aufwand ist im Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten in Höhe von etwa 3 2/10 Milliarden DM ausgewiesen. Das Arbeitsministerium hat diese Mittel zu verwalten und ihre Verwendung zu beaufsichtigen.
Ferner ergeben sich für das Arbeitsministerium zusätzliche Aufgaben durch die Notwendigkeit, die in den letzten Jahren obsolet gewordenen zwischenstaatlichen Abkommen auf dem Gebiete der Sozialversicherung neu zu beraten und mit den einzelnen Ländern neu abzuschließen. Einige dieser Abkommen haben wir in den letzten Monaten in diesem Hause schon behandelt. Außerdem hat das Internationale Arbeitsamt in Genf im Rahmen
der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit wie in allen OEEC-Ländern im November des vergangenen Jahres eine Außensteile auch hier im Bundesgebiet errichtet. Diese Außenstelle ist unter Kap. 1 Tit. 33 in den Ausgabeposten dieses Planes eingebaut. Zudem ist in diesen Haushaltsplan, der ab 1. April dieses Jahres läuft, auch das Bundesinstitut für Arbeitsschutz in Soest eingegliedert worden als Nachfolger der ehemaligen Reichsstelle für den Arbeitsschutz. Die Aufgaben dieses Instituts, die bisher im Auftrage der Länderarbeitsminister von dem Arbeitsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen wahrgenommen wurden, hat nun der Bund übernommen. Die Kosten für dieses Institut entstehen zwar erst im kommenden Haushaltsjahr, mußten aber bei der Bearbeitung des Stellenplanes jetzt schon mitberücksichtigt werden.
Die Einnahmen dieses Haushalts setzen sich zusammen aus Einnahmen aus Dienstgrundstücken, aus Einnahmen durch Veröffentlichungen, aus Erstattung von Verwaltungs- und Prozeßkosten, aus dem Erlös durch den Verkauf von unbrauchbar gewordenen Gegenständen, aus Einnahmen aus der Förderung der Arbeitsaufnahme und der beruflichen Bildungsmaßnahmen für Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger, aus Rückzahlungen und Tilgungsbetragen aus Darlehen zum Zwecke von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger, ferner aus Zinsen und Verwaltungsgebühren sowie aus Einnahmen aus der Förderung aus der Arbeitsaufnahme und der beruflichen Bildungsmaßnahmen für Heimkehrer. Diese Einnahmen beziffern sich auf 843 000 DM.
Die Ausgaben für Gehälter, Zulagen, Unterstützungen, Unfallfursorge und Trennungsentschädigung für die Bediensteten belaufen sich auf 3 206 000 DM. Zu diesen persönlichen Ausgaben kommen die sachlichen Verwaltungsausgaben hinzu, und zwar für Aufwendungen zur Forderung von Studienprojekten, zu Unterstützungen und zur Förderung der Arbeitslohn- und Gesundheitsverhältnisse von Arbeitnehmern in Höhe von 916 000 DM, zu denen für die erstmalige Beschaffung von Geräten, Ausstattungsgegenständen, Büromaschinen, Bücherei und Kraftfahrzeuge noch weitere 176 500 DM hinzutreten. Insgesamt sind somit für die persönlichen und sachlichen Ausgaben in diesem Ministerium 4 331 100 DM veranschlagt.
Der Hauptanteil der Ausgaben dieses Ministeriums entfallt auf die fortdauernden Ausgaben, und zwar insbesondere für soziale Leistungen. In Kap. 1 a Tit. 31 bis 34 finden Sie die Ausgaben für Arbeitslosenhilfe. Dabei wird unter „Arbeitslosenhilfe" nicht nur die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung verstanden, sondern es fallen auch alle Mittel darunter, die für Berufsförderung und Arbeitsbeschaffung zur Verfügung gestellt werden. Hierfür sind in den genannten Titeln 760 700 000 DM veranschlagt.
Des weiteren sind für Ausgaben in der Rentenversicherung der Arbeiter, für Grundbeträge in der knappschaftlichen Rentenversicherung, für Zuschläge an die knappschaftliche Renten- und Krankenversicherung sowie für Erstattung der Mehraufwendungen von Sozialversicherungsträgern an die Verfolgten des Naziregimes, der Flüchtlingsrenten und Erstattung der Aufwendungen für Krankenhilfe an Heimkehrer 729 400 000 DM in diesem Etat vorgesehen, so daß im Gesamt({8})
haushalt auf der Ausgabenseite 1 494 431 100 DM ausgewiesen sind.
Diesen Ausgaben steht, wie ich schon eingangs dargelegt habe, eine Einnahme von 843 400 DM gegenüber, so daß dieses Ministerium für das Haushaltsjahr 1950/51 einen Zuschuß in Höhe von 1 493 587 700 DM benötigt.
Meine Damen und Herren! Damit habe ich in ganz kurzen Zügen den Haushaltsplan des Bundesarbeitsministeriums erläutert. Es handelt sich um den Haushaltsplan des Ministeriums, in dem die Sorgen des Staates um die Existenz der Menschen in abhängiger Beschäftigung zusammengefaßt sind. Des weiteren handelt es sich um das Ministerium, das als Stütze für diejenigen Menschen dient, die im Schatten des Lebens stehen. Ich bitte daher, dem Antrag des Haushaltsausschusses beizutreten, der darum ersucht, den Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit für das Rechnungsjahr 1950 - mit den Ihnen in der vorliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Es war vorgesehen, daß als nächster Punkt folgen sollte:
Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen
Kriegsfolgelasten ({0}). Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Gengler, dazu das Wort zu nehmen.
Gengler ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die eben vom Herrn Abgeordneten Arndgen vorgetragenen Zahlen betreffend Einzelplan XI Kap. 1 a - Arbeitslosenhilfe - und 1 c - Sozialversicherung - und der Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - Einzelplan XXVI - bilden zusammen den Sozialhaushalt, dessen Ausgaben gemäß Art. 120 des Grundgesetzes vom Bund zu tragen sind. Diesem Sozialhaushalt kommt mit seinen Ausgaben von rund 5 318 000 000 DM innerhalb des gesamten Bundeshaushalts in Höhe von rund 13,2 Milliarden DM - einschließlich 709 Millionen DM Anleihemittel für den außerordentlichen Haushalt - besondere Bedeutung zu. Neben den Besatzungskosten ist dieser Sozialhaushalt der größte Ausgabeposten. Es sind zwangsläufige Ausgaben, die sich leider von uns aus nur wenig beeinflussen lassen. Die außerordentliche Höhe dieser Beträge und ihr überragender Einfluß auf die Mittelaufbringung, die Steuern, und auch deren Verwendung machen es durchaus erforderlich, daß wir uns mit diesen Beträgen der sozialen Kriegsfolgelasten eingehender beschäftigen.
Die in diesen Einzelplänen veranschlagten Einnahmen und Ausgaben sind erstmalig zum 1. April 1950 von den Ländern auf den Bund übergeleitet worden. Da es auf diesen Sozialgebieten bei der Aufstellung des Haushalts in den Monaten April und Mai 1950 eine einheitliche Länderstatistik, aus der man eine zutreffende Bundesstatistik entwickeln konnte, noch nicht gab, war die Veranschlagung der einzelnen Ausgabeansätze weitgehend auf Schätzungen angewiesen. Darüber hinaus ist es gerade das Kennzeichen eines solchen Haushalts, daß er im Laufe eines Rechnungsjahres sehr starken Schwankungen entsprechend den sozialen Wandlungen durch Gesetzgebung, Arbeitsmarkt und Wirtschaftslage unterworfen ist. Die Ausgabenansätze dieses Sozialhaushalts werden darum auch
zukünftig nur die Bedeutung von Annäherungswerten besitzen.
So ist z. B. die Prognose hinsichtlich der Entwicklung der Arbeitsmarktlage im Bundesgebiet nicht eingetreten. Die Maßnahmen zur Wirtschaftsbelebung, z. B. das sogenannte Schwerpunktprogramm, das Wohnungsbauprogramm und anderes mehr, haben die Erwartung, daß mit der Bereitstellung von Arbeitslosenfürsorgeunterstützungssätzen für durchschnittlich 575 000 Arbeitslose auszukommen sein wird, leider nicht erfüllt. Die Arbeitslosigkeit ist trotz der Vermehrung der Zahl der Beschäftigten um rund 1 Million in einem weiteren, nicht erwarteten Ausmaße gestiegen, im wesentlichen veranlaßt durch die Zuwanderung aus der Ostzone. Die Ende Januar 1951 angestellten statistischen Erhebungen wiesen eine Durchschnittszahl von 810 000 Hauptunterstützungsempfängern bei der Arbeitslosenfürsorge auf. Desgleichen nahmen mehr Heimkehrer die Arbeitslosenfürsorge in Anspruch, als vorauszusehen war. Eine Statistik über die Heimkehrer konnte erstmals im Juli 1950 aufgestellt werden. Durch diese Faktoren ausgelöst, ist eine Mehrausgabe bei der Arbeitslosenfürsorge und der Unterstützung für die Heimkehrer von rund 245 Millionen DM für das Rechnungsjahr 1950 eingetreten.
Das Bundesfinanzministerium beabsichtigt nun nicht, diese Mehrausgaben durch Vorlage eines neuen Ergänzungshaushalts, der einen Deckungsvorschlag enthalten müßte, zum Ausgleich zu bringen, sondern es beabsichtigt, diese Mehrausgaben im Wege der Haushaltsüberschreitung zu leisten. Begründet wird dieses Vorgehen damit, daß der Sozialhaushalt als eine Einheit angesehen werden muß und die Entwicklung auf den anderen Sozialgebieten Einsparungen zur weitgehenden Deckung der Mehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe erwarten läßt. Solche Einsparungen bzw. Mehreinnahmen werden zur Deckung der bei Einzelplan XI Kap. 1 a Tit. 31, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, entstehenden Mehrausgaben in Anspruch genommen.
Die Einsparungen sind auf Grund der bisher bei der Bundeshauptkasse vorliegenden Ist-Abrechnungen bis einschließlich Januar 1951 errechnet worden. Es muß hierbei betont werden, daß es sich um keine echten Einsparungen auf Grund nicht ganz zutreffend geschätzter Haushaltsansätze handelt, sondern zu einem großen Teil um Ausgaben, die lediglich in das nächste Haushaltsjahr hinübergewälzt werden, da teilweise die Länderverwaltungen, wie z. B. bei der Kriegsopferversorgung, die UmAnerkennung auf Grund des neuen Bundesversorgungsgesetzes noch nicht voll durchzuführen imstande waren. Ferner sind bei der Versorgung verdrängter Beamter usw. die Länder ebenfalls teilweise bei der Gewährung der Überbrückungsbeihilfen im Rückstand geblieben. Die ursprünglich geplante Umsiedlung und Auswanderung läuft jetzt erst in größerem Ausmaß an. Lediglich bei der Kriegsfolgenhilfe hat sich durch die Soforthilfe ein größerer Entlastungseffekt ergeben, als vom Bundesfinanzministerium veranschlagt war.
Sieht man den Sozialhaushalt als eine Einheit, so ergibt sich, daß bei Einschluß des Fehlbedarfs bei der Arbeitslosenhilfe nur noch ein Differenzbetrag von 60 Millionen DM zu decken ist. Das Bundesfinanzministerium hofft, daß beim Vorliegen der genauen Ist-Abrechnung für das Rechnungsjahr 1950 sich dieser Fehlbetrag von rund 60 Millionen DM noch etwas vermindern wird. Sollte dies
({2})
nicht eintreten, so wird ein Deckungsvorschlag eingebracht werden müssen. Bis dahin soll aber wegen der Schwierigkeit der Erschließung einer neuen Finanzquelle davon abgesehen werden.
Der Haushaltsausschuß hat die Anregung des Bundesfinanzministeriums auf Ausgleich der Mehrausgaben bei der Arbeitslosenhilfe innerhalb des gesamten Sozialhaushalts eingehend beraten. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses hält es für zweckmäßig, nicht die sich aus den bisherigen Zahlen ergebenden Ist-Zahlen als neue Ansätze in den Sozialhaushalt einzusetzen, sondern es bei den vorgelegten Soll-Ansätzen zu belassen und den Ausgleich der Haushaltsrechnung zu überlassen. Dies gilt im Zusammenhang für Einzelplan XI Kap. 1 a und 1 c und Einzelplan XXVI.
Volle Übereinstimmung bestand im Haushaltsausschuß darüber, daß für die Aufstellung des neuen Etats weitmöglichst von den Rechnungsergebnissen ausgegangen wird. Dem ist auch seitens der Regierung zugestimmt worden. Daß auch die Ist-Zahlen der Gegenwart für die Zukunft stark wandelbar und wie die Arbeitslosenhilfe von wirtschaftlichen Faktoren abhängig sind, habe ich bereits ausgeführt.
Ein Überblick über die großen Gruppen der Sozialausgaben ergibt folgendes Bild.
Zunächst des Zusammenhangs wegen die Zahlen aus Einzelplan XI: Kap. 1 a Tit. 31-34 Arbeitslosenhilfe 760 700 000 DM, Kap. 1 c Tit. 31-40 Zuschüsse an die Sozialversicherung 729 400 000 DM. Die Gesamtsumme der Kap. 1 a und c im Einzelplan XI beträgt 1 490 100 000 DM.
Nun die Zahlen aus Einzelplan XXVI: Soziale Kriegsfolgelasten: Kap. 1 Tit. 31-36 zusammengefaßt unter Kriegsfolgenhilfe machen die Summe von 575 500 000 DM aus, die im einzelnen wie folgt untergeteilt ist: Kap. 31 Kosten der individuellen Fürsorge 489 000 000 DM. Von dem im Einzelplan XXVI Kap. 1 Tit. 31 im Entwurf vorgesehenen Betrag von 505 000 000 DM wurden 16 000 000 DM abgesetzt und auf Einzelplan VI Jugendwerk übertragen. Tit. 32 Kosten der Grenzdurchgangslager, Rückführung von Deutschen aus dem Ausland 15 000 000 DM. Tit. 33 Kosten der sonstigen Durchgangs- und Wohnlager 65 000 000 DM. Tit. 34 Zuschuß zum Suchdienst für Kriegsgefangene und Heimatvertriebene 2 700 000 DM. Tit. 35 Zuschuß zur Kriegsgräberfürsorge 1 800 000 DM. Tit. 36, wofür das Justizministerium zuständig ist, wurde neu gefaßt in „Kosten für den Rechtsschutz von Deutschen, die von ausländischen Behörden oder Gerichten im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verfolgt werden oder verurteilt worden sind", 2 000 000 DM.
Das Kap. 2 Tit. 31-32 Umsiedlung und Auswanderung ist mit einem Betrag von 29 000 000 DM eingesetzt, untergeteilt: Tit. 31 Kosten der Umsiedlung für Heimatvertriebene 25 500 000 DM, Tit. 32 Kosten der Auswanderung von Kriegsfolgenhilfeempfängern 3 500 000 DM.
Kap. 3 a Tit. 31-32 Versorgung von verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und ihrer Hinterbliebenen 300 000 000 DM.
Kap. 3 b Tit. 31-37 Unterhaltsbeträge für ehemalige berufsmäßige Wehrmachtangehörige und ihre Hinterbliebenen 150 000 000 DM.
Kap. 4 Tit. 31-38 und Kap. E 14 Kriegsopferversorgung machen den Betrag von 2 776 557 900 DM aus. Gemäß der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung Drucksache Nr. 1784 wurde in Kap. 4 ein
neuer Tit. 38 „Verstärkung der Mittel bei Tit. 31 bis 35 zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes" mit 129 400 000 DM eingesetzt. Hierdurch erhöht sich der in Kap. 4 für die Kriegsopferversorgung vorgesehene Betrag von 2 647 157 900 DM auf 2 776 557 900 DM. Ich bitte die verehrten Damen und Herren, in der Drucksache Nr. 1925, Anlage Seite 2 die unter Kap. 4 angegebenen Zahlen nach den von mir vorgetragenen zu berichtigen. Es ist der in Kap. E 14 vorgesehene Betrag von 157 900 DM noch hinzuzusetzen. Für die weitere Entwicklung dieses hohen Ausgabepostens ist zu beachten, daß das Bundesversorgungsgesetz mit seinen erhöhten Ausgaben erst seit dem 1. Oktober 1950 in Kraft ist, die Rentenumrechnungen noch im Gange und ferner über 800 000 Rentenanträge noch zu erledigen sind. Wir haben im neuen Etat mit einer ansehnlichen Steigerung des Postens Kriegsopferversorgung zu rechnen. Das gleiche gilt auch für die anderen Versorgungsausgaben.
In den Erläuterungen zu Tit. 36 im Einzelplan XXVI ist der Stellenplan der Kriegsopferversorgung enthalten. Es handelt sich um Landesbeamte, die von den Landesregierungen bestellt werden. Die Kosten gehen aber zu Lasten des Bundes. Im Sinne einer Begrenzung dieser Kosten wurde der erste Absatz der Erläuterungen zu Tit. 36 wie folgt gefaßt: „Kosten für die Durchführung der Kriegsopferversorgung. Der Bund trägt die Verwaltungskosten nach Maßgabe der Anlage, die Personalkosten im Rahmen des der Veranschlagung zugrunde gelegten Stellenplans."
Im außerordentlichen Haushalt Kap. 4 Tit. 1-40 waren für Bauaufwendungen der Kriegsopferversorgung 14 842 100 DM vorgesehen. Dieser Betrag war teilweise für die Fortführung früherer Bauarbeiten, zum anderen für Neubauten vorgesehen Der angeforderte Betrag wurde im Haushaltsausschuß um 4 Millionen DM gekürzt, also auf 10 842 100 DM heruntergesetzt. In der Erläuterung zu Kap. 4 wird zu diesen Ausgaben vermerkt:
Da der Bund an der Intensivierung der Verwaltung auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung ein Interesse hat ({3}),
müssen auch in gewissem Umfange einmalige
Ausgaben übernommen werden für die Einrichtung und den Ausbau von Unterkünften
für die Versorgungsdienststellen, die Versehrtenkrankenhäuser und für den Ausbau
früherer reichseigener Dienstgebäude. Hierdurch wird die erste Voraussetzung für den
Aufbau einer sparsamen und schnell arbeitenden Verwaltung geschaffen.
Wie aus der Einzelaufstellung in Drucksache Nr. 1925 Tit. 1 bis 40 ersichtlich ist, erstrecken sich die Bauten für die Kriegsopferversorgung über das ganze Bundesgebiet. Zu einem wesentlichen Teil waren die Bauten von den Ländern bereits begonnen. Es handelt sich nicht nur um Dienststellen, sondern auch Versorgungskrankenhäuser. Die für die Versorgungskrankenhäuser vorgesehenen Bauaufwendungen in Kap. 4 des außerordentlichen Haushaltsplans betragen 4 761 100 DM. Ich verweise hierzu auf die Einzelbeträge in Tit. 1, - 7, - 8, - 9, - 10, - 21, - 30, - 34, - 35, - 36 - und 38. Aber auch bei den Versorgungsdienststellen kommen ärztliche Untersuchungsräume und Heilbehandlungsstellen in Betracht. Unzureichende Behelfszustände können auch nicht dauernd belassen werden.
Der Einzelplan XXVI sieht im Abschluß vor: in
({4})
Einnahmen 69 125 000, in Ausgaben 3 841 900 000 DM. Das ergibt einen Zuschußbedarf von 3 772 775 000 DM. Hinzu treten, wie bereits angeführt, im Einzelplan XI, Arbeitsministerium, Kap. 1 a, Arbeitslosenhilfe, 760 700 000 DM, Kap. 1 c Sozialversicherung, 729 400 000 DM, im Einzelplan XI zusammen ein Betrag von 1 490 100 000 DM. Beides zusammen ergibt den runden Betrag von 5,3 Milliarden.
Diese weiter stark ansteigende Riesensumme von 5,3 Milliarden DM zeigt nicht nur die hohen sozialen Kriegsfolgelasten, sondern auch soziale Leistungen des deutschen Volkes im Riesenausmaß. Diese Leistungen müssen laufend durch die Arbeit des ganzen deutschen Volkes aufgebracht werden. Das müssen auch die Leistungsempfänger sehen und bei ihren Forderungen beachten.
({5})
Die notwendigen sozialen Leistungen stehen neben dem Aufwand für Besatzungskosten.
Namens des Ausschusses beantrage ich Zustimmung zu Einzelplan XXVI, Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten, Drucksache Nr. 1925.
Herr Abgeordneter Gengler, ich danke Ihnen für Ihren Bericht. Ich bitte Sie, die Berichtigungen, die Sie angegeben haben, schriftlich herzugeben.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Besprechung der zweiten Beratung und schlage Ihnen vor, wie gestern, die Gesamtaussprache und die Einzelbesprechung zu verbinden.
Das Wort, gleichzeitig zur Begründung des Antrages der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 2087, hat der Abgeordnete Renner.
Renner ({0}), Antragsteller: Gestatten Sie mir einen Hinweis. Es war nicht beabsichtigt, die Begründung dieses Antrags mit der Diskussion über die beiden Haushaltspläne zu verbinden.
Ich hatte Sie so verstanden, Herr Abgeordneter. Wenn Sie wünschen, dann nehmen Sie das Wort zur Begründung des Antrags.
Renner ({0}), Antragsteller: Ganz recht, das möchte ich tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir fordern in unserem Antrag eine 30prozentige Erhöhung der Bezüge der Sozialversicherungsgesetzgebung, der knappschaftlichen Versicherung, der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge, der Kriegsopferversorgung, und, im Gegensatz zur Formulierung in der gedruckten Vorlage, statt 40% eine 50%ige Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze. Ich kann es mir wohl versagen, eine Begründung für die Notwendigkeit einer Erhöhung in dem von uns beantragten Ausmaß zu geben. Ich nehme an, daß die Besprechung des Etats allen Fraktionen, auch der unsrigen, Anlaß geben wird, das Problem, Renten, Unterstützungen und Lebenshaltungskosten zueinander ins richtige Verhältnis zu setzen, zu behandeln. Ich verzichte also bei der Begründung dieses Punktes ausdrücklich auf eine Zitierung der Renten bzw. Unterstützungen in ihrer derzeitigen materiellen Höhe. Ich weise nur darauf hin; die Tatsache, daß heute, in letzter Minute noch, zum Problem der Invalidenversicherung ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion eingereicht worden ist und daß die CDU zum Problem der Kriegsopferversorgung am heutigen Tage noch eine Anfrage eingebracht hat, ist ein Beweis dafür, daß die Renten- und Unterstützungssätze in ihrer derzeitigen Höhe als absolut ungenügend allseitig anerkannt werden.
Ich will die kurze, mir für die Begründung dieses Antrages zur Verfügung stehende Zeit nur dazu ausnutzen, um auf ein Problem einzugehen, das in diesem Hohen Hause bisher nur sehr wenig behandelt worden ist. Das ist das Problem der kommunalen öffentlichen Wohlfahrtspflege, das Problem der kommunalen Wohlfahrtsrichtsätze. Ich zitiere die Sätze aus der Stadt Essen und bemerke dazu, daß ich bewußt die höchsten im Lande Nordrhein-Westfalen überhaupt existierenden Wohlfahrtsrichtsätze mit diesen Zahlen bekanntgebe. In Essen beträgt der Wohlfahrtsrichtsatz für eine alleinstehende Person 51 DM. In diesem Betrage sind 8 DM als sogenannte Teuerungszulage enthalten. Diese 8 DM Teuerungszulage sind aber, wenn man die Verhältnisse im ganzen Lande ansieht, nicht allgemein und überall zahlbar. Der Haushaltsvorstand bezieht eine Wohlfahrtsunterstützung in der Höhe von 47 DM, Haushaltsangehörige über 16 Jahre - also auch die Ehefrau - in dem Falle 33 DM, unter 16 Jahre 30 DM.
Niemand kann behaupten und es behauptet auch niemand, daß mit diesen Sätzen auch nur annähernd das Existenzminimum sichergestellt wird. Werden wir uns darüber klar, daß in diesen Sätzen zwar keine direkten Steuern, aber eine beachtlich hohe Summe von indirekten Steuern enthalten ist, die auch diese Ärmsten der Armen aufzubringen verpflichtet sind!
Lassen Sie mich zuletzt noch etwas sagen. Die Forderung, den Bund zu verpflichten, den Ländern nicht nur Anweisungen zu geben, die von uns vorgeschlagene Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze um 50 % durchzuführen, muß zur Folge haben, daß der Bund den Ländern die zur Durchführung dieser Maßnahme erforderlichen Mittel aus Bundesmitteln zur Verfügung stellt. Wir sind zu diesem Vorschlag gezwungen, weil die Politik der Bundesregierung in ihrer Gesamtheit gegenüber den Gemeinden dazu geführt hat, daß, wenn in den Gemeinden die Stadtverordnetenfraktionen, die Gemeindevertretungen Forderungen auf Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze stellen, argumentiert wird, daß die Verelendungspolitik der Bundesregierung gegenüber Land und Gemeinden es unmöglich mache, die als notwendig erachtete Erhöhung der Wohlfahrtsrichtsätze durchzuführen. Wir sind also gezwungen, den Bund, der im Land von den kleinen Funktionären der Parteien, die hier in Bonn hinter der Koalitionsregierung stehen, für die finanzielle Notlage der Länder und für den finanziellen Zusammenbruch der Gemeinden verantwortlich gemacht wird, für diese Auswirkung verantwortlich zu machen. Das im Augenblick zu dieser Frage. Weitere Ausführungen zu diesem Thema, vor allen Dingen auch Ausführungen zu dem Problem der Renten- und Unterstützungssätze in ihrem Verhältnis zu den derzeitigen Lebenshaltungskosten, werde ich bei günstiger Gelegenheit im Rahmen der Besprechung des Etats machen.
Meine Damen und Herren! Ich weise Sie bei dieser Gelegenheit nur darauf hin, daß es hohe Zeit ist, daß Sie die Versprechungen, die Sie draußen diesem Personenkreis des öfteren - auch noch in den letzten Wochen - gemacht haben, endlich einlösen. Ich weise darauf hin, daß wir seit 1949, seit den ersten Monaten der Tätigkeit dieses Hohen Hauses darauf warten, daß die Bundesregierung die feierlich zugesagten Gesetzes({1})
änderungsanträge zur Sozialversicherung z. B. usw. endlich einbringt. Kommen Sie also nicht mit der Behauptung, es müsse mit unserem Antrag abgewartet werden, bis die Bundesregierung, das Bundesarbeitsministerium diese angekündigten Gesetzesvorlagen einbringt. Die Not in diesen Personenkreisen ist so ungeheuerlich, daß man daran einfach nicht mehr vorbeigehen darf. Wenn Sie vor wenigen Wochen die Pensionen der Renten- und Bezugsberechtigten erhöht haben, die Ansprüche gegenüber den privaten Versicherungsgesellschaften haben, wenn Sie also da eine Aufwertung in der Form vorgenommen haben, daß bis zu 50 Mark Rechtsanspruch eine volle Aufwertung, für Beträge von 50 bis zu 100 Mark eine Aufwertung von 2:1 und für Beträge über 100 Mark eine solche im Verhältnis von 10:1 beschlossen wurde, dann erinnern Sie sich bitte auch daran, daß die rechtliche Grundlage der Forderungen, die von dem Personenkreis der Sozialunterstützungsberechtigten und der Kriegsopfer gestellt werden, zumindest genau so anzuerkennen ist wie der Rechtsanspruch jeder anderen Personengruppe, die sich zu Recht auf geltendes Recht beruft.
({2})
Wir treten jetzt in die Gesamt- und Einzelbesprechung der zweiten Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen nur mit ein paar Sätzen den Antrag zu begründen, der Ihnen auf Umdruck Nr. 109 vorliegt. Herr Kollege Gengler hat Sie vorhin als Berichterstatter über das Problem unterrichtet. Es ist sehr erfreulich, wenn man gerade im Finanzministerium in einer schwierigen Situation sich an Stellungnahmen großer Geister erinnert, denn ich kann mir vorstellen: Als man in dieser Frage einen Ausweg suchte, hat man sich an das Wort Goethes erinnert: „In den Rechnungen findet sich alles wieder."
Aber, meine Damen und Herren, eine solche Regelung ist haushaltsrechtlich natürlich nicht zu verantworten. Es ist zwar im Haushaltsausschuß darauf hingewiesen worden, daß. man den Gesamtbetrag, der für die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung und für die Unterstützung und Berufsfürsorge der Heimkehrer erforderlich gewesen wäre, erst am Jahresabschluß überblicken könne. Aber selbst wenn wir den Haushalt fristgemäß hätten verabschieden können, wären die Dinge doch so gelaufen, daß das Finanzministerium spätestens im Dezember vorigen Jahres mit einer entsprechenden Nachforderung hätte zu uns kommen müssen. Wir können also aus der Tatsache, daß wir den Haushaltsplan leider erst nach Ablauf des Rechnungsjahres verabschieden, nicht schließen, daß man die wirklich erforderlichen Beträge nicht in die Haushalte einzustellen brauchte. Wir glauben deshalb, daß es erforderlich ist, die Beträge, die zunächst vorgesehen waren, so zu erhöhen, daß sie den tatsächlichen Erfordernissen gerecht werden. Deshalb haben wir gefordert, daß sowohl im Tit. 31 als auch im Tit. 34 die entsprechenden Heraufsetzungen vorgenommen werden. Wenn wir beschließen, daß im Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit - diese Erhöhung vorgenommen wird, dann wird das selbstverständlich auch entsprechende Auswirkungen auf den Haushalt für soziale Kriegsfolgelasten haben.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, man muß einmal hierzu sagen, daß es sich überhaupt nicht um eine sachliche Differenz handelt, sondern nur um eine Frage der Haushaltstechnik dieser Ansätze.
({0})
- Die Ausgaben, Herr Mellies, sind für diese Zwecke in der Höhe, wie Sie sie beantragen, geleistet worden und können nachträglich auch gar nicht mehr geändert werden. Eine solche Überschreitung der Ansätze schlägt sich regelmäßig in der Haushaltsrechnung nieder. Man könnte natürlich diese Ansätze auch erhöhen, wie Sie vorschlagen; dann müßte eine Deckungsvorlage eingebracht werden. Wir können nicht nachträglich noch Steuern erhöhen. In der Zukunft wird sich das Hohe Haus ja mit einer sehr großen Zahl von Steuervorlagen zu beschäftigen haben. Wir würden also wahrscheinlich nur die Ansätze für das Steueraufkommen des vergangenen Jahres um entsprechende Beträge erhöhen. Auch das ist eine rein technische Angelegenheit. Mit anderen Worten: Es kommt bei der ganzen Angelegenheit in der Sache nichts Neues heraus.
Ich glaube aber, es hat auch schon deshalb keinen Zweck, Ihrem Antrage zu folgen - und der Haushaltsausschuß hat ja, wie der Herr Berichterstatter dargelegt hat, den Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt -, weil wir den Sozialhaushalt doch als eine Einheit betrachten müssen. Wenn auf der einen Seite hier erhebliche Mehrausgaben eingetreten sind, dann sind infolge des Laufes der Bearbeitung zunächst auf der anderen Seite Minderausgaben im Rechnungsjahr 1950 vorgenommen; dann bleibt eine Differenz von nur noch 60 Millionen, die sich vielleicht bei der Rechnungslegung noch weiter vermindern wird.
Ich möchte daher doch dringend bitten, den Antrag abzulehnen, da ein sachlicher Erfolg durch ihn nicht erzielt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Beratung dieses Haushaltsplanes macht eine kritische Auseinandersetzung mit der Tätigkeit des Bundesministeriums für Arbeit auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung notwendig, um so mehr, als durch eine dauernde Fehlbewertung des Problems insbesondere in seiner politischen Bedeutung eine sehr unerfreuliche Situation entstanden ist, aus der sich zwangsläufig Gefahren für den Staat entwickeln werden, wenn es nicht rechtzeitig gelingt, Wandel zu schaffen.
Eineinhalb Jahre sind nun seit dem ersten Zusammentreten des Deutschen Bundestages verstrichen, und noch immer warten mehr als vier Millionen deutsche Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene auf die Zahlung einer Rente, die ihren Opfern angemessen ist und ihnen ein auskömmliches Leben sichert. Was das angesichts der Tatsache bedeutet, daß die Kaufkraft der Renten infolge der Preiswelle der letzten Monate erneut empfindlich eingeschränkt worden ist, brauche ich wohl kaum besonders zu erläutern.
Ich kann in diesem Zusammenhang nicht über Maßnahmen sprechen, die getroffen werden müß({0})
ten, um dieser Entwicklung erfolgreich entgegenzutreten, da das über den Rahmen dieser Aussprache hinausgehen würde. Wohl aber muß man die Frage aufwerfen, wie es so weit kommen konnte, nachdem doch offensichtlich vom ersten Tage an feststand, daß dieses Hohe Haus einmütig entschlossen war, das Problem der Kriegsopferversorgung bestmöglich zu lösen. Gewiß war das Zustandekommen des Bundesversorgungsgesetzes von heftigen Geburtswehen begleitet; aber es ist doch von der Masse der deutschen Kriegsopfer als ein Gesetz des guten Willens durchaus anerkannt und gewürdigt worden. Die Tatsache, daß die Wirksamkeit des Gesetzes durch die von allen Seiten des Hauses beklagte Verzögerung im Bundesarbeitsministerium erst ab 1. Oktober 1950 verankert werden konnte und nicht, wie ursprünglich von der Bundesregierung zugesagt, ab 1. April 1950, hatte den Bundestag zu dem einstimmigen Beschluß veranlaßt, die Umanerkennung der Renten in der Weise vorzunehmen, daß diejenigen Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen, die ihren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend aus der Rente bestreiten müssen, zuerst in den Genuß einer höheren Rente kommen.
Das liegt nun ein halbes Jahr zurück. In diesem Zeitraum hat die Entwicklung derart bedenkliche Formen angenommen, daß sich der VdK als größte deutsche Kriegsopferorganisation zu der Feststellung veranlaßt sah: Der Zug fährt in den Abgrund.
({1})
Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten Ausschnitte aus einem Artikel zitieren, der im Bundesgebiet millionenfache Verbreitung gefunden hat. Es heißt dort u. a.:
Die Stimmung der deutschen Kriegsopfer, die mit soviel Hoffnung und Erwartungsfreude das Bundesversorgungsgesetz empfangen haben, ist inzwischen auf den Nullpunkt abgesunken. Leider besteht mehr als ausreichender Grund für eine so pessimistische Betrachtung der Lage; denn ungeschickter und instinktloser kann man sich kaum verhalten, als es bei den Versorgungsbehörden heute vielfach geschieht. Im Bundesministerium für Arbeit hat die beklagenswerte Entwicklung begonnen. Der Beirat für Versorgungsrecht, dem bekanntlich die besten Fachkenner, unter ihnen Vertreter der Kriegsopferorganisationen, angehören, hatte sich große Mühe gemacht, die Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz so zu gestalten, daß sie dem klaren Willen des Gesetzgebers entsprachen. Aber was nützen schließlich die besten Beschlüsse, wenn sie nachher von der Ministerialverwaltung einfach beiseite geschoben werden und nicht zur Durchführung kommen? Das Bundesministerium für Arbeit hat durch dieses mehr als peinlich berührende Verhalten die so hoffnungsvoll ins Leben getretene Institution des Beirats für das Versorgungsrecht in wenigen Monaten fast zur Bedeutungslosigkeit erniedrigt
({2})
und wird für das daraus erwachsende Unheil die Folgen tragen müssen. Die aus diesem Verhalten sprechende Angst vor der Beteiligung der Kriegsopferorganisationen an der großen Aufgabe der Umanerkennung kann nur in einer bestürzenden Unsicherheit ihren Grund haben.
Meine Damen und Herren, daß bei einer solchen Behandlung der Dinge schwerwiegende Folgen unausbleiblich sein müssen, hat die beginnende Umanerkennung sofort schlagend bewiesen. In verschiedenen Ländern wurden unter dem Druck der Finanzminister fiskalische Grundsätze zum Maßstab der Umanerkennung erhoben, und demzufolge sind mit einem Eifer und einem Elan, der wahrhaft einer besseren Sache würdig gewesen wäre, als erste Maßnahme solche Umanerkennungsbescheide erteilt worden, in denen man durch Rentenherabsetzungen o der -entziehungen Einsparungen vornehmen konnte.
({3})
Man würde in der an seltsamen Eskapaden wahrhaftig nicht armen Geschichte der deutschen Verwaltungsbürokratie lange suchen müssen, um einen ähnlichen Fall zu finden, in dem ein an sich gutes Gesetz, das wirklich Segen stiften könnte, allein durch derart unsinnige Maßnahmen ausführender Behörden geradezu ins Gegenteil verkehrt wurde. So wurden beispielsweise in einem Lande 10 200 Bescheide an Kriegsbeschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz fertiggestellt, wobei allein in 7600 Fällen Rentenentziehungen ausgesprochen wurden.
({4})
Von 1700 Bescheiden an Kriegshinterbliebene haben 900 Bescheide eine Rentenminderung zur Folge gehabt. Hiermit nicht genug; es hat den Anschein, als ob man die Dinge auf die Spitze treiben möchte. Denn von in Vorbereitung befindlichen 24 000 Umanerkennungsbescheiden sollen in nicht weniger als 22 000 Fällen Rentenentziehungen erfolgen, denen nur 2000 Rentenerhöhungen gegenüberstehen.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie erkennen hieraus, daß es sich bei diesen katastrophalen Auswirkungen einer unverständlichen Verwaltungspraxis nicht um Probleme handelt, die versorgungsrechtlich zu lösen sind, sondern daß hier ein Politikum erster Ordnung vorliegt, das auch nicht vom Versorgungsfachbeamten zu vertreten ist, sondern von dem verantwortlichen Bundesminister und von den zuständigen parlamentarischen Instanzen der deutschen Demokratie. Denn schließlich steht bei dieser Praxis nicht mehr zur Erörterung, ob das Bundesversorgungsgesetz eine weitere Verbesserung hätte bringen können oder nicht, sondern es stehen auf dem Spiele das Vertrauen der Kriegsopfer und ihres großen Anhanges zur Demokratie und damit der politische moralische Kredit, den die Kriegsopfer ihren Institutionen zu geben bereit waren. Ich darf deshalb die Hoffnung aussprechen, daß Sie, meine Damen und Herren, auf allen Seiten des Hauses uns in den Maßnahmen zu unterstützen bereit sind, die zur beschleunigten Abstoppung dieser Fehlentwicklung dienlich sind.
Ich muß hier angesichts der deutschen Öffentlichkeit feststellen, daß sich in die Verantwortung für diese Entwicklung der verantwortliche Bundesminister und die Länder brüderlich teilen müssen. Naturgemäß kann es nicht meine Aufgabe sein, mich in diesem Augenblick mit dem Sektor der Verantwortlichkeit auseinanderzusetzen, der ohne Zweifel auf die Länder entfällt. Aber wenige Worte an die Adresse der Länder seien mir doch gestattet. Wir sind zutiefst besorgt darüber, daß durch die von ihnen zu verantwortende Verwaltungspraxis
({6})
der Bundestag in einer Weise brüskiert worden ist, die dem Ansehen der deutschen Demokratie schwersten Schaden zufügen muß,
({7}) und daß dieses Verhalten weiß Gott nicht für die Aufgabenteilung spricht, wie sie das Grundgesetz für dieses Gebiet festlegt.
({8})
Schließlich und endlich trägt der Deutsche Bundestag die politische Verantwortung auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung. Deshalb müßte es eine selbstverständliche Pflicht aller mit der Durchführung seines gesetzgeberischen Willens betrauten Instanzen der deutschen Bundesrepublik sein, so zu verfahren, daß die für diesen Bereich beschlossenen Gesetze mit den Absichten des Gesetzgebers in Einklang gebracht werden.
Das gilt selbstverständlich in allererster Linie für das ressortmäßig verantwortliche Bundesministerium und für die gesamte Bundesregierung. Ich muß hier leider feststellen, daß es der Herr Bundesminister für Arbeit nicht verstanden hat, das Problem der Kriegsopferversorgung entsprechend seiner großen politischen Bedeutung richtig in den Aufgabenbereich seines Ministeriums einzuordnen. Wir Sozialdemokraten stehen, weiß Gott, nicht im Verdacht, übertriebene Föderalisten zu sein. Aber im Interesse einer objektiven Beurteilung der Tatbestände muß festgestellt werden, daß die Länder, denen die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes obliegt, auf Grund mangelnder Voraussicht, Übersicht und Planung im Bundesministerium für Arbeit in die augenblickliche Situation zum Teil geradezu hineinmanövriert worden sind.
({9})
Ich habe schon einmal darauf hingewiesen, daß infolge der schleppenden Behandlung durch das Bundesministerium für Arbeit das Bundesversorgungsgesetz erst mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 in Kraft gesetzt werden konnte. Die dadurch entstandene halbjährige Verzögerung hätte erfordert, daß man mit der praktischen Anwendung des Gesetzes möglichst unverzüglich begann. Indessen erhielten die ausführenden Behörden erst um die Wende Februar/März 1951 die erforderlichen Verwaltungsvorschriften. Zur gleichen Zeit lief ein Wust von Formularen bei den unteren Verwaltungsstellen ein, die zum Teil, weil nach früheren Erfahrungen verfaßt, so unzeitgemäß sind, daß sie eher zur Erschwerung als zur Erleichterung der Durchführung des Gesetzes beitragen. Das für die Beschädigten bestimmte Formularmaterial wie Fragebogen, Merkblätter und dergl. ist so unglücklich abgefaßt, daß das Gros der Empfänger daraus nicht klug werden kann und infolgedessen Fehler macht, die zur Benachteiligung bei der Rentenberechnung führen müssen.
Mit der Umanerkennung der Renten konnte erst Ende Februar begonnen werden. Aber nicht genug damit, man streitet sich im Bundeskabinett heute noch um die Zuständigkeit bei der Durchführung der sozialen Fürsorge im Bereich der Arbeits- und Berufsfürsorge, die allen Mitgliedern des Kriegsopferausschusses besonders am Herzen gelegen hat, und man war bisher nicht in der Lage, auf diesem Gebiet auch nur eine einzige Richtlinie herauszubringen. Eine solche Mißachtung des Willens des Gesetzgebers durch die Regierung dürfte fürwahr einmalig sein. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, wie lange Sie noch gewillt sind, eine solche Entwicklung zu dulden, auf Grund deren die mehr
als vier Millionen Kriegsopfer in Deutschland jedes Vertrauen in die Institution der parlamentarischen Demokratie verlieren werden.
Auf den übrigen Gebieten der Kriegsopferversorgung sieht es leider nicht viel besser aus. So gibt es bis zum heutigen Tag noch keinen vorlagereifen Entwurf über die Neuregelung der Beschäftigung Schwerbeschädigter, obwohl mit den Vorarbeiten bereits in der Zeit des Frankfurter Wirtschaftsrats begonnen worden ist.
Diese Zustände im Bundesministerium für Arbeit machen es der sozialdemokratischen Fraktion für die Zukunft nahezu unmöglich, in der seither geübten Praxis fortzufahren und die eigenen Wünsche und Vorstellungen zur Erzielung einer breiten Mehrheit des Hauses zurückzustellen. Wir haben in der zurückliegenden Zeit wahrhaft bewiesen, daß wir uns bei der Schaffung großer sozialer Gesetzeswerke ausschließlich von der Verantwortung gegenüber dem deutschen Volk leiten lassen und bereit und willens sind, parteipolitische Gesichtspunkte hintanzustellen.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, meine Ausführungen deshalb nicht als parteipolitisch bedingte Opposition zu verstehen, sondern zu erkennen, daß es bei der augenblicklich sehr ernsten Situation nicht um die Frage Regierung oder Opposition, sondern um die Verteidigung des Ansehens und damit letztlich um den Bestand der parlamentarischen Demokratie in Deutschland geht.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe an und für sich nicht die Absicht, nach den Ausführungen der einzelnen Fraktionsredner zu diesen Dingen Stellung zu nehmen; aber damit die Diskussion über die von Herrn Bazille angeschnittenen Fragen nicht in ein verkehrtes Gleis läuft, möchte ich einiges dazu sagen.
Das Kriegsopferversorgungsgesetz ist Mitte Dezember, - wenn ich nicht irre, wohl am 20. Dezember - veröffentlicht worden. Bereits zwei Tage nachher sind die Ausführungsbestimmungen meines Ministeriums an die zuständigen Stellen in den Ländern gegangen. Auch uns sind Mitteilungen geworden, daß die durchführenden Organe in den Ländern nicht sinngemäß vorgegangen sind. Man hat es dort zum Teil für richtig gehalten, zuerst die Rentenakten der Minderbeschädigten zu bearbeiten, bei denen man zu einer Herabsetzung der Bezüge kam.
({0})
Von uns aus war aber den Arbeitsministern ganz klar zum Ausdruck gebracht worden, daß zuerst sämtliche Akten der achtzig-, neunzig- und hundertprozentig Beschädigten zu bearbeiten sind, daß also diese Kreise, deren Lebenshaltung, wie Herr Bazille ganz richtig sagte, von der Rente abhängt und die ja auch durch die Neuordnung des Gesetzes zu einer wesentlichen Verbesserung in ihren Bezügen gelangen sollen, vorweg zu berücksichtigen sind.
Wir haben erst noch in der vergangenen Woche eine Aussprache mit den Arbeitsministern und Senatoren der Länder über diese Fragen gehabt und haben uns die größte Mühe gegeben, den Leu({1})
ten klarzumachen, daß auf diesem Gebiet schleunigst und einheitlich gehandelt werden muß. Wir haben ihnen auch gesagt, es sei doch das einfachste, wenn schon nach dem Grundgesetz die Durchführung derartiger Gesetze bei den Ländern bleiben solle, sich dann zum mindesten auf Grund einer Verwaltungsvereinbarung mit uns damit abzufinden, daß von uns einheitliche Richtlinien an die Länder gegeben werden. Diesem Wunsch hat man sich nicht angeschlossen.
({2})
So liegen doch die Dinge, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb wäre es angebrachter gewesen, wenn sehr vieles von dem, was Herr Bazille - für die Menschen draußen richtig - ausgeführt hat, in einem Länderparlament vorgetragen worden wäre;
({3})
denn in den Ländern hat man auf diesem Gebiet nicht so gehandelt, wie man hätte handeln müssen und wie es nicht nur der Wille des Bundestages, sondern auch der Wille der Bundesregierung ist.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Da der Herr Arbeitsminister heute sehr freundlich gesprochen hat, will ich mit einem Wort der Anerkennung nicht zurückhalten. In der anderthalbjährigen Parlamentsperiode, die wir nun hinter uns haben, in der anderthalbjährigen Zusammenarbeit mit seinem Ministerium habe ich wirklich empfunden, daß auf dieses Ministerium das alte Wort etwas abgewandelt zutrifft: „Die Verwaltungsmühlen mahlen langsam."
({0})
Ich bin leider heute noch nicht in der Lage, auch den Nachsatz hinzuzusetzen: „mahlen aber trefflich fein." Aber, Herr Bundesarbeitsminister, ich gebe die Hoffnung nicht auf. Ich nehme nicht an, daß man, wie es am Eingang zum Höllentor bei Dante geschrieben steht, sagen muß: „Ihr, die ihr eingeht, laßt alle Hoffnung fahren". Einen Rest von Hoffnung habe ich noch, und ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich eines Tages mit vollem Bewußtsein diesen Nachsatz dem Bundesarbeitsministerium gegenüber anwenden könnte.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat uns, der Opposition, in diesen eineinhalb Jahren manche Sorge bereitet. Das muß ich offen aussprechen. Er hat sich manchmal in einer Gesellschaft befunden, die uns nicht behagte. Ich denke nur an seine Stellungnahme zu dem Gesetz über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung.
({1})
Herr Bundesarbeitsminister! Wir hätten natürlicherweise erwartet, daß unter Ihrer Leitung, Führung und Beeinflussung daraus nicht ein Mitbestimmungsrecht für die Arbeiter und Versicherten, sondern ein wirkliches Selbstverwaltungsrecht alter Prägung geworden wäre. Darin haben Sie uns sehr enttäuscht.
Wenn ich von Nordrhein-Westfalen höre, in nächster Zeit rechne man damit, daß sich ungefähr 350 neue Krankenkassen allein in Nordrhein-Westfalen auftun werden, so muß ich selbst auf die Gefahr hin, meine geschätzte Kollegin Frau Kalinke
als gewappnete Kriemhild auf den Plan zu rufen,
({2})
sagen: gerade auf diesem Gebiet ist soviel Not draußen im Lande vorhanden, daß wir nicht zersplittern und verzetteln, sondern zusammenfassen und gestalten sollten.
Ich habe einmal in einer Ausschußsitzung, Herr Bundesarbeitsminister - ich war damals in diesem Parlament noch jung und unerfahren und habe auch noch einen Glauben gehabt -, der Verwaltung die Frage vorgelegt, wann wir denn damit rechnen dürften, daß uns der Gesetzentwurf zur Neuregelung der kassenärztlichen Verhältnisse vorgelegt würde. Damals ist mir mit dem Brustton der Überzeugung versichert worden: „In zwei Monaten liegt der Gesetzentwurf vor". Darüber sind die Monate vergangen, aus den Monaten ist ein ganzes Jahr geworden, und wir rufen immer noch nach diesem Gesetz. Ich denke an das Fremdrentengesetz. Es wird eine wesentliche Aufgabe des Ministeriums sein, die vorbereitenden Arbeiten auf diesem Gebiet zu beschleunigen und uns den Gesetzentwurf baldigst vorzulegen. Ich denke auch - ich werde ja heute noch eine Gegnerin auf den Plan rufen, die auch hier erscheinen dürfte - an das Gebiet der Angestelltenversicherung und der Invalidenversicherung. Hier wird noch vieles zu tun sein, um die Dinge nicht auseinanderlaufen zu lassen, sondern zusammenzuhalten und zu vereinheitlichen.
Aber das Wichtigste, Herr Bundesarbeitsminister, das, was uns allen am Herzen liegt, ist doch die Neugestaltung der Sozialrenten. Nach allem, was in den letzten Monaten zu diesem Problem gesagt worden ist, widerstrebt es einem, noch ein Wort hinzuzusetzen. Ich darf mich aber darauf berufen, daß selbst in einem Kreise, von dem man das nicht erwarten konnte, nämlich im Kreise der Arbeitgeber ähnliche Äußerungen getan worden sind. Die Zeitschrift „Der Arbeitgeber" schrieb in diesen Wochen, daß die geplante Rentenerhöhung sozial gerechtfertigt sei. Weiter erklärte die Zeitung:
Politisch ist der. einstimmige Beschluß des Bundestages zu begrüßen, weil die Rentenerhöhung
der Gefahr der Verproletarisierung vorbeugt.
Das ist ein durchaus richtiges Wort. Ich denke daran, Herr Bundesarbeitsminister Storch, daß Sie am
1. März 1951 in diesem Hause die Worte sprachen:
„Ich kämpfe seit Wochen mit dem Herrn Bundesfinanzminister darum, daß er mir für den neuen
Etat die Mittel zur Verfügung stellt, um diese
Dinge in ihrer Grundsätzlichkeit regeln zu können". Nun, der kämpfende Bundesarbeitsminister
ist uns immer eine sympathische Erscheinung, vorausgesetzt, daß er auf der richtigen Seite kämpft.
Herr Bundesarbeitsminister, wenn Sie in den Ring
zum Kampf mit dem Herrn Bundesfinanzminister
steigen, dann vergessen Sie nicht ein altes Wort:
„Sei klug wie die Taube und zart wie die Schlange!"
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Setzen Sie sich gegenüber dem Herrn Bundesfinanzminister wirklich einmal durch! Ich hoffe, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie nicht resignieren, daß Sie nicht nach Grillparzer sagen: „Der Minister des Äußern kann sich nicht äußern; nach dem Minister der Finanzen muß alles tanzen", sondern daß gerade in der Frage der Erhöhung der Sozialrenten innerhalb der Bundesregierung einmal nach dem Arbeitsminister getanzt wird.
Meine verehrten Damen und Herren! Ich kann
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leider gegenüber dem Herrn Bundesarbeitsminister in alter gewerkschaftlicher Kameradschaft mit einem Vorwurf nicht zurückhalten. Als der Herr Abgeordnete Richter bei dieser Debatte einen Zwischenruf machte, erwiderte Herr Bundesarbeitsminister Storch: „Ja, dann müssen sie eben durch die Wohlfahrtsämter so lange noch zusätzlich betreut werden; daran kommen wir nicht vorbei, Herr Kollege Richter". Herr Bundesarbeitsminister, denken Sie einmal an die Zeit zurück, als wir uns noch nicht auf unser seliges Ende vorbereiteten, als wir noch jung und hübsch waren und als wir mit diesen alten Leuten zusammen an der Hobelbank, am Webstuhl, am Schraubstock standen und von diesen alten Kollegen unsere ersten sozialen und arbeitsrechtlichen Impulse bekamen! Es bäumt sich doch alles in uns dagegen auf, diese Leute zusätzlich vom Wohlfahrtsamt betreuen zu lassen, gerade weil wir von diesen Leuten immer etwas vom Recht gehört haben. Und, Herr Bundesarbeitsminister, wenn in den letzten Tagen hier soviel von Tapferkeit und Ehre gesprochen worden ist, denken Sie einmal an das tapfere, ehrenhafte Leben dieser alten Leute! Wir dürfen ihnen unsere Anerkennung nicht versagen.
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Wir wollen sie unter keinen Umständen zum Wohlfahrtsamt schicken, weil wir nämlich von den alten Leuten gelernt haben, wie man die Sozialversicherten betreuen muß. Diese Leute haben sich mit allen Mitteln dagegen gewehrt, wenn irgendeiner versuchte, die Sozialversicherung auszunutzen. Es ist unmöglich, diese Leute heute nicht zu ihrem Recht kommen zu lassen. Hier müssen wir den Weg des Rechts finden und gehen.
Meine sehr geschätzte Frau Abgeordnete Kalinke, ich bin wirklich glücklich, mich in dieser Debatte zum zweitenmal auf Ihre werte Persönlichkeit berufen zu dürfen. Sie haben am 1. März in der Debatte gesagt: „Ich kann in wenigen Worten sagen, daß die Indexzahlen, die heute verbreitet sind, in keiner Weise für die Rentner angewandt werden können und daß die Kaufkraft der Sozialrenten um mehr als die Hälfte geringer geworden ist". Frau Abgeordnete Kalinke, ich glaube, Sie stehen noch zu Ihrem Wort: „um mehr als die Hälfte geringer geworden ist". Seit diesem Tag sind wieder fünf Wochen vergangen. Wissen Sie, was das für diese Menschen bedeutet, dieses ewige Warten, dieses Harren und dieses Sich-so-vergessen-Fühlen, was dann zur Verbitterung führt?
Weil wir im Interesse dieses Personenkreises nicht länger warten können, unterbreitet Ihnen die Fraktion der SPD einen Antrag, der als Vorschußleistungen auf geplante Teuerungszulagen für Rentenempfänger je Monat 15 DM, für Witwen- und Witwer-Rentenempfänger je Monat 12 DM und für Waisenrentenempfänger je Monat 6 DM vorsieht. Ich glaube, wir sollten darüber nicht lange reden, sondern sollten hierüber beschließen und handeln. Herr Bundesarbeitsminister, wenn Sie hier wieder hintreten und sich auf den Finanzminister berufen, - ich habe einmal erlebt, daß der Herr Finanzminister auch sehr schnell arbeiten und handeln kann. Als ich nach der Benzinpreiserhöhung mit meiner Benzinkanne zur nächsten Tankstelle lief, da ist der Herr Finanzminister mit seinem Gesetz schon dagewesen, und ich bekam kein billiges Benzin mehr.
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Ich hoffe, daß der Herr Bundesfinanzminister das
Tempo, das er hier auf dem Gebiet der Einnahmen
entfaltet hat, auch einmal in der Versorgung der Sozialrentner vorlegt.
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Wenn wir in diesem Sinne an die Gestaltung der Dinge herangehen, dann, hoffe ich, wird die Bitterkeit von diesen alten, in Ehren grau gewordenen Leuten abfallen, und sie werden das Gefühl haben, daß sie vom Parlament aus gesehen nicht als letzte in der Schlange der zu Betreuenden stehen.
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Als nächster Redner hat der Herr Abgeordnete Horn das Wort. Ich weise darauf hin, daß nach den bisherigen Wortmeldungen in die Redezeit der CDU sich die Herren Abgeordneten Horn und Brese sowie die Frau Abgeordnete Probst teilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich zu dem Etat des Bundesarbeitsministeriums namens meiner politischen Freunde einige speziell auf den Etat bezogene, dann aber auch einige allgemeine Ausführungen mache. An die Spitze möchte ich einen Hinweis darauf stellen, daß das Bundesarbeitsministerium, als es aus der Verwaltung für Arbeit umgebildet wurde, seine Arbeit mit recht unzulänglichen technischen Voraussetzungen beginnen mußte und im Jahre 1949 vor allen Dingen auch auf personellem Gebiet sehr kümmerlich ausgerüstet war. Wenn sich die personellen Verhältnisse, wie Sie aus den Zahlen, die der Herr Berichterstatter hier bekanntgegeben hat, entnommen haben, in der Zwischenzeit auch etwas gebessert haben, so wird man doch noch heute nicht ohne Anerkennung feststellen müssen, daß die gewaltigen Arbeiten, die dieses Ministerium unter unzulänglichen Personalverhältnissen zu erledigen hatte - und auch in der Zukunft noch zu erledigen hat -, in der Tat mit anerkennenswertem Fleiß aller Bediensteten bewältigt worden sind. Wenn man auch hier und da aus Gründen, die nicht immer richtig sein mögen, in dieser oder jener Beziehung über gewisse Verzögerungen in der Arbeit des Ministeriums klagen mag, so sollte man doch die Tatsache, daß die Bediensteten des Ministeriums bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit ausgenutzt sind, auch in diesem Hause nicht außer acht lassen.
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Die sparsame Personalpolitik, die dort festzustellen ist, darf natürlich im letzten nicht auf Kosten der Arbeit gehen. Diese Bemerkungen wollte ich vorausschicken, meine Damen und Herren.
Nun lassen Sie mich nur zu zwei Titeln aus diesem Haushalt ein Wort sagen. Zunächst ein Wort des Bedauerns darüber, daß in Kap. I c Tit. 38 des Haushalts des Ministeriums selbst die Mittel für Tuberkulosebekämpfung mit nur 30 Millionen DM angesetzt sind.
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Ich brauche kein Wort darüber zu verlieren, welche Bedeutung der intensivsten Bekämpfung gerade der Tuberkulose zukommt.
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Wenn man darauf hinweisen kann, daß im Jahre 1949 die Rentenversicherungen für die Tuberkulosebekämpfung, wenn ich es recht im Gedächtnis habe, annähernd 160 Millionen DM ausgegeben haben, dann darf man wohl die Erwartung oder den ganz dringenden Wunsch aussprechen - und ich
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tue das hiermit namens meiner Freunde -, daß der Haushalt 1951/52 für dieses lebenswichtige Aufgabengebiet entschieden höhere Beträge vorsieht. Es mag durchaus verständlich sein, wenn der Herr Finanzminister in dem jetzt zu Ende gegangenen Etatjahr in dieser Frage zurückhaltender gewesen ist. Ich möchte aber für die Beratungen über den neuen Haushalt auch innerhalb der Bundesregierung diese ganz dringliche Erwartung ausgesprochen haben.
Meine Damen und Herren, zu dem Antrag zum Kap. I a Tit. 31 und 34, den Herr Abgeordneter Kollege Mellies hier begründet hat, darf ich mich der Kürze halber nur auf die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hartmann beziehen und auch daran erinnern, daß wir, wenn wir auch im Grundsätzlichen mit dem Sprecher der SPD übereinstimmen, uns doch aus den Gründen, die hier vom Regierungsvertreter angeführt worden sind, im Haushaltsausschuß ebenfalls in dieser Weise ausgesprochen haben. Wir werden diese Haltung bei der Beschlußfassung in zweiter Lesung auch nicht ändern. Wir sind mit Herrn Mellies sehr wohl der Meinung, daß diese Dinge im neuen Haushalt richtig gemacht werden müssen und daß sich das nicht ein zweites Mal wiederholen sollte. Aber für diesen Haushalt werden wir den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ablehnen.
Meine Damen und Herren, dann hat der Kollege Bazille im Zusammenhang mit der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes sehr berechtigte Klagen vorgebracht. Ich verweise der Kürze der Zeit wegen auf die von uns eingebrachte Anfrage Nr. 177. Frau Kollegin Dr. Probst wird dazu auch noch sprechen. Lassen Sie mich nur meinerseits,
indem ich die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers unterstreiche, sagen: Es ist nun einmal so, daß die Zuständigkeit für die Durchführung, also die Exekutive, nicht beim Bundesarbeitsminister, sondern bei den Ländern liegt. Mit derselben Vehemenz und mit demselben Nachdruck, mit dem die Klagen hier berechtigterweise vorgebracht worden sind, müßte in Gemeinschaft mit dem Herrn Bundesarbeitsminister auch auf die Länderregierungen, die doch zum sehr erheblichen Teil, soweit es die Arbeitsminister betrifft, von Freunden der sozialdemokratischen Fraktion besetzt sind - und soweit sie von unseren Freunden besetzt sind, sollten w i r das tun - eingewirkt werden, damit die Klagen, die berechtigterweise zu erheben sind, verstummen.
Im Zusammenhang damit - ich sehe meinen Kollegen Brese leider nicht im Saale -: es ist hier eine Drucksache verteilt worden, die nur den Namen und die Unterschrift unseres Kollegen Brese trägt. Der Kollege Brese beantragt, daß alle im außerordentlichen Haushalt im Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - vorgesehenen Ausgaben für den Neubau und die Wiederherrichtung von Verwaltungsgebäuden gestrichen werden. Man kann natürlich den Drang nach Sparsamkeit im Bauen auch überspitzen und übertreiben; und mir scheint, daß Kollege Brese - er mag mir verzeihen, wenn ich das hier sage - das hier in diesem Antrag tut.
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Wenn wir nun schon mal das Bundesversorgungsgesetz beschlossen haben und auf seine ordentliche, korrekte Durchführung drängen, dann können wir uns auch nicht versagen, wenn die dazu unerläßlich notwendigen Gebäulichkeiten errichtet werden müssen.
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Das bezieht sich ganz besonders auf die Versehrten-Krankenhäuser. Es mag noch hinzugefügt sein, daß dann ja nicht nur Büros und Verwaltungsgebäude errichtet werden, sondern in Verbindung damit auch notwendige Dienstwohnungen. Also es geschieht auch in dieser Beziehung hier etwas.
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Ich darf also namens meiner übrigen Freunde sagen, daß wir diesen Antrag Brese ablehnen werden.
Meine Damen und Herren, nun wende ich mich dem Punkte zu, der wohl heute mit Recht im Mittelpunkt der ganzen Diskussion steht. Mein Herr Vorredner, Kollege Pohle, hat schon mit aller Begeisterungsfähigkeit und mit aller Leidenschaft zum Ausdruck gebracht, daß die Rentenerhöhung in der Sozialversicherung in der Tat das allervordringlichste Problem ist, das uns im Augenblick beschäftigen muß.
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- Herr Kollege Richter, Sie erwarten ja nicht, daß ich auf diesen etwas außerhalb der Klammer liegenden Einwand eingehe. Ich halte das für einen scherzhaften Einfall Ihrerseits.
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Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag, dem das ganze Haus Anfang März zugestimmt hat, nicht etwa deshalb eingebracht, um die Regelung und Lösung dieser Frage noch Wochen- oder monatelang hinauszuziehen, sondern es war uns bei allen vorangegangenen Diskussionen um diese Dinge genau so bitter ernst, wie es wohl irgendeinem in diesem Saale damit sein mag.
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Wenn wir heute bei der Beratung dieses Haushalts zu unserem Bedauern feststellen müssen, daß uns eine Vorlage darüber noch nicht zugegangen ist, dann möchte ich, und zwar auch hier in völliger Übereinstimmung mit meinen politischen Freunden, sagen: Für uns ist die vordringliche und beschleunigte Lösung dieser Frage im Rahmen unseres Antrages eine ganz unerläßliche Forderung.
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Es ist uns bekannt, daß im Bundesarbeitsministerium ein Gesetzentwurf zu dieser Frage ausgearbeitet ist, über den zur Zeit auch im Kabinett und zwischen den beteiligten Ministerien verhandelt wird. Unser Kollege Wuermeling hat voriger Tage bei der Verabschiedung des Gesetzes nach Art. 131 schon mit dem gleichen Nachdruck zum Ausdruck gebracht, daß es völlig unmöglich ist, für diesen Zweck die enorme Summe von mindestens 750 Millionen DM, morgen für sonstige Zwecke andere Millionenbeträge - mögen solche Forderungen noch so berechtigt und begründet sein, wie die nach einer Erhöhung der Beamtenbesoldung oder was immer es sein mag - bereitzustellen, die Sozialrentner aber zu vergessen. Wir können hier nicht Wünsche und Forderungen erfüllen lediglich für diejenigen, die in der Lage sind, hinter ihre Forderungen auch den entsprechenden Druck manchmal mit Demonstrationen zu setzen, sondern da bin ich mit Herrn Kollegen Pohle ganz einer Meinung: Es ist unsere wirklich verantwortungs({11})
schwere Pflicht, im Rahmen und im Ausmaß unseres Antrags jetzt vor allen Dingen den Menschen zu helfen, die in Dachstübchen und sonstwo hungernd sitzen und keine Möglichkeiten haben, sich der üblichen Mittel zur Durchsetzung ihres berechtigten Verlangens zu bedienen, und die cher dort verkümmern und verelenden. Es ist unsere menschliche Pflicht in diesem Bundestag, diese Forderung in aller Kürze zu erfüllen.
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Der Herr Bundesfinanzminister mag überzeugt sein, daß wir, wenn er uns Deckungsvorschläge macht, die wir selbstverständlich prüfen werden, mit derselben Verpflichtung, mit der wir die Erhöhung verlangt haben, auch diese Deckungsvorschläge akzeptieren werden, um damit der Pflicht dieses Hauses auch nach d e r Seite hin Genüge zu tun.
Meine Damen und Herren! Wenn wir die Vordringlichkeit dieser Regelung betonen - und der Herr Bundesarbeitsminister hat in einer Versammlung in Koblenz kürzlich schon erklärt, daß ein Gesetzentwurf über eine Übergangslösung in dieser Frage kommen werde -, so müssen wir aber zugleich darauf hinweisen, daß damit unserem Antrag noch nicht in vollem Umfange Rechnung getragen ist. Wir haben Verständnis für die Schwierigkeiten, die mit der Lösung des Gesamtproblems, also mit der Sanierung der Rentenversicherungen, zusammenhängen, und verstehen, daß man die Dinge nicht in einem Gesetzentwurf und in einem Zuge machen kann.
Was noch zu tun bleibt, ist dies: das in diesem einmütigen Beschluß des Hauses niedergelegte Verlangen zu erfüllen, daß man bei der Sanierung der Rentenversicherungen auch den Wiedergutmachungsansprüchen der Sozialversicherung gerecht wird. Das, was jetzt für die von uns geforderte Erhöhung der Renten um 25 % an Aufkommen erforderlich ist, macht an sich schon die immerhin erhebliche Summe von mindestens 1 Milliarde DM aus. Wenn wir verlangen, daß dafür der Bund einzustehen hat, dann eben in Vollstrekkung dieser Wiedergutmachungspflicht. Damit wollen wir keineswegs vom Versicherungscharakter dieser Rentenversicherungsträger abgehen. Wir begrüßen es, daß, dem Vernehmen nach, in dem vom Ministerium ausgearbeiteten Entwurf die Dinge schon wieder näher an das Versicherungsprinzip herangebracht werden.
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Wir wünschen, daß das in der endgültigen Sanierungsvorlage restlos geschehen kann.
Nun hat der Kollege Pohle hier einige Bemerkungen vornehmlich an die Adresse unserer verehrten Kollegin Kalinke gemacht. Aber Frau Kalinke befindet sich hier in einer Einheitsfront auf dieser Seite des Hauses.
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Wenn Sie damit haben sagen wollen, verehrter Herr Kollege Pohle, daß die Reform der Sozialversicherung nur in der Linie der von Ihnen angestrebten Einheitsversicherung erfolgen solle, dann wiederhole ich hier auch zum soundsovielten Male: An dieser Frage scheiden sich in diesem Hause die Geister!
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Die verehrte Frau Kollegin Schroeder hat bei der kurzen Debatte über den Zuschußbedarf für Berlin, die wir vorige Woche hier hatten, von dem „Unsinn" - so hat sie sich ausgedrückt - gesprochen, daß wir heute noch eine getrennte Invaliden- und Angestelltenversicherung haben.
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Ich will darauf nicht näher eingehen. Ich möchte aber folgendes aussprechen. Wir haben bei der Gestaltung des Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung durch die Tatsache, daß wir auch der Angestelltenversicherung ihre Träger zugebilligt haben, nicht nur eine organisatorisch-technische Frage regeln wollen, sondern das sollte von unserer Seite auch ein Bekenntnis zur Erhaltung der selbständigen Angestelltenversicherung sein.
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Nun noch kurz zu einigen anderen Fragen. Wenn ich nun schon an die Debatte der vorigen Woche erinnert habe, dann lassen Sie mich hier auch noch einmal sagen, daß in den Gesamtkomplex, der hier zu regeln ist, notwendigerweise auch die Rechtsangleichung auf dem Gebiet der Sozialversicherung in Berlin gehört. Ich wäre dankbar, wenn der Herr Bundesarbeitsminister in seiner abschließenden Stellungnahme auch ein aufklärendes Wort noch zu dem, was er früher gesagt hat, hinzufügen wollte, wie es denn jetzt um diese Verabredungen, Verwaltungsvereinbarungen oder wie man es nennen mag, in Berlin auch bezüglich dieser Frage steht. Ich erinnere mich einer Sitzung des Kriegsopferausschusses im vorigen Jahr, an der ich zufällig teilnahm, als über die Anwendung dieses Gesetzes auf West-Berlin gesprochen wurde. Damals hat Herr Oberbürgermeister Dr. Reuter in diesem Ausschuß zur Frage der Rechtsangleichung Berlins an die Bundesrepublik wörtlich zum Ausdruck gebracht: „Wenn wir A sagen, sagen wir auch B." Ich möchte wünschen, daß dieses „B" dem „A" bald folgen möge.
Hierher gehört auch die Frage der Zurückgabe oder der Verfügbarkeit der Vermögen der Sozialversicherung, die in Berlin blockiert sind. An dieser Stelle möchte ich den Wunsch zum Ausdruck- bringen, daß dem Antrag, den die Bundesregierung gemeinsam mit dem Senat der Stadt Berlin an die Besatzungsmächte gerichtet hat, mit tunlichster Eile stattgegeben wird; denn es ist unerläßlich, daß wir in Anbetracht der weiteren auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu lösenden Aufgaben auch über diese Vermögenswerte wieder verfügen können. Ich möchte das hier sehr deutlich betonen.
Lassen Sie mich aber noch eine Bemerkung in bezug auf den heute hier vorgelegten Antrag der SPD nachtragen; ich habe das eben vergessen. Ich verstehe nicht recht, warum Sie diesen Antrag heute noch einbringen, nachdem Sie neulich unserem Antrag Ihre Zustimmung gegeben haben.
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Es wird wahrscheinlich auch Ihnen bekannt sein,
daß man in der Zwischenzeit nicht untätig war.
Zur Zeit wird über diese Vorlage des Arbeitsministeriums im Kabinett verhandelt, und wir
geben der Hoffnung Ausdruck, daß das Kabinett
der einmütigen Meinungsäußerung dieses Hauses
Rechnung trägt, indem es diese Verhandlungen
in dem entsprechend beschleunigten Tempo führt.
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Ich kann mir nicht vorstellen, was wir nun heute
noch mit einem derartigen Antrag sollen, der ja
die Dinge nur in einem Bruchstück aufgreift, wenn
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wir fordern und damit rechnen, daß unser Beschluß von neulich in aller Kürze in einer Vorlage realisiert wird. Ich vermag also nicht einzusehen, aus welchem wirklich praktischen Grunde dieser Antrag heute noch vorgebracht wird.
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- Kollege Richter, die Leute kommen dadurch nicht eine Sekunde eher in den Genuß des Geldes als bei einer beschleunigten Realisierung der Vorschläge des Herrn Bundesarbeitsministers.
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Ich nehme an, daß der Herr Minister dazu gleich noch Stellung nehmen wird.
Hierhin gehört dann schließlich noch die ganz knappe Feststellung, daß angesichts dieser Sachlage für den Antrag der kommunistischen Fraktion erst recht kein Raum mehr bleibt. Wir werden diesen Antrag, weil er ja auch nur zum Teil die Bundesebene betrifft, ablehnen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch noch eine kurze Bemerkung zu Fragen des Arbeitsrechts machen. Wir haben es begrüßt, daß die Bundesregierung neulich den Gesetzentwurf über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung eingebracht hat. Wir möchten dem Wunsch Ausdruck geben, ,daß diese Gesetzesvorlage auch mit tunlicher Beschleunigung verabschiedet wird, weil die Wiedererrichtung einer derartigen Anstalt unbedingt notwendig ist. Heute wird vielfach über Auswüchse und über mißbräuchliche Ausnutzung der Arbeitslosenversicherung oder der Arbeitslosenfürsorge gesprochen. Wenn wir wieder eine Bundesanstalt haben und dann von dort aus diese Dinge einheitlich steuern und lenken können, halte ich es für möglich, daß damit auch eine ganze Reihe zu beklagender Mißstände beseitigt wird. Ins einzelne gehende Ausführungen zu dieser Vorlage gehören nicht hierhin, sondern in den zuständigen Ausschuß.
Nun darf ich noch mit Bezug auf das vorgestern verabschiedete Mitbestimmungsgesetz folgendes zum Ausdruck bringen. Meine politischen Freunde wünschen, daß auch das ebenfalls in der Ausschußberatung befindliche Betriebsverfassungsgesetz sehr bald zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt werden möge; aber es scheint mir notwendig, eins in diesem Zusammenhang zu sagen. Bei der Debatte über das Mitbestimmungsrecht ist so oft das Verlangen zum Ausdruck gebracht worden, daß dieses Gesetz kein Modellgesetz für künftige Lösungen sein dürfe. Ich benutze die Gelegenheit dieser Etatsdebatte, um das namens meiner politischen Freunde noch einmal mit allem Nachdruck zum Ausdruck zu bringen.
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Wir haben die Lösung in dieser Form für Kohle und Eisen anerkannt und dieses Gesetz von uns aus mitgefördert, gestaltet und beschlossen. Aber man mag zur Kenntnis nehmen, daß wir bei der Regelung für andere Branchen und Industriezweige eine Wiederholung dieses Musters nicht mitmachen werden.
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Das sage ich auch gegenüber den sehr laut erhobenen Forderungen aus der chemischen Industrie usw.
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Meine Damen und Herren, meine Zeit ist abgelaufen.
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- Meine Redezeit. Ich darf mit einem kurzen Hinweis schließen. Wir geben auch darüber unserer Freude Ausdruck, daß das Bundesarbeitsministerium die Beziehungen zu den ausländischen Staaten in dieser Weise gestaltet und gefördert hat. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß das Jahr 1951 den Wiedereinzug der Bundesrepublik Deutschland in das Internationale Arbeitsamt in Genf und seine Organisationen bringen möge.
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Meine Damen und Herren, bevor ich weiter das Wort gebe, möchte ich Herrn Abgeordneten Pohle darauf hinweisen, daß er offenbar Kriemhild und Brunhild verwechselt hat. Ich möchte nicht Kriemhilds Rache auf ihn herabbeschwören.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Arbeitsministeriums ist deshalb so wichtig, weil dieses Ministerium für Jahrzehnte mit seiner Arbeitsleistung verantwortlich dazu beiträgt, daß der Aufbau in unserem deutschen Vaterlande in Freiheit und weiter in einem Lande erfolgen kann, in dem der soziale Friede gesichert ist. Das Arbeitsministerium hat eine bose Hypothek übernommen. Es hatte die Rechtszersplitterung zu beseitigen, die in der Zeit nach dem Zusammenbruch entstanden ist, und es hatte eine neue Gesetzgebung vorzubereiten und zu schaffen, die ein „Höchstmaß an sozialer Sicherstellung" nach den Prinzipien der Freiheit und der Selbstverantwortung garantiert. Das Ministerium ist kein rettender Engel für alle Nöte, die sich aus den großen sozialen Schwierigkeiten der Nachkriegszeit ergeben haben. Das Ministerium wird auch nicht in der Lage sein, etwa nach jenen psychologisch so oft falsch verstandenen Prinzipien einer „sozialen Sicherheit für alle" ein solches Höchstmaß an sozialer Sicherstellung zu schaffen. Ich muß aber im Namen meiner politischen Freunde sagen: wir wünschen, daß auch in Zukunft die Arbeit des Herrn Bundesarbeitsministers und seiner im letzten Jahr so überaus belasteten Mitarbeiter von der Grundhaltung und der Erkenntnis getragen wird, daß eine umfassende Staatsfürsorge, die eine staatliche Hilfe für alle und für alle Lebenslagen schafft, nicht etwa dazu dient, die sozialen Spannungen unserer Zeit zu lösen, sondern vielmehr dazu beitragen könnte, daß in den einzelnen noch mehr jenes Bewußtsein entsteht, daß der Staat der Helfer in allen Lebenslagen ist und daß damit im einzelnen der notwendige Wille zur Selbsthilfe und zur Selbstverantwortung noch mehr ertötet wird. Der Herr Kollege Pohle hat mit Recht charakteriert, daß „die Verwaltungsmühlen sehr langsam mahlen." Er hat das in Abwandlung eines Bibelwortes getan, das allerdings nicht die Verwaltungsmühlen, sondern „Gottes Mühlen" gemeint hat. Nun, auch wir sind der Auffassung, daß die Mühlen des Arbeitsministeriums nicht immer Gottes Mühlen waren. Wir hoffen aber, daß der Geist, der bei der Arbeit des Ministeriums immer über allen Dingen stehen möge, doch ein Geist ist, der von der Verantwortung getragen ist, die nicht nur mit Worten, sondern eben mit Taten bewiesen werden muß.
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Die große Debatte, die um das Bundesversorgungsgesetz und seine Durchführung hier entfacht wurde, ist wahrhaft ernst genug. Sie ist so ernst, daß auch meine Freunde gemeinsam mit dem Kollegen Bazille - und ich meine, mit allen politischen Parteien in diesem Hause-glauben, daß es unmöglich ist, die Prinzipien des Bundesversorgungsgesetzes so, wie sie die Bundesregierung vertreten haben möchte, durch Anwendung fiskalischer Grundsätze in den Ländern zu verwässern, ja, in das Gegenteil umzukehren. Wir verwahren uns hier mit aller Entschiedenheit dagegen, daß das, was in dem Bundesversorgungsgesetz als fortschrittlichem sozialpolitischem Werk der Bundesregierung geschaffen wurde, in den Ländern infolge mangelnder Bereitschaft zur Durchführung der Bundesgesetze nicht zur Verwirklichung kommt. Wir glauben, daß eine sehr große Gefahr in einem falsch verstandenen Föderalismus liegt, der zu schweren, lebensgefährlichen Krankheitserscheinungen im Verhältnis der Länder zum Bund führen könnte, und daß diejenigen, die solche Verantwortung nicht spüren, den wahren Gedanken des Föderalismus zu Tode reiten. Wir erwarten, daß die verantwortlichen Vertreter der Länder -ich bedaure sehr, daß die Bank des Bundesrates völlig leer ist - begreifen, daß sie auf Grund der Bestimmungen im Grundgesetz für die Durchführung der Gesetze die Verantwortung tragen.
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Das trifft nicht nur zu für das Bundesversorgungsgesetz, das trifft weitgehend auch zu für das Heimkehrergesetz und für alle die Maßnahmen, die die Bundesregierung mit ihrer Gesetzgebung getroffen hat, um die schweren sozialen Schäden der Nachkriegszeit zu beseitigen. Ich habe gerade in diesen Tagen gehört, welche unerträglichen Folgen die Verschleppungstaktik hat, welche Schwierigkeiten sich aus der Bestimmung über die Genehmigung von Beihilfen zur Berufsausbildung der Heimkehrer ergeben.
Ich möchte auch noch auf einen Punkt hinweisen, bei dem unseren Freunden in Berlin Gelegenheit gegeben worden ist, zu bekennen, daß sie es mit der Anpassung und der Gegenseitigkeit ernst meinen. Ein Heimkehrer aus dem Bundesgebiet, der in Berlin studiert, kann eine Beihilfe erhalten, aber ein Heimkehrer aus Westberlin, der im Bundesgebiet studieren möchte, hat diese Möglichkeit nicht.
Der Herr Kollege Horn hat bereits auf die Notwendigkeit der Anpassung Berlins und darauf hingewiesen, daß dem einmal gesprochenen A das B folgen muß. Ich möchte die heutige Deb atte nicht benutzen, um diese Diskussion zu verbreitern, obwohl unendlich viel dazu zu sagen wäre.
Herr Kollege Pohle hat auf das Selbstverwaltungsgesetz hingewiesen, hat kritisierend dazu Stellung genommen und erklärt, daß es nicht so ausgefallen ist, wie es sich seine Freunde vorgestellt haben. Ich glaube, gerade die Debatten dieser Tage in dem Hohen Hause haben gezeigt, daß die Verantwortung, wie sie sich in der paritätischen Besetzung der Organe, aber mehr noch in der paritätischen Verantwortungsbereitschaft zeigt, da wo es gerade beliebt, übernommen wird, die Übernahme der Verantwortung aber dort abgelehnt werden kann, wo es weniger zweckmäßig erscheint, wo es um die Vertretung irgendwelcher anderer Prinzipien geht. Grundsätzlich können wir nur sagen, daß die Verantwortung zur gemeinsamen Lösung der Probleme sowohl in der
Wirtschaft wie in der Sozialpolitik unteilbar ist. 1 Man kann nicht sagen, man lehnt sie in der Selbstverwaltung ab, während man sie z. B. in der Mitwirkung und Mitbestimmung konsequent fordert. Ich möchte hinzufügen, daß meine Freunde vom Herrn Bundesarbeitsminister erwarten, daß er alle ihm möglichen und zur Verfügung stehenden Maßnahmen ergreifen wird, um die Durchführung des Selbstverwaltungsgesetzes zu gewährleisten. Meine Freunde waren auch in den letzten Jahren in den Ländern die Vorkämpfer der Beseitigung einer unheilvollen Rechtszersplitterung,
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die nicht immer aus dem Willen entstand, Gutes zu schaffen, sondern oft auch aus dem Willen,
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eine Partei- und Machtpolitik zu betreiben, was sich dann oft verhängnisvoll auswirkt. Wir hoffen, daß der Herr Arbeitsminister dafür sorgen wird, daß auch in Bremerhaven das Recht der Bundesrepublik endlich wieder gilt, und daß in der Wiedergutmachung, die dort zu erfolgen hat, die Senatoren des Landes Bremen zu dem stehen, was sie als ihren eigenen Antrag im Vermittlungsausschuß gebracht und wir übernommen haben.
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Wir hoffen, daß in der weiteren Auseinandersetzung um die Selbstverwaltung die Prinzipien der Freiheit so weit wie nur möglich beachtet werden, damit sich das hohe Prinzip der Selbstverantwortung der Versicherten und ihrer Arbeitgeber endlich auswirken kann.
Auch meine Fraktion hat ihren Antrag zur Erhöhung der Renten, den ich hier im Bundestag von dieser Stelle aus begründen durfte, als unabdingbare Forderung in hoher politischer Verantwortung gestellt. Ich möchte dem nur noch hinzufügen, daß es darum geht, festzustellen, - und ich stehe zu jedem Wort, Herr Kollege Pohle, das ich in der Begründung gesagt habe -, daß für diejenigen, die Beiträge geleistet haben, andere Prinzipien gelten müssen als für diejenigen, die sich auf den Staat und seine Fürsorge verlassen, und daß wir nicht damit einverstanden sind, etwa in der Presse diskutierte Möglichkeiten anzuerkennen, von dem Grundsatz auszugehen, daß eine Erhöhung des Konsums der Rentner nicht erfolgen dürfe. Wir wissen, daß viele Rentner überhaupt noch keine Möglichkeit hatten, am Konsum teilzuhaben. Wir sind auch nicht damit einverstanden, daß Versuche mit Verbilligungs- und Wohlfahrtsscheinen etwa bei dem Rentner angestellt werden, der sich auf Grund einer Beitragsleistung einen Rechtsanspruch erworben hat. Wir hoffen, daß die Vorlage des Arbeitsministeriums unseren Wünschen und unseren Gedankengängen Rechnung tragen, also nach den Prinzipien der Versicherungsgerechtigkeit auf gebaut sein wird. Dazu gehört dann auch, daß bei der Neuordnung der Rentenversicherung, von der hier gesprochen ist, bei der Sanierung der gesetzlichen Rentenversicherung die Grenzen des Versicherungszwangs von den Verantwortlichen gesehen werden. Wir wundern uns zwar, daß dieses Problem im sozialpolitischen Ausschuß von seinem Vorsitzenden noch nicht zur Diskussion gestellt wurde, wir sind aber der Meinung, daß es gut ist, daß im Arbeitsministerium in maßvoller Weise und verantwortungsbewußt Untersuchungen durchgeführt werden, die sich darauf beziehen.
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- Sie haben nachher Gelegenheit, Herr Richter, eine Erklärung abzugeben, warum Sie einen Rückzieher machen!
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Wir sind außerdem der Auffassung, daß die Altersversorgung unserer Handwerker sehr bald geregelt werden muß. Wir glauben, ohne auf Einzelheiten dieser Materie einzugehen, daß uns das Bundesarbeitsministerium in dieser Frage sehr bald konstruktive Vorschläge unterbreiten wird.
Was die Angestelltenversicherung angeht, so muß ich in diesem Punkte den Herrn Arbeitsminister bitten, doch nun von seiner behutsamen Weise der Stellungnahme einmal abzugehen und endlich klar zu bekennen, daß dem Willen nicht nur der Regierungsparteien, sondern auch der deutschen Angestellten hier endlich Rechnung getragen werden wird. Wir hoffen, daß der Herr Bundesarbeitsminister auch in der Angelegenheit der Errichtung der Bundesanstalt in Berlin ein Fürsprecher der deutschen Angestellten sein wird. Unsere Minister haben im Kabinett diese Frage immer wieder angegriffen, weil die Bundesanstalt zu gleicher Zeit notwendigerweise nicht nur der Angestelltenversicherung als Versicherungsträger, nicht nur den Angestellten für die Erhaltung ihrer Versicherung, sondern auch den vielen Berliner arbeitslosen Angestellten dienen wird, die dort einen Arbeitsplatz finden werden.
In sehr engem und nicht lösbarem Zusammenhang mit den Problemen der Sanierung der Rentenversicherung steht das Problem des Beitragseinzugs. Wir hoffen, daß unser gut und ausführlich begründeter, im Ausschuß zuruckgestellter Antrag zur zweiten Lohnabzugsverordnung nun endlich zu einer besseren Beitragsgestaltung und einer gerechteren Gestaltung des Verhältnisses von Beiträgen zu Leistungen in der Rentenversicherung führen wird. Wir haben gerade bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Höherversicherung in der Angestellten- und Invalidenversicherung festgestellt, daß ein sauberes Verfahren nur durch die Einführung neuer Marken möglich ist, und in diesem Hause ist mit Mehrheit sowohl dieses Verfahren wie auch die Höherversicherung beschlossen worden. Wir sind der Auffassung, daß wegen der angespannten Finanzlage der Rentenversicherungsträger nicht mehr länger darauf verzichtet werden kann, Beitrag und Leistung in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. Dazu gehört, daß man bei der Berechnung der Beitragsleistungen der Rentenversicherung nicht mehr von der Möglichkeit und den Vorschriften der Krankenversicherung ausgeht. Die Beitragsleistung ist vielmehr so anzupassen, wie es in der Vergangenheit durch das Markenverfahren nach den Prinzipien eines gerechten Versicherungswesens möglich war. Schon der Gedanke an die Sicherheit sowohl für die Verwaltung der Rentenversicherungsträger und den Staat wie auch für die Versicherten selber mußte dazu führen, daß die zweite Lohnabzugsverordnung entsprechend unserem Antrag so schnell wie möglich beseitigt wird. Wir hoffen auch, daß der Grundsatz der Gleichberechtigung der Frau, der im Grundgesetz niedergelegt ist, nun endlich auch in der Sozialversicherung verwirklicht wird, und wir erwarten außerdem, daß in der Vorlage die Ungerechtigkeiten der §§ 1274 RVO und 40 AVO im Hinblick auf die Anrechnung von Renten verschwinden.
Ein Wort noch zur Rentnerkrankenversicherung. Herr Pohle hat auf die großen Gefahren hingewiesen, die in Nordrhein-Westfalen durch die Zulassung neuer Innungskrankenkassen drohen sollen. Er hat sich in diesen Ausführungen wohl auf die „Westfalenpost" bezogen, die behauptet, daß gerade die Ortskrankenkassen durch die Zulassung neuer Kassen besonders belastet werden, weil eben sie die Rentner versorgen müssen. Wir freuen uns, hier feststellen zu können, daß alle Kassen aller Art immer wieder verlangt haben, ihre Rentner selbst zu betreuen. Meine Fraktion bejaht den Grundsatz, daß jeder Rentner, auch im Alter zur Zeit des Rentenempfangs, bei der Kasse versichert sein soll, der er in den Zeiten der Arbeitsleistung Beiträge gegeben hat. Wir verstehen nicht, daß dieselben Ortskrankenkassen, die diese Auffassung vertreten, andererseits von dem Prinzip ausgehen, eine Rentnerkrankenversicherung sei nur bei der Ortskrankenkasse möglich.
Ich hätte sehr gern noch zu den großen, entscheidenden Aufgaben, den Gemeinschaftsaufgaben der Sozialversicherung, dem vertrauensärztlichen Dienst, der notwendigen Früh-Erfassung von Krankheiten und zu den großen sozialpolitischen Aufgaben, die in der Zukunft für uns gestellt sind, etwas gesagt. Ich bedauere, daß durch die Festlegung einer Redezeit hier nicht die Möglichkeit gegeben ist, bei einem so wichtigen Ministerium auf all die Probleme einzugehen, die auch in der zukünftigen Gestaltung der Sozialpolitik bestimmend sein werden für das Schicksal nicht nur Deutschlands, sondern für die Gewinnung eines wahren sozialen Friedens in der europäischen Völkergemeinschaft.
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Frau Abgeordnete, eine kurze Berichtigung. Sie haben das strapazierte Wort „Gottes Mühlen mahlen langsam" in der Bibel gesucht. Es stammt aus den „Sinngedichten" von Friedrich von Logau aus der Mitte des 17. Jahrhunderts.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion hat im November 1949 die Reform der Sozialversicherungsgesetzgebung gefordert. Dabei haben wir drei Ziele herausgestellt: die Erhöhung der Rentenleistungen, die Verbesserung der Krankenkassenleistungen, auch der Leistungen für die Krankenkassenärzte und die Einsparung an Verwaltungskosten und -ausgaben. Dieser unser damaliger Antrag, der erste, der sich mit dem Problem der Reform der Sozialversicherung beschäftigte und hier eingebracht worden ist, hatte dann das Schicksal, daß er im Ausschuß und später im Bundestag beerdigt wurde. Im Sommer 1950, genauer gesagt: am 29. Juli, hat dann die SPD das Problem der Sozialversicherung, der Notwendigkeit der Rentenerhöhung, aufgegriffen mit dem Ergebnis, daß dieser Antrag der Bundesregierung und dem zuständigen Ministerium als Material überwiesen worden ist. Also mindestens seit Juli 1950 liegt ein konkreter Auftrag an das Bundesarbeitsministerium vor, nachdem man unsern Antrag vom November 1949 abgewürgt hatte, das Problem der Sozialversicherungsgesetzgebung anzupacken und zu lösen.
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Dann hat am 22. Februar dieses Jahres, nachdem sich die Regierung nicht geregt hat, die Fraktion der CDU/CSU den berühmten und berüchtigten Antrag eingebracht, in dem eine Erhöhung der Rentenbezüge um 25% gefordert wird. Am 22. Februar! Und heute haben wir April! Dieser Antrag wurde, verbunden mit einer Interpellation der SPD, meines Wissens am 1. März dieses Jahres behandelt. Der Ausgang war der: Der Regierung wurde ein Beschluß des Bundestages zugeleitet, der lautete, daß eine 25%ige Rentenerhöhung durchgeführt werden solle. Aber was hat sich bei dieser Geschichte herausgestellt? - Ich greife das an dieser Stelle auf, damit es mir ja nicht entgeht. - Was erlebten wir damals bei der Beratung? Damals hat die Sprecherin der SPD, Frau Kollegin Korspeter, mit Recht heftige Angriffe gegen das saumselige Arbeiten des Arbeitsministeriums vorgebracht. Die CDU reagierte mit der Feststellung - immer laut Protokoll nachzulesen -, daß ja die Sozialdemokratie in den Ländern für die Politik der Länder auf diesem Gebiet verantwortlich sei und bisher die Länder allein auf diesem Gebiet zuständig wären. Heute erleben wir im Zusammenhang mit der Kriegsopferversorgung noch eine neue Variante dieses Spiels um die angebliche Verantwortlichkeit. Heute erleben wir, daß Sozialdemokraten und CDU für die wirklich jammervolle Art der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes die Landesbehörden verantwortlich machen.
Nun, das stimmt doch nicht. Man wußte doch ganz genau, welche Möglichkeiten dieses Bundesversorgungsgesetz den Landesbehörden gab. Wir haben ja bei der ersten Lesung dieses Gesetzes genau und klar auf diese Möglichkeiten hingewiesen. Wir haben damals die Frage gestellt: Ist eine Umanerkennung beabsichtigt, wird also in jedem Rentenfall auf Grund des neuen Gesetzes ein neuer Rentenbescheid erteilt? - „Jawohl!", hat man uns gesagt. Das haben wir mit der Feststellung quittiert, daß dann zwingend dieses neue Gesetz zu einer Rentenquetsche werden müsse. Der Erfolg ist da! Im Lande Nordrhein-Westfalen lagen im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes 200 000 alte, unerledigte Rentenanträge vor. Statt nun diese alten Rentenanträge vorzunehmen und zu erledigen, hat man sich in Überstundenarbeit auf dieses neue Gesetz gestürzt mit dem Ergebnis, das hier zu recht heftigst beklagt worden ist. Aber man wußte das doch, und die Behörden haben doch nur das ausgenutzt, wozu ihnen dieses Gesetz eine Möglichkeit gab, nämlich Geld einzusparen, die Kriegsopfer in ihrer Gesamtheit soundso viel schlechter zu stellen, als das vordem der Fall war.
Wir haben ja schon vor Monaten auf dieses Riesenantragsformular hingewiesen, das nach dem hier bereits einmal von Herrn Kollegen Bazille zitierten Artikel in 70 verschiedenen Vordrucken und Fragebogen, die bis zu 65 Fragen enthalten, ausgefüllt werden muß. Auch das ist nicht eine kommunistische Hetze, wenn ich es hier feststelle. Dieser Fragebogen war nun meines Wissens im Bundesarbeitsministerium schon im November oder Dezember vorigen Jahres fertig. Er war also schon fertig, bevor noch das Gesetz überhaupt in Bearbeitung genommen wurde.
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- Ja, das beweist, daß Sie in der Beziehung gut
gearbeitet haben, daß Sie diese Formulare vorausahnend erdacht haben, deren Beantwortung einem
normalen Sterblichen außerordentlich große
Schwierigkeiten macht. Da fehlt nämlich fast nichts mehr außer etwa der Angabe über die Halsweite; sonst ist da alles drin: Vermögen, eigenes Einkommen, Einkomen der Frau, Einkommen der Kinder, Einkommen aus Renten. Warum das alles? Sie wußten doch, daß diese Einkommen alle auf die Renten angerechnet werden. Wir haben Sie doch vor diesen Auswirkungen gewarnt! Sie wußten doch, was kam, daß z. B. - ich zitiere da das Organ „Reichsbund" -, die Bestimmungen über die Elternrente dazu führen müßten, daß mindestens 400/o aller bisherigen Empfänger von Elternrente keine Renten mehr oder nur noch Teilrenten erhalten würden. In dem zitierten Artikel des Herrn Kollegen Bazille heißt es an einer Stelle:
Was soll man aber weiter dazu sagen, wenn
man als Auftakt der Umanerkennung einer
86jährigen Kriegermutter, die im letzten Krieg
4 Söhne verloren hat, die Rente entzieht?
Der Fall ist meines Wissens in Köln passiert. Die Frau hatte, soviel wir informiert sind, ganze sechs Mark mehr an Einkommen, als sie haben durfte, um in den Genuß der Kriegerelternrente zu kommen.
So liegen doch die Dinge. Und wenn dieses Gesetz, das „Gesetz des guten Willens", das man ja bei der Verabschiedung nicht genug mit Vorschußlorbeeren belegen konnte,
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zu einer Katastrophe für die Kriegsopfer wurde, dann kommen Sie mir heute ja nicht mit der Feststellung, daß die Landesbehörden daran schuld seien. Die Landesbehörden könnte man, da man sie ja in der Frage der geldlichen Bezuschussung in der Hand hat, schon zwingen, wenn man wollte, eine - angeblich gewollte - saubere und gute Durchführung dieses Gesetzes vorzunehmen.
Ich darf bei der Gelegenheit aber noch auf eines hinweisen. Im November 1949 haben wir Kommunisten den Antrag gestellt, die Rentenbezüge von damals um 60 % zu erhöhen. Wir haben im Dezember 1949 den Antrag gestellt, eine dreizehnte Monatsrente zu bewilligen. Wir haben im Februar vorigen Jahres den Antrag gestellt, ein Überbrükkungsgesetz zu schaffen. Alle Anträge wurden abgelehnt. Wir wußten ganz genau, wie lange die Kriegsopfer warten müßten, bis das neue Gesetz durchgeführt wird. Drei oder vier Jahre werden wahrscheinlich noch darüber vergehen, bis der letzte auf Grund dieses neuen Rentengesetzes seinen Umanerkennungsbescheid oder seinen Erstbescheid in der Hand hat. Wir waren als einzige Organisation für das Prinzip der ungeteilten Rente. Wir haben uns bei der endgültigen Verabschiedung des Gesetzes als einzige Fraktion gegen die Anrechnung des Einkommens aus Arbeit und sonstigen Einkommens - Einkommen aus Vermögen und aus Rentenbezügen der Invaliden- und Angestelltenversicherung - gewendet. So liegen die Dinge. Also kommen Sie doch heute nicht mit der Klage, die bösen Landesbehörden seien dafür verantwortlich, daß es draußen diesen - berechtigten - Sturm der Empörung gibt, der die Leitung dieser Organisation - des VdK - zu diesem Artikel gezwungen hat: „Der Zug führt in den Abgrund!" Die Einleitung hat Herr Kollege Bazille ja vorgelesen.
Ich möchte an dieser Stelle nur feststellen: Wir haben weder Illusionen gehabt bei der Verabschiedung des Gesetzes, noch haben wir draußen bei den
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Kriegsopfern Illusionen erzeugt. Aber darf ich daran erinnern: als wir uns bei der Endabstimmung der Stimme enthalten haben, wie hat man uns da draußen in der Öffentlichkeit für diese angebliche Ablehnung des Gesetzes durch den Dreck gezogen!
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Wir wußten, was los ist, was das Gesetz bedeutet; wir wußten z. B., daß es in der ganzen französisch besetzten Zone eine generelle Verschlechterung der Rentenbezüge bringt. Nun will ich einmal den Versuch machen, diese unsere Feststellungen durch Protesterklärungen zu erhärten, die Ihnen ja genau so wie mir aus dem Lande zugehen - vielleicht bekommen Sie noch einige mehr, weil Sie ja die für dieses Gesetz Verantwortlichen sind.
Herr Kollege Renner, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich bin gleich fertig!
Was schreiben uns die Organisationen der Kriegsopfer? Da schreibt uns eine:
Wir protestieren gegen die unglaublichen Preissteigerungen bei allen Konsumgütern des täglichen Lebens, insbesondere bei den Lebensmitteln. Wir protestieren daher gegen die Politik: „Kanonen statt Butter, zuerst Soldaten und dann die Ernährung für das minderbemittelte Volk!" Wir protestieren gegen die Politik des Bundeswirtschaftsministers.
So liegen doch die Dinge. So kann ich Ihnen aus Hunderten von Resolutionen vorlesen, die Sie genau so gut kennen und die Sie genau so gut auswerten könnten, wenn Sie wollten, wie ich das heute versuche. Aus diesen Resolutionen können Sie erkennen, wie groß die Erbitterung draußen ist.
Ein Wort genereller Art noch zu den bisher erfolgten Erhöhungen. Werden Sie sich doch darüber klar: Solange Sie es nicht fertigbringen, die Länder bzw. die Kommunen davon abzuhalten, das, was Sie hier eventuell an Verbesserungen zulegen, an den zusätzlich gezahlten Wohlfahrtsunterstützungen wieder in Abzug zu bringen, solange Sie also nicht die Politik verhüten, die man in den Satz kleiden kann: „Was Bonn gibt, wird in den Gemeinden den Erwerbslosen, den Wohlfahrtsunterstützungsempfängern, den Invaliden an zusätzlicher Wohlfahrtsunterstützung wieder abgenommen", solange Sie also hiermit nicht Schluß machen, wird es nicht anders werden. Aber Sie wollen ja damit offenbar nicht Schluß machen; denn wir haben zu diesem Problem bereits zu Beginn des vorigen Jahres einen Antrag gestellt, der heute noch in der Schublade des Herrn Bundesarbeitsministers liegt. So liegen die Dinge. Als wir seinerzeit verlangt haben, -
Herr Abgeordneter Renner, kommen Sie zum Schluß!
Ich darf nur noch zwei Sätze sagen; dann bin ich fertig. - Als wir seinerzeit eine Erhöhung der Bezüge der Erwerbslosen um 30 % verlangt haben, da ist dieser Antrag laut Protokoll bei Stimmenthaltung der Sozialdemokraten abgelehnt worden. So liegen doch die Dinge.
Weil wir diesen Dreh nicht mitmachen, daß heute versucht wird, für das Elend draußen im Lande untere, mittlere Behörden und Organe verantwortlich zu machen, die ja letzten Endes Blut von Ihrem eigenen Blute sind, die ja genau so von CDU/CSUMehrheiten beherrscht werden wie etwa die Regierung im Lande Nordrhein-Westfalen, solange Sie diesen Dreh versuchen, haben Sie bei uns kein Glück. Wenn Sie wirklich etwas tun wollen, -
Herr Abgeordneter Renner, kommen Sie zum Schluß.
- dann nehmen Sie den Antrag an, den Sie ja in der Sache bereits am 22. Februar selber gestellt haben.
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Wir lehnen den Etat des Bundesarbeitsministeriums und den zusätzlichen Etat ab,
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und zwar nicht etwa, weil wir gegen die darin enthaltenen Sozialversicherungsleistungen wären, sondern weil sie uns ungenügend erscheinen. Um den in unseren Augen und in den Augen von Millionen von Invaliden- und Angestelltenrenten-Beziehern für diese Politik der Verelendung Verantwortlichen zu treffen und um ihm das gebührende Mißtrauen auszusprechen, stellen wir den Antrag, sein Amtsgehalt im Etat zu streichen.
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- Nein, ich rede von Ihnen und Ihrem Herrn Arbeitsminister, Herr Strauß,
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über den ja auch seine eigenen Gewerkschaftskollegen, zu denen ich auch nicht gehöre, bereits ein Urteil gesprochen haben,
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indem sie mehrfach, sogar in seinem eigenen Wahlbezirk, Anträge auf Ausschluß aus den Gewerkschaften gegen ihn gerichtet haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe nicht, warum der Herr Vorredner sich so ereifert und angesichts der so mäßig besetzten Tribüne und auch des Hauses einen solchen Stimmaufwand für angemessen hält, der doch nachher im Protokoll nicht besonders vermerkt wird.
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Nun zur Sache: Ich weiß, Herr Kollege Renner ist ein sehr guter - und deswegen auch von mir geschätzter - Sozialpolitiker. Das haben wir im Ausschuß gemerkt. Aber ich glaube, daß er eine Ausnahme in der Organisation seiner ideellen Richtung ist. Wenn er nämlich keine Ausnahme wäre, dann müßten die von ihm hier vertretenen Grundsätze auch dort Richtschnur sein, wo seine Freunde die Gesetzgebungsmaschinerie allein in der Hand haben.
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Da stellen wir plötzlich mit Erschrecken fest, daß z. B. in der Sowjetzone ein hundertprozentig Beschädigter nur 50 Ostmark bekommt, d. h. den Kaufwert von 8 DM-West.
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Sehen Sie, meine Damen und Herren, hier glaube ich doch, daß Herr Renner nicht als der Sprecher seiner Kommunistischen Partei zu betrachten ist, sondern als ein Ausnahme-Sozialpolitiker seiner Partei.
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Dieser Haushalt des Herrn Bundesarbeitsministers gibt Gelegenheit zu einer generellen Debatte über sozialpolitische Probleme, und das ist sehr gut und sehr richtig. Ich möchte hier speziell auf die Kriegsopferversorgungsfragen eingehen. Ich gebe Herrn Kollegen Bazille recht, daß leider das Vertrauen, das wir durch das Bundesversorgungsgesetz in den Kreisen der Kriegsopfer gewonnen hatten, infolge der schleppenden Ausführung des Gesetzes und durch eine Verfälschung und Umdeutung des Willens des Gesetzgebers durch eine Bürokratie mehr und mehr im Schwinden ist. Der Herr Bundesarbeitsminister hat hier selbst erklärt, daß hierfür nach dem Grundgesetz in erster Linie die Länder verantwortlich seien. Wenn ich hier z. B. feststelle, daß einzelne Länder gegen die Empfehlung des Bundestages, zunächst die Rentenumstellung der achtzigprozentig und mehr Beschädigten, der Witwen mit drei und mehr Kindern, der Waisen vorzunehmen, umgekehrt verfahren sind, dann muß ich sagen: Hier liegt ein erheblicher Verstoß gegen Moralgrundsätze, aber auch gegen politische und sozialpolitische Grundsätze vor, wie sie der Gesetzgeber anläßlich der zweiten und dritten Lesung hier zum Ausdruck gebracht hat.
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Herr Kollege Bazille, wir müssen aus dieser Kritik die Konsequenzen ziehen. Wenn wir sehen, daß es in der bisherigen Form nicht geht, dann müssen wir neue Wege suchen.
Diesen neuen Weg erlaubt sich die FDP-Fraktion Ihnen hier aufzuzeigen. Wir legen Ihnen ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vor, und zwar des Inhalts, daß die Bundesverwaltung auch für die Kriegsopferversorgung eingerichtet wird. Das Gesetz hat folgenden Wortlaut:
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949.
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
§ 1
Artikel 87 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 erhält folgende Fassung:
In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundesverwaltung des Kriegsopferwesens, die Bundeseisenbahnen, die Bundespost und nach Maßgabe des Artikels 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schiffahrt.
§ 2
Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Meine Damen und Herren! Damit würde eine erhebliche Verbesserung eintreten. Ich will Ihnen schlagwortartig nur kurz sagen, was diese Grundgesetzänderung zur Folge hätte:
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Erstens eine zentrale Regelung in allen Versorgungsangelegenheiten. Zweitens die Möglichkeit,
Weisungen und nicht nur Empfehlungen zu geben,
und zwar an die Versorgungsdienststellen unmittelbar, um die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes in dem vom Bundestag und seinem Kriegsopferausschuß gewollten Sinne zu gewährleisten. Zur Zeit können an die Länder leider nur Empfehlungen gegeben werden, und Sie haben ja den Ausführungen des Bundesarbeitsministers entnommen, wie selbst das Verwaltungsabkommen nicht zustande gekommen ist, das mit den Arbeitsministern der Länder geplant war. Drittens die Möglichkeit, die Bundesaufsicht nicht nur auf die Gesetzmäßigkeit, sondern auch auf die Zweckmäßigkeit der Verwaltungsakte der unteren Dienststellen auszudehnen. Sehen Sie, Herr Renner, hier könnte sich z. B. in dem Fall der 86jährigen Witwe in Köln im Rahmen einer Überprüfung auch der Zweckmäßigkeit das Bundesarbeitsministerium einschalten. Jetzt kann es das nicht.
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Viertens die Möglichkeit, die Vorprüfung durch Bundesorgane schon in der Mittelinstanz durchführen zu lassen. Fünftens Beschleunigung des Verwaltungsganges durch Ausschaltung der Länderministerien. Sechstens erhebliche Verbilligung durch Beseitigung der Länderministerialinstanzen. Siebentens weitere Verbilligung der Verwaltung durch Zusammenlegung von kleineren Landesversorgungsämtern. Achtens weitere Möglichkeit der Verbilligung durch Zusammenfassung von Landessozialgerichten. Neuntens Schaffung eines einheitlichen Beamtenkörpers, der nach Grundsätzen ausgebildet ist, die die Gewähr für eine sachgemäße Erledigung der Aufgabe bieten. Zehntens: Schwierigkeiten mit den Länderfinanzministern über die Aufbringung der Verwaltungsausgaben in den Bundeshaushalten und in den Länderhaushalten fallen weg. Und elftens: Schwierigkeiten und die Auseinandersetzung mit den Ländern über die Bewirtschaftung früheren Reichsvermögens kommen in Wegfall.
Meine Damen und Herren! Man soll hier von diesem Platz nicht nur Kritik üben; man soll auch konstruktive Verbesserungsvorschläge machen, und wir glauben, mit diesem Gesetzentwurf Ihnen einen solchen konstruktiven Verbesserungsvorschlag gemacht zu haben. Im übrigen wird er ja nach den Erfahrungen der 20monatigen Tätigkeit nur der Anfang sein zu einer allgemeinen Revision des Grundrechtskatalogs der Kompetenzen dahingehend, nunmehr aus den Erfahrungen der Vergangenheit zu lernen und den Föderalismus dort abzubauen, wo er sich in der Praxis selbst stranguliert hat.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch an den Herrn Bundesarbeitsminister, über dessen gute Arbeit wie über die gute Arbeit des Ministeriums hier gar keine Meinungsverschiedenheiten herrschen dürften, einen Appell richten. Wir haben im Kriegsopferausschuß bewußt alle Verhandlungen stenographisch festgehalten, und es war das Verdienst des leider zu früh verstorbenen Vorsitzenden, des Kollegen Leddin, daß hier mit aller Peinlichkeit der Wille des Gesetzgebers für eine spätere Interpretation festgehalten wurde. Wir haben das Gefühl, daß in den Verwaltungsvorschriften, den Ausführungsbestimmungen jenem Willen des Gesetzgebers nicht immer Rechnung getragen ist und es hier zu mancher Umdeutung und Verfälschung kommen könnte. Wir bitten daher den Herrn Bundesarbeitsminister, die stenographischen Protokolle des Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenausschusses
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immer wieder zur Interpretation der einschlägigen Bestimmungen heranzuziehen.
Das gleiche gilt für das Heimkehrergesetz. Gerade die Novelle, die in Arbeit ist, muß das wieder gutmachen, was leider in Ausführung des Heimkehrergesetzes durch die Länder verfälscht wurde.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich mit einer Feststellung schließen. Ich weiß, daß die Verbände, die an dem Gesetz mitgearbeitet haben - VdK, Reichsbund, Bund der Hirnverletzten -, die Entwicklung draußen jetzt mit erheblichem Miß- trauen verfolgen und demonstrieren, und das mit Recht. Aber diese Demonstrationen richten sich oft an den falschen Adressaten, nämlich an den Bund, während sie sich an die Länder richten sollten, die für diese Mißstände doch in erster Linie verantwortlich sind, wenn Herr Renner das auch bestreitet, der an sich sonst ein so guter Kenner des Grundgesetzes und vor allem des Verwaltungsaufbaus der Bundesrepublik ist.
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Hier muß also eine gewisse Aufklärung einsetzen, und ich wäre vor allen Dingen den politischen Kräften, die in den Ländern die Verantwortung tragen, dankbar, wenn sie sich von ihnen nahestehenden Kollegen hier im Bundestag belehren ließen, daß man nicht auf der Länderverwaltung beharre, sondern den Schritt zur Bundesverwaltung im Kriegsopferwesen tut, so wie wir es Ihnen vorgeschlagen haben.
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Meine Damen und Herren! Der soeben übergebene Gesetzentwurf kann, da er nicht auf der Tagesordnung steht, in erster Lesung nur beraten werden, wenn niemand widerspricht. Oder wollten Sie den Entwurf so auf dem Tisch des Hauses niederlegen?
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- Das können wir erst nach der ersten Lesung, und dazu muß man eine erste Lesung abhalten. Da es doch immerhin der erste Antrag auf Änderung des Grundgesetzes ist
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- oder der zweite -, scheint mir eine ausführliche Generaldebatte zur ersten Lesung notwendig zu sein.
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Es widerstrebt mir auch, einen solchen Antrag in erster Lesung vor einem nur so schwach besetzten Hause zu behandeln.
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- Der Ältestenrat wird sich dann über die Behandlung dieses Antrages schlüssig werden.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir dem Kern des Problems der Kriegsopferversorgung und vor allem einer realen Lösung der brennenden Fragen, um die es den Kriegsopfern draußen geht, näherkommen wollen, müssen wir zunächst einmal heraus aus der Vernebelungstaktik, die Herr Kollege Renner mit der Vermischung von Ursache und Wirkung betrieben hat. Aber ich glaube, daß wir auch nicht ohne weiteres den Weg beschreiten können, den Herr Kollege Mende aufgezeigt hat. Wir können eine Änderung des Grundgesetzes nicht in einigen Minuten - so über den Daumen gepeilt - durchziehen. Ich würde darin eine Gefahr für das Staatsganze sehen. Ein solches Problem bedarf ernster Beratungen, und es steht zu erwarten, daß diese Beratungen allzuviel Zeit in Anspruch nehmen würden, als daß man im Augenblick darin d e n Weg sehen könnte, die Schwierigkeiten zu beheben, die sich zur Zeit in der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes ergeben.
Wir stehen hier vor einer sehr grundsätzlichen Entscheidung. Es handelt sich um die Durchführung des ersten großen Sozialgesetzes der Bundesrepublik. Wir erproben zum erstenmal in der Praxis die Bestimmungen des Grundgesetzes in bezug auf die Handhabung der Sozialgesetze der Bundesrepublik in der Verwaltung.
Aus den Erfahrungen des ersten halben Jahres ergeben sich eine Reihe von Konsequenzen. Ich möchte sie möglichst konkret fassen, um zu Ergebnissen zu kommen, die das Hauptanliegen der Kriegsopfer befriedigen, nämlich eine beschleunigte Durchführung des Gesetzes mit dem Ziele einer möglichst schnellen Besserung der unerträglichen Notlage der Millionen unserer Kriegsopfer.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß hier einmal folgendes anklingen lassen, allerdings nur am Rande der Debatte. Der Weg der Rechtsverordnung zur Durchführung unserer Gesetze, also der Erlaß von Durchführungsverordnungen im Wege der Rechtsverordnung ist nach meiner Auffassung irgendwo fragwürdig. Die Durchführung des Gesetzes wird damit aus der Hand des Gesetzgebers genommen. Wir schalten für den Erlaß der Durchführungsverordnungen ein anderes Gremium ein und nehmen damit dem Gesetzgeber die Einwirkung. Darin sehe ich eine große Gefahr. Man sollte den Weg vom Erlaß des Gesetzes zum Erlaß der Durchführungsverordnung möglichst kurz halten und dem Gesetzgeber eine möglichst große Einwirkung belassen.
Ich muß ferner folgendes sagen. Es kommt vor allem darauf an, daß wir in den Paragraphen und Richtlinien nicht nur den Buchstaben des Gesetzes hinausgeben, sondern daß es uns gelingt, auch den Geist des Gesetzes bis in die weitesten Verästelungen der Verwaltung, bis hinunter in die letzten Instanzen, die Versorgungsämter in den Ländern, mit hinauszugeben. Wenn ich hier von dem Geist unseres Gesetzes spreche, so meine ich eben diese Wendung um 180 Grad, die das Versorgungsgesetz vollzogen hat, die Abwendung von der reinen Entschädigung, von der rein mechanischen Abfindung nach versicherungsmathematischen Gesichtspunkten, wie wir sie noch im KBLG, in der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 finden, eine Hinwendung zu einer neuen Auffassung, nämlich zu der Beachtung der Unterhaltspflicht des Staates als einer ethischen Pflicht angesichts der Größe des gebrachten Opfers, und vor allem auch die Forderung nach einer individuellen Betreuung, wie sie der Versorgungspflicht entspricht. Das ist eine
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Forderung an die Verwaltung, und sie verlangt einen echt demokratischen Geist des Verwaltungsbeamten, sie verlangt den Dienst am Einzelschicksal in der Achtung vor der Einzelpersönlichkeit.
Wenn wir bei der Durchführung des Gesetzes in den letzten Monaten beklagenswerterweise erleben mußten, daß draußen kollektivistisch, mechanisch, sogar in Akkordlohn heruntergestuft worden ist, so müssen wir feststellen, daß das gegen den Geist des Gesetzes ist. Es ist eine Schicksalsfrage der Bundesrepublik, ob es gelingt, den neuen Geist des Gesetzes in die Verwaltungen in den Ländern bis zur letzten Gemeinde hinunterzutragen.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß nun an den Herrn Bundesarbeitsminister erneut eine Bitte richten. Diese Angelegenheit hat bereits zu einem Beschluß des Haushaltsausschusses geführt. Es ist also mehr als eine Bitte, es ist bereits ein Beschluß, eine Forderung, nämlich die, daß wir endlich zu einer selbständigen Kriegsopferverwaltung kommen, die von der Sozialversicherung losgelöst und völlig selbständig einem Ministerialdirektor unterstellt ist. Nur einer solchen selbständigen Abteilung kann es gelingen, der Größe dieses sozialen Problems für acht Millionen Menschen - wir müssen ja die Angehörigen hinzurechnen - gerecht zu werden.
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Ich muß noch eines sagen. Es wird vor allem darauf ankommen, jeden Kompetenzstreit zwischen Bundesarbeitsministerium und Bundesinnenministerium so rasch wie möglich auszuräumen. Es geht nicht an, daß die Soziale Fürsorge für die Kriegsopfer deshalb nicht zum Anlaufen kommt, weil diese Kompetenzstreitigkeiten bis heute noch nicht behoben sind. Es muß die Frage gestellt werden, wohin die Verwaltung der 21 Millionen DM gegeben wird, die im alten Haushalt noch für die Erziehungsbeihilfen vorgesehen waren. Ich für meine Person muß dafür eintreten, daß die Hauptfürsorgestelle, also die Verwaltung des Innern damit befaßt bleibt. Es muß hier möglichst rasch eine Lösung gefunden werden.
Ein weiteres. Wenn wir an die Länderverwaltungen diese Auflage hinausgeben, müssen wir sie aber auch instand setzen, sie zu erfüllen. Es kommt darauf an, daß wir im Vorgriff auf den Haushalt 1951 möglichst sofort die Mittel bekommen, um die noch vorgesehenen 1800 Stellen in den Ländern besetzen zu können. Wenn wir einen Beamten für einen Fall am Tag rechnen, sind das im halben Jahr rund 250 000 Rentenfälle, die sofort bearbeitet werden können, wenn wir im Vorgriff die Mittel für diese 1800 Stellen erhalten.
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Es kommt vor allem auch darauf an - ich befinde mich da im Gegensatz zu unserem verehrten Herrn Kollegen Brese und bedauere, daß hier die Grüne Front aufgespalten werden muß, zu der ich mich sonst durchaus bekenne -, daß wir möglichst bald die Bauten durchführen können, die die unerläßliche Voraussetzung zu einem Funktionieren der Länderverwaltungen, wie wir sie fordern müssen, sind.
Nun, meine Damen und Herren, wir haben in völliger Übereinstimmung mit den Rednern des heutigen Tages gestern schon die Anfrage Nr. 177 an die Bundesregierung gerichtet. Ich darf mit besonderer Genugtuung feststellen, daß die Einheitsfront für unsere Kriegsopfer, von der heute schon einmal die Rede war, sich heute über alle Parteien hinweg nach wie vor fest und unerschüttert dokumentiert hat. Die Forderung, die wir in unserer gestrigen Anfrage folgendermaßen formuliert haben, wird von dem ganzen Hohen Hause getragen:
Wir bitten ferner die Bundesregierung um Auskunft darüber, welche Maßnahmen vorgesehen sind, um auch auf dem Gebiete der Kriegsopferversorgung den Preiserhöhungen Rechnung zu tragen.
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Auch das ist ein Anliegen des ganzen Hauses. Es geht nicht an, daß Erhöhungen der Sozialversicherungsrenten oder sonstige Erhöhungen ihre Grenze etwa an den Einkommensgrenzen unseres Gesetzes finden. Das ist undenkbar. Ich möchte deshalb diese Forderung auch von uns aus nochmals mit allem Nachdruck anmelden.
Schließlich muß ich, um dem von dem Herrn Kollegen Mende besonders betonten Anliegen Rechnung zu tragen, auf Art. 84 des Grundgesetzes hinweisen. In diesem Art. 84 ist ein Aufsichtsrecht verankert. Unsere Anfrage Nr. 177 hat den Zweck, die Bundesregierung zu diesem Aufsichtsrecht, ich will nicht sagen, zu ermahnen,
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aber doch aufzumuntern, wie der Zwischenruf eben lautete. Wir werden also zur Schulung der Beamten kommen müssen, vor allem auch zur Beratung. Bei der Durchführung des Reichsversorgungsgesetzes hat sich ja diese Beratung von zentraler Stelle aus als sehr nützlich und zweckmäßig erwiesen. Ich darf bemerken, daß der Bundestagsausschuß schon den Wunsch geäußert hat, selbst auf Reisen zu gehen, um draußen bei einem Versorgungsamt alle diese Fragen an Ort und Stelle zu besprechen und zu klären.
Meine Herren und Damen! Ich sehe das Schlußzeichen. Jedenfalls möchte ich bitten, daß sich aus der heutigen Aussprache, die, wie gesagt, eine Einmütigkeit im ganzen Hause gezeigt hat, sehr rasch praktische Konsequenzen ergeben, damit wir unser Gesetz, zu dem sich die Kriegsopfer in den Grundlagen nach wie vor bekennen - es ist nicht mehr als ein Fundament; wir feiern noch kein Richtfest, wie ich immer wieder betone -, so rasch wie nur möglich und so gut wie nur möglich durchführen, und zwar - ich möchte dies als Überschrift über alles setzen -: zugunsten der Kriegsopfer.
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Meine Damen und Herren! Ehe ich das Wort weiter erteile, eine angenehme Mitteilung! Punkt 8 der Tagesordnung, betreffend Memorandum der amerikanischen Hohen Kommission an die Bundesregierung ({0}), soll in Wegfall kommen. Die Herren Antragsteller haben um Vertagung dieses Punktes gebeten.
Das Wort in der fortgesetzten Beratung des Haushalts des Bundesministeriums für Arbeit und des Haushalts der sozialen Kriegsfolgelasten hat der Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten habe ich mir einen Änderungsantrag zu
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stellen erlaubt. Es tut mir leid, daß zwei meiner Kollegen oder Kolleginnen aus meiner Fraktion diesen Änderungsantrag schon abgelehnt haben, ehe ich ihn überhaupt begründet habe. Wir haben in diesem Hohen Hause ein Bundesversorgungsgesetz beschlossen, das Mittel in Höhe von 3,2 Milliarden DM erfordert. Wir standen damals einmütig auf dem Standpunkt, daß damit die Nöte dieses Personenkreises nicht zu beseitigen sind. Die Mitglieder aller Fraktionen hätten wohl - ich habe das immer wieder feststellen können - gern gewünscht, daß für diesen Personenkreis noch mehr getan würde. Aber wir wissen ja ganz genau, daß uns die Kriegsfolgelasten insgesamt vor schier unlösbare Aufgaben stellen. Gerade vorgestern haben wir das Gesetz über die Entschädigung der nach Art. 131 des Grundgesetzes zu berücksichtigenden Personen durchberaten, und wir wissen, daß dieses Gesetz - wir haben es im Haushaltsausschuß vorberaten - eine Belastung von 850 Millionen DM für unseren Haushalt bringen wird.
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- Nein, 850 Millionen DM, Frau Weber! - Wenn ich Ihnen den ganzen Katalog der Kriegsfolgelasten einmal vor Augen führen würde, so würden Sie mir zugeben, daß ich nicht zuviel gesagt habe, wenn ich davon sprach, daß wir vor schier unlösbaren Aufgaben stehen und daß wir nicht das tun können, was wir im Interesse der einzelnen Personenkreise tun möchten.
Nun müssen wir doch versuchen, zur Linderung der Not dieser Personen jede Möglichkeit auszuschöpfen. Ich sehe eine Möglichkeit. Ich weiß, daß die Verwaltung auf Grund dieses Gesetzes 107 Millionen DM erfordert. Das ist immerhin eine beachtliche Zahl, wenn wir wissen, daß der Überschuß der Post, der an den Bund abgeführt wird, 134 Millionen DM beträgt. Von diesen Verwaltungskosten sind in diesem Haushalt 10 Millionen DM für Bauten eingesetzt. Ich habe mich schon im Haushaltsausschuß entschieden dagegen verwahrt, daß wir ausgerechnet in dieser Zeit Mittel in solcher Höhe für neue Verwaltungsdienststellen aufwenden. Ich muß Ihnen sagen, gerade bei dem betroffenen Personenkreis ist dafür kein Verständnis vorhanden, daß heute Verwaltungsgebäude in der Art aufgeführt werden, wie wir es überall in unseren Städten sehen. Ich denke in diesem Zusammenhang an die verschiedenen neu erstellten Arbeitsämter. Dabei weiß ich, daß der Herr Arbeitsminister dafür nicht verantwortlich ist. Wenn wir in Hannover ein Arbeitsamt für 3 Millionen DM und in Frankfurt ein solches mit demselben Kostenaufwand gebaut haben, wenn ich an meine kleinen Kreisstädte in Niedersachsen denke und weiß, daß in Uelzen ein Arbeitsamt für 600 000 DM, in Hameln ein solches für 700 000 DM und in Osnabrück ein solches für 1 200 000 DM gebaut ist, so glaube ich, wir haben damit den Rahmen der Not überschritten. Ich weiß nicht, wie diese Ärmsten der Armen, die gerade bei uns in Niedersachsen unter den denkbar schlechtesten Bedingungen wohnen müssen, sich dazu einstellen, wenn wir auch noch eine Inflation von Versorgungsämtern bekommen.
Ich habe mir deshalb in meinem Antrag den Vorschlag erlaubt, alle Neubauten und Erweiterungsbauten zu streichen. Ich habe all die Wiederaufbauten, all die Ausbesserungen dringelassen. Damit kommen wir in diesem Haushalt zu einer Kostenersparnis von 2 409 000 DM. Da es sich jedoch um erste Raten für diese Bauten handelt. machen die gesamten Projekte, um deren Streichung ich hier bitte, einen Betrag von 7 506 000 DM aus. Wenn wir diese Mittel, wie ich es gern möchte, für den Bau von Wohnungen für Kriegsbeschädigte aufwenden, können wir damit in diesem Jahr 520 neue Wohnungen bauen. Ich glaube, daß wir damit manche dringende Not eines kinderreichen Kriegsbeschädigten lindern könnten. Weil ich weiß, daß, wenn die Gebäude erst einmal fertig sind, auch die Bürokratie sich aufbläht und damit neue Verwaltungskosten entstehen, lege ich darauf besonderen Wert. Wir haben hier heute morgen erlebt, wie Beamte eines Ministeriums ihren Herrn Minister so weit beeinflußten, daß er einen Antrag der Oppositionspartei formulierte, um dadurch sein Aufgabengebiet zu erweitern. Für mich ist es völlig klar, daß dieser im Endeffekt dahin geht,
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Habe ich zur Begründung eine besondere Redezeit?
Zehn Minuten!
Ich darf zu Ende kommen. Das Endziel auch dieser Bürokratie ist, ein Gesundheitsministerium aufzubauen. Ich habe es sehr bedauert, daß der größte Teil des Hauses meiner Bitte nicht gefolgt ist und den Antrag der SPD nach der Redigierung durch den Herrn Innenminister abgelehnt hat. Ich bitte aber doch, in diesem Fall meinem Antrag zuzustimmen und die Titel, die ich in dem Änderungsantrag genannt habe, zu streichen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für Arbeit hat sich hier, wie mir scheinen will, in der Rolle des Pontius Pilatus gefallen: „Ich wasche meine Hände in Unschuld." So leicht allerdings, Herr Minister, können wir Ihnen die Dinge nicht machen. Es steht erstens doch wohl einwandfrei fest, daß durch die Tätigkeit Ihres Ministeriums das Gesetz als solches erst ein halbes Jahr später in Kraft gesetzt werden konnte, als das ursprünglich von diesem Hause gewollt war. Zweitens haben Sie einen Termin für die Herausgabe der Verwaltungsvorschriften zum Bundesversorgungsgesetz genannt, der nicht stichhaltig ist. Zweifelsohne wurde den Ländern der Entwurf dieser Verwaltungsvorschriften im Dezember vergangenen Jahres zur Kenntnis gebracht. Aber vielleicht besitzen Sie die Liebenswürdigkeit, dem Hause den Tag zu nennen, an dem diese Verwaltungsvorschriften Rechtskraft erlangt haben. Das ist für die Länder bei der Durchführung des Gesetzes entscheidend. Der Beamte draußen in der Praxis kann richt mit Richtlinien arbeiten, die ihm zur Kenntnis gekommen sind, sondern er darf ein Gesetz nur nach Verwaltungsvorschriften handhaben, die Rechtskraft besitzen.
Drittens kommt folgendes hinzu. Die Fragebogenflut, die sich über die Kriegsbeschädigten ergossen hat, hatte ihre Quelle im Bundesministerium für Arbeit. Die Fragebogen mögen im einzelnen versorgungsrechtlich einwandfrei sein. Aber sie sind politisch nicht zu verantworten. Das haben Sie, Herr Minister, politisch zu vertreten
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Schließlich noch ein Wort zu dem Antrag des Herrn Abgeordneten Brese. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint dieser Antrag von Wohlwollen gegen die Kriegsopfer getragen zu sein. Ich möchte hier ganz eindeutig feststellen: er ist es in seiner Auswirkung nicht.
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Ich glaube wohl ohne Überheblichkeit sagen zu
dürfen, daß ich in bezug auf diesen Personenkreis
sicher kompetenter bin als der Herr Kollege Brese.
Die Verwaltungsbauten sind in dem Umfange, in dem sie von der Bundesregierung vorgeschlagen wurden, absolut notwendig, um das Bundesversorgungsgesetz so durchzuführen, wie es dieses Haus beschlossen hat. Es gibt gar keine Möglichkeit, an dieser Alternative vorbeizukommen. Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, in den Ländern nachzusehen, unter welchen Umständen die Versorgungsbeamten heute zu arbeiten gezwungen sind, dann werden Sie nicht umhin können, darin Entschuldigungsgründe für die gegenwärtigen Zustände zu sehen. Denn man kann von einem Beamten, der eine solche Überfülle von Arbeit zu leisten hat, nicht verlangen, daß er dieser Arbeit gerecht wird, wenn man ihm nicht das notwendige Handwerkszeug zur Verfügung stellt; und dazu gehören auch die Arbeitsräume, in denen diese Arbeit vollbracht werden muß.
({2})
Ich möchte Sie deshalb bitten, meire Damen und Herren, diesen Antrag abzulehnen.
Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Mende darf ich sagen, daß er unserer Auffassung sehr entgegenkommt. Wir haben das im Kriegsopferausschuß schon mehrfach betont. Aber an dem gegenwärtigen Zustand werden wir durch diesen Antrag nichts mehr ändern können; denn eine Änderung des Grundgesetzes ist doch mit Zeitverlusten verbunden, die wir den Kriegsopfern nicht r och zusätzlich zumuten können. Wir müssen unter den gegenwärtigen Umständen vom Bundesminister für Arbeit verlangen, daß er alles tut, damit in seinem Hause entsprechend der großen politischen Aufgabe und entsprechend dem einmütigen Willen dieses Hauses verfahren wird, damit sich in Zukunft eine derartige berechtigte und notwendige Kritik erübrigt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verzögerung in der Auszahlung der Renten in der Kriegsopferversorgung hat draußen zweifellos großen Unwillen wachgerufen. Ähnlich enwickeln sich jetzt die Dinge in der Rentenversicherung. Als wir im vergangenen Monat die Gesetzesvorlage verabschiedeten, nach der die Renten um 25 % erhöht werden sollen, zog neue Hoffnung bei den Rentenempfängern ein, und sie glaubten, schon sehr bald in den Genuß der erhöhten Rente zu kommen. Das war leider nicht der Fall. Dieselbe Enttäuschung, die die Rentenempfänger in der Kriegsopferversorgung erlebten, verbreitet sich jetzt unter den Rentenempfängern der Versicherungsträger. Die Menschen sind kaum noch in der Lage, das tägliche Brot zu kaufen. Meine Damen und Herren, das ist keine Übertreibung!
({0})
Wir haben in der vergangenen Woche eine große Kundgebung in Essen erlebt, an der 3- bis 4000 Rentenempfänger - Invaliden und Witwen - teilnahmen. Das, was uns die Leute dort berichteten, ist für die Zukunft nicht mehr tragbar.
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Wenn uns Rentenempfänger Unterlagen darüber
bringen, daß - nachdem die Wohnungsmieten und
alles, was drum- und dranhängt, bezahlt ist - für
eine zweiköpfige Familie pro Tag noch 50 Pfennige
zum Leben überbleiben, dann muß man doch sagen,
daß hier eine Grenze erreicht ist, an der Halt gemacht werden und daß hier geholfen werden muß,
({2})
Nach den Angaben, die uns die Kaufleute, die Lebensmittelhändler machen, sind diese Leute ungeheuer verschuldet. Die Kaufleute können bald kaum noch Ware abgeben. Auf der anderen Seite können sie aber diese Menschen nicht verhungern lassen und geben, soweit wie möglich, noch Lebensmittel ab. Diese Dinge müssen also dringend geändert werden.
Dann möchte ich die Frage stellen: Ist der Herr Bundesarbeitsminister in der Lage, uns zu erklären, a) wann diese 25 % ausgezahlt werden, oder b), daß die Rentenempfänger zumindest einen angemessenen Vorschuß auf diese Rentenerhöhung bekommen?
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Ich habe noch einen weiteren Wunsch. Schon Anfang März habe ich darauf hingewiesen, daß uns in der Rentenversicherung immer noch die Revisionsinstanz fehlt. Die Fälle, in denen von den Spruchinstanzen Urteile gefällt werden, bei denen die Revision zugelassen ist, können nicht erledigt werden, weil uns die Revisionsinstanz fehlt. Allein bei der Geschäftsstelle der IG Bergbau in Essen liegen weit über tausend solcher Fälle. In einigen Fällen sind diejenigen, die Revision einlegen könnten. bereits gestorben, und die Dinge haben sich auf solche Art und Weise erledigt. Aber das geht doch auf die Dauer nicht so weiter.
Schließlich habe ich eine dritte Frage: Kann uns der Herr Bundesarbeitsminister heute schon sagen, wann wir endlich den Entwurf eines Jugendarbeitsschutzgesetzes bekommen, auf das wir jetzt dringend warten?
Zum Etat des Bundesarbeitsministeriums möchte ich sagen, daß die Zentrumsfraktion diesen bejaht.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Wort des Herrn Abgeordneten Pohle beginnen: Am lebensnächsten bleibt man den Menschen, wenn man immer noch innere Verbindung mit ihnen hält. Gerade der alte Kollege, der früher mit einem an der Werkhobelbank oder an irgendeinem anderen Arbeitsplatz gestanden hat, erinnert einen immer wieder an die Probleme, die heute im Arbeitsministerium ihre Lösung finden müssen. Deshalb freue ich mich immer, wenn ich mit alten Kollegen zusammenkomme, um mit ihnen einmal über die Probleme zu sprechen, die wir früher behandelt haben und die heute der Lösung entgegenzuführen meine Aufgabe ist.
Als ich die Verwaltung für Arbeit in Frankfurt übernahm, habe ich - sehr zum Mißfallen gewisser Kreise - gesagt: Ich sehe diese Verwaltung als eine Institution an, die den Zweck hat, den ar({0})
beitenden Menschen eine bessere Eingliederung ins Gesamtvolk und eine bessere wirtschaftliche Fundamentierung zu ermöglichen. Das Arbeitsministerium, dem ich als Minister vorzustehen die Ehre habe, hat meines Erachtens gar keine andere Aufgabe als die, hier fördernd einzugreifen. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß heute morgen neben mancher Kritik, die vorgebracht worden ist, auch manches Wort der Anerkennung gesprochen wurde.
Wenn Sie heute die Probleme, die das Bundesarbeitsministerium zu lösen hat, richtig betrachten, so werden Sie finden, daß dieses Ministerium mit dem arbeitenden Menschen gehen muß von dem Moment an, an dem er sich entschließt, ins Wirtschaftsleben einzutreten, und zwar in einer abhängigen Funktion. Gerade bei Betrachtung all der Arbeiten auch gesetzgeberischer Art wird uns klar, daß wir im Jahre 1945 einen endgültigen Zusammenbruch all der Institutionen erlebt haben, die hier wirksam werden sollten. Aber dann waren es ja nicht deutsche Menschen, die neues Recht geschaffen haben, sondern das erste Recht, das wir auf all diesen Gebieten bekommen haben, war Besatzungsrecht. Vielleicht war es sogar gut, daß damals die deutschen Menschen nicht vor die Lösung dieser Aufgaben gestellt wurden, zumindest nicht vor ihre endgültige Lösung.
Sie wissen, daß wir damals voll unter den Bestimmungen der Besatzungsmacht standen, die uns einen Preis- und Lohnstop brachten. Die Folge davon war, daß das völlig verzerrte Lohngebilde noch ungefähr drei Jahre im deutschen Wirtschaftsleben fortbestanden hat. Die Folge davon wieder war, daß der natürliche Nachwuchs in unserem 'Wirtschaftsleben nicht dahin geleitet werden konnte und geleitet wurde, wo wir auf Grund der Folgen des Krieges unsere Arbeitskräfte einzusetzen haben. Letztlich ist es daher die Hauptaufgabe des Ministeriums, dafür zu sorgen, daß durch Berufsberatung und Berufslenkung die Arbeitskräfte unserem Wirtschaftsleben mit seinen besonderen Aufgaben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten dort zur Verfügung gestellt werden, wo wir sie im Interesse einer Verbesserung der Lebenshaltung unseres Gesamtvolkes dringend brauchen.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in der letzten Zeit so oft darüber geschimpft worden, daß gewisse Lohnentwicklungen bei den gewerblichen Arbeitern einen Sprung über die Entwicklungen auf anderen Gebieten hinaus gemacht haben. Ich bedaure diese Entwicklung absolut nicht, weil ich der Meinung bin, daß die Bewertung der Arbeitskraft des einzelnen immer unter dem Blickpunkt der Notwendigkeiten der Volkswirtschaft gesehen werden muß. Ich würde diese Entwicklung für bedauerlich halten, wenn durch sie anderen Kreisen die Arbeitskräfte genommen würden. Aber praktisch ist es doch so, daß es heute noch eine große Zahl unserer arbeitslosen Menschen als entwürdigend ansieht, wenn ihnen zugemutet wird, gewerbliche Arbeit zu verrichten.
({2})
Derartige Dinge kann man wiederum nicht durch Gesetze ändern. Eine Änderung kann nur dann erreicht werden, wenn man dazu übergeht, die Lohn- und Arbeitsbedingungen dort, wo wir Nachwuchs in besonders starkem Maße brauchen, entsprechend zu gestalten, damit sich vor allen Dingen unsere jungen Menschen, die aus der Schule entlassen werden oder die noch keine endgültige Entscheidung über ihre wirtschaftliche Betätigung getroffen haben, sich dorthin gezogen fühlen. Glauben Sie mir doch eines: nur mit Idealismus sind diese Dinge nicht zu lösen! Hier gehört auch ein gewisser Egoismus dazu, der, wenn er sich in gewissen Grenzen hält, auch etwas Gesundes in sich birgt.
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So sind wir im Arbeitsministerium bestrebt, gerade auf dem Gebiete der Lenkung der Arbeitskraft Wege zu gehen, die dahin führen, daß unser Wirtschaftsleben befruchtet wird.
Die zweite Abteilung meines Ministeriums hat die Aufgabe, den arbeitenden Menschen dann zu betreuen, wenn er in der Arbeit steht. Hier handelt es sich um das Tarifrecht und um das Arbeitsrecht. Als wir damals in Frankfurt im Wirtschaftsrat das Tarifvertragsgesetz geschaffen haben, sind wir uns darüber klar geworden, daß man die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht irgendeiner Bürokratie, sondern den lebendigen Kräften in unserem Wirtschaftsleben überantworten müsse.
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Glauben Sie mir, wenn jetzt in den letzten Monaten so sehr der Ruf nach neuen Tarifordnungen,
nach neuen gesetzlichen Bestimmungen auf diesem
Gebiet laut geworden ist, dann bedaure ich es nur
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- auch nach dem Schlichter, Herr Kollege Richter -, wenn er kraft irgendwelcher amtlicher Funktionen wirksam werden soll. Das kann aber bei Kennern der Verhältnisse unmöglich dazu führen, ein Schlichtungswesen als solches grundsätzlich abzulehnen. Manchmal ist es in solchen sprunghaften Zeiten, wie wir sie heute durchleben, notwendig, daß den verantwortlichen Tarifpartnern einmal ein Mensch zur Seite tritt, der, ohne an der Sache mit Entscheidungsbefugnis beteiligt zu sein, ihnen doch einen guten Rat für die Lösung der kritischen Probleme geben kann.
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Ich persönlich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß, wenn es uns gelingt, Schlichtungsinstanzen über die Tarifverträge zwischen den Tarifpartnern selbst zu schaffen, dieser Regelung der Vorzug gegeben werden muß. Daß darf aber nicht so gehen, wie es im vergangenen Jahre bei den Streitigkeiten im Baugewerbe war. Die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer waren ein halbes Jahr vorher bei mir und baten gemeinschaftlich darum, keine Schlichtungsordnung zu schaffen, weil sie, die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, diese Tätigkeit weitgehend selbst ausüben wollten. Als dann bereits der Streik im Baugewerbe ausgebrochen war, habe ich die Vertreter der Arbeitgeberverbände gefragt: Was habt ihr denn nun eigentlich getan, um das Versprechen zu erfüllen, das ihr mir im Ministerium gegeben habt, nämlich in derart kritischen Momenten von den Spitzenorganisationen aus einzugreifen? Man hat mir gesagt, das hätte ja bei der zur Zeit gegebenen Geistesverfassung der Gewerkschaften gar keinen Sinn gehabt.
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Dann waren die Vertreter der Gewerkschaften bei mir, denen ich die Frage vorlegte: Was habt denn ihr auf Grund der Erklärungen, die ihr gemeinschaftlich mit den Vertretern der Arbeitgeberverbände bei mir abgegeben habt, in der Zwischen({8})
zeit in dieser Angelegenheit getan? Da bekam ich eine noch viel schönere Antwort als die erste, nämlich: Offiziell wissen wir von den Streiks zur Zeit noch gar nichts.
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Sehen Sie, wir wollen alles, was hinter uns liegt, nicht allzu kritisch betrachten, sondern wollen uns darüber klar werden, wie wir die Dinge für die Zukunft so regeln müssen, daß die Regelung den Interessen des deutschen Volkes entspricht. Auf keinen Fall, das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit aussprechen, darf es soweit kommen, daß wieder einmal die Verantwortlichen im Wirtschaftsleben ihre Verantwortung auf Staatsstellen abschieben können. Wenn das eintreten sollte, hätten wir den ersten Schritt zu einem neuen Kollektivstaat getan.
In der Aussprache von heute morgen hat sich ganz klar gezeigt, daß es auf dem Gebiet der Arbeitsverwaltung und bei den Aufgaben des Arbeitsministeriums eine Frage gibt, die im Vordergrund des gesamten Interesses steht, das ist die Versorgung der Alten und Invaliden. Auch hier sollten wir uns einmal klar darüber werden, welche Verhältnisse wir vor einigen Jahren vorgefunden haben, wie dann die geistige Entwicklung war und wo wir heute stehen. Wir wissen, daß die Sozialversicherungsträger bei uns im Jahre 1945 zusammengebrochen sind. Wir haben dann auf Grund von Besatzungsrecht gewisse Anweisungen bekommen, wie die Dinge weiter gemacht werden sollten. In Berlin hat man die Sozialversicherungsträger überhaupt stillgelegt, bis die Zahl der Krankheitsfälle so groß geworden war, daß man dem Berliner Magistrat wieder die Möglichkeit gab, eine neue Ordnung aufzustellen. Aber damals waren die Besatzungsmächte über den Kontrollrat noch sehr stark dahingehend orientiert, uns eine neue Ordnung auf Grund des Besatzungsrechtes für die vier Besatzungszonen in der Form einer Einheitsversicherung aufzuzwingen.
Heute streitet man sich sehr stark darum, wie der eine oder andere - sei es in der Gewerkschaftsbewegung, sei es in den Trägern der Sozialversicherung - sich damals eingestellt hat. Meistens löst man die Erklärungen des einzelnen aus den Zusammenhängen heraus.
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Wir müssen uns darüber klar sein, daß in den Jahren 1945 und 1946 kaum ein Mensch in Deutschland gewesen ist, der der Meinung war, daß wir heute bereits wieder so frei seien, auf allen diesen Gebieten wieder selbst entscheiden zu können.
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Nun gibt es gar keinen Streit darum, daß die Notlage der Sozialrentner bestimmt die größte Notlage ist, die wir in Deutschland haben, wenn diese Alten und Invaliden nicht irgendwie in einer Familiengemeinschaft leben, wo sich die anderen verpflichtet fühlen, für b. en alten Vater, für die alte Mutter zu sorgen. Aber wir müssen uns auch darüber klar sein, daß der erste Schritt, den wir auf diesem Gebiete getan haben, nämlich das Sozialversicherungsanpassungsgesetz, in dieser Form nicht wiederholt werden kann,
({12})
wenn man nicht die Selbsthilfeorganisationen der
Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ihres eigentlichen Charakters, nämlich einer Versicherung, entkleiden will. Wir haben doch erlebt, daß man deshalb, weil in der Reichsversicherungsordnung die unbedingte Garantie des früheren Reiches für die Leistungen der Sozialversicherung gegeben war, in diese Sozialversicherung Dinge hineingelegt hat, die dort nicht hingehören, die meines Erachtens nur aus den Steuermitteln der Allgemeinheit entnommen werden können. Wir sehen heute, wie ungesund es sich zum Teil ausgewirkt hat, daß man eine pauschale Erhöhung der Renten vornahm und Mindestrenten festlegte. Ich habe heute Unterlagen, nach denen - um ein Beispiel herauszunehmen - Leute in ihrer Jugend kurze Zeit als zweite oder dritte Söhne in der Landwirtschaft als Knecht oder als sonstiger landwirtschaftlicher Arbeiter tätig waren. Sie haben damals nur ganz geringe Beiträge gezahlt, sind dann selbständige Landwirte geworden und haben in kluger Erkenntnis dessen, daß ihnen diese Sozialversicherung später vielleicht einmal einen guten Nutzen geben könne, freiwillig ihre Beiträge fortgezahlt. Nach den versicherungstechnischen oder versicherungsmathematischen Grundlagen hatten sie Rechtsansprüche von 23 DM. Wir sind hergegangen und haben im Anpassungsgesetz die Mindestrente auf 50 DM festgelegt.
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Wir haben damit gegenüber diesen Kreisen, die ihre Lebenssicherung ja nicht in der Sozialversicherung gesucht haben, sondern in ihrem eigenen landwirtschaftlichen Besitz, diese Renten in einem ungeheueren Umfange zu Lasten der gewerblichen Arbeiter erhöht, die nur aus diesen Einnahmen ihre Lebensgrundlage sichern müssen.
Wir sollen uns da keiner Täuschung hingeben. Wenn heute gesagt wird, daß beispielsweise das Bestreben der Angestellten nach einer selbständigen Angestelltenversicherung berechtigt sei, so muß ich, meine sehr verehrten Damen und Herren, entgegenhalten: es sind nicht nur die Angestellten, die mit allen Mitteln ihren eigenen Versicherungsträger haben wollen, sondern auch unsere Bergleute verlangen ihre knappschaftliche Versicherung mit einer Leidenschaft, wie sie gar nicht überboten werden kann. Es kommt ja im wesentlichen darauf an, daß wir dafür sorgen, daß gleiches Recht für alle besteht, gleichgültig zu welchem Versicherungsträger sie gehören. Wenn wir heute auf die Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren zurückblicken, dann finden wir, daß heute sehr viele Menschen aus der Angestelltenversicherung, die uns noch vor zwei Jahren in die Hölle verurteilt hätten, wenn wir ihre Institution hätten beseitigen wollen, sagen: warum, nachdem nunmehr durch das Anpassungsgesetz gleiches Recht für die einzelnen geschaffen worden ist, noch zwei verschiedene Versicherungsträger? - Alle, die auf diesen Gebieten tätig sind, gleichgültig zu welcher Fraktion sie sich bekennen, wissen doch ganz genau, daß heute gerade die Angestellten sagen: durch das Sozialversicherungsanpassungsgesetz sind ja die Rentner, die Invaliden, wenn sie über 25 Jahre ihre Beiträge gezahlt haben, besser als die Angestellten gestellt, und diese Regelung wollen wir für unsere Versicherungsanstalt nunmehr auch haben. So haben sich die Ansichten auf diesem Gebiet geändert, und ich glaube ganz bestimmt, daß wir uns, wenn wir im Laufe dieses Jahres diese Probleme ernstlich zu erörtern haben, um die endgültige Neuordnung der Sozialversicherung herbeizuführen, vielleicht schon viel besser verstehen werden, als wir uns vor zwei Jahren verstanden haben.
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Zu der Frage der Erhöhung der Renten. Ich habe am Dienstag dieser Woche dem Kabinett einen Gesetzentwurf vorgelegt, der sich genau an die Beschlüsse dieses Hohen Hauses über die Erhöhung der Renten um 25 % anlehnt. Es ist selbstverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister sehen muß, wie er die finanzielle Grundlage für dieses Gesetz herbeizaubern kann, aber ich darf Ihnen sagen, daß sowohl der Bundeskanzler als auch alle anderen Minister auf dem Standpunkt gestanden haben, daß hier die größte Not herrsche und daß hier am schnellsten geholfen werden müsse. Ich habe die Hoffnung, daß dieses Gesetz möglichst bald diesem Hohen Hause vorgelegt werden kann. Machen Sie sich allerdings auch darauf gefaßt, daß der Herr Bundesfinanzminister die Deckungsvorlage für dieses Gesetz vorlegen muß, denn dieses Gesetz fordert nichts anderes, als daß aus Steuermitteln für die Erhöhung der Sozialrenten nicht mehr und nicht weniger als eine Milliarde Mark im laufenden Jahr aufgebracht werden muß.
Darüber hinaus spielt eine weitere Frage eine gewisse Rolle. Ich habe in der letzten Zeit sehr viele Zuschriften von Invalidenrentnern und Altersrentnern bekommen, die aus den Zeitungen entnommen haben, daß sie sich in der nächsten Zeit für die jetzt anlaufende Verteuerung für Brot und Margarine einen Verbilligungsschein vom Wohlfahrtsamt holen sollen. Wir haben uns, ebenfalls am Dienstag dieser Woche, im Kabinett über diese Frage unterhalten, und ich habe mich mit allen Mitteln dagegen gewehrt, daß diese Millionen Menschen gezwungen werden, wegen eines Verbilligungsscheines zum Wohlfahrtsamt zu gehen.
({15})
Auch hier ist mir das Kabinett restlos gefolgt. Bereits am Dienstagnachmittag habe ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister zusammengesessen, um mit ihm die Frage zu erörtern, wie wir diese Dinge in einer anderen Form regeln können, und wir sind uns darüber einig geworden, daß die hierfür notwendigen erhöhten Rentenbeträge für die Sozialversicherungs-Rentenempfänger über die Post zusätzlich ausgezahlt werden sollen und daß die Arbeitslosenfürsorgeempfänger die entsprechenden Beträge in Geld bei ihrem Arbeitsamt erhalten. Der Kranke, der mit der Hälfte seines Grundlohns als Krankengeld seinen Lebensunterhalt nicht fristen kann, soll, wenn er unterstützt werden soll, seine zusätzlichen Bezüge über seine Krankenkasse ausgezahlt bekommen. Wir wollen nicht, daß sich diese Menschen, die sich ihre Rechtsansprüche durch Beitragsleistung erworben haben, nachher an ihrem Lebensabend am Wohlfahrtsamt einfinden müssen.
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- Das ist ganz richtig, Herr Kollege Renner,
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es kommt nur darauf an, ob wir die ernste Absicht haben, diesen Zustand, der als Kriegsfolge anzusehen ist, sobald wie möglich zu beseitigen. Darauf kommt es an. Ich habe mich über die Debatte heute morgen gefreut, weil ich bei allen Reden herausgehört habe, daß es den Rednern ernst darum ist, diesen Leuten zu helfen, ohne dabei vielleicht das eine oder andere Parteisüppchen zu kochen. Das ist meines Erachtens das Entscheidende.
Nachdem ja die Frage der Kriegsopferversorgung noch einmal von Herrn Bazille angeschnitten worden ist, möchte ich Ihnen folgendes sagen: Das Bundesversorgungsgesetz wurde am 21. 12. mit Datum vom 20. 12. veröffentlicht. Am 22. 12., also am Tage nachher, haben wir die Verwaltungsvorschriften zu diesem Gesetz als Richtlinien an die Länder herausgegeben. Ich glaube, daß man nicht schneller handeln kann. Wir sind nach dem Grundgesetz verpflichtet, die Verwaltungsanordnungen über das Kabinett und dann über den Bundesrat gehen zu lassen, ehe wir sie als gesetzliche Anweisungen herausbringen können. Diese Schwierigkeit darf man doch nicht übersehen. Als wir am 22. Dezember diese Verwaltungsvorschriften als Richtlinien herausgegeben haben - das sollte keine bloße Demonstration sein, sondern nach draußen unseren Willen bekunden, daß wir auf dieser Basis die gesetzlichen Vorschriften herausbringen wollten -, waren wir der Überzeugung, daß jeder wirklich gutmeinende Beamte, jeder, der halbwegs nicht nur Federfuchser, sondern denkender Beamter ist, auf Grund dieser Richtlinien seine Arbeit aufnehmen konnte. Wenn er es nicht getan hat und darauf wartete, bis Regierung und Bundesrat ihm die Dinge fertig unterschrieben vorlegten, ja, dann frage ich mich, ob man mit einer solchen Beamtenschaft, die ein Versagen mit dieser Ausrede begründen will, überhaupt gesetzliche Bestimmungen durchführen kann.
({18})
Meine Damen und Herren, der heutige Tag hat mir gezeigt, daß sehr viele Wünsche an mein Ministerium gestellt werden, und die hier anwesenden Herren Referenten haben alles mitangehört. Ich glaube, Sie werden mir bestätigen, wenn ich sage: wir haben uns im Arbeitsministerium wirklich Mühe gegeben, in der kurzen Zeit unserer Tätigkeit so viel zu schaffen, wie wir zu schaffen in der Lage waren, um gerade den breiten Schichten der Arbeitnehmer das Gefühl zu geben, daß sie in diesem neuen demokratischen Staat nicht als fünftes Rad am Wagen angesehen werden.
({19})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die allgemeine und die Einzelbesprechung der zweiten Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über die hier vorliegenden Anträge.
Zum Haushalt des Bundesarbeitsministeriums liegt der Antrag der Fraktion der KPD vor:
Das im Einzelplan XI nachgewiesene Amtsgehalt des Bundesministers für Arbeit wird gestrichen.
Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der sozialdemokratischen Fraktion, wie ich sehe, gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Es liegt weiterhin vor der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 109, in Kap. 1 a Tit. 31 den Betrag von 641 700 000 DM auf 870 000 000 DM und in Kap. 1 a Tit. 34 den Betrag von 53 000 000 auf 70 000 000 DM zu erhöhen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Es liegt weiter der Antrag des Herrn Abgeordneten Brese, Umdruck Nr. 149, der sich in Ihrem Besitz befindet, vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich nehme an, daß über den Antrag Drucksache Nr. 2143 - ({1})
- Herr Abgeordneter Horn!
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag Nr. 2143 der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich namens der Regierungsparteien kurz folgendes erklären. Nachdem der Herr Bundesarbeitsminister eben gesagt hat, über den auf Grund unseres damaligen Beschlusses erarbeiteten Gesetzentwurf und seine Deckungsvorlage werde zur Zeit im Kabinett beraten, sind wir der Auffassung, daß es sinnlos wäre, jetzt mit einem derartigen Antrag die augenblicklichen Arbeiten zu stören, wenn ich so sagen darf.
({0})
Wir halten die Bundesregierung allerdings - das möchte ich mit allem Nachdruck sagen -, an die jetzt vom Herrn Arbeitsminister abgegebene Erklärung gebunden. Wir würden es in den Regierungsparteien nicht hinnehmen können, daß die Vorlage jetzt noch über das unerläßlich notwendige Maß, das für die dringliche Bearbeitung erforderlich ist, hinaus verzögert wird. Wir werden unsererseits auch mit weiteren Schritten in dieser Angelegenheit vor das Haus treten, wenn unsere Erwartungen nicht zeitgemäß erfüllt werden sollten. ({1})
Wir sind aber auch deshalb gegen den Antrag der SPD,
({2}) weil - man muß schon so formulieren - wir durch das System der Zulagen beim Sozialversicherungsanpassungsgesetz gemachte gewisse Fehler nicht noch einmal wiederholen möchten. Wir geben zu, daß die Dinge damals gewissermaßen zwangsläufig waren. Aber heute sind die Voraussetzungen schon erheblich anders. Ich betone also noch einmal: wir möchten den damaligen Fehler durch einen solchen Beschluß hier nicht noch einmal machen.
({3})
Die Regierungsparteien erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei der Vorlage, die sie uns machen wird, darauf Bedacht nimmt, wenigstens Zug um Zug oder Stück um Stück die damaligen Fehler zu reparieren, indem sie in diesen Einrichtungen den Versicherungscharakter wieder zur Geltung bringt.
({4})
Auf Grund der jetzt abgegebenen Erklärung werden die Regierungsparteien den Antrag der SPD ablehnen.
({5})
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Horn hatte mich durch seine Wortmeldung unterbrochen. Ich wollte darauf hinweisen, daß über die Anträge der Fraktionen der SPD und der KPD sinngemäß erst nach Abstimmung über den Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit abgestimmt werden kann, da auch der
Antrag der SPD vorsieht, daß die Mittel für diese Erhöhung im nächsten Haushaltsplan bereitgestellt werden müssen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 1912, den Einzelplan XI mit den aus der Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und der sich daraus ergebenden Änderung der Abschlußsummen anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der sozialdemokratischen Fraktion und gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion ist der Antrag des Haushaltsausschusses angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den weitestgehenden Antrag, den Antrag der Fraktion der KPD auf Drucksache Nr. 2087, betreffend Erhöhungen der Leistungen der Sozialversicherungsgesetzgebung, des Bundesversorgungsgesetzes und der öffentlichen Wohlfahrtspflege. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit dem gleichen Stimmenverhältnis abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2143, betreffend Teuerungszulage als Vorschuß auf die beantragte Erhöhung der Renten in der gesamten Sozialversicherung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses, Drucksache Nr. 1925, Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten, wobei Sie die von Herrn Abgeordneten Gengler in seinem Bericht angegebenen Änderungen bei Kap. 4 freundlichst berücksichtigen wollen, ebenso die sich daraus ergebende Änderung der Abschlußsumme. Ich bitte diejenigen, die diesem Haushalt - Einzelplan XXVI - zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion bei einigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist dieser Haushalt erledigt.
Ich rufe auf Punkt 1 c der Tagesordnung: Einzelplan XII - Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr ({0}) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betr. Kredite zur Beseitigung des Notstandes bei der Deutschen Bundesbahn ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Besprechungszeit von 240 Minuten vor.
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Bärsch, das Wort zu nehmen.
Dr. Bärsch ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der HausHalt des Bundesministeriums für Verkehr als einer der umfangreichsten Einzelpläne des Bundeshaushalts weist auf der Ausgabenseite eine Gesamtsumme von 532 711 000 DM aus, denen in den Einnahmen 38 321 000 DM gegenüberstehen, so daß wir in diesem Einzelplan einen Gesamtzuschußbedarf von rund 494 Millionen DM haben. Die Einnahmen des Haushalts des Bundesministeriums für Verkehr be({3})
stehen im wesentlichen aus Befahrungsabgaben auf den Bundeswasserstraßen, aus den Einnahmen aus vercharterten Schiffen, die von OMGUS dem Bund zur Verfügung gestellt .worden sind und nun an Reedereien weiterverchartert werden, aus Gebühren für die Ermittlung abhanden gekommener Kraftfahrzeuge und einigen weiteren kleineren Posten.
Die Ausgaben von rund 532 Millionen DM verteilen sich mit 231 Millionen DM auf den ordentlichen und 263 Millionen DM auf den außerordentlichen Haushalt, wobei die Ausgabeschwerpunkte auf drei Gebieten bestehen: in den Aufwendungen für die Bundesfernverkehrstraßen mit 210 Millionen, für die Bundeswasserstraßen mit 158 Millionen DM und in der Summe von 100 Millionen DM für den Wiederaufbau unserer Handelsflotte. Man berechnet bei den Aufwendungen für die Instandhaltung der Bundesstraßen den Kilometer mit 2100 DM und bei der Autobahn den Kilometer mit 6120 DM. Dabei muß berücksichtigt werden, daß infolge einer unzweckmäßigen Ausführung des Unterbaus der Autobahnen im Ruhrgebiet mit einer kommenden Ausgabe von insgesamt 180 Millionen DM allein für diese Verbesserungen gerechnet werden muß.
Im Wasserstraßenhaushalt sind für die Unterhaltung und den Betrieb der Binnenwasserstraßen rund 36 Millionen DM und für die Unterhaltung der Seewasserstraßen rund 32 Millionen DM erforderlich. Ein erheblicher Teil des Wasserstraßenhaushalts entfällt auf die Beseitigung von Kriegsschäden, wofür in diesem Rechnungsjahr nicht weniger als 34 Millionen DM aufgebracht werden mußten. Das bezieht sich in der Hauptsache auf die Räumung der Wasserläufe mit 5 Millionen, den Wiederaufbau der Brücken mit 7,8 Millionen und die Ersatzbeschaffung von Geräten mit etwa 2 Millionen DM. Für die Neubauten auf diesem Gebiet sind im Haushalt 37 Millionen DM angesetzt, darunter insbesondere die Kosten für den Ausbau der Staustufe Petershagen, den Ausbau der Südstrecke des Dortmund-Ems-Kanals sowie den Ausbau des Küstenkanals, für die Moselstaustufe Koblenz und für die Beteiligung an dem Bauvorhaben der Rhein-Main-Donau-AG und der Neckar-AG.
Im Haushalt für die Bundesfernverkehrsstraßen entfällt gleichfalls ein sehr erheblicher Teil der Gesamtsumme auf die Unterhaltung und den Betrieb, nämlich rund 111 Millionen DM von den 210 Millionen DM auf die Bundesstraßen und rund 21 Millionen DM auf die Bundesautobahnen. Für die Beseitigung der Kriegsschäden in diesem Sektor sind im Haushalt 1950/1951 41 Millionen DM aufgebracht worden. Es verbleiben hier noch insgesamt Kriegsschäden in einer Höhe von 552 Millionen DM, in der Hauptsache für die Umwandlung von 436 Behelfsbrücken in Dauerbrücken und die völlige Wiederherstellung von 142 weitgehend zerstörten Brücken. Für die Wiederherstellung von weiteren 19 kriegszerstörten Brücken, darunter allein 7 Rheinbrücken und die Friedensbrücke in Frankfurt am Main, in Städten, bei denen sich die Länder und der Bund in der Regel mit 35 % an der Kostenaufbringung beteiligen, enthält der Straßenbauhaushalt rund 10,5 Millionen DM. Bundeszuschüsse von 2 Millionen DM sind ferner für die Verbesserung von Ortsdurchfahrten in finanzschwachen Gemeinden vorgesehen. Für Neubauten verbleibt im Straßenbauhaushalt ein Betrag von 25 Millionen DM für insgesamt 33 Bauvorhaben.
Die wesentlichsten dieser Bauvorhaben sind der Ausbau der Autobahnteilstrecke FrankenthalMannheim mit der Rheinbrücke bei Frankenthal, der kreuzungsfreie Anschluß der Autobahn Köln-Frankfurt am Main an die Bundesstraße 54 am sogenannten Wandersmann bei Wiesbaden, die Inangriffnahme der Arbeiten zur Fertigstellung der Autobahn-Teilstrecke Nörten-HardenbergHöckelheim sowie der Anschluß der Autobahn Bremen-Hamburg an das Hamburger Straßennetz. Für die Durchführung der bis zum Kriegsende durch den Bau neuer Straßen veranlaßten Umlegungsverfahren und die Abfindung der Grundstückseigentümer ist ein weiterer Betrag von 6,3 Millionen DM vorgesehen.
Die für den Wiederaufbau unserer nach dem Kriege völlig zerstörten Handelsflotte eingesetzten 100 Millionen DM sind völlig aufgebraucht worden und haben zu einer wirklich hoffnungsvollen Grundsteinlegung für den Wiederaufbau unserer Handelsflotte geführt.
Diesen ungeheuren Summen entspricht im Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr eine große Anzahl von Beschäftigten, nämlich insgesamt 6413 Personen, die sich in der Hauptsache auf die beiden großen Objektverwaltungen - die Straßenbauverwaltung und die Wasserstraßenverwaltung - mit rund 4000 Personen, auf das eigentliche Bundesministerium für Verkehr, auf das Hydrographische Institut, auf die Sammelstelle für Kraftfahrzeuge und schließlich noch auf den Deutschen Wetterdienst verteilen.
Der Haushalt selbst gliedert sich in insgesamt 14 Kapitel mit der eigentlichen Ministerialverwaltung im Kap. 1, den beiden Objektverwaltungen, Wasserstraßenverwaltung und Straßenbauverwaltung, in den Kap. 2 und 4 und einer größeren Anzahl von Bundesoberbehörden und nachgeordneten Behörden des Bundes, die zu einem erheblichen Teil mit Forschungsaufgaben auf dem Gebiete des Verkehrs befaßt sind.
Das Bundesministerium für Verkehr selbst im Kap. 1 des Einzelplans ist wiederum in sieben große Abteilungen unterteilt: eine Zentralabteilung, eine Verkehrswirtschaftliche Abteilung und Abteilungen für Straßenbau, Straßenverkehr, Wasserbau, Binnenschiffahrt und Seeverkehr. Es hat außerdem zwei Referate für Luftverkehr, die möglicherweise - vielleicht auch hoffentlich - im kommenden, bereits begonnenen Haushaltsjahr zu einer vollständigen Abteilung ausgebaut werden müssen, nämlich dann, wenn die Kompetenz auf diesem Gebiet von den Alliierten wieder in deutsche Hände übertragen worden ist. Ebenso wird vermutlich in diesem Jahre eine neue Eisenbahnaufsichtsabteilung eingerichtet werden müssen, wenn mit der Verabschiedung des Bundesbahngesetzes die Hauptverwaltung der Bundesbahn wieder zu einer echten Verwaltung wird und zwischen sie und das Ministerium ein echter Verwaltungsrat eingeschaltet werden wird.
Das Bundesministerium für Verkehr hat eine Gesamtzahl von 565 Beschäftigten, etwa 34 Köpfe mehr, als die frühere Verwaltung für Verkehr im ehemaligen Verwaltungsrat hatte. Die früher im Bundesverkehrsministerium vorhandene sogenannte Allgemeine Abteilung wurde auf Grund eines Gutachtens des Rechnungshofes, der das Bundesverkehrsministerium insgesamt überprüft hat, in zwei Abteilungen, nämlich eine Zentralabteilung und eine Verkehrswirtschaftliche Abteilung aufgegliedert. Die Verkehrswirtschaftliche Abteilung ist mit einer der bedeutendsten Aufgaben des Verkehrsministeriums befaßt, mit der Koordinierung
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der Verkehrsträger, um zwischen den drei großen Verkehrsträgern im Interesse der gesamten Volkswirtschaft einen Interessenausgleich herbeizuführen und alle drei wieder auf gesunde und rentable Grundlagen zu stellen. Außerdem sind in der Verkehrswirtschaftlichen Abteilung noch weitere Referate über außenwirtschaftliche Fragen, Verbindung zum ERP- und Wirtschaftsministerium, Referate für Kraftstoff-Fragen und zur Förderung des Fremdenverkehrs untergebracht. Es sind im Haushalt 3 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden, um den Fremdenverkehr in Deutschland in der Zukunft erheblich zu intensivieren.
Der Haushaltsausschuß hatte es im Falle des Ministeriums für Verkehr bei der Beratung des Organisations- und Stellenplans insofern leichter als bei vielen anderen Ministerien, als dieser Beratung einer generelle Überprüfung des Ministeriums durch den Bundesrechnungshof unmittelbar vorangegangen war. Diese Überprüfung war bereits im Jahre 1949 vom Wirtschaftsrat gefordert worden und wurde im Laufe des letzten Jahres beendet. Der Minister hat sich praktisch vollkommen mit dem Prüfungsergebnis des Bundesrechnungshofes einverstanden erklärt und den Organisations- und Stellenplan auf der Grundlage dieses Prüfungsergebnisses aufgestellt. Das Ministerium befindet sich zur Zeit insofern in einer prekären Lage, als seine verschiedenen Abteilungen und Verwaltungen sich an mehreren Orten, nämlich in Offenbach, Bonn und auch in Hamburg befinden.
Der Haushaltsausschuß hat sich im Verlauf der Generaldebatte zunächst mit einigen wichtigen zentralen Fragen des Verkehrswesens und der Verkehrspolitik befaßt. Es wurde insbesondere auf die große Bedeutung der Forschung hingewiesen, und es wurde festgestellt, daß die zur Zeit infolge unserer allgemeinen Armut im Haushalt für die Forschung eingestellten Mittel durchaus unzureichend seien. Wenn man bedenkt, daß in diesem Haushalt für die Kraftfahrzeugforschung 400 000 DM aufgewendet werden, nachdem der ursprüngliche Ansatz von 250 000 DM bereits um 150 000 DM erhöht worden ist, und daß vor dem Kriege dafür 2 Millionen ausgeworfen worden sind, wird man verstehen, daß in dieser Hinsicht in Zukunft, wenn es die Verhältnisse irgendwie erlauben, etwas mehr getan werden muß.
Eine ebenso wichtige Frage war die des Luftverkehrs und der Beteiligung des Bundes an den Flughäfen. Nach der Kapitulation sind die Alliierten in ihrer Gesetzgebung und in ihren Anweisungen bemüht gewesen, die Beteiligung an den Flughäfen möglichst weitgehend oder sogar ausschließlich auf die Kommunen und teilweise auf die Länder zu beschränken. Heute, nachdem die Bundesrepublik konstituiert ist, besteht ein begründetes Interesse und ein sachliches Bedürfnis, den Bund in die Beteiligung an den Flughäfen einzuschalten, schon deshalb, um hier einer Unterstellung dieser zentral wichtigen Flughäfen unter kommunale Interessen vorzubeugen.
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Ein weiterer wichtiger Punkt war die Frage der Konkurrenz zwischen Bundesbahn und Bundespost auf dem Gebiete des Personenkraftwagenverkehrs, die nach den Aussagen des Ministers durch ein in Vorbereitung befindliches Personenbeförderungsgesetz für die Zukunft beseitigt werden soll.
Es wurde bewegte Klage geführt über die außerordentlich mangelhafte Ausstattung der Bundesbahn mit rollendem Material. Vom Ministerium
wurde darauf hingewiesen, daß die notwendigen Kredite für entsprechende Ersatz- und Neubeschaffungen bisher von der Bundesbahn nicht aufgetrieben werden konnten.
Schließlich wurde auch die Frage der Verpflichtungen der Bundesbahn gegenüber dem Bund angeschnitten. Die Bundesbahn konnte wegen ihrer schwierigen Finanzlage diese Verpflichtungen in den letzten beiden Jahren leider nicht erfüllen. Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesbahn bemüht sein müsse, ihren Betrieb zu rationalisieren, um zu einer besseren Rentabilität zu gelangen, daß man aber auch auf Seiten der Ministerien durch eine wirklich groß angelegte Koordinierung der Verkehrsträger bessere Voraussetzungen für die Rentabilität der Bundesbahn als des größten Verkehrsträgers im Lande schaffen müsse.
Bei der Einzelbesprechung der Kapitel wurden bei Kap. 1 Tit. 14 die mit 116 000 DM angegebenen außerordentlich hohen Mieten des Verkehrsministeriums für die sogenannten Basa-Anschlüsse beanstandet. Es handelt sich hier um ein autonomes Nachrichtennetz der Bundesbahn, das vom Verkehrsministerium für seine Zwecke mit nutzbar gemacht wird und wofür das Verkehrsministerium bzw. der Bund erhebliche Mieten an die Post zu zahlen hat, und zwar sind diese Mieten nicht nur auf die Benutzung der Anlagen an sich, sondern außerdem auf den dadurch bedingten Ausfall an Gesprächen für die Post abgestellt. Es wurde darauf hingewiesen, daß man entweder eigene Anlagen erstellen oder mit der Post in Verbindung treten solle, um eine erhebliche Herabsetzung der geforderten Beträge zu erreichen.
Die in Tit. 18 des Kap. 1 veranschlagte sehr hohe Summe von 154 000 DM für die Unterhaltung von insgesamt 32 PKW erklärt sich daraus, daß vor allem die Straßenverkehrsabteilung gezwungen ist, sich an Ort und Stelle über den Zustand der Straßen zu informieren und infolgedessen eine größere Anzahl von Referenten dauernd mit einem Wagen ausgestattet werden mußten. Bei dieser Gelegenheit wurde auch das Problem des beamteneigenen Kraftwagens erörtert, ohne daß der Ausschuß jedoch zu einer definitiven Lösung kam. Es wurde herausgestellt, daß der beamteneigene Kraftwagen jedenfalls in der Regel nur dann zu konzedieren sei, wenn der Wagen bei dem betreffenden Referenten voll in Anspruch genommen werde.
In Tit. 19 a fällt ein Betrag über 170 000 DM für Reisekosten auf. Er erschien außerordentlich hoch, so daß der Ausschuß hierüber das Ministerium ausdrücklich befragte. Es stellte sich heraus, daß in diesen 170 000 DM ein Pauschbetrag für Freifahrkarten von insgesamt 25 000 DM, sodann weitere 10 000 DM als Abgeltung an die Bundesbahn für die Zurverfügungstellung je eines Sonderwagens für den Minister und den Staatssekretär enthalten waren. Der Ausschuß ersuchte das Ministerium, an die Bundesbahn heranzutreten, damit sie den Ministerwagen unentgeltlich zur Verfügung stellt, und er machte gleichzeitig darauf aufmerksam, daß für den Sonderwagen des Staatssekretärs im kommenden Haushalt auf keinen Fall wieder Mittel eingestellt werden würden.
Im Tit. 35 handelt es sich um einen Zuschuß des Bundes für die Schifferschulen und Schifferkinderheime der Binnenschiffahrt. Obwohl im Grunde diese Aufgabe im Kompetenzbereich der Länder liegt, wurde im Ausschuß allgemein die moralische Verpflichtung des Bundes zu einer solchen Beihilfe anerkannt, und es wurde darauf hingewiesen, daß die Summe von 50 000 DM eher viel zu niedrig sei.
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Im Tit. 42 des Kap. 1 haben wir es mit einer Ausgabe von i Million DM zu tun. Dabei handelt es sich um Darlehen, die der Bund an mittellose Reedereien zum Zweck des Umbaus gecharterter OMGUS-Schiffe gibt. Die Amerikaner haben einen großen Teil der Schiffe, die ihnen nach 1945 als Kriegsbeute in die Hand fielen, zunächst einmal leihweise an die deutsche Verkehrsverwaltung zurückgegeben. Diese Schiffe müssen, um in den zivilen Dienst gestellt werden zu können, zu einem erheblichen Teil umgebaut werden. Dafür werden vom Bund Darlehen an die mittellosen Reedereien gegeben, die der vertraglichen Vereinbarung entsprechend wieder zurückgezahlt werden müssen. Dem Ausschuß wurde mitgeteilt, daß man sich in Washington mit dem Gedanken trage, diese OMGUS-Schiffe wieder in deutsches Eigentum zurückzugeben, daß aber bislang unter den Alliierten gewisse Differenzen bestünden, die die Verwirklichung dieser Absicht verhinderten.
Tit. 47 des Kap. 1 der Fortdauernden Ausgaben ist neu. Es handelt sich hier um einen Bundeszuschuß von 375 000 DM an die Lübecker Hafen G.m.b.H. Der Bund hat die preußische Beteiligung bei der Lübecker Hafen G.m.b.H. mit allen Rechten und Pflichten übernommen und ist infolgedessen auf Grund der bestehenden Verträge gezwungen, bei einem Betriebsdefizit bis zu einer Höhe von 500 000 DM aufzukommen.
Auch der Tit. 48 mit 18 000 DM - Kosten für den sogenannten Selbstkostenausschuß - ist neu. Dieser Selbstkostenausschuß wurde eingesetzt, um die Kostenlage bei den drei großen Verkehrsträgern zu ermitteln und dadurch die Voraussetzungen für die Koordinierung dieser Verkehrsträger zu schaffen.
In Kap. E 11 Tit. 4 sind die Ausgaben für die Forschung auf dem Gebiete des Kraftfahrwesens um 150 000 DM auf 400 000 DM erhöht worden, wie es auch der Vorschlag des Bundesrats vorsah. Wenn man berücksichtigt, daß, wie ich bereits erwähnte, für diesen Zweck vor dem Kriege jährlich 2 Millionen zur Verfügung gestellt worden sind, wird man verstehen, daß diese Mittel nur ein bescheidener Anfang sein können.
In Kap. E 11 Tit. 5 handelt es sich um einen Zuschuß von 300 000 DM, der ursprünglich ausschließlich für die Bayerische Lloyd-Schiffahrtsgesellschaft gedacht war. Der Ausschuß hat sich eingehend mit der außerordentlich schwierigen Lage unserer Kanalschiffahrt befaßt, von der besonders diejenigen Gesellschaften betroffen werden, die im Osten unseres Vaterlandes beheimatet gewesen sind. Er hat sich darum entschlossen, diese 300 000 DM im Verhältnis i zu 2 auf die Bayerische Lloyd-Schiffahrtsgesellschaft und die Schlesische Dampfer-Compagnie aufzuteilen.
Über die 100 Millionen DM für den Wiederaufbau der Handelsflotte im Extraordinarium Kap. E 11 Tit. 5 hatte ich bereits zu Eingang meines Berichts nähere Ausführungen gemacht.
Im Extraordinarium findet sich dann in Kap. 1 Tit. 34 ein Ausgabeposten von 1,5 Millionen DM. Hier handelt es sich um Zuschüsse des Bundes für Mehrkosten, die bei dem Wiederaufbau von Brücken infolge des veränderten und vergrößerten Verkehrsbedürfnisses entstehen, die aber auf Grund der bestehenden Rechtslage dem Bauträger nicht zugemutet werden können. Der Bauträger, in der Regel die Bundesbahn, ist in diesen Fällen nur verpflichtet, die Brücke so wieder aufzubauen, wie sie vor ihrer Zerstörung bestanden hat. Da nun aber teilweise im Interesse der Schiffahrt und auch des Straßenverkehrs ein kostspieligerer Aufbau vonnöten ist, ist der Bund gezwungen, hier die entsprechenden Mehrkosten durch Zuschüsse abzudecken.
Im Kap. E 11 Tit. 8 ist der Zuschuß zur Frachterleichterung für Ostbayern um 300 000 DM auf 1 300 000 DM - unter gleichzeitiger Beteiligung des bayerischen Staates mit 100 000 DM - erhöht worden. Es sei an dieser Stelle erwähnt, daß die Bundesbahn durch Frachtvergünstigungen für diesen Zweck eine jährliche Leistung von etwa 8 Millionen DM erbracht hat.
Bei der Besprechung von Kap. 2 des Einzelplans, der Binnenwasserstraßenverwaltung, hat der Ausschuß zum Ausdruck gebracht, daß der Bundesrechnungshof so bald wie möglich die Überprüfung der übrigen Verwaltungen im Haushalt des Bundesverkehrsministeriums abschließen möge, damit die in diesen Verwaltungen bestehende allgemeine Beförderungssperre, die nun schon reichlich zwei Jahre andauert, möglichst bald beseitigt werden könne.
Der Ausschuß hat im Kap. 2 eine Anzahl neuer Stellen bewilligt, die sich aus der Einrichtung von Amtskassen bei den Wasser- und Schiffahrtsdirektionen ergeben. Es handelt sich dabei um 2 Amtmannstellen, 5 Oberinspektorenstellen und 6 Inspektorenstellen.
Bei den Einnahmen in Kap. 2 Tit. 9 mußte die dort eingestellte Summe von 100 C00 DM um 70 000 DM vermindert werden, weil wegen der bereits erwähnten sehr schwierigen Wirtschaftslage unserer Binnenschiffahrt die Rückzahlung der an die Binnenschiffahrt gegebenen Darlehen zu einem erheblichen Teil gestundet werden mußte.
Beim außerordentlichen Haushalt haben wir im Kap. E 12 Tit. 48 eine Summe von 2 Millionen DM für den Wiederaufbau und Ausbau der Staustufe Offenbach. Dabei handelt es sich um ein altes, baufälliges Nadelwehr, das ersetzt werden muß, wobei aber gleichzeitig zur Verbesserung der Schifffahrtsstraße der bisherige Stau wesentlich vergrößert werden soll. Hierüber hat es anfangs mit den Behörden der Stadt Offenbach erhebliche Auseinandersetzungen gegeben, weil man von dieser Seite unangenehme Nebenwirkungen befürchtete. Das Ministerium hat uns aber versichert, daß diese Differenzen mit der Stadtverwaltung inzwischen ausgeräumt worden seien.
In Kap. 3 ist der sogenannte Bundesschleppbetrieb, der in § 15 der Reichshaushaltsordnung seine rechtliche Grundlage hat, etatisiert. Es ist hier durch eine Reorganisation der Verwaltung gelungen, die bisherige Minusbilanz des Bundesschleppbetriebs zu beseitigen und den Haushalt auszugleichen. Gleichzeitig wurde allerdings darauf hingewiesen, daß die prekäre Wirtschaftslage der Binnenschiffahrt wahrscheinlich zu einer Senkung der Tarife zwingen wird und daß dadurch möglicherweise die ausgeglichene Bilanz des Bundesschleppbetriebs wieder ins Wanken gerät.
In Kap. 4, der Seewasserstraßenverwaltung, mußten ebenfalls infolge der Einrichtung einer Amtskasse in Kiel 6 neue Planstellen geschaffen werden, die sämtlich vom Rechnungshof befürwortet worden sind. Außerdem mußten drei neue Stellen - Oberregierungsrats- und Regierungsratsstellen - für die Seeverkehrsdezernenten in Kiel, Hamburg und Aurich bewilligt werden.
In Kap. 4 Tit. 20 findet sich ein Ausgabeposten von 2500 DM für ein Gutachten über die Rentabili({7})
tätslage des Nordostseekanals, das vom Weltwirtschaftsinstitut Kiel erstellt wird. Die Schwierigkeiten beim Nordostseekanal sind darin begründet, daß die Ufer weitgehend verfallen sind und deshalb die Geschwindigkeit der Schiffe erheblich herabgesetzt werden muß, so daß die Gefahr besteht, daß die Durchfahrt durch den Nordostseekanal für die Schiffahrt nicht mehr lohnenswert genug ist.
Zum Tit. 26 des Kap. 4 hat der Haushaltsausschuß in Zukunft eine Aufgliederung in 26 a und 26 b verlangt, und zwar eine Aufgliederung in Kosten für die gesetzliche Unfallversicherung und in Kosten für Dienstreisen, die im Interesse der Unfallverhütung unternommen werden.
Das Seeschiffsvermessungsamt, in Kap. 5 etatisiert, ist wieder mit einem ordentlichen Leiter nach der Besoldungsgruppe A 2 b besetzt worden, nachdem diese Stelle im Jahre 1947 gestrichen worden war, weil wir in dieser Zeit keine Schiffe bauen durften und darum die Tätigkeit des Amtes erheblich eingeschränkt war.
Im Kap. E 14 Tit. 35 ist ein Zuschußposten zur Instandsetzung des Kieler Nordhafens in Höhe von 375 000 DM geschaffen worden. Ich darf auf die Begründung in der Vorlage hinweisen, aus der hervorgeht, daß im Kieler Nordhafen umfangreiche Wiederaufbauarbeiten notwendig sind, deren Kosten sich insgesamt auf rund 700 000 DM belaufen werden. Der Kieler Nordhafen hat für den Bund insofern eine besondere Bedeutung, als er, an der einen Mündung des Nordostseekanals gelegen, von der Schiffahrt durch den Kanal stark in Anspruch genommen wird.
In Kap. 6, Hydrographisches Institut, sind gegenüber dem Vorjahre eine Anzahl Planstellen geschaffen worden; auch hier im Einvernehmen mit dem Rechnungshof, der diese Verwaltung überprüft hat.
In den Kap. 9 und 10 haben wir die Sammelsteile für Nachrichten über Kraftfahrzeuge und die Typprüfstelle für Kraftfahrzeuge vor uns. Diese Stellen sind zwar de jure zwei getrennte Verwaltungen, sie arbeiten aber praktisch als Einheit in Bielefeld zusammen, was auch in der Personalunion des Leiters zum Ausdruck kommt. Von seiten des Ministeriums ist beabsichtigt - ebenfalls in Übereinstimmung mit einem speziellen Gutachten des Bundesrechnungshofes -, diese beiden Verwaltungen als Bundesoberbehörde in einem Bundeskraftfahramt zusammenzuschließen. Im Ausschuß wurde gerügt, daß offenbar von seiten des Bundesverkehrsministerium schon gewisse Vorbereitungen für die Etablierung dieser neuen Dienststelle in Flensburg getroffen werden, obwohl das Parlament bisher noch keine Stellung dazu genommen hat.
In Kap. 14 schließlich ist der Deutsche Wetterdienst mit rund 9 Millionen DM etatisiert. Dieser Deutsche Wetterdienst, der bisher auf zonaler Ebene in der amerikanischen und der englischen Zone getrennt gearbeitet hat, soll in Zukunft zusammengefaßt werden. Von der englischen Luftwaffe ist die Wetternachrichtenzentrale Quickborn-Pinneberg am 1. Oktober 1950 in deutsche Hände zurückgegeben worden, so daß auch diese Zentrale in Zukunft in den Deutschen Wetterdienst einbezogen werden kann. Die Schwierigkeiten in dieser Frage werden durch das Grundgesetz aufgeworfen, das es nicht ohne weiteres gestattet, diese Einrichtung auf Bundesebene zu übernehmen.
Schließlich ist in Kap. E 23 eine Globaleinsparung am Extraordinarium von 3 200 000 DM gemacht, so daß der Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, wie ich bereits zu Anfang meiner Ausführungen ausführte, mit einer Summe von 532 711 000 DM abschließt.
Ich habe Sie im Auftrage des Haushaltsausschusses zu bitten, den Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr in der vorliegenden Form anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Begründung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei, Drucksache Nr. 2064, Herr Abgeordneter Walter, bitte, und zwar im Rahmen der vorgesehenen Redezeit von 10 Minuten.
Walter ({0}), Antragsteller: Meine Damen! Meine Herren! Die ernste Sorge um die Zukunft des Hauptverkehrsträgers in der Bundesrepublik, unserer Bundesbahn, hat meine Fraktion veranlaßt, den Ihnen vorliegenden Antrag zu stellen, der Bundesbahn den hier beantragten Kredit zu bewilligen. Ich muß Sie in diesem Zusammenhang mit einigen Zahlen über den Zustand unserer Güterwagen bekanntmachen. Wir hatten am 1. Januar 1948 262 000 betriebsfähige Güterwagen, am 1. Januar 1950 waren es noch 258 000, und in der 13. Woche des Jahres 1951 hatten wir noch ganze 243 457 betriebsfähige Güterwagen. Das ist eine Zahl, die bedenklich genug ist; ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß unsere Bundesbahn die Produkte aus den Industriegebieten und zudem im Herbst unsere landwirtschaftlichen Produkte an die Verbraucher bringen muß.
Es kann nicht bestritten werden, daß der Bundesverkehrsminister und das Bundesverkehrsministerium sich im Laufe der letzten Jahre emsig bemüht haben, die Kredite zu bekommen, die erforderlich sind, um unsere Bundesbahn auf gesunde Füße zu stellen und das zu schaffen, was dringend notwendig ist. So hat das Bundesverkehrsministerium bereits bei der Economic Cooperative Administration Mittel aus der zweiten Tranche angefordert. Der Antrag wurde jedoch von der ECA im Mai 1950 abgelehnt. Im Rahmen der dritten Tranche durfte die Deutsche Bundesbahn auf Weisung der ECA nicht berücksichtigt werden. Als Begründung für die ablehnende Haltung wurde angegeben, daß man in ein Defizitunternehmen keine Kredite hineinstecken könne.
Nun; diese Angelegenheit ist von der interalliierten Behörde ein klein wenig merkwürdig behandelt worden, denn man hat in der gleichen Zeit ähnlichen Defizitunternehmen, z. B. den Bahnen in Italien 203 Millionen Dollar, den französischen Bahnen 177 Millionen Dollar und den österreichischen Bahnen 68 Millionen Dollar, insgesamt also 448 Millionen Dollar bewilligt. Das sind rund 1,8 Milliarden DM. Dagegen hat man es abgelehnt, unserer Bundesbahn auch nur einen Pfennig zu bewilligen, und zwar mit der seltsamen Begründung, die Bundesbahn und auch die Bundesregierung sollten erst einmal zu erkennen geben, daß sie gewillt seien, das Haus der Bundesbahn in Ordnung zu bringen und die wesentlichen Empfehlungen des Gutachtens des amerikanischen Ingenieurbüros Coverdale & Colpitts anzunehmen. Diesen Empfehlungen hat das Kabinett am 9. Februar zugestimmt. Daraufhin erklärte der Hohe Kommissar der USA in einem Schreiben vom 5. März 1951 an den Herrn
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Bundeskanzler, der Bedarf der deutschen Bundesbahn an langfristigen Investitionskrediten werde grundsätzlich anerkannt, und Anträge auf Bewilligung von Gegenwertmitteln würden wohlwollend behandelt werden. Bereits am 7. Februar war beim Bundesministerium für den Marshall-Plan ein Antrag auf Genehmigung von 261 Millionen DM aus dem Restbetrag der dritten Tranche gestellt worden. Diese Anträge haben keine Zustimmung gefunden.
Es besteht nun zur Zeit folgende Situation: Auf der einen Seite erklärt der US-Hohe Kommissar in dem Schreiben vom 5. März an den Herrn Bundeskanzler, der Bedarf der Deutschen Bundesbahn werde grundsätzlich anerkannt, andererseits hat aber die ECA und besonders deren Chef Mr. Cattier erklärt, daß keine Anträge gestellt werden dürften. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß am 8. März auch ein am 7. Februar gestellter Antrag auf Bewilligung von 35 Millionen DM aus den GARIOA-Gegenwertmitteln für die Deutsche Bundesbahn abgelehnt wurde. In einem Schreiben des Mr. Cattier, des Chefs der ECA-Mission in der Bundesrepublik, vom 30. März an den Bundesverkehrsminister wird mit Rücksicht auf die ernste Güterwagenlage - man hat es endlich begriffen und eingesehen - vorgeschlagen, noch im Jahre 1951 18 500 neue Güterwagen zu erstellen. Der Bundesverkehrsminister wird aufgefordert, sofort zu handeln und Mittel für den Neubau von Güterwagen sicherzustellen.
Nun habe ich schon betont, man könne dem Verkehrsminister sicher nicht den Vorwurf machen, er habe sich nicht rechtzeitig um die Beschaffung von Mitteln gekümmert. Er ist nicht nur bei unseren Institutionen, sondern laufend auch bei den hohen interalliierten Behörden vorstellig geworden, um diese Mittel zu bekommen. Jetzt erst, nachdem man begriffen hat. daß doch sehr großer Wert auf die Erhaltung des rollenden Materials unserer Bundesbahn gelegt werden muß, fordert man unseren Bundesminister auf, dafür zu sorgen, daß mindestens 18 500 neue Güterwagen in diesem Jahr erstellt werden. Man hat aber nicht gesagt, daß man auch die dafür notwendigen Mittel hergeben will. Eine fernmündliche Besprechung mit den Herren der ECA hat ergeben, daß man bereit ist, jährlich etwa 100 Millionen für den Neubau von Güterwagen bereitzustellen, wenn die deutsche Bundesregierung ihrerseits den gleichen Betrag zur Verfügung stellt. Nun kommt es also darauf an, daß von der Regierung etwas in diesem Sinne getan wird. Die Möglichkeit besteht, indem wir eben von der dritten Tranche oder gemäß unserem Antrag den Betrag für die Bundesbahn bereitstellen, der notwendig ist, damit wir gleichzeitig auch die bei der ECA angeforderten Mittel bekommen können.
Es war auch nicht möglich, die Mittel für die Aufrechterhaltung des Bestands unseres rollenden Materials aus deutschen Quellen zu bekommen. Das Bundesverkehrsministerium hat sich nicht darauf beschränkt, Gegenwertmittel von der Hohen Behörde anzufordern, sondern hat darüber hinaus in jedem Programm, das sich auf deutsche Kapitalquellen stützen sollte, Mittel für die Beseitigung der Engpässe bei der Deutschen Bundesbahn beantragt. Für die Durchführung der Programme, die unter den Bezeichnungen „Zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm", „Wirtschaftsförderungsprogramm" und „Ergänzungsprogramm zum ECA-Gegenwertprogramm" liefen, sind 532,5 Millionen DM, davon allein 230 Millionen für Güterwagen, gefordert worden. Als das deutsche Gesamtprogramm später auf 500 Millionen begrenzt wurde, waren darin noch ganze 50 Millionen für Fahrzeugaufträge der Deutschen Bundesbahn enthalten.
Alle diese Programme sind in ein Nichts verlaufen, sie sind nicht durchgeführt worden. Nun sitzt die Bundesbahn da und weiß nicht, wie sie den Anforderungen, die jetzt auch von alliierter Seite gestellt werden, gerecht werden soll. Ich betone nochmals, es nützt nichts, wenn unsere Industrie voll produziert, es nützt nichts, wenn unsere Landwirtschaft Produkte schafft, wenn wir nicht imstande sind, mit dem rollenden Material unserer Bundesbahn diese Produkte auch sachgemäß und so schnell wie nur irgend möglich zu befördern.
Aus diesem Grunde bitte ich, dem von uns gestellten Antrag zuzustimmen und ihn den Ausschüssen für Verkehrswesen und für ERP-Fragen zu überweisen.
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Ich eröffne die Gesamt- und Einzelbesprechung der zweiten Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im zwanzigsten Jahrhundert ist das Hauptmerkmal des Verkehrs zweifelsohne die Geschwindigkeit, und ich hoffe, daß wir, ausgehend von dem Bericht, den wir gehört haben, auch bei der Behandlung des Etats allmählich in dieses Tempo hineinkommen.
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Das Bundesverkehrsministerium legt der Öffentlichkeit seinen Etat in einem Augenblick vor, da es auf einen gewaltigen Erfolg auf dem Wege in die deutsche Freiheit zurückblicken kann. Unter der geistigen Führung des Bundesverkehrsministeriums ist es gelungen, alle Beschränkungen in der deutschen Seeschiffahrt zu beseitigen.
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Wir sollten nicht in den Fehler verfallen, diesen großen Erfolg dadurch zu verkleinern, daß wir primär die Schwierigkeiten sehen, sei es in der Rohstofffrage, sei es in der Beschränkung der Werftkapazitäten, sei es in der Beschaffung des nötigen Kapitals.
Ich habe nicht die Absicht, sehr viele Einzelzahlen aus dem Etat zu nennen. Ich will mich darauf beschränken, noch einmal eine Globalzahl in Erinnerung zu bringen, nämlich die gesamten 532 Millionen DM, die einschließlich der Einnahmen dem Bundesverkehrsministerium für seine großen Auf gaben zur Verfügung stehen. Angesichts der bedeutenden Aufgaben, auf die ich im einzelnen noch eingehen werde, ist dieser Betrag geradezu kümmerlich zu nennen. Eingeschlossen darin sind die Beträge, die für die Verwaltung aufzubringen sind, für die Unterhaltung und für den Bau der Straßen, ferner für die Binnenschiffahrtswege und für Wege, die in die freien Meere führen.
Wenn ich nun in der Behandlung der einzelnen Verkehrsträger noch einmal auf die Seeschiffahrt zurückkomme, dann deshalb, meine Damen und Herren, um auch an dieser Stelle dem Herrn Bundesfinanzminister unseren Dank dafür auszusprechen, daß er auf seiner Reise nach Bremen und
Hamburg sofort Bereitwilligkeit ausgesprochen hat, aus dem Etat 1951/52 die 100 Millionen DM bereitzustellen, die zwar nicht genügen, aber doch im({2})
merhin einen ersten guten Anlauf für den Wiederausbau der deutschen Seeschiffahrt bedeuten.
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Darf ich bei dieser Gelegenheit noch einmal dem Hause vor Augen führen, daß der Wiederaufbau der deutschen Seeschiffahrt nicht eine Angelegenheit der Küstenländer allein ist. Er ist eine wichtige Angelegenheit der ganzen deutschen Volkswirtschaft und der einzelnen Länderwirtschaften überhaupt. Im Jahre 1936 wurden bei einem Bestand von 41/2 Millionen Bruttoregistertonnen nicht mehr und nicht weniger als 400 Millionen DM an Devisen eingefahren bzw. gespart. Nur 50% der beim Aufbau der Seeschiffahrt verwendeten Beträge bleiben in den Küstenländern, die andern 50% gehen ins Inland, z. B. rund 20% an die Zulieferindustrie in Nordrhein-Westfalen und weitere ungefähr 20% an die Motorenindustrie in Bayern. Wir erwarten weiter dringend zur Durchführung dieses Seeschiffahrtprogramms die 85 Millionen DM, die in der dritten Tranche des ERP-Programms vorgesehen sind.
Ich darf mich nun dem Verkehrsträger zuwenden, der uns, ich darf wohl sagen, die allergrößten Sorgen macht. Das ist die Deutsche Bundesbahn, die immer noch einen Wert von 12 Milliarden DM repräsentiert. Wenn wir versuchen, durch das Bundesbahngesetz, das ja bald - nach Erledigung der zweiten und dritten Lesung - zur Verabschiedung kommt, eine gewisse organisatorische Ordnung zu schaffen, dann gehen wir von der Ansicht aus, daß, vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen, die größtmögliche Selbständigkeit dieser Bundesbahn erhalten werden soll, auch wenn sie Besitz und Eigentum des Bundes ist. Aber eines wird unter allen Umständen dem Bundesverkehrsministerium vorbehalten bleiben müssen: die Tarifhoheit. Meine Fraktion kann sich auch nicht dazu bereit erklären, etwa die Freiheit in der Tarifgestaltung, die das Bundesverkehrsministerium übertragen kann, durch Festlegung eines bestimmten Betrags einzuschränken. Denn ein aus einer Tarifänderung sich ergebenden Betrag von, sagen wir, 1 Million DM kann unter Umständen beispielsweise für die Binnenschiffahrt schon eine gewaltige Strukturänderung und eine Änderung der zulaufenden Verkehrsströme bedeuten, die nur in der Hand des Bundesverkehrsministeriums geregelt werden können.
Es wird so viel davon gesprochen, das Eisenbahnzeitalter sei vorbei. Es ist bekannt, daß alle europäischen Eisenbahnen bis auf ganz geringe Ausnahmen notleidend sind. Ich glaube, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten - und vielleicht hätte sie doch bestanden -, die Deutsche Bundesbahn von der Last der Kriegsschäden zu befreien, dann wäre dieses Institut wahrscheinlich heute schon gesund und hätte nicht diesen absurden Weg zu gehen brauchen, nun, da es seinen Fahrzeugpark nicht erneuern konnte, auch wieder für diesen Herbstverkehr gegen gute deutsche Devisen rund 6000 Waggons im Ausland anzumieten. Mehr wird über den Stand der Deutschen Bundesbahn in der zweiten und dritten Lesung des Bundesbahngesetzes zu sagen sein.
Darf ich in diesem Zusammenhange auch einmal das Hohe Haus bitten, sich bei den vielen, vielen Anträgen, die beispielsweise im Ausschuß für Verkehr landen und immer in der Absicht gestellt werden, zu Lasten der Verkehrsträger, insbesondere der Bundesbahn, weitere Tarifermäßigungen zu erreichen, etwas mehr Beschränkung aufzuerlegen. Im Personenverkehr werden bereits 76% der beförderten Personen unter Tarif gefahren. Wenn auch wirklich eine soziale Notwendigkeit besteht, Tarife weiterhin zu ermäßigen oder auf einer niedrigen Stufe zu halten, dann muß ihr auf anderem Wege Rechnung getragen werden als mit den Mitteln der Deutschen Bundesbahn, die sich heute noch in einem so schlechten Zustande befindet.
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Es kann auch nicht so sein: Wenn einem Land aus Bundesmitteln ein Betrag zur Verfügung gestellt wird zu dem Zweck, eine Industrie, die an der Grenze liegt, durch Gewährung eines Frachtausgleichs konkurrenzfähig zu erhalten, dann ist es nicht angängig, daß, wenn eine Ware ab Werk gekauft wird, der Empfänger nicht in den Genuß dieses Frachtvorteils kommt, sondern diese Frachtvorteile von dem Werk in die Tasche gesteckt werden.
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Der nächst große Verkehrsträger: die Straße. Auch da haben wir verschiedene Male Gelegenheit gehabt, den Standpunkt unserer Fraktion hier darzulegen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat in verschiedenen Veröffentlichungen von einem Betrag in einer Größenordnung von 10 Milliarden gesprochen, die notwendig sind, um die deutschen Straßen nicht nur zu unterhalten, sondern auszubauen und in einen Zustand zu bringen, der dem deutschen Verkehr gerecht wird. Sie haben die Zahlen gehört, die der Herr Berichterstatter Ihnen genannt hat. Es sind ganze 213 Millionen DM zu Lasten des Bundes, wozu von den Ländern und Kreisen noch etwa 250 Millionen kommen. Ich will hier nicht die alte Streitfrage aufwerfen, ob der Straßenverkehr diese Kosten aufbringt. Aber bei einer zeitlichen Umlegung dieser Beträge würden, um die 10 Milliarden zum Aufbau aufzubringen, nicht mehr und nicht weniger als 35 his 40 Jahre gebraucht, um das deutsche Straßennetz in Ordnung zu bringen!
Meine Fraktion hat einen Wunsch. Zweifelsohne ist es notwendig, daß im Interesse der Verkehrssicherheit auf den Autobahnen soviel wie möglich Raststätten angelegt werden. Aber ich glaube, man soll sich sehr eingehend überlegen, wo man diese Raststätten baut.. Es scheint mir eine Fehldisposition zu sein, wenn diese Raststätten an Abfahrtsplätzen angelegt werden, wo in der Nähe ohnehin genügend Möglichkeiten für den Teilnehmer am Straßenverkehr vorhanden sind.
Wir dürfen auch in diesem Augenblick dem Herrn Bundesverkehrsminister unsere Auffassung über die Frage der Autobahnreklame bekanntgeben. Es stehen sich da zwei Meinungen gegenüber. Der Fiskus möchte selbstverständlich soviel wie möglich aus dieser Autobahnreklame herausholen, auf der anderen Seite aber stehen die Frage der Verkehrssicherheit und gleichzeitig insbesondere auch die Sorge um die Erhaltung unseres Landschaftsbildes.
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Das ist das Entscheidende. Ich hoffe, daß eine Lösung gefunden wird, die das eine zuläßt und das andere nicht vernachlässigt. Das kann aber nur bedeuten, daß in der Beschränkung sich der Meister zeigt und daß nicht fiskalische Dinge ausschlaggebend sind bei der Frage, wieweit Autobahnreklame getrieben und betrieben werden soll.
Die Frage der Sicherheit von Gütern und Menschenleben auf der Straße ist auch häufig genug
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hier diskutiert worden. Wir sind im Augenblick dabei, das Güterfernverkehrsgesetz oder, wie der Vorschlag des Bundesrates heißt, das Kraftfahrgesetz zu schaffen. Mit diesem Gesetz und dem darin vorgesehenen Institut der Bundesanstalt werden wir die tarifarische Ordnung und sonstige organisatorische Ordnungen auf der Straße schaffen. Wir werden damit allein das Problem der Schiene und Straße nicht lösen, auch nicht, was unbedingt no wendig ist, das Problem der Sicherheit. Neben diesen Organisations- und Tarif-Gesetzen werden sehr scharfe normative Vorschriften erforderlich sein, um die Disziplin und die Ordnung auf der Straße herzustellen. Wir freuen uns über die überall entstehenden Verkehrswachten, die nun freiwillig diese Aufgabe übernommen haben, aber wir möchten, daß diese Verkehrswachten bei ihrer ideellen Aufgabe bleiben. Es ist nicht ihre Aufgabe, sich beispielsweise um technische Prüfungen zu bemühen und zu bewerben. Das ist keine Angelegenheit einer Verkehrswacht. Sie würde damit ihre ideelle Aufgabe verlassen.
Als ehrenamtlicher Vorsitzender eines deutschen Verkehrsverbandes möchte ich auch diese Gelegenheit benutzen, deutlich folgendes zu sagen: Alle Arbeit der Ministerien, alle Arbeit des Parlaments wird umsonst sein, wenn nicht auch die Verbände ihren Mitgliedern für die Benutzung der Straße die Verpflichtung auferlegen, die allergrößte Disziplin und Ordnung zu halten.
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Man kann nicht einseitig nur vom Staate fordern, sondern man muß gleichzeitig auch seinerseits vorleisten. Das möchte ich hier mit aller Deutlichkeit gesagt haben. Wer Gelegenheit hat, ins Ausland zu kommen, wird mir zugeben, daß gerade die Verkehrsdisziplin bei uns außerordentlich im argen liegt.
Zum Thema Binnenschiffahrt möchte ich folgendes sagen: Wir haben vier große klassische Verkehrswege in der Binnenschiffahrt, denen wir unsere ganze Aufmerksamkeit widmen müssen. Das sind der Rhein, der Dortmund-Ems-Kanal, die Weser und der leider an der Ostzonengrenze sozusagen endende Elbe-Verkehrsweg. Es gibt unzählige Projekte für die Schaffung neuer Binnenschifffahrtswege. Wenn ich hier nur d en Rhein-MainDonau-Weg nenne, dann möchte ich ausdrücklich betonen, daß ich die Dinge mehr als objektiv sehe, denn auch meine engere Heimat, Hamburg, hat den dringenden Wunsch nach einer Verbindung von Norden nach Süden. Wir haben auch den Wunsch, von Osten nach Westen den Anschluß an den Küstenkanal usw. zu erreichen. Aber bei den knappen Mitteln, die wir nur zur Verfügung haben - der Herr Berichterstatter hat die Lage eingehend dargelegt -, ist es eine Absurdität, im gleichen Augenblick große Beträge für neue Verkehrswege zu verwenden, wenn es nicht einmal gelingt, die alten klassischen Verkehrswege in der Binnenschiffahrt in Ordnung zu halten. Ich darf nur daran erinnern, daß der Dortmund-Ems-Kanal, jedenfalls die Nordstrecke, sich noch in einem Zustand befindet, wie er beim Bau vor 50 Jahren vorgefunden wurde.
Nun darf ich auch noch ein oder zwei Sätze zum jüngsten Verkehrsträger sagen, über den uns die Hoheit noch nicht zurückgegeben ist. Ich meine die deutsche Luftfahrt. Hier bedarf es der ganzen Feinheit, der psychologischen Feinheit des Prozedierens, um eines Tages die Freiheit in der Luft für die deutsche Bundesrepublik genau so zu erreichen, wie es uns jetzt in der Seeschiffahrt gelungen ist. Ich glaube, daß man auch auf diesem Gebiete - wenn ich eine leise Kritik aussprechen darf - optische Wirkungen nicht außer acht lassen sollte.
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Bei diesen ungeheuer schwierigen internationalen Verhandlungen kommt es auch darauf an, Männer in den betreffenden Ämtern und Abteilungen zu haben, die in keiner Weise irgendeiner Kritik unterliegen.
({10})
Niemand ist unersetzlich, und ich bin überzeugt,
daß wir noch eine große Reihe von Fachleuten auf
diesem Gebiete haben, die uns dienlich sein können.
Wenn wir die Verkehrsprobleme zusammenfassen, so ist zu sagen: das für die Erfüllung dieser großen Aufgaben Notwendigste ist die Kapitalbeschaffung.
({11}) ERP-Programm! Wir sind abhängig von den Entscheidungen in Paris und von der ECA-Kommission der deutschen Gruppe in Frankfurt am Main. Die anderen Länder - ich könnte Ihnen das ziffernmäßig beweisen - haben ein Vielfaches dessen für ihren Verkehr aus ERP-Mitteln aufgewandt, was wir dafür getan haben. Vielleicht wäre es doch möglich gewesen - wenn das gesamte Kabinett dem Drängen des Bundesverkehrsministers nachgegeben hätte und auf diesem Gebiet etwas aktiver gewesen wäre -, größere Beträge für den deutschen Verkehr zu bekommen. Ich glaube tatsächlich, daß dies früher möglich gewesen wäre.
({12})
Nun ein Wort zu dem Antrage des Abgeordneten Walter. Wir begrüßen diesen Vorstoß. Ob es möglich ist, diese 325 Millionen, die dort noch in Reserve stehen, nun gerade für den Verkehr zu mobilisieren, wissen wir nicht. Der Versuch muß unter allen Umständen und mit aller Energie gemacht werden. Ich werde Ihnen aber in meinem Bericht im Auftrage meiner Fraktion noch einige Zahlen nennen, die zeigen, wie notwendig es ist, bei diesen Dingen alle Verkehrsträger zu berücksichtigen. Wir haben nicht die Absicht, heute und in dieser Stunde einen Abänderungsantrag einzubringen, sondern werden einer Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß zustimmen. Dort werden wir Gelegenheit nehmen, auch noch darüber zu sprechen, daß aus den bekannten Gründen der größte Teil selbstverständlich der Bundesbahn zugute kommen muß, daß daneben aber auch noch etwas für den Ausbau der Binnenschiffahrtsstraßen gegeben werden muß, für die Beseitigung gefährlicher Straßenkurven und gefährlicher Schienen-Straßenkreuzungen, für die Einrichtung notwendiger Parkplätze, sowie Umschlag- und Lagerplätze in den See- und Binnenhäfen. Und last not least brauchen wir für den Fremdenverkehr einen größeren Betrag als die drei Millionen, die bisher im Etat angesetzt worden sind.
Um Ihnen eine ungefähre Übersicht über die Größenordnung zu geben, möchte ich anführen: Für die Erneuerung der Bahnanlagen waren im abgelaufenen Etatsjahr 250 Millionen vorgesehen. Tatsächlich wurden dafür 185 Millionen aufgebracht. Der Fahrzeugpark hat einen Solletat von 174 Millionen. Tatsächlich sind dafür 51 Millionen aufgebracht worden. In diesem Zusammenhang möchte ich einmal auf die unzähligen Menschen, die in der Waggon- und in der Lokindustrie beschäftigt sind, und auf die Wechselwirkung zwi({13})
sehen Export und Inlandbedarf gerade dieser beiden wichtigen Industrien hinweisen. Die Privatbahnen, die im deutschen Verkehr natürlich auch eine Rolle spielen, haben einen echten Bedarf an Fremdmitteln von 25 Millionen, die öffentlichen Verkehrsbetriebe, Straßenbahn usw., einen Bedarf von 125 Millionen.
Die Binnenschiffahrt ist mit 700 000 Tonnen Kahnraum, der 50 Jahre alt ist, überaltert, so daß hier nach einem aufgestellten Plan bis zum Jahre 1958 mindestens jährlich 30 bis 35 Millionen aufgebracht werden müssen.
Beim-Straßenverkehr geht es nicht um die Frage des rollenden Materials, hier geht es in erster Linie urn den Straßenbau; über die Größen habe ich gesprochen.
Der Ausbau der See- und Binnenhäfen ist ebenso entscheidend für den Wiederaufbau unserer deutschen Seeschiffahrt wie der Aufbau der Seeschiffahrt selbst.
Darum fordert im Zusammenhang mit der Behandlung des Verkehrsetats meine Fraktion für den deutschen Verkehr nicht nur die gleichberechtigte Einbeziehung in das jetzt kommende Investitionsprogramm gegenuber den Grunastoffindustrien, sondern wir fordern mit Rücksicht auf das, was in der Vergangenheit leider nicht geschehen ist, was versäumt wurde, für den deutschen Verkehr eine Bevorzugung in diesem Investitionsprogramm.
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Es ist uns einmal schon versprochen worden, da der Verkehr im ERP-Programm nicht berücksichtigt werden konnte, es sollte ein sogenanntes zweites Arbeitsbeschaffungsprogramm mit einer halben Milliarde Mark kommen. Dieses Programm ist nicht gekommen. Darum noch einmal diese unmißverständliche Forderung. Denn mit allen Gesetzen, Anmahnungen, Drohungen und normativen Vorschriften schaffen Sie keine Ordnung und Sicherheit im Verkehr, wenn Sie nicht die dafür nötigen Mittel zur Verfügung stellen.
Meine Damen und Herren, der Verkehr wird gern als Diener an der Wirtschaft bezeichnet. Das ist richtig. Aber ich darf in diesem Zusammenhang ebenso deutlich sagen: Er ist nicht nur ein Diener der deutschen Wirtschaft, sondern gleichzeitig auch eine Voraussetzung für deutsches Wirtschaften, sowohl für den Inlandhandel als auch für den Außenhandel.
Die Aufgaben, die das Bundesverkehrsministerium hat, sind gewaltig. Die vornehmste Aufgabe des Bundesverkehrsministers wird immer die bleiben - ich will das scheußliche Wort „koordinieren" nicht schon wieder gebrauchen, ausgesprochen habe ich es schon -, die einzelnen Verkehrsträger aneinander anzugleichen und die Dinge auszugleichen. Das ist keine deutsche Verkehrspolitik, wie sie von einzelnen Verkehrsträgern verlangt wird: gegeneinander zu arbeiten und den anderen Verkehrsträger umzubringen. Es ist auch keine deutsche Verkehrspolitik, nebeneinander zu arbeiten. Die schwierige Aufgabe des Herrn Bundesverkehrsministers ist, dafür zu sorgen, daß die großen Verkehrsträger miteinander arbeiten. Das bedarf in vielen Fällen einer sehr schnellen Entscheidung.
Ich habe die Kritik an der Basaanlage hier nicht ganz verstanden. Man muß sich mit dieser Einrichtung einmal befaßt haben, um zu wissen: bei der obersten Lenkungsstelle des deutschen Verkehrs genügt einfach das Wählen einiger Nummern, um
sofort mit allen Plätzen Deutschlands, mit dem betreffenden Referenten verbunden zu sein.
Ich will hier nicht auf die Kritik wegen der beiden Salonwagen eingehen, die die Bundesbahn zur Verfügung hat. Das Verkehrsministerium und die Lenkung des Verkehrs haben ihre eigenen besonderen Gesetze. Es ist notwendig, daß die führenden Männer sehr schnell nicht nur durch besondere technische Einrichtungen, sondern auch durch Beförderungsmittel mit den Brennpunkten des Verkehrs in Verbindung kommen, wenn es sein muß.
Meine Damen und Herren! Der Verkehr ist keine statische Angelegenheit, sondern eine dynamische. Sie dürfen von den Gesetzen, die wir schon verabschiedet haben - es ist gute Arbeit auf diesem Gebiet geleistet worden -, und von den vielen Gesetzen, die noch kommen, keine Wunder erwarten. Die Ansicht des Deutschen, daß die Dinge überall bereits ihre letzte Vollendung finden müssen, diese Neigung zum Perfektionismus, mag auf vielen Gebieten zutreffen und gut sein. Niemals aber stimmt sie auf dem Gebiet des Verkehrs. Hier ist alles in Fluß, und hier muß jederzeit die Möglichkeit bestehen, Änderungen usw. je nach der Situation hineinzubringen.
Die Freie Demokratische Partei hat das Vertrauen zum Herrn Bundesverkehrsminister, der von Hause aus die erforderliche Vitalität und Dynamik mitbringt, daß er den deutschen Verkehr aus der Misere herausbringt, so daß auch von ihm aus alle Voraussetzungen für das Funktionieren der deutschen Wirtschaft gegeben sind. In diesem Sinne wird die Freie Demokratische Partei dem vorgelegten Ausschußbericht unverändert zustimmen.
({15})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gengler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der deutsche Verkehr gehört zu den großen Gebieten, die vom Krieg und den Kriegsfolgen am stärksten mitbetroffen wurden. Das Jahr 194i sah auf allen Gebieten des Verkehrs, auf der Schiene, auf der Straße und auch zu Wasser ein großes Trümmerfeld. Ich könnte die Frage aufwerfen: Wieviel Brücken sind allein zerstört worden? In mühevoller Arbeit bei Mangel an Material, bei unzureichenden Mitteln finanzieller und technischer Art, belastet noch durch die Anforderungen der Besatzungsmächte, ist es gelungen, eine den Verhältnissen entsprechende, anerkennenswerte und hervorragende Verbesserung des Verkehrs zu erreichen.
Wir nehmen Veranlassung, allen, die beim Wiederaufbau des Verkehrs mitgearbeitet haben, unsere Anerkennung und unseren Dank auszusprechen.
({0}) Insbesondere möchten wir dankbar der Arbeit des Verkehrspersonals gedenken. Wer die Enge und die Störungen des Verkehrs seit 1945 miterlebt hat, weiß, daß nicht nur an Kenntnisse, Fähigkeiten und Arbeitsfleiß, sondern auch an die Geduld des Verkehrspersonals oft allerhöchste Anforderungen gestellt warden sind.
({1})
Daß im Rahmen unserer Volkswirtschaft der Verkehr eines der wichtigsten Glieder darstellt und Aufgaben besonderer Größenordnungen wahrzunehmen hat, bedarf keiner weiteren Erläuterung;
({2})
mein Vorredner hat eben darüber Zahlen bekanntgegeben. Gerade daraus ergibt sich aber - und hier stimme ich meinem Vorredner vollkommen bei - die Wichtigkeit der Abstimmung der einzelnen Verkehrsgruppen untereinander wie auch der richtigen Ausübung volkswirtschaftlicher Funktionen. Ich brauche hierbei nur kurz - nachdem es mein Vorredner bereits getan hat - auf das Erfordernis eines besseren Verhältnisses zwischen Schiene und Straße hinzuweisen, aber auch auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der von den Rohstoffgebieten weit abgelegenen Industrien. Ich komme aus Süddeutschland, und Sie können es mir nicht verargen, meine Damen und Herren, wenn ich bei dieser Gelegenheit ein besonderes Wort von der wirtschaftlichen Sonderbelastung der süddeutschen Wirtschaft spreche.
Bei den Erörterungen über Gefahrengemeinschaften und Lastenausgleich geht man meistens an der Tatsache vorbei, daß auf der süddeutschen Wirtschaft eine hohe Sonderbelastung liegt. Hier in Bonn von diesem Haus aus sehe ich täglich auf dem Rhein die Schleppzüge mit Kohle, Eisen und Stahl sowie anderen Produkten stromaufwärts fahren. Stromabwärts sind die Kähne meistens leer. Ähnlich sieht es bei der Eisenbahn und bei den Straßenverkehrsmitteln aus. Die süddeutsche Industrie liegt fern von den Rohstoffgebieten an Rhein und Ruhr, fern von den Häfen der Nordsee.
Auf allen Transporten liegen hohe Frachten. Unsere Betriebe in Süddeutschland müssen mit den in bezug auf die Frachtkosten günstiger liegenden Betrieben konkurrieren, dies nicht nur im Hand, sondern auch im Ausland; denn die süddeutschen verarbeitenden Industrien - namentlich in Südwestdeutschland - sind in großem Umfange wichtige Träger des Exports. Dieser Export ist bei unserem Rohstoff- und Lebensmittelbedarf sowie bei der Finanzlage für das deutsche Volk eine Lebensfrage. Die Mehrkosten unserer Lebenshaltung müssen durch einen vermehrten Export gedeckt werden. Wenn aber auf anderen Gebieten auf unsere Kosten in Süddeutschland Lastenausgleiche gefordert werden, darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß wir in Süddeutschland eine hohe Frachtbelastung tragen.
Wiederholt wurden hier im Hause die Nöte der verkehrsarmen Gebiete behandelt. Auch hier besteht eine wichtige Aufgabe der Ausgleichung. Vom Berichterstatter wurde heute bereits auf die Frage der Frachtvergünstigungen hingewiesen.
Kanalbauwünsche wurden ebenfalls oft behandelt, und mein Herr Vorredner hat einige davon herausgegriffen. Ich möchte es unterlassen, sie im einzelnen zu behandeln; ich wäre sonst versucht, ergänzend den steckengebliebenen Neckar-Kanal zu rennen. Eines möchte ich noch sagen - und darin stimme ich meinem Vorredner bei -: Not tut in diesen Dingen eine Gesamtplanung. Ich halte es für falsch, wenn auf der einen Seite neue große Pläne inszeniert werden, während man auf der anderen Seite die Kanalbauten, die der Weiterführung, der dringenden Reparatur oder Ausweitung bedürfen, liegen läßt. Diese Gesamtplanung der Kanalbauten muß entsprechend dem Bauzustand und der wirtschaftlichen Bedeutung behandelt werden.
Der Flugverkehr stellt uns in absehbarer Zeit vor die Aufgabe, Flugplätze anzulegen. Hier kann nur im Rahmen einer Gesamtplanung vorgegangen werden,
Im Hinblick auf Umfang und Größe der dem Verkehrsministerium gestellten Aufgaben erscheint die finanzielle Gesamtdotierung des Ministeriums unzureichend.
({3})
Bei dem neuen Etat wird man sich darüber im einzelnen aussprechen und die notwendigen finanziellen Folgerungen ziehen müssen. Wichtig erscheint mir aber schon heute ein Hinweis darauf, daß seitens des Finanzministeriums die Betriebsmittelzuweisungen frühzeitig erfolgen müssen, damit die Bauvorhaben rechtzeitig und auch wirtschaftlich sparsam durchgeführt werden können.
Weiterhin möchte ich auf die kulturelle, staatspolitisch und volkswirtschaftlich hohe Bedeutung des Fremdenverkehrs nach Deutschland und seine Förderung hinweisen. Wir bitten das Ministerium um die besondere Unterstützung der Maßnahmen zur Hebung des Fremdenverkehrs.
Bezüglich des Stellenplans hat sich das Verkehrsministerium auf den Boden der Vorschläge des Bundesrechnungshofes gestellt. Wir treten diesen Vorschlägen und damit gleichzeitig den Anträgen des Haushaltsausschusses bei.
Die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union hat keinen Grund, gegen den Herrn Bundesverkehrsminister und sein Ministerium Vorwürfe zu erheben.
({4})
Im Gegenteil, wir anerkennen die besondere Aktivität des Herrn Ministers
({5}) unid sprechen ihm unseren Dank aus.
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Im Interesse von Volk, Staat und Wirtschaft erhoffen wir weitere Fortschritte des Verkehrs zu Wasser und zu Lande, damit es im Verein mit der Bundesbahn und der wiedereinsetzenden neuen deutschen Schiffahrt - die wir hier besonders begrüßen - gelingt, dem deutschen Verkehrswesen seine frühere, anerkannte Stellung im Rahmen des internationalen Verkehrs wiederzugeben.
Über die Verhältnisse der Bundesbahn hat mein Herr Vorredner bereits eingehende Ausführungen gemacht. Im wesentlichen kann ich diesen Ausführungen beipflichten. Ich wünsche nur, daß es gelingt, die Deutsche Bundesbahn in absehbarer Zeit finanziell wieder auf eigene Füße zu stellen,
({7})
damit sie ihre großen Aufgaben bewältigen kann.
Noch ein Wort zu dem Antrag Dr. Mühlenfeld und Fraktion Drucksache Nr. 2064. Wir stimmen diesem Antrage im Grundsatz und Ziel weitestgehend zu. Wegen der Bedeutung dieser Frage, mit der noch andere Probleme, wie mein Herr Vorredner bereits dargelegt hat, zusammenhängen, und insbesondere auch wegen der Höhe der Summe von 325 Millionen DM halten wir doch eine eingehende Vorbereitung im Ausschuß für unbedingt erforderlich. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion Überweisung dieses Antrages an den ERP-Ausschuß als den federführenden und an den Haushaltsausschuß.
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Jahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir liegt daran, vorerst etwas über die Verkehrspolitik zu sagen. Dazu einige Zahlen, mit denen ich Sie leider belästigen muß. Der Anteil des Verkehrs am deutschen Volkseinkommen beträgt etwa 10%. Im Vergleich dazu: die Landwirtschaft liefert ebenfalls 10%, der Bergbau 10%, die ganze übrige Industrie etwa 35% des Volkseinkommens. Der Anteil des Verkehrs an der Gesamtvolkswirtschaft ist also bemerkenswert hoch. Dazu kommt, daß im Gegensatz zu den meisten übrigen Zweigen der Wirtschaft, die nur mit einem Teile der anderen Gebiete verbunden sind, der Verkehr mit allem und jedem eng verflochten ist. Aus dieser Tatsache ergeben sich starke öffentlichrechtliche Bindungen auf dem Gebiete der Tarif- und der Betriebs- und Sicherheitsvorschriften. Der Verkehr kann daher seinem Wesen nach nicht im gleichen Maße frei sein wie die übrigen Zweige der Volkswirtschaft.
Wenn man die Handelsteile der Zeitungen und die Fachzeitschriften durchblättert, so tönen einem die Sorgen auf dem Verkehrsgebiet überall und ununterbrochen entgegen. Der Bundesbahn geht es schlecht. Das Defizit beträgt nach dem Wirtschaftsplan für 1951 113 Millionen DM. Im vorigen Jahre mußten die Aufträge en die Lok- und an die Waggonindustrie gestoppt werden. Ich erinnere an die von meiner Fraktion damals gestellten Anträge. Sie wurden leider abgelehnt. Die Folgen sind heute in der Tatsache ,spürbar, daß die Bundesbahn wieder 6000 Güterwagen aus dem Auslande anmieten muß. Ich bin der Meinung, daß vordringliche Kreditbeschaffung für die Bundesbahn sehr, sehr notwendig ist. Die Lage hat sich zwar etwas gebessert, aber der vorliegende dringende Erneuerungsbedarf in allen Betriebszweigen kann nicht befriedigt werden, da eben das Geld noch fehlt.
Hierzu einige Bemerkungen! In Italien, Frankreich und Belgien sind die Kriegsschäden an den Anlagen ihrer Bahnen zu 100% vom Staat überrommen worden. Wenn das bei der Bundesbahn auch der Fall gewesen wäre - meine Herren Vorredner haben das bereits bemerkt -, dann wäre ihre materielle Lage wesentlich besser. Seit der Währungsreform sind bis Ende 1949 für die Kriegsschädenbeseitigung 600 Millionen DM aus eigener Leistung der Bundesbahn aufgebracht worden.
({0})
Vor der Währungsreform war es eine Milliarde R-Mark. Die Kriegsschäden, die noch zu beseitigen sind, betragen allein für die Anlagen noch rund eine Milliarde DM. Darüber hinaus besteht ein Nachholbedarf für Instandhaltung und Erneuerung in etwa der gleichen Höhe. Die Bundesbahn benötigt im nächsten Jahre 540 Millionen DM, um die dringendsten Kriegsschäden an Anlagen und am Betriebsmittelpark beseitigen und um Modernisierungsmaßnahmen durchführen zu können.
Der Straßengüterverkehr stöhnt ebenfalls. Zahlreiche, insbesondere kleinere und Einmannunternehmen kommen nicht mehr auf ihre Rechnung. Die Abschreibungen werden nicht verdient, und wenn das Fahrzeug das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat, kann ein neues nicht beschafft werden, d. h. die Existenz ist nicht mehr vorhanden.
Auch die Binnenschiffahrt hat ihre Sorgen. Lange Zeit lagen Hunderte von Schiffen auf der Duisburger und Uerdinger Reede ohne Fracht, und die auf dem Schiff wohnenden Familien waren ohne
Einkommen. Dazu kommt, daß die deutschen Schiffe zum Teil technisch veraltet sind, was die ausländische Schiffahrt mit ihren modernen Fahrzeugen in die Lage brachte, ihren Verkehrsanteil gegenüber früher wesentlich zu erhöhen
Worauf ist diese wirklich bedrohliche Lage auf dem gesamten Verkehrsgebiet, deren Ernst mit diesen wenigen Worten nur sehr unvollkommen wiedergegeben werden konnte, zurückzuführen? Die Schwierigkeiten sind erstens weitestgehend auf eine gewaltige technische Revolutionierung und zweitens darauf zurückzuführen, daß die zwingend erforderlichen Folgerungen und Entschlüsse aus dieser technischen Umwälzung bisher nicht gezogen werden konnten, möglicherweise weil es nicht einfach ist, den Gesamtkomplex sachlich völlig zu übersehen, aber auch weil der eine oder der andere sich vor den tiefgreifenden Konsequenzen, die hinsichtlich des Schicksals vieler Menschen gezogen werden müssen, scheut. Auf die sozialpolitischen Probleme komme ich noch besonders zu sprechen.
Wieso erfuhr der Verkehr eine technische Revolution? Die Zahl der Lastkraftwagen im Bundesgebiet beträgt bereits 358 000 gegen über nur 238 600 betriebsfähigen Güterwagen der Eisenbahn. Die Zahl der Lastkraftwagen über 4 t beträgt 41 000 im Bundesgebiet gegenüber 22 000 im Jahre 1938 im gesamten Reichsgebiet. Mit diesen Zahlen ist erwiesen, daß die Monopolstellung der Eisenbahn gebrochen ist.
Und nun einige Zahlen, die einen Begriff von den Auswirkungen der erwähnten Veränderungen geben. Der Anteil der Eisenbahn am Volkseinkommen, einer Zahl, die nur die Löhne, Gehälter, Zinsen und Gewinne umfaßt, nicht aber die Investitionen und Abschreibungen, beträgt 3 Milliarden DM. Davon entfallen auf den Güterverkehr rund 2 Milliarden. Die entsprechende Zahl im Straßenverkehr ist etwa 750 bis 790 Millionen DM für den Güterverkehr. Die Beförderungsleistungen für den Güterverkehr bei der Eisenbahn werden im Jahre 1950 schätzungsweise 40 Milliarden Nettokilometer betragen, beim Straßengüterverkehr 9,4 Milliarden Nettokilometer. Daraus ergibt sich, daß die Eisenbahn im Durchschnitt Güter befördert, die aus Gründen der langen Strecke oder des geringen Wertes 5 Pfennig pro Nettokilometer erbringen, während der Lastkraftwagen durchschnittlich Güter befördert, die 9 Pfennig pro Nettokilometer erbringen.
Ich frage: Warum sind aus dieser technischen Entwicklung, die zu solchen Unausgewogenheiten in den Verhältnissen der Verkehrsträger untereinander geführt hat, noch nicht die entsprechenden verkehrspolitischen Folgerungen gezogen worden? Die deutschen Eisenbahnen haben 1920, zu einer Zeit, als sie noch die Monopolstellung im Verkehr besaßen, ein Tarifsystem geschaffen, das von großer wirtschaftlicher Bedeutung war und das die Ausgewogenheit des Gefüges der deutschen Wohn- und Siedlungsräume, der Industriebezirke und der landwirtschaftlichen Gebiete sicherstellte. Es war außerdem die Grundlage dafür, daß die wichtigsten Massengüter - Kohle, Holz, Erze - an jeder Stelle Deutschlands zu vernünftigen Preisen zur Verfügung standen. Selbstverständlich sind die Kosten je Tonnenkilometer für eine kurze Strecke bei der Beförderung durch einen Güterzug wesentlich höher als bei einer langen Strecke. Aber die Tarife
({1})
für die langen Strecken wurden noch tiefer gesenkt, um aus nationalpolitischen Gründen die peripheren Gebiete Deutschlands, früher Ostpreußen und jetzt Schleswig-Holstein und den Bayerischen Wald, dichter an die Mitte Deutschlands und an das Industriegebiet anschließen zu können.
Aus gemeinwirtschaftlichen Überlegungen heraus mußte die Eisenbahn den Staffeltarif einführen. Daneben war aber auch das Ausmaß einer Ware und deren Wert zu berücksichtigen; Stückgut, Eilgut, Wagenladungen, sperrige Güter, die im Verhältnis zu ihrer Größe ein geringes Gewicht haben, erfuhren in der tarifarischen Behandlung unterschiedliche Wertung. Außerdem erfolgte entsprechend dem Wertsystem eine Abstufung der Güter nach dem Handelswert. Dieses Tarifsystem ist also volkswirtschaftlich ausgerichtet und wohl ausgewogen, entstammt aber einer Zeit mit völlig anderen Voraussetzungen als heute.
Die Binnenschiffahrt war bei diesem System von vornherein nicht glücklich, da die Zu- und Ablauftarife, deren die Schiffahrt bedarf, recht hoch sind und die Konkurrenzpreise für lange Strecken, auf denen sich die Binnenschiffahrt betätigt, verhältnismäßig niedrig liegen.
Das Tarifgefüge zwischen Schiene und Straße ist durch die Anpassung des Reichskraftwagentarifs an den eben in seinen Grundzügen skizzierten deutschen Eisenbahngütertarif gekennzeichnet. Diese Bestimmung besteht seit 25 Jahren. Sie war tragbar, solange das Monopol der Eisenbahn bestand. Bis heute sind auch aus dieser Tatsache die erforderlichen tarifpolitischen Konsequenzen noch nicht gezogen worden. Das hat wesentlich zu dem Verkehrschaos von heute beigetragen.
Der Lastwagen ist seiner Natur nach besonders geeignet, kurze Strecken zu bewältigen. Er kann die Ware ohne Umladung von Haus zu Haus befördern. Er braucht verhältnismäßig wenig Verpackung und kann in den meisten Fällen Rückladung mitnehmen.
Bei dem Verkehr im nahen Raum hat sich der Straßerverkehr nicht nur auf hochwertige Güter beschränkt, sondern er ist, vor allen Dingen nach Einführung der Krisenzu- und -abschläge, auch zum Transport von Gütern der niedrigen Tarifklassen übergegangen. Ich darf darauf hinweisen, daß z. B. der Abtransport von Sand aus dem Duisburger Hafen, um die vielen Baustellen im Ruhrgebiet zu beliefern, der noch vor zwei Jahren zu 80 % mit der Bahn erfolgte, heute zu 80 % mit dem Lastkraftwagen durchgeführt wird.
Für die Beförderung von einer Tonne Gut auf dem Wasserweg ist 0,2 Pferdestärke erforderlich. Die Reibung ist gering. Der Wasserweg ist der geeignete Weg zur Beförderung von Massengütern, wenn dafür Zeit zur Verfügung steht. Für die Beförderung einer Tonne auf der Eisenbahn sind 2 Pferdestärken und für die Beförderung auf der Landstraße 10 Pferdestärken, also fünfmal soviel erforderlich, denn die Reibung auf der Straße ist wesentlich größer als auf der Schiene.
Dazu eine zweite wichtige Tatsache, die mit der eben genannten eng zusammenhängt. Die Bundesbahn hat im Jahre 1950 wahrscheinlich rund 40 Milliarden Nettokilometer geleistet, wobei es sich größtenteils um Massengüter handelt. Dafür und für ihre Personenbeförderung braucht sie 300 Millionen DM für Kohle. Die Straße befördert für rund 9,4 Milliarden Nettokilometer. Sie braucht dafür und für den Verkehr mit Personen mit PKW für rund 750 Millionen DM Dieselöl und Benzin, davon etwa 150 bis 200 Millionen DM in Devisen.
Hier taucht die Frage der echten Kosten je Tonnenkilometer auf der Eisenbahn, auf der Straße und in der Schiffahrt auf. Die Eisenbahn unterhält ihre Gleise und ihre Strecken, ihre Signal- und Sicherheitsanlagen und ihre umfangreiche Bahnpolizei selber. Der Straßenverkehr zahlt auch gewaltige Beträge für den Straßenbau; aber es ist notwendig zu wissen, ob alles bezahlt wird, was erforderlich ist. Und wer baut und unterhält die Binnenwasserstraßen? Welches sind also die echten Kosten für die Beförderung einer Tonne Gut auf der Eisenbahn, der Straße und dem Wasserweg?
Ich weiß, der Herr Bundesverkehrsminister hat den Auftrag für die Ermittlung der echten Kosten erteilt. Wir wollen hoffen, daß wir bald das Ergebnis dieser Untersuchung zur Kenntnis bekommen.
Würde man aber nur so an das Gesamtproblem herangehen, so würde man zu einem neuen Tarifsystem kommen, das nur die echten Beförderungskosten zur Grundlage hat. So einfach geht es aber nicht. Man würde zwar ein sehr schönes Auspendeln der Verkehrsmittel untereinander erreichen, dafür aber eine völlige Strukturwandlung der deutschen Länder, die Verödung der entfernt liegenden Gebiete und die Zusammenballung der Industrie in der Nähe der großen Lager an Bodenschätzen, also z. B. im Ruhrgebiet fördern helfen. Der volkswirtschaftliche Ausgleich muß wie beim ursprünglichen Eisenbahntarif angestrebt werden. Es müssen Entfernungsstaffelungen sowie Ausnahmetarife für gewisse Gebiete und bestimmte Industrien beibehalten werden. Aber - und das scheint mir wichtig - diese volkswirtschaftlich begründeten Ausnahmen vom reinen Kostentarif müssen genau berechnet und die Kosten dieser volkswirtschaftlich erforderlichen Ausnahmetarife dürfen nicht einem Verkehrsmittel allein aufgebürdet werden, weil dies zufälligerweise dem Volk gehört - ich meine die Eisenbahn -, sondern sie müssen entweder dem gesamten Verkehr oder aber der gesamten Volkswirtschaft angelastet werden.
Darüber hinaus muß die Frage der Beförderungspflicht sowie das Vorhalten von Transportraum der Eisenbahn während der Ernte oder bei strengem Winter berücksichtigt werden. Nur so kann man die logischen und volkswirtschaftlich richtigen Grundgedanken des alten Eisenbahntarifs auf die neue Zeit übertragen.
Meine politischen Freunde und ich sind davon überzeugt, daß es gelingen wird, auf der Grundlage echter und sauberer Zuordnung der Verkehrsmittel zueinander, des Grundsatzes der Bezahlung der echten Kosten und eines volkswirtschaftlich zweckmäßigen Ausgleichs für Standortbedingungen zu einer gesunden Neuordnung unseres Verkehrswesens zu kommen. Wir sind viel zu arm, um uns den Luxus eines Gegeneinander leisten zu können. Wir können nur auf der Basis eines echten Miteinanders und einer sauberen Ausgewogenheit zu einer Koordinierung der Verkehrsträger kommen.
Die von mir vorgeschlagene Lösung wird erhebliche Ersparnisse auf dem gesamten Verkehrsgebiet und damit für die ganze Volkswirtschaft mit sich bringen.
Der Bund hat aber darüber hinaus noch wichtige Aufgaben auf dem Gebiet des Verkehrs zu erfüllen. Er ist für den Schutz von Leib und Leben
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seiner Bürger verantwortlich. Es ist außerordentlich eindrucksvoll, wenn man sieht, welche Vorsichtsmaßnahmen die Eisenbahn auf diesem Gebiet getroffen hat. Die Übergänge sind mit Schranken versehen. Vor- und Hauptsignale sichern die Strecke. Die Beamten der Bahnhöfe geben zusätzlich Signale. Der Totmannknopf in der elektrischen Lokomotive sichert den Zug bei eventuellem Unwohlsein des Lokomotivführers. Die induktive Zugsicherung verhütet das Überfahren eines auf Halt stehenden Signals.
Alle und jede Möglichkeit ist bedacht. Das Ergebnis ist, daß die Unfallziffer auf der Eisenbahn außerordentlich klein ist. Folgende Zahlen beweisen das. Im Jahre 1949 verzeichnete die Eisenbahn-Unfallstatistik der gesamten Bizone 666 Getötete, davon 105 Reisende, 232 Eisenbahnbedienstete, 3 Post- und Zollbeamte sowie 326 Personen, die nicht im Eisenbahnverkehr, sondern z. B. an Straßenübergängen getötet wurden. Innerhalb der vier Eisenbahn-Direktionsbezirke Nordrhein-Westfalens enthält die Eisenbahn-Unfallstatistik für 1949 gegenüber mehr als 2 000 im Straßenverkehr des Landes Getöteten nur 245 Getötete, davon 24 Reisende, 79 Eisenbahner, i Zollbeamter und 141 Personen, die nicht innerhalb des Bahnverkehrs, sondern, wie gesagt, an Straßenübergängen getötet worden sind. Berücksichtigt man, daß in der Zahl der Bediensteten auch diejenigen erfaßt sind, die nicht im eigentlichen Eisenbahnverkehr, sondern z. B. in Werkstätten zu Tode kamen, und daß die 141 fremden Personen nicht allein dem Eisenbahnverkehr, sondern auch dem Straßenverkehr angelastet werden müssen, so dürften in NordrheinWestfalen den über 2 000 Toten des Straßenverkehrs höchstens 100 bis 150 Tote des eigentlichen Eisenbahnverkehrs gegenüberzustellen sein.
Was ist nun auf der Straße los? Auf der Straße gibt es wenig Sicherheitsmaßnahmen. Ich stimme vollkommen mit dem Herrn Kollegen Rademacher darin überein, daß die Verkehrsdisziplin beim Publikum außerordentlich zu wünschen übrigläßt.
({3})
Nach einem Bericht des Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Straßenverkehrsunfälle im vergangenen Jahre um 53 % gegenüber 1949 angestiegen.
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Bei den 182 695 im vergangenen Jahr gemeldeten Verkehrsunfällen im Bundesgebiet wurden 4 211 Menschen getötet und 107 811 verletzt. 90 % aller Unfälle waren durch Kraftfahrzeuge verursacht. Der Lastkraftwagenbesitzer, der sein eigenes Fahrzeug fährt, ist besorgt um seine Existenz; er fährt manchen Abend bis zur Übermüdung.
({5})
Wenn er das selbst tut, ist das für ihn schlecht, für die Öffentlichkeit aber eine Gefährdung.
({6})
Wenn er seine Angestellten zu derartigen Überanstrengungen veranlaßt, so ist das noch viel schlimmer.
({7})
Hier stoßen wir auf das soziale und sozialpolitische Problem. Die im Straßenverkehr beschäftigten Personen werden rücksichtslos ausgebeutet und damit zu einer ständigen Gefahr für Leib und Leben unserer Mitbürger. Hier besteht ein sozialer Notstand, der mit allen Mitteln beseitigt werden
muß. Bei der Bundesbahn bestehen geregelte Lohn-, Dienst- und Arbeitsbedingungen. Solche fehlen im Straßenverkehrsgewerbe fast völlig. Hier stößt zum sozialen Notstand die soziale Schmutzkonkurrenz. Erst wenn beides behoben ist, kann eine Abnahme der Gefährdung der Sicherheit auf der Straße erwartet werden.
({8})
Es klingt etwas lieblos, wenn man hier Kosten vorrechnet; denn in Wirklichkeit steckt hinter den Unfall- und den Totenzahlen der Verkehrsopfer der Straße ein Meer von Blut und Tränen. 4 200 Familien sind durch Todesfall betroffen worden; 107 811 Menschen wurden verletzt oder sogar verstümmelt. Hier muß verwaltungsseitig ganz anders als bisher eingegriffen werden. Hier darf es keine falsche Zurückhaltung mehr geben. Das Wichtigste ist die Schaffung einer in jeder Hinsicht ausreichenden Verkehrspolizei mit ausreichenden Befugnissen, die bisher völlig unzulänglich sind. Die Kasten für eine solche Verkehrspolizei bewegen sich etwa in einer Größenordnung von 5 bis 10 % der Schäden, die pro Jahr durch Unfälle entstehen.
Verkehrspolitisch sehe ich auch in der Zukunft die nicht nachlassende Bedeutung der Binnenschiffahrt auf den uns von der Natur gegebenen oder auf den vom Fleiß deutscher Arbeiter geschaffenen Wasserstraßen. Ich sehe ferner die bleibende Bedeutung des Lastkraftwagens für eine ganze Anzahl von Transportbeziehungen sowohl im Nahverkehr als auch im Fernverkehr. Ich sehe die große wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung des Omnibuswesens, durch das das flache Land ganz anders erschlossen wird, als es mit der Eisenbahn möglich ist, weil die Kosten für die Neuanlegung von Eisenbahnstrecken in jedes Dorf zu groß werden würden. Es ist erfreulich, daß mit dem Omnibus auch die Landarbeiter und die Bauern der entfernten Dörfer zu Einkäufen in die Stadt fahren und am kulturellen Leben des Volkes teilnehmen können. Aber eines sehe ich auch, ich sehe eine gute, eine bedeutsame Zukunft der deutschen Eisenbahn im Rahmen der deutschen Volkswirtschaft und für das deutsche Volk. Generationen haben daran gearbeitet, das Filigranwerk der stählernen Wege in Deutschland zu bauen. Milliarden und aber Milliarden sind in dieses riesige Werk hineingesteckt worden. Es wäre töricht. wenn man nicht alles aufbringen wollte, um diese Milliarden fortlaufend nutzbar zu machen, um damit wirklich echte wirtschaftliche Erfolge zu erzielen.
({9})
In diesem Zusammenhang interessiert die Feststellung des Haushaltsplanes des Bundesverkehrsministeriums, daß das Hauptprüfungsamt der Deutschen Bundesbahn in seinem Bericht vom 27. Oktober 1950 in einer eingehenden Berechnung nachgewiesen hat. daß bei der heutigen Gleiserneuerung die Gleise 322 Jahre liegen müssen, während sie bei normaler Erneuerung von 71/2 % etwa 13 bis 14 Jahre liegen.
({10})
Das ist ein Beweis dafür, wie notwendig Kreditgewährung für die Bundesbahn ist, damit diesem Betriebsunsicherheitsfaktor größten Ausmaßes ein Ende gesetzt werden kann.
({11})
Hier also besteht echter Nachholebedarf. Wer die Dinge kennt, weiß, daß die hierfür erforderlichen Aufträge für die Eisen-, Stahl-, Kleineisen- und Schotterindustrie Leben und Arbeitsbeschaffung
({12})
bedeuten würden. Also noch einmal: Hier sind Kredite in höchstem Ausmaße erforderlich.
({13})
Nun gestatten Sie mir noch einige kritische Bemerkungen.
({14})
Herr Kollege Rademacher ist nicht mehr anwesend. Er hat in zarten Worten etwas angedeutet, was mich verpflichtet, folgendes auszusprechen. Wenn wir den jüngsten Verkehrsträger, die Luftfahrt, wieder in unser Verkehrssystem eingliedern wollen, dann - so sagte Herr Kollege Rademacher - muß optisch gesehen feinste psychologische Tastbarkeit, möchte ich sagen, an den Tag gelegt werden. Ich habe eine Pressemeldung gelesen, die überschrieben war: „General mit Blutorden berät Minister Seebohm". Ich war, das sage ich offen, entsetzt.
({15})
- Ja. Das geschieht nicht leicht, aber da war es der Fall. Lassen Sie mich hierzu folgendes sagen. Ich war Vorsitzender des Hauptausschusses zur Entnazifizierung der Hauptverwaltung des Verkehrs. Ich habe einige tausend Personalakten durchstudiert und mußte einige hundert Personen vernehmen. Ich will Ihnen nichts über meine Vergangenheit erzählen. Aber als Vorsitzender dieses Hauptausschusses habe ich mich nur von einem Gesichtspunkt leiten lassen - das mögen alle die Herren bestätigen, die ihren Persilschein mit meinem Namen unterzeichnet in der Tasche tragen -: ich habe Gerechtigkeit walten lassen.
({16})
Dabei mag einer mal unterlaufen sein. Dafür stehen wir Sozialdemokraten gerade. Ich weiß, daß General Kreine in Klasse V eingestuft worden ist, daß er als Fahnenjunker an dem Marsch zur Feldherrnhalle teilgenommen und nachher den Blutorden erhalten hat. Wir haben auch bei unseren Verhandlungen im Hauptausschuß einen solchen Mann vor uns gehabt. Ich habe den Mann gefragt: Warum haben Sie die Annahme dieses Ordens nicht verweigert? Jeder kam uns damit, daß er sagte, er sei gezwungen gewesen, in die NSDAP einzutreten. Das bestreite ich; niemand war gezwungen. Er mußte nur den Mut haben, im Kampf um die Freiheit eventuell seinen Kopf auf das Schaffott des Dritten Reiches zu legen.
({17})
Ich bin mit tiefer Sorge erfüllt, daß diese Personalpolitik uns für die Wiedergewinnung des vierten Verkehrsträgers nicht förderlich, sondern hinderlich sein könnte. Ich würde sehr empfehlen, daß der Herr Bundesverkehrsminister in dieser Art seiner Personalpolitik einen Wandel eintreten läßt. Ich glaube, es ist nur zum Besten unseres gesamten Verkehrs.
Ich muß hier noch ein Wort zu der Frage - die ich schon oft habe anschneiden müssen - meiner Westberliner Eisenbahner sagen. Ihr Kampf hat damals die Bewunderung der ganzen Welt erregt.
({18})
In diesem Kampf blieben 4000 Eisenbahner auf der Strecke. Ich will Ihnen nicht sagen, was ich als Leiter der zuständigen Gewerkschaft aus Hauptkassenmitteln zur Erhaltung dieser Streikopfer aufgebracht habe; es würde zu bombastisch klingen. Wir haben Leute untergebracht. Es sind noch 1200 übriggeblieben. Die materiellen Forderungen werden in etwa durch die neusten Beschlüsse des Berliner Senats erfüllt. Aber es bleiben immer noch 1200 Menschen besonders zu betreuen. Ich hatte mich an den Herrn Bundeskanzler gewendet. Der Herr Bundeskanzler hatte das Ministerium Kaiser mit der Verfolgung dieser Angelegenheit betraut. Am 29. März 1951 habe ich vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen einen Brief erhalten, den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten hier zur Kenntnis bringen möchte. Es heißt dort:
Die Verhandlungen über die Zurverfügungstellung einer Sonderzuwendung für die noch vorhandenen arbeitslosen Westberliner Eisenbahner haben sich hinausgezögert und müssen nunmehr, nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen die Mittel dafür nicht bereitstellen kann, als gescheitert angesehen werden.
({19})
Als Grund dafür wird angeführt, daß die Deutsche Bundesbahn noch mehr als 11 000 Beamte und rund 4000 Arbeiter im Bundesgebiet wieder einzugliedern hat. Das sind, soweit ich aus dem Schreiben zu entnehmen glaube, solche Beamte und Arbeiter, die unter das Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes fallen. Die Gewerkschaft wird nach wie vor dafür Sorge tragen, daß die Leute nicht umkommen. Aber ich darf einmal die Frage aufwerfen, ob eine Regierung, die Menschen, welche für die Freiheit gekämpft haben. im Stich läßt, noch berechtigt ist. das deutsche Volk zum Kampf um Freiheit und Demokratie aufzurufen.
({20})
Das ist doch das entscheidende Problem. Ich möchte von dieser Stelle aus dringend darum bitten. daß wir uns einmal überlegen - ich muß erst noch die Konsequenzen durchdenken und durcharbeiten -, ob nicht dieser Rest von 1200 Westberliner Eisenbahnern in das Gesetz zu Art. 131 eingegliedert werden kann.
({21})
Das muß endlich mal ein Ende nehmen. und zwar ein mutes; denn sonst sehe ich trübe in die Zukunft und kann nicht mehr glauben, daß das Wort. daß Berlin unser äußerster Vorposten ist und deshalb alles getan werden muß, um die Menschen dort kampflustig und kampffähig zu erhalten, Wahrheit ist.
Und noch ein letztes. Ich habe in letzter Minute gehört. daß die Hauptverwaltung der Bundesbahn ihren Sitz von Offenbach nach Köln verlegen soll.
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Ich möchte bitten, daß man diesen Umzug nicht durchführt. Die rund 650 bei der Hauptverwaltung der Bundesbahn Beschäftigten haben mich dringend ersucht, dafür einzutreten, daß sie von einem nochmaligen Wohnungswechsel verschont bleiben, und zwar im Interesse ihrer Familien, im Interesse der nun schon zum dritten oder zum vierten Male zur Umschulung verurteilten Kinder und im Interesse der Erhaltung der Arbeitsfreude der in dieser Behörde beschäftigten Menschen. ganz abgesehen von den Millionen, die dieser Umzug wieder an Kosten verursachen würde.
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Also sowohl aus materiellen als auch aus moralischen Gründen möchte ich das dringende Ersuchen an die Regierung, an den Herrn Bundesverkehrsminister und an das Hohe Haus richten, dafür zu sorgen, daß die Leute an ihrem Arbeitsplatz in Offenbach bleiben. Ich erlaube mir deshalb zum
({24})
Schluß, dem Hohen Hause folgenden Antrag zu unterbreiten:
Der Sitz der Hauptverwaltung der Deutschen
Bundesbahn bleibt Offenbach am Main.
Ich bitte Sie, diesem Antrage Ihre Zustimmung
zu gehen.
Ich möchte meine Ausführungen schließen. Ich bin der festen Überzeugung, daß ich - aus der Stimmung des Hauses entnehme ich es - an meine Berliner Kollegen berichten kann, daß deren Wünsche endlich restlos ihre Erfüllung finden.
({25})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schulze-Pellengahr.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Arbeit im Verkehrsausschuß habe ich mich oft gefragt, ob nicht die Kapazität sämtlicher Verkehrsträger in der Bundesrepublik für unsere heutige Wirtschaft zu groß sei. Wir haben heute als Verkehrsträger die Bundesbahn, wir haben die Binnenschiffahrt und wir haben die Straße. Alle zusammen bedingen einen sehr großen Aufwand an Kosten und Investitionen, und ich frage mich deshalb, ob man es verantworten kann, heule noch wesentliche Neuinvestitionen auf dem Gebiete des Verkehrs zu machen, wo doch schon die alten Wege des Verkehrs weitgehend in Unordnung sind und die Verkehrsträger Not leiden.
Es ist ferner darüber gesprochen worden, daß wir unbedingt zu einer Koordinierung des Verkehrs kommen müßten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Schwierigkeiten auf diesem Gebiet sind ungeheuer groß, und jeder, der die Arbeit im Verkehrsausschuß miterlebt hat, weiß diese Schwierigkeiten zu würdigen. Früher, als wir das Verkehrsmonopol der Reichsbahn hatten, war es eine einfache Sache, den Verkehr zu regeln. Die Reichsbahn konnte in Deutschland Wirtschaften erblühen lassen, sie konnte sie auch untergehen lassen. Heute ist das Monopol der Rundesbahn durch die Binnenschiffahrt und vor allen Dingen durch die Straße weitgehend durchbrochen, und heute spricht man von einer Notlage der Bundesbahn. Der Straßenverkehr ist eine erhebliche Konkurrenz der Bundesbahn. Ich habe so manchmal das Gefühl, daß die Straße sieh aus dem Gesamtkomplex des Verkehrs gerade die Korinthen herauspickt, also das, was nun mal tarifmäßig begünstigt und deshalb für sie besonders rentabel ist.
Die Bundesbahn hat eine Beförderungspflicht. Sie muß auch all die Güter übernehmen, die nun mal tariflich nicht so günstig liegen und die eben nicht den effektiven Gewinn bringen. Kriegszerstörungen, Überalterungen des Materials, vor allen Dingen des Oberbaues, behindern die Bundesbahn. Wiederherstellung der Bauwerke ist unbedingt notwendig.
Das Schlimmste aber, was die Bundesbahn zu tragen hat, sind die ungeheuren Belastungen, die an und für sich mit ihren Aufgaben nichts zu tun haben. Einer meiner Vorredner sagte bereits, daß 76 % aller Personen, die auf der Bundesbahn fahren, zu verbilligten Tarifen reisen. Der Bundesbahn sind durch die Übernahme der ostvertriebenen Eisenbahner ungeheure soziale Belastungen auferlegt worden. Die Bundesbahn hat meiner Ansicht nach die Aufgabe, durch vorbildliche Verkehrsbetreuung der Wirtschaft zu dienen und als Staatsbetrieb in ihren Leistungen auf diesem Gebiet
mustergültig zu sein. Bei dem heutigen Zustand ist ihr das nicht möglich.
Oft muß ich mich fragen, ob durch diese Belastungen nicht auch die Kreditwürdigkeit der Bundesbahn in erheblichem Maße geschädigt wird. Ohne größere Kredite können wir das größte Vermögen des Bundes nicht wieder in Ordnung bringen. Diese Kredite kann meines Erachtens die deutsche Wirtschaft nicht zur Verfügung stellen, sie müssen vom Ausland zur Verfügung gestellt werden. Ich kann mich aber manchmal des Eindrucks nicht erwehren, daß man sich heute alle Mühe gibt, das 12-Milliarden-Vermögen der Deutschen Bundesbahn restlos zu verwirtschaften.
Beim Straßenverkehr, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehen die Dinge sehr arg durcheinander, und infolge dieses Durcheinanders sind die Verhältnisse da sehr viel schwieriger. In einer der letzten Sitzungen des Verkehrsausschusses waren Sachverständige geladen, die die Dinge des Verkehrs Von ihrem Standpunkt aus beleuchten sollten. Ich wundere mich, daß man diese Leute noch als ,.Sachverständige" bezeichnet. Man hätte sie als Interessentenvertreter bezeichnen sollen, so arg differierten ihre Meinungen. Es wird eine Sisyphusarbeit für den Verkehrsausschuß sein, diese Meinungen auf den richtigen Nenner zurückzuführen und sie zu koordinieren.
Die Leistungen des Straßenverkehrs konnten bei rien beschränkten Mitteln leider auch nicht auf die Höhe gebracht werden, die man hätte erwarten können. Straßensicherheit bedingt Straßenverbreiterung und Anlage von Radfahrwegen. Die meisten Straßenunfälle werden durch die Radfahrer verursacht. Diesem Übel könnte dadurch abgeholfen werden, daß man an den Hauptstraßen weitestgehend Radfahrwege anlegt.
Manches Sauvorhaben mußte zurückgestellt werden. Im letzten Jahre sind durch Ausschußanträge aus dem Bundestag heraus 18 Bauvorhaben angeregt worden. Die Realisierung dieser Bauvorgaben würde einen Kostenaufwand von fast 1,3 Milliarden DM erfordern. Alle diese Anträge zu realisieren, würde den Zeitraum einer ganzen Generation in Anspruch nehmen. Immerhin sind in diesem Etatjahr 1950 8.6 Millionen DM zur Realisierung dieser Ausschußanträge zur Verfügung gestellt worden. für 1951 weitere 18.7 Millionen DM, und im Nachtragsetat 1951 sind darüber hinaus nochmals 25 Millionen DM dafür vorgesehen. Immerhin etwas! Die Verwirklichung dieser Bauanträge ist zu einem Teil eine unbedingte Notwendigkeit. Die Anträge befassen sich aber teilweise auch mit Neuerschließungen von Gebieten, inbesondere in Süddeutschland, Ober die man geteilter Meinung sein kann. Sie fordern z. B. die Erschließung von Gebieten für den Fremdenverkehr. Man kann auch der Meinung sein, daß es Aufgabe des Verkehrs ist, in erster Linie der Arbeit und dem Werktag zu dienen und dann erst die Mittel für den Sonntag und für das Vergnügen bereitzustellen.
Über die Binnenschiffahrt haben meine Herren Vorredner schon das Nötige gesagt. Dazu nur noch einige Bemerkungen. Im Nachtragsetat sind für gesehen. Ich hoffe, daß dieser Betrag auch wirklich zur Verfügung stehen wird, denn die Konkurrenzfähigkeit der Industriewerke am Nordrand des Industriebezirks bedingt unabweisbar den Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals. Wir können diese Werke gegenüber den Werken am Rhein nicht schlechter stellen; denn das würde den Dortmund-Ems-Kanal 13,5 Millionen DM vor({0})
wahrscheinlich erhebliche Arbeitslosigkeit bedeuten.
({1})
Noch ein Punkt liegt mir sehr am Herzen. Es ist schon gesagt worden, daß das Personal unserer Verkehrsträger in den Nachkriegsjahren Hervorragendes geleistet hat.
({2})
Die Zeiten haben sich geändert und die Menschen Gott sei dank mit ihnen. Ich muß schon sagen, daß unser Verkehrspersonal sich zu seinem Vorteil geändert hat. Wir können heute verzeichnen, daß unser Verkehrspersonal sich bemüht, durch Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit einen ausgezeichneten Kundendienst zu üben. Der Angehörige des Verkehrspersonals ist der erste, mit dem der nach Deutschland kommende Ausländer in Verbindung kommt, und der erste Eindruck vom Menschen haftet in der Regel am längsten. So hat das Verkehrspersonal die hervorragende Aufgabe zu erfüllen, für unser Deutschland zu werben. Wir glauben, daß das Verkehrspersonal sich dieser Aufgabe bewußt ist und so das ersetzt, was unseren Verkehrsträgern noch an Bequemlichkeit und Luxus fehlt. In bezug auf Luxus und Bequemlichkeit können wir in Deutschland nicht mit dem Ausland konkurrieren; aber die Menschen können mit jedem im Ausland konkurrieren, und sie sollen unser neues Deutschland durch den neuen Geist, den wir in uns tragen, repräsentieren.
({3})
- Das liegt eben daran, daß wir leider bei unseren Verkehrsträgern noch diesen immensen Nachholbedarf haben.
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- Nein, kommt nicht in Frage.
Die Aufgabe unseres Verkehrs ist, wie ich schon sagte, der Wirtschaft zu dienen,
({5})
aber nicht dadurch, daß sich die einzelnen Verkehrsträger gegenseitig in Konkurrenz bekämpfen. Nein, wir wollen versuchen, sie auf einen Nenner zu bringen, um so zu erreichen, daß sie gemeinschaftlich für unser Deutschland schaffen und arbeiten und so das ihre zum Wohle unseres Vaterlandes beitragen.
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Nun zum Antrag des Herrn Kollegen Jahn. Ich bitte, diesen Antrag dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Ich glaube, daß wir nach eingehender Prüfung dieser ganzen Angelegenheit sehr bald zu einem positiven Ergebnis kommen werden und daß dieser Antrag nachher die einmütige Billigung des ganzen Hauses finden wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will meinerseits die gespannte Aufmerksamkeit des Hohen Hauses,
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die dem Verkehrsetat gewidmet wird, nicht länger auf die Folter spannen. Ich habe nur eine kleine Anfrage an den sehr verehrten Herrn Minister, und ich bitte um eine authentische Auskunft, an die der Herr Minister und die Bundesregierung sich ebenso wie die Bundesbaudirektion halten müßten.
In meiner Vaterstadt Offenbach ist seit geraumer Zeit eine lebhafte Unruhe zu verzeichnen,
({1})
und zwar aus dem Grunde, weil man auf Grund von gewissen Staumaßnahmen am Oberlauf des Mains eine Überschwemmung mindestens der am stärksten gefährdeten Teile der Altstadt erwartet. Es wird genau 58 Jahre her, zu einer Zeit, da der Maindamm noch nicht bestand, daß die Altstadt von Offenbach ganz überschwemmt gewesen ist. In der Zwischenzeit hat sich einiges auf dem Gebiet der modernen Technik ereignet.
Ich hatte Gelegenheit, bei der Vorbereitung des Etats, bei der Etatsbesprechung im Bundesverkehrsministerium in Offenbach eine Frage zu stellen, um zu erfahren, ob die Bedenken und die Sorgen der Stadtverwaltung Offenbach, die sogar zu Protestaktionen der gesamten Bevölkerung geführt haben, in bezug auf gewisse Staumaßnahmen berechtigt oder nicht berechtigt seien. Man hat mir in Offenbach erklärt, es sei kein Grund zur Sorge vorhanden. Aber die Gerüchte wollen nicht schweigen. Da der Herr Minister sicherlich darauf brennt, dem Hohen Hause und damit der Öffentlichkeit zu sagen, daß keinerlei Sorge in dieser Hinsicht besteht, wäre ich dem Herrn Minister dankbar, wenn er das vor der Öffentlichkeit bekräftigen wollte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich an der fachlich-sachlichen Verkehrsdebatte zu beteiligen; denn ich gebe offen zu, vom Verkehr verstehe ich nicht viel. Aber ich habe auch eine Anfrage an den Herrn Bundesverkehrsminister zu richten. Herr Bundesverkehrsminister, ich habe ein Heimkehreranliegen an Ihr Büro am 8. Februar 1951 herangetragen. Ich habe auf dieses Heimkehreranliegen bis zur Stunde weder einen Bescheid noch einen Zwischenbescheid bekommen. Ich weiß nicht, ob nur die Bundestagsabgeordneten in der Abwicklung des Postverkehrs mit Ihrem Ministerium so schlecht davonkommen. Aber ich möchte gerade im Interesse der Heimkehrer ersuchen, daß Sie an Ihr Ministerium Anweisung ergehen lassen. Gleichgültig, ob eine Angelegenheit negativ oder positiv entschieden werden kann, Heimkehrersachen sind in jedem Falle Eilsachen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen und dem ganzen Hohen Hause sehr dankbar, daß Sie in dieser Debatte, die anläßlich der Verabschiedung des Haushalts, und zwar des ersten Haushalts des Bundesministeriums für Verkehr, stattgefunden hat, so eindeutig auf die besondere Notlage des Verkehrs in seiner Gesamtheit hingewiesen haben. Der Verkehr steht unter dem Druck des Substanzverzehrs, und diesem Druck des Substanzverzehrs müssen wir mit allen Mitteln entgegentreten. Ich möchte aber, bevor ich auf diese größeren Probleme noch einmal kurz eingehe, gern die Einzelfragen beantworten, die hier gestellt worden sind.
Wenn der sehr verehrte Herr Kollege Pohle keine Antwort auf seinen Brief bekommen hat, so bedauere ich sehr, daß er bei unserer guten Be({0})
kanntschaft, die aus früherer Zeit besteht, mich darauf nicht früher angesprochen hat, sondern es erst hier in diesem Augenblick tut.
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Im allgemeinen werden diese Angelegenheiten bei mir prompt an die Stelle weitergegeben, die dafür zuständig ist. Aber bei der Zersplitterung, die beim Verkehrsministerium infolge der Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Büroraum besteht - ich nehme an, es handelt sich hier um einen Fall von der Eisenbahn -, ist ja die Reise nach Offenbach auch für dieses Material notwendig, und vieles geht leider, leider auch bei dem nicht so engen Kontakt zwischen Bonn und Offenbach verloren. Ich bedauere es sehr. Denn gerade die Heimkehrer, sehr verehrter Herr Kollege Pohle, das darf ich Ihnen sagen, haben meine besondere Sympathie. Ich habe sie dadurch zum Ausdruck gebracht, daß ich bereits, bevor das Heimkehrergesetz erlassen wurde, die Bundesbahn ausdrücklich gebeten und angewiesen habe, auch jene Heimkehrer, die nicht aus dem Bundesgebiet stammen und die zur Bundesbahn gehören, trotz der bestehenden Einstellungssperre einzustellen.
({2})
Die zweite Frage, die der sehr verehrte Herr Kollege Ritzel gestellt hat, betrifft Offenbach und den berühmten Umbau des Nadelwehres. Dieses Offenbacher Nadelwehr hat heute in der Berichterstattung schon eine Rolle gespielt. Es stammt aus der Zeit, als man glaubte, den Main nur bis Aschaffenburg kanalisieren zu sollen. Als man dann später dazu kam, den Main auch weiterhin auszubauen, hat man natürlich jene zuerst nicht nach sehr modernen Gesichtspunkten ausgebaute Strecke so belassen, wie sie war. Das Offenbacher Nadelwehr hat sich im Laufe der Zeit dann als baufällig erwiesen. Schon im Jahre 1936 sollte es erneuert werden. Die Angelegenheit kam durch den Krieg zum Erliegen. 1947 ist dann mit dem Neubau begonnen worden. Wenn man einen solchen Neubau vornimmt, wäre es falsch. nicht gleichzeitig zu berücksichtigen, daß in der Zwischenzeit der obere Teil des Mains. nämlich der Teil zwischen Aschaffenburg und Würzburg, für die Schifffahrt und für die Anlieger nach neuen Grundsätzen und wesentlich besser ausgebaut worden ist. Es war deshalb ein Anliegen der Bauverwaltung, dieses Wehr den gleichen Grundsätzen entsprechend auszubauen und dabei zu berücksichtigen, daß. wenn man dieses Wehr später einmal zu einem höheren Stau verwenden würde. ein Umbau und eine Erneuerung der nächsten Schleuse und Staustufe in Mainkur wegfallen könnte. Die Schiffahrt würde dadurch wesentliche Erleichterungen haben, und die Energiewirtschaft insgesamt 25 Millionen Kilowattstunden im Jahre dazu gewinnen. Man könnte also einen gewissen Teil der Kosten hier wieder hereinholen. Daß eine solche höhere Aufstauung nicht zu einer Überflutung, sondern unter Umständen zu einer Erhöhung des Grundwasserspiegels führen und dadurch in einige Keller von Offenbach das Wasser eindringen könnte, ist auch uns allen durchaus klar. Aber bevor diese Maßnahmen getroffen werden, laufen letzt eingehende Untersuchungen, um die Verhältnisse sorgfältig zu prüfen. Erst, wenn die Ergebnisse dieser Untersuchungen vorliegen, wird das normale Verfahren von der hessischen Regierung zu diesem Zweck eröffnet, wobei noch alle etwaigen Einsprüche geklärt und die zusätzlichen Maßnahmen zum Schutze der Keller und zur Abwehr etwaiger sonstiger Überflutungen festgelegt werden. Die Wasserstraßenverwaltung hat in ihrer langen Geschichte, glaube ich, die Tradition gehabt und wird sie auch in Zukunft bewahren, gerade durch ihre Maßnahmen dem Wohle des Volkes zu dienen und Schädigungen zu vermeiden. Das wird auch im Falle Offenbach geschehen, obwohl die Wasserstraßenverwaltung andererseits den dringenden Wunsch an Offenbach hat, daß die Verunreinigung des Mains durch die ungeklärten Abwässer der Stadt Offenbach einmal, zeitgemäßen wasserwirtschaftlichen Grundsätzen entsprechend, abgestellt wird. Diese Probleme spielen natürlich dort eine wesentliche Rolle. Es ist verständlich, daß die Bevölkerung sich über eine solche Sache erregt, aber ich darf noch einmal feststellen: es wird nichts geschehen, wodurch irgend jemand einen Schaden erleidet. Wir sind durchaus in der Lage, rechtzeitig die Maßnahmen zu treffen, um Schädigungen zu vermeiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Frage der Personalpolitik, die hier auch angeschnitten worden ist, darf ich Ihnen einmal ganz kurz meine grundsätzliche Auffassung mitteilen. Ich bin der Ansicht, daß wir bei der Bearbeitung der Aufgaben immer danach streben müssen, den bestgeeigneten Mann zu finden und uns dabei in keiner Weise von irgendwelchen politischen, konfessionellen oder anderen Grundsätzen leiten lassen sollten. Nachdem wir nun gestern das Gesetz in Ausführung des Art. 131 angenommen haben, glaube ich ja, daß mit diesem Gesetz doch nun wirklich endgültig abgeschlossen sein soll, was in der Vergangenheit noch immer manchen Menschen aus einem durchaus verständlichen Ressentiment sehr bewegte. Ich bin der Meinung, wenn jemand nach der Entscheidung, nach dem Spruch der zuständigen Stellen überhaupt nicht belastet ist und wenn es sich darüber hinaus hier um eine Kollektivauszeichnung handelt, die wir ja ebenso wie eine Kollektivschuld zu bewerten haben, dann sollte man in diesen Fragen doch auch etwas ruhig sein.
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Ich bin auch dankbar, daß diese Frage hier in dieser Ruhe und Sachlichkeit behandelt worden ist. Wenn wir überwinden wollen, was in der Vergangenheit war. dann sollten wir, glaube ich. die nuten Kräfte, die bereit sind. sich für den demokratischen Staat nun wirklich hundertprozentig zur Verfügung stellen, nicht zurückstoßen.
Die verschiedenen Verkehrsträger sind hier sehr eingehend und sachlich behandelt worden. Ich darf, nur ganz kurz wiederum, das Hohe Haus bitten, davon überzeugt zu sein, daß im Bundesverkehrsministerium die ganzen Probleme nicht etwa analytisch, sondern synthetisch behandelt werden, daß wir wirklich nach Gesamtplanungen arbeiten, die wir uns sehr wohl überlegen, und daß wir angesichts der Beschränkung der Mittel keine unnötigen Projekte verfolgen. Ich erkenne dankbar an, daß hier wiederholt gesagt worden ist, daß die Objektverwaltungen eben außerordentlich schmal bedacht sind. Das geschah, weil es notwendig ist, die aus der Masse des Volkes herausgeholten Steuern in der Wüste der Not und Armut zu verregnen, und es leider nicht möglich ist, wie das früher der Fall war, sie in Form von öffentlichen Aufträgen in einem breiten Strom zur Anlage eines fruchtbaren Tales zu verwenden. Wenn wir uns genötigt sehen, mit diesen schmalen Mitteln auszukommen, dann wissen wir, daß diese schmalen Mittel nur dann wirksam eingesetzt werden können, wenn sie kon({4})
zentriert an Schwerpunkten zum Einsatz kommen und wenn wir uns von einer Zersplitterung fernhalten. Das gilt sowohl auf dem Gebiete der Wasserstraßen, der Straßen und auch auf dem hier angesprochenen Gebiet der Flugplätze.
Ich darf darauf hinweisen, daß wir in der Frage der Wasserstraßen keine Unterschiede zwischen Nord und Süd kennen, sondern daß wir hier alle wichtigen Anlagen in erster Linie erhalten und, soweit sie in ihrem Ausbau bereits fortgeschritten sind, weiter ausbauen wollen, daß wir die technische Entwicklung unter allen Umständen im Interesse des Volkswohls einzusetzen haben und deswegen mit den schmalen Mitteln ein Äußerstes an Ergebnissen erzielen möchten. Wenn der sehr ehrenwerte Kollege Rademacher hier vorhin eine Reihe von Wasserstraßen, das Stromgebiet vom Rhein. Ems, Weser und Elbe genannt hat, so glaube ich, daß er die Donau dabei bestimmt nicht vergessen
({5})
und daß er an die Donau auch in seinem Verkehrsausschuß immer wieder bei den verschiedenen Beratungen gedacht hat. Ich darf das nachtragen, damit es nicht so aussieht, als ob von Hamburg aus die Donau nicht berücksichtigt würde. Ich glaube bestimmt, daß das durchaus der Fall ist. Ich denke, daß wir für diese großen Flußsysteme und ihre Verbindungen und für den Anschluß der wichtigsten Industriezentren an den entsprechenden Verkehr das Notwendigste tun.
So möchte ich auch dem sehr verehrten Herrn Kollegen Gengler sagen, daß wir den Neckar durchaus nicht irgendwie vergessen, sondern mit diesem Neckar den Vorstoß in das Herz des württembergischen Landes weiter durchführen wollen. Die Regelung der Frage allerdings, ob wir vom Neckar aus den Sprung über die Alb nach der Donau machen, müssen wir wahrscheinlich einer Zeit überlassen, in der wir mehr Mittel zur Verfügung haben, um den an sich technisch ausgezeichnet ausgearbeiteten Plänen des Herrn Konz vielleicht doch einmal zur Verwirklichung zu verhelfen. Ich glaube nicht, daß wir selbst noch dazu kommen werden. Der Verkehr auf dem Neckar und der richtige Anschluß des württembergischen Raumes an unser Wasserstraßennetz ist etwas, was uns ebenso am Herzen liegt, wie der später dringend notwendige Ausbau des Hochrheins, den wir auch aus Gründen der Elektrizitätsgewinnung als eine vordringliche gesamtwirtschaftliche Aufgabe ansehen.
Wir werden uns in den Fragen des Wasserbaues bemühen, die große Querverbindung Mittellandkanal/Nordsee technisch so erstklassig herzustellen, daß unsere Binnenschiffahrt eine gesunde Lebensgrundlage haben wird. Deshalb sind die Bestrebungen, neben der Erneuerung und dem Ausbau des Dortmund-Ems-Kanals nun auch die Weser-Kanalisierung durchzuführen, so förderungswürdig. Dabei dürfen wir eines nicht vergessen: Wir warten auf den Zeitpunkt, zu dem wir die Elbe wieder ganz in Deutschland haben werden. Was heute für das Gebiet der Ems und für das Gebiet der Weser versprochen worden ist und durchgeführt werden soll, ist für uns der Elbe gegenüber eine Verpflichtung für die Zukunft, sobald die Elbe wieder ganz in unserer Hand ist.
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- Jawohl, dem deutschen Volk. Wir wollen ja die
Gesamtheit haben, und wir hoffen, daß die Elbe
wieder der Zentralstrom Mitteleuropas wird, der sie war und der Mitteleuropa mit dem Meer verbindet.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß das Problem der Bundesbahn, von dem heute hier viel gesprochen worden ist und zu dem auch ein Antrag vorliegt, uns alle besonders beschäftigt, obwohl wir im Etat für diese Bundesbahn ja leider keine Mittel haben, die wir für sie einsetzen könnten. Die Frage der Bundesbahn ist, wie Herr Kollege Jahn ausgeführt hat, auch ein Problem der verkehrspolitischen Konsequenzen und der Anerkennung der verkehrspolitischen Entwicklung der letzten beiden Jahrzehnte.
Ich denke, daß wir durch die Maßnahmen, von denen Sie freundlicherweise gesprochen haben, jetzt dazu kommen werden, die wirklichen echten Kosten zu ermitteln, die uns dann ein klareres Durchschauen dieses Problems ermöglichen. Diese echten Kosten bei den Verkehrsträgern sind nicht so leicht zu ermitteln, wie man sich das zuweilen vorstellt; denn wir mußten erst einmal zur Ermittlung von Kostenart und Kostenstellen durchstoßen. Wenn Sie sich die Mühe machten, den ersten Bericht des Selbstkostenausschusses des Bundesverkehrsministeriums im Internationalen Archiv für Verkehrswirtschaft einmal anzusehen, so würden Sie feststellen, daß hier eine Basis geschaffen worden ist, die uns helfen wird, auf diesem Gebiet der Kostenanalyse voranzukommen. In diesen Fragen darf man nämlich nicht mehr, wie man das in der Vergangenheit einmal getan hat, tasten, sondern man muß wirkliche Grundlagen schaffen, die auf Jahre hinaus die richtigen Maßnahmen ermöglichen, die der gesamten Zueinanderordnung der Verkehrsträger dienen. Zu dieser Frage der Kostenermittlung ist sehr wichtig, daß Herr Kollege Jahn auf die Kosten der volkswirtschaftlich notwendigen Maßnahmen hingewiesen hat. Diese Kosten müssen gesondert geführt werden. Wir müssen sie besonders erkennen und dann aus den Bedingungen, die die Wirtschaft dem Verkehr stellt. das ermitteln, was nun wirklich den einzelnen Verkehrsträgern an Belastungen sowohl auflagen- als auch kostenmäßig zukommt. Niemals können wir die Selbstkosten, auch wenn sie noch so richtig ermittelt wurden, allein zur Grundlage unserer Tarifpolitik machen, sondern wir müssen die tarifpolitischen Konsequenzen so ziehen, daß die allgemeinwirtschaftlichen Bedingungen dabei berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang möchte ich von mir aus noch einmal darauf hinweisen, daß das Problem der Sicherheit im Verkehr mit dem richtigen Zusammenwirken der einzelnen Verkehrskomponenten sehr eng zusammenhängt; denn Sicherheit vor Unfällen setzt u. a. voraus, daß sich die Menschen in ihrem Beruf und in ihrem Betrieb selbst sicher fühlen. Diese Frage der Sicherheit des Verkehrs ist nirgends besser gelöst als im Bereich der Eisenbahn. Die Maßnahmen, die hier sozialpolitisch getroffen worden sind, sind durchaus beispielgebend für die Maßnahmen, die wir auch auf anderen Gebieten sozialpolitisch haben wollen. Ich habe darauf schon früher hingewiesen und gebe Herrn Kollegen Jahn durchaus recht, daß insbesondere auf dem Gebiet des Straßenverkehrs die sozialpolitischen Verhältnisse nicht so liegen, wie wir sie uns alle wünschen. Ich weise aber auch darauf hin, daß im letzten Jahr durch die Errichtung der
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Autobahnhöfe und der dazugehörigen Unterkunftsräume für die Menschen, die ihren schweren Dienst auf den Fernlastkraftwagen erfüllen, manches freiwillig geleistet worden ist, was vielleicht in Zukunft einmal ein Vorbild für andere Länder und für andere Entwicklungen sein wird. Die Verkehrssicherheit ist natürlich eine Funktion des Menschen. Die große Tradition in unserer Eisenbahnerschaft hat sich ausgezeichnet bewährt in den Wiederaufbauleistungen, die selbstlos und mit vollem Einsatz der Persönlichkeit nach dem Kriege erfolgt sind. Sie hat auch die außerordentliche Leistung ermöglicht, daß die Eisenbahn in der Statistik der Unfälle so gut da steht. Diese Leistungen, diese Disziplin möchten wir auch auf andere Verkehrsträger überleiten. Wir möchten das Problem der Unfallbekämpfung nicht nur von der Seite der Polizei her lösen, sondern gerade auch von der Seite der Erziehung her. Eine gute Verkehrspolizei ist natürlich wichtig. Seit der Vereinigung der gesamten Polizei in den letzten Jahren unter den Innenministerien erhält die Verkehrspolizei keine direkten Weisungen mehr von den Verkehrsressorts. Deshalb ist sie in Verkehrsangelegenheiten auch noch nicht so schlagkräftig, wie sie sein müßte.
Ich habe dieses Problem zusammen mit der Frage der Sicherheit auf der Straße durch ein Gesetz angefaßt, das in den nächsten Wochen auch das Hohe Haus beschäftigen wird. Es ist das Gesetz zur Herstellung der Verkehrssicherheit auf den Straßen, in dem neben vielen anderen Bestimmungen auch die Durchführung der Maßnahmen der Verkehrsverwaltung durch die Polizei im Einvernehmen mit dem Innenministerium vorgesehen wird. Ich glaube, daß wir auf diesem Wege dann den Erfolg erzielen werden, den Herr Kollege Jahn mit uns gemeinsam anstrebt. Ich denke mir, es wird möglich sein, ohne nennenswerte Kosten und ohne nennenswerte Vermehrung des Apparates durch die Maßnahmen, die in diesem Gesetz vorgesehen sind, so viel an Ordnung auf der Straße zu erzielen, daß wir in Verbindung mit dem Güterfernverkehrsgesetz, das dem Hohen Hause schon vorliegt, und mit Maßnahmen auf dem Gebiet des Güternahverkehrs, die besprochen werden, erheblich weiterkommen und doch erreichen, daß die Sicherheit des Straßenverkehrs einigermaßen gewährleistet ist.
Ich hoffe, es wird auch möglich sein, im Laufe dieses Jahres - nachdem wir die Erfolge bei der Seeschiffahrt erzielt haben - dem Hohen Hause eines Tages auch Erfolge auf dem Gebiet der Wiedererringung der Lufthoheit zu berichten. Ich denke, wir werden im Laufe des Herbstes die ersten Schritte dazu tun können. Wenn es auch vielleicht nach außen nicht so auffällig sein wird, werden wir, wie ich sicher hoffe, auf dem Gebiet der Flugsicherung und der stärkeren Einschaltung des hierfür benötigten Personals und des weiteren Ausbaues von Flughäfen wirklich vorankommen. Wenn wir die Lufthoheit verkehrs- und verwaltungsmäßig zurückerhalten haben sollten, werden wir auch bestrebt sein, auf diesem Gebiet zu einer guten Zusammenarbeit im europäischen Sinne zu kommen.
Mir liegt, wie Sie vielleicht aus verschiedenen Veröffentlichungen von mir entnommen haben werden, neben der Bekämpfung des Substanzverzehrs der Verkehrsmittel und neben der Wiederherstellung einer guten sozialpolitischen Lage für alle im Verkehr beschäftigten Menschen das Problem der europäischen Verkehrsintegration ganz besonders am Herzen. Bei den sozialpolitischen Belangen denke ich, Herr Kollege Jahn, immer an unsere Westberliner Eisenbahner. Ich würde nichts mehr begrüßen, als wenn Berlin endlich als zwölftes deutsches Land effektiv uns angegliedert und mir in direkter Funktion die Sorge für diese Menschen übertragen würde, damit ich für sie eintreten könnte, statt daß sie heute vom Berliner Magistrat, der nur über beschränkte Möglichkeiten verfügt, betreut werden.
Bei der europäischen Verkehrsintegration bitte ich Sie, auch einmal das Güterwagenproblem zu sehen. Dieses Güterwagenproblem, das uns wirklich große Sorge macht, ist doch ein Saisonproblem für alle Eisenbahnen der europäischen Länder. Ich habe deshalb die Anmietung von Güterwagen aus Ländern, in denen die Verkehrsspitzen nicht mit unseren zusammenfallen, als eine Vorstufe einer solchen europäischen Verkehrsintegration angesehen. Wenn es jetzt gelungen ist, mit der französischen Eisenbahn ab 1. Mai zu einem Übereinkommen zu gelangen, das sich Europäische Güterwagengemeinschaft nennt, dann hoffe ich, daß nicht mehr das devisenwirtschaftliche Moment, sondern nur das Streben, gemeinsam im europäischen Sinne Eisenbahn- und Verkehrsfragen zu lösen, die Diskussion bestimmen wird.
Die Zukunft der Eisenbahn, sehr verehrter Herr Jahn, darüber bin ich mir mit Ihnen völlig klar, ist durchaus gut. Sie wird um so besser sein, je eher es gelingt, die Eisenbahnfragen im europäischen Sinne großräumig zu lösen, so wie der Verkehr großräumige Lösungan verlangt. Es ist das Bestreben des Bundesverkehrsministeriums in allen seinen Gliedern, darauf hinzuarbeiten, sowohl auf dem Gebiet der Eisenbahn als auch insbesondere auf dem der Luftfahrt - das sind die beiden Gebiete, die diese Großräumigkeit am klarsten zum Ausdruck bringen - und ferner in guten Relationen bei den Fragen der Binnenschiffahrt, der Seeschiffahrt und der Straße zu einer wirklich echten europäischen Verkehrsintegration zu kommen.
Wenn Sie uns in dieser Arbeit unterstützen und wenn Sie uns auch noch in unseren Bestrebungen fördern, Marshallplanmittel und andere Mittel für den Verkehr als Kredit zu bekommen, dann helfen Sie uns, zu dieser europäischen Aufgabe des deutschen Verkehrs durchzustoßen.
({9})
Weitere Wortmeldungen, meine Damen und Herren, liegen nicht vor und werden wohl auch nach den Erklärungen des Herrn Ministers nicht gewünscht. Ich darf die Aussprache schließen.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu diesem Etat liegen zwei Anträge vor. Zunächst der Antrag Dr. Mühlenfeld und Fraktion auf Drucksache Nr. 2064 betreffend die Kreditfrage. Es ist der Antrag gestellt worden, diesen Antrag dem Verkehrsausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die so beschließen wollen, die Hand zu erheben. - Danke, das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Der andere Antrag war der Antrag des Herrn Abgeordneten Jahn betreffend die Hauptverwaltung der Bundesbahn in Offenbach. Auch hier war der Antrag gestellt worden, die Frage zunächst im Verkehrsausschuß zu erörtern. Darf ich um ein Handzeichen bitten, wer den Antrag auf Überweisung an den Verkehrsausschuß unterstützen will.
({0})
({1})
- Der Antrag lautet:
Der Sitz der Hauptverwaltung der Deutschen
Bundesbahn bleibt Offenbach am Main. Weiter nichts. Das andere ist aus der Auseinandersetzung erklärbar. Es handelt sich aber jetzt nicht um die Annahme, sondern um die Überweisung.
({2})
- Bitte schön!
Meine Damen und Herren, es erhebt sich zur Geschäftsordnung die Frage, ob ein solcher Antrag Angelegenheit des Parlaments ist. Nach meiner Ansicht ist das eine ausgesprochene Angelegenheit der Exekutive.
({0})
Ich bitte deshalb, zur Tagesordnung überzugehen.
({1})
Herr Abgeordneter Mellies, bitte!
Ich möchte dem Kollegen Rademacher nur empfehlen, sich das Gutachten des Innenministeriums zu dieser Frage einmal anzusehen. Dann wird er sich davon überzeugen, daß das Parlament durchaus die Möglichkeit hat, diese Frage an sich zu ziehen.
({0})
Wenn der Einspruch aufrechterhalten wird, dann müssen wir zunächst über den Antrag Rademacher, zur Tagesordnung überzugehen, abstimmen. Halten Sie Ihren Antrag aufrecht?
({0})
- Dann ist also nur noch über die gewünschte Verweisung an den Verkehrsausschuß abzustimmen. Wer das beschließen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Danke, das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Zum Haushalt selbst liegt nur der Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 1913 vor, den Haushalt in der anliegenden Fassung anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die das beschließen wollen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, nun möchte ich eigentlich den Vorschlag machen, neue Gegenstände jetzt nicht mehr zur Beratung zu stellen; oder wird etwas anderes gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
({1})
- Herr Abgeordneter Mellies, zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen Punkt 3 der Tagesordnung doch noch erledigen. Es handelt sich um die erste Beratung der Zweiten Ergänzungsvorlage zur Feststellung des Haushaltsplans 1950. Diese Vorlage steht nämlich bereits für morgen auf der Tagesordnung des Haushaltsausschusses, und wir müssen mit der Arbeit beginnen. Wir haben im Ältestenrat - ({0})
- Ist schon erledigt? Dann bitte ich um Entschuldigung.
Es wird mir eben mitgeteilt und ist auch durch Zwischenrufe bestätigt worden, daß das heute früh in einer Verhandlungspause erledigt ist.
({0})
- Nicht zu diesem Fall?
({1})
- Zur Geschäftsordnung, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte das Hohe Haus, damit einverstanden zu sein, daß die Angelegenheit der Beschlußfassung über die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses heute erledigt wird.
({0})
Das ist dringend erforderlich.
Welcher Punkt ist das?
Das ist Punkt 6 der Tagesordnung. Es ist eine ganz kurze Sache.
Wer ist Berichterstatter? Ritzel ({0}): Ich!
Ein Einspruch gegen die Erledigung des Punktes 6 wird nicht erhoben. Dann rufe ich ihn hiermit auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) über den Entwurf einer Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) ({2}).
Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Ritzel, das Wort.
Ritzel ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat vor etwa Jahresfrist eine Geschäftsordnung für den Vermittlungsausschuß beschlossen, der auf Grund des Grundgesetzes eingesetzt worden ist, um Differenzen zwischen Bundestag und Bundesrat zu bereinigen. Der Vermittlungsausschuß hat bisher eine erfreuliche Tätigkeit entfaltet. Aber die Frist für die Gültigkeitsdauer der Geschäftsordnung, die wir damals, um zunächst einmal die Entwicklung und die Erfahrungen abzuwarten und bewerten zu können, bis zum 31. März 1951 befristet hatten, ist abgelaufen. Zur Zeit ist der Vermittlungsausschuß also ohne Geschäftsordnung.
Nun hat nach Beratungen in dem Vermittlungsausschuß und in einem Unterausschuß des Vermittlungsausschusses eine Beratung in dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität des Bundestages stattgefunden, weil der Vermittlungsausschuß nicht in der Lage ist, seinerseits einen Antrag auf Erlaß einer neuen Geschäftsordnung zu stellen, sondern nach § 120 der Geschäftsordnung des Bundestages das Recht der Initiative für einen solchen Antrag an das Hohe Haus allein bei dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität liegt. Die Unterlagen, die der Vermittlungsausschuß erarbeitet hat, haben dem Geschäftsordnungsausschuß vorgelegen, und diese Vorschläge des Vermittlungsausschusses, die aus der Praxis geboren worden sind, sind mit einer kleinen Änderung von dem Ausschuß für Geschäftsordnung und_
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Immunität zum Antrag erhoben worden. Sie finden diesen Antrag auf der Drucksache Nr. 2139 mit dem Datum vom 10. April 1951.
In dieser Vorlage, für die ich Ihre Aufmerksamkeit erbitten darf, finden Sie links den alten Text und rechts den neuen. Ich darf Ihnen die wesentlichsten Unterschiede zwischen der alten und der geplanten neuen Geschäftsordnung in aller Kürze erläutern.
Die §§ 1 und 2 der bisherigen Geschäftsordnung sollen unverändert bestehen bleiben.
In § 3 ist eine Präzisierung in bezug auf die Vertretung der ordentlichen Mitglieder im Vermittlungsausschuß vorgenommen worden, und zwar mit dem Ziele, daß für jedes Mitglied des Vermittlungsausschusses ein bestimmter Vertreter bestellt werden soll, so daß also eine kontinuierliche Entwicklung in den Entscheidungen des Vermittlungsausschusses auf diese Weise gesichert werden soll.
Dann ist ein § 3 a, der selbstverständlich später in einen § 4 umgewandelt werden muß, vorgesehen, der auf den Wechsel der Mitglieder und der Stellvertreter der Mitglieder des Vermittlungsausschusses abhebt und in dem gesagt ist, daß die Abberufung von Mitgliedern und Stellvertretern zwar erfolgen kann, daß aber diese Abberufung nur viermal innerhalb der Wahlperiode des Bundestages stattfinden kann. Das hat an sich nichts mit einem etwa aus persönlichen Gründen erfolgenden Rücktritt eines Abgeordneten als Mitglied des Vermittlungsausschusses zu tun.
Die §§ 4, 5 und 6 bleiben bis auf den Abs. 3 des § 6 unverändert. Hier finden Sie einen neuen Begriff an Stelle des bisherigen; wir haben nämlich bisher in den Statuten des Vermittlungsausschusses von Änderungsvorschlägen gesprochen, die dem Bundestag und dem Bundesrat vorzulegen waren. Dieser Begriff Änderungsvorschlag soll künftig - und das zieht sich durch die ganze neue Geschäftsordnung - durch den Begriff Einigungsvorschlag ersetzt werden.
Die §§ 7 und 8 sind unverändert geblieben.
Bei § 9 ist aber eine Änderung vorzutragen. Künftig ist ein Einigungsvorschlag auf Änderung oder Aufhebung des vom Bundestage beschlossenen Gesetzes alsbald auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen. Ein vom Ausschuß bestimmtes Mitglied berichtet im Bundestag und Bundesrat, was bisher in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen war.
Im zweiten Absatz des § 9 tritt dann wiederum „Einigungsvorschlag" an die Stelle von „Änderungsvorschlag".
Es ist weiterhin zu § 9 ein dritter Absatz vorgesehen, der von Wichtigkeit ist. Hier heißt es: Sieht der Einigungsvorschlag mehrere Änderungen des Gesetzesbeschlusses vor, so ist in ihm zu bestimmen, ob und inwieweit im Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Erfolgt eine Einzelabstimmung über mehrere Änderungen, so ist eine Schlußabstimmung über den Einigungsvorschlag im ganzen erforderlich.
Meine Damen und Herren, eine getrennte Abstimmung war nach der bisherigen Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses nicht möglich. In dem neuen Entwurf ist eine durchaus ausreichende Formulierung gefunden worden, die den Bedenken Rechnung trägt, daß etwa durch eine Teilabstimmung ein Zustand geschaffen werden könnte, der den ganzen Vorschlag des Vermittlungsausschusses illusorisch machen könnte. Mit dem neuen Wortlaut wird ausdrücklich bestimmt, daß nach den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses getrennt abgestimmt werden kann, wenn es geschehen soll, und er sagt auch, inwieweit eine organisch gerechtfertigte, getrennte Abstimmung möglich sein soll.
Dann ist noch ein § 9 a neu vorgeschlagen worden:
Sieht der Einigungsvorschlag eine Bestätigung des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes vor, so bedarf es keiner erneuten Beschlußfassung durch den Bundestag. Der Vorsitzende des Ausschusses hat den Vorschlag noch am gleichen Tage dem Präsidenten des Bundestages und des Bundesrates mitzuteilen.
Das bezweckt, die Arbeit des Bundestages zu erleichtern und keine überflüssigen Tagesordnungspunkte zu schaffen.
In § 10 tritt wiederum an drei Stellen der Begriff Einigungsvorschlag an Stelle von Änderungsvorschlag.
Schließlich hat der letzte Paragraph, der den schönen Titel „§ 11" trägt,
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eine Neufassung folgender Art erhalten:
Diese Geschäftsordnung tritt, wenn Bundestag oder Bundesrat ihre Aufhebung beschließen, sechs Monate nach der Beschlußfassung außer Kraft.
Bis dahin waren wir vollkommen einig mit den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses. Dann hat aber der Geschäftsordnungsausschuß seinerseits noch einen Vorschlag gemacht, der auch keinen Bedenken begegnen dürfte. Es soll dann heißen:
... außer Kraft, es sei denn, daß der Bundestag vorher mit Zustimmung des Bundesrats
eine Änderung beschließt.
Im ganzen also: eine Änderung der Geschäftsordnung. Meine Damen und Herren, es ist nichts Weltbewegendes, was dem Hohen Hause mit dieser endgültigen Geschäftsordnung zur Beschlußfassung vorgelegt wird. Aber notwendig ist diese Geschäftsordnung; denn wenn morgen ein Fall vorläge, der den Vermittlungsausschuß zum Zusammentreten veranlassen sollte, dann stünde der Ausschuß ohne entsprechende Geschäftsordnung da. Das wäre vom Übel.
Der Vermittlungsausschuß selbst und der Ausschuß für Geschäftsordnung empfehlen Ihnen die die Annahme dieser Vorschläge.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache über den Bericht des Ausschusses. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, Drucksache Nr. 2139, die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses mit den Änderungen, die aus der Zusammenstellung ersichtlich sind, zu genehmigen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen, sonst einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf eben noch einmal auf den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, Drucksache Nr. 2064, zum Haushalt des
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Verkehrsministeriums zurückkommen. Ich habe gehört, daß dieser Antrag nur dem Verkehrsausschuß überwiesen worden ist. Ich halte das nicht für möglich und darf Ihnen vorschlagen - das ist vorhin auch beantragt worden -, den Antrag dem ERP-Ausschuß als dem federführenden und außerdem dem Verkehrs- und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, wenn Sie das für notwendig halten. Ich glaube, es ist notwendig. Sind Sie damit einverstanden?
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- Das ist der Fall.
Zur weiteren Tagesordnung, meine Damen und Herren: Ich weiß nicht, ob Sie bereits darüber informiert sind, daß der Punkt 5 der Tagesordnung vom Donnerstag auf Antrag des Herrn Ausschußvorsitzenden heute abgesetzt werden soll, ebenso der Punkt 7 über den kleinen Grenzverkehr an der deutsch-schweizerischen Grenze, der ebenfalls auf Antrag der Antragsteller abgesetzt werden soll. Weiterhin hat mir der Herr Fraktionsvorsitzende der WAV mitgeteilt, daß er damit einverstanden wäre, daß auch der Punkt 8 der Tagesordnung vom Mittwoch betreffend Maßnahmen zur Sicherung deutschen Eigentums in Oesterreich heute abgesetzt und auf die Tagesordnung für nächsten Donnerstag gesetzt würde. Angesichts der gesamt- und auch außenpolitischen Bedeutung dieser Frage würde ich es begrüßen, wenn das geschehen könnte. Ist das Haus damit einverstanden?
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Nachdem diese Punkte erledigt sind, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, es heute des grausamen Spiels genug sein zu lassen. Sie sind damit einverstanden, daß wir die Sitzung heute beenden und in Aussicht nehmen - ich hoffe, daß das nach der bisher für die nächste Woche vorgesehenen Tagesordnung möglich ist -, die nicht erledigten Punkte der Tagesordnungen auf die nächste Woche zu verschieben. Das würde also heißen: die Punkte 7 und 8 von der Tagesordnung des Mittwoch und von der vorn Donnerstag den Punkt 2 - das ist der Antrag der Fraktion der KPD - und Punkt 4, Besteuerung von Kleinpflanzertabak.
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- Auch Punkt 8, der heute abgesetzt ist, kommt auf die Tagesordnung einer Sitzung der nächsten Woche. Das gilt also auch für die nicht erledigten Punkte 2 und 4.
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- Zu Punkt 5 wird uns der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität wohl noch eine Mitteilung zukommen lassen.
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- Hoffen wir es! Wir sehen also vor, daß Punkt 5
ebenfalls auf die Tagesordnung einer Sitzung der
nächsten Woche kommt.
Ist noch etwas vorzubringen, meine Damen und Herren? - Das ist nicht der Fall.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die 135., auf Mittwoch, den 18. April 1951, 13 Uhr 30 und schließe die 134. Sitzung.