Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 132. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage dem Abgeordneten Dr. Oellers wegen dienstlicher Inanspruchnahme; ferner für drei Tage dem Abgeordneten Agatz wegen Krankheit. - Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: für eine Woche die Abgeordneten Seuffert und Behrisch wegen Krankheit, Abgeordneter Semler wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Frau Abgeordnete Arnold aus dringenden familiären Gründen; für zwei Wochen die Abgeordneten Dr. Nölting wegen Krankheit und Margulies wegen dienstlicher Inanspruchnahme; für weitere drei Wochen Abgeordneter Dirscherl wegen Krankheit; für vier Wochen Abgeordneter Dr. Veit wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Dr. Bertram, Dr. Dresbach, Wittenburg, Gundelach, Rische und von Thadden.
Ich schlage Ihnen vor, die Gesuche um über eine Woche hinausgehenden Urlaub zu genehmigen; die Voraussetzungen sind von mir geprüft. - Das Haus ist damit einverstanden.
({0})
- Unter den entschuldigten Abgeordneten fehlt der Schumanplan?
({1})
- Ihre Vorstellungen von Tagesordnung und Entschuldigungen unterscheiden sich doch von den unseren.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die
übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung
ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat unter dem 6. April mitgeteilt, daß er zum Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht stelle.
Er hat weiter mitgeteilt, daß er zum Gesetz zur Verlängerung der Wahlperiode der Landtage Baden und Württemberg-Hohenzollern einen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht einlege.
Zu dem Gesetz zur Änderung von Vorschriften über das Schiffsregister und zu dem Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen hat er den Vermittlungsauschuß angerufen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 5. April 1951 die Anfrage Nr. 174 der Abgeordneten Dr. Wuermeling und Genossen betreffend Existenzsicherung der Familien der Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes - Drucksache Nr. 2072 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2138 veröffentlicht.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen die folgenden Änderungen der Tagesordnung vor. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll der Punkt 6 der gedruckten Tagesordnung: zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans 1950, Einzelplan X - Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft- und Forsten, Nr. 1911 der Drucksachen, heute abgesetzt werden. Dafür soll an dritter Stelle, und zwar nach der Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Mitbestimmungsrecht und nach der dritten Beratung des Gesetzentwurfs gemäß Art. 131 des Grundgesetzes der Haushaltsplan für das Bundesministerium der Justiz beraten werden.
Weiterhin habe ich Ihnen vorzuschlagen, daß der unter Punkt 4 b der heutigen gedruckten Tagesordnung angeführte Punkt: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Wahl der Vertreter und Stellvertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarats, heute abgesetzt wird, da ein interfraktioneller Antrag noch nicht vorliegt. Es ist vorgesehen, diesen Punkt der Tagesordnung am Donnerstag mit zu erledigen.
({2})
- Ich darf annehmen, daß das Haus mit diesen Änderungen der Tagesordnung einverstanden ist.
Meine Damen und Herren! Ich rufe zunächst auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaues sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. ({3});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({4})
({5})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Gesamtaussprache der dritten Beratung eine Redezeit von 180 Minuten vorzusehen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, und zugleich der Hoffnung Ausdruck geben, daß wir diese Zeit nicht in Anspruch zu nehmen brauchen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Henßler.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat
({0})
die Vereinbarung der Sozialpartner im Bergbau und In der Hüttenindustrie zur Grundlage. Diese Vereinbarung war in erster Linie ein Werk Hans Böcklers. Es war sein letztes Werk, dem er seine letzten Kräfte widmete. An seiner Bahre sprach der Herr Bundeskanzler in Würdigung dieser großen Persönlichkeit aus:
In seinem Schaffen ist in besonderem Maße wirksam geworden und zutage getreten das ethische Verantwortungsgefühl, das in ihm lebte und der Quell seiner Kraft war.
Und weiter sagte er:
Als Bundeskanzler möchte ich in dieser Stunde dem deutschen Volke sagen, daß der Heimgegangene sich immer hat leiten lassen von dem Gefühl der tiefen Verantwortung gegenüber dem gesamten deutschen Volk.
Ich bringe diese Erinnerung nicht nur deshalb, well ich es für eine Ehrenpflicht halte, Hans Böcklers bei der abschließenden Beratung dieses Gesetzentwurfs zu gedenken, sondern auch, und noch mehr, weil ich darin eine klare Antwort auf die Frage sehe: welche Motive bewegten ihn und die Gewerkschaften bei dem Kampf um das Mitbestimmungsrecht?
({1})
Er erstrebte eine Plattform für eine verbreiterte und vertiefte Zusammenarbeit der Sozialpartner, und er war sich dabei klar - und jeder muß sich darüber klar sein -, daß das nicht geht ohne Wandel in rechtlicher Beziehung, um Rechte und Pflichten sinnvoll aufeinander abstellen zu können.
Die Gewerkschaften sind sich bewußt, daß mit dem größeren Recht auch eine größere Verantwortung verbünden ist. Mit der Bekundung des Willens, unmittelbare Verantwortung für das betriebliche und wirtschaftliche Geschehen zu tragen, haben sich die Gewerkschaften selbst über die Rolle eines nur einseitigen Interessenvertreters hinausgehoben.
({2})
Ich meine: dafür verdienen sie Anerkennung und nicht Lästerung.
({3})
Bei der bisherigen Erörterung der Gesetzesvorlage war von dieser Anerkennung auf seiten der Regierungskoalition und bei den ihr nahestehenden Gruppen meist nur wenig, dann und wann überhaupt nichts mehr zu spüren.
({4})
Um so offensichtlicher war es bei den Gegnern dieser Vorlage, daß man zum Alten zurück will. Man will am Alten festhalten, und deshalb schimpft und stöhnt man - Motto: „Haltet den Dieb!" - über den gewerkschaftlichen Machtkampf und über gewerkschaftliches Diktaturstreben.
({5})
Man versichert zwar, daß man aufrichtig und ehrlich zur Gemeinschaftsarbeit bereit sei, gleichzeitig aber macht man in Entrüstung über das gewerkschaftliche Fordern nach Gleichheit in Recht und Pflicht.
Meine Damen und Herren! Ein so kommentiertes Bekenntnis zur Gemeinschaftsarbeit ruft in mir die gleichen Empfindungen hervor, wie sie mich erfüllen, wenn die Kommunisten demokratische Beteuerungen ablegen.
({6})
- Das ist nicht unerhört, sondern damit habe ich nur eine Wahrheit ausgesprochen. Die ganzen Verhandlungen hier in der ersten Lesung und im Ausschuß sind Beweis dafür, daß Sie diese Zusammenarbeit auf der Basis der Gleichberechtigung zum großen Teil gar nicht wollen.
({7})
Meine Damen und Herren, man braucht als Beispiel nur an den Streit um den elften Mann zu erinnern.
({8})
Die gewerkschaftliche Stellungnahme bei den Verhandlungen und bei der Vereinbarung ging davon aus: die Sozialpartner müssen den elften Mann wählen; sie müssen sich darüber verständigen. Wir wollten, daß sie in eine Verpflichtung zu dieser Verständigung genommen werden. Die Gegner aber haben von vornherein auf Auswege gesonnen, wie man diesen elften Mann zu einem eindeutigen Parteimann machen könne.
({9})
Sie waren gegen diese Parität, Sie haben haben dabei ganz klares Machtverlangen gezeigt.
({10})
Bei gewissen Reden in der ersten Lesung und ebenso bei gewissen Aussprachen im Ausschuß fragte ich mich manchmal: ja, ist denn das Problem nicht, wie man den Faktor Arbeit in ein gerechtes Verhältnis zum Faktor Kapital bringt? Oder ist das Problem, wie man den Arbeiter vor den „betriebsfremden Elementen", repräsentiert durch die Gewerkschaften, schützen muß?
Meine Damen und Herren, ich will gern glauben, daß es Ihnen - den Gegnern - ehrlich darum zu tun ist, die Belegschaften gegen die Gewerkschaften ausspielen zu können.
({11})
Aber das nehme ich Ihnen nicht ab - und das nimmt Ihnen insbesondere die Ruhrarbeiterschaft nicht ab -, daß Sie etwa um des Rechtes. und der Achtung der Arbeiter willen diesen Gegensatz zu schaffen suchen.
({12})
Dieses Sorgenspiel ist - das ist mein Empfinden - nur Mittel zum Zweck, weil Sie in der gewerkschaftlichen Mitwirkung eine tiefergreifende und wirksamere Beeinträchtigung Ihrer bisherigen Rechte sehen.
Ich muß sagen: damit sind bei mir und zweifellos bei Zehntausenden und aber Zehntausenden Arbeitern im Ruhrgebiet bittere Erinnerungen aufgefrischt worden. In der Schwerindustrie des Ruhrgebiets hat man einst diesen „Schutz vor den Gewerkschaften" ganz groß betrieben. Zeugen, die jene Zeit erlebten und zum Teil selbst Objekt dieser Schutzmaßnahmen waren, sind heute noch in großer Zahl vorhanden.
({13})
Der Anschauungsunterricht, der damals gegeben wurde, war so rücksichtslos und so hartherzig, daß er in frischer Erinnerung geblieben ist. Des gewerkschaftlichen Schutzes entblößt, wurden die Arbeiter zu rechtlosen Objekten degradiert. Kompromißlos wurde der Herr-im-Hause-Standpunkt so lange vertreten, bis die politische Machtveränderung das Unternehmertum zwang, die Gewerk({14})
schaften als die Vertretung der Arbeiter anerkennen zu müssen. Ich habe ein Recht, daran zu erinnern, weil zu keiner Zeit dieses Unternehmerturn freiwillig etwas zugestanden hat.
({15}) Das gibt zur dringenden Mahnung Anlaß, die notwendige Neuordnung durch ganz klare politische Tatsachen gesetzmäßig zu verankern.
Eine andere Feststellung, meine Damen und Herren! Der gegenwärtige Streit um das Mitbestimmungsrecht dürfte eigentlich gar nicht sein, wenn nicht so viele recht schnell vergessen hätten, was sie noch vor wenigen Jahren feierlich bekundet haben.
({16})
Er dürfte nicht sein, denn alle haben 1945 angesichts des Tatbestandes des zerschlagenen und zertrümmerten Heimatlandes mehr oder weniger als notwendig anerkannt: Die alte Ordnung ist zerschlagen; es gibt kein Zurück zu ihr. Wir stehen vor dem Zwang, eine neue Ordnung zu finden, die viel mehr, als es je der Fall war, die Menschen zu gemeinsamer Aufgabenlösung zusammenführt.
Damals erkannten auch alle mehr oder weniger, diese Neuordnung habe zur Voraussetzung, daß auch ein solcher Wandel in den Formen des Zusammenlebens, in der gesetzlichen Struktur erfolgen müsse, damit Gemeinschaft werden und bestehen könne. Deshalb unser Ja zum Prinzip des gewerkschaftlichen Verlangens: gleich im Recht und in der Verpflichtung! Nicht mehr, aber auch nicht weniger!
({17})
Noch von einem anderen Gesichtspunkt aus muß ich die Diskussion „Belegschaft oder Gewerkschaft" als einen verkrampften Streit mit hintergründigen Motiven bezeichnen. Ich stelle zunächst fest: diese Gesetzesvorlage ist nicht Ersatz oder Einschränkung der bestehenden Betriebsräteregelung für die Mitbestimmung, sondern sie ist als eine Erweiterung über den Rahmen des rein Innerbetrieblichen hinaus in die Sphäre der Gesamtwirtschaft gedacht. Bei einer solchen Betrachtung ergibt sich geradezu logisch, daß in diesem Falle die überbetriebliche Zusammenfassung der Arbeiter, die Gewerkschaften, eingeschaltet werden müssen.
Gestatten Sie mir, ein kurzes Erlebnis aus den Verhandlungen im Arbeitskreis wiederzugeben. Ich forderte damals, als der Streit: sollen die Gewerkschaften oder sollen die Belegschaftsmitglieder die Aufsichtsräte bestimmen?, begann, man möge doch von dem Sinn der Vereinbarung ausgehen, der zu einer Neuordnung der Wirtschaftsverfassung strebe. Es gehe doch wahrhaftig um mehr als nur um die Änderung etlicher Betriebsverfassungen; deshalb müsse die überbetriebliche Vertretung der Arbeitnehmer bestimmend hinzugezogen werden. Ich begegnete mit diesem Vorschlag allgemeinem Nichtverstehen, vielleicht auch, richtiger gesagt, Nichtverstehenwollen. Zwischendurch aber - und das ist das Interessante - gab es einen lichten Augenblick im Dunkel des Unbegreifens. Es wurde darüber diskutiert, daß man, wenn man den Senat oder den Vermittlungsausschuß schafft, ihm wahrscheinlich einen Vorsitzenden geben müsse, damit echte Abstimmungen möglich seien. Es erhob sich die Frage, wer nun diesen Vorsitzenden bestimme. Da wurde erklärt: ja, das muß selbstverständlich die Bundesregierung tun.
({18})
Denn, meine Herren, begreifen Sie doch, so wurde da gesagt: Die Bundesregierung muß es tun, -weil es sich doch um eine eminent wirtschaftspolitische Sache handelt. Nachdem man diesen Wunsch durchgesetzt hatte, fiel man wieder in das Dunkel des Nichtbegreifenwollens zurück.
Ein anderes Erlebnis aus der zweiten Lesung. Es war Herr Kollege Dr. Schröder, der erklärte, mit diesem Gesetz beginne ein neuer Abschnitt unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens.
({19})
Ist es so - und ich wünschte, daß das Gesetz Auswirkungen auf die Wirschaft insgesamt hätte -,
({20})
dann entspricht es doch klarer logischer Überlegung, daß die überbetriebliche Zusammenfassung der Arbeitnehmer - das sind die Gewerkschaften - der natürliche Partner neben den Männern aus dem Betrieb ist.
Ich darf daran erinnern, daß bei Einbringung des Gesetzes vom Herrn Bundeskanzler selbst anerkannt worden ist, daß die Gewerkschaften sich seit 1945 um die Wiederingangsetzung der Wirtschaft hochverdient machten. Ich darf noch an ein anderes Wort erinnern, das er anläßlich des Gedenkens für Hans Böckler ausgesprochen hat: „Die Wege, die das Leben ihn und mich geführt hat, die Aufgaben, die ihm und mir in den letzten Jahren gestellt waren, haben uns immer wieder zusammengeführt." Darin liegt die Anerkenntnis, daß mit den Gewerkschaften, und sogar der Spitzenorganisation, diese Verhandlungen geführt werden müssen. Deshalb, meine Damen und Herren, stelle ich die Frage: Empfinden Sie es nicht auch geradezu als lächerlich, und nicht nur das, sondern auch als ungerecht und beschämend, die Gewerkschaften als betriebsfremdes Element zu diffamieren
({21})
und ihnen mit dieser Begründung Einflußnahme auf das wirtschaftliche Geschehen zu bestreiten, wenn es darum geht, ihnen das Recht zukommen zu lassen, für das sie seit 1945 wahrlich schon gewaltige Vorleistungen gaben?
({22})
Nun zu dem Einwand, daß durch dieses Gesetz geheiligte Eigentumsrechte verletzt werden. Ich muß sagen, ich finde, daß jemand von allen guten Geistern verlassen ist, wenn er ausgerechnet bei der Grundstoffindustrie mit der Verteidigung des Privateigentums beginnen will.
({23})
Ich will die Erörterung dieser Frage mit der Frage verbinden, die Herr Kollege Dr. Becker in der ersten Lesung gestellt hat, ob man dieser Vorlage das Sozialisierungsverlangen erledigt sei. Ich habe damals den Eindruck gehabt, Herr Kollege Dr. Becker war der Meinung, er stelle uns eine sehr peinliche Frage. Er irrt. Seine diesbezüglichen Bemerkungen waren mir nur ein Beweis dafür, daß man unter Umständen sehr leidenschaftlich über eine Sache reden kann, ohne etwas von ihr zu verstehen oder verstehen zu wollen.
({24})
Ich erinnere Herrn Dr. Becker und seine Fraktion daran, daß sie einer Regierungserklärung zugestimmt haben, in der eine Neuordnung der Besitzverhältnisse, - meine Herren, der Besitzver({25})
hältnisse! - in den Grundstoffindustrien als notwendig in Aussicht gestellt wurde.
({26})
Dieses Versprechen wurde unter Hinweis darauf gegeben, daß die soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmer Beachtung finden müsse.
Meine Damen und Herren,. diese Vorlage bringt nur eine Teillösung dessen, was wir durch die Sozialisierung erstreben. Gerade die Neuordnung der Besitzverhältnisse ist notwendig; das zeigt die bisherige Debatte.
({27})
Nebenbei erscheint sie mir auch als notwendig, wenn ich daran denke, in welchen Formen wir einen Schumanplan akzeptieren sollen.
Aber das Wesentlichste, meine Damen und Herren: Über diese Frage dürfte es eigentlich heute
gar keinen Streit geben, zum mindesten im Prinzip müßte man übereinstimmen, wenn das noch
gilt, was gestern und vorgestern erklärt wurde. Unter Kapitalismus verstehen wir eine Wirtschaftsform, in der der Profit das allein Ausschlaggebende war. Diese Wirtschaftsform ist vorbei. Sie will keiner von uns jemals wiedersehen. Das haben wir laut und deutlich ausgesprochen.
Das ist abgeschrieben aus einer Rede des Herrn Bundeskanzlers Adenauer
({28}) im Landtag vom 6. März 1947.
({29})
Meine Damen und Herren von der FDP, ich erinnere bei dieser Gelegenheit daran, daß sich auch Ihr erster Mann in jenen Jahren ebenso „schuldig" gemacht hat. Es war Herr Blücher, der damalige Finanzminister und jetzige Vizekanzler. Ich habe es schon einmal zitiert; ich will es wiederholen. Manches muß man nicht bloß zwei- und dreimal, sondern noch öfter sagen:
Was die Kohle betrifft, so wissen wir gut: es kann nicht sein, daß dieser ausgesprochene Mangelrohstoff, dieses wertvolle Erzeugnis deutschen Bodens etwa so behandelt würde wie eine andere Produktion.
({30})
In dieser Rede hat Herr Blücher versichert, daß auch die Demokraten nicht reprivatisieren wollen, wo es sich um anonymes Kapital handelt. Er hat diese Versicherung noch durch die Erklärung unterstrichen: „Sie werden uns nicht auf kapitalistischen Schleichpfaden finden."
({31}) Meine Damen und Herren, gilt nicht für den weitaus größten Teil des Aktienbesitzes in der Grundstoffindustrie die Kennzeichnung „anonymes Kapital"?
({32})
Wollen Sie mir sagen, wo bei den zigtausenden Aktionären Betriebsverbundenheit ist?
({33})
Ich glaube, es gibt da viele Tausende, die nicht einmal wissen, wo das Werk liegt, von dem sie die Aktien haben.
({34})
Wollen Sie mir sagen, wo hier die von Ihnen so
oft vertretene These „Eigentum verpflichtet" verwirklicht wurde?
({35})
Für diese Aktionäre hatte die Aktie nur Bedeutung
({36}) als Wert und als Rendite.
({37})
- Ja, sie haben sie ja nicht heute gekauft, und das Heute ist nicht maßgebend für das Morgen und Übermorgen.
Aber, Herr Kollege von Brentano, noch etwas anderes. Sehen Sie, diese Aktionäre waren doch nur die Staffage für die Großfinanz.
({38})
Dieser Aktienbesitz gab der Großfinanz die Macht. Im Prinzip hat sich doch wahrhaftig nichts daran geändert dadurch, daß sich jetzt Herr Schmidt als _Vertretung für diese Aktionäre geltend macht. Herr Schmidt ist uns kein Unbekannter; und so, wie wir ihn kennen, müssen wir ihn politisch als engen Verwandten der Großen an der Ruhr betrachten. Außerdem ist mein Eindruck der, daß sich das Interesse der Aktionäre auch heute nur auf die Aktienbewertung bezieht. Man kann von ihnen bestimmt nicht sagen, was der Bericht der Vereinigten Stahlwerke von den in diesen Werken Beschäftigten sagte:
Der Wiederaufbau und der Wiederanlauf wurde nicht zuletzt ermöglicht durch den tatkräftigen Einsatz und die verständnisvolle Mitarbeit der Angestellten und Arbeiter unserer Werke, die unter -den ungewöhnlich erschwerten Arbeitsverhältnissen und Lebensbedingungen pflichtbewußt und opferbereit ihre Arbeit versahen.
Meine Damen und Herren, ich gebe gern zu, daneben gab es, wenn man es im großen unterscheidet, eine Aktionärgruppe, die mit dieser Industrie auch verbunden war. Ich will gar nicht bestreiten, daß sich unter diesen Aktionären Persönlichkeiten befinden, die sich im Rahmen des kapitalistischen Wirtschaftssystems Verdienste um die Entwicklung der Ruhrindustrie erworben haben. Aber, nehmt alles nur in allem: Dieser Typ des Unternehmers war der prononcierteste Vertreter des kapitalistischen Prinzips, der im Arbeiter nicht den Menschen sah - ganz zu schweigen den Mitarbeiter -, sondern nur das Arbeitsobjekt. Solange die Vertreter dieses Typs handeln konnten, wie sie wollten, waren sie erhaben über den Gedanken, auch einmal mit dem Arbeiter zu verhandeln. Trotz Koalitionsrecht gingen sie so weit, daß sie unter Umständen schon die gewerkschaftliche Zugehörigkeit als Entlassungsgrund betrachtet haben.
({39})
- Nein, dafür gibt es heute noch genügend Zeugen; und, Herr Kollege Dr. Wellhausen, ich wiederhole noch einmal,
({40})
diese Persönlichkeiten haben an diesen Vorrechten so lange festgehalten, bis sie durch politische Tatsachen gezwungen wurden, sie teilweise aufzugeben.
({41})
Ich wäre nicht darauf eingegangen, aber Ihr Zwischenruf veranlaßt mich dazu. Während des erstes
({42})
Weltkrieges gab es eine Periode, in der die Frage aufgeworfen wurde, ob man angesichts der Leistungen des Volkes nicht das preußische Dreiklassenwahlrecht aufgeben sollte. Neben den Junkern waren es die Nationalliberalen dieses Gebiets, die Nein dazu gesagt haben.
({43})
Sie behaupteten, wenn man diesen Menschen gleiches Recht gäbe, hätte es eine Beeinträchtigung der Stimmung zur Folge.
Und wie war es nach 1918? Gewiß, sie haben mit den Gewerkschaften verhandelt; sie waren auch zum Teil bereit, Arbeitsgemeinschaft zu machen. Ich erinnere aber an das große Zechenlegen in den zwanziger Jahren, ich erinnere an die große Rationalisierungsbewegung in der Hüttenindustrie. Da mußten wir feststellen, daß es nur die Quoten und die Beteiligungsprozente waren, die als schwergewichtig anerkannt wurden. Um das Los der Tausende, die Opfer dieser Quotenpolitik wurden, kümmerte man sich wenig. Und wenn man anerkennt, daß diese Männer an der Ruhr doch wahrlich keine Dummköpfe waren, dann fragt man sich, wieso es kam, daß sie Hitler ins Garn gingen.
({44})
Man kommt dann nur zu der Erklärung: sie sahen in Hitler die Möglichkeit, die lästigen Gewerkschaften loszuwerden.
({45})
Wenn man heute die Leistung dieser Männer so
rühmt und so stark herausstellt, daß man sie
braucht, dann soll man nicht vergessen, daß die
Trümmerhaufen von heute auch zum Teil der Effekt dieser privatkapitalistischen Initiative waren.
({46})
Aber, meine Damen und Herren, auch darüber dürfte man heute eigentlich nicht mehr streiten müssen.
Die privatkapitalistische deutsche Monopolwirtschaft ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Ein unerhörter wirtschaftlicher und sozialer Zusammenbruch war die Folge der betriebenen Machtpolitik.
So wiederum Herr Dr. Adenauer. Damit er nicht allein bleibt, ein zweites Zitat:
Wir denken auch nicht daran, die Sünden, die das Monopolkapital und eine übermäßige Unternehmerprofitgier gerade auf diesem Gebiet begangen haben, zu vergessen.
Das war Herr Blücher.
({47})
Gesagt in einer Rede am 23. Januar 1947 im Landtag.
({48})
- Lang ist's her? Das zeigt nur, daß Sie auf einem Gebiet auf alle Fälle eine geniale Begabung haben: sich politisch zu wandeln und zu vergessen, was man einst feierlich erklärte.
({49})
Meine Damen und Herren! Ich will mich mit dieser reinen Tatsachenfeststellung begnügen und auf eine weitere Illustrierung durch einzelne Tatsachen verzichten. Aber klar herausstellen möchte ich - darum habe ich es angeführt -, daß aus diesen Tatsachen durch Schaffung neuer politischer Tatsachen Schlußfolgerungen gezogen werden müssen. Es wäre verhängnisvoll, hier feststellen zu müssen: alles vergessen und nichts hinzugelernt.
Lassen Sie mich zum Schluß in diesem Zusammenhange zu der Warnung angeblicher oder tatsächlicher amerikanischer Finanzleute vor der Einführung des Mitbestimmungsrechtes - weil uns deswegen nämlich Kredite verweigert werden könnten - noch einige Bemerkungen machen. Vorweg dazu eine Frage an die deutsche Adresse: Müßte nicht, unbekümmert um die Stellungnahme zum Mitbestimmungsrecht, die Zurückweisung solcher Einmischung ein selbstverständliches Gebot nationaler Würde sein?
({50}) Außerdem, nicht übertreiben! Es handelt sich hier nicht um die Amerikaner,
({51})
es handelt sich um eine gewisse Gruppe, und da bin
ich mir noch nicht klar, ob hier wirklich die Sorge
um Sicherheit eventueller Kredite besteht, oder ob
nicht die Überlegung im Vordergrunde steht: wie
kann ich mit Geld in Deutschland Politik machen?
({52})
Dabei eine weitere Frage: Inwieweit sind diese amerikanischen Proteste von deutschen Gruppen gewünscht
({53})
oder gar bestellt worden?
({54})
Ich darf daran erinnern, daß das Organ der Industriegewerkschaft Metall am 2. August einen Bericht über eine Rede des Herrn von Rechenberg bei einem Empfang in Düsseldorf brachte:
({55})
„Wenn es gelingt, sozialistische Ideen in Deutschland zum Tragen zu bringen, dann kann man die
Hoffnung auf ein zukünftiges Europa begraben."
({56})
Sie können sich ja nachher melden. Sagen Sie mir, ob Sie ähnliche Worte gesprochen haben oder nicht,
({57}) sagen Sie mir, ob McCloy darauf erwidert hat, daß es sich hier um eine Angelegenheit handelt, die zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Deutschland erledigt werden müsse?
Aber noch ein anderes Beispiel. Die amerikanische Zeitschrift „Modern Industry" brachte einen Bericht über die Befragung des Bundestagsabgeordneten Herrn Dr. Hans Müblenfeld. Diese Zeitschrift berichtet über diese Befragung: ,.Er, Herr Dr. Mühlenfeld, war im Hinblick auf die Möglichkeit. das Gesetz aufzuhalten oder auch nur zu verschieben. sehr pessimistisch, es sei denn, die alliierte Militärregierung setze dieser Gesetzgebung ein Halt,
({58})
und zwar mit der Begründung, daß diese Gesetzgebung demokratische Prinzipien vergewaltige."
({59})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
- Ich bin gleich fertig. - Noch ein kleines Beispiel dafür, wie unsachlich dieser
({0})
Kampf geführt wird. Mir ist mitgeteilt worden, daß die Wahlkampfleitung der Niederdeutschen Union Wahlmaterial herausgebracht habe, in dem behauptet wird, daß der Betriebsrat des Hörder Werkes - es wurde dabei hinzugefügt, hier zeige sich bereits die Folge des Mitbestimmungsrechts, weil es sich um ein entflochtenes Werk handelte - für die Belegschaft große Kohlenmengen abgezweigt habe, weshalb das Feinblechwerk seine Produktion habe vermindern und dadurch 16 000 Menschen im Volkswagenwerk hätten kurzarbeiten müssen.
({1})
Das Hörder Hüttenwerk hat gar kein Feinbiechwalzwerk,
({2})
und der Betriebsrat, den ich sehr gut kenne, bestreitet jegliche Form dieser Darstellung.
({3})
Meine Damen und Herren, ich appelliere: Geben Sie diesem Gesetz einen solchen Inhalt, daß man mit Fug und Recht davon reden kann, daß mit ihm ein neuer Abschnitt in unserer sozialwirtschaftlichen Entwicklung beginnt. Da mahne ich Sie, insbesondere auch bezüglich der Frage des 11. Mitgliedes daran zu denken: es soll so geregelt werden, daß es keine Verletzung der Parität darstellt. Ich wiederhole noch einmal: von der gewerkschaftlichen Seite und von meinen Freunden ist im Ausschuß dargelegt worden, daß wir hier keine zusätzlichen Bestimmungen wollen, weil wir wünschen, daß sich die beiderseitigen Sozialpartner auf diesen 11. Mann einigen. Wir können nicht einer Regelung zustimmen, die nach außen als paritätische Regelung angekündigt wird und bei der man bewußt und mit voller Absicht diese Parität zerstört. Ich appelliere: schaffen Sie eine Plattform für ein neues Recht, für eine Zusammenarbeit mit dem Ziel: Gemeinschaft, fest fundiert in gleichem Recht und gleicher Verpflichtung.
({4})
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, mache ich darauf aufmerksam, daß an der Rückseite des Saales über der Tribüne eine neue Uhr angebracht worden ist. Die Herren Abgeordneten haben es also nicht mehr nötig, nach rechts oder links zu schauen, wenn sie die Zeichen der Zeit erkennen wollen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung haben die SPD und die CDU bei entscheidenden Paragraphen gemeinsam gestimmt und dadurch wesentliche Voraussetzungen für das Gesetz gesichert. Eben haben wir bei den Ausführungen des Redners der SPD nicht gespürt, daß diese Koalition, diese Allianz honoriert worden ist.
({0})
Im übrigen möchte ich zu den Ausführungen meines Vorredners folgendes sagen. Man hat es im alten Reichstag als einen Fortschritt empfunden, daß eine dritte Lesung eingeführt worden ist. Die Fragwürdigkeit dieses Fortschritts hat mein Vorredner in eindrucksvoller Weise demonstriert.
({1})
Es hat doch keinen Sinn, wenn wir wenige Wochen
vorher ganz eingehend unsere grundsätzliche Auffassung dargelegt haben, daß wir uns hier in den Argumenten wiederholen.
Die Bayernpartei hat ihren Standpunkt hier ausführlich dargelegt. Wir beschränken uns deshalb in der heutigen dritten Lesung auf folgende kurze Erklärung.
Die Bayernpartei bejaht das Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer.
({2})
Die Bayernpartei hat daher der Lösung zugestimmt, daß den fünf Vertretern der Arbeitgeber fünf Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat- gegenüberstehen.
({3})
Wenn die Bayernpartei aber den Gesetzentwurf in seiner vorliegenden Fassung ablehnt, so geschieht dies, weil nicht allein die Arbeiter und Angestellten des Betriebes, sondern in der Mehrheit betriebsfremde Arbeitnehmer von den Gewerkschaften vorgeschlagen werden können, was nicht im Interesse der Arbeitnehmer liegt.
({4}) "
Die Bayernpartei bejaht durchaus die Notwendigkeit der Gewerkschaften und ihre Mitarbeit bei der Regelung der Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, bei der Beratung der im Aufsichtsrat befindlichen Arbeitnehmer des Betriebes, in der Durchführung ihrer berufsständischen Aufgaben, lehnt aber eine gesetzlich festgelegte Einmischung in dieser Form ab. Die Bayernpartei hat ihre Auffassung in ihrem Antrag insbesondere zu § 6 dargelegt, der ein Vorschlagsrecht der Gewerkschaften für zwei Arbeitnehmer vorsieht, es aber auf betriebseigene Personen beschränkt. Da eine andere Lösung eine Einschränkung der Rechte der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern bedeuten würde, müssen wir das Gesetz in seiner vorliegenden Fassung ablehnen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident"! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Henßler hat mit sehr viel Leidenschaft der Mehrheit des Hauses den Vorwurf machen wollen, daß sie für das Neue kein Verständnis habe, daß sie am Alten festhalten wolle.
({0})
Herr Kollege Henßler, ich muß den Vorwurf zurückgeben. Ich habe Ihrer Rede entnommen, daß Sie anscheinend auch nicht sehr "viel Verständnis haben für die Formen, die wir heute für zweckmäßig halten, um zusammen leben, um zusammen arbeiten zu können.
({1})
Diese Darlegungen erinnern mich an eine Zeit, die immerhin zwei, drei Jahrzehnte zurückliegt.
({2})
Von Herrn Kollegen Henßler wurde zum Ausdruck gebracht, aus der Ausschußarbeit wäre erkennbar gewesen, daß man die Gewerkschaften als solche ablehne. Meine Damen und Herren, wer an dieser Arbeit teilgenommen hat, konnte diesen Eindruck nie mit nach Hause nehmen. Es ging lediglich darum, daß die Funktionen richtig verteilt
({3})
werden, und wir sind der Meinung, daß sowohl Arbeitnehmer im Betrieb wie Gewerkschaften draußen ihre bestimmten Funktionen haben. Wir wissen die Tätigkeit der Gewerkschaften zu schätzen. Ich bin selbst immerhin seit mehr als drei Jahrzehnten Gewerkschaftler.
({4})
- Ja, oho! Seit 1917, wenn Sie es genau wissen wollen!
({5})
- Ich weiß es nicht. Es kann sein, daß die eine Richtung der Gewerkschaften von anderen Leuten nicht als vollwertig anerkannt wird.
({6})
- Das scheint so zu sein, und ich muß schon sagen: Wenn ich hier die Anerkennung für die Tätigkeit der Gewerkschaften auch seit 1945 ausspreche, dann möchte ich aber in diese Anerkennung nicht eine Tätigkeit einbeziehen, wie sie beispielsweise Herr Kollege Wönner zur Zeit in Bayern leistet. Solche Tätigkeit dient zweifellos nicht dazu, die nötige Einheit der deutschen Gewerkschaftsbewegung zu erhalten,
({7})
und wir würden es begrüßen, wenn sich diese Herren Gewerkschaftler doch etwas größerer Zurückhaltung befleißigen wollten; denn sonst müßten sie einmal als die Totengräber der Einheitsgewerkschaftsbewegung bezeichnet werden.
({8})
In den Ausführungen des Herrn Kollegen Henßler ist wenig erkennbar geworden über die positive Stellungnahme zu dem vorliegenden Gesetzentwurf. Ich hätte es insbesondere begrüßt, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, die bisher geleistete Arbeit einmal mit dem Verhandlungsergebnis der Sozialpartner, mit den Richtlinien, die die an den Vorverhandlungen beteiligten Arbtnehmer- und Unternehmervertreter aufgestellt haben, in Vergleich zu setzen.
({9})
Wenn er sich diese Mühe gemacht hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen,_ solche Gegensätze h erauszustellen.
({10})
Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß während der gesamten Beratungen in den vorbereitenden Ausschüssen die Anerkennung der paritätischen Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat nie umstritten war.
({11})
Es war von vornherein von allen anerkannt, daß Arbeitnehmer und Unternehmer in gleicher Zahl im Aufsichtsrat vertreten sein sollten. Ich darf auch feststellen, daß über den Arbeitsdirektor weitestgehend Übereinstimmung bestand.
({12})
Und das sind doch nun einmal die wesentlichsten Probleme, die in diesem Gesetzentwurf behandelt werden.
Allerdings bestanden verschiedene Auffassungen darüber, wer nun die Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat entsenden sollte. Wir haben - bitte bringen Sie dafür Verständnis auf - den Wunsch gehabt, daß in der Vertretung gerade die Belegschaft ein stärkeres Gewicht hat. Es handelt sich hier ja nicht um ein Gesetz, das die Frage der überbetrieblichen Mitbestimmung regelt, sondern es ist ein Gesetz, das vom Einzelunternehmen ausgeht, das die' Frage der Vertretung in Aufsichtsrat und Vorstand im Einzelunternehmen behandelt. In diesen Fragen des Einzelunternehmens hat die Belegschaft unseres Erachtens ein ganz entscheidendes Wort mitzureden.
In seinen Ausführungen zur Frage des elften Mannes hat der Herr Kollege Henßler meines Erachtens auch nicht die zwischen den Verhandlungspartnern vereinbarten Richtlinien zur Grundlage genommen. Wer diese Richtlinien zum Vergleich heranzieht, erkennt, daß im Ausschuß keine Verschlechterung gegenüber dem vorgenommen worden ist, was die damals an den Verhandlungen Beteiligten gewollt haben.
({13}) Nachdem uns aber nach der zweiten Lesung der Deutsche Gewerkschaftsbund noch einige Wünsche unterbreitet hat, haben wir innerhalb unseres Fraktion geprüft, wieweit diesen nachträglichen Wünschen Rechnung getragen werden kann. Wir werden dem Hohen Haus einige Änderungen des in zweiter Lesung beschlossenen Gesetzentwurf es, insbesondere eine Änderung des § 6 Abs. 1 vorschlagen. Der Schlußsatz dieses Paragraphen soll lauten:
Die Arbeitermitglieder der Betriebsräte
wählen den zu benennenden Arbeitervertreter,
die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte
wählen den zu benennenden Angestelltenvertreter im Aufsichtsrat in geheimer Wahl.
Mit diesem Vorschlag haben wir einerseits der Auffassung der Gewerkschaften, soweit als es uns möglich war, Rechnung getragen, andererseits aber - darauf legen wir entscheidenden Wert - sichergestellt, daß die Minderheit im Betrieb - das wird in der Regel die Angestelltengruppe sein - die Möglichkeit hat, auf die Bestellung des Angestelltenvertreters im Aufsichtsrat einen entscheidenden Einfluß auszuüben. Darauf legen wir größten Wert. Wir befürchten, eine andere Fassung des Gesetzes würde nicht erreichen, daß von den Angestellten derjenige in den Aufsichtsrat entsandt wird, der das Vertrauen der Mehrheit seiner Gruppe hat.
Wir schlagen weiterhin zu Abs. 2 vor, den Schlußsatz zu ändern, und zwar wollen wir, daß in dem Falle, in dem die Betriebsräte die Einsprüche gegen die vorgeschlagenen Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat ablehnen, ein Vermittlungsauschuß angerufen werden kann. In der zweiten Lesung war für diesen Fall die Einschaltung des Arbeitsministers beschlossen worden. Wir halten es für zweckmäßig, diese Angelegenheit nicht einer Behörde zu übertragen, sondern hiermit einen Vermittlungsausschuß zu betrauen, dem allerdings ein vom Bundesminister für Arbeit bestellter unparteiischer Vorsitzender angehört.
Auch bei § 8 haben wir geprüft, wie wir den Wünschen der Gewerkschaften noch Rechnung tragen können. Sie wissen, daß in dem Gesetzentwurf der Regierung ursprünglich eine Lücke vorhanden war. Zunächst hatte der Aufsichtsrat den elften Mann zu bestellen. Wenn er sich nicht
({14})
einigen konnte, hatte er das Recht, den Senat anzurufen. Dieser hatte drei Vorschläge an die Hauptversammlung zu machen. Es war nicht klargestellt, was geschehen sollte, wenn die Hauptversammlung keinen dieser Vorschläge akzeptierte. In der zweiten Lesung hat man eine Regelung gefunden, die praktisch bedeutet, daß der Hauptversammlung das letzte Entscheidungsrecht garantiert ist. Gegen diese Regelung hatten die Gewerkschaften Bedenken, und zwar der Art, daß schon hierdurch von vornherein ein ernstes Bestreben, sich über den elften Mann zu einigen, nicht unterstützt würde. Wir sind dazu gekommen, eine Neufassung des Abs. 3 von § 8 mit . folgendem Wortlaut vorzuschlagen:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Kommt eine Wahl auf Grund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, so kann das Wahlorgan weitere Vorschläge des Vermittlungsausschusses erbitten. Werden weitere Vorschläge nicht erbeten oder kommt eine Wahl auch auf Grund des zweiten Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, so wählt das Wahlorgan von sich aus das weitere Mitglied.
Der Unterschied liegt darin: hier wurde deutlich gemacht, daß das Wahlorgan die ihm gemachten Vorschläge lediglich aus wichtigen Gründen ablehnen kann. In jedem Falle, in dem das Wahlorgan dies ignorieren sollte, wird ein Anfechtungsgrund gegen eine erfolgte Wahl gegeben sein. Wir glauben, damit ist sichergestellt, daß bei der Auswahl des elften Mannes die Meinung der beiden Partner gebührend berücksichtigt wird. Hier ist die Möglichkeit gegeben, besser zu einer gemeinsamen, zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen.
Wir haben dann noch eine Reihe formaler Änderungen vorzuschlagen. Sie sind nicht wesentlich. Ich brauche dazu nichts Näheres zu sagen. Abschließend möchte ich aber noch folgendes bemerken. Sie dürften aus unseren Vorschlägen, aus unserer Stellungnahme in den gesamten Ausschüssen, aus der Tatsache, daß wir die ersten waren, die diesem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Mitbestimmung eingereicht haben, doch erkennen, daß wir es mit dem Problem ernst meinen. Das wollen wir Ihnen in aller Deutlichkeit sagen. Sie dürften erkennen, daß wir uns ernstlich bemühen, auch mit den Gewerkschaften in einem guten Verhältnis zu stehen. Wir kennen und schätzen ihre Bedeutung und wollen weitgehend helfen, auch ihnen die gebührende Stellung in der deutschen Wirtschaft zu verschaffen. Ich bitte Sie um Ihr Verständnis für diese Situation. Ich muß es noch einmal sagen: Ausführungen,. wie sie Herr Kollege Henßler gemacht hat, sind nicht dazu angetan, hier in dem Hause die Atmosphäre zu schaffen, dir wir für eine fruchtbringende Arbeit nötig haben.
({15})
- Das ist notwendig! - Wenn Sie die eine positive Stellungnahme zu diesem Gesetz ablehnen, dann, meine Damen und Herren, wird das deutsche Volk wissen, woran es liegt, daß es hier zu einer positiven Lösung nicht gekommen ist. Sie werden die Schuld daran tragen!
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Walter.
Meine Damen! Meine Herren!
({0})
Ich möchte dem Herrn Kollegen Henßler
({1})
auf seine Ausführungen zur Frage der Mitbestimmung und über die Art der Durchführung derselben einiges erwidern.
({2})
- Das überlassen Sie nur ganz mir! - Herr Kollege Henßler bewegte sich bei seinen Ausführungen in merkwürdigen Widersprüchen. Er betonte wiederholt, daß es einer Gesetzgebung eigentlich gar nicht bedürfe, da sich die Partner in den Betrieben sehr gut verständigen könnten. Wenn wir eine solche Behauptung seitens der Gewerkschaften oder der Opposition hören, dann müssen wir uns das Entstehen dieses Gesetzes in unser Gedächtnis zurückrufen.
Im Januar forderten die Gewerkschaften von der Regierung, sofort einen Gesetzentwurf fertigzustellen, der die Mitbestimmung in der Kohle und Eisen schaffenden Industrie festlegt, weil man Angst hatte, daß die von den Alliierten den Gewerkschaften zugestandenen Rechte wieder verlorengehen könnten. Im Jahre 1945 haben nämlich die Siegermächte in der Kohleindustrie und in der Eisen verarbeitenden Industrie den Gewerkschaften größte Rechte zugestanden. Herr Kollege Henßler hat heute aber Beschwerde darüber geführt, daß sich seitens der Siegermächte Anzeichen für den Willen bemerkbar machen. in die Mitbestimmung eingreifen zu wollen. Die amerikanischen, die englischen und andere Gewerkschaften haben ihrerseits kein Hehl daraus gemacht, daß sie sich für die Forderungen der deutschen Gewerkschaften einsetzen. Die amerikanischen Unternehmer haben dagegen verlangt, daß in Deutschland den Besitzverhältnissen Rechnung getragen und nicht einfach eine Mitbestimmung beschlossen werde, die zwangsläufig dazu führen müsse, daß das ausländische Kapital es sich überlegen werde, ob es seine Gelder in Deutschland anlegen will.
Das alles ist aber nicht entscheidend. Die Gewerkschaften und Herr Henßler als ihr Sprecher haben zum Ausdruck gebracht, daß durch die Mitbestimmung in den Betrieben ein Höchstmaß an Leistung erreicht werde. Nur darauf komme es an, das sei der Grund, warum sich die Gewerkschaften in die Betriebsführung einschalten wollten. Diese Behauptung klingt eigenartig. Es mutet zumindest merkwürdig an, daß die vielen Unternehmen der Konsumgenossenschaften und die zahlreichen Betriebe der GEG noch nicht daran gedacht haben, unter solchen Voraussetzungen ihren Belegschaften die Mitbestimmung zu sichern.
({3})
Das wäre doch wohl das Mindeste, was man hätte
tun müssen. Die Arbeiter warten darauf, daß hier
({4})
der Anfang einer echten Mitbestimmung gemacht
wird. Bisher ist aber noch nichts geschehen. ({5})
Herr Henßler führte dann aus, führende Staatsmänner hätten wiederholt betont, daß die monopolkapitalistische Wirtschaft vollkommen versagt habe. Zugegeben, daß sie versagt hat. Glauben Sie jedoch, daß eine Monopolwirtschaft der Gewerkschaftshierarchie besser arbeiten würde? Durch eine Monopolherrschaft der Gewerkschaftshierarchie würden wir bald dahin kommen, wo sich die Wirtschaft in der Ostzone befindet. Das ist die große Gefahr.
({6})
Wir wehren uns mit aller Entschiedenheit dagegen, daß unsere Betriebe auf ,diesen Weg gebracht werden sollen. Meine Freunde und ich haben niemals einen Zweifel daran gelassen, daß wir im Interesse unserer Wirtschaft, unserer werktätigen Bevölkerung und unseres Wirtschaftsfriedens bereit sind, alles zu tun, um unseren Arbeitern und Angestellten die vollen Menschenrechte zu gewähren, die sie beanspruchen können. Wenn es aber bei dem Mitbestimmungsrecht darum gehen soll, ob die Gewerkschaftsvertretungen oder die Belegschaften in den Betrieben bestimmen sollen, und wenn die Gewerkschaften so argumentieren, daß die Belegschaften in den Betrieben der Ruhrindustrie mit den Gewerkschaftsmitgliedern gleichzusetzen seien, so sind wir der Meinung, daß wir das Recht der Gewerkschaften, die wir absolut bejahen, am besten vertreten, wenn wir mit aller Energie für das Recht der Belegschaften eintreten und fordern, daß nur sie das Recht der Mitbestimmung in den Betrieben haben dürfen. Wir wollen 'nicht, daß betriebsfremde Personen in den Betrieben etwas zu sagen haben. Das würde auf keinen Fall zum Betriebsfrieden führen, sondern dazu, daß der Kampf gegeneinander in unseren Industrien verewigt wird, daß wir nie zur Ruhe kommen, sondern daß die Machtkämpfe zum Schaden unserer Volkswirtschaft ausgetragen werden. Davor warnen wir und tragen die Verantwortung dafür, daß das nicht geschieht.
Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf, wie er vom Arbeitskreis erarbeitet worden ist, mit einigen Änderungen sehr wohl die Grundlage für ein Gesetz über die Mitbestimmung in der Kohle- und Eisenindustrie bilden kann. Um die Möglichkeit einer Einigung zu schaffen, haben wir auch unsererseits Abänderungsanträge gestellt. Wie ich schon sagte, sind wir jederzeit bereit, für das Wohl unserer Arbeiter alles zu tun, was erforderlich und notwendig ist. Wir sind aber nicht bereit, einer Gewerkschaftshierarchie Machtmittel in die Hand zu geben, die sich über kurz oder lang zum Schaden für unsere Industrie und für unser ganzes Volk auswirken müssen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Meinem Vorgänger möchte ich nur sagen,
({0})
daß es sich zum Schaden des ganzen Volkes auswirken wird, wenn man die Verantwortung und die Macht in den Händen seiner Leute beläßt. Wenn hier so etwas wie ein Streit oder ein Gefecht
({1})
zwischen den Regierungsparteien und der sozialdemokratischen Führung über die Bühne geht, dann muß ich dazu erklären, daß ich an einen echten Streit nicht glaube. Sowohl der Abgeordnete Sabel wie der Abgeordnete Henßler haben erklärt, daß sie gewillt seien, alles zu tun, um mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten:
({2})
und der Abgeordnete Henßler hat erklärt, daß die SPD gewillt sei, in dieser Frage mit der Gegenpartei zusammenzuarbeiten.
({3})
Ich denke, daß die Zusammenarbeit, die hier zum Ausdruck gebracht wurde, für beide eine echte Zusammenarbeit bedeutet mit dem Ziel, die Konzeption der amerikanischen Politik mit Hilfe der Gewerkschaften und ihrer 5 Millionen Mitglieder zu verwirklichen.
({4})
Wir haben unseren Standpunkt in der zweiten Lesung durch unsere Abänderungsanträge schon dargelegt. Wir müßten aus den Erfahrungen der Arbeiterklasse in der Vergangenheit die Lehren ziehen und diese berücksichtigen. Dieselben Kräfte, die sich jetzt so gegen das Mitbestimmungsrecht wehren, die Konzernherren, waren es doch, die verantwortlich waren für den Weltkrieg 1914 bis 1918 und die verantwortlich waren für den letzten Krieg mit all den Opfern, die er dem deutschen Volk auferlegte, und mit all dem Unglück. Das waren doch die Leute, die heute nicht wollen, daß die Arbeiter mitbestimmend sein sollen in der Produktion, in den Betrieben, bei der Kalkulation, bei der Art und Verwendung der Produktion. Wegen der volksschädlichen und volksfeindlichen Arbeit dieser Männer und auf Grund der Lehren, die wir aus der Vergangenheit zu ziehen haben, sind wir der Meinung, daß die Sicherung des Friedens nicht nur für die Arbeiterschaft, sondern für das ganze Volk das heiligste Gebot sein muß.
({5})
Wir sichern aber den Frieden nur, wenn wir den Kriegstreibern die wirtschaftliche Macht aus den Händen nehmen und wenn wir sie nicht so, wie das bisher der Fall gewesen ist, allein schalten und walten lassen.
In der Erwartung, daß hier im Westen Deutschlands eine demokratische Entwicklung Platz greifen würde, haben die Arbeiter nach 1945 ihre Pflicht getan. Sie haben die Betriebe wieder hergerichtet, haben die Betriebe wieder aufgebaut. Vielleicht sind nur wenige hier, die wissen, .wie der Arbeiter damals gelebt hat. Ich war einige Jahre Betriebsrat in einem großen Werk. Ich weiß, was diese fleißigen Arbeiter auf ihrem Butterbrot hatten, -wenn sie zur Arbeit kamen. Ich weiß, wie sie hungernd ihre Pflicht getan haben, und wir haben sie dazu auch noch angehalten.
Allein an maschinellen Störungen waren noch im Jahre 1947 5,55% zu verzeichnen. Einige Zahlen zum Vergleich: 1932/33 betrugen die maschinellern
Störungen 0,3%,
Herr Abgeordneter, darf ich Sie darauf aufmerksam machen: Wir haben hier keinen Bericht über die Hüttenwerke Haspe, sondern über das Mitbestimmungsrecht.
Herr Präsident, ich habe das Wort ,,Haspe" nicht in den Mund genommen. - 1938/39 betrug der Durchschnitt 0,9%, und 1947 betrug der Durchschnitt allein an maschinellen Störungen 5,55%. Der Ausfall durch diese Störungen war ungemein groß. Das kommt in den Zahlen, die ich jetzt renne, zum Ausdruck. Bei 25 Schichten pro Monat fielen 41/2 Schichten oder 17,5% der Schichten allein durch Störungen aus. So war der Zustand, den sie uns hinterlassen haben. Dieser Zustand wurde durch die Arbeiterschaft selber beseitigt. Trotzdem wurden aus den Knochen der Arbeiter in den Nachkriegsjahren noch die ungeheuren Summen 'herausgeschunden, die für Investierungen verwandt worden sind.
({0})
Ich sage Ihnen, daß die Rohstahlerzeugunglesen Sie die Berichte nach! - pro Kopf und pro Monat im Mai 1948 och 4,7 Tonnen betrug, während sie im November 1950 9,7 Tonnen betrug. Glauben Sie, meine Herren, diese Steigerung wäre auf Ihre Tätigkeit zurückzuführen?
Ich weiß, damals waren Sie gewillt, den Arbeitern, den Betriebsräten jegliches Recht zuzugestehen. Die Betriebsräte hatten im Betrieb und außerhalb meist mehr zu sagen als die Unternehmer selber; die haben sich damals in die Mauselöcher verkrochen.
Aber die Frage des Mitbestimmungsrechts wäre längst -entschieden, und den Kriegstreibern wäre das Handwerk gelegt, wenn die Gewerkschaftsführer den Bestrebungen der Besatzungsmächte Widerstand geleistet hatten. Sie hätten die Massen der Arbeiter sammeln müssen zum Kampf für die Durchsetzung ihrer Forderung nach einem wirklichen Mitbestimmungsrecht. Das wäre ihre Aufgabe gewesen. Die 5 Millionen Gewerkschaftler aber in den Dienst der Wirtschaft, die nach der amerikanischen Konzeption doch der Rüstung und der Vorbereitung des Krieges dient, einzuschalten, das ist keine heilige Aufgabe, die sich die Gewerkschaftsführung mit Unterstützung des Vorstandes der SPD gestellt hat. Die Arbeiter selbst sollen am Mitbestimmungsrecht nicht beteiligt sein. Das bißchen Mitbestimmungsrecht, das die Arbeiter laut Betriebsrätegesetz von 1920 hatten, nämlich durch demokratische Wahlen einen Arbeiter- und einen Angestelltenvertreter in die Aufsichtsorgane zu entsenden, wird ihnen mit dieser Vorlage noch genommen. Dabei hat man die übrigen Rechte der Arbeiter, die sie sich nach 1945 erkämpft hatten, auch noch abgebaut.
Die Politik der Arbeitsgemeinschaft aber, die jetzt wieder betrieben wird, hat schon einmal ins Chaos geführt, hat 'schon einmal unser ganzes Volk ins Unglück gebracht. Ich will Sie aus Zeitmangel an das nur erinnern, was Ihr Kollege Jak Schiefer über die Geschichte der deutschen Gewerkschaften geschrieben hat. Man übernimmt hier eine Verantwortung für die Sicherung der kapitalistischen Wirtschaft und die Gewährleistung der Rüstung. Diese Verantwortung übernehmen die Führer der Gewerkschaften! Damit sind die Mitglieder nicht einverstanden. Herr Sabel, Sie haben eben von den, wie Sie es nannten, Machenschaften des Herrn
Wönner gesprochen. Sie sehen also, daß die Mitglieder der Gewerkschaften mit dieser Politik nicht einverstanden sind. Sie wollen eine andere Art von Mitbestimmung. Gehen Sie in die Betriebe, tragen Sie das. was ich hier gesagt habe, den Belegschaften vor, und Sie werden jeweils Zustimmung finden! Tragen aber Sie ({1}) Ihre Konzeption vor, dann werden Sie in den Betrieben entweder eisiges Schweigen ernten oder Widerspruch!
Ich habe, als die Entflechtung eine Rolle spielte, einmal einen Briefwechsel mit Werner Hansen gepflogen. Das ist doch einer der Ihren. Ich will aus diesem Brief nur einiges zitieren:
({2})
Sehr hat mich interessiert, was Du über Eure Ansicht gesagt hast, nicht einen Teil des Verwaltungskörpers selbst zu übernehmen. Auch ich habe immer wieder gewisse Bedenken dagegen, in den Vorstand von privaten Gesellschaften hineinzugehen, weil wir damit eine Verantwortung übernehmen. die sich nicht rechtfertigen läßt. Ich habe unter dem Gesichtspunkt der Fraglichkeit der gewerkschaftlichen Übernahme einer so weitgehenden Mitverantwortung auf kapitalistischer Profitbasis arbeitender Unternehmungen das gesagt.
({3})
Das sagt Werner Hansen! Das war aber 1946.
Im Jahre 1946 haben sich aber auch führende Männer der Gewerkschaften zusammengesetzt, und eine Reihe dieser führenden Männer sitzen heute hier im Parlament. Sie haben sich in einer Interzonenkonferenz zusammengefunden und haben dort Richtlinien über .das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte ausgearbeitet. Ich frage: Warum sind Sie von diesem Ihrem Standpunkt abgegangen? Sie sind davon abgegangen, obwohl Sie wußten, daß Sie damit nicht die Interessen der Mitglieder oder der innergewerkschaftlichen Demokratie wahrnehmen!
Wir sind der Ansicht, daß die Belegschaften nach demokratischem Muster die Träger des Mitbestimmungsrechts als Männer ihres Vertrauens selber zu bestimmen und selber zu wählen haben. Wir sind der Meinung, daß der Arbeitsdirektor von seiner Belegschaft gewählt werden muß und daß er von seiner Belegschaft auch wieder abberufen werden kann. Das nennen wir demokratisch handeln. Herr Henßler hat eben mit einem leichten Augenzwinkern zu uns, den Kommunisten, hin einige Dinge über Demokratie erzählt. Ich will dem Kollegen Henßler etwas sagen: In einem Betrieb, der mir bekannt ist, hat der Betriebsrat einen Vertreter in den 'Aufsichtsrat gewählt. Das war demokratisch. Er hat diesen Vertreter dem Vorstand seiner Organisation namentlich mitgeteilt. Der Vorstand dieser Organisation hat auf das Schreiben des Betriebsrates nicht einmal geantwortet und hat einen anderen, von der Belegschaft überhaupt nicht in Erwägung gezogenen Menschen in den Aufsichtsrat hineinbeordert. Das nennen Sie Demokratie! Das ist Ihre Demokratie! Das nenne ich die- innergewerkschaftliche Demokratie mit Füßen getreten!- Wer aber als Arbeitnehmer, als Vertreter seiner Belegschaft angesichts der Teuerung und der ungeheuren finanziellen Notlage der Arbeiterschaft Lohnforderungen stellt oder die Frage der Teuerungszulage aufrollt, wird mit Hilfe der Gewerkschaftsführung aus seiner Position entfernt. Glauben Sie, daß diese Politik ein Segen für
({4})
die Arbeiterschaft ist? Glauben Sie das ja nicht! Das wird sich einmal bitter, bitter rächen. D a ({5}) sitzen die Feinde der Demokratie,
({6})
d a sitzen die Feinde des Mitbestimmungsrechts! Das kommt in allen ihren Ausführungen zum Ausdruck. Mit denen machen Sie ({7}) gemeinsame Sache, mit denen setzen Sie sich zusammen, mit denen wollen Sie die Rentabilität privatkapitalistischer Firmen sichern, mit denen gemeinsam wollen Sie die amerikanische Konzeption verwirklichen!
Herr Henßler hat eben erklärt: Wir sind der Meinung: gleiches Recht für beide Teile. Ès hätte nur noch gefehlt, daß er gesagt hätte: Wir haben ja dann nicht nur gleiches Recht, sondern wir tragen auch die gleiche Verantwortung und wir haben das gleiche Ziel. Das hätte er noch sagen müssen; das hätte der Wahrheit entsprochen. Der Kampf um das Leben unseres Volkes, unserer arbeitenden Menschen draußen erfordert, daß die Belegschaften den Kampf gegen die Rüstung und gegen die Kriegstreiber führen.
({8})
- Jawohl, ich kenne meine Leute hier, wenn Sie auch mit dem Kopfe nicken. - Der Kampf um das Leben unseres Volkes erfordert, daß der Charakter der Kampforganisation der Gewerkschaften nicht von gewissenlosen Gewerkschaftsführern verändert wird. Der Kampf um das Leben der arbeitenden Menschen erfordert, daß sie ihre Organisation, die Organisation, die sie sich geschaffen haben, für ihre Interessen einsetzen. Das ist notwendig. Diskussionen um Belegschafts- oder Gewerkschaftseinfluß sind sehr schnell aus der Welt geschafft, wenn sich die Führer der Gewerkschaften als Vertreter der Interessen der Arbeitnehmer, als die Vertreter der Interessen der gewerkschaftlich Organisierten - auch in der Frage des Mitbestimmungsrechts - betrachten. Tun sie das, dann ist die Frage, ob Gewerkschaften .oder Belegschaften, nicht von Bedeutung.
Das Wort hat der Abgeordnete Determann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es hat keinen Zweck mehr, zu dem Mitbestimmungsrecht noch lange Ausführungen zu machen.
({0})
Wir haben wirklich den Eindruck, daß das Mitbestimmungsrecht, je länger wir darüber reden, um so mehr zerredet wird.
Ich will noch kurz betonen, daß wir von der Zentrumsfraktion nach wie vor mit dem § 6 in der Fassung, die in der letzten Lesung beschlossen ist, nicht einverstanden sind. Wir haben das in der letzten Lesung schon betont und auch einen entsprechenden Antrag gestellt.
Ebenso sind wir auch mit dem § 8 nicht einverstanden, und zwar in bezug auf den elften Mann. Ich bin auch der Meinung, wie Herr Henßler sagt, daß man es ruhig diesen zehn Mann überlassen sollte, den elften zu wählen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß es diese zehn Mann von beiden Seiten, wenn sie sachliche .Arbeit leisten sollen, dann nicht fertigbringen, sich den elften Mann selbst zu wählen. Für den Fall, daß dieser Vorschlag von Herrn Henßler nicht zur Abstimmung oder nicht durchkommen sollte, habe ich einen Abänderungsantrag vorbereitet, der dahin geht, daß der Ausschußbeschluß wieder übernommen wird und der
Abs. 3 von § 8 dahingehend geändert wird:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Aufsichtsrat drei Personen zur Wahl vor. Kommt eine Wahl innerhalb von zwei weiteren Monaten nicht zustande, so bestimmt der Vermittlungsausschuß das fehlende Aufsichtsratsmitglied.
Ich bitte das Hohe Haus, gegebenenfalls diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der Bundestag in der Behandlung dieses Mitbestimmungsgesetzes für Kohle und Eisen, ganz gleich, was man sonst über ihn sagen mag, doch eine Bewährungsprobe bestanden hat. Wir können nicht daran vorbeigehen - und wir können auch heute bei der dritten Beratung nicht daran vorbeigehen -, daß wir vor etwa drei Monaten eine sich vorbereitende Streiksituation bei Kohle und Eisen gehabt haben. Diese Streiksituation ist von der Bundesregierung gemeistert worden. Aber für das Parlament lag in der Meisterung dieser Streiksituation eine ganz große Gefahr, nämlich die Gefahr, lediglich zu einem nachträglichen Bestätigungsinstrument für etwas zu werden, was man damals in „Richtlinien" zwischen den auf der einen und auf der anderen Seite Beteiligten festgelegt hatte. Es kam also für dieses Hohe Haus darauf an, darum zu kämpfen, daß seine ausschließliche Zuständigkeit, in Deutschland die Gesetze zu machen, nicht gefährdet und nicht beeinträchtigt wurde. Ich glaube, daß wir sehr gut daran getan haben, all jenen Versuchungen zu widerstehen und ihnen unbedingten Widerstand zu leisten, die darauf hinausgingen, mehr oder weniger überstürzt hier etwas zu legalisieren, was uns mehr oder weniger überstürzt vorgelegt worden war. Ich glaube, daß wir, wenn wir heute, zwei Monate nach der ersten Behandlung der Vorlage in diesem Hohen Hause, auf die in der Zwischenzeit abgelaufene Zeitspanne zurücksehen, mit voller Befriedigung sagen können: Wir haben diese Regierungsvorlage genau so behandelt, wie es unsere Pflicht und unsere Aufgabe gegenüber jeder Regierungsvorlage ist, und wir haben im Ausschuß sowohl wie in den Plenarverhandlungen nichts weiter getan, als in einem durchaus ordnungsgemäßen Verfahren ein ordnungsgemäßes Gesetz zu schaffen.
Aber ich glaube, daß die Rückerinnerung an diesen Tatbestand doch dazu nötigt, von dieser Stelle aus eines ganz klar zum Ausdruck zu bringen. Meine Damen und Herren, es ist sicherlich möglich, außerhalb des Parlaments im Rahmen der Vertragsfreiheit und im Rahmen gesetzlicher Ermächtigungen Vereinbarungen zu treffen, Vereinbarungen zu treffen in jenem Raum der Betätigung, der den Beteiligten freisteht und über den sie nach ihrem Ermessen frei verfügen können. Aber das, was mit Verbindlichkeit für alle festzulegen ist, kann nur hier definitiv beschlossen werden. Ich glaube, wir sollten mit aller Deutlichkeit unterstreichen, daß Vereinbarungen mit Gesetzeskraft, daß Gesetze nicht etwa draußen gemacht werden können, sondern - ganz gleichgültig, wer die Partner sind und wie mächtig sie sein mögen - daß dieses Haus die ausschließliche Zuständigkeit hat.
({0})
Wir würden nichts lieber gesehen haben - und wir haben auch jetzt noch die Hoffnung, wenn auch nur ganz entfernt, so doch in etwa -, als daß sich in diesem Hause eine wirklich sehr breite Mehrheit für ein solches Gesetz wie das vorliegende finden möge. Das gilt ganz besonders für unsere Freunde von der FDP. Sie wissen, daß wir uns im Ausschuß die größte Mühe gegeben haben, ein Gesetz zu schaffen, auf das sowohl die einen als auch die andern mit gutem Gewissen blicken könnten, weil wir uns sagten, daß eine so einschneidende und so umwälzende gesetzgeberische Maßnahme nur dann wirklich fruchtbar, von Dauer und von Segen sei, wenn sie tatsächlich von allen Seiten bejaht werden könne. Uns ist es völlig klar, meine Damen und Herren, daß das auf allen Seiten Opfer bedeutet hätte und bedeutet hat. Wir wissen sehr wohl, daß es nicht möglich ist, hier etwas zu schaffen, was etwa die hundertprozentige Zustimmung von allen Seiten des Hauses finden könnte. Aber ich glaube, daß wir recht daran getan haben, bis zur letzten Minute, ich möchte sagen: bis zu dieser Minute jedenfalls darum zu kämpfen, daß eine breite Mehrheit in diesem Hause zustande komme, gerade wegen der überragenden Bedeutung dieses Gesetzes.
Darf ich mich dann mit einigen Worten den Ausführungen von Herrn Kollegen Henßler zuwenden. Ich habe in seinen Ausführungen als besonders positiv empfunden und möchte dies besonders unterstreichen, daß er wenigstens an zwei Stellen neben dem verlangten gleichen Recht sehr betont die gleichen Verpflichtungen hervorgehoben hat. Das ist in der Tat auch der für unsere Betrachtung maßgebende Gesichtspunkt, daß jedem Recht, jedem Maß von Mitbestimmung ein entsprechendes Maß von Mitverpflichtung und Mitverantwortung gegenüberstehen muß.
Aber zu einigen anderen seiner Betrachtungen müssen wir uns leider absolut negativ einstellen. Herr Henßler hat dieses Gesetz über die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen als einen Vorstoß in die Sphäre der Gesamtwirtschaft, als einen Beginn der Neuordnung der Wirtschaftsverfassung bezeichnet. Meine Damen und Herren, obwohl wir sicherlich keineswegs die große Tragweite dieses uns jetzt zur Beschlußfassung vorliegenden Gesetzes unterschätzen, obwohl wir also sehr wohl sehen, um welch eine wesentliche Neuerung in unserer Wirtschafts- und Sozialgeschichte es sich hier handelt, so können wir keineswegs die Auffassung teilen, daß damit der Beginn einer Neuordnung der Wirtschaftsverfassung gemacht werden sollte. Der Gegensatz, der uns in den Ausschußberatungen getrennt hat, ist gerade der gewesen, daß wir auch die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen nicht - darf ich einmal so sagen - als eine überbetriebliche Angelegenheit angesehen haben, sondern daß wir alles das, was zur Mitbestimmung hier zu sagen war, immer aus der Sphäre des einzelnen Betriebes angesehen haben. Ich würde es keinen Augenblick bestreiten, daß Sie, Herr Henßler, dann, wenn es sich hier um eine Sozialisierungsvorlage handelte, durchaus recht hätten und daß dann eine überbetriebliche, gesamtwirtschaftliche Betrachtungsweise angezeigt wäre. Aber hier handelt es sich darum, daß für jeden einzelnen dieser Betriebe eine gesunde Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Vorstand gewährleistet werden soll. Gerade darin liegt ja auch der tiefste Unterschied, der uns in der Auffassung trennt, ob die Legitimation für die Vertreter der Arbeitnehmer in der einen oder anderen Weise geboten werden soll, nämlich daß Sie im Grunde bei Ihrer Argumentation immer von den überbetrieblichen Aufgaben und daher auch von den überbetrieblichen Organisationen ausgehen, während wir nach wie vor den stärksten Nachdruck darauf legen müssen, daß die eigentliche Legitimation eine solche durch die Belegschaften zu sein hat, und zwar ganz ohne Rücksicht darauf, wie groß das Maß der Mitwirkung von Gewerkschaftsvertretern im Aufsichtsrat sein mag. Ich glaube also, daß man diese Dinge sehr sauber und deutlich auseinander halten sollte; ich glaube, es ist auch ganz gut, das schon jetzt zu sagen, denn wir werden ja in absehbarer Zeit bei der Debatte des allgemeinen Mitbestimmungsrechts und vielleicht etwas später bei der Debatte über Wirtschaftskammern und dergleichen auf alle diese Gesichtspunkte zurückkommen.
Die Schilderung, die Sie schließlich von der Entstehung und Entwicklung der Ruhrindustrie und von der Haltung der Ruhrindustriellen gegeben haben, kann man, glaube ich, in diesem Pauschalurteil, wie Sie es selbst auch über die nach Ihrer Meinung besten Unternehmer gefällt haben, schwerlich bestehen lassen. Sie haben in der Tat gesagt - und das darf, meine Damen und Herren, in diesem Hause nicht unwidersprochen bleiben -, daß auch die bedeutendsten dieser Unternehmer in dem Arbeiter nur das Objekt gesehen hätten. Ich glaube, daß diese Auffassung durch nichts deutlicher widerlegt werden kann als dadurch, daß Sie einmal einen Blick in einen Bericht werfen, den der Betriebsrat eines ehemals sehr bedeutenden Unternehmens in Essen in diesen Tagen veröffentlicht hat. Wenn Sie aus diesem Bericht des Betriebsrats sehen, daß es dort nicht weniger als 17 000 Pensionäre gerade auch aus jener Zeit der von Ihnen kritisierten Ruhrentwicklung heute zu versorgen gilt, dann sollte hier, glaube ich, nicht gesagt werden können, daß der Arbeiter in all diesen Jahren großen industriellen Aufschwungs und einer sehr bedeutenden Entwicklung nur als Objekt behandelt worden wäre. Ich bin im Gegenteil der Meinung. daß ganz überwiegend gesagt werden kann, daß das, was dem Arbeiter als Menschen zukommt, von den hervorragendsten dieser Unternehmer sicherlich in keinem Augenblick verkannt worden ist.
Ich möchte aber auch auf jenen Punkt Ihrer Ausführungen zurückkommen, in dem Sie sich gegen die „Intervention" vor allem der Amerikaner und wahrscheinlich auch der übrigen europäischen Staaten im Laufe dieser Verhandlungen gewandt haben. Ich glaube, daß hier ein Mißverständnis zugrunde liegt. Für uns alle ist es ganz selbstverständlich, um zunächst einmal zu Frage der Behandlung ausländischer Interessen überzugehen, daß wir diesen Interessen gegenüber eine durchaus gleichgelagerte Haltung bewahren müssen. Sie wissen ja auch, daß wir im Ausschuß alle diese Dinge mit einem Höchstmaß von Objektivität behandelt haben. Wir sind jenen Wünschen, etwa bestimmte Gesellschaften von dieser Regelung auszunehmen, in keiner Weise entgegengekommen. Wir haben lediglich dafür Sorge getragen, daß für alle Gesellschaften ein gleicher Start oder ein gleicher Starttermin festgelegt wurde. Das Mißverständnis scheint mir aber doch darin zu liegen, daß die amerikanischen Stimmen, die hier laut geworden sind, die Stimmen von Vertretern derjenigen Menschen waren, die hier Investitionen haben oder von denen Investitionen erwartet werden. Sicherlich werden Sie nicht die Auffassung vertreten wollen, daß amerikanische Investitionen in Deutsch({1})
land etwa gerade in den in dieser Beziehung so besonders bedürftigen oder für diese Investitionen so besonders bereiten Grundstoffindustrien unzulässige Einmischungen darstellen. Ich glaube, man kann keinem Geldanleger verwehren, seine Auffassung darüber darzulegen, in welcher Form er sich das Management bei der entsprechenden Gesellschaft vorstellt. Ich glaube also, daß der Appell an das nationale Gefühl, der in Ihren Worten durchklang, dem Tatbestand nicht angemessen zu sein scheint, sonst würde er sicher bei niemandem stärker als bei uns auf eine unbedingte Resonanz stoßen.
Ich vermisse gerade bei der Darstellung der Vergangenheit doch eine ehrliche Würdigung dessen, worin nun eigentlich das riesenhaft Neue in diesem Gesetz liegt. Sehen Sie, wir bemühen uns, uns gegenseitig beim elften Mann vorzurechnen, ob da nun eine wirkliche Parität besteht oder ob ein kleines Übergewicht dieser oder jener Seite vorhanden ist. Dabei vergißt man völlig, daß es sich bei dieser Parität um eine ganz gewaltige Sache handelt. Wenn, ich möchte beinahe sagen, so mir nichts dir nichts, ohne daß ein ganz langwieriger Kampf vorhergegangen wäre, in einem solchen Maße zur Umgestaltung der Aufsichtsräte und in einem gewissen Umfange auch zur Umgestaltung der Vorstände in den beiden wichtigsten deutschen Industrien geschritten wird, dann ist das ein Ereignis von einer so überragender Bedeutung, daß mir die Kritik dieser Dinge am Rande weniger wesentlich zu sein scheint als eine unbedingte Anerkennung dessen, was hier an Neuem und in die Zukunft Weisendem geleistet und, wenn Sie so wollen, von der anderen Seite konzediert worden ist.
Aber gerade weil das so ist, gerade weil hier ein unerhört neues Ereignis vorliegt, deshalb, glaube ich, sollten wir mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, daß wir daran zwei Erwartungen knüpfen. Die eine Erwartung ist die, daß nun wirklich auf diesen beiden ganz bedeutenden Gebieten ein unbedingter sozialer Frieden herrschen wird. Als zweite Erwartung möchten wir alle miteinander die Hoffnung haben, daß hier eine, ich möchte sagen: geradezu demonstrative Leistungssteigerung vor sich geht. Ich glaube, daß der deusche Arbeiter durch nichts deutlicher zeigen könnte, wie sehr er das schätzt, worum hier gerungen worden ist und was ihm hier aus diesem Hause und kraft der Gesetzgebungsbefugnis dieses Hauses gegeben wird, als daß er darauf sichtbar positiv reagiert, denn nur dann haben wir die Möglichkeit, dafür die letzte, ich möchte sagen, sittliche Legitimation zu finden.
Ich glaube, wenn wir nun zur Einzelberatung und schließlich zur Abstimmung über dieses Gesetz schreiten werden, dann sollten wir uns einer Tatsache bewußt sein, nämlich dieser, daß wir für das, was wir hier unternehmen, in der ganzen Welt kein gleichartiges Beispiel haben,
({2})
daß dies ein Experiment ist, auf das die ganze Welt mit der größten und gespanntesten Aufmerksamkeit sieht und das deswegen nur dann gerechtfertigt ist und nur dann zu positiven Ergebnissen führen wird, wenn hier aus der Zusammenarbeit von uns allen ein klarer und deutlicher Erfolg erwächst.
({3})
Priisident Dr. Ehlers: Als nächster Redner der
allgemeinen Aussprache hat sich Abgeordneter Loritz zum Wort gemeldet.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe schon anläßlich der zweiten Beratung des Entwurfs namens der Fraktion der WAV erklärt, warum wir diesem Gesetzentwurf so, wie er uns vorliegt, die Zustimmung nicht geben können. Ich möchte auf diese Erklärung ausdrücklich Bezug nehmen. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf, wie er uns vorliegt, ab, weil wir der Auffassung sind, daß er keinerlei Besserstellung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte der Arbeitnehmer in den betreffenden Unternehmungen bedeutet.
Damit ist die allgemeine Aussprache geschlossen.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der dritten Beratung. Ich rufe zunächst auf: Überschrift des ersten Teils und § 1 des Gesetzes. Zu Ihrer Unterrichtung und zur Kontrolle weise ich darauf hin, daß zu § 1 Abänderungsanträge der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 136 vorliegen, die sich in Ihrem Besitz befinden.
({0})
- Ich bedaure, daß die Verteilung noch nicht erfolgt ist. Ich stelle dann die Anträge im einzelnen zusammen und hoffe, daß wir uns darüber verständigen können.
Die SPD hat in Umdruck Nr. 136, der hoffentlich in aller Kürze verteilt werden kann, beantragt, im § 1 dem Abs. 1 einen Buchstaben d) folgenden Wortlauts anzufügen:
Unternehmen, deren überwiegender Geschäftsbetrieb darin besteht, sich an Unternehmen
der zu a bis c aufgeführten Art zu beteiligen. Weiterhin hat die SPD einen Antrag gestellt, dem § 1 Abs. 2 folgende Fassung zu geben:
Sofern ein in Abs. 1 bestimmtes Unternehmen in der Regel weniger als 1000, aber mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt, unterliegt die Anwendung des § 13 dieses Gesetzes der Entscheidung der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufenen Organe.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat Ihnen keine Begrenzung der Einzelbesprechung vorgeschlagen, da das technisch schwer möglich ist. Mit Rücksicht auf den Umfang unserer Tagesordnung hoffe ich, daß in der Aussprache allgemein die größtmögliche Kürze beobachtet wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten schon bei der zweiten Lesung des vorliegenden Gesetzes den Antrag gestellt, den § 1 Abs. 1 um eine Bestimmung im Buchstaben d zu ergänzen, mit dem das Mitbestimmungsrecht nach diesem Gesetz auch für die sogenannten Holding-Gesellschaften eingeführt wird. Wir hatten das damit begründet, daß es nicht ausreicht, wenn dieses Gesetz auf die Gesellschaften Anwendung findet, die unmittelbar Bergbau betreiben oder unmittelbar der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie angehören, also unmittelbar Betriebe dieser Art haben, sondern wir hatten erklärt, wir müßten auch diejenigen Gesellschaften erfassen, deren Hauptgeschäftsbetrieb darin besteht, sich an solchen Unternehmen zu beteiligen. Wir wiederholen diesen Antrag mit Rücksicht auf seine Wichtigkeit, allerdings in einer veränderten Fassung, die ich Ihnen
Deutscher Bundestag - 13/ Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1951 5075
({0})
noch einmal vortragen möchte, obwohl sie der Herr Präsident eben schon bekanntgegeben hat. Wir beantragen also, unter dem Buchstaben d eine Bestimmung des Wortlauts hinzuzufügen:
Unternehmen, deren überwiegender Geschäftsbetrieb darin besteht, sich an Unternehmen der
zu a bis c aufgeführten Art zu beteiligen.
Wir übernehmen damit, in geringfügiger Abänderung unseres alten Antrags, nunmehr die Fassung, die der Deutsche Gewerkschaftsbund mit Schreiben vom 6. April 1951 an die Fraktionen dieses Hohen Hauses vorgeschlagen hat. Eigentlich sollte dieser Änderungsantrag keinerlei Begründung mehr bedürfen. Der einzige Einwand, der uns von dem Sprecher der Regierungsparteien oder der Christlich-Demokratischen Union, Herrn Dr. Schröder, in der zweiten Lesung entgegengehalten wurde, war ja nur der, daß wir einen Tatbestand unterstellten, mit dem wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit nicht rechnen könnten und nicht zu rechnen brauchten. Aus diesem Grunde brauche man „im Augenblick", so sagte er, eine derartige Änderung nicht. Meine Damen und Herren, wir sollten die Gesetze abstrakt und so generell abfassen, daß wir auch künftig eintretende, mögliche Tatbestände mit-erfassen können.
Ich möchte zur weiteren Begründung noch , auf die Ausführungen des Gewerkschaftsbundes in dem eben schon genannten Schreiben hinweisen. In diesem Schreiben erklärt der Gewerkschaftsbund, wir hätten auch durch die entschiedene Stellungnahme der Gewerkschaften erreicht, daß in bestimmten Betrieben verbundwirtschaftliche Beziehungen anerkannt werden. Bei den Unternehmen, bei denen wir die Verbundwirtschaft haben, können in Zukunft sehr wohl auch HoldingGesellschaften in Betracht kommen. Mit Rücksicht darauf sollten wir jetzt diesem Antrag zustimmen; wir sollten also unter allen Umständen auch aus diesem Grunde das Gesetz über die Mitbestimmung auf diese Gesellschaften anwendbar machen. Die Gewerkschaften schließen mit der Bemerkung:
Falls dieser Forderung nicht im Gesetz Rechnung getragen werden sollte, wäre der Deutsche Gewerkschaftsbund gezwungen, seinen
Standpunkt bezüglich der Verbundwirtschaft
einer Revision zu unterziehen.
Meine Damen und Herren, ich möchte daran erinnern, wie wertvoll die Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes bei der Frage der Verbundwirtschaft gewesen ist. Ich glaube, es ist nicht mehr als recht und billig, daß wir jetzt hierauf Rücksicht nehmen. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, der Ziffer 1 unseres Antrags zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bergmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung haben wir, der Vorstellung der beiden Sozialpartner folgend, den Antrag gestellt, auch die Unternehmen zu erfassen, die unter 1000 Arbeitnehmer beschäftigen. Sie haben diesen Antrag abgelehnt. Wir stellen folgenden neuen Antrag:
§ 1 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
Sofern ein in Abs. 1 bestimmtes Unternehmen in der Regel weniger als 1000, aber mehr als 300 Arbeitnehmer beschäftigt, unterliegt die Anwendung des § 13 dieses Gesetzes der Entscheidung der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag berufenen Organe.
Ich verweise auf die Begründung in der zweiten Lesung und hoffe, daß Sie mit uns der Auffassung sind, nicht Kleinstbetriebe zu erfassen, sondern eine gleichmäßige Regelung des Mitbestimmungsrechts anzustreben. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Euler, bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Koch hat soeben eine Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes mitgeteilt, die wohl dahin zu verstehen ist: Die Gewerkschaften haben sich bisher immer für die Verbundwirtschaft eingesetzt, weil sie die volkswirtschaftliche Zweckmäßigkeit der Verbundwirtschaft nicht leugnen können, sondern anerkennen müssen. Was Herr Dr. Koch eben mitgeteilt hat, ist dahin zu verstehen, daß sie entgegen dieser volkswirtschaftlichen Nützlichkeit ihre sachliche Stellungnahme ändern werden, wenn eine politische Forderung, die sie vertreten, nicht durchgesetzt wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind inzwischen zwei Anträge gestellt. Ich will mich zuerst mit dem beschäftigen, was der Herr Kollege Bergmann gesagt hat; denn in dem Antrag, den er jetzt für seine Fraktion begründet hat, handelt es sich tatsächlich wieder darum, daß alle diejenigen Unternehmen unter tausend Köpfen und mit einem Nennkapital von einer Million DM, die wir eliminiert hatten und definitiv eliminiert sehen wollten, doch wieder auf diesem Wege hineinkämen. Ich könnte dann diesem Antrag einiges Verständnis entgegenbringen, wenn es sich hier um eine Beschreibung der Größenordnung der Holding-Gesellschaften handeln. sollte. Aber das Problem, das Herr Dr. Koch mit der Holding-Gesellschaft angeschnitten hat, liegt, glaube ich, in der Tat komplizierter, als er es hier ausgeführt hat. Wir möchten bei der Bildung der Einheitsgesellschaften, wie sie jetzt bei Kohle und Eisen vor sich geht, eine etwaige Neigung, Holding-Gesellschaften zu gründen, nicht unterstützen, obwohl wir uns nicht der Notwendigkeit verschließen, daß es in dem einen oder anderen Fall sehr wohl nützlich sein mag, eine Holding-Gesellschaft zu bilden. Dann sollte man sich aber darüber unterhalten, welche Struktur sie im einzelnen erhält; man sollte sich dann also über die Größe ihres Aufsichtsrats überhaupt, über die Zusammensetzung ihres, Vorstands usw. unterhalten, also über Probleme, die doch sehr viel differenzierter liegen, als daß wir sie jetzt in einer befriedigenden, ich möchte sagen, Pauschalregelung erfassen könnten. Ich glaube also, daß meine Freunde sich dann, wenn die unbedingte Notwendigkeit der Bildung von Holding-Gesellschaften akut wird, nicht dem verschließen werden, auch hier eine entsprechende Vorsorge zu treffen. Bevor dieser Tatbestand aber nicht genügend konkretisiert ist, sehen wir uns nicht in der Lage, Ihrem Wunsch schon jetzt Rechnung zu tragen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 1.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den verlesenen Abänderungsantrag der Fraktion der
({0})
SPD, dem § 1 Abs. 1 eine weitere Ziffer d) hinzuzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag, Holding-Gesellschaften betreffend, zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den weiteren Antrag der Fraktion der SPD, den Abs. 2 dieses Gesetzes neu zu fassen. Auch dieser Antrag ist verlesen worden. Ich bitte die Damen und Herren; die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 1 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 2. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 2 ist angenommen.
Ich rufe auf: Überschrift des Zweiten Teils und § 3. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 und der Überschrift zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Überschrift des Zweiten Teils und § 3 sind angenommen.
Ich rufe § 4 auf. Zu § 4 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor. Das Wort dazu wünscht der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion hatte bei der weiten Lesung dieses Gesetzes den Antrag eingebracht, dem § 4 eine neue Fassung zu geben, die von dem Gesichtspunkt ausgeht - das hatte ich bereits im Zusammenhang mit der zweiten Beratung ausgeführt -, daß, wenn überhaupt durch dieses Gesetz eine annähernde Verwirklichung oder ein Schritt in der Richtung eines Mitbestimmungsrechts gemacht werden sollte, Voraussetzung dafür ist, daß die Vertretung derjenigen Kräfte der Wirtschaft, die maßgebend und entscheidend sind, im Aufsichtsrat gesichert sein muß. Mein Kollege Harig hat ja heute bereits darauf hingewiesen, daß seit 1945 insonderheit die Arbeiterschaft es gewesen ist, die den Aufbau vollzogen und die man nachher um die Früchte ihrer Arbeit auf Grund der gesamten wirtschaftlichen und politischen Entwicklung betrogen hat. Es ist also notwendig, der Arbeitskraft die entsprechende und ausschlaggebende Vertretung im Aufsichtsrat zu sichern. Deswegen hatten wir den Antrag gestellt, den wir heute auch in der dritten Lesung wiederholen dem § 4 die folgende Fassung zu geben:
Der Aufsichtsrat besteht aus 11 Mitgliedern. Er setzt sich zusammen aus 5 Vertretern der Anteilseigner und 6 Vertretern der Betriebsbelegschaft.
Damit würde dem Rechnung getragen und eine Voraussetzung dafür gegeben, daß auch die Funktion und die Betätigung des Aufsichtsrats in der Richtung liegt, die wir in weiteren Abänderungsanträgen zu anderen Paragraphen dieses Gesetzes fundiert und als Ziel aufgestellt haben - wiederum im Sinne dessen, was heute von meinem Fraktionskollegen bereits angesprochen worden ist -, nämlich sicherzustellen, daß die Vertreter der Belegschaft im Aufsichtsrat dafür sorgen, daß
das Unternehmen in keiner Beziehung und in keiner Richtung für die Entwicklung und Förderung der Kriegsindustrie und der Aufrüstung eingesetzt wird, sondern dem Ziel der friedlichen Entwicklung und der Friedenswirtschaft dient.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu§ 4.
Der Abänderungsantrag der Fraktion der KPD, der eine Neufassung des § 4 zum Ziel hat, ist soeben verlesen worden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 4 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 4 ist angenommen.
Ich rufe auf § 5. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über § 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 5 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 6. Damit wir einen Überblick haben, stelle ich zusammen. Es liegt vor ein Antrag der Fraktion der SPD auf Neufassung des § 6 Abs. 1, weiter ein Eventualantrag für den Fall, daß dieser Antrag abgelehnt werden sollte.
({0})
- Es geht diesem Antrag genau wie den anderen Anträgen der SPD: der Umdruck ist noch nicht fertig. Ich habe zu meinem Bedauern die Anträge zum Teil so spät bekommen, daß wir trotz aller Anstrengungen mit der Vervielfältigung nicht nachkommen konnten. Ich verlese den Antrag, damit keine Unklarheiten bestehen. Ich nehme an, daß der Antrag auch noch begründet wird.
Die SPD hat beantragt, im § 6 Abs. 1 die beiden letzten Sätze zu streichen und folgenden Satz hinzuzufügen:
Die Betriebsräte wählen in geheimer Wahl den zu benennenden Arbeiter auf Vorschlag der Arbeitermitglieder und den zu benennenden Angestellten auf Vorschlag der Angestelltenmitglieder der Betriebsräte.
Für den Fall, daß dieser Antrag abgelehnt wird, beantragt die Fraktion der SPD, im § 6 Abs. 1 die beiden letzten Sätze zu streichen und folgenden Satz hinzuzufügen:
Die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder "der Betriebsräte machen ihre Vorschläge getrennt. Die Betriebsräte sind an diese Vorschläge gebunden.
Das ist zunächst der Antrag der Fraktion der SPD.
Dann liegt weiter vor - ich präjudiziere im Hinblick auf die Bekanntgabe der Anträge nicht die Frage, welcher Antrag der weitestgehende ist - ein Antrag der Fraktion der FDP, Umdruck Nr. 134, von dem ich annehme, daß er verteilt vorliegt.
({1})
- Das ist der Fall. Dieser Antrag bezieht sich auf den § 6 Abs. 2, für den er eine Neufassung vorsieht, und fordert die Streichung des Abs. 3.
Weiterhin liegt vor der Antrag der Fraktion der CDU/CSU in Umdruck Nr. 135, der Ihnen ebenfalls vorliegt. Hierin wird eine Neufassung der Abs. 1 und 2 des § 6 beantragt.
({2})
Weiterhin liegt ein Antrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, der gleich begründet wird. Dieser Antrag hat eine völlige Neufassung des § 6 in den Abs. 1 bis 4 zum Ziele. Da Herr Abgeordneter Ewers ihn begründet, verzichte ich im Augenblick darauf, ihn zu verlesen. Auch dieser Antrag konnte nicht mehr vervielfältig werden.
Schließlich liegt noch ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor, der eine Neufassung des § 6 in drei Absätzen zum Ziel hat. - Ich hoffe, daß ich damit die vorliegenden Abänderungsanträge vollständig zitiert habe. Wer wünscht, das Wort zu nehmen?
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß wir mit dem § 6 das Kernstück der Vorlage behandeln, ist bei der zweiten Lesung klar geworden und auch zum Ausdruck gekommen. In der zweiten Lesung ist ein CDU-Antrag angenommen worden. Dieser Antrag war als ein Antrag gedacht, der eine mittlere Linie ziehen sollte. Der Antrag ist von unserer Fraktion und wohl auch von der Linken abgelehnt worden, und zwar von uns einmal und insbesondere deshalb, weil damit einem sogenannten „Wahlorgan" die Verpflichtung auferlegt wird, jemanden zu wählen, der ihm ohne Auswahl vorgeschlagen wird, etwas, was in dem Gesetz und auch beim SPD-Antrag heute wieder vorgesehen ist und was ja auf eine Farce hinausläuft. Wir wollen nicht den Anschein erwecken, daß jemand eine „Wahl" vornehme, wenn die tatsächliche Bestimmung von jemand anderem ausgeht.
Weiter ist in dem Antrag der CDU die in dem Ausschußbericht gestrichene Begriffsbestimmung „Spitzenorganisation" wieder in die Vorlage eingeführt. Wir wollen selbstverständlich die Gewerkschaften als solche ihrer überkommenen, mittlerweile traditionellen alten Rechte nicht entkleiden. Daß sich die einzelnen Gewerkschaften in wesentlichen Fragen der allgemeinen Wirtschaftspolitik vermutlich mit der Spitzenorganisation in Verbindung setzen werden, das mag der inneren Organisation der Gewerkschaften überlassen bleiben; daß wir aber unabhängig von der inneren Organisation dem Gesetzgeber die Verpflichtung auferlegen, die Spitzenorganisation als solche heranzuziehen, halten wir technisch für fehlerhaft. Denn jede Organisation, auch die gewerkschaftliche, hat durch ihre Satzungen zu bestimmen, welche Rechte einzelne Abteilungen oder Gliederungen dieser Gesamtkörperschaft haben.
Aus diesen beiden Gründen namentlich konnten wir, abgesehen von anderen Bedenken, diesem Vorschlag der CDU nicht folgen.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß auch der Betriebsrat als solcher, der, wie Herr Dr. Wellhausen mit Recht bei der zweiten Lesung ausgeführt hat, ja für ganz andere Zwecke zusammengesetzt ist, als etwa den Aufsichtsrat zu beschicken, der sich nämlich um betriebliche Dinge zu kümmern hat und der in den einzelnen Abteilungen diejenigen gewählt hat, die sich um das Wohl der Belegschaft bemühen sollen, nicht als die richtige Vertreterorganisation bei einer Wahl in den Aufsichtsrat anerkannt werden kann. Insofern, sind wir der Meinung, traf der Ausschußbericht in seinem § 6 schon das Richtigere. Wir haben daher nunmehr - ein Konglomerat will ich nicht gerade sagen - einen logischen Zusammenbau des Wahlkörpers des Ausschußberichtes mit Gedankengängen des Kompromißantrages der CDU hergestellt, wobei wir allerdings dem Prinzip, das unser Sprecher, Herr Walter, vorgetragen hat, getreu von der Bedingung nicht abgehen wollen und können, daß sich nur Betriebsangehörige und nicht Funktionäre im Aufsichtsrat betätigen sollen. Da mögen die Gewerkschaften ihr gutes Recht haben, sich an der Auswahl der geeigneten Persönlichkeiten zu beteiligen; gewählt werden soll in den einzelnen Betrieben aber nur ein betriebsangehöriger Arbeitnehmer; denn die Mitbestimmung - das ist wiederholt gesagt worden - bezieht sich auf den Arbeiter und nicht seine Organisation. Die Organisation mag den Arbeiter unterrichten und ihn über das Zweckmäßige informieren, und er mag sich bei ihr Rat holen; aber die Verantwortung hat der Betriebsangehörige selbst zu tragen. In diesem Sinne lautet der wiederum sehr lange § 6 nach unserem Vorschlag wie folgt.
Abs. 1 entspricht, wie gesagt, ziemlich wörtlich dem Ausschußantrag:
Die in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitglieder des Aufsichtsrats werden in gleicher und geheimer Wahl von den durch Zuwahl von Wahlmännern auf das Dreifache ihrer Mitgliederzahl erweiterten Betriebsräten der zu dem Unternehmen gehörenden Betriebe ({0}) gewählt. Die Wahlmänner sind in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Wahl der Betriebsräte zu wählen.
Das verdient nach unserer Auffassung unter allen Umständen den Vorzug vor einer Regelung, bei der die Generalversammlung, das normale gesetzliche Wahlorgan, zu einem Ja-Automaten erniedrigt wird. Wir bestimmen hiermit, daß die Belegschaft ihre Aufsichtsratsmitglieder bestellt, eine meines Erachtens gesunde Regelung.
Abs. 2 ist in seiner Formulierung im wesentlichen dem Antrag entnommen, der mit der Unterschrift von Herrn Schröder hier eingereicht worden ist. Er lautet:
Unter den in § 4 Absatz 1 Buchstabe b
- das sind die vier Mitglieder der Belegschaft - bezeichneten Mitgliedern müssen sich drei Arbeiter und ein Angestellter befinden, die in einem Betriebe des Unternehmens beschäftigt sind.
Also Betriebsangehörige alle vier!
Diese Mitglieder werden dem Wahlorgan durch die Betriebsräte der Betriebe des Unternehmens nach Beratung mit den in den Betrieben des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften vorgeschlagen.
Also das Wahlorgan, d. h. der dreifache Betriebsrat, erhält Vorschläge von dem Betriebsrat, der sich darüber mit den Gewerkschaften des Betriebes zu beraten hat.
Zur Aufstellung dieser Vorschläge bilden die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte je einen Wahlkörper.
Herr Präsident, hier steht ein Schreibfehler. Statt „bieten" soll es „bilden" heißen.
Jeder Wahlkörper
- also der Arbeitermitglieder und der Angestelltenmitglieder wählt in geheimer Wahl die von ihm vorzuschlagenden Mitglieder. Jeder Wahlvorschlag muß zwei Vorschläge für jedes zu wählende Mitglied enthalten.
({1})
Damit hat dann das Wahlorgan selbst die Auswahl bei den einzelnen Posten.
Nun Abs. 3:
Die nach Absatz 2 letzter Satz vorgeschlagenen Person en sind vor Weiterleitung der Vorschläge an das Wahlorgan innerhalb von zwei Wochen nach ihrer Benennung den beteiligten Gewerkschaften mitzuteilen. Diese können binnen zwei Wochen nach Zugang der Mitteilung Einspruch bei den Betriebsräten einlegen, soweit der begründete Verdacht besteht, daß ein Vorgeschlagener nicht die Gewähr bietet, zum Wohl des Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich im Aufsichtsrat mitzuarbeiten. Lehnen die Wahlkörper, die den betreffenden Vorschlag gemacht haben,
- also Angestellten- oder Arbeitermitglieder des Betriebsrats den Einspruch mit einfacher Stimmenmehrheit ab, so können die Gewerkschaften, welche den Einspruch eingelegt haben, binnen einer Frist von einer Woche den Bundesminister für Arbeit anrufen.
Wenn nach dem Vorschlag der CDU hier ein Vermittlungsausschuß eingesetzt werden soll, so haben wir dagegen nichts einzuwenden. Uns erscheint das aber etwas reichlich kompliziert. Wir würden den Bundesminister für Arbeit vorziehen. Dies alles ist wiederum im wesentlichen wörtlich dem Antrag Schröder entnommen. der also dem Schluß meiner Verlesung im wesentlichen entspricht.
Abs. 4 soll folgenden Wortlaut haben:
Sobald die Einsprüche erledigt sind oder die
Einspruchsfrist verstrichen ist, erfolgt die Wahl
durch das in Absatz 1 bestimmte Wahlorgan. Diese Bestimmung muß hereingenommen werden. Man weiß so, daß das nun schnell vonstatten gehen, daß das gleich geschehen muß. Der zweite Satz dieses Abs. 4 soll lauten:
Das Wahlorgan kann nur ein gemäß Absatz 2 vorgeschlagenes Mitglied wählen.
Es ist also auf die beiden zur Wahl gestellten Vorgeschlagenen beschränkt.
Schließlich Abs. 5:
Für das in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichnete „weitere Mitglied" gelten die vorstehenden Bestimmungen unter Beachtung der Bestimmungen des § 4 Absatz 2.
Dieser Vorschlag ist auch ein Kompromißvorschlag. Er zeichnet sich dadurch aus, daß darin keinerlei Verkennung der wichtigen beratenden Funktion, die die Gewerkschaften im einzelnen Betrieb ausüben sollen, enthalten ist, andererseits aber der Gedanke verwirklicht ist, daß sich um das Wohl und Wehe des einzelnen Betriebs seitens der Arbeitnehmer nur diejenigen Einzelpersonen bekümmern sollen, die mit dem Betrieb kraft Anstellung verwachsen sind. Soweit es sich um das fünfte Mitglied handelt, muß dieses den Anforderungen des Abs. 2 von § 4 entsprechen und neutral sein.
Das sind also unsere Vorschläge. Wir möchten glauben, daß sie, wenn sie richtig durchgearbeitet werden, nicht ohne jede Chance sind, angenommen zu werden; sie bemühen sich, alles das, was hier über den § 6 gesprochen ist, auf eine gewisse mittlere Linie zu bringen: Mitbestimmung durch Betriebsangehörige.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Imig.
imig ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem § 6 haben wir in der zweiten Beratung zugestimmt, aber gleichzeitig angemeldet, daß wir Einwendungen zu machen haben. Diesen Einwendungen entsprechend haben wir unsere Anträge beim Präsidium eingereicht.
Zunächst komme ich zu folgendem Punkt. Man beabsichtigt, die Vertreter der Arbeitnehmerschaft im Aufsichtsrat in getrennten Wahlkörpern wählen zu lassen. Wir haben dagegen Einwendungen erhoben. Es ist uns gesagt worden, diese Einwendungen beruhten darauf, daß, wir für das kommende Betriebsverfassungsgesetz keine Präjudizierung haben wollten. In gewissem Sinne stimmt das. Wenn wir aber von dem Sinn der heutigen Gewerkschaften, die den Namen Industriegewerkschaften haben, ausgehen, müssen wir erkennen: der Sinn liegt nicht nur darin, daß man die Arbeiter aller Sparten zusammenfassen, sondern die Arbeiter und Angestellten vor allem auch in einen Zusammenhang bringen wollte, weil sie nun einmal beide Arbeitnehmer sind.
({1})
- Ich freue mich, daß Sie einverstanden sind.
({2})
Warum soll man hier nun einen Unterschied machen und damit eine Kluft schaffen? Das ist etwas, was wir nicht verstehen.
Vorhin hat der Kollege Henßler etwas ans der Ihnen gut bekannten alten Zeit anklingen lassen; aber Sie haben Widerspruch geäußert. Es wurde von veralteten Gesichtspunkten geredet. Damals ging es dem Unternehmer noch darum, durch Reibungen in seinem Betrieb die Produktion . zu verbessern, und zwar nach dem berühmten Wort: Teile und herrsche. Der Typ des neuen Unternehmers - und ich nehme zu Ehren des Hohen Hauses an, daß hier nur Unternehmer dieses neuen Typs sitzen ({3})
geht von dem Gesichtspunkt aus: Je weniger Reibungen ich im Betrieb habe, desto besser wird es um die Produktion bestellt sein. Wir plädieren aus diesem Grunde dafür, daß man die Gruppenwahl, die hier festgelegt worden ist, wieder beseitigt. Es mag sein, daß diese Frage als eine rein formale erscheint. Aber diese formale Sache hat nach außen allerhand Wirkungen, und an die Erreichung dieser Wirkungen denken wir mit unseren Anträgen. Wir beantragen zu § 6, daß die beiden letzten Sätze gestrichen und dafür folgender Satz eingefügt wird:
Die Betriebsräte wählen in geheimer Wahl den zu benennenden Arbeiter auf Vorschlag der Arbeitermitglieder und den zu benennenden Angestellten auf Vorschlag der Angestelltenmitglieder der Betriebsräte.
Für den Fall, daß Ihnen das noch zu weit geht, stellen wir den Eventualantrag:
Die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte machen ihre Vorschläge getrennt. Die Betriebsräte sind an diese Vorschläge gebunden.
Wir haben hierbei trotz Vorliegens von zwei Vorschlägen eine einheitliche Wahl. Ich glaube ganz bestimmt, daß es Sie nicht allzu viel Überwindung kosten wird, diesen unseren Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Wir nehmen in unserem Umdruck Nr. 134 einen der Anträge wieder auf, die wir in der zweiten Lesung gestellt haben.
Wenn ich mich an das erinnere, was der Kollege Henßler heute mittag gesagt hat, so muß ich dem folgendes entgegenhalten. Es kann doch wohl nicht gut bestritten werden, daß die Arbeitnehmer des Betriebs eben diesem Betrieb immerhin näherstehen als die Gewerkschaft. Diese Arbeitnehmer sind auch - ich habe das neulich ausführlich dargelegt - geeignet, die Pflichten zu übernehmen, die Sie ihnen in den Aufsichtsräten der Unternehmen zuweisen wollen. Es besteht also nach unserer Auffassung keinerlei Veranlassung, auf die Gewerkschaften zurückzugreifen. Diese bleiben für andere Aufgaben wichtig genug.
Ich will mich nicht denen anschließen, die bei diesem Thema große Liebesbezeugungen gegenüber den Gewerkschaften bekundet haben.
({0})
Man soll sich in diesen Fällen erkundigen, ob der Gegenstand, den man lieben will, zur Gegenliebe bereit ist.
({1})
Daran habe ich mich, wenn ich so sagen darf,
({2})
stets gehalten und bin nicht schlecht dabei gefahren.
({3})
ich bitte also, mir zu gestatten, von solchen Liebesbeteuerungen Abstand zu nehmen, dafür aber festzustellen, daß die Gewerkschaften wichtig waren, sind und bleiben.
Es hat doch keinen Zweck, meine Damen und Herren, hier solche Bilder an die Wand zu werfen, als wenn es in Deutschland heute noch beachtliche Betriebe gäbe, in denen jemand nicht eingestellt werden könnte, wenn er einer Gewerkschaft angehört; und so etwas hat Herr Henßler angedeutet.
({4})
Erkundigen Sie sich bitte einmal, ob nicht hier und da das Gegenteil der Fall ist.
Wenn hier von alten Zeiten vor einem halben Jahrhundert und davon gesprochen wird, ob sich die Nationalliberalen 1917 im Ruhrgebiet für das Dreiklassenwahlrecht eingesetzt haben, dann - erlauben Sie mir, das zu bemerken - interessiert mich das heute an dieser Stelle absolut nicht;
({5})
wohl aber interessiert es - ich bin sogar davon überzeugt -, daß Sie den Gewerkschaften einen schlechten Dienst erweisen, Herr Kollege Schmid, wenn wir sie in einen Gegensatz zu den Arbeitnehmern bringen; und dazu sind Ihre Vorschläge geeignet.
Berücksichtigen Sie bitte noch eins. Wir denken gar nicht daran, jemanden als Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat - es ist eigentlich überflüssig, so etwas zu sagen - abzulehnen, wenn er Arbeitnehmer des Betriebes ist und einer Gewerkschaft angehört. Daraus, glaube ich, ist schon ersichtlich, daß die Ausführungen, die in zweiter
Lesung und heute wieder über die Gewerkschaftsfeindlichkeit meiner Freunde gemacht worden sind, an den Dingen absolut vorübergehen. Ich glaube, darüber hinaus meine persönliche Einstellung hierzu im Arbeitskreis usw. hinreichend dargelegt zu haben. Aber das sind ja alles Abwege, die gar nicht zur Rede stehen. Zur Rede steht, daß man in einem Betrieb die Leute als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat schicken soll, die dazu am ehesten und besten geeignet sind, und das sind und bleiben die Arbeitnehmer dieses Betriebes.
({6})
Das Wort hat der-Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen hat hier zum Ausdruck bringen wollen, daß von einer Gewerkschaftsfeindlichkeit der Unternehmer nicht zu sprechen sei. Ich glaube aber, die Tatsachen beweisen das Gegenteil. Das Gegenteil beweisen allein schon die Forderungen, die sich in den von der FDP eingebrachten Anträgen dokumentieren. Dieselbe Tendenz - und das ist heute, bei der dritten Lesung, noch offensichtlicher geworden als bei der zweiten Lesung - lag auch der Polemik des Kollegen Sabel zugrunde, als er auf die Haltung der Gewerkschaften in Bayern vor allen Dingen zu der Preispolitik der Adenauer-Regierung anspielte. Er versuchte, heute schon ein Alibi zu schaffen, wenn eines Tages die Herren Unternehmer beabsichtigen, mit Hilfe bestimmter Kreise der CDU/CSU eigene christliche Gewerkschaften aufzuziehen.
({0})
Ich glaube, die Entwicklung wird das, was wir heute hier ausführen, aller Voraussicht nach bestätigen. Ich möchte hier gegenüber der gesamten Arbeiter- und Angestelltenschaft heute schon auf diese Tendenzen hinweisen, die dahin gehen: die Herren in Bonn, die zur Zeit an der Macht sind, werden, wenn die Gewerkschaftsmitglieder und Organisationseinheiten der Gewerkschaften nicht so spuren, wie sie es wollen, eine Spaltung der Arbeiterbewegung auf gewerkschaftlichem Gebiet anstreben. Dem entsprechen auch die Änderungsanträge, die - wenn ich mich jetzt einmal auf die vorliegende Fassung stütze - dahin gehen, daß in einem Betrieb die Arbeiter ihren eigenen Vertreter und die Angestellten ihren eigenen Vertreter in getrennten Wahlgängen zu entsenden haben. Praktisch bedeutet das, daß die Spaltung in die betriebliche Ebene bereits hineingetragen wird. Dagegen wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.
Aber, meine Damen und Herren, das ist nicht das Grundlegende. Das Entscheidende ist in dem § 6. Die Frage, wer die Vertreter in den Aufsichtsrat zu entsenden hat, kann und darf doch nur nach demokratischen Gesichtspunkten dahingehend beantwortet werden, daß die Betriebsbelegschaft die in den Aufsichtsrat zu wählenden Vertreter in ihrer Gesamtheit zu wählen hat. Deswegen hatten wir bereits in der zweiten Lesung den entsprechenden Änderungsantrag eingebracht, den wir heute, in der dritten Lesung, aufgreifen und noch einmal einbringen. Er besagt:
Die Wahl der Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat erfolgt in geheimer Abstimmung durch die gemäß Betriebsrätegesetz wahlberechtigten Betriebsangehörigen.
({1})
Vorschlagsberechtigt sind die Betriebsräte
mit dem Vertrauensmännerkörper. Die Wahlvorschläge bedürfen der Bestätigung durch die
Belegschaft. Außerdem können Wahlvorschläge
seitens der Belegschaft eingereicht werden. Mit diesen beiden Bestimmungen des von uns eingebrachten Antrages ist - ich habe bereits in der zweiten Lesung die Feststellung des Kollegen Imig aufgegriffen, daß 80 bis 90% der Arbeitnehmer in den Betrieben gewerkschaftlich organisiert sind -, da ja die gewerkschaftlichen Mitglieder die Organisation sind, der gewerkschaftliche Anspruch gesichert.
Ich möchte noch ergänzend hinzufügen: wir als Kommunisten wünschen und setzen uns dafür ein, daß sich die Arbeiterschaft in ihrer Gesamtheit gewerkschaftlich organisiert, so wie wir auch in unserer Partei den Beschluß haben, daß jedes Parteimitglied gewerkschaftlich organisiert sein muß. Mit der Anderung des § 6 wird die Grundlage dafür geschaffen, daß die so gewählten Aufsichtsratsmitglieder in ihrer funktionellen Betätigung und in ihrer Aufgabenstellung an die Weisungen gebunden sind, die ihnen seitens der Belegschaft erteilt werden.
({2})
- Das ist nicht eine Verantwortung für die Herren Aktionäre, sondern eine Verantwortung gegenüber der Belegschaft, eine Verantwortung gegenüber unserem ganzen Volk, um zu verhindern, daß Betriebe für Rüstungszwecke verwendet werden, und um dafür zu arbeiten, daß die Produktion ausschließlich der friedlichen Entwicklung und den friedlichen Bedürfnissen der Bevölkerung dient.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ehren.
Meine Damen und Herren! Wir sprechen hier sehr viel von Demokratie. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es innerhalb der deutschen Gewerkschaftsbewegung auch eine Angestelltenbewegung mit mehr als 300 000 Mitgliedern gibt. Die Angestelltengewerkschaften, in denen sich auch überzeugte Mitglieder Ihrer ({0}) Partei befinden, legen größten Wert darauf, daß die Angestelltenvertreter von den Angestellten in freier und geheimer Wahl gewählt werden.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 6.
Ich bitte Sie, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen, daß sich in Umdruck Nr. 136 bei dem Tempo der Herstellung ein Fehler eingeschlichen hat. In Ziffer 3 b des Umdrucks Nr. 136 fehlen einige Worte. Es muß bei dem Eventualantrag der SPD heißen:
Die Arbeitermitglieder und die Angestelltenmitglieder der Betriebsräte machen ihre Vorschläge getrennt. Die Betriebsräte sind an diese Vorschläge gebunden.
Es werden also die Worte „machen ihre Vorschläge getrennt" und „Die Betriebsräte" eingefügt. Ebenso ist in dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 135 ein Schreibfehler enthalten. Es muß zu § 6 Abs. 1 in der drittletzten Zeile nicht „Angestelltenvertreter", sondern „Angestelltenmitglieder" heißen.
Der weitestgehende Antrag zur Neufassung des § 6 ist der der Kommunistischen Partei. Der Antrag entfernt sich am weitesten von den Beschlüssen der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem vorgetragenen Antrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Weiterhin haben wir den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zur Neufassung des § 6 des Entwurfs.
({0})
- Ich bitte einen Augenblick um Ihr freundliches Gehör. Ich würde zu dem gleichen Ergebnis gekommen sein, Herr Abgeordneter Euler. Wenn Sie diesen Antrag und den Antrag der FDP vergleichen, der sich formell auf § 6 Abs. 2 bezieht, aber sachlich zu § 6 Abs. 1 der Beschlüsse der zweiten Beratung eine unmittelbare Beziehung hat, wird deutlich, daß der Antrag der FDP der weitestgehende ist. Darum bitte ich, zunächst über den Antrag auf Umdruck Nr. 134 abstimmen lassen zu dürfen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der FDP, den Abs. 2 des § 6 neu zu fassen und den Abs. 3 des § 6 zu streichen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Es folgt der Antrag der Deutschen Partei auf Neufassung des § 6, der hinsichtlich der Bestimmung, daß sämtliche Arbeiter und Angestellten einem Betrieb des Unternehmens angehören müssen, eine größere Abweichung von den Beschlüssen der zweiten Beratung bringt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD zu § 6 Abs. 1, die beiden letzten Sätze zu streichen und dafür die in Umdruck Nr. 136 Ziffer 3 a aufgeführte Fassung zu wählen. Ich bitte die Damen und Herren. die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Für den Fall der Ablehnung hat die SPD den Antrag auf Umdruck Nr. 136 Ziffer 3 b gestellt. Ich bitte die Damen und Herren. die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den letzten zu diesem Paragranhen vorliegenden Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 135, die Absätze 1 und 2 von § 6 unter Berücksichtigung des vorhin berichtigten Druckfehlers neu zu fassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren. das Ergebnis ist nicht völlig eindeutig zu übersehen.
({1})
- Wir befinden uns hier oben anders als Sie in einer gewissen Einmütigkeit. Vielleicht haben wir gelegentlich einen besseren Überblick.
Wir kommen also zum Hammelsprung. Ich bitte
({2})
die Damen und Herren, die dem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, durch die Ja-Tür, die anderen, durch die Nein-Tür hereinzukommen.
({3}) Meine Damen und Herren, ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({4})
Darf ich um Beschleunigung der Abstimmung bitten. ({5})
Darf ich nochmals um Beschleunigung der Abstimmung bitten.
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: von 355 Abgeordneten haben mit Ja gestimmt 138, mit Nein 196, Enthaltungen 21. Dem Vorwurf, daß der Sitzungsvorstand nicht zählen könne, begegne ich von vornherein mit dem Hinweis, daß sich während des Hammelsprungs Veränderungen ergeben können, im übrigen der Vorstand paritätisch zusammengesetzt ist.
({6})
Meine Damen und Herren, damit sind sämtliche Abänderungsanträge abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 6 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, eine .Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({7})
- Meine Damen und Herren, Verkehrsunglück gibt es überall; ich bitte Sie, sich nicht zu sehr zu freuen! ({8})
Stimmenthaltungen? ({9})
Bei zahlreichen Enthaltungen ist der § 6 in der Fassung der zweiten Beratung angenommen.
({10})
Ich rufe auf § 7. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht.
Meine Damen und Herren, wir nähern uns dem § 8; ich bitte, sich langsam zu sammeln!
({11})
Ich komme zur Abstimmung über § 7. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 8. Ich darf, damit Klarheit besteht, auf die Abänderungsanträge hinweisen. Es liegt zunächst der zweifellos weitestgehende Antrag der Fraktion der KPD vor, den § 8 zu streichen; weiterhin der Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Umdruck Nr. 135 Ziffer 2 -, in § 8 Abs. 1 in der zweiten Zeile hinter dem Wort „Mitglied" die Worte „des Aufsichtsrates" einzufügen; weiterhin der Antrag der Fraktion der CDU/CSU - Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 135 -, § 8 Abs. 3 neu zu fassen. Ferner liegt der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 139 vor - er ist noch nicht verteilt -, eine Neufassung des Abs. 2 vorzunehmen, und zwar folgenden Wortlautes:
Kommt ein Vorschlag nach Abs. 1 nicht zustande oder wird eine vorgeschlagene Person nicht gewählt, so wird der Vermittlungsausschuß angerufen.
Weiterhin liegt ein Antrag der Fraktion der SPD unter Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 136 vor - der Antrag ist verteilt -, einen Abs. 2 a einzufügen; weiterhin der Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 136 Ziffer 5 a, § 8 Abs. 3 neu zu fassen, und für den Fall der Ablehnung der Eventual-antrag unter Ziffer 5b des Umdrucks Nr. 136.
Ich bitte Sie, davon Kenntnis zu nehmen, daß in der Ziffer 5a dieses Umdrucks in der dritten Zeile das zweite Wort nicht „dieses", sondern „diese" heißen muß und daß in der vierten Zeile das Wort „vorgeschlagen" durch das Wort „vorschlagen" ersetzt werden muß.
Weiterhin ein Antrag des Zentrums, der ebenfalls noch nicht verteilt ist, dahingehend, § 8 in der Fassung des Auschußbeschlusses in zweiter Beratung zu übernehmen und Abs. 3 zu ändern, und zwar in folgenden Wortlaut:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Aufsichtsrat drei Personen zur Wahl vor. Kommt eine Wahl innerhalb von zwei weiteren Monaten nicht zustande, so bestimmt der Vermittlungsausschuß das fehlende Aufsichtsratsmitglied.
Wer wünscht, das Wort zu nehmen, meine Damen und Herren? - Herr Abgeordneter Dr. Schöne!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der zweiten Lesung hatte ich bereits die Ehre, die Kritik meiner politischen Freunde an der Ausschußfassung dieses § 8 hier vorzutragen. Ich konzentrierte diese Kritik auf zwei Punkte: einmal darauf, daß durch die Ausschußfassung an die Stelle des Zwanges zur Einigung der zehn Aufsichtsratsmitglieder, wie sie damals in der Vereinbarung der Sozialpartner vorgesehen war, ein Zwang zur Nichteinigung getreten sei; der andere Punkt meiner Kritik betraf die Tatsache, daß die Grundlage der Parität durch die Ausschußfassung ausgehöhlt und umgeändert worden ist. Diese beiden Punkte unserer Kritik darf ich noch einmal in Ihr Gedächtnis zurückrufen, meine Damen und Herren. Meine Argumentation entbehrte sichtlich der Überzeugungskraft, denn das Hohe Haus entschied sich in zweiter Lesung bei der Beschlußfassung für die Fassung des Ausschusses.
Inzwischen hat die CDU/CSU-Fraktion auf Umdruck Nr. 135 einen Abänderungsantrag zu § 8 eingebracht, und der Herr Kollege Sabel hat vorhin mit Nachdruck und entsprechender Betonung darauf hingewiesen, daß in diesem Antrag eine wesentliche Änderung insofern vorgesehen sei, als der Vorschlag des Vermittlungsausschusses jetzt nur aus wichtigen Gründen zurückgewiesen werden könne. Nun bedeutet zweifelsohne die Formulierung „wichtiger Grund", insbesondere unter Bezugnahme auf die Definition dieser Worte im Aktiengesetz, eine Verbesserung gegenüber der früheren Fassung. Aber die von mir eben noch einmal wiederholte Kritik gegen die alte Fassung von § 8 bleibt doch nach wie vor bestehen. Denn es heißt auch in der neuen Formulierung des Antrages der CDU/CSU-Fraktion:
Werden weitere Vorschläge nicht erbeten oder
kommt eine Wahl auch auf Grund des zweiten
Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus
({0})
wichtigen Gründen nicht zustande, so wählt das Wahlorgan
- das Ist die Hauptversammlung von sich aus das weitere Mitglied.
Das ist im Grunde genommen derselbe Stein des Anstoßes, den wir beim alten § 8 bereits hatten.
Nun hat der Herr Kollege Sabel zur Begründung der Neufassung dieses § 8 auf Umdruck Nr. 135 auf die Formulierung der Vereinbarung der Richtlinien über die Mitbestimmung in der Kohle und Eisen schaffenden Industrie hingewiesen, wie sie seinerzeit von den Sozialpartnern abgefaßt wurde. Ich habe denselben Umdruck hier liegen wie Herr Kollege Sabel, und ich entnehme ihm mit der gütigen Erlaubnis des Herrn Präsidenten folgende zwei Sätze betreffend das elfte Mitglied:
Kommt ein solcher Vorschlag
- das ist ein Vorschlag der übrigen zehn an die Hauptversammlung nicht zustande oder lehnt ihn die Hauptversammlung ab, so wird der gemäß d einausetzende Senat angerufen. Dieser Senat macht der Hauptversammlung gleichzeitig drei Vorschläge lür die Wahl des elften Mitgliedes; die Hauptversammlung soll die Wahl aus diesen drei Personen treffen.
Ich vermag nicht zu sehen, welche Punkte der Herr
Kollege Sabel aus dieser Vereinbarung zur Begründung des Umdrucks Nr. 135 heranziehen kann.
Auf der andern Seite, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, sehr aufmerksam die von uns eingebrachten Abanderungsantrage zu § 8 anzuschauen. bie haben dort emmal den Vorschlag, § 8 Abs. 2 neu zu fassen in der Form:
Kommt ein Vorschlag nach Absatz 1 nicht zustande oder wird eine vorgeschlagene Person nicht gewahlt, so wird der V ermittlungsausschuß angerufen.
Ferner finden Sie - dargelegt auf Umdruck Nr. 136 - eine Neufassung des Abs. 2 a. Danach soll für die Unternehmungen, die unter dieses (le-setz fallen, ein ständiger ti ermittiungsausschuß gebildet werden. Dieser ständige Vermittlungsausschuß, gewählt auf drei Jahre, soll sich aus sechs Mitgiiedern zusammensetzen.
Die Mitglieder werden durch die Bundesregierung je zur Hälfte aus Vorschlägen der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften und aus Vorschlagen der unter dieses Gesetz fallenden Unternehmen auf die Dauer von drei Jahren berufen.
Das entspricht im wesentlichen doch der Fassung, wie sie seinerzeit die Sozialpartner in der Vereinbarung getroffen hatten, nur mit dem Unterschied, daß es nicht „Senat", sondern „Vermittlungsausschuß" heißt.
§ 8 Abs. 3 soll nach unserem Abänderungsantrag
auf Umdruck Nr. 136 folgende Fassung erhalten: Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern drei Personen zur Wahl vor, aus denen diese innerhalb eines weiteren Monats das Aufsichtsratsmitglied dem Wahlorgan
- der Hauptversammlung zur Wahl vorschlagen. Das Wahlorgan ist an den Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder gebunden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie aufmerksam diesen Abänderungsantrag meiner Freunde verfolgen und wenn Sie die Vereinbarung, die seinerzeit zwischen den Sozialpartnern geschlossen worden ist, zugrunde legen, dann werden Sie feststellen, daß beide in etwa übereinstimmen. Auf alle Fälle sind die beiden von mir immer wieder hervorgehobenen Mängel der alten Fassung endgültig ausgeräumt. Sie haben für die zehn Aufsichtsratsmitglieder den Zwang zur Einigung, und Sie haben für den Fall, daß die zehn sich nicht einigen, eine neutrale Stelle, die von der Bundesregierung eingesetzt ist, die dann den neutralen elften Mann stellt.
({1})
Der Grundsatz der Parität bleibt also völlig gewahrt.
Meine Damen und Herren, wenn Sie nicht in der Lage sein sollten, der abgeänderten Fassung von Umdruck Nr. 136, Ziffer 5 a zuzustimmen, so darf ich Sie namens meiner Freunde bitten, doch der Fassung unter Ziffer 5 b zuzustimmen, wo es heißt:
§ 8 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll.
Ich darf an dieser Stelle erklären, daß bei diesem Paragraphen - bei § 8 - betreffend die Entsendung des elften Mannes für meine politischen Freunde der Punkt gegeben ist, an dem wir darüber zu entscheiden haben, ob es sich um eine wirkliche Neuordnung der deutschen Wirtschaft handelt oder nicht. Ich darf noch einmal erklären, daß der Grundsatz der Parität, wie er seinerzeit von den Sozialpartnern vereinbart worden ist, für uns das Hauptkriterium für das ganze Gesetz ist.
Ich darf Sie namens meiner Freunde bitten, unserem Abänderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fürchte, daß es nicht für alle Mitglieder des Hauses ganz leicht sein wird, den Nuancen zu folgen, die jetzt zu beachten sind, wenn man zwischen Richtlinien, Regierungsvorlage, Ausschußfassung, Beschlüssen der zweiten Lesung und den jetzt noch vorliegenden zwei Abänderungsanträgen unterscheiden will. Ich glaube aber, meine Damen und Herren, daß wir uns bereits in der zweiten Beratung bemüht haben, im Kern den Gedanken der Regierungsvorlage, der ja ein beiderseits gebilligter Gedanke war, wiederherzustellen. Ich habe vorhin ausgeführt, daß wir nicht darin zu brillieren versuchen sollten, ob wir die Parität nun in jedem Quentchen so oder so exakter treffen.
({0})
Wir wissen, daß in der Auseinandersetzung um den elften Mann dort, wo wir nicht gleiche oder nicht durch zwei teilbare Zahlen aufzuteilen haben, immer in irgendeiner Weise ein allerletzter Ausweg bleiben muß, wenn ein solches Gesetz nicht eine klare lex imperfecta bleiben soll. Ich glaube daher, daß der Abänderungsantrag, den meine Fraktion vorgelegt hat, durchaus mit dem Eventual-antrag, den die SPD unter 5 b gestellt hat, übereinstimmt und daß er sich von diesem nur darin unterscheidet, daß unser Antrag in der Tat eine etwas klarere und endgültige Fassung liefert.
({1})
Den Gedanken, der sich in Ziffer 4 des Vorschlages der sozialdemokratischen Fraktion findet, möchten wir nicht wieder aufgreifen. Wir sind uns jedenfalls im Ausschuß und auch - das glaube ich sagen zu dürfen - in der zweiten Beratung darin einig gewesen, daß es sich empfiehlt, diesen Vermittlungsausschuß, der ja sowieso nur ein Notbehelf sein soll, nicht als eine überbetriebliche Institution, sondern nur als ein für jedes Unternehmen ad hoc geschaffenes Gremium anzusehen. Wenn wir diesem Gedanken treu bleiben, dann glaube ich, daß wir in dem Vorschlage, den meine Fraktion jetzt vorgelegt hat, eine Lösung finden, die in der Tat geeignet ist, alle Seiten zu befriedigen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und meine Herren! Sie wissen, daß ich bei den Verhandlungen, die zwischen den beiden Verhandlungspartnern über die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen stattgefunden haben, den Vorsitz geführt habe. Die Frage der Wahl des elften Mitgliedes des Aufsichtsrats war diejenige Frage, die zurückgestellt und zuletzt behandelt worden ist. Nachdem über alle anderen Fragen eine Einigung erzielt worden war, stießen hier die beiden gegensätzlichen Auffassungen sehr stark aufeinander. Die Herren, die den DGB vertraten unter Führung des Herrn Dr. Böckler, verlangten - ich sehe jetzt einmal von der Differenz Senat-Vermittlungsausschuß ab; sie spielt keine entscheidende Rolle -, daß das Wahlorgan, d. h. die Generalversammlung einen der Vorgeschlagenen wählen müßte. Die Vertreter der anderen Seite erklärten, daß sie nicht in der Lage wären, diesem Vorschlage zuzustimmen. Nachdem die Auseinandersetzung hin- und hergegangen war, habe ich dann einen Vermittlungsvorschlag gemacht, und zwar habe ich vorgeschlagen, an Stelle des Wortes „muß" das Wort „soll" zu setzen. Gleichzeitig habe ich den Teilnehmern an der Verhandlung den Unterschied zwischen den Worten „soll" und „muß" nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auseinandergesetzt, d. h., daß eine Mußvorschrift bindend sei, daß eine Sollvorschrift zwar auch bindend sei, daß aber der-j enge,
({0})
den die Sollvorschrift angeht, davon abgehen könne, wenn ein wichtiger Grund vorliege. Dieser mein Vorschlag ist dann von sämtlichen Teilnehmern der Verhandlung angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Wenn wir jetzt die beiden Anträge sehen, zunächst den der sozialdemokratischen Fraktion, so bemerken wir, daß hier wieder das Wort „soll" aufgenommen worden ist. Das würde bedeuten, daß das Wahlorgan dann, wenn es aus wichtigen Gründen glaubt, nicht einen von den Vorgeschlagenen wählen zu können, frei entscheiden kann. In dem Antrag der CDU/ CSU ist derselbe Gedanke klarer und unzweideutiger zum Ausdruck gekommen. Es besteht also rechtlich zwischen den beiden Anträgen kein Unterschied. Beide Anträge entsprechen dem, was damals von den Verhandlungspartnern vereinbart worden ist. Ich würde es ganz außerordentlich bedauern, wenn dieses sehr wichtige Gesetz, auf dessen Zustandekommen die Bundesregierung einen sehr großen Wert legt, schließlich daran scheitern würde, daß zwei große Parteien hier im Saale zwar, so wie ich das verstehe, dasselbe wollen, nämlich das wiederherzustellen, was vereinbart worden ist,
({1})
daß aber eine verschiedene Ausdrucksweise eine solche Meinungsverschiedenheit hervorbringt.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 8. Ich darf in der Abstimmung absatzweise vorgehen. Zunächst liegt der Antrag der Fraktion der KPD vor, den § 8 überhaupt zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -- Bei einer Enthaltung gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme weiter zu dem Antrage der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 135 Ziffer 2, in § 8 Abs. 1 Satz 2 nach dem Worte „Mitglied" die Worte „des Aufsichtsrats" einzufügen. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zum Antrag der Fraktion der SPD, den ich vorhin verlesen habe und der im Umdruck nicht vorliegt. Ich verlese ihn noch einmal:
§ 8 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
Kommt ein Vorschlag nach Abs. 1 nicht zustande oder wird eine vorgeschlagene Person nicht gewählt, so wird der Vermittlungsausschuß angerufen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Fraktion Umdruck Nr. 136 Ziffer 4, einen Abs. 2 a mit dem Wortlaut, den Sie vor sich haben, einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 136 Ziffer 5 a, § 8 Abs. 3 unter Berücksichtigung der Druckfehler, die ich vorhin berichtigt habe, neu zu fassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Für den Fall der Ablehnung hat die Fraktion der SPD den Antrag Ziffer 5 b des Umdrucks Nr. 136 gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag
der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 135 - ({0})
- Ich bitte um Entschuldigung. Angesichts der Tatsache, daß der Antrag der Fraktion des Zentrums sich nicht auf die Fassung der zweiten Beratung, sondern auf den Ausschußantrag bezieht, geht er über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU hinaus. Es ist vom Zentrum beantragt worden, § 8 in der Fassung des Ausschusses zu übernehmen und den Abs. 3 in der Form neu zu fassen, wie ich es vorhin verlesen habe.
({1})
({2})
- Es dreht sich also um die Fassung des 20. Ausschusses. Der Abs. 3 soll folgende Fassung erhalten:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Aufsichtsrat drei Personen zur Wahl vor. Kommt eine Wahl innerhalb von zwei weiteren Monaten nicht zustande, so bestimmt der Vermittlungsausschuß das fehlende Aufsichtsratsmitglied.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zum letzten noch vorliegenden Abänderungsantrag, dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 135 Ziffer 3.
({3})
- Ich bin in der Abstimmung, Herr Abgeordneter.
({4}) - Bestehen dagegen Bedenken? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, und zwar zunächst über § 8 Abs. 3 Satz 1, der folgenden Wortlaut erhalten soll:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl
-muß das heißen,
({5})
ich bitte das zu berichtigen vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Satz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Satz ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
({6})
Ich lasse über die folgenden Sätze des Abs. 3 des § 8 in der Fassung des Umdrucks Nr. 135 Ziffer 3 abstimmen: „Kommt eine Wahl" bis „das weitere Mitglied." Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Sätzen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Sätze sind abgelehnt.
({7})
Ich komme zur Abstimmung über den § 8 in der Fassung der zweiten Beratung unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Abänderungen. Ich hoffe, daß jedes Mitglied des Hauses sich über die Abänderungen und den Inhalt der jetzt folgenden Abstimmung im klaren ist.
({8})
Ich stelle noch einmal fest, damit kein Zweifel besteht: es ist der Antrag der CDU/CSU, in Abs. 1 nach dem Wort „Mitglied" die Worte „des Aufsichtsrates" einzufügen, angenommen worden. Die Abänderungsanträge zu Abs. 2 des § 8 sind abgelehnt worden.
Bei § 8 Abs. 3 ist der Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU hinsichtlich des Satzes I angenommen worden. Es heißt also jetzt:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll.
Das heißt also: Dieser eben beschlossene Abänderungsantrag deckt sich völlig mit dem Beschluß der zweiten Beratung, stellt also gar keine Abänderung dar, ist also insofern nur eine Wiederholung des Beschlusses der zweiten Beratung. Die weiteren Abänderungsanträge sind abgelehnt.
Zur Erleichterung bitte ich, über den Inhalt der Beschlüsse der zweiten Beratung absatzweise abstimmen lassen zu können. Ich bitte die Damen und Herren, die unter Berücksichtigung der beschlossenen Abänderungen dem Abs. 1 de§ § 8 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 2 des
§ 8 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 3 unter Berücksichtigung der Abänderung, die keine Abänderung ist,
({9})
zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über Abs. 4. Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Angenommen.
Damit ist die Einzelberatung zu § 8 erledigt.
Ich rufe auf § 9 und weise darauf hin, daß zwei Anträge der Fraktion der CDU/CSU, Ziffer 4 und Ziffer 5 des Umdrucks Nr. 135 vorliegen. Wünscht jemand dazu das Wort? - Das ist nicht der Fall.
({10})
Meine Damen und Herren, Sie erleichtern uns durch Ruhe die Abstimmung und die Erledigung des Punktes der Tagesordnung. Ich bitte Sie darum.
Ich schließe die Einzelbesprechung der dritten Beratung und komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 135, neue Fassung des Abs. 1 Satz 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 135 Ziffer 5 zu
§ 9 Abs. 2 Satz 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ist angenommen.
Unter Berücksichtigung dieser Abänderung komme ich zur Abstimmung über den § 9 in seiner Gesamtheit. Ich bitte die Damen und Herren, die § 9 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ist angenommen.
Ich rufe auf § 10. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 10 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 11. Ich weise darauf hin, daß zwei Anträge vorliegen. Erstens der Antrag der Frak({11})
tion der KPD, § 11 neu zu fassen. Der Antrag ist nicht vervielfältigt, ich verlese ihn.
({12})
- Er ist inzwischen eingegangen; ich habe noch die Originalfassung zu Umdruck Nr. 137. Ich brauche also den Antrag in der vorgeschlagenen neuen Fassung nicht zu verlesen. Ich weise darauf hin, daß im Umdruck Nr. 135 Ziffer 6 weitere Neufassungsanträge vorliegen.
Der Abgeordnete Müller wünscht zu Ziffer 4 des Antrags der KPD Umdruck Nr. 137 das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Bereits in der zweiten Lesung wie auch im Ausschuß wurden zu der Frage der sogenannten Unabhängigkeit der Auisichtsratsmitglieder Ausführungen gemacht, die sich zum Teil auf das Gesetz beriefen, zum Teil aber zum Ausdruck brachten, daß die Aufsichtsratsmitglieder an keinerlei Weisungen gebunden seien. Die kommunistische Fraktion steht auf dem heute von mir schon angedeuteten Standpunkt, daß die Vertreter, die von der Generalversammlung in den Aufsichtsrat entsandt werden, automatisch ihre Weisungen eben als Vertreter der Aktionäre erhalten werden. Die Bestimmung des Gesetzes, daß sie an keinerlei Weisungen gebunden sind, ist rein formal. In der Praxis ist es so, daß sie stets die Weisungen und Aufträge der Aktionäre des Unternehmens wahrnehmen werden. Daß dabei der Gesichtspunkt der Wahrung der Interessen - d. h. insbesondere der Sicherung des Profits - des Unternehmens ausschlaggebend und maßgebend ist, brauche ich nicht mehr besonders zu unterstreichen. Ich verweise in dieser Beziehung auf die Ausführungen, die ich bereits zur zweiten Lesung zu dem Beispiel der Opelwerke gemacht habe.
Demgegenüber aber steht die Tatsache, daß die Vertreter, die von der Belegschaft in dem Aufsichtsrat zu entsenden sind, gegenüber der Belegschaft die Verantwortung haben. Den Betrieben - es handelt sich insonderheit um die Grundstoffindustrien - ist im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsüberleitungsgesetz die Bestimmung auferlegt worden, ihre Produktion der Kriegsrüstung und dem Zwangsexport zur Verfügung zu stellen. Auf der anderen Seite werden der deutschen Wirtschaft für die Befriedigung ziviler Bedürfnisse das Material und die Produktion entzogen. Wenn dem vorliegenden Gesetz überhaupt ein gewisser Sinn beigelegt werden soll, dann müssen sich die Aufsichtsratsmitglieder, die von der Belegschaft zu entsenden sind, unter allen Umständen für die Interessen der Belegschaft und die friedliche Produktion einsetzen. Dann würde das Wort „Mitbestimmung" ungefähr einen Sinn erhalten. Daß sich die von der Belegschaft zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder für die sozialen und wirtschaftlichen Belange ihrer Belegschaft einzusetzen haben, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Das setzt aber voraus, daß die Mitglieder in den Aufsichtsrat von der Belegschaft zu entsenden sind, ihren Weisungen unterliegen und vor ihr jederzeit Rechenschaft ablegen müssen. Infolgedessen müssen sie auch, wenn sie diese Weisungen nicht befolgen, von der Belegschaft abberufen werden können. Das erst sichert eine wirkliche Verpflichtung der Aufsichtsratsmitglieder gegenüber der Belegschaft und gewährleistet die Sicherung einer
Friedensproduktion für unsere Bevölkerung. Das ist der Sinn unseres Änderungsantrags zu § 11, den wir Ihnen zur Annahme vorschlagen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 11.
Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der KPD - Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 137 - abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -0- Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU, Ziffer 6 des Umdrucks Nr. 135 betreffend eine neue Fassung des § 11. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
({0})
Da eine völlige Neufassung des § 11 vorgenommen ist, erübrigt sich eine Abstimmung über die in der zweiten Beratung beschlossene Fassung.
Ich rufe § 12 auf. - Keine Wortmeldungen. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bei einigen Gegenstimmen und einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 13 auf. Zu § 13 liegt erstens der Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck Nr. 134 Ziffer 2 vor, den § 13 zu streichen; zweitens der Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 137 Ziffer .5, § 13 neu zu fassen. Herr Abgeordneter Müller wünscht, den Antrag zu begründen.
({1})
Meine Damen und Herren! Nach der Fassung des Gesetzes, wie die bisherige Abstimmung sie ergeben hat, kommt ganz eindeutig zum Ausdruck, daß mit diesem Gesetz die Politik der Arbeitsgemeinschaft eine Untermauerung findet, die im schärfsten Gegensatz zu den Interessen der Arbeiterklasse selbst steht. Wenn ich in diesem Zusammenhang gerade, um dies mit einem praktischen Beispiel zu belegen, auf die Frage des Arbeitsdirektors zu sprechen komme, dann deswegen, weil der Arbeitsdirektor nach den Bestimmungen dieses Gesetzes durch den Aufsichtsrat, der mehrheitsmäßig durch die Aktionäre gewählt wird, an die Beschlüsse des Vorstandes gebunden ist, dessen Mehrheit sich aus den Vertretern und nach den Vorschlägen der Aktionäre zusammensetzt. Der Arbeitsdirektor wird also - das zeigt ja schon die bisherige Praxis - auf Grund der Mehrheitsbeschlüsse oder der Weisungsrechte des Vorstandes keine andere Linie verfolgen können und dürfen als die, die ihm seitens der Aktionäre des Unternehmens vorgeschrieben ist. Daraus ergibt sich, daß ein so gewählter Arbeitsdirektor niemals den Interessen und den Forderungen der Belegschaft des betreffenden Unternehmens wird Rechnung tragen können. Seine Funktion wird also darin bestehen, die Gesamtpolitik des betreffenden Unternehmens als Arbeitsdirektor und Mitglied des Vorstandes zur Durchführung zu bringen. Das entspricht nicht den Interessen der
({0})
Belegschaft, entspricht nicht der Aufgabe seiner Funktion auch in der Richtung, daß das Unternehmen keine Kriegsproduktion herstellt.
Ausgehend von diesem Gesichtspunkt -schlagen wir eine neue Fassung des § 13 vor, die zum Ausdruck bringt, daß die Bestellung des Arbeitsdirektors auf Vorschlag des Betriebsrats und des Vertrauensmännerkörpers erfolgt. Die Belegschaft muß dem ihre Zustimmung erteilen. Der Arbeitsdirektor ist _ verpflichtet, regelmäßig der Belegschaft Rechenschaft abzulegen; und er muß ihr auf Verlangen jederzeit über seine Tätigkeit Bericht erstatten. Die Belegschaft muß auch berechtigt sein, den Arbeitsdirektor, wenn er den Weisungen, die er von der Belegschaft erhält, nicht gerecht wird, abzuberufen. Wenn die Funktion des Arbeitsdirektors nach dieser Fassung des § 13 festgelegt würde, würde sie in etwa den Forderungen der Belegschaft Rechnung tragen.
({1})
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich für unseren Antrag, den § 13 zu streichen, auf die Begründung, die ich in der zweiten Lesung gegeben habe. Ich erlaube mir, folgende Eventualanträge zu stellen, sofern unser Antrag abgelehnt wird:
Absatz 1 Satz 2 erhält folgende Fassung:
Die Wahl des Arbeitsdirektors bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen.
Ferner:
Satz 3 wird gestrichen.
Ich beantrage, sofern es zu diesen Eventualanträgen kommt, über die beiden Sätze getrennt abzustimmen.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, darf ich bitten, mir den Antrag schriftlich zu übergeben.
({0})
- Seien Sie so liebenswürdig, Herr Abgeordneter. Ich bitte um die Aufmerksamkeit des Hauses, damit wir darauf verzichten können, eine Pause einzulegen, bis wir den schriftlichen Antrag erhalten.
Also als Eventualantrag zu unserem Antrag nach Umdruck Nr. 134:
1. § 13 Abs. 1 Satz 2 erhält folgende Fassung: Die Wahl des Arbeitsdirektors, bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen.
2. Satz 3 wird gestrichen.
Wir bitten um getrennte Abstimmung.
Es liegt zunächst der Antrag der Fraktion der FDP in Umdruck Nr. 134 Ziffer 2 vor, den § 13 überhaupt zu streichen. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Eventualiter ist von Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen der Antrag gestellt worden, den § 13 Abs. 1 Satz 2 wie folgt zu fassen:
Die Wahl des Arbeitsdirektors bedarf einer Mehrheit von drei Vierteln der Stimmen.
Weiterhin wird beantragt, den Satz 3 zu streichen.
Ich lasse zunächst über den ersten Teil des Antrages abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den zweiten Teil des Antrages abstimmen, den Satz 3 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Streichung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der KPD - Umdruck Nr. 137 Ziffer 5 - auf Neufassung des § 13. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Neufassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 13 in der in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe weiter auf § 14 des Gesetzes. Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung und komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 14 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- § 14 ist angenommen.
({0})
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen.
Ich rufe auf § 15. Zu § 15 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Neufassung des § 15 vor. Wünscht jemand, dazu das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU, Umdruck Nr. 135 Ziffer 7. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen einige Stimmen und bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit erübrigt sich die Abstimmung über § 15 in der Fassung der zweiten Beratung.
Einleitung und Überschrift des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, damit stehen wir vor der Schlußabstimmung über das Gesetz. Es wünscht zunächst Herr Abgeordneter Euler eine Erklärung abzugeben. Ich erteile ihm das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten habe ich die Ehre, folgende Erklärung abzugeben:
Die Bundestagsfraktion der FDP vertritt den Gedanken eines allgemeinen Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer,
({0})
soweit über Leistungslöhne und Gewinnbeteiligung eine Partnerschaft zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer hergestellt wird. Das vorliegende Gesetz lehnt die Fraktion aus folgenden Gründen ab:
Deutscher Bundestag - i32. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 195i 5087
({1})
1. Das Gesetz ist von der klassenkämpferischen Anschauung eines Gegensatzes zwischen Kapital und Arbeit beherrscht
({2})
und schafft zwei einander scharf gegenüberstehende Fronten, die um die Durchsetzung ihrer Machtstandpunkte ringen.
({3})
2. Das Gesetz ist nach Auffassung der FDP verfassungswidrig, weil es entgegen ,dem Art. 14 des Grundgesetzes den Eigentimern einen Teil ihrer Verfügungsmacht entschädigungslos entzieht.
({4})
3. Die Einbringung der Vorlage des Gesetzes durch die Regierung ist unter dem Druck einer rechtswidrigen Androhung eines politischen Streikes seitens des Deutschen Gewerkschaftsbundes erfolgt.
({5})
4 Entgegen dem Antrag der FDP-Fraktion, in den Aufsichtsrat der Unternehmen als Arbeitnehmervertreter ausschließlich Arbeiter und Angestellte der zu den Unternehmen gehörenden Betriebe zu wählen, hat der § 6 des Gesetzes mit den Stimmen der CDU und SPD eine Fassung erhalten, nach der die Arbeitnehmer der Betriebe durch betriebsfremde Gewerkschaftsfunktionäre in die Minderheit gedrückt werden. Das auf Kosten der Arbeitnehmer so geschaffene Monopol der Einheitsgewerkschaft schließt die echte 'Mitbestimmung der Arbeiter und Angestellten der zum Unternehmen gehörenden Betriebe aus.
5. Durch die Zusammenballung von Aufsichtsratposten bei den Unternehmen von Eisen und Kohle in den Händen des Deutschen Gewerkschaftsbundes wird ein Monopol errichtet. Es ist aber widersinnig, den Monopolgedanken dadurch zu bekämpfen, daß man neue monopolistische Machtpositionen in den Händen des Deutschen Gewerkschaftsbundes errichtet.
6. Es kommt hinzu, daß Mitglieder des Vorstandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes in einseitiger Auslegung der außerparlamentarischen Verhandlungen sofort nach deren Abschluß öffentlich erklärt haben, dieses Gesetz solle nur der erste Schritt auf dem Wege zu einer gleichen Regelung auch für andere Industrien sein. Die FDP erklärt, daß derartige Bestrebungen nicht die Unterstützung einer Regierung finden können, an der sie teilnimmt.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Meine Damen und Herren! Bevor sich die sozialdemokratische Fraktion über ihre Haltung bei der Schlußabstimmung über dieses Gesetz endgültig schlüssig werden kann, erscheint es ihr notwendig, eine Zweifelsfrage zu klären, die nach der Abstimmung über § 8 Abs. 3 aufgetaucht ist. Wir haben den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Punkt 3 vorliegen gehabt. Dieser Änderungsantrag beginnt mit den Worten: „§ 8 Absatz 3 erhält folgende Fassung", d. h. dieser Änderungsantrag der CDU/CSU sollte den gesamten Abs. 3, so wie er in der zweiten Lesung beschlossen war, ersetzen. Das Resultat der Abstimmung, die satzweise erfolgte, war, daß von diesem Anderungsantrag der CDU-Fraktion nur der erste Satz mit Mehrheit angenommen wurde. Das bedeutet nach unserer Meinung, daß dieser erste Satz der neue Abs. 3 des § 8 in der Vorlage ist.
({0})
- Vielleicht darf ich meine Meinung sagen. - Wir haben unter dieser Voraussetzung bei der Abstimmung über § 8 Abs. 3 und über den gesamten Paragraphen dafür gestimmt.
Wir haben inzwischen durch eine Unterhaltung bei dem Herrn Präsidenten festgestellt, daß diese Auslegung der Abstimmung nicht seiner Auffassung entspricht. Er ist der Meinung, daß die weiteren Sätze des Absatz 3 in der Fassung der zweiten Lesung weiter in der jetzt beschlossenen Fassung der dritten Lesung enthalten sind.
({1})
Wir sind der Meinung, daß diese Auffassung nicht richtig ist, weil- ja unter Punkt 3 des Abänderungsantrages der CDU/CSU-Fraktion ausdrücklich gesagt worden ist: § 8 Absatz 3 erhält folgende Fassung", d. h. er ist an die Stelle des früheren Abs. 3 getreten. Es ist für uns wichtig, daß diese Frage geklärt wird. Ich bitte insbesondere den Herrn Präsidenten, seine Meinung dazu zu sagen. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir hier unter falschen Voraussetzungen an die Abstimmung gegangen sind - 'und Sie werden mir zubilligen, daß die Auslegung, die wir angenommen haben, sehr starke Gründe für sich hat, wenn sie auch nicht unbestritten ist -, dann ist nichts anderes möglich als eine Wiederholung der Abstimmung über § 8 Abs. 3. Das ist das mindeste, und wir werden von der Abstimmung über diesen Paragraphen auch unsere endgültige Abstimmung über das Gesetz abhängig machen.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich habe zur Beurteilung dieser geschäftsordnungsmäßigen Frage, von der ich glaube, daß wir sie ohne Erregung erörtern können, folgendes zu sagen:
Es lag zunächst vor der Eventualabänderungsantrag der Fraktion 'der SPD, Umdruck Nr. 136 Ziffer 5b. Ich habe, nachdem der Antrag zu 5a abgelehnt war, über den Antrag zu 5b abstimmen lassen. Der Antrag ist abgelehnt worden. Wenn der Antrag der Fraktion der CDU/CSU nur den gleichen wörtlichen Inhalt gehabt hätte, hätte darüber überhaupt nicht abgestimmt werden können.
({0})
Ich habe, da der Antrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Umdruck Nr. 135 Ziffer 3 einen darüber hinausgehenden Inhalt in weiteren Sätzen hat, begonnen, 'über diesen Antrag abstimmen zu lassen. Von der Fraktion der SPD ist daraufhin satzweise Abstimmung beantragt worden.
({1})
Das Haus hat dem zugestimmt; ich bin so verfahren. Die satzweise Abstimmung beinhaltet keine Beschränkung des Antrages auf irgendwelche Sätze, sondern bedeutet nach meiner Überzeugung lediglich, daß 'über den gesamten Antrag in einzelnen Teilen abgestimmt wird. Bei dieser Abstimmung hat sich ergeben, daß der erste Satz angenommen,
({2})
der zweite Satz abgelehnt wurde. Damit ist ein Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu § 8 Abs. 3 zu einem Teil angenommen worden.
Meine Damen und Herren! Ich muß mich auf den Standpunkt stellen, daß die Überschrift des Antrages „erhält folgende Fassung" für den Antrag, für seinen Inhalt und die Beurteilung des Antrages nicht konstitutiv ist.
({3})
Diese Formulierung hätte ebensogut heißen können: „§ 8 Abs. 3 wird folgendermaßen verändert". Das würde keinen sachlichen Unterschied bedeutet haben.({4})
- Meine Damen und Herren, es fördert gar nicht, wenn wir uns erregen. Sie müssen mir schon genau so gestatten, meine Meinung darzulegen, wie Herrn Kollegen Ollenhauer. - Ich habe darüber hinaus, nachdem dieser erste Satz angenommen und der zweite abgelehnt war, also ein von mir so verstandener Abänderungsantrag zu § 8 Abs. 3 nur zu einem Teil angenommen war, über § 8 Abs. 3 in der Fassung der zweiten Beratung abstimmen lassen müssen,
({5})
da sonst ein Teil des Beschlusses der zweiten Beratung, nämlich alles, was hinter dem ersten Satz steht, in der Luft geblieben wäre.
({6})
Ich habe das getan und habe, wie Sie, meine Damen und Herren, sich erinnern werden, es zur Klarstellung in der Form getan, daß ich gesagt habe, ich käme zur Abstimmung über § 8 Abs. 3 unter Berücksichtigung 'der beschlossenen Veränderung, 0 die keine Veränderung sei.
({7})
Ich muß den Standpunkt vertreten, daß ich insofern den Sachverhalt klargestelt habe.
({8})
Ich lese zur Klärung aus dem stenographischen Protokoll vor:
Ich komme zur Abstimmung über 'den § 8 in der Fassung der zweiten Beratung unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Abänderungen. Ich hoffe, daß jedes Mitglied des Hauses sich über die Abänderungen und den Inhalt der jetzt folgenden Abstimmung im klaren ist. Ich stelle noch einmal fest, 'damit kein Zweifel 'besteht: Es ist der Antrag der Fraktion der ,CDU/CSU, in Abs. 1 - Das interessiert hier nicht.
Die Abänderungsanträge zu Abs. 2 des § 8 sind abgelehnt worden. Bei § 8 Abs. 3 ist der Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU hinsichtlich des Satzes 1 angenommen worden. Das heißt also: Dieser eben beschlossene Abänderungsantrag deckt sich völlig mit dem Beschluß der zweiten Beratung, stellt also gar keine Abänderung dar, .. .
({9})
- Kollege Greve, ich kann ja doch nicht Ihre Meinung, sondern muß m eine Meinung vortragen; das werden Sie mir konzedieren.
({10})
Es heißt dann:
Die weiteren Abänderungsanträge sind abgelehnt. Zur Erleichterung bitte ich, über den
Inhalt der Beschlüsse der zweiten Beratung
absatzweise abstimmen lassen zu können. Daraufhin kommt die Abstimmung über Abs. 1, dann die über Abs. 2. Danach sagte ich:
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 3 unter Berücksichtigung der Abänderung, die keine Abänderung ist, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
Daraufhin ist der Antrag angenommen worden. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Den größten Teil dessen, was ich sagen konnte, hat Herr Präsident Ehlers vorweggenommen.
Ich darf noch einmal auf folgendes hinweisen. In dem Antrag 'der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auf Umdruck Nr. 136 hieß es:
§ 8 Absatz 3 erhält folgende Fassung:
({0}) Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus 'denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Dieser Antrag der Fraktion 'der SPD ist abgelehnt worden. Deswegen war es überhaupt nicht mehr möglich, über einen Antrag gleichen Inhalts abzustimmen.
({1})
Als die sozialdemokratische Fraktion vorschlug, über unseren Umdruck Nr. 135 nach Sätzen abzustimmen, hatte ich keinen 'Grund, dem zu widersprechen - der erste Satz entsprach dem Beschluß der zweiten Lesung und dem Antrag der Sozialdemokraten -, weil in dem Rest des § 8 Abs. 3 lediglich eine Veränderung 'gegenüber der zweiten Lesung enthalten war, von der wir glaubten, daß sie gerade auch mit Rücksicht auf die Vorschläge der Gewerkschaften erwünscht sei. Es war uns ebenso recht, wenn das in der zweiten Lesung Beschlossene unverändert blieb. Nach der Abstimmung, wie sie vollzogen worden ist - und ich glaube, es ist niemandem von uns unbekannt geblieben, worauf der Präsident mit Recht hinwies, daß nämlich eine Abänderung des Abs. 3 durch die Abstimmung nicht mehr vorgenommen wurde -, kann kein Zweifel darüber bestehen, was wir beschlossen haben. Jedenfalls bin ich für meine Person darüber nicht im Zweifel.
Meine Damen und Herren, wünscht noch jemand zu 'dieser geschäftsordnungsmäßigen Frage der Behandlung 'des Irrtums im Motiv Stellung zu nehmen? - Herr Abgeordneter Ollenhauer!
Meine Damen und Herren! Wenn Sie der Meinung sind, daß die Auslegung des Herrn Präsidenten richtig und § 8 Abs. 3 in der ausführlicheren Form der zweiten Lesung angenommen ist, dann bitte ich Sie, vor der Schlußabstimmung die Sitzung zu unterbrechen, damit die sozialdemokratische Fraktion Gelegenheit hat, sich über ihre Stellungnahme zu dem gesamten Gesetzentwurf schlüssig zu werden:
Meine Damen und Herren, da Abänderungen der Beschlüsse der zweiten Beratung beschlossen worden sind, hat die Fraktion der SPD die Möglichkeit, eine Vertagung 'der Schlußabstimmung zu beantragen, bis die Beschlüsse nach dem Abstimmungsergebnis zusam({0})
mengestellt sind. Darf ich Ihren Antrag dahin verstehen, Herr Kollege Ollenhauer?
({1})
Sind Sie einverstanden?
({2})
Herr Kollege Euler hatte sich vorhin noch zum Wort gemeldet.
({3})
Meine Damen und Herren, es ist eine Unterbrechung der Sitzung beantragt. Es scheint die Stimmung des Hauses zu sein, dem zu entsprechen. Darf ich den Vorschlag machen, die Sitzung auf dreißig Minuten zu unterbrechen.
({4})
Herr Präsident Löbe wünscht, das Wort zu nehmen.
So lange, bis dem Haus die Beschlüsse vorgelegt sind, wie sie in der jetzigen Abstimmung gefaßt worden sind, damit man weiß, worüber man abstimmt!
Genau das gleiche habe ich ja ieben vorgeschlagen. Ich hatte mich auf § 46 der Geschäftsordnung bezogen. Damit wir uns einig werden, weise ich auf diese Bestimmung hin:
Am Schluß der dritten Beratung wird über die Annahme oder Ablehnung der Vorlage abgestimmt. Sind die Beschlüsse der zweiten Beratung unverändert geblieben, so erfolgt die
Schlußabstimmung unmittelbar; sind aber Änderungen vorgenommen, so muß sie auf Antrag von 10 Mitgliedern ausgesetzt werden, bis die Beschlüsse zusammengestellt und gedruckt verteilt sind.
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß wir uns auf diese Bestimmung beziehen können. Herr Präsident Löbe beantragt das.
Ich vertage die Sitzung mit dem Einverständnis des Hauses bis 18 Uhr 30.
({0})
Die Sitzung wird um 18 Uhr 44 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.
Die zur Klärung der aufgetretenen Mißverständnisse laufenden Besprechungen sind noch nicht abgeschlossen. Ich möchte Ihnen den Vorschlag machen, nicht zu warten, bis das geschehen ist, da die Fraktionen - ganz gleich, welches Ergebnis dabei herauskommt - zweifellos Gelegenheit haben, im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich schlage Ihnen also vor, die dritte Beratung des Punktes 1 der Tagesordnung zu unterbrechen. Ich vermag Ihnen noch keinen Vorschlag zu machen, diese Beratung auf einen anderen Zeitpunkt der heutigen Sitzung oder der morgigen Sitzung zu verschieben.
Ich schlage Ihnen vor, mit Punkt 2 der Tagesordnung - Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen - zu beginnen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. ({0})
Meine Damen und Herren, dann muß ich über den Vorschlag, die dritte Beratung des Gesetzentwurfes nach Punkt 1 der Tagesordnung weiterhin zu unterbrechen, abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die .für die Unterbrechung sind, eine Hand zu erheben. ({1})
- Meine Damen und Herren, ich bin - ich habe das auch angedeutet - kein Prophet. Ich habe Ihnen gesagt: ich kann Ihnen noch nicht vorschlagen, die Beratung auf einen anderen Zeitpunkt der heutigen Sitzung oder der morgigen Sitzung zu verschieben; das heißt, die morgige Sitzung scheint mir nach Lage der Sache das Spätestmögliche zu sein.
({2})
- Die Mehrheit war für Unterbrechung in der von mir vorgeschlagenen Form.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({3});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung
({4}).
({5})
Ich eröffne die dritte Beratung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Generalaussprache der dritten Beratung eine Redezeit von 60 Minuten vor. Für die Einzelbesprechung kann eine Begrenzung naturgemäß kaum vorgenommen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
({6})
- Ich weiß nicht, ob der Herr Berichterstatter das Wort noch nehmen will. Ich habe bisher nicht den Eindruck gehabt, daß zwischen der zweiten und dritten Beratung noch eine Beratung des Ausschusses stattgefunden hat.
Bitte, Herr Abgeordneter Wuermeling!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tatsache, die den Gesetzesauftrag des Art. 131 des Grundgesetzes notwendig machte, ist der Zusammenbruch von 1945 mit seinen nur allzubekannten Auswirkungen. Das hier geregelte Gebiet betrifft einen Teilausschnitt aus dem Chaos des Unrechts und der Ungerechtigkeit, das uns vom sogenannten Dritten Reich als schicksalsgeschlagenen Erben hinterlassen wurde, Erben, meine Damen und Herren, die leben wollen in gerechter sozialer Ordnung, die aber immer wieder erkennen müssen, daß diese Sisyphusarbeit nur Stück fur Stück mit unendlich viel Geduld und mit noch mehr sozialem Gerechtigkeitssinn erfolgreich geleistet werden kann.
Nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz vom vergangenen Jahre, nach dem der Wiedererrichtung zerstörter Heime dienenden ersten Wohnungsbaugesetz vom vergangenen Jahr, nach er kürzlichen Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze und im Höhepunkt der Ausschußberatungen über das Lastenausgleichsgesetz verabschieden wir dieses Gesetz jetzt zu einem Zeitpunkt, in dem die endgültige Sanierung der Sozialversicherung in Angriff genommen ist und in dem die vom Bundestag eindringlichst geforderte unerläßliche erneute Erhöhung der Sozialrenten unmittelbar bevorsteht. Meine Damen und Herren, ich möchte namens unserer Fraktion in diesem Zusammenhang keinen Zweifel darüber
({0})
lassen, daß die ganz kurzfristige Erhöhung der Sozialrenten in dem vollen von uns geforderten Ausmaß für uns eine unabdingbare Voraussetzung für die Verabschiedung dieses Gesetzes ist.
({1})
Wir erwarten und fordern vom Herrn Finanzminister und vom Herrn Arbeitsminister, daß diese Voraussetzung einschließlich der Einbringung der erforderlichen Deckungsvorlagen ohne jede Verzögerung erfüllt wird.
Man kann dieses Gesetz nicht ganz losgelöst von allen diesen drängenden Nachkriegsproblemen sehen, und in dieser Verbundenheit mit der Gesamtheit der Nachkriegsprobleme liegt die eigentliche Problematik dieses Gesetzes begründet. Als Mitglied desjenigen Ausschusses dieses Hauses, der sich nun sechs Monate lang unter Einsatz aller Kräfte bemüht hat, dem Personenkreis des Art. 131 nun endlich, endlich sein Recht werden zu lassen, darf ich mit besonderer Betonung darauf hinweisen, daß wir dieses Gesetz nicht ausschließlich unter formalrechtlichen Gesichtspunkten sehen dürfen, sondern daß auch soziale, allgemeinpolitische, beamtenpolitische wie auch technische und nicht zuletzt auch finanzielle Gesichtspunkte für die Betrachtung und Beurteilung maßgebend sein müssen.
Keine Schicht der Bevölkerung kann für sich das Recht in Anspruch nehmen, als einzige ihre Forderungen gegen die staatliche Gemeinschaft hundertprozentig erfüllt zu bekommen, während andere nicht weniger von der Katastrophe des Jahres 1945 betroffene Volkskreise ihre ebenfalls begründeten Rechtsansprüche noch nicht erfüllt sehen oder sich mit Teilleistungen abfinden müssen. Sicherlich weisen die Staatsdiener, also die Behördenbediensteten und die Berufssoldaten mit vollem Recht darauf hin, daß sie als Staatsdiener einen urkundlich begründeten Anspruch auf Erfüllung der Treupflicht auch seitens der staatlichen Gemeinschaft haben und daß selbst im Konkurs des Privatrechts die in einem Betrieb Beschäftigten bezüglich ihrer Lohn- und Gehaltsforderungen bevorrechtet sind. Dieser Gesichtspunkt ist bei den Beratungen des Beamtenrechtsausschusses in einem solchen Ausmaß berücksichtigt worden, daß es für manchen nicht einfach sein wird, andere Volksschichten von der Richtigkeit des Ergebnisses der Beratungen, wie es Ihnen vorliegt, zu überzeugen.
Wir müssen in diesem Zusammenhang ganz eindeutig und klar den Grundsatz herausstellen, daß die Rechtsansprüche jedes Staatsbürgers gegen die staatliche Gemeinschaft ihre natürlichen Grenzen finden an dem nicht weniger berechtigten Anspruch anderer Volksschichten auf das Existenzminimum, das ein menschenwürdiges Leben gewährleistet.
({2})
Dieser Satz, meine Damen und Herren, bedeutet in keiner Weise, daß die Ansprüche der Staatsdiener etwa denen der Sozialrentner oder sonstigen Rentenempfänger mehr oder weniger angeglichen werden sollen. Er bedeutet aber, daß die Regelung nach Art. 131 nicht ausschließlich auf die noch so berechtigt erscheinenden Ansprüche des betroffenen Personenkreises gegenüber ihren früheren Anstellungskörperschaften abgestellt werden kann, sondern auch im Blick auf die ungeheure Not breitester Volksschichten bei den Rentenempfängern zu treffen ist.
. ({3}) Höchstes Prinzip, meine Damen und Herren, ist nicht das' formalistische Recht, sondern das höchste Prinzip ist und bleibt, zumal nach einer Katastrophe, wie sie hinter uns liegt, die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit im formalen Recht.
({4})
Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Ausarbeitung des Gesetzes - um das nochmals zu sagen - so weitgehend, ja vielfach so hundertprozentig die Erfüllung der Rechtsansprüche des betroffenen Personenkreises auf den Bund übernommen, daß weite Volksschichten uns dieserhalb angreifen werden. Wir haben aber gehandelt im vollen Bewußtsein unserer Verantwortung gegenüber allen Volksschichten, die ja schließlich alle ein echtes Interesse an der Erhaltung des Rechtsbewußtseins und auch an der Erhaltung der Einrichtung des Berufsbeamtentums haben.
Alle diese Gesichtspunkte, meine Damen und Herren, möge man von beiden Seiten beachten, werten und würdigen. Gewiß können über diesen oder jenen Punkt, der in diesem Gesetz geregelt ist, verschiedene Meinungen bestehen, nach der einen wie nach der andern Seite hin. Man möge im Lande draußen auf allen Seiten immer wieder daran denken, daß leitend für unsere Arbeit die Gesichtspunkte des Rechtes, der sozialen Gerechtigkeit und des Staatswohles gewesen sind. Der Kreis der unter Art. 131 fallenden Personen, dem nun endlich nach langen Jahren der Entrechtung und des bitteren Wartens wieder sein Recht wird, möge die gewaltige Kraftanstrengung unserer zerschlagenen Heimat werten und ihr durch vollen persönlichen Einsatz bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung auch auf anderen Gebieten danken, damit uns durch gemeinsame Arbeit aller Volksschichten eine nochmalige Katastrophe wie die vergangene erspart bleibt.
Die letzte Ursache all unserer gegenwärtigen Not ist begründet in dem Verlassen der Grundsätze demokratischer Ordnung und der für die ganze zivilisierte Menschheit bestehenden sittlich bindenden Gesetze. Möge die Verabschiedung dieses Gesetzes dazu beitragen, daß die Grundlagen der Demokratie, des Rechtes und der sozialen Gerechtigkeit nach allen Seiten in unserem gesamten Volk gestärkt und vor allem auch von denjenigen vertreten werden, für die nun die gewaltige Leistung dieses Gesetzes bewirkt wird. Jetzt soll nach langen, bitteren Jahren der Not und Entrechtung endlich wieder Recht und Gerechtigkeit auch für den unter Art. 131 fallenden Personenkreis gelten. Jetzt ist auch Schluß mit jeder Diffamierung, und gleiche Rechtsgrundsätze für einheimische wie vertriebene Beamte und Berufssoldaten sind gesetzlich sichergestellt. Nun gilt für jeden erst recht die volle Verpflichtung zu letztem persönlichen Einsatz für den weiteren Wiederaufbau unserer Heimat und die volle persönliche Verpflichtung zur Mitarbeit mit allen demokratischen Kräften, die sich - wahrlich im Schweiße ihres Angesichts - in der unendlich schweren, opferreichen Arbeit am Wiederaufbau unseres Vaterlandes verzehren.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, möge dieses Gesetz ein Baustein sein für Recht, Ordnung und sozialen Frieden.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Art. 131 des Grundgesetzes verpflichtet uns, die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet werden, durch Bundesgesetz zu regeln. Bei der Einbringung der Vorlage in diesem Hause hat der damalige Herr Innenminister Heinemann festgestellt, daß eigentlich niemand mit diesem Gesetz so recht glücklich sei und daß wohl niemand froh sei darüber, welche Fassung er dem Hause jetzt präsentieren könne. Sicher würden die Betroffenen die mangelnden Leistungen des Gesetzes beklagen, die Steuerzahler würden nicht sehr glücklich sein über die Last, die damit allgemein auf die öffentlichen Haushalte gelegt werde, und - nicht zu vergessen - schließlich würden die großen Massen der anderen Geschädigten des letzten Krieges in diesem Gesetz eine Bevorzugung gerade der Angehörigen des öffentlichen Dienstes erblicken. Es allen gleichermaßen recht machen - so war damals die Meinung des Herrn Innenministers - könne diese Vorlage nicht.
Ich glaube kein Wort zuviel zu sagen, wenn ich feststelle: Der Herr Innenminister hat damals auch vorausgesehen, wie es uns allen ums Herz ist, wenn wir dieses Gesetz endgültig verabschieden. Dieses Gefühl wird niemand von uns los, auch nicht heute in dieser Stunde. Wir haben sicher versucht, aus der Vorlage das Bestmögliche und Gerechtestmögliche zu machen. Aber so mancher mag von Neid erfüllt sein, wenn er in seiner eigenen bedrängten Lage nun auf die Begünstigten dieses Gesetzes blickt. Dem können wir nur entgegensetzen: Der Neid ist immer ein böses Gefühl und ist immer ein schlechter Ratgeber. Es kann nie die Parole sein, ein bestimmtes Gesetz, das einen Fortschritt darstellt und bestimmte Verbesserungen bringt, nun zu verschlechtern, sondern die Parole für die anderen Geschädigten muß doch sein, ihr eigenes Los und die für sie in Frage kommenden Gesetze auf das gleiche Niveau zu bringen, das wir dieser einen Gruppe zubilligen.
({0})
Wir haben hier eine ziemlich großzügige Regelung getroffen, das wollen wir gar nicht verschweigen, und wir wollen uns doch bei diesem Gesetz selber das Versprechen gegenseitig abgeben, daß wir mit dem gleichen Maß von Wohlwollen auch für die anderen in Not befindlichen Geschädigtengruppen eintreten werden; sonst gibt es hier eine gewisse Verbitterung und Schiefheiten.
Rechtsansprüche gegen den Bund - davon war in den Eingaben gerade der Geschädigtengruppen viel die Rede - standen allenfalls den früheren Reichsbediensteten und denen des Landes Preußen zu. Die anderen hatten durch das Grundgesetz nur einen Anspruch auf Regelung ihrer Rechtsverhältnisse. Wie diese zu regeln waren, steht überhaupt nicht im Grundgesetz. Nun hat dieses Gesetz in großzügiger Weise den gesamten öffentlichen Dienst einschließlich der früheren Wehrmacht als Einheit aufgefaßt. Es sorgt für den vertriebenen Gemeindebeamten, obwohl sein Dienstherr gar nicht mehr vorhanden ist. Das folgt aus der auch von uns ausgesprochenen Anerkennung des Berufsbeamtenturns. Der moderne Staat braucht fachlich gut geschulte Spezialisten, die mit ihrer Ausbildung kaum eine andere Verwendungsmöglichkeit haben. Wir wissen es. Die öffentliche Hand ist der alleinige Arbeitgeber dieses Personals. Schon aus diesem Tatbestand ergibt sich auch die besondere Stellung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes.
Wer sorgt aber für den heimatvertriebenen Arbeiter oder Angestellten, der doch gleichfalls seinen Arbeitsplatz verloren hat? Für den öffentlichen Dienst haben wir mit diesem Gesetz ein Stück Lastenausgleich, auf das die andern alle warten, vorweggenommen, und zwar ein erhebliches Stück. Das wollen wir einmal offen aussprechen. Dieses Gesetz kostet uns 750 Millionen DM, während das gesamte Lastenausgleichaufkommen - einmal vorausgesetzt, die Vorlage geht so durch, wie wir sie jetzt haben - auch nur 13/4 Milliarden DM im Jahre beträgt. Es handelt sich also schon um ein erhebliches Maß an Wohlwollen, das wir diesem betroffenen und geschädigten Personenkreis entgegenbringen. Wollen wir nun hoffen, daß beim endgültigen Lastenausgleich auch die geschädigten anderen Arbeitnehmer vernünftig behandelt .werden, aber vor allem, daß wir durch eine konsequente Politik der Vollbeschäftigung denen, die heute zu einigen Hunderttausend gerade in den Kreisen der Heimatvertriebenen an der Arbeitslosigkeit beteiligt sind, endlich Arbeitsplätze beschaffen können. Denn der Hauptton dieses Gesetzes liegt ja nicht allein auf der materiellen Versorgung Unbeschäftigter, sondern gerade auf der Unterbringung. Darauf haben wir ja besonderen Wert gelegt. Die Unterbringungsvorschriften für den öffentlichen Dienst entsprechen dem, was wir ohne Zwang durch die Politik der Vollbeschäftigung auch für die anderen heute noch arbeitslosen Vertriebenen erreichen können.
Ein anderes Kapitel ist das der Berufssoldaten. Der Berufssoldat ist vom Gesetz als gleichberechtigter Staatsdiener anerkannt. Wir wünschen keine Benachteiligung, aber auch keine Bevorzugung der Berufssoldaten gegenüber den übrigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Immerhin bestand doch Deutschlands kämpfende Truppe aus den meisten Söhnen seines Volkes und nicht nur aus denen, die sich einst den Soldatenberuf als Lebensberuf erwählt hatten. Ein Beispiel: Denken wir doch einmal an den Jahrgang 1915! 1936 wurde der junge Mann zum Arbeitsdienst eingezogen. 1937 fing er seine zweijährige Heeresdienstpflicht an abzudienen. Dann kam der Krieg, die Kriegsgefangenschaft und die Heimkehr aus Rußland, etwa im Jahre 1950. Das bedeutet, daß der Mann jetzt ohne Ausbildung für irgendeinen Beruf im Alter von 35 Jahren 14 bis 15 Jahre seines Lebens praktisch im Heeresdienst verbracht hat. Wer billigt 'diesem Mann irgendwelche Rechtsansprüche auf Versorgung oder Unterbringungsansprüche im öffentlichen Dienst in dem gleichen Maße zu, wie dieses Gesetz sie dem Berufssoldaten zubilligt?
({1})
Das Heimkehrergesetz war eine erste Hilfe. Reicht die Hilfe in diesem Sinne aus? Ich wage das zu bezweifeln. Denken wir andererseits auch an die Krüppel, Witwen und Waisen des letzten Krieges! Das Versorgungsgesetz hat die Leistungen für sie verbessert; aber wir alle wissen doch, daß die Leistungen darin durch die Preiswelle der letzten Monate eigentlich längst überholt sind.
Schon im Jahre 1945 haben wir klar ausgesprochen, daß das ganze deutsche Volk den Krieg
({2})
verloren hat und nicht nur jene Masse von armen Teufeln in der Kriegsgefangenschaft, in den Reihen der Heimatvertriebenen, sondern auch der im Bombenhagel des Krieges Heim, Familie und Gesundheit opfernden tapferen Frauen. Hier muß ein Ausgleich des Schicksals, das den einen blind getroffen und den andèren verschont hat, Aufgabe unserer gesetzgeberischen Arbeiten sein.
Der Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes muß nun, soll keine unnötige Verbitterung im Volke hervorgerufen werden, die Verbesserung der Leistungen für die anderen Kriegsopfer und für die Heimkehrer folgen.
({3})
Wir wissen, welches Problem die Forderung des Heimkehrerverbandes auf Entschädigung der für für uns alle in Rußland geleisteten Reparationsarbeit aufwirft. Dem Grunde nach kann niemand von uns diesen Anspruch bestreiten. Wir müssen ernsthaft, vielleicht im Zusammenhang mit den Beratungen über den Lastenausgleich, einmal darüber nachdenken, wie wir zu einer einigermaßen gerechten, aber auch durchführbaren Lösung dieser Frage kommen.
Die Auseinandersetzungen in der zweiten Lesung über den Abs. 2 des § 15 haben zusammen mit anderen Bestimmungen des Gesetzes das Problem der Belastung der Gemeinden aufgeworfen. Selbstverständlich müssen die Gemeinden die Last tragen, soweit es sich um ihr früheres Personal handelt und sie selbst Dienstherr sind. Weniger selbstverständlich ist es, daß die Gemeinden einfach deshalb, weil sie öffentliche Körperschaften sind, für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes gewissermaßen als Gesamtschuldner mitzusorgen haben. Es gibt gute Gründe dafür. Wir haben keinen anderen Weg gesehen, um diesen Personenkreis überhaupt unterzubringen. Aber es gibt auch gewichtige Einwände. Weder das alte Beamtenrecht noch der Art. 131 des Grundgesetzes legen den Gemeinden diese Pflicht unmittelbar auf. Das tun wir jetzt im eigenen, freien Entschluß und müssen wissen, was wir damit tun. Nehmen wir den Soldaten als Beispiel. Nach landläufiger Vorstellung ist der Soldat zum Schutze von Heim und Herd und Weib und Kind ausgezogen. Er hat also nicht nur die Staatsverwaltung und die Gemeindeorganisation geschützt, sondern alle deutschen Bürger mit ihrer Habe.
({4})
Warum trifft die Last der Unterbringung des Soldatenstandes nun nur den öffentlichen Dienst? Der Soldatenberuf allein ist noch keine ausreichende Vorbildung für eine qualifizierte Beamtentätigkeit. Es muß immer noch eine zusätzliche Ausbildung dazukommen. Statt der Beamtenausbildung kann -der Soldat auch etwas anderes lernen. Warum wird bei der Unterbringung nicht in gleichem Maße an die Wirtschaft herangegangen, die doch auch durch den Einsatz des Soldaten mit geschützt worden ist?
({5})
Das Gesetz bringt eine fühlbare Hilfe für viele Zehntausende von Familien, und es erfüllt ein Versprechen, das wir im Grundgesetz gegeben haben. So manches ernsthafte Bedenken spricht gegen die Lösungen, wie sie gerade jetzt hier erarbeitet wurden. So mancher berechtigte Wunsch der Betroffenen bleibt auch unerfüllt. Einige bittere Erfahrungen der Vergangenheit veranlassen uns, im Anschluß an die denkwürdigen Ausführungen, die Herr Professor Schmid in der vorigen
Sitzung hier gemacht hat, daß wir die klare Forderung aussprechen, daß der demokratische Staat nicht nur seine Fürsorgepflicht den aktiven und den früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes gegenüber erfüllt, sondern daß er dann, wenn es nottut, auch jedermann gegenüber seine Autorität zu wahren weiß.
({6})
In der ersten Lesung hat der Kollege Menzel vier Bedingungen für die Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei zu diesem Gesetz formuliert: Erstens der Verzicht auf die damals vorgesehene dreiprozentige Gehaltskürzung, zweitens die Gleichstellung der vertriebenen Beamten, Angestellten und Arbeiter mit den einheimischen, drittens die Einbeziehung Berlins und viertens die Bevorzugung der Kriegsgefangenen und der Spätheimkehrer.
Die ersten drei Bedingungen sind erfüllt worden. Zur vierten Bedingung legen wir Ihnen jetzt den für uns entscheidenden Antrag vor. Nehmen wir das Gesetz als einen Beitrag zur Bekämpfung sozialer Not, so hat es seinen guten Sinn. Nehmen wir es als Versprechen, anderen, noch dringenderen Notständen nun auch mit der gebotenen Energie zu Leibe zu gehen, so ist der Wert dieses Gesetzes für uns noch größer. Deshalb werden meine Freunde trotz vieler Bedenken und Einwände, die ich Ihnen im einzelnen vorgetragen habe, aber in der Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, den- von meinem Kollegen Matzner noch zu begründenden, für. uns außerordentlich wichtigen Anträgen beitreten und das Gesetz nicht etwa nach der anderen Seite hin verschlechtern werden, diesem Gesetz in der Schlußabstimmung zustimmen.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fröhlich.
Fröhlich ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der dem Hohen Hause am 13. September vergangenen Jahres vorgelegte Gesetzentwurf nach Art. 131 des Grundgesetzes hat in der 82. Sitzung des Deutschen Bundestages von seiten aller Fraktionen des Hauses eine sehr scharfe Kritik erfahren, weil er nur andeutungsweise dem Auftrage des Hohen Hauses vom 2. Dezember 1949 Rechnung trug. Inzwischen hat sich der Ausschuß für Beamtenrecht in sechsmonatigen Verhandlungen bemüht, die dem Regierungsentwurf anhaftenden Härten zu mildern oder ganz zu beseitigen. Von seiten des betroffenen Personenkreises wurde reichlich und oftmals in sehr massiver Form an der nach ihrer Ansicht zu langsam fortschreitenden Arbeit des Ausschusses für Beamtenrecht Kritik geübt. Ich fühle mich dazu verpflichtet, an dieser Stelle besonders zu betonen, daß nach meiner Überzeugung gerade die sehr eingehenden Beratungen unter mehrmaliger Hinzuziehung von Vertretern der Interessenverbände dazu beigetragen haben, dem Gesetzentwurf der Regierung ein wesentlich freundlicheres Gesicht zu geben. Erst im letzten Abschnitt der Beratungen - hierauf sei besonders hingewiesen - wurde die größte Härte dieses Gesetzes beseitigt. Es fiel in § 36 die Jahresklausel für die Zahlung des Unterhaltsgeldes für diejenigen, die eine zehnjährige Dienstzeit abgeleistet haben.
Die gesetzliche Regelung dieser außerordentlich schwierigen Materie sieht naturgemäß für den Betroffenen, der sich jahrelang als Staatsbürger
({1})
zweiter Klasse fühlen mußte und oftmals mit seiner Familie in furchtbarem Notstand lebte, wesentlich einfacher aus als für den verantwortlichen Abgeordneten, der sich in seiner politischen Tätigkeit nicht nur mit dem Fragenkomplex nach Art. 131 zu befassen hatte, sondern auf den sich täglich die ganze massive Wucht wirtschaftlicher und sozialer Schwierigkeiten der gesamten Bevölkerung auswirkt.
({2})
Der verlorene Krieg und seine Folgen haben der Bundesregierung und diesem Hohen Hause nicht allein das Problem der verdrängten Beamten, Angestellten und Arbeiter serviert, sondern darüber hinaus die Betreuung von mehr als vier Millionen Kriegsopfern und ihrer Hinterbliebenen, der Heimkehrer, der Opfer des vergangenen Regimes, der Bombengeschädigten und der Millionen Heimatvertriebener, die als selbständige Handwerker, Bauern und Fabrikanten im Osten ihre Existenzgrundlage verloren haben und nach dem derzeitigen Gesetzentwurf für den Lastenausgleich nur einen kümmerlichen Bruchteil von dem bekommen werden, was wir hier den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes zubilligen.
Mit Recht wurde von seiten des betroffenen Personenkreises mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß die Staatsdienerschaft in einem besonderen Treueverhältnis zum Staate stehe und auch für die Zukunft zu stehen habe und daß umgekehrt der Staat seinen Staatsdienern gegenüber die übernommenen Verpflichtungen halten müsse. Entsprechend den Grundprinzipien der Demokratie, wie sie im Grundgesetz verankert sind, und unter Würdigung all der Schwierigkeiten, die die verdrängten Staatsdiener seit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durchzumachen hatten, ist es für die Betroffenen schwer verständlich, wenn für die nach dem Kriege in ihrem Beruf Verbliebenen und jene durch Auflösung ihrer Dienststelle Verdrängten zweierlei Recht geschaffen wird. Hierzu bekenne ich in voller Offenheit, daß alle Angehörigen des Ausschusses für Beamtenrecht, gleich welcher Partei sie angehörten, den besten Willen zur Herstellung gleichen Rechtes für alle unter den Art. 131 fallenden Personen mit den in ihrer Stellung Verbliebenen bewiesen haben, daß aber die harte Realität des verlorenen Krieges und der Teilung Deutschlands diesen guten Absichten entgegenstand. Diesen Tatsachen kann sich gerechterweise niemand verschließen. Die Beschlüsse des 25. Ausschusses haben große Härten beseitigt, haben andere einfach nicht beseitigen können. Die verdrängten Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes bedauern es außerordentlich, daß in der zweiten Lesung dieses Gesetzes die in § 15 Abs. 2 festgelegten Verpflichtungen bei Nichterfüllung der Bestimmungen des § 14 in diesem Hohen Hause zu Fall gebracht wurden.
({3})
Der betroffene Personenkreis und diejenigen Länder, die bereits im voraus die 20-Prozent-Quote und darüber hinaus entsprechend den früheren Landesflüchtlingsgesetzen erfüllt haben, würden es nicht verstehen und würden es geradezu als eine Bestrafung empfinden, wenn sich die anderen der ihnen in diesem Gesetz auferlegten Verpflichtung aus mangelndem guten Willen oder aus Unterschätzung der politischen Folgen bei Nichterfüllung des Pflichtanteils entziehen würden. Die bisherigen Erfahrungen seit der Verabschiedung
des Unterbringungsgesetzes beweisen sehr eindeutig - und der Ausschuß für Beamtenrecht hat sich auch hiermit befaßt -, daß im Augenblick noch ein gewisser Druck auf die zur Unterbringung Verpflichteten ausgeübt werden muß. Die Abgeordneten dieses Hohen Hauses werden mehr oder weniger alle 'die Erfahrung gemacht haben, daß die demokratische Ordnung auch von der Bürokratie dazu benutzt wird, um sich Zügellosigkeiten in der Erfüllung der Gesetze zu leisten. Dem muß durch entsprechende Strafbestimmungen entgegengewirkt werden. Es ist nun mal eine Tatsache, daß innerhalb der Flüchtlingsländer die Landkreise, die kleinen und die mittleren Städte den Unterbringungsanteil nach diesem Gesetz längst erfüllt bzw. überschritten haben, daß aber die mittleren und größeren Städte bisher dieser Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Deshalb erwarten die Landkreise, insbesondere der Flüchtlingsländer, daß nunmehr durch die Auswirkung des § 15 Abs. 2 dieses Gesetzes die größeren Städte gezwungen werden, die Landgemeinden und die kleineren Städte zu entlasten.
Herr Abgeordneter, ich mache darauf aufmerksam, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Vielleicht stellt mir eine der großen Parteien noch einige Minuten zur Verfügung.
({0})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bedauere es sehr, daß ich nicht weitersprechen kann.
Den Abänderungsanträgen, die von den verschiedenen Fraktionen gestellt wurden, werden wir unsere Zustimmung erteilen. Wir werden auch dem Gesetz im ganzen nach den Beschlüssen des 25. Ausschusses zustimmen. An finanziellen Leistungen waren zunächst 450 Millionen Mark vorgesehen. Durch die Verbesserung des Regierungsentwurfs im Ausschuß für Beamtenrecht hat sich der Betrag inzwischen auf 750 Millionen Mark erhöht. Dieser Betrag macht immerhin die Hälfte der Leistungen aus, die der derzeitige Lastenausgleichsentwurf für die wesentlich größere Zahl der übrigen Kriegsgeschädigten vorsieht. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird die Gleichberechtigung in vollem Umfang für die verdrängten Beamten, Angestellten und Arbeiter nicht hergestellt; wir müssen aber bekennen, daß der abgeänderte Regierungsentwurf immerhin ein erster Schritt zur Herstellung des Rechts und der Gleichberechtigung der verdrängten Beamten ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz. dessen Verabschiedung unmittelbar bevorsteht, sollte nach unserer Auffassung ein Manifest des Rechtsgedankens, ein Instrument der sozialen Hilfe. ein Akt der politischen Rehabilitierung, Versöhnung und Befriedung im Volke sein. Wer vermöchte zu behaupten,
({0})
daß diese Ziele in einer vollkommenen Weise erreicht worden sind? Viele Wünsche blieben unerfüllt, wie schon die zur zweiten Beratung eingebrachten Anträge erwiesen haben. Finanzielle Schwierigkeiten, aber auch unverdrängte psychologische Hemmungen und Rückstände standen und stehen einer Ideallösung im Wege. Wir hoffen, daß - vor allem was die §§ 48 und 77, aber auch nicht wenigé andere angeht - die berechtigten Wünsche, Erwartungen und Forderungen, die in diesem Gesetz selbst unbefriedigt bleiben, durch eine künftige ergänzende Gesetzgebung nachträglich erfüllt werden können.
Wir selbst sehen davon ab, zur dritten Beratung neuerdings Anträge einzubringen, weil wir der Meinung sind, daß die ratio legis höchste Dringlichkeit und Beschleunigung der Verabschiedung des Gesetzes ist. Allzu lange ist die Ausführung des Art. 131, die der Gesetzgeber alsbald wollte und erwartete, unterblieben. Angesichts der weithin in den betroffenen Kreisen bestehenden echten Notlage möchten wir die Verabschiedung des Gesetzes nicht weiter verzögern.
Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich in dieser Stunde der Verabschiedung eines so bedeutungsvollen Gesetzgebungswerks, ohne die Verdienste des derzeitigen Vorsitzenden des Beamtenrechtsausschusses irgendwie beeinträchtigen zu wollen, auch eines Mannes gedenke, dessen Name mit diesem Gesetz unlöslich verbunden ist, eines Mitgliedes dieses Hohen Hauses, das durch ein tragisches Geschick jäh und allzu früh von uns geschieden ist, unseres Mitgliedes Ernst Falkner.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jeder echte Rechtsanspruch ist mir und meinen Freunden in der Vergangenheit heilig gewesen. Er ist es heute und wird es auch in der Zukunft sein.
Die von dem vorliegenden Gesetz Betroffenen haben als unmittelbare Staatsdiener dem Staate gegenüber einen besonderen Anspruch auf die Regelung ihrer Rechtsverhältnisse. Weitgehend konnten wir die Forderungen auf Regelung dieser Rechtsverhältnisse befriedigen. Ich weiß, es ist vieles, was da noch fehlt, und es fällt mir und meinen Freunden sehr schwer, auf dieses Fehlende zu verzichten. Ich denke an die Zehn-Dienstjahr-Voraussetzung, die neue Beförderungsform, die Nichtbeachtung der Zeit nach 1945 und die nicht volle Anerkennung der Kriegsgefangenenzeit, den Stichtag vom 8. Mai 1935, den § 7 in seiner jetzigen Fassung und vor allem an die Regelung des Übergangsgehalts und an den Freibetrag. Wir wissen aber, daß hier das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und daß es in diesem Sommer noch weitergehende Auseinandersetzungen darüber geben wird, wie wir diese Fragen im endgültigen Beamtengesetz regeln. Ihre Regelung wird auch für das Gesetz verbindlich sein, das uns vorliegt, und hoffentlich Verbesserungen bringen. Wir werden diesem Gesetz zustimmen - wir können keine Zeit verlieren -, machen diese Zustimmung aber von der Annahme der Änderungen abhängig, die die drei Koalitionsfraktionen beantragt haben. Einen Wunsch möchte ich aussprechen: hoffentlich wird der Bundesrat keinen Einspruch mehr erheben und ebenso wie wir daran denken, daß den Betroffenen so schnell wie möglich Hilfe zuteil werden muß.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Endlich liegt uns dieses so wichtige Gesetz in dritter Lesung zur Verabschiedung vor. Lange, lange hat es gedauert, und lange genug dauerten auch die Geburtswehen, aus denen jetzt der vorliegende Entwurf entstanden ist. Wir finden in diesem Gesetz eine erhebliche Anzahl von Mängeln und Lücken. Bezüglich der Streichung des § 15 Abs. 1 und 2 in der zweiten Lesung - einer der wichtigsten Mängel - werden wir uns erlauben, bei der Beratung der einzelnen Paragraphen Ihnen noch einen Antrag auf Wiederherstellung dieses Artikels in der Fassung des Ausschußentwurfes vorzulegen. Es bestehen also - ich wiederhole das - eine Reihe wesentlicher Lücken und Mängel. Das darf aber nicht davon ablenken, daß das Gesetz als solches so ist, daß die WAV-Fraktion ihm ihre Zustimmung geben kann. Wir hoffen nur, daß diese Lücken, namentlich hinsichtlich des § 15 Abs. 1 und 2 und anderer, von Ihnen heute noch durch eine vernünftige Regelung gefüllt werden, auf die wir die Mehrheit dieses Hauses vereinigen können
Eine Hoffnung möchte ich zum Schluß noch zum Ausdruck bringen: Möge schließlich auch die Bürokratie dieses Gesetz, wenn es hoffentlich mit einer möglichst großen Mehrheit dieses Hauses angenommen ist, auch durchführen und nicht durch kleinliche Schikanen aller Art wiederum denjenigen, die das Gesetz schützen will, das Leben sauer machen.
Meine Damen und Herren, wir stimmen für dieses Gesetz und hoffen, daß es ein weiterer Schritt und Markstein sein wird zur Regelung der Rechte eines Berufsstandes, der sein Leben lang schon immer dem deutschen Volke und dem deutschen Vaterland treu gedient hat.
({0})
Vjzepräsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nowack.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir jetzt zur abschließenden Beratung dieses wesentlichen Gesetzes kommen, so lassen Sie mich dazu noch einige grundsätzliche Bemerkungen vom Standpunkt meiner Fraktion machen.
Die FDP hat von Anfang an bei der Besprechung der rechtlichen Gestaltung dieses Gesetzes immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß sie den Art. 131 des Grundgesetzes nur insoweit als konstitutiv aufgefaßt hat, als durch den Verlust des Krieges Verhältnisse eingetreten sind, deren Vorkommen und damit auch Regelung in den bestehenden gesetzlichen Vorschriften für Beamte und Berufssoldaten nicht vorgesehen war. Um nur zwei besonders gewichtige Punkte dieser Art anzuführen: der Wartestandsparagraph des deutschen Beamtengesetzes, der im wesentlichen für die sogenannten politischen Beamten als Ausnahmebestimmung in Frage kommt, konnte nicht auf Zehntausende von Beamten Anwendung finden. Und das Wehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetz sah natürlich keine Lösung vor für den Fall, daß die Wehrmacht
({0})
in ihrer Gesamtheit an einem Tage entlassen würde. Insoweit, aber auch nur insoweit mußte also Art. 131 konstitutiv ausgelegt werden. Diese Notwendigkeit brauchte aber nicht zu verhindern, den Art. 131 soweit deklaratorisch aufzufassen, als er auf den bestehenden Gesetzen aufbaute. Diese Gesetze waren und sind für die Beamten, die Berufssoldaten, die Polizei oder die Hochschullehrer verschieden. Diese Verschiedenartigkeit ist keine Erfindung des Nationalsozialismus, sondern im Gegenteil, sie ergibt sich so natürlich aus den Unterschieden in der Tätigkeit dieser Gruppen, daß selbst die dem Nationalsozialismus innewohnende primitive Tendenz zur Gleichmacherei an ihnen nicht vorübergehen konnte.
Diese unsere Auffassung wird noch dadurch gestützt, daß die verschiedenen Gremien des Parlamentarischen Rates bei der Beratung und Ausarbeitung des Art. 131 zweimal einen von dem sozialdemokratischen Abgeordneten Zinn gestellten Antrag, die Rechte des unter diesen Artikel fallenden Personenkreises für erloschen zu erklären - offenbar um damit den Weg für eine rein konstitutive Regelung freizumachen -, abgelehnt haben. Als nun der Regierungsentwurf erschien - man wird sich erinnern, daß das erst der Fall war, nachdem meine Fraktion sich geweigert hatte, sich dem Antrag auf parlamentarische Ferien anzuschließen, bevor nicht der Entwurf in den parlamentarischen Geschäftsgang gebracht war - und als dieser Entwurf nicht unseren Rechtsvorstellungen entsprach, sind wir darangegangen und haben mit dankenswerter Unterstützung von Fachleuten auf den verschiedenen Rechtsgebieten einen Entwurf ausgearbeitet, der unseren rechtlichen Vorstellungen entsprach.
Die Fertigstellung dieses Entwurfs, mit dessen Ausarbeitung bereits während der Ferien des Bundestags begonnen wurde, nahm naturgemäß längere Zeit in Anspruch, da er von völlig anderer rechtlicher Betrachtung bei der Lösung verschiedener Probleme ausging und vollkommen neu erarbeitet werden mußte. Diesen Entwurf haben wir in voller Wahrung der Loyalität und, da wir nicht unserer Partei, sondern dem Recht und der Sache einen Dienst erweisen wollten, vor seiner Einbringung den Vertretern der Koalitionsparteien zur Kenntnis gebracht, mit ihnen besprochen und gemeinsam vor der Öffentlichkeit vertreten.
({1})
Um s'o größer war unser Bedauern, als wir bei der Arbeit im Beamtenrechtsausschuß feststellen mußten, daß die Mehrheit des Ausschusses, bewirkt durch Herrn Wuermeling und einen Teil seiner CDU-Kollegen, es ablehnte, den sogenannten Abgeordnetenentwurf zur Grundlage der weiteren Beratungen zu machen.
({2})
Damit war das Schicksal dieses Entwurfs, der übrigens der erste Antrag war, der die Zahlung der vollen Pensionen für alle über 65 Jahre Alten vorsah, praktisch besiegelt; denn bei seiner völlig anderen . rechtlichen Konstruktion war die Übertragung von Teilen zur Abänderung des Regierungsentwurfs nicht möglich.
({3})
Wir bedauern die Notwendigkeit der Erörterung
dieser Einzelheiten, die hervorgerufen worden ist
durch die leichtfertigen Ausführungen des Herrn
Wuermeling bei der zweiten Beratung dieses Gesetzes.
({4})
Er hat damit sich selbst und seinen Freunden keinen guten Dienst erwiesen.
({5})
- Leider müssen wir es so sagen, Herr Wuermeling.
({6})
Wenn wir nun zur Schlußabstimmung dieses Gesetzes kommen, dann wird meine Fraktion diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. Unsere rechtlichen Vorbehalte, wie ich sie hier noch einmal dargelegt habe, bleiben hierdurch unberührt. Wir stimmen dem Gesetz zu, weil es in seiner materiellen Regelung bis an die Grenze der Leistungsfähigkeit des Bundes geht. Mehr als zwei Drittel der Anspruchsberechtigten erhalten ihre vollen Pensionen. Das ist eine Regelung, die bei den Betroffenen zweifellos große Befriedigung auslösen wird und die eine ganz außerordentliche Verbesserung gegenüber der Regierungsvorlage bedeutet.
Gefallen ist weiter die in dem Regierungsentwurf vorgesehene Altersgrenze von 50 Jahren, die alle Jüngeren von dem Empfang des sogenannten Übergangsgehalts ausschließen wollte. Und - um eine weitere wesentliche Verbesserung aufzuführen -das Übergangsgehalt ist jetzt von einer Höhe, die alle vorhergehenden Vorschläge übersteigt. Damit ist eine materielle Regelung getroffen, die dazu führen wird, daß die Beamten zur Wiederverwendung für die Übergangszeit eine vertretbare Besoldung erhalten.
({7})
Eine weitere wesentliche Verbesserung und Neuerung stellt die sozialversicherungsrechtliche Regelung dar, die allen denen, die nach diesem Gesetz keine Versorgungsansprüche geltend machen können, die Nachversicherung in der Sozialversicherung sichert.
Diese wichtigen und wertvollen materiellen Bestimmungen des Gesetzes lassen uns nicht nur der Hoffnung, sondern auch der Erwartung Ausdruck geben, daß dieses Gesetz zur Befriedung der Betroffenen beiträgt. Lassen Sie mich gerade zu diesem Thema noch einige Sätze sagen. Die jahrelange Notlage, in der die Personen lebten, die unter dieses Gesetz fallen - eine Not, die nun endlich durch dieses Gesetz gebannt werden soll -, hat zu einer wachsenden Verbitterung dieser Kreise geführt. Diese Menschen, vor allem die Beamten, gewohnt, die Normen des Rechts an den Ablauf des Lebens zu -legen, sahen sich plötzlich und zum größten Teil ohne persönliche Schuld in eine Umgebung versetzt, die nicht bereit schien, ihnen ihr Recht anzuerkennen. Die Verbitterung stieg in den Kreisen, denen ursprünglich durch alliierte Gesetze die Zahlung ihrer Versorgungsgebührnisse gesperrt, später aber freigegeben, jedoch von den Länderregelungen nur zum Teil erfüllt wurde. Meine Damen und Herren, alle diejenigen, die mit diesem Gesetz in Zusammenhang standen und für dieses Gesetz gearbeitet haben, haben im Lauf der letzten Monate aus diesen Kreisen Briefe bekommen, in denen oftmals Formulierungen gestanden haben, die von Diffamierung, von Staatsbürgern zweiter
({8})
Klasse und von allen möglichen Entrechtungen sprachen. Es waren nicht immer Formulierungen, die man eigentlich lautlos hätte hinnehmen dürfen. Aber wir haben die Verbitterung dieser Menschen gekannt.
Ich glaube, wenn dieses Gesetz auch noch einen politischen Sinn haben soll, dann muß es doch wohl der sein, daß die Betroffenen heute anerkennen, was ihnen mit diesem Gesetz von der deutschen Volksgesamtheit gegeben wird. Meine Damen und Herren, diese Menschen sind in diese Verbitterung und zum Teil Negation des Staates durch die Notlage gekommen, in der sie sich befunden haben. Diese Verbitterung, diese Negation entsprechen nicht ihrem Charakter als Menschen, dem Charakter ihres Herkommens. Sie entsprechen auch nicht ihrer ganzen staatspolitischen Auffassung. Nur die Not hat sie dorthin getrieben.
({9})
Wir hoffen und erwarten, daß die Regelung dieses Gesetzes dazu führt, daß diese Kreise den Weg zu staatsbejahender Arbeit zurückfinden und sich einschließen in den Kreis der Menschen, die bemüht sind, die Not und das Elend, das der Krieg und ein vergangenes System nun einmal über Deutschland heraufbeschworen haben, mit zu beseitigen und Wunden wieder zu heilen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin sofort fertig.
Wir richten diesen Appell auch an die Verbände der Betroffenen. Wir bitten sie, soweit sich die Notwendigkeit dazu ergibt, uns Vorschläge zur Abänderung und Verbesserung dieses Gesetzes, wie sie sich nach der Praxis ergeben werden, in sachlicher Weise zu machen. Sie werden dann jederzeit in uns bereite Mitarbeiter finden, um Mängel abzustellen, um Lücken zu beseitigen und um letzten Endes die volle Befriedigung dieses Personenkreises herbeizuführen und damit dieses Gesetz zu einem der großen sozialpolitischen Gesetze zu machen, das bemüht ist, die Leiden und die Nöte, die der Krieg heraufbeschworen hat, zu beseitigen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Wuermeling hat seine Ausführungen mit dem Satz eingeleitet, daß im formalen Recht der soziale Gedanke nach Möglichkeit verwirklicht werden soll.
({0})
- Und die soziale Gerechtigkeit. Ein schönes Wort, ein wirklich schönes Wort. Durch die Ausschuß-beschlüsse, die vom Plenum in der zweiten Lesung des Gesetzes gutgeheißen wurden, erhöht sich - das ist heute schon mehrfach gesagt worden - der für Pensionen und Übergangsgehälter vom Bund für diesen Personenkreis aufzuwendende Betrag von 350 Millionen auf 750 Millionen.
({1})
Diesen 750 Millionen stelle ich die rund 3 Milliarden entgegen, also etwa mehr als das Vierfache, das
der Bund für die Versorgung von rund 4 Millionen
Kriegsopfern bisher ausgibt. Eine gewaltige
Summe, die dieses neue Gesetz erfordert! Sie wird den Millionen von Sozialberechtigten und Kriegsopfern, den Flieger- und Besatzungsgeschädigten, die unstreitig einen ebenso wohlfundierten Rechtsanspruch auf Versorgung und Entschädigung durch den Staat haben, begreiflicherweise nur sehr schwer eingehen. Wenn man aber den Beamten sowie den ins Beamtenverhältnis übernommenen Militärpersonen gegenüber einen Rechtsanspruch auf Pension zugesteht, wie das durch das Gesetz geschieht, so muß man nach unserer Überzeugung auch als ebenso zwingend anerkennen, daß die Sozialrentner z. B. einen ebenso unabdingbaren Rechtsanspruch auf Rente haben, und zwar auf den vollen, mit den zur Sozialversicherung geleisteten Beträgen erworbenen Satz. Die Zugehörigkeit zur staatlichen Rentenversicherung war ein Zwang, dem sich kein Versicherungspflichtiger entziehen konnte. Längst also hätte die Bundesregierung, die sich doch als Rechtsnachfolgerin des Reiches betrachtet, auch die den Versicherungsträgern durch das Naziregime geraubten Milliardenvermögen zurückerstatten müssen. Die FDP, die sich im Laufe der Diskussion über dieses Gesetz für die Besserstellung dieses Personenkreises mehrfach mit Verve eingesetzt hat, muß sich doch wohl sagen lassen, daß sie sich bisher nicht überstürzt hat, als es galt, die Ansprüche der Sozialberechtigten, der Kriegsopfer, der Kriegsgeschädigten auch nur in etwa zu realisieren.
({2})
- So, kommt da wieder die Frage der Mittel? Ich stellt das fest, daß da wieder diese Frage aufgeworfen wird.
({3})
- Ich will Ihnen etwas sagen: eine Gesellschaft, die nicht in der Lage ist, die Menschen, die sie unter ihre Gesetze zwingt, zu ernähren, soll abtreten.
({4})
Die kommunistische Fraktion steht auf dem Standpunkt, daß, wenn man den Beamten einen Rechtsanspruch auf Pension zugesteht, die in das Beamtenverhältnis übernommenen Militärpersonen nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen. Man muß diesen Personenkreis rechtlich gleich behandeln, sofern keine Gründe, die in der Person selber zu finden sind, das ausschließen. Als solche Gründe müssen unserer Überzeugung nach Beförderungen angesehen werden - ich sage das im Hinblick auf die wiederholten Anträge der FDP mit der Unterschrift des Herrn Euler -, die durch besonders enge Beziehungen und Verbindungen zur NSDAP zustande gekommen sind. Die kommunistische Fraktion setzt sich für die völlige Gleichstellung der Unteroffiziere mit den Offizieren in bezug auf die Wartefrist ein.
Noch ein Wort zur geforderten Anrechnung der Beförderungen wegen „Tapferkeit vor dem Feinde". Vor welchem Feind? Hitlers Krieg, insbesondere der im Osten, war ein gemeiner Überfall auf die Völker, die gezwungen waren, sich zur Wehr zu setzen und die schwersten Blutopfer zur Verteidigung ihrer Heimat gebracht haben.
({5})
Die deutschen Wehrmachtsangehörigen, die geglaubt haben, ihre Heimat zu verteidigen, waren nichts anderes als irregeführte Opfer der verbrecherischen Politik eines Hitler.
({6})
({7})
Haben die Herren von der CDU bedacht, welche Wirkung eine derartige Formulierung bei den Völkern auslösen muß, die so unsagbar schwer unter dem Naziüberfall und der nazistischen Besetzung gelitten haben? Hinter der Haltung der Reaktion, die hier zum Ausdruck gekommen ist, steht nur die Absicht, bei gewissen ehemaligen Wehrmachtsberufsbeamten Stimmung zu machen, sich den geplanten neuen westdeutschen Militärformationen anzuschließen. Wir wissen, daß Tausende und aber Tausende der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen heute in der Front der Friedenskämpfer aktiv mitkämpfen.
({8})
Wir wissen, daß das Volk in seiner überwiegenden Mehrheit die Greuel des vergangenen Krieges ablehnt und sich heute entschieden gegen die Versuche der Remilitarisierung zur Wehr setzt.
({9})
- Ich weiß nicht, wer als Schwätzer der ältere ist, Sie oder ich. Die Frage der größeren Dummheit will ich gar nicht stellen.
({10})
- Sie ist leicht zu entscheiden, aber sicher nicht so, daß ich in puncto Dämlichkeit mit Ihnen konkurrieren kann.
({11})
Herr Abgeordneter Renner, darf ich einmal etwas dazu sagen? Ich wollte feststellen, daß der Zuruf „Schwätzer" bestimmt gegen die Ordnung des Hauses verstößt. Weil Sie dadurch provoziert worden sind, habe ich in diesem Falle von einem Ordnungsruf bei Ihnen abgesehen.
Ich freue mich über dieses Zeichen der Besserung.
({0})
Wir wissen, daß heute die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung auch in Westdeutschland jeden Versuch der Remilitarisierung ablehnt. Wir Kommunisten werden uns mit allen Kräften gegen jeden Versuch ehemaliger faschistischer Aktivisten zu einer Wiederbelebung des Militarismus zur Wehr setzen. Diese Hitleraktivisten, um die es Ihnen in der Hauptsache geht,
({1})
diese ehemaligen hohen Wehrmachtbeamten sind bei uns im Westen längst versorgt.
({2})
Sie sitzen in Schlüsselpositionen der Wirtschaft, der
Verwaltung, sie sitzen in Schlüsselpositionen der
verschiedenen Ministerien der Adenauer-Regierung.
({3})
Sie haben es nicht notwendig gehabt, auf dieses Gesetz zu warten. Wir Kommunisten stimmen aber dem Gesetz zu,
({4})
weil es zehntausenden kleiner Leute, die an den
Verbrechen des Hitlerfaschismus und an seinem
Krieg schuldlos sind, ihren Rechtsanspruch wiedergibt. Wir erwarten von Ihnen, meine Damen und
Herren„ die Sie diesen Rechtsanspruch hier so
warm verteidigt haben, daß Sie ihn auch bei allen
anderen Opfern des Krieges baldigst realisieren und daß Sie uns dann nicht mit einem solchen faulen Argument kommen: es ist kein Geld da.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu einem so wichtigen und grundlegenden Gesetz in der Generaldebatte in fünf Minuten zu sprechen, hat nach meiner Meinung kaum einen Sinn. Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit deswegen nur zum Ausdruck bringen, daß die Zentrumsfraktion, die schon mit dem Antrag Nr. 20 eine Forderung im Sinne der Vorlage stellte, von einem Teil der Bestimmungen sehr befriedigt ist. Wir sind froh darüber, daß es gelungen ist, den Heimatvertriebenen und sonstigen Geschädigten dieses Krieges wenigstens in etwa zu einer angemessenen Versorgung zu verhelfen.
Es ließe sich sehr viel zu den einzelnen Punkten dieses Gesetzes sagen. Ich will aber zusarnmenfassend in bezug auf diese Vorleistung auf den gesamten Lastenausgleich lediglich den einen Wunsch zum Ausdruck bringen, daß auch die übrigen Geschädigten dieses Krieges einigermaßen nach den Grundsätzen behandelt werden, wie sie dieses Gesetz für die betroffenen Kreise aufstellt, und ich verkenne nicht, daß da noch viel zu wünschen übriggeblieben ist. Aber es erscheint uns - ich spreche hier im Namen der Zentrumsfraktion und weiß mich darüber hinaus mit sehr vielen, mit Millionen einig - völlig untragbar, den einen auf Grund ihrer Arbeit, die sie früher im öffentlichen Interesse geleistet haben, eine nahezu vollständige Versorgung zu gewähren, die ihnen keiner neidet, und die anderen, die ein Leben lang nicht weniger wertvolle Arbeit geleistet haben, bei einem Satz von 70 DM Soforthilfeunterstützung vorläufig darben zu lassen. Diesem unerträglichen Zustand ein Ende zu machen, muß das dringendste Anliegen dieses Hohen Hauses für die Zukunft sein.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache beendet.
Wir kommen nun zur Einzelberatung und Einzelabstimmung. Ich rufe die einzelnen Paragraphen auf. Bei den Paragraphen, zu denen Abänderungsanträge vorliegen, wird dann zunächst eine Aussprache erfolgen.
Ich rufe auf Kapitel I Abschnitt I §§ 1, - 2, -3, - 4, - 5, - 6. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen.
Wir kommen nun zu § 7. Dazu liegt ein Antrag der FDP auf Umdruck Nr. 141 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat in der zweiten Lesung den Antrag gestellt, in § 7 Abs. 1 die Stelle zu streichen, die Ernennungen und Beförderungen unberücksichtigt lassen will, welche, wie es ursprünglich hieß, „überwiegend mit Rücksicht auf die Verbindung zum Nationalsozialismus vorgenommen worden sind". Der Antrag ist deshalb für notwendig gehalten worden, weil die FDP({0})
Fraktion der Auffassung ist, daß in dieser Bestimmung die Absicht zu einer neuen Entnazifizierung zum Vorschein kommt.
({1})
Die FDP-Fraktion ist nach wie vor der Meinung, daß damit endgültig Schluß gemacht werden sollte, damit endlich der Weg zu der immer noch nicht herbeigeführten inneren Befriedung frei gemacht werde.
Wenn wir heute den Antrag wiederholen, die Worte des § 7, die in der zweiten Lesung an die Stelle der ursprünglichen Fassung getreten sind, zu streichen, nämlich die Worte „wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus", so geschieht das aus den gleichen Gründen, die uns veranlaßt haben, den entsprechenden Antrag in der zweiten Lesung zu stellen. Wir sind durch die Hinweise in der Debatte zur zweiten Lesung keineswegs zu einer anderen Überzeugung gelangt, durch die Hinweise nämlich, daß niemand daran denke, durch diese Vorschrift eine neue Entnazifizierung einzuführen. Es ist doch so, daß hier erneut Folgen verhängt werden sollen eben wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus. Daraus ergibt sich, daß es sich bei der Anwendung dieser Bestimmung in jedem Fall um eine Entnazifizierungsmaßnahme handelt. Wir sind der Überzeugung, daß diese gesetzliche Bestimmung aus vielfachen Gründen nicht oder heute jedenfalls nicht mehr möglich ist.
({2})
Ich darf dazu folgendes ausführen. Die Bestimmung verletzt den Gleichheitsgrundsatz, da sie augenfällig ein Ausnahmerecht gegen einen Teil des Volkes und innerhalb dessen gegen einen Teil der Beamtenschaft darstellt.
({3})
- Ja, Herr Dr. Wuermeling, daß Sie gegensätzlicher Auffassung sind, war mir aus den Ausschußsitzungen völlig vertraut; aber es ist sehr freundlich, daß Sie es auch hier noch einmal besonders hervorheben. - Es ist vom Rechtsstandpunkt aus nicht möglich, die außerhalb des Dienstes stehenden Beamten, die ohnehin durch den Verlust ihres Amtes und die Folgen dieses Verlustes schwer genug betroffen sind, unter Anwendung einwandfrei kaum feststellbarer Tatbestandsmerkmale einer solchen Prüfung zu unterziehen, gleichzeitig aber die im Dienst verbliebenen oder die inzwischen entsprechend ihrer letzten Dienststellung wieder verwendeten und damit dem Art. 131 des Grundgesetzes entwachsenen Beamten von dieser Prüfung auszuschließen. Dies zur Frage der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Personengruppen desselben Berufsstandes.
Die Bestimmung verstößt aber durch ihren Inhalt auch gegen zwingendes, also auch vom Gesetzgeber zu beachtendes Recht. Die Befreiungsgesetzgebung hat die Prüfung der Frage, ob und welche Folgerungen im einzelnen aus der Verbindung zum Nationalsozialismus zu ziehen sind, eigens dafür gebildeten Spruchbehörden übertragen. Deren Kornpetenz ist eine ausschließliche. Die auf Grund des Befreiungsrechts von den mit ausschließlicher Kompetenz hierzu versehenen Spruchbehörden gefällten Entscheidungen sollen verbindlich sein. Der Ausschließlichkeitscharakter des Befreiungsrechts findet in Art. 139 des Grundgesetzes seinen sinnfälligen Ausdruck. Nach dieser grundsätzlichen Bestimmung ist der Bundesgesetzgeber gehalten, die
Regelung des Art. 131 den Auswirkungen des Befreiungsgesetzes d. h. den rechtskräftigen Entscheidungen der Spruchbehörden anzupassen. Weitere Maßnahmen wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus kann er aber nicht verhängen. Das trifft um so mehr zu, als der Bund seine eigene Kompetenz für solche Maßnahmen bekanntlich kürzlich von dieser Stelle aus verneint hat. Es ist nicht möglich, auf Grund des sogenannten Befreiungsrechts Instanzen mit ausschließlicher Kompetenz für die Entnazifizierung zu begründen und dann dié in Ausübung der Kompetenz erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen dieser Spruchbehörden nicht auch zu beachten. Es ist auch nicht möglich oder ein rechtlich mehr als fragwürdiger Sachverhalt, die Rechtskraft zu teilen. So aber geschieht es durch § 8 des Entwurfs, indem die Rechtskraft der Spruchkammerentcheidungen hier anerkannt wird, soweit sie für die Betroffenen ungünstig gewesen sind, während § 7 Fälle mit günstigem Ausgang für die Betroffenen einer Nachbehandlung unterwerfen will.
Materiell ist dieser Teil des § 7 auch überflüssig. Die Beschränkung auf zwei Beförderungen für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945, zu der hier nicht weiter Stellung genommen werden soll, trifft ohnehin und gerade die Fälle, in denen wegen enger Verbindung mit dem Nationalsozialismus bei einzelnen eine Häufung von Beförderungen erreicht worden ist. Dafür führe ich ganz allgemein ein Beispiel aus dem Beamtenrecht an: Ich darf vorausschicken, daß innerhalb der regelmäßigen Laufbahn des mittleren, gehobenen oder höheren Dienstes im günstigsten Fall ohnehin nur drei Beförderungen möglich waren. Eine größere Zahl war nur erreichbar, wenn ohne Rücksicht auf die für die einzelne Laufbahn geltenden Bestimmungen ein Beamter über die Laufbahngrenzen hinweg „durchbefördert" worden ist. Das sind die Fälle, die der Gesetzgeber treffen will. Er trifft sie schon mit der Beförderungsbeschränkung. Ein Beamter, der z. B. 1933 Assistent und 1945 etwa Ministerialrat war, würde damit auf den Obersekretär, also auf die zweite Beförderungsstufe seiner eigentlichen Laufbahn zurückfallen. Die Beförderungen in Verbindung mit dem Nationalsozialismus werden aber auch durch die Bestimmung des § 7 Abs. 1 in dessen ersten Teil besonders getroffen, wonach Ernennungen und Beförderungen, die beamtenrechtlichen Vorschriften widersprechen, unberücksichtigt bleiben.
Es ist auch nicht recht erkennbar, wie eine gerechte praktische Durchführung der Entnazifizierungsbestimmung möglich sein sollte. Die Klausel „wegen enger Verbindung mit dem Nationalsozialismus" umschließt keinen Tatbestand, der konkret faßbar, abgrenzbar oder beweisbar wäre. Die Personalakten insbesondere der 131er sind zum großen Teil nicht mehr vorhanden.
Man sollte vermeiden, heute nach so langer Zeit durch fragwürdige Untersuchungen eine neue Unruhe in die Kreise der Betroffenen zu bringen. Man sollte das um so mehr vermeiden, als in der Öffentlichkeit für solche Maßnahmen heute kaum noch Verständnis zu finden ist. Überall, jedenfalls außerhalb des Hauses, wird die Forderung erhoben, mit allem, was Entnazifizierung heißt, endlich Schluß zu machen. Die erwähnte Bestimmung ist, falls sie aufrechterhalten bleibt, ein ständiges Hemmnis für die Herstellung des inneren Friedens.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht unterlassen, noch darauf hinzuweisen, daß der schles({4})
wig-holsteinische Landtag mit den Stimmen der CDU, FDP, DP und des BHE soeben einen Schlußstrich unter die Entnazifizierung gezogen hat.
({5})
Das Gesetz ist am 1. April 1951 in Kraft getreten. Nach diesem Gesetz erhalten die in den Kategorien III und IV Eingestuften die Rechtsstellung der Entlasteten. Schon in einem früheren Gesetz war bestimmt worden, daß die ursprünglich in Gruppe V eingestuften Beamten im Vollbesitz der sich aus ihrer letzten Dienststelle ergebenden Rechte verblieben sind.
({6})
Es würde auf wenig Verständnis stoßen, wenn im gleichen Zeitpunkt, in dem das in Schleswig-Holstein geschieht, mit den Stimmen der gleichen Partei, nämlich der CDU, in einem Bundesgesetz erneut Maßnahmen wegen Verbindung mit dem Nationalsozialismus eingeführt würden.
Wir bitten daher, mit Rücksicht auf die eindeutig ablehnende Haltung der breiten Öffentlichkeit gegenüber erneuten Entnazifizierungsmaßnahmen, vor allem aber aus den dargelegten Rechtsgründen, in § 7 die Worte: „wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus" zu streichen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reif.
Meine Damen und Herren! Da ich als Berliner Abgeordneter nicht stimmberechtigt bin, lege ich Wert darauf, hier festzustellen, daß ich, wenn ich stimmberechtigt wäre, gegen den eben begründeten Antrag stimmen würde.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache zu § 7 ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Abänderungsantrag Umdruck Nr. 121.
({0})
Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. - ({1})
- Das habe ich nicht gehört und nicht gesehen.
({2})
Jetzt habe ich die Abstimmung eingeleitet.
({3})
Ich kann wirklich nicht mehr das Wort erteilen. Es tut mir leid. Die Schuld liegt nicht bei mir, sondern bei Ihnen. Die Form der Wortmeldung ist Ihnen doch bekannt genug, so daß Sie sie rechtzeitig hätten anbringen können.
Meine Damen und Herren, wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 7 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe weiter auf § 8, - § 9, - § 10. Ich bitte diejenigen, die der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu § 12. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 1 vor. Wortmeldungen zur Begründung des Antrags liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung.
({4})
- Herr Farke? - Meine Damen und Herren, es ist wirklich notwendig, daß die Wortmeldungen zu den einzelnen aufgerufenen Paragraphen rechtzeitig kommen. Es ist unhaltbar, daß, wenn wir abstimmen, die Diskussion wieder eröffnet wird.
({5})
- Herr Abgeordneter Farke, wir waren in der Abstimmung; ich kann Ihnen also das Wort nicht mehr geben.
({6})
- Es ist keine ordnungsmäßige Wortmeldung gewesen. Ich hatte bereits gesagt: wir sind in der Abstimmung; infolgedessen bleibt es dabei, ich kann das Wort nicht erteilen. Wir stimmen ab. Die Materie ist ja allen so geläufig, daß wirklich keine Irrtümer mehr vorkommen können.
Wir stimmen also über den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 1 ab. Ich bitte diejenigen, die der Abänderung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
({7})
- Gegen wenige Stimmen. Es hat also der Begründung nicht bedurft.
({8})
Ich bitte diejenigen, die dem § 12 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit scheint der § 12 nun wirklich einstimmig angenommen zu sein.
({9})
- Gegen einige wenige Stimmen.
Dann rufe ich auf § 13, - § 14. Ich bitte diejenigen, die den §§ 13 und 14 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Scheint einstimmig angenommen zu sein.
Ich rufe auf § 15. Dazu liegen vor ein Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 2 und ein Abänderungsantrag der Fraktion der WAV auf Umdruck Nr. 143.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung ist mit einer geringen Mehrheit beschlossen worden, den § 15 Abs. 2 zu streichen. Damit ist der wichtigste Bestandteil des Gesetzes bezüglich der Unterbringung weggefallen, nämlich der Ausgleichsbetrag. Ohne ihn besteht hinsichtlich der Erfüllung des Pflicht({0})
anteils des Besoldungsaufwandes - das ist die Auffassung der drei Koalitionsparteien, für die ich spreche - überhaupt kein Zwang mehr. Die über die Besetzung der Beamtenplanstellen in den §§ 16 und 16 a enthaltenen Vorschriften sichern lediglich die Erfüllung des Planstellenpflichtanteils. Wenn das letzte Mal von den Vertretern einer geringen Mehrheit gesagt worden ist, daß der Dienstherr zur Unterbringung nicht mehr tun könne, als die dem Stellenvorbehalt unterliegenden Planstellen gemäß den Vorschriften der §§ 16 und 16 a zu besetzen, so ist festzustellen, daß diese Auffassung unrichtig ist. Der Dienstherr hat durchaus die Möglichkeit, nein, er hat sogar die Pflicht, unterzubringende Personen einer Beschäftigung zuzuführen, indem er sie zunächst als Angestellte verwendet. Man hat auch an die Unterbringung der zahlreichen, noch nicht beschäftigten Dauerangestellten und unkündbaren Angestellten gedacht. Nach den Verhandlungen im Beamtenrechtsausschuß darf ich doch den SPD-Vertretern unterstellen, daß sie für die Angestellten ein ganz besonders warmes Herz haben. Ich möchte Sie, meine Herren, darauf aufmerksam machen, daß es nicht nur um die Beamtenplanstellen geht, sondern daß hier die Möglichkeit besteht, Personen gerade als Angestellte unterzubringen. Der Ausgleichsbetrag - ich habe es schon gesagt - ist lediglich ein finanzielles Druckmittel. Wir können nach den bisherigen Erfahrungen bei der Unterbringung darauf nicht verzichten; es geht mit dem besten Willen nicht mehr anders.
Wenn gesagt wurde, der Ausgleichsbetrag sei untragbar, so möchte ich doch einmal darauf hinweisen, daß er im Höchstfalle 5 °/o des Besoldungsaufwandes für Beamte und Angestellte ohne den Versorgungsaufwand und den Lohnaufwand für Arbeiter betragen kann. Die Erhebung des Ausgleichsbetrages liegt auch im Interesse der Dienstherren, die bisher ihre Pflicht getan haben und die nun erleben müssen, daß sie dafür noch nicht einmal einen Ausgleich bekommen. Wir haben allerdings Verständnis dafür gehabt, daß kleine und kleinste Gemeinden ausgelassen werden müssen. Wir haben demgemäß die Ihnen vorliegende Formulierung gefunden. Soeben haben wir die Neufassung des § 12 angenommen, wonach Gemeinden nur mit mehr als' 3 000 Einwohnern berücksichtigt werden. Ich glaube, daß eine ganze Reihe von Kollegen, die bei der letzten Fassung Bedenken hatten, dieser Regelung ihre Zustimmung geben können.
Wenn wir den Abs. 2 wiederherstellen, ist es notwendig, daß wir in § 16 den Abs. 2, den wir dort eingefügt haben, streichen und als § 17 die auf dem Umdruck dafür vorgeschlagene Bestimmung einführen.
Ich möchte im Zusammenhang mit dem Vorschlag noch einmal den Appell an alle Kollegen hier im Hause richten, an dieser Stelle ihr Ja zu geben. Wir sehen in dem Ausgleichsbetrag in dieser Form, wenn er auch eingeschränkt ist, die einzige Garantie dafür, daß die Unterbringung wirklich durchgeführt wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stimmen mit dem Herrn Vorredner durchaus überein, daß es sich hier bei § 15 um eine der Schlüsselpositionen des ganzen Gesetzes handelt, um eine Bestimmung, von deren Erfüllung oder Nichterfüllung es abhängt, ob man dieses Gesetz als gerecht bezeichnen kann oder nicht. Wir von der WAV-Fraktion haben Ihnen einen Antrag auf Umdruck Nr. 143 vorgelegt, er liegt Ihnen vor. Wir beantragen, daß § 15 Abs. 1 und vor allem Abs. 2 in der Form der Beschlüsse des 25. Ausschusses auf Nr. 2075 der Drucksachen wiederhergestellt wird.
Wir verstehen es zu würdigen, wenn hier von mancher Seite vorgetragen wurde, daß eine Anzahl von Gemeinden bei Ausführung der Absätze 1 und 2 des § 15 in eine gewisse Notlage kommen würde. Ich bezweifle, ob die Zahl der Gemeinden, die dadurch notleidend würden, wirklich eine so arg große ist. Ich selber kenne die Verhältnisse auf diesem Gebiet wenigstens in Bayern ziemlich gut. Eine große Anzahl von Gemeinden, auch von kleineren Gemeinden, hat das Soll von 20 % schon erfüllt und teilweise sogar weit überschritten. Soweit mir bekannt ist, ist die Zahl der Gemeinden, die dieses Soll nicht erfüllt haben, nicht allzu hoch. Leider befinden sich unter diesen oft gerade sehr große Gemeinden mit einem großen Einnahmeetat. Wenn auf diese ein - nicht sehr sanfter - Druck ausgeübt wird, kann jeder, der die Verhältnisse überblickt, dazu wohl nur ja sagen.
Wir beantragen, die Bestimmung aufzunehmen, daß leistungsschwache Gemeinden, wenn die Nichterfüllung des Solls nicht etwa auf bösem Willen oder auf Vorurteilen - gegen die wir kämpfen müssen - beruht, einen Anspruch auf Zuschüsse durch den Bund haben. Wir haben deshalb beantragt, nach dem Abs. 2 des § 15 einen neuen Abs. 3 folgenden Inhalts einzufügen:
Leistungsschwache Gemeinden, die in Ausführung des Absatzes 2 notleidend würden,
haben Anspruch auf Zuschüsse durch den
Bund. Das Nähere hierüber regelt ein Bundesgesetz.
({0})
Hier kann auf Grund eines noch zu erlassenden Gesetzes ein Ausgleich geschaffen werden, damit Gemeinden, bei denen wirklich kein böser Wille, sondern nur Notlage vorherrscht, entsprechend ausgeklammert werden können. Wir hoffen, dieser Abs. 3 wird es auch denen ermöglichen, für die Wiederherstellung der alten Fassung des § 15 - der das letzte Mal nur mit einer ganz knappen Zufallsmehrheit abgelehnt worden ist - zu stimmen, die Bedenken haben, daß eine nicht allzu hohe Anzahl von Gemeinden den § 15 Abs. 1 und 2 ohne Bundesunterstützung nicht durchführen kann. Die dadurch entstehende Mehrbelastung ist keineswegs allzu hoch. Aber wir haben endlich einmal ein Druckmittel, um die Gemeinden, die sich auf Grund von Vorurteilen, die bei uns niemals Platz haben dürften, weigern, das Soll von 20 % zu erfüllen, in die Zange zu nehmen.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Wir bitten Sie dringend, den § 15 in der Fassung der Beschlüsse des 25. Ausschusses, die das letzte Mal mit einer ganz kleinen Mehrheit abgelehnt wurde, wiederherzustellen, damit die Heimatvertriebenen genau so wie die Einheimischen das Gefühl haben können, daß ihrer Lage durch die Beschlüsse dieses Hohen Hauses Rechnung getragen wird. Die Forderung auf Wiederherstellung des § 15 in der alten Form ist eine Forderung der Gerechtigkeit!
Meine Damen und Herren! Inzwischen sind die Gespräche so geräuschvoll geworden, daß das Verstehen des Redners erschwert ist. Ich wäre für Dämpfung dankbar.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Wir sind es gewohnt, daß von dieser Stelle aus große Worte leicht ausgesprochen werden, und wenn der Herr Abgeordnete Loritz eben behauptet hat, daß es sich bei dem § 15 Abs. 2 um eine Schlüsselposition des Gesetzes handele, dann ist das angesichts der gesamten Materie nicht nur leicht, sondern ganz erheblich übertrieben.
({0})
Ebenso ist es keine richtige Darstellung, wenn dauernd behauptet wird, es habe sich hier bei der letzten Abstimmung um eine knappe Zufallsmehrheit gehandelt.
({1})
Es hat in diesem Hause um diese Frage ganz erhebliche Auseinandersetzungen gegeben, und, meine Damen und Herren, das war keine Zufallsmehrheit, sondern das war - nach dieser Auseinandersetzung, Herr Kollege! - eine ganz klare Scheidung der Geister, in der die Bedeutung der Bestimmung herausgestellt wurde. Und daß das Problem in seiner ganzen Bedeutung erkannt worden ist - wenigstens zum großen Teil -, ersehen Sie ja aus den heute vorliegenden Abänderungsanträgen. Sie haben beim vorigen Mal von dieser Stelle aus wiederholt erklärt: „Der § 15 Abs. 2, so wie er vorliegt, muß unbedingt angenommen werden". In der Zwischenzeit haben Sie sich selbst davon überzeugt, daß ein erheblicher Teil nicht so durchgeführt werden kann, und deshalb sind auch von Ihnen jetzt die Änderungsanträge gestellt worden.
Wenn nun Herr Kollege Farke darauf hingewiesen hat, daß gerade durch die neu gewünschte Bestimmung für die Angestellten die notwendigen Möglichkeiten geschaffen werden könnten, dann muß ich ihm sagen, er kennt wirklich die Zahlen aus den einzelnen Städten nicht. Herr Kollege Farke, wenn Sie sich nur einmal die Muhe gemacht hätten und hätten sich das Zahlenmaterial vom Städtetag über einige Großstädte geben lassen, dann wurden Sie sich sehr bald zu einer anderen Auffassung bekannt haben.
({2})
- Wenn Sie es so genau kennen, dann können Sie die Auffassung, die Sie eben hier zum Ausdruck gebracht haben, nicht vertreten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist auch nicht richtig, wenn man versucht, wie es der Kollege Fröhlich in der Generalaussprache getan hat, die Gemeinden bzw. Gemeindeverbände, die ihre Pflicht erfüllt haben, gegen die anderen auszuspielen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß in den kommunalen Spitzenverbänden eine völlig einheitliche Auffassung in dieser Frage herrscht und daß keine Gemeinde, die die Bestimmungen des Gesetzes erfüllt hat, daran gedacht hat, nun zu sagen: Jetzt muß erst recht auf die anderen Gemeinden ein besonderer Druck ausgeübt werden!
Es ist hier an dieser Stelle heute sehr viel von der Gerechtigkeit gesprochen worden. Ich glaube, Sie sollten sich bei der Abstimmung über diesen Antrag einmal überlegen, daß Sie hier auch den Gemeinden Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen.
({3})
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um gar nichts anderes als um den Versuch, einen besonderen Finanzausgleich zu Lasten der Gemeinden durchzuführen.
({4})
Wenn Sie daran denken, welche Lasten den Gemeinden jetzt z. B. durch die Besoldungserhöhung erwachsen werden - und Sie können ja heute in der Zeitung lesen, daß die vorgesehenen Besoldungserhöhungen den Ländern und Gemeinden auch zur Pflicht gemacht werden; eine Regelung, gegen die wir bestimmt nichts einzuwenden haben -, dann sollten Sie sich auch überlegen, ob es dann wirklich tragbar ist, hier wieder eine besondere Belastung vorzunehmen. Wenn Sie eine Lösung nach der Gerechtigkeit wollen, dann bitte nach allen Seiten Gerechtigkeit, und lassen Sie auch. gegenüber den Gemeinden keine Ungerechtigkeit zu!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine Bemerkung vorweg. Eins ist überraschend: daß gerade die Regierungsparteien hier für die Strafbestimmung gegenüber den Gemeinden eintreten. Nachdem die Regierungsparteien ja auch in den meisten größeren Ländern die Kommunalaufsicht in eigener Hand haben, spricht dieses Verhalten nicht für ein Selbstvertrauen in bezug auf die Kommunalaufsichtsbehörden.
Meine Herren, darf ich noch eine Bemerkung daran anfügen. Die Gemeinden haben bei einer anderen Sollbestimmung, nämlich bei dem Schwerbeschädigtengesetz, auch ohne jede Bußandrohung in aller Regel_ ihr Soll hundertprozentig und darüber hinaus erfüllt. Es ist nicht einzusehen, warum nun justament bei dieser Bestimmung eine Strafe eingeführt werden soll.
({0})
- Meine Herren, Sie widersprechen und sagen, es ist keine Strafe; aber in der Praxis ist es doch so etwas Ähnliches.
Und nun darf ich daran noch eine zweite Bemerkung anknüpfen:
({1})
Gemeinde ist nicht gleich Gemeinde! Man hat in
den Jahren nach 1945 den Gemeinden generell wohl
keinen Vorwurf machen können. Sie haben mit
aller Kraft das getan, was sie tun konnten, um
das Schicksal zu meistern. Es gibt kriegszerstörte
Gemeinden, gerade die großen Städte, die unter
den Folgen des Krieges gelitten haben und auf die
sich eine mit diesem Antrag geforderte Bestimmung sehr hart und ungerecht auswirken würde.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur noch ein paar kurze sachliche Bemerkungen, weil ich glaube, daß die mit den Abänderungsanträgen angeschnittene Frage nicht aus der Emotion her betrachtet und behandelt werden darf. In der Diskussion der zweiten Lesung ist verschiedentlich behauptet wor({0})
den - und das klang auch heute wieder in einigen Ausführungen an -, die Gemeinden wollten ,sich einer Verpflichtung entziehen.
({1})
Es ist schwierig, in dieser Frage ein gerechtes Urteil zu finden. Es finden sich fraglos hier und da Gemeinden, -die nicht im gleichen Umfang tätig geworden sind wie andere., Aber es gibt viele Gemeinden - und das ist die Mehrzahl der Großstädte, die zerstört sind -, die objektiv nicht in der Lage waren, Einstellungen in einem solchen Umfange vorzunehmen, wie das Gesetz es ihnen abverlangt,
({2})
Städte, in denen Zuzugsbeschränkungen bestanden, Städte, in denen gar nicht die Möglichkeit der Unterbringung eines höheren Prozentsatzes von ostvertriebenen Beamten und Angestellten vorhanden war. Sehr viele Städte aber, meine Damen und Herren, haben Ostvertriebene eingestellt, die nach dem Gesetz nicht anspruchsberechtigt sind, die aber dennoch Ostvertriebene sind. Ich darf Ihnen nur eine Zahl nennen: in der Stadt Hannover sind bei einer Zahl von insgesamt 9212 Beschäftigten 250 anrechenbare Beamte, Angestellte sowie Arbeiter eingestellt worden, jedoch 1542 nichtanrechenbare, aber echte Ostvertriebene. Andere Städte wie Kiel und Stuttgart - ich könnte die Zahlen in einem erheblichen Umfang erweitern - stehen vor derselben Situation.
({3})
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie ja nur um sachliches Nachdenken! - Die Konsequenz dieser Ausgleichsabgabe, wenn sie geleistet werden sollte, wäre zwangsläufig die, daß man einen großen Teil von Ostvertriebenen wieder entlassen müßte, weil sie nicht dem Kreis der anzurechnenden Beamten und Angestellten angehören. Das ist eine Konsequenz, an die Sie vor allem dann denken sollten, wenn wir Überlegungen darüber anstellen, ob wir nicht wenigstens unter den Ostvertriebenen einigermaßen gleiches Recht für alle gelten lassen sollten.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Renner ({0}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den zu dieser Gesetzesvorlage vorgetragenen Begründungen wurde mehrfach die, Auffassung herausgestellt, daß der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sei. Besonders bei dem Nachweis der Verpflichtung des Bundes, für die ehemaligen Wehrmachtbeamten einzutreten, wurde diese Meinung des öfteren klar ausgesprochen.
Nun, wenn der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches ist, dann sind wir Kommunisten der Auffassung, daß der Bund auch alle aus dieser Rechtsnachfolge sich ergebenden Verpflichtungen selber zu tragen hat und nicht berechtigt ist, diese Verpflichtungen abzuwälzen auf die unteren Organe des Staatsapparates.
({1})
- Vielleicht denken Sie einmal nach und machen nicht nur Zwischenrufe!
Bedauerlicherweise ist es im Grundgesetz - und ich muß sagen: auch bewußt - unterblieben, die
Selbstverwaltung in der Gemeinde auch dadurch zu sichern, daß man die finanziellen Grundlagen, dieser Selbstverwaltung der Gemeinden verfassungsrechtlich irgendwie regelte. Ich habe in der letzten Woche Gelegenheit gehabt, der Verabschiedung des Etats der Stadt Essen beizuwohnen. Essen gehört zu den Städten, die mein Herr Vorredner charakterisiert hat als solche, die infolge Zuzugssperre und besonders großer Wohnraumnot gar nicht in der Lage waren, die Verpflichtungen gegenüber dem Personenkreis des Art. 131 in vollem Umfange durchzuführen, die aber, was die bei Ihnen als „Ostflüchtlinge" bezeichneten Personen angeht, mindestens in derselben Situation stehen wie Hannover. In der Erläuterung zu diesem Etat der Stadt Essen, der mit einem Defizit von 3 Millionen DM abschließt, wobei die zwingend kommenden Verpflichtungen infolge der Erhöhung der Bezüge der Arbeiter und Angestellten und der Löhne der Arbeiter nicht einmal berücksichtigt sind, in der Erläuterung also zu diesem Bankrotthaushalt einer Gemeinde wie Essen, die vom Blut des Blutes der CDU-Herren, die hier die Gesetze machen, geführt und geleitet wird,
({2}) heißt es - schwarz auf weiß von jedem nachzulesen Wenn zu den allgemeinen Belastungen der Gemeinden jetzt auch noch hinzukommt die Einbeziehung der Gemeinden in den Lastenausgleich und in den Artikel 131, dann bleibt der Gemeinde nichts anderes übrig, als die Steuern und die Gebühren, d. h. die Tarife zu erhöhen.
Das steht hier schwarz auf weiß! Das ist die Konsequenz einer Belastung der Gemeinden, einer für die Gemeinden vor allem vollkommen aufgabenfremden Belastung.
Aber warum machen Sie diese Politik, meine Herren von der CDU und von der Regierungskoalition? Warum bringen Sie die Gemeinden in Westdeutschland in diese Misere?
({3})
- Ich will Ihnen etwas sagen: In den Gemeinden platzt die Not, platzt das Elend den für dieses Elend hier in Bonn verantwortlichen kleinen Adenauers direkt ins Gesicht, und diesen kleinen Adenauers in den Gemeinden - wie sie heißen mögen, spielt gar keine Rolle - spielen Sie das verlogene und falsche Argument in die Hand: Wir haben kein Geld!
({4})
Da aber stellen sich die Herren von der CDU in den Gemeinden hin und erklären: Es tut uns sehr leid, wir können die Wohlfahrtsrichtsätze nicht erhöhen, wir müssen die Gebühren, die Tarife in die Höhe drücken, wir müssen die Gemeindesteuern erhöhen,
({5})
weil der böse Bund, der doch regiert wird von so bösen CDU-Leuten, wie wir sie hier kennen,
({6})
die finanzielle Kalamität der Gemeinden ständig steigert.
({7})
Es kam mir darauf an, die Wechselwirkung Ihrer Politik auf die Gemeinden einmal klar aufzuzeigen. Ihre Bankrottpolitik in der Gemeinde wirkt sich so aus, wie ich es geschildert habe, und diese Bankrottpolitik in der Gemeinde erlaubt es den
({8})
Gemeinden eben nicht mehr, solche zusätzlichen Belastungen auf sich zu nehmen. Deshalb sind wir der Auffassung, daß, wenn schon der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sein soll, er auch verpflichtet ist, die ganzen Lasten aus diesem Gesetz mit Bundesmitteln abzudecken.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst muß ich auf einige Äußerungen des Herrn Kollegen Renner eingehen.
({0})
Herr Kollege Renner, die Wechsel, die wir hier einzulösen haben und die uns derartige Schwierigkeiten bereiten, sind uns in kühler Berechnung vom Osten präsentiert worden.
({1})
- Und es ist d o c h so, meine Herren von der äußersten Linken.
({2})
Diese Wechsel sind uns vom Osten präsentiert worden. Alle auftauchenden Schwierigkeiten und ein Großteil der sozialen Nöte, mit denen wir hier im Westen zu ringen haben, haben Ihre Gesinnungsgenossen, Herr Renner, aus dem Osten nach dem Westen importiert.
({3})
Das ist der bleibende Tatbestand.
({4})
Aber lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zu § 15 Abs. 2 noch etwas anderes sagen und damit zur Sache kommen.
Es ist ganz einfach nicht möglich, daß wir in einer Notzeit, in der einzelne Länder, kleinere Städte und Gemeindeverbände bei der Einstellung von Verdrängten ihre Pflicht erfüllt haben, die anderen nicht dazu anhalten sollen, im Rahmen des Gesetzes zu Art. 131 gleichfalls ihre Verpflichtung zu erfüllen. An Hand von Zahlen wird einem diese Aufgabe so recht augenfällig, und man erkennt immer klarer, daß ein Kernstück dieses Gesetzes, wenn wir das Kapitel Unterbringung wirklich ernst nehmen - und das ist unser Anliegen -, der Abs. 2 des § 15 ist, von dem wir nicht abgehen können. Ich habe die allerjüngste Statistik vor mir liegen, und ich sehe daraus, daß Schleswig-Holstein in der Landesverwaltung mit 37 % das Soll weit überschritten hat. Ich stelle weiter fest, daß Gemeinden von 5 bis 10 000 Einwohner in Schleswig-Holstein mit 21 % über dem Soll liegen. Aber ich sehe auf der andern Seite, daß auch in Schleswig-Holstein die Großstädte noch einen ganz beträchtlichen Teil aufzuholen haben, um das Soll von 20 % zu erreichen. Genau so sieht es in Niedersachsen aus. Auch in Niedersachsen hat die Landesverwaltung mit 37,6 % übererfüllt. Die Stadtkreise über 100 000 Einwohner haben aber nur 9 % Verdrängter eingestellt.
({5})
Die Stadtkreise unter 100 000 Einwohner liegen
auch in Niedersachsen mit 19,7 % knapp an der
Grenze des Solls. Die Landkreise in Niedersachsen haben 24 % Verdrängte in Diensten, die unter den Art. 131 fallen, ,die kreisangehörigen Gemeinden in Niedersachsen mit über 10 000 Einwohnern 25%, mit unter 10 000 Einwohnern 23,1°/o.
Wenn ich mir nun die entsprechende Zahlen von den anderen Ländern betrachte, so stelle ich fest, daß die Länder und die Landkreise die 20 °/oige Quote fast erfüllt haben und die großen Städte, dort also, wo für die 131 er die meisten Arbeitsplätze vorhanden sind, weit, weit unter dem vorgesehenen Soll liegen. Hier die Statistik von 14 Städten mit über 100 000 Einwohnern quer durch das Bundesgebiet. Unter diesen 14 Städten sind zwei Städte, die ihren Anteil mit etwas über 10 % erfüllt haben. Neun Städte liegen unter 3 %,
({6})
und drei dieser Städte mit über 100 000 Einwohnern haben nicht einmal 1 % aus dem Personenkreis der 131 er eingestellt.
({7})
- Soll ich Ihnen die Namen dieser Städte nennen?
({8})
Das sind München und Mannheim mit 0,6 % bzw. 0,7 %!
({9})
- Die Statistik ist amtlich! Gewissenhaft nachgeprüft und erhoben. - Meine Damen und Herren, wenn Sie sich über diese Zahlen auch noch so sehr aufregen, Sie ändern an dem Tatbestand nichts, und Sie ändern auch nichts an unserer Bemühung, alles zu tun, um die Verpflichtung in dem Gesetz zu verankern, damit auch diese Städte ihrer Pflicht gegenüber dem unter den Art. 131 fallenden Personenkreis nachkommen, und das erreichen wir nur, wenn wir den 25 %igen Ausgleichsbetrag im Falle der Nichterfüllung gesetzlich beibehalten.
({10})
Wir sind uns dessen bewußt, daß es unter Umständen bei der Durchführung dieser Verpflichtung so kommen kann, daß, um 131ern ihr Recht zu geben, manchem 1945er die Position gefährdet wird. Aber wir beschließen nun einmal ein Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse des Personenkreises, der unter Art. 131 des Grundgesetzes fällt und nicht ein Gesetz zum Schutz den 1945iger.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
({0}) Das Wort hat Herr Abgeordneter Görlinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ehrlich entsetzt über die Ausführungen meines Herrn Vorredners.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses, die in der Kommunalverwaltung tätig sind oder mit der Kommunalverwaltung Kontakt haben - vor allen Dingen mit der zerstörter Großstädte des Westens - mal einen Augenblick darüber nachzudenken. Ich will einmal an dem Beispiel der Stadt
({1})
Köln erläutern, wie die Situation ist. Im Jahre 1945, als. wir mit 35 000 Einwohnern von 780 000 die Verwaltung begannen, haben die Engländer sämtliche der NSDAP Angehörigen aus der Verwaltung. herausgesetzt. Wir mußten neue Leute hereinnehmen und mit ihnen beginnen. Sie haben sich zum großen Teil später auch bewährt. Später haben wir dann die entlasteten Pgs wieder aufnehmen müssen und müssen es heute noch. Wir haben die ganzen kriegswirtschaftlichen Betriebe gehabt, die abgebaut worden sind. Wir haben heute noch über 120 000 Kölner Bürger, die evakuiert sind. Daß bei dem Zerstörungsgrad unserer Stadt - heute noch liegen 135 000 Wohnungen an der Erde - gar keine Möglichkeit bestand, aus dem Osten kommende Flüchtlinge in der Stadt anzusiedeln, werden Sie begreifen.
Seit' zwei. Jahren bemühen wir uns, durch den Abbau, der kriegswirtschaftlichen Betriebe die Zahl der Angestellten - denn die Beamten sind ja fest , eingestellt. - zu vermindern. Aus sozialen Gründen haben wir immer noch nicht voll die Abbauziffern erreicht, . die wir durch den Abbau der kriegswirtschaftlichen Betriebe hätten erreichen können. Jetzt bitte ich Sie, einen Augenblick zu überlegen: Wo ist dort Raum für die Einstellung von neuen Angestellten aus dem Osten? Dafür ist überhaupt kein Raum mehr da.
Es kommt noch eines hinzu. Unser gesamter Angestellten- und Beamtenkörper ist total überaltert,
({2})
d. h. die Betreffenden befinden sich alle in einem sehr hohen Lebensalter. Auch das ist eine Kriegserscheinung. Die Großstädte stehen vor dem Problem, jugendlichen Nachwuchs heranzuziehen. Diese Frage ist für die Zukunft der Gemeindeververwaltung sehr ernst.
Jeder, der dabei praktisch mitgearbeitet hat, weiß, daß das, was Sie beschließen wollen, eine direkte Strafe bedeutet. Für Köln bedeutet es, daß wir 11/2 Millionen DM pro Jahr an diesen Fonds abzuführen hätten, ohne überhaupt die Möglichkeit zu haben, einen einzigen Mann einzustellen; denn wir müssen - das sage ich noch einmal - noch Leute abbauen, um auf den Stand zu kommen, den zu erreichen notwendig ist. Das sind doch die Tatsachen. In den Gemeindevertretungen, zumindest in allen zerstörten Städten, ist man ohne Unterschied der politischen Parteien einer Meinung, daß das, was Sie beschließen wollen, eine Strafe für die Städte ist, die durch eine Erhöhung der Gewerbesteuer um mindestens - 20 % ausgeglichen werden muß. Was Sie hier als Belastung beschließen, taucht dort wieder auf. Sonst ist der Haushaltsplan nicht ausgeglichen.. Ich betone noch einmal: Ich warne davor, einen solchen Beschluß zu fassen; er ist gemeindeschädlich und gemeindefeindlich in der tiefsten Wurzel.,
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Dr: Miessner ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir werden das Problem der Unterbringung nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes nicht lösen, wenn wir nicht in der Lage sind, dazu auch die Gemeinden, insbesondere die größeren, heranzuziehen. Städte wie Düsseldorf, Köln, Dortmund, Essen, Würzburg, München, Mannheim, Heidelberg und Duisburg haben alle bisher weniger als 3 O/o von unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen in ihren Diensten.
({1})
Hier liegen die einzigen und wirklichen Reserven für die Unterbringung. An eine freiwillige Bereitschaft dieser Städte zur Unterbringung der Personen vermag man aber nicht zu glauben;
({2}) denn sämtliche Länderflüchtlingsgesetze enthalten die Vorschrift, daß die öffentlich-rechtlichen Stellen in einem der Bevölkerungszahl entsprechenden Verhältnis zu besetzen sind.
({3})
Aber alle diese Vorschriften blieben doch, wie man sieht und wie die Beispiele der verschiedenen anderen Vorredner gezeigt haben, reines Programm, ohne daß irgend etwas Effektives erfolgte.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der weitest gehende Abänderungsantrag ist der Antrag der WAV auf Umdruck Nr. 143. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr ab über den gemeinsamen Antrag der CDU/CSU, FDP, DP auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist sehr schwer- feststellbar; wir müssen die Abstimmung wiederholen. Ich bitte nochmals diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
({0})
- Meine Damen und Herren, es ist die übereinstimmende Auffassung des Vorstandes, daß - das erste die Mehrheit war.
({1})
- Wenn hier bei dem gesamten Sitzungsvorstand Übereinstimmung besteht, meine Damen und Herren, dann kann ich keine andere Erklärung abgeben, als daß die Mehrheit für den Antrag ist. Der Antrag ist angenommen.
({2})
- Meine Damen und Herren, es gibt nach der Geschäftsordnung gegenüber dieser Feststellung keinerlei Anzweiflung.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die dem § 15 mit der eben beschlossenen Abänderung zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 15 ist angenommen.
({4})
- Enthaltungen? ({5})
({6})
- Eine Enthaltung.
({7})
Ich rufe weiter auf: § 16, - § 16 a. Ich bitte diejenigen, die den Paragraphen in der Fassung nach den Beschlüssen in der zweiten Lesung zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe nun auf § 16 b. Dazu liegt auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 3 ein Streichungsantrag vor. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die der Streichung des Abs. 2 zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag auf Streichung des Abs. 2 ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem § 16 b in der soeben beschlossenen Fassung zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
§ 17. - Dazu liegt ein Abänderungsantrag auf TTmdruck Nr. 132 Ziffer 4 vor. Wortmeldungen egen dazu nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nun weiter auf die §§ 18, - 19, - 21, -22,-23,-24,-25,-26,-27,-28,-29,30, - 30 a, - 31, - 32, - 33, - 34, - 35. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Pàragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf § 36. Dazu liegt auf Umdruck Nr. 132 Ziffer 5 ein Abänderungsantrag vor. Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung wurde der § 79 gestrichen. Wir hielten ihn für notwendig, haben aber eingesehen und hatten auch früher schon Bedenken, daß er eine unerwünschte Bindung für den Hausaltsausschuß
({0})
für spätere Rechnungsjahre bedeutete. Es ist aber vor allen Dingen wichtig, in den Kreisen der Betroffenen den schlechten Eindruck wieder wegzubringen, daß diese Vorschrift nun im endgültigen Gesetz nicht mehr enthalten ist. Aus dieser Erwägung heraus haben wir für den § 36 einen Abs. 4, vorgeschlagen, dessen Wortlaut Ihnen vorliegt. Es geht vor allen Dingen um die Betroffenen, die ab 61 Jahre abwärts ja nur ein geringeres Gehalt bekommen, und es soll in diesem Absatz zum Ausdruck gebracht werden, daß irgendwelche Einsparungen sofort für Aufbesserung der Beträge angewandt werden. Wir glauben, daß dies durch diesen Passus erreicht werden kann und einigermaßen sichergestellt wird.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich muß leider die Gelegenheit benutzen, um zunächst in aller Form einen Protest gegen die Abstimmung anzumelden, wie sie bei § 15 Abs. 2 vorgenommen wurde und diesen Protest zu Protokoll geben.
({0})
Ich glaube, es wäre gut gewesen, wenn Sie sich angesichts der Bedeutung dieser Bestimmung und angesichts der Bedeutung des Gesetzes dem Wunsch auf eine weitere Abstimmung bzw. auf eine Auszählung angeschlossen hätten.
Nun zu dem vorgeschlagenen Antrag. Ich glaube nicht, daß seine Formulierung besser ist als die Bestimmungen, die wir gehabt haben. Ich glaube sogar, daß diese Bestimmung wesentlich schlechter ist, denn sie ist so vage und unbestimmt, daß niemand etwas damit anfangen kann. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß der Herr Bundeskanzler erst heute mittag Gelegenheit genommen hat, dem Hause eine kleine Vorlesung über den Unterschied zwischen einer Soll-Vorschrift und einer Muß-Vorschrift zu halten. Ich glaube, daß gerade die Verteidiger des Beamtenrechts sich sehr überlegen sollten, ob man eine solche Bestimmung hier einfügen kann, denn es ist doch so, daß nach den Beamtengesetzen Gehälter - in diesem Falle auch Übergangsgehälter - nur durch Gesetz geändert werden können. Wenn Sie hier feststellen, daß bei entsprechendem Fortschreiten der Unterbringung später Zuschläge gezahlt werden sollen, dann könnten Sie unter Umständen auch erleben, daß man demnächst einmal festsetzt, daß durch eine solche einfache Bestimmung auch Abschläge verfügt werden können. Ich glaube, daß gerade diejenigen, denen daran gelegen ist, das Beamtenrecht zu erhalten, mit solchen Bestimmungen sehr vorsichtig sein sollten. Darüber hinaus ist doch das weiter gar nichts als eine der optischen Bestimmungen, über die wir uns hier schon öfter unterhalten haben. Sie bringt zunächst niemandem etwas, sie erweckt nur Hoffnungen, die unter Umständen gar nicht erfüllt werden können. Wenn wir die Möglichkeit zu einer finanziellen Aufbesserung der Übergangsgelder haben - das hängt ja, wieder nach dem jetzigen Gesetz, mit einer späteren Aufbesserung der Pensionen zusammen -, dann werden wir auch sehr leicht und schnell die Möglichkeit haben, hier ein entsprechendes Gesetz zu verabschieden. Ich meine also aus diesen grundsätzlichen Erwägungen, man sollte solche Bestimmungen, wie sie hier vorgeschlagen wurden, nicht in das Gesetz hineinbringen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag Umdruck Nr. 132 Ziffer 5 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich bitte diejenigen, die dem § 36 in der soeben beschlossenen abgeänderten Form zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 37, - 38, - 39, - 39 a, -40,-41,-41a,-41b,-41c,-42,-43,-
44, - 45, - 46, - 47. Ich bitte diejenigen, die den soeben aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -- Anscheinend einstimmig angenommen.
({0})
Ich rufe nun § 48 auf. Dazu liegen zwei Abänderungsanträge der SPD auf Umdruck Nr. 133 Ziffer 1 und 2 vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte schon in der zweiten Lesung im Auftrag meiner Fraktion zwei Abänderungsanträge zu diesem Paragraphen zu begründen. Uns scheinen die Bestimmungen, die wir da eingefügt haben wollten, so wichtig, daß wir, obschon wir die dritte Lesung nicht mit Abänderungsanträgen belasten wollten, in diesem Falle doch einen stellen mußten. Es handelt sich - ich will mich in äußerster Kürze mit diesen Dingen beschäftigen - um die Unteroffiziere, die wir in dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen bedeutend schlechter gestellt haben als die Offiziere. Ich habe damals ausgeführt: Bei 12jähriger Dienstzeit ist nach Meinung aller Betroffenen und der gesamten Sachverständigen die Rechtslage die gleiche wie für Beamte auf Lebenszeit. Das heißt also, nach 12jähriger Dienstzeit bestand ein Recht auf Versorgung.
({0})
- Dann haben Sie das Gesetz und die früheren Rechtsverhältnisse wahrscheinlich nicht so genau studiert; denn sie hatten nach dem Wehrmachtsfürsorgegesetz den Anspruch. Wenn wir nun heute sagen, wir können das nicht anerkennen, so sollten wir daran denken, daß wir beschlossen haben, alle diese Personenkreise gleichzustellen.
Wir können noch einen weiteren Umstand anführen. Denken Sie doch einmal daran, daß viele Unteroffiziere Offiziere geworden sind. Diese Offiziere aus dem Unteroffiziersstand bekommen bei 10jähriger Dienstzeit die Vollversorgung. Vergleichen Sie nun einen Unteroffizier, der 17 Dienstjahre hat - gewiß eine sehr aufopferungsvolle Dienstzeit, die sich mit der des anderen durchaus messen kann -, mit dem. Offizier mit 11 Dienstjahren, so erkennen Sie die Ungleichheit. Aus dem Zufall, daß der eine zum Offizier befördert wurde, dürfen und können Sie keine Besserstellung bzw. Schlechterstellung ableiten. Darauf wollte ich mit allem Nachdruck hinweisen und Sie nochmals bitten, diesen Personenkreis schon deswegen noch in das Gesetz einzubeziehen, weil die ihm Angehörigen zu den untersten Gehaltsstufen zählten und zählen. Sie werden dadurch viel Verbitterung vermeiden. Auch die Offiziere, die bei uns vorsprachen, haben besonderes Gewicht darauf gelegt, daß die Unteroffiziere den Offizieren gleichgestellt werden. Das ware der eine Antrag.
Der zweite Antrag betrifft die Kriegsgefangenen. Ich hatte schon damals die Ehre, auszuführen, daß der Stichtag des 8. Mai 1935, den wir aus gewissen Gründen einführen mußten, fühlbare Härten mit sich bringt, und eine der unvertretbarsten Härten betrifft die Heimkehrer. Wir haben deshalb den Antrag gestellt, jene Heimkehrer, die nach dem 8. Mai 1946 wieder in ihre Heimat gekommen sind oder kommen, vielleicht noch in das Gesetz einzubeziehen, wenn sie durch Hinzurechnung der Zeit der Kriegsgefangenschaft eine Dienstzeit von 10 Jahren erreichen. Wir bitten Sie, für diese Fälle die Bestimmung über den Stichtag des 8. Mai 1935 nicht anzuwenden. In diesem Hause sind viele und schöne Worte über die Heimkehrer gesprochen worden. Hier können wir einmal den Beweis antreten, daß wir dazu stehen, indem wir nämlich diese Härte in dem Gesetz noch beseitigen. Ich bitte Sie auch hier, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich gleich bekanntgeben, daß wir den Abänderungsantrag zu § 80 c zurückziehen.
Der Antrag zu § 80 c ist zurückgezogen.
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe an dieser Stelle schon bei der zweiten Lesung feststellen müssen - ich kann mit Herrn Matzner da nicht einig gehen -, daß die Unteroffiziere mit 18 Dienstjahren einen vollen Pensionsanspruch haben, der ihnen gegeben ist. Die Unteroffiziere mit 12 bis 18 Dienstjahren haben dann, wenn sie einen Beamtenberechtigungschein hatten - nur dann - so lange ein Übergangsgehalt bekommen, das sich jährlich verminderte, bis sie ihren Beamtendienst antraten. Wir würden, wenn wir Ihrem Antrag nachgehen, ein Recht er weitern und stehen vor der bitteren Tatsache, wir die Rechte anderer Gruppen leider einschränken mußten. Wir haben statt dessen die Beihilfen vorerst auf 12 Monate erweitert, und wenn ein ehemaliger Unteroffizier nach 12 Monaten keine Stelle hat, werden die Beihilfen weitergezahlt, so das also, dem früheren Recht entsprechend, das Übergangsgehalt gezahlt wird, bis der Betreffende untergebracht ist. Ich glaube, wir haben uns da auf dem Boden des Rechtes gehalten. Was würden Sie dazu sagen, wenn beruflich schon Untergekommene aus diesem Kreise zusätzlich einen Pensionsanspruch bekämen, den sie früher niemals gehabt haben? Die drei Koalitionsparteien sind der Meinung, daß man die wahre Rechtslage beachten muß und die durch sie gegebenen Grenzen nicht überschreiten kann.
Nun zum zweiten Punkt, den Kriegsgefangenen. Ich muß wiederholen: wir können mit dem Datum, das hier eingesetzt ist, unter keinen Umständen einverstanden sein; denn die Kriegsgefangenschaft von 1945 bis 1946 war wohl mit die furchtbarste. Wir wollen sie anrechnen, möchten aber die Ent scheidung darüber dem Beamtengesetz, das b, zum 1. Juli verabschiedet sein muß, überlassen, um dann eine grundsätzliche Regelung für alle zu treffen. Wir möchten hier nicht einen Teil auslassen, sondern grundsätzlich wollen wir alle berücksichtigen. Wenn wir jetzt im Augenblick diese Erweiterung annehmen würden, dann müßte der Antrag kommen, das ganze Gesetz an den Ausschuß zurückzuverweisen; denn der Herr Finanzminister hat bei der zweiten Beratung darauf aufmerksam gemacht, daß er seinen Einspruch dagegen erheben werde, wenn hier im Augenblick mindestens 100 Millionen DM mehr verlangt würden, die nicht vorhanden sind. Wir können es nicht verantworten, daß das Gesetz noch verzögert wird.
({0})
Ich glaube, Sie sind da derselben Meinung. Wir finden uns alle hier in Übereinstimmung; es wird keiner im Hause sein, der anders darüber denkt. Sie wissen genau so wie die Beteiligten, daß wir nächtelang darum gerungen haben. Es ist uns bitter, bitter geworden, daß wir im Augenblick darauf verzichten mußten.
({1})
({2})
Wir wollen keine Ungerechtigkeiten. Ihr Antrag ({3}) ist ungerecht, weil mit ihm nicht alle erfaßt würden. Ich glaube sogar, daß die Entscheidendsten fehlen. Wir wollen alle erfassen, und wir wollen diese Frage für alle über den Kreis der durch den Art. 131 Betroffenen hinaus in dem endgültigen Beamtengesetz regeln. Ich glaube, das ist in diesem Fall entscheidend.
({4})
Nun möchte ich gleich im Anschluß an diese Ausführungen, weil es denselben Paragraphen betrifft, vorschlagen, eine Änderung, die hier angegeben ist, noch etwas zu erweitern. Es handelt sich um den in der zweiten Lesung angenommenen Satz, daß Tapferkeit vor dem Feind bei der Beförderung anerkannt werden soll. Wir möchten den Begriff „Tap ferkeit" noch schärfer präzisieren, damit er eindeutig bestimmt ist und nicht etwas als Tapferkeit deklariert wird, was wir nicht anerkennen können.
({5})
Wir schlagen vor, vor -das Wort „erwiesener" das
Wort „urkundlich" und hinter „erwiesener" das
Tort „persönlicher" zu setzen, daß es also heißt: „urkundlich erwiesener persönlicher Tapferkeit vor dem Feind".
({6})
Ich möchte das Hohe Haus bitten, den Koalitionsantrag in dieser Fassung anzunehmen und die Anträge, wie sie von der SPD gestellt sind, aus dem Gesichtspunkt abzulehnen, daß wir das Gesetz verabschieden müssen und es uns nicht leisten können, das Gesetz in den Ausschuß zurückzuschicken und dort vielleicht zu erfahren, daß wir die vorgeschlagenen Verbesserungen im Augenblick doch nicht durchsetzen können.
({7})
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Meine Damen und Herren! Wir haben in der zweiten Lesung den Antrag der SPD zu § 48 mit der Einfügung des Abatzes betreffend Anrechnung der Kriegsgefangenhaftszeit dem Beamtenrechtsausschuß überwiesen, weil wir nicht gewillt sind, diesen Gedanken durch eine Beschlußfassung abzulehnen. Ich möchte den Antrag stellen, auch den vorliegenden Antrag aus den in zweiter Lesung eingehend dargelegten Gründen dem Beamtenrechtsausschuß zur Behandlung bei der in Kürze stattfindenden Beratung des endgültigen Beamtengesetzes zu überweisen. Im übrigen liegt unser Entschließungsantrag zu dieser Frage vor.
({0})
Weitere' Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 48.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 1 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 133. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der SPD betreffend die Ziffern 1 und 2 des § 48 Abs. 1 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Wir kommen weiter zur Abstimmung über Ziffer 2 des Antrags der SPD Umdruck Nr. 133,
({1})
einen Abs. 2 a einzusetzen. Vom Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling ist beantragt worden, auch diesen Antrag wie den in der zweiten Beratung gestellten Antrag der SPD dem Beamtenrechtsausschuß zu überweisen mit der Auflage, diesen Antrag bei der Behandlung des dem Beamtenrechts ausschuß vorliegenden Entwurfs eines Beamtengesetzes zu behandeln.
({2})
- Meine Damen und Herren, es liegt nicht ein Regierungsentwurf vor. Nach meiner Kenntnis ist aber ein Beamtengesetzentwurf dem Beamtenrechtsausschuß zugegangen und liegt ihm zur Bearbeitung vor.
({3})
- Dazu darf ich vielleicht die Anmerkung machen, Herr Kollege Menzel, daß der Beamtenrechtsausschuß, wie dieses Gesetz beweist, in dieser Zeit eine sehr umfangreiche und positive Arbeit geleistet hat.
({4})
Ich lasse abstimmen über den Antrag auf Überweisung des SPD-Antrags Umdruck Nr. 133 Ziffer 2 an den Beamtenrechtsausschuß. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußüberweisung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. ({5})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Ausschußüberweisung ist erfolgt.
({6})
Weiterhin liegt der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP, Umdruck Nr. 132 Ziffer 6, vor. Die Fassung soll nach der eben von Herrn Abgeordneten Farke - wie ich annehme, namens der antragstellenden Parteien - vorgetragenen Begründung in dem Sinne erweitert werden, daß nicht nur hinter dem Wort „erwiesener" das Wort ,.persönlicher", sondern daß auch vor dem Wort „erwiesener" das Wort „urkundlich" eingefügt werden soll. Es soll also heißen: „wegen urkundlich erwiesener persönlicher Tapferkeit".
({7})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit sind die Änderungsanträge zu § 48 erledigt.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den § 48 unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen gemäß den bisher gefaßten Beschlüssen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 48 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
({8})
Ich rufe auf § 49, Abschnitt VI a Überschrift und § 49 a, Überschrift von Abschnitt VII, § 50, Überschrift von Abschnitt VIII, § 51 - ({9})
- Zu § 50 wünscht der Berichterstatter das Wort zu, nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Ausschusses habe ich zu § 50, Beihilfen und Unterstützungen, lediglich das folgende hervorzuheben. Diese Bei- hilfen und Unterstützungen können, wie ja der Wortlaut sagt, nach den allgemein dafür geltenden Bestimmungen des Bundes, also nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Bestimmungen gewährt werden. Sie sind in einer Reihe von Paragraphen dieses Gesetzes vorgesehen. Die Vorschriften sollen besondere Notstände erfassen, namentlich Grenzfälle und außerordentliche Verhältnisse, die sich bei der Größe der Katastrophe und bei den Bevölkerungsverschiebungen, die eingetreten sind, ergeben. Es gibt eine Reihe derartiger Vorkommnisse, die nicht ganz genau unter die Bestimmungen des Gesetzes zu subsumieren, aber dem Sinne des Gesetzes nach zu berücksichtigen sind. Das ist der Zweck, und dieser Zweck soll nach dem Wunsche des Ausschusses hier noch einmal besonders festgehalten werden. Einzelne Paragraphen hervorzuheben, dürfte sich erübrigen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen des Herrn Berichterstatters zu § 50 gehört. - Ich war beim Aufruf des § 51. Ich rufe weiter auf die §§ 52, - 53, -54, - Überschrift des Abschnittes IX, - § 54 a. 3) Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen und Abschnittsüberschriften. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen und Abschnittsüberschriften zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf Überschrift des Kapitels II, §§ 55, - 56, - Überschrift des Kapitels V, §§ 72, -73, - '73 a, - 73 b, - 74, - 74 a, - 74 b, -74 c, - 75, - 75 a, - 75 b, - 76, - 76 a. Liegen Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen und Kapitelüberschriften. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 77. Es liegt vor der Antrag auf Umdruck Nr. 140, Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Miessner und Genossen: „§ 77 Abs. 1 wird gestrichen."
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens einer Anzahl von Kollegen aus der Deutschen Partei, der Bayernpartei, dem BHE und der FDP die Streichung des ominösen § 77, der besagt, daß die früheren Rechte der 131er erloschen sein sollen.
({0})
Ich beziehe mich auf meine Ausführungen in der
zweiten Lesung zu diesem Gesetz in der 131. Sitzung des Bundestages und fasse diese in dem folgenden Satz zusammen: Entweder ist der § 77
überflüssig, da sich sein Inhalt aus Art. 131 des Grundgesetzes in Verbindung mit diesem Gesetz von selbst ergibt, wie es der eine Teil des Hauses meint, oder aber er ist verfassungswidrig, da der Gesetzgeber nach Art. 131 des Grundgesetzes nicht befugt war, ganz neues, die wohlerworbenen Rechte der Betroffenen zum Teil stark einschränkendes Recht zu schaffen, wie es der andere Teil des Hauses sieht. In jedem Falle wird bei seinem Bestehenbleiben das oberste Bundesverfassungsgericht das letzte Wort zu sprechen haben.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reif.
({0})
Meine Damen und Herren! Da, wie wir eben gehört haben, auch im Hause offensichtlich die Auffassung vertreten wird, daß das Recht des Gesetzes über Art. 131 nicht konstitutiv sei, sondern daß es sich um eine Formulierung älterer Ansprüche handeln könne, da außerdem die Interessenten vielfach diese Auffassung vertreten und auch schon Prozesse angestrengt worden sir lege ich Wert auf folgende Feststellung. Die Fas sung der Formel für das Berufsbeamtentum hatte in der ursprünglichen Formulierung den Ausdruck „unter Wahrung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" vorgesehen. Über diese Formulierung war im Parlamentarischen Rat eine sehr lebhafte Diskussion entstanden, und wir haben, wie bei anderen schwierigen Fragen, in einem interfraktionellen Ausschuß versucht, hier einen Weg zu finden. Ich habe bei dieser sehr energisch geführten Diskussion im interfraktionellen Ausschuß Herrn Professor Schmid gefragt, ob seine Fraktion grundsätzlich das Institut des Berufsbeamtentums verneine oder ob es ihm nur darauf ankomme, nicht ohne weiteres Rechtsansprüche aus dem Dritten Reich zu übernehmen, wie wir es ja in den Ländern vielfach erlebt haben, daß auf dem Klagewege das Recht am Amt geltend gemacht und sogar erfüllt wurde. Es ist daraufhin - Herr Professor Schmid bejahte mir, daß es ihm nur auf die Frage der Kontinuität ankomme - beschlossen worden, den Ausdruck „unter Wahrung der hergebrachten Grundsätze" zu ändern in den Aus druck „unter Berücksichtigung der hergebracht, Grundsätze". Unter dieser Voraussetzung ist die Formel im Grundgesetz zustande gekommen. Es ist gar kein Zweifel darüber, daß der Verfassungsgesetzgeber den Willen gehabt hat, die Kontinuität der Rechte nicht zuzulassen, sondern daß alles, was in bezug auf die Beamtenrechte im Grundgesetz und in weiteren Gesetzen ausgesprochen wird, neues Recht ist. Ich lege Wert darauf, bei dieser Gelegenheit diese Feststellung zu treffen, damit kein Irrtum über den Willen des Verfassungsgesetzgebers hier im Hause und bei eventuellen Versuchen, die Rechtsprechung im Sinne bestimmter Interessen in Anspruch zu nehmen, mehr möglich ist.
({0})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu § 77 bereits gestern ausführliche Darlegungen gemacht und möchte sie nicht in den Einzelheiten wiederholen. Ich kann nur noch einmal darauf verweisen, daß § 77 eine der grundlegen({0})
den Vorschriften des Gesetzentwurfs ist, der in keiner Weise verfassungswidrig ist und in keiner Weise den Rechtsweg gewaltsam ausschließt, sondern jedem den Weg offenläßt, den er nach seiner Überzeugung zu gehen hat, wenn er glaubt, seine Ansprüche bei irgendeinem Gericht geltend machen zu müssen.
({1})
Im Gegenteil, diese Vorschriften geben eine unbedingte Klarheit. Sie geben unbedingte Klarheit gegenüber den Ansprüchen, die gegenüber dem Bund zu schaffen sind. Sie betonen ausdrücklich, daß das Gesetz die Ansprüche gegen das Reich und öffentlich-rechtliche Dienstherren außerhalb des Bundesgebiets unberührt läßt. Damit ist Klarheit geschaffen, und damit werden alle anhängigen Prozesse, die an dieser Unklarheit bisher noch gelitten haben, beseitigt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 77.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Miessner und Genossen, Umdruck Nr. 140. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag auf Streichung des Abs. 1 des § 77 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist der Antrag abgelehnt.
Dann komme ich zur Abstimmung über § 77 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf §§ 78, - 79 a, - 79 b, - 80, - 80 a - dazu liegt kein Abänderungsantrag mehr vor, da der Antrag der SPD-Fraktion zurückgezogen worden ist -, 80 b, - 80 c, - 81 - damit sind wir am Ende -, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, ich wollte Ihnen den Vorschlag machen, in diesem Falle vor der Schlußabstimmung über die Entschließungsanträge abstimmen zu lassen. Sind Sie damit einverstanden?
({0})
Für den Beamtenrechtsausschuß Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!
Ich habe noch den Auftrag des Ausschusses für Beamtenrecht, zwei Ersuchen hier festzuhalten: das erste Ersuchen an alle diejenigen Behörden der Dienstherren, die den Vollzug des Gesetzes durchzuführen haben, alles vorzubereiten, um einen möglichst raschen Vollzug zu sichern, und ein zweites Ersuchen, daß die Überbrückungshilfe insolange weiterläuft, bis für die einzelnen Fälle die entsprechenden Festsetzungen bezüglich der Versorgung erfolgt sind. Mit diesen zwei Ersuchen hat mich der Ausschuß beauftragt, und ich habe sie hiermit festgehalten.
Ich verstehe es dahin, Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst, daß das keine Anträge des Ausschusses sind, sondern nur Hinweise, die der Bundesregierung durch das Protokoll hinreichend zur Kenntnis kommen.
Herr Abgeordneter Nowack, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch eine redaktionelle Änderung vorzunehmen, die durch die Wiederherstellung des Abs. 2 in § 15 hervorgerufen wird, und zwar ist in § 27 die in der zweiten Lesung erfolgte Streichung der Worte „der Ausgleichsbeträge und" in Ziffer 3 des Abs. 1 wieder aufzuheben und der Zustand der Ausschußvorlage wiederherzustellen.
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Nowack gehört, meine Damen und Herren. Bedarf es einer besonderen Abstimmung darüber, oder ist das eine Klarstellung, die sich aus der Sache ergibt?
({0})
Ist das gemeinsame Überzeugung?
({1})
Dann bedarf es keiner Abstimmung, sondern es ist eine Klarstellung des Textes, die sich aus der Abänderung ergibt. - Ich stelle also fest, daß das gemeinsame Überzeugung des Hauses ist.
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD in Umdruck Nr. 118 vor. Es ist mir mitgeteilt worden - ich habe das nicht miterlebt -, daß die Überweisung der Entschließung an den Haushaltsausschuß beantragt worden ist. Ich lasse über den Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag auf Überweisung ist angenommen.
Weiterhin liegt der Entschließungsantrag des Abgeordneten Dr. Wuermeling Umdruck Nr. 131 vor.
({2})
- Also, ich stelle fest, daß es ein Entschließungsantrag nicht nur des Abgeordneten Wuermeling. sondern der Fraktion der CDU/CSU. FDP und DP ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zu 48 des Gesetzes zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung, wenn ich recht sehe, angenommen.
({3})
- Es sind mehrere Enthaltungen: auch die kommunistische Fraktion mit fünf Stimmen enthält sich.
Wir kommen dann zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck Nr. 142.
Herr Abgeordneter Nowack hat das Wort.
Die Entschließung wendet sich an die Stellen der Bundesregierung, die mit der Durchführung des Gesetzes betraut sind. Wir bitten diese Stellen, alles zu tun, um dieses Gesetz so schnell wie möglich durchzuführen. Der Herr Bundesinnenminister hat mir auf ein entsprechendes schriftliches Ersuchen versichert, daß von seinem Ministerium alle Maßnahmen getroffen worden sind, um die Regelung, die das Gesetz vorsieht, mit aller Beschleunigung durchzuführen. Der Herr Bundesinnenminister hat mir auf ein entsprechendes schriftliches Ersuchen versichert, dieses Gesetz knüpfen, Rechnung trägt, so daß wir" nicht eine übermäßig lange Verzogerung hinnehmen müssen, die bei den Betroffenen natürlich, das äußerste Bedauern hervorrufen würde. Wir hoffen, daß es dem Herrn Finanzminister möglich ist, durch Erhöhung der jetzt zu zahlenden Übergangsgebührnisse die Beträge den kommenden
5110 Deutscher Bundestag - 132. Satzung. Bonn, Dienstag, den 10. April 1951
({0})
Pensionen anzugleichen. Wir wünschen im übrigen, daß die Bitte, die wir an die Regierung richten, auch im Bundesrat Gehör findet und der Bundesrat seinerseits die Gelegenheit wahrnimmt, dieses Gesetz möglichst schnell zur Verabschiedung zu bringen.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ganz selbstverständlich, daß der Bundesfinanzminister das größte Interesse daran hätte, daß das Gesetz möglichst rasch, wenn es in Kraft tritt, vollzogen wird, damit nicht durch Nachzahlungen, die dann sehr plötzlich kommen können, Kassenschwierigkeiten entstehen. Der Bundesfinanzminister muß aber feststellen, daß über seine Zuständigkeit anscheinend irrige Auffassungen bestehen. Er kann ressortmäßig auf die Verwaltung der Länder nur sehr wenig Einfluß nehmen.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fröhlich.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer kurzen Sitzung des Ausschusses, gestern, habe ich an den Herrn Vertreter des Bundesfinanzministeriums die Frage gestellt, ob bei denjenigen, die neben der Arbeitslosenfürsorge die Überbrückungshilfe bekommen, im Falle von geringeren Zahlungen nach § 36 später Rückzahlungen notwendig werden. Der Herr Finanzminister sollte auf die Bitte des Ausschusses hin heute diese Frage beantworten. Das ist bisher nicht geschehen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich würde vorschlagen, daß diese Frage nicht hier, sondern unmittelbar in Verbindung mit dem Bundesfinanzministerium erörtert wird. Oder wünscht der Herr Bundesfinanzminister eine Erklärung dazu abzugeben? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck Nr. 142. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Entschließung ist angenommen.
Meine Damen und Herren, damit komme ich zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig bei zwei Enthaltungen angenommen worden ist.
({0})
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich in diesem Augenblick ein Wort sage. Ich glaube, daß das Haus verpflichtet ist, dem Beamtenrechts-ausschuß dieses Hauses und den beteiligten Dienststellen der Bundesregierung für das Unmaß an Arbeit, die geleistet worden ist, den ganz besonderen Dank auszusprechen.
({1})
Ich benutze diese Gelegenheit, um in diesem Augenblick des vor Fertigstellung dieses Gesetzes heimgerufenen früheren Vorsitzenden des Beamtenrechtsausschusses, des Abgeordneten Falkner, in Dankbarkeit zu gedenken.
Meine Damen und Herren, es gibt niemanden unter Ihnen, der von dem durch dieses Gesetz betroffenen Personenkreis nicht mit einer Unmasse von Eingaben bedacht worden ist. Das gilt insbesondere vom Beamtenrechtsausschuß, dem diese Anträge ja meistens weitergegeben worden sind. Ich glaube, daß mit diesem Gesetz, von dem wir mit einer großen Dankbarkeit feststellen können, daß es wie die übrigen großen sozialen Gesetze des Bundes fast einstimmig angenommen worden ist, eine große Not und eine Ungerechtigkeit, die auf unserem Volk gelegen und dessen Leben weithin gefährdet hat, liquidiert sind und daß drittens durch dieses Gesetz die unerträglichen Folgen des Mangels deutscher Souveränität durch den Deutschen Bundestag zu einem wesentlichen Teil beseitigt worden sind.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich möchte hier aussprechen, daß es nach meiner festen Überzeugung in diesem Hause keinen Abgeordneten gibt, der die Annahme dieses Gesetzes als eine tagespolitische Notwendigkeit empfindet, die aus irgendwelchen außen- oder innenpolitischen Gründen dringlich geworden wäre, sondern es ist unsere gemeinsame Auffassung, daß wir in diesem Punkte - und hoffentlich noch in vielen anderen Punkten - die Verpflichtung wahrnehmen, zur Beseitigung von Ungerechtigkeiten und zur Linderung der Not in unserem Volke mit den uns gegebenen Mitteln beizutragen. Ich verstehe dieses Gesetz als eine Flurbereinigung für die Zukunft und freue mich, daß der Bundestag dieses Gesetz in dieser Form angenommen hat.
({3})
Meine Damen und Herren! Zum Schluß darf ich Sie bitten, dem in der Drucksache Nr. 2075 zu Punkt 2 gestellten Antrag, Gesetzentwürfe und Anträge für erledigt zu erklären, und dem zu Ziffer 3 gestellten Antrag, die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären, zuzustimmen. Ich bitte, das durch ein Handzeichen deutlich zu machen. - Das ist geschehen.
Damit sind wir am Ende der Beratung dieses Gesetzentwurf es.
({4}) Herr Abgeordneter Ollenhauer zur Geschäftsordnung.
Ollenhauer (SPD: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Zeit seit der ersten Unterbrechung unserer Plenarsitzung haben Besprechungen zwischen Vertretern der Fraktionen der CDU und der Sozialdemokratie über eine mögliche Änderung des § 8 Abs. 3 des Gesetzes betreffend die Mitbestimmung stattgefunden. Diese Besprechungen haben zu einer schriftlichen Formulierung geführt. Unsere Fraktion hat den Wunsch, zu dieser Formulierung Stellung zu nehmen. Ich beantrage die Unterbrechung der Plenarsitzung für eine Stunde.
({5})
Meine Damen und Herren, ich darf eben noch eine Feststellung treffen, damit nachher kein Zweifel besteht. Das Haus hat es nach meiner Überzeugung als selbstverständlich erachtet, daß die dem Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes beigegebenen Anlagen mit der Abstimmung über die Paragraphen, zu denen sie gehören, angenommen sind. Ich möchte das feststellen, damit das unzweifelhaft ist.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hören hier mit Erstaunen, daß der § 8 in einer neuen Formulierung unterbreitet werden soll. Dazu besteht keinerlei Gelegenheit. Wie der Herr Präsident heute nachmittag festgestellt hat, ist der § 8 in dritter Lesung endgültig angenommen, und es besteht nur der Anlaß, die Schlußabstimmung über das Gesetz vorzunehmen.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. von Brentano.
Ich habe schon heute mittag den gleichen Standpunkt vertreten, den der Herr Kollege Euler eingenommen hat, und bin - sachlich gesehen - auch jetzt noch der gleichen Meinung. Auf der andern Seite bin ich aber der selbstverständlichen Auffassung: wenn eine Fraktion dieses Hauses - gleichgültig, welche - hier erklärt, daß sie unter einem Irrtum bei der Abstimmung gestanden hat, ist es eine Aufgabe der Loyalität, ihr die Möglichkeit zu geben, diesen Irrtum zu revidieren. Ich würde dasselbe Recht auch für mich und für meine Freunde in Anspruch nehmen und würde es selbstverständlich jeder Fraktion in diesem Hause auch zubilligen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehften Damen und Herren! Der Irrtum, der hier behauptet ist, ist insofern völlig unbegreiflich, als die sozialdemokratische Fraktion über genügend geschäftserfahrene Männer verfügt, die genau wissen, daß, wenn ein Abänderungsantrag abgelehnt wird, nicht einfach der Teil eines bisher vorhandenen Paragraphen wegfällt, sondern daß an seine Stelle der Antrag tritt, der in zweiter Lesung angenommen war. Insofern besteht keinerlei Anlaß, hier eine Veränderung vorzunehmen, die überhaupt das Problem einer Neufassung oder Neuerörterung des § 8 aufwirft.
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, die Sachdebatte zu dieser Frage des § 8 jetzt nicht weiterzuführen. Ich vermute, daß wir uns darüber nicht einigen, auch wenn wir bis Mitternacht darüber debattieren Augenblicklich ist der Antrag gestellt worden, die Sitzung zu unterbrechen, um einen auch mir nicht, bekannten Antrag zu besprechen. Ich glaube, daß es nötig ist, die Stellungnahme zu vertagen, bis man den Vorgang und die zu stellenden Anträge kennt. Im übrigen scheint es mir in diesem Hause üblich zu sein, daß, wenn eine große Fraktion die Bitte um Unterbrechung der Sitzung ausspricht, dem unabhängig von dem Inhalt dessen, was besprochen werden soll, entsprochen wird.
({0})
- Der Antrag ist für heute gestellt. Es ist jetzt 21 Uhr 40 Minuten. Ich schlage Ihnen vor, die Sitzung um 22 Uhr 40 Minuten wieder aufzunehmen.
({1})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Wunsch auf Unterbrechung der Sitzung um eine Stunde, wie ich es Ihnen vorgeschlagen habe, zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifellos die Mehrheit; die Unterbrechung ist beschlossen.
Ich teile auf Wunsch des Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano mit, daß die CDU-Fraktion sofort zu einer Fraktionssitzung zusammentritt.
({2})
Die Sitzung wird um 23 Uhr 2 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Ich begrüße Sie zu dieser nächtlichen Stunde und freue mich über die vollständige Besetzung des Hauses.
({0})
Unterbrochen worden ist die
Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaues sowie der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie ({1}).
({2})
- Meine Damen und Herren, nehmen Sie doch nicht gleich die ganze Pointe durch Zwischenrufe vorweg!
({3})
Ich rufe in Ihre Erinnerung, daß wir die Einzelabstimmung über die Paragraphen des Gesetzes, Einleitung und Überschrift beendet hatten. Ich hatte vor der Schlußabstimmung dem Herrn Abgeordneten Euler das Wort gegeben, wie er es beantragt hatte. Dann ist durch eine Geschäftsordnungsbemerkung des Herrn Abgeordneten Ollenhauer zum Ausdruck gebracht worden, daß eine Differenz über das Verständnis der Abstimmung über § 8 Abs. 3 des Gesetzes bestand. Sie erinnern sich, daß ein Abänderungsantrag und ein Eventual-antrag der Fraktion der SPD abgelehnt waren, daß über einen Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU satzweise abgestimmt wurde, wobei der erste Satz angenommen wurde und die übrigen Sätze abgelehnt wurden. Ich hatte dann unter ausdrücklichem Hinweis auf die Beschlüsse der zweiten Beratung unter Berücksichtigung des Abänderungsbeschlusses, der nach Ablehnung des zweiten Teils des CDU-Antrages keine Abänderung mehr darstellte, um Abstimmung über § 8 Abs. 3 gebeten, wobei dieser Absatz angenommen wurde.
Es hat sich inzwischen herausgestellt, daß offensichtlich - insbesondere bei der Fraktion der SPD
- eine Meinungsverschiedenheit insofern bestand, als angenommen wurde, daß alleiniger Inhalt - ich rekapituliere richtig? - des § 8 Abs. 3 der angenommene erste Satz des CDU-Antrages sei.
({4})
Die Fraktion der SPD hat den Standpunkt vertre({5})
ten, daß nur über diesen Satz abgestimmt sei. Andere Mitglieder des Hauses haben ,darüber eine andere Auffassung gehabt.
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß inzwischen Besprechungen stattgefunden haben, um einen Weg zu finden, diese Meinungsverschiedenheit zu klären.
Ich darf, um für die geschäftsordnungsmäßige Debatte, die sich ja zweifellos anschließen wird, von vornherein . meine Meinung darzulegen, folgendes sagen. Der Fall, daß eine Abstimmung in einem Irrtum über den Inhalt der Bestimmung, über die abgestimmt wird, stattfindet, ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Die Geschäftsordnung bietet also keine unmittelbare Möglichkeit, diesen Fall zu klären. Wir befanden uns vor der Schlußabstimmung. Es ist von einer größeren Zahl von Mitgliedern des Hauses die Meinung vertreten worden, es müsse möglich sein, einen offenbaren Irrtum über den Inhalt einer Abstimmung, der bei einer ins Gewicht fallenden Zahl von Mitgliedern des Hauses vorliegt - ich präjudiziere damit bewußterweise nicht die Frage, ob ein Irrtum bei einem einzelnen Abgeordneten die gleichen Folgen haben müsse -, dadurch zu berichtigen, daß die Abstimmung wiederholt wird.
Ich persönlich halte, obwohl die Geschäftsordnung eine dahingehende Bestimmung nicht enthält, eine solche Möglichkeit für durchaus erwägenswert, und zwar dann, wenn die Schlußabstimmung noch nicht stattgefunden hat, wie es hier der Fall ist. Wenn man diesen Standpunkt einnimmt, haben
wir den Fall, daß die Einzelabstimmungen noch nicht erledigt sind. Gemäß § 38 der Geschäftsordnung könnte in diesem Falle ein Teil eines Gesetzes oder das ganze Gesetz erneut einem Ausschuß überwiesen werden. Das würde selbstverständlich in sich schließen, daß dieser Ausschuß neue Anträge stellen könnte, und würde auch in sich schließen, daß in diesem Hause neue Anträge auch zu bereits erledigten Teilen gestellt werden könnten. Ich muß also den Standpunkt vertreten, daß, wenn man von der Voraussetzung ausgeht, daß die Berichtigung eines Irrtums durch eine Wiederholung der Abstimmung möglich ist, auch die Stellung neuer Anträge möglich ist.
Der Abgeordnete Sabel hat, wie mir berichtet worden ist, die Absicht, einen Antrag zu stellen. Ich darf aber zunächst, damit wir eine klare geschäftsordnungsmäßige Situation haben, diese Ansicht zur Geschäftsordnung zur Diskussion stellen. - Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz auf einen Vorgang hinweisen. Wir haben schon einmal in diesem Hause so gehandelt, wie der Herr Präsident es für möglich erklärt hat. Es war bei der namentlichen Abstimmung zum Umsatzsteuergesetz. Die Stimmzettel waren schon eingesammelt. Nach Ende der Abstimmung haben einige Abgeordnete - ich glaube, es waren Herren der kommunistischen Fraktion - erklärt, sie hätten unter falschen Voraussetzungen abgestimmt. Daraufhin wurde unter Zustimmung des Hauses die Abstimmung insoweit wiederholt, als man den Herren von der kommunistischen Fraktion gestattete, ihre Stimmen erneut abzugeben.
Herr Abgeordneter Euler!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der eben von Herrn Kollegen Schmid angezogene Fall trifft nicht den Kern; denn damals handelte es sich um eine Korrektur, die noch während des Abstimmungsvorganges vollzogen wurde.
({0})
Es spielte dabei hinein, daß bei der damals zum ersten Male gehandhabten namentlichen Abstimmung Irrtümer über den technischen Vorgang entstanden waren.
({1})
Hier handelt es sich um etwas ganz anderes; hier
handelt es sich um einen Irrtum über den Erfolg.
({2})
Wenn dieser Fall in der Geschäftsordnung nicht geregelt ist, d. h. wenn nach der Geschäftsordnung keine 'Möglichkeit gegeben ist, Abstimmungen deshalb zu wiederholen, weil von einzelnen Mitgliedern oder aber von einer Fraktion behauptet wird, es liege ein Irrtum über den Erfolg vor, dann hat das seinen sehr guten Grund; denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man das in einer Geschäftsordnung zulassen würde, dann würden wir viele Abstimmungen haben, die nur Probeabstimmungen wären.
({3})
Wenn sich jemand über den Verlauf einer Reihe von Abstimmungen irrt und ein anderes Ergebnis zustandekommt als das, mit dem er gerechnet hatte, würde allenthalben behauptet werden: Wir haben uns eben über den Erfolg geirrt, wir haben mit einem ganz anderen Verlauf gerechnet. - Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, werden wir mit wesentlichen Dingen überhaupt nicht mehr zu Rande kommen; denn es wird sich bei jedem schwierigeren und umfangreichen Gesetz die Lage ergeben - sogar mehrfach -, daß dann von irgendwelchen Gruppen des Hauses behauptet werden könnte, man habe sich im Motiv geirrt, d. h. letzten Endes über den Erfolg, über das Ergebnis, so wie man es vorausgesehen hatte.
Aus diesen Gründen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist die Auffassung des Herrn Präsidenten eklatant falsch, und es spricht nicht für die Richtigkeit der Auffassung des Herrn Präsidenten, daß er sie erst gewonnen hat, nachdem er sich mit seiner Fraktion ausführlich beraten hat, wie man das Ding wohl hinschaukeln könne;
({4})
denn, meine sehr geehrten Damen und Herren ({5})
Herr Abgeordneter Euler, ich weise den Vorwurf, der in Ihren Ausführungen liegt, zurück. Ich habe mich mit meiner Fraktion nicht darüber beraten, sondern habe meine Meinung, die ich eben dem Hause mitgeteilt habe, in gleicher Weise der Fraktion mitgeteilt.
({0})
Im übrigen bin ich es nicht gewohnt, mit meiner Fraktion etwas „hinzuschaukeln". - In Anbetracht der Tatsache, daß wir bereits 23 Uhr 10 haben, sehe ich von weiteren Maßnahmen ab.
({1})
Ich darf darauf hinweisen, daß nach § 114 Abweichungen von der Geschäftsordnung nur zulässig sind, wenn sie durch einen Beschluß gedeckt werden, der nicht den Widerspruch zumindest eines Mitgliedes des Hauses findet. Ich darf weiter darauf hinweisen, daß nach Art. 118 der Geschäftsordnung Zweifel über die Auslegung der Geschäftsordnung zwar der Präsident entscheidet,
({0})
daß aber nach § 119 Fragen einer grundsätzlichen Auslegung der Geschäftsordnung ganz anders zu behandeln sind. Man wird mir zumindest zugeben müssen, daß es sich hier um eine grundsätzliche Auslegung der Geschäftsordnung handelt. 119 sagt für diesen Fall:
Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung kann nur der Bundestag beschließen, und zwar nur auf Antrag und nach Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß.
Ich glaube, daß ich hier sehr ernste Bedenken dargelegt habe und möchte nun sehr dringend an den Koalitionspartner, die ,CDU appellieren,
({1})
daß sie sich mit uns über die entstandene Lage unterhält, andernfalls eine sehr kritische Koalitionslage eintreten wird.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Geschäftsordnungsdebatte nicht verlängern. Meine Meinung geht dahin, daß hier ein Irrtum über den Abstimmungsgegenstand vorliegt und daß dieser Irrtum, solange die dritte Lesung nicht abgeschlossen ist, berichtigt werden kann.
({0})
Ich glaube, daß es ein Gebot der parlamentarischen
Fairneß ist, dieses Verfahren zuzulassen, aber ich
unterscheide mich insofern von der Auffassung
des Herrn Präsidenten, als nur über den selben
Gegenstand und die selbe Fragestellung noch
einmal die Abstimmung wiederholt werden kann.
({1})
Wenn man mehr zulassen wollte, wenn man also gewissermaßen das, was protokolliert und damit ja in einem formellen Parlamentsakt erwachsen ist, ins Unreine machen dürfe, dann würde damit der innere Sinn, der innere Hergang der Parlamentsdebatte zerstört werden.
({2})
Meine Damen und Herren! Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob es sich um eine grundsätzliche Frage der Auslegung der Geschäftsordnung gemäß § 119 handelt. Wünscht der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses etwa das Wort dazu zu nehmen? Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Präsident des Bundestags mich so freundlich einlädt, meine Meinung zu der Sache zu sagen, dann möchte ich erklären, daß ich im Prinzip die Auffassung ,vertrete, die der Herr Präsident zu Eingang seiner Ausführungen dargelegt hat. Wenn aber der Herr Abgeordnete Euler von der FDP unter Hinweis auf die §§ 118 und 119 der Geschäftsordnung die Auffassung vertritt, daß es sich hier um eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung einer Vorschrift der Geschäftsordnung handelt, die nur durch den Bundestag beschlossen werden kann, und zwar nur auf Antrag und nach Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß, so liegt es im Belieben des Parlaments, den § 119 anzuwenden. Ich würde persönlich die Auffassung vertreten, daß es im vorliegenden Falle genügen würde, im Sinne der ersten Darlegungen des 'Herrn Dr. von Merkatz den § 118 anzuwenden, nach dem Zweifel über die Auslegung der Geschäftsordnung der Herr Präsident entscheidet.
Ich glaube, daß die Frage, um die es sich hier handelt, und der ganze Ernst der Situation, der hinter diesem Problem steht, es dem Bundestag verbieten sollte, in eine überflüssige Geschäftsordnungsdiskussion einzutreten. Er sollte aus Anstand und Konzilianz, wenn Partner der Abstimmung, also eine starke Fraktion im vorliegenden Fall, einem Irrtum unterlegen sind und den Wunsch haben, diesen Irrtum zu berichtigen - ich habe aus anderen Unterhaltungen den Eindruck, daß der Irrtum sich nicht nur auf eine Seite bezog -, als Parlament, das Wert darauf legt, keine Splitterrichterei zu treiben, auf Grund der zitierten Bestimmung der Geschäftsordnung dem Herrn Präsidenten nach § 118 der Geschäftsordnung die Möglichkeit überlassen, die Geschäftsordnung zu interpretieren, wie es das Gesetz befiehlt. Wenn aber trotzdem noch Einspruch erhoben werden sollte, dann bleibt halt in Gottes Namen nichts anderes übrig, als den Geschäftsordnungsausschuß jetzt zusammentreten zu lassen, und wenn es drei Uhr heute nacht wird, um nach § 119 die Entscheidung, die die Geschäftsordnung vorsieht und anordnet, zu treffen.
Meine Damen und Herren, wir sind in der glücklichen Lage, daß wir diese auftauchende Einzelfrage 'bei der bevorstehenden Neufassung der Geschäftsordnung berücksichtigen und uns davor schützen können, daß ähnliche Probleme geschäftsordnungsmäßiger Art noch einmal auftreten. Ich entscheide dahin, daß es sich um eine Einzelfrage 'handelt und behalte mir vor, diese Entscheidung gemäß § 118 der Geschäftsordnung zu treffen. Ich bin der Auffassung: die Meinung des Herrn Abgeordneten Euler, daß der Widerspruch eines Abgeordneten gemäß § 114 der Geschäftsordnung das hier eingeschlagene Verfahren unmöglich macht, trifft nicht zu, da eine Bestimmung der Geschäftsordnung, von der abgewichen wird, in diesem Fall überhaupt nicht vorhanden ist und darum eine Abweichung von einer festgelegten Bestimmung der Geschäftsordnung nicht vorliegt. Ich halte es für möglich, die Abstimmung zu wiederholen. Damit sind die Einzelabstimmungen der dritten Beratung nicht beendet, und gemäß § 38 der Geschäftsordnung ist die Stellung von weiteren Anträgen zulässig.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Sabel, das Wort zu ergreifen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens meiner Fraktion schlage ich dem Hohen Hause vor, dem § 8 Abs. 3 folgende Fassung zu geben:
({0})
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Kommt die Wahl auf Grund des Vorschlages des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, insbesondere dann, wenn keiner der Vorgeschlagenen die Gewähr für ein gedeihliches Wirken für das Unternehmen bietet, so muß die Ablehnung durch Beschluß festgestellt werden. Dieser Beschluß muß mit Gründen
({1})
versehen sein. Über die Berechtigung der Ablehnung der Wahl entscheidet auf Antrag des Vermittlungsausschusses das für das Unternehmen zuständige Oberlandesgericht. Im Falle der Bestätigung der Ablehnung hat der Vermittlungsausschuß dem Wahlorgan drei weitere Personen vorzuschlagen; für diesen zweiten Vorschlag gilt die vorstehende Regelung ({2}) entsprechend. Wird die Ablehnung der Wahl von dem Gericht für unberechtigt erklärt, so hat das Wahlorgan einen der Vorgeschlagenen zu wählen. Wird die Ablehnung der Wahl aus dem zweiten Wahlvorschlag von dem Gericht für berechtigt erklärt oder erfolgt kein Wahlvorschlag, so wählt das Wahlorgan von sich aus das weitere Mitglied.
Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört.
({0})
- Ich bin bereit, den Antrag vor der Abstimmung nochmals zu , verlesen. Ich eröffne die Aussprache der Einzelberatung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat mich beauftragt, folgendes zu erklären. Die Entscheidung des Herrn Präsidenten zu kritisieren, habe ich nicht die Absicht; das steht mir nicht zu. Aber angesichts des Vorgangs, daß hier nicht nur über den selben Gegenstand, sondern über einen neuen Antrag in einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgestimmt wird, habe ich den formellen Protest meiner Fraktion gegen diese gegen die Grundsätze der Geschäftsordnung und eines parlamentarischen Verfahrens verstoßende Handlungsweise einzulegen.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Euler.
Namens der Fraktion der Freien Demokratischen Partei schließe ich mich dem formellen Protest der Deutschen Partei an. Ich darf noch darauf aufmerksam machen, Herr Präsident, daß selbst nach der Konsequenz dessen, was Sie vorhin sagten, nur die Wiederholung der Abstimmung zulässig gewesen wäre, nicht aber die Einbringung eines neuen Antrags.
Ich hatte mir gestattet, Ausführungen darüber zu machen, aus welchen Gründen ich auch die Einbringung des neuen Antrags für den Fall, daß Einzelabstimmungen der dritten Beratung nicht als abgeschlossen betrachtet werden, für zulässig halte.
Wünscht sonst noch jemand das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Wird gewünscht, daß ich den Antrag noch einmal verlese?
({0})
§ 8 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan drei Personen zur Wahl vor, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen soll. Kommt die Wahl auf Grund des Vorschlags des Vermittlungsausschusses aus wichtigen Gründen nicht zustande, insbesondere dann, wenn keiner der
Vorgeschlagenen die Gewähr für ein gedeihliches Wirken für das Unternehmen bietet, so muß die Ablehnung durch Beschluß festgestellt werden. Dieser Beschluß muß mit Gründen versehen sein. Über die Berechtigung der Ablehnung der Wahl entscheidet auf Antrag des Vermittlungsausschusses das für das Unternehmen zuständige Oberlandesgericht. Im Falle der Bestätigung der Ablehnung hat der Vermittlungsausschuß dem Wahlorgan drei weitere Personen vorzuschlagen; für diesen zweiten Vorschlag gilt .die vorstehende Regelung ({1}) entsprechend. Wird die Ablehnung der Wahl von dem Gericht für unberechtigt erklärt, so hat das Wahlorgan einen der Vorgeschlagenen zu wählen. Wird die Ablehnung der Wahl aus dem zweiten Wahlvorschlag von dem Gericht für berechtigt erklärt oder erfolgt kein Wahlvorschlag, so wählt das Wahlorgan von sich aus das weitere Mitglied.
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen,
die diesem Abänderungsantrag zu § 8 Abs. 3 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich
bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei
Enthaltungen ist der Antrag angenommen.
({2})
- Und bei Gegenstimmen; das unterliegt gar keinem Zweifel.
Nach dieser Abänderung des § 8 Abs. 3 bedarf es, da wir über § 8 absatzweise abgestimmt haben, keiner weiteren Abstimung über § 8. Die Einzelbesprechung der dritten Beratung ist damit beendet.
Herr Abgeordneter Euler, wünschen Sie vor der Schlußabstimmung noch das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall.
Vor der Schlußabstimmung hat der Abgeordnete Harig das Wort.
Namens der Bundestagsfraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands
({0})
geben wir zu der Schlußabstimmung über die Gesetzesvorlage die nachstehende Erklärung ab. Das Gesetz über das Mitbestimmungsrecht in der Kohle- und Stahlindustrie entspricht nicht dem Willen und der Forderung der Arbeiterschaft nach einem echten Mitbestimmungsrecht.
({1})
Die Werktätigen wollen ein volles Mitbestimmungsrecht auf allen Gebieten der Wirtschaft
({2})
zur Sicherung ihres Arbeitsplatzes, ausreichende Löhne,
({3}) bessere Arbeitsbedingungen für die Verhinderung der Rüstungsproduktion und der imperialistischen Kriegsvorbereitungen.
({4})
Die Arbeiterschaft will auf Grund der Erfahrungen,
die sie während zweier Weltkriege sammelte, daß die Wirtschaft dem Frieden diene. Dafür sprach sich die Arbeiterschaft in der durchgeführten Urabstimmung aus.
({5})
Dr. Adenauer, der die amerikanische Politik und die Remilitarisierung durchführt, ist Befürworter dieser Gesetzesvorlage. Das sollte jedem Arbeiter und Gewerkschaftler zu denken geben.
({6})
({7})
Mit diesem Gesetz will man die Arbeiterschaft irritieren und verwirren, sie für eine Arbeitsgemeinschafts- und Burgfriedenspolitik im Interesse des amerikanischen und deutschen Monopolkapitals und der imperialistischen Kriegstreiber gewinnen.
({8})
Diese Absicht liegt auch der Haltung des SPD-Parteivorstandes und einer Reihe von Gewerkschaftsführern zugrunde, wie die Verhandlungen zu diesem Gesetz bewiesen haben. Die Illusionen, die von seiten der sozialdemokratischen Parteiführung und zahlreicher Gewerkschaftsführer in der Arbeiterschaft mit diesem Gesetz erzeugt wurden, wird die Arbeiterschaft bei der Erprobung durch die Praxis in den Betrieben schnell verlieren.
({9})
Die Kommunistische Partei Deutschlands
({10})
wird alles tun, um die Erkenntnis in der Arbeiterschaft über die wirklichen Absichten dieses Gesetzes zu beschleunigen.
({11})
Die Kommunistische Partei Deutschlands wird mit der Arbeiterschaft den Kampf um das echte Mitbestimmungsrecht weiterführen.
({12})
Der Kampf um das Mitbestimmungsrecht, wie es die Arbeiter wollen ,ist ein Teil des Kampfes gegen die Remilitarisierung und die imperialistischen Kriegsvorbereitungen
({13})
für die Erreichung eines Friedensvertrags. Die Ar beiterschaft wird das volle Mitbestimmungsrecht erhalten,
({14}) wenn es gelingt, ein einheitliches demokratisches Deutschland zu schaffen und den Frieden zu sichern. Die Fraktion der Kommunistischen Partei Deutschlands
({15})
wird sich aus den vorgenannten Gründen bei der Schlußabstimmung über diese Gesetzesvorlage der Stimme enthalten.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unglücklich und unwürdig wie der Start dieses ganzen Gesetzes war, so war auch das Ende dieses Gesetzes.
({0})
Auf gut bayrisch ausgedrückt, es war a Bluatsschand!
({1})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachsitzurigen haben es in sich; und ich möchte mich bemühen, hinsichtlich der Erklärung, die ich namens meiner Fraktion abzugeben habe, alle Schärfe zu vermeiden.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat die gesamte Vorgeschichte dieses Gesetzes mit großen verfassungsrechtlichen Bedenken beobachtet und diese Bedenken zum Ausdruck gebracht.
({0})
Diese Bedenken haben uns nicht gehindert, mit allen uns zur Verfügung stehenden Kräften an der großen Aufgabe, die mit der Gesetzesvorlage gestellt war, mitzuarbeiten.
({1})
Die Fraktion der Deutschen Partei wünscht eine dem sozialen Frieden und dem Gemeinwohl dienliche, vertrauensvolle, die sachlichen Belange der Wirtschaft fördernde Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften in allen wirtschaftlichen und sozialen Fragen. Sie muß es aber ablehnen, daß ein Mitbestimmungsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsfunktionäre an Stelle der Betriebsangehörigen bei der Spitzenorganisation der Gewerkschaften eine für den freiheitlich demokratischen Staat unerträgliche und für die persönliche Freiheit der Staatsbürger gefährliche Konzentration wirtschaftlicher, sozialer und somit auch politischer Macht ermöglicht.
({2})
Unabhängig davon bejaht die Fraktion der Deutschen Partei den Einfluß der Gewerkschaften und der Unternehmerverbände bei der Bildung der Organe der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, die auf überbetrieblicher Ebene zu bilden sind. Um die Entwicklung in positive Bahnen zu lenken, hat sie ihren Abänderungsvorschlag zu § 6 gemacht, der den Grundsatz verwirklicht, daß auch bei der Zuerkennung eines Vetos zugunsten der Gewerkschaften nur Betriebsangehörige in ,den Aufsichtsrat berufen werden konnten. Dieser Vorschlag, der als Brücke und als eine Möglichkeit einer soliden Einigung auf breiter Basis dienen sollte. ist in diesem Hause abgelehnt worden. Deshalb sieht sich die Fraktion der Deutschen Partei zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, dieser Gesetzesvorlage ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der WAV sieht sich nicht in der Lage, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, nebst vielen anderen Gründen insbesondere auch 'deshalb nicht, weil es uns nicht möglich ist, betriebsfremde Personen als Vertreter der Interessen 'der Arbeiter des betreffenden Betriebes hier heranziehen zu lassen. Wir glauben, daß ganz andere Probleme brennend wären, die zugunsten des Arbeitersgelöst werden müßten, nämlich Stabilhaltung der Preise und Löhne,
({0}) durch die die notwendigsten Bedürfnisse der Arbeiter sichergestellt werden können. Wir glauben, daß das Mitbestimmungsgesetz eher eine Ablenkung von diesen wichtigen Problemen als irgendeine Besserstellung der Arbeiter bedeutete. Aus diesen Gründen müssen wir das Gesetz in 'der vorliegenden Form ablehnen.
({1})
Weitere Erklärungen sollen offenbar nicht abgegeben werden.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz, das uns beschäftigt
({0})
hat. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in 'seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehen kann, gegen etwa 50 Stimmen - Enthaltungen? - und bei einigen wenigen Enthaltungen angenommen. Damit ist das Gesetz über die Mitbestimmung endgültig verabschiedet.
Einige Abgeordnete haben mich gebeten. daß sie nach Schluß der 'Beratung gemäß § 84 der Geschäftsordnung persönliche Bemerkungenabgeben können.
Das Wort zu einer persönlichen Bemerkung hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Rechenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin hier seinerzeit wegen eines Gespräches, das ich mit Herrn McCloy geführt habe, von der SPD aus angegriffen worden.
({0})
- Das soll man nicht machen? Man soll nicht mit Herrn McCloy sprechen? Mein Lieber, ich spreche mit dem, mit dem es notwendig ist zu sprechen, gegebenenfalls sogar mit Ihnen!
({1})
Nachdem ich damals hier richtiggestellt habe, welche Fälschung vorlag - ich habe in der Tat gar nicht daran gedacht, einen Herrn. McCloy um Hilfe anzugehen, im Gegenteil, ich habe ihm nahegelegt, sich doch endlich aus diesen Dingen herauszuhalten -, hat die Fraktion der SPD in einer sehr ehrenwerten und sehr anständigen Weise dieses mir angetane Unrecht durch ein Schreiben gutgemacht, das auf ihre Veranlassung an mich gerichtet wurde. Ich bedauere zutiefst, daß heute ein Mitglied der SPD, Herr Abgeordneter Henßler, diese infame Verleumdung wieder aufgenommen hat. Ich überlasse das Urteil darüber den Damen und Herren der SPD-Fraktion.
({2})
Zu einer weiteren persönlichen Bemerkung hat das Wort der Herr Abgeordnete Wönner.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete 'Sabbel hatte heute die Freundlichkeit, mich in seinen Ausführungen zu zitieren.
({0})
Dieses Zitat hat mich an eine Gewerkschaftsversammlung erinnert, die vor etwa vier Jahren im Kongreßsaal des Deutschen Museums in München stattgefunden hat. Dort hatten wir die Ehre, als Referenten das Auch-Gewerkschaftsmitglied, den Herrn Bundesarbeitsminister Storch, begrüßen zu dürfen.
({1})
Herr Abgeordneter Wönner, darf ich Sie bitten, - ({0})
Wönner ({1}). Ich verstehe die Erregung nicht, meine Damen und Herren.
Herr Abgeordneter Wönner!
({0})
Herr Abgeordneter Wönner, darf ich Sie bitten, die Formulierung „AuchGewerkschaftsmitglied" in einer Weise zu kommentieren, die die persönliche Verunglimpfung, die darin liegt, beseitigt.
Ich kann mir nicht vorstellen - denn darin liegt nur die Feststellung begründet, daß der Herr Bundesarbeitsminister auch Mitglied der Gewerkschaft ist.
({0})
Der Herr Bundesarbeitsminister Storch hatte dort sein wundervolles Referat mit einem vorzüglichen Satz abgeschlossen.
({1})
Herr Abgeordneter Wönner, ich bitte, Sie unterbrechen zu dürfen. Ich habe nicht den Eindruck, daß Ihre Erklärung das, was viele Abgeordnete aus Ihrer Formulierung verstehen mußten, in einer Weise geklärt hat, die tragbar ist. Die Formulierung „Auch-Gewerkschaftsmitglied" mußte von einer großen Zahl von Abgeordneten als eine Herabsetzung des Herrn Bundesarbeitmninristers empfunden werden,
({0})
Ich muß Sie dringend bitten, von derartigen Herabsetzungen abzusehen.
({1})
Wönner ({2}). Darf ich vielleicht in der Sache fortfahren?
({3})
Das wundervolle Referat des Herrn Bundesarbeitsministers hat mit einem hervorragenden Satz abgeschlossen. Er hat nämlich damals festgestellt, daß die 'gesamte neu zu schaffende Wertsubstanz denen gehören müsse, die sie erarbeitet haben.
({4})
Ich selbst als Sozialdemokrat hatte einige Bedenken, ob eine solche Formulierung - mindestens in der Gegenwart - richtig wäre, da sie, bis zur letzten Konsequenz durchdacht, die Vollsozialisierung beinhaltet. Ich darf mir erlauben, an diese Tatsache die Feststellung zu knüpfen, daß meine beiden Herren Abgeordneten-Kollegen Storch und auch Sabel in der Zwischenzeit eine Politik mit unterstützt haben, die nicht .den Zustand zu bewirken vermochte, von dem Herr Storch damals sprach, sondern die tiefstes soziales Elend über Millionen von Menschen in Deutschland gebracht hat.
({5})
- Warten Sie bitte noch eine Weile!
({6})
({7})
Ich will zur Erklärung dessen, was ich meine, noch folgendes hinzufügen.
({8})
Ich hatte gestern abend die außerordentliche Ehre, in einer öffentlichen Gewerkschaftsversammlung in München, in der ich referierte. in ,der Diskussion den Präses des Münchener Werkvolkes, namlich den Herrn Pater Prinz, begrüßen zu dürfen und dort festzustellen, daß er die Ausführungen des Abgeordneten Wönner als außerordentlich objektiv dargestellt hat.
({9})
Meine Damen und Herren, wir leisten unserer Arbeit einen Dienst. wenn wir uns nicht von der Erregung einer Nachtsitzung fortreißen lassen.
Das Wort zu einer weiteren Erklärung hat der Abgeordnete Dr. Mühlenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch mich hat der Abgeordnete Henßler zitiert, und zwar wohl auf Grund einer Meldung in der „Rheinischen Zeitung" vom 5. April 1951, wonach ich dem Vertreter einer Zeitschrift in den USA, „Modern Industry", ein Interview über das Mitbestimmungsrecht gegeben haben soll. Ich habe hier ausdrücklich festzustellen, daß ich keinem amerikanischen Journalisten ein Interview gegeben habe als in Gemeinschaft mit meinen Kollegen, mit denen ich drüben war. Ich stelle also noch einmal fest: Ich habe ein derartiges Interview nicht gegeben, auch mich nicht einem Pressevertreter gegenüber über .das Mitbestimmungsrecht geäußert.
Aber ich habe auch das Recht, hier noch eins festzustellen. Als ich kurz vor der Pressekonferenz, die der besagte Herr Haynes hier abzuhalten beliebte, durch einen bekannten Journalisten davon erfuhr, da habe ich diesen Herrn 'gebeten, falls der Herr Haynes auf das Mitbestimmungsrecht zu sprechen kommen sollte, zu erklären: „Was würden Sie, Herr Haynes, sagen, wenn wir uns oder wenn sich ein Engländer oder sonst irgendein Ausländer in die amerikanischen Angelegenheiten einmischen würden?" Als dann die Pressekonferenz leider doch in der Form, wie ich es befürchtete, stattfand, habe ich 'den Herrn Haynes am nächsten Tag ganz offiziell wissen lassen, daß seine Handlungsweise äußerst töricht gewesen ist.
Meine Damen und Herren, damit sind 'die persönlichen Bemerkungen gemäß § 84 der 'Geschäftsordnung beendet.
Ich habe den Eindruck, daß es förderlich wäre, wenn wir nicht mehr in einen neuen Punkt der Tagesordnung eintreten, sondern die heutigen Beratungen abbrechen würden. Ich schlage Ihnen vor, die Behandlung der nicht erledigten Tagesordnungspunkte von Punkt 3 ab auf die morgige Sitzung zu verlegen, wobei wir im Ältestenrat die Möglichkeit haben, Vorschläge darüber zu machen, ob noch irgendwie anders verfahren werden soll.
Meine Damen und Herren, ich schließe die 132. Sitzung des Deutschen Bundestags, nachdem ich vorher noch die nächste Sitzung auf morgen, Mittwoch, 13 Uhr 30, einberufe.