Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 131. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt sind die Abgeordneten von Thadden, .Glüsing, Rath, Dr. Becker ({0}), Brese, Dr. Bertram, Frau Albrecht, Wönner, Bettgenhäuser, Schmücker, Kuhlemann, Kurlbaum, Roth, Paul.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach: Frau Hütter auf 4 Wochen wegen Krankheit. Attest des behandelnden Arztes ist beigefügt.
Meine Damen und Herren! Darüber hinaus habe ich die Mitglieder des Bibliothekausschusses des Bundestages beurlaubt, die zu einer Tagung nach Kiel gefahren sind. Sie sind irrtümlich nicht in die Liste der entschuldigten Abgeordneten aufgenommen worden. Der Abgeordnete Dr. Semler ist ebenfalls entschuldigt.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 5. April 1951 die Anfrage Nr. 173 der Abgeordneten Hagge, Steinhörster und Genossen betreffend Allgemeine Neuwahlen aller Vertretungen von Gemeinden und Kreisen im Lande Schleswig-Holstein vor Ablauf der festgesetzten Wahlperiode - Drucksache Nr. 2066 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2118 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, wir treten in die
Tagesordnung ein und kommen zunächst zur Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der
Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({0}),
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({1}) ({2}).
({3})
Gestern ist die Drucksache Nr. 2075 bis § 47 durchgearbeitet und in der zweiten Beratung erledigt worden.
Ich darf den Herrn Berichterstatter bitten, zur Berichterstattung über Abschnitt VI das Wort zu nehmen.
Dr. Kleindinst ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abschnitt VI betrifft die Rechtsverhältnisse der Berufssoldaten - §§ 48 und 49. Für die Berufssoldaten des Wehrdienstes, auch soweit sie aus dem Dienst der Landespolizei oder aus einem Beamtenverhältnis in die Wehrmacht übergegangen sind, gelten die Bestimmungen für die vertriebenen Beamten, und zwar hinsichtlich der allgemeinen Vorschriften der Versorgung, der Kapitalabfindung und der Bestimmungen für Ruhestandsbeamte und sonstige Versorgungsempfänger. Zur Wehrmacht gehören die Wehrmacht im Sinne des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935, die alte Wehrmacht, die Reichswehr und bei volksdeutschen Umsiedlern die Wehrmacht des Herkunftslandes.
Der Gesetzentwurf legt zwei Stichtage fest: den 8. Mai 1935 als den Tag, vor dem die Berufssoldaten der früheren Wehrmacht in den Wehrdienst berufen sein müssen, und als zweiten Stichtag den 8. Mai 1945, an dem die Berufssoldaten der früheren Wehrmacht noch im Dienst gewesen oder vor dem sie mit lebenslänglicher Dienstzeitversorgung aus dem Dienst entlassen sein müssen. Der erste Stichtag ist lediglich dadurch bedingt, daß auch für die Berufsoffiziere wie für die Beamten der Grundsatz des zehnjährigen Dienstes im öffentlichen Dienstverhältnis gilt. Dadurch, daß mit dem Tage der Kapitulation ein Endpunkt gesetzt ist, fällt der Stichtag auf den 8. Mai 1935. Eine andere Ursache hat dieser Stichtag nicht.
Die Berufsoffiziere mit einer Dienstzeit von 10 und mehr Jahren und die Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von 18 und mehr Jahren werden wie Beamte auf Lebenszeit behandelt, die Berufsoffiziere mit einer Dienstzeit von weniger als 10 Jahren und die Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von weniger als 18 Jahren wie Beamte auf Widerruf. Hier ist die Angleichung an die alten Rechtsverhältnisse noch gegeben. An der Unterbringung nehmen die Berufsunteroffiziere ,mit einer Dienstzeit von mindestens 12 Jahren teil. Die Unterbringungspflicht gegenüber diesen Berufsunteroffizieren erstreckt sich auch auf die Bundesbahn und die Bundespost. Auf den Pflichtanteil der zur Unterbringung verpflichteten Dienstherren sind aber auch Berufsoffiziere mit einer Dienstzeit von 10 und mehr Jahren und Berufunteroffiziere mit einer Dienstzeit von mindestens 10, aber noch nicht 12 Jahren anzurechnen, wenn sie in ein Dienstverhältnis übernommen worden sind oder übernommen werden.
Bei der Versorgung werden die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach den Besoldungsordnungen A und B bemessen. Die Festsetzung des Besoldungsdienstalters in den Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A bestimmt sich nach den für Beamte geltenden Vorschriften.
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Hinsichtlich des Stichtages vom 8. Mai 1945 ist noch das folgende hervorzuheben. Der Tag der Kapitulation war der Beginn der tatsächlichen Auflösung der Wehrmacht. Zwischen dem 8. Mai 1945 und der besatzungs- und völkerrechtlichen Auflösung der Wehrmacht und der Außerkraftsetzung der Wehrgesetze lag eine Zeit, in der deutscherseits Hoheitsakte über die Wehrmacht nicht mehr möglich waren und eine Befehlsgewalt über die Wehrmacht nicht mehr ausgeübt werden konnte. Die endgültige völkerrechtliche und besatzungsrechtliche Auflösung der Wehrmacht war nichts anderes als die rechtliche Bestätigung der Verhältnisse, die am 8. Mai 1945 bereits eingetreten waren. Sie war nicht eine innerdeutsche Angelegenheit, sondern eine Angelegenheit der Kriegspolitik der Alliierten, und deshalb mußte sich der Gesetzentwurf auf den Stichtag des 8. Mai 1945 festlegen.
Leider konnten nicht alle Bestimmungen des Fürsorge- und Versorgungsgesetzes vom 26. August 1938 verwirklicht werden. Wir verstehen es durchaus, wenn namentlich die Berufsunteroffiziere sich immer wieder auf das Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetz berufen, das ihnen gewissermaßen die Sicherung für ihr ganzes Leben geben sollte und das ihnen als die Grundlage dieser Sicherung hingestellt wurde. Wenn man das Gesetz jedoch vorurteilslos prüft, so muß man sagen, daß es für eine Zeit berechnet war, in der die damalige nationalsozialistische Reichsregierung sich zu ihren großen außenpolitischen Schlägen rüstete. Der Erlaß dieses Gesetzes fällt zwischen den Einmarsch in Österreich und die Besetzung des Sudetenlandes, also in eine Zeit, in der auch bereits die Vorbereitungen für die Besetzung der Tschechoslowakei und für die Lösung der polnischen Frage getroffen waren. Man muß zu der Überzeugung kommen, daß alle Bestimmungen des Wehrmachtfürsorgeund -versorgungsgesetzes von 1938 bereits damals über die finanziellen Kräfte des Reiches hinausgingen.
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Wenn diese Bestimmungen auch auf frühere wehrrechtliche Regelungen zurückgehen, so darf man nicht übersehen, daß die damaligen Regelungen für das 100 000-Mann-Heer galten und berechnet waren, während sie nunmehr für die MillionenArmee des Krieges von fünfeinhalb Jahren in Anspruch genommen werden. Bestimmungen wie der weitgehende Vorbehalt der planmäßigen Beamtenstellen oder über die Abfindung zur Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebes für die Wehrmachtsiedler, namentlich in den Grenzgebieten, sind durch die Katastrophe von 1945 vollständig überholt. Auch haben Hunderttausende als Angehörige der Wehrmacht bis zu 10 Jahren Dienste geleistet und ihre Ausbildung oder ihren Beruf geopfert, ohne dafür Ansprüche auf Entschädigung stellen zu können oder auch nur stellen zu wollen. Deshalb konnte es sich nur darum handeln, in Anlehnung an die Grundsätze über die Unterbringung und Versorgung neue, zur Zeit durchführbare und finanziell vertretbare Bestimmungen zu erlassen. Daher sind auch für die Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von mindestens 12 Jahren, die noch nicht in regelmäßigem Verdienst stehen, einmalige oder laufende Beihilfen bis zur Dauer von drei Monaten zur beruflichen Unterbringung oder Selbständigmachung oder Anlernung und zu den Kosten der Übersiedlung vorgeschlagen. Der Ausschuß hat dabei insbesondere an die Verhältnisse gedacht, die sich durch die Auflösung der
Wehrmacht in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen ergeben haben, wo zwar die handwerksmäßig gelernten Männer wieder untergekommen sind, aber insbesondere solche, die Kaufleute waren oder die unmittelbar von einer Oberschule aus zur Wehrmacht gegangen sind, nicht unterkommen konnten. Die Entlastung in diesen Verhältnissen ist ein vorwiegendes Ziel dieser Gesetzesbestimmungen, und dafür sind auch die Beihilfen gedacht.
Zu Abschnitt VI a, der noch hierher gehört, ist hervorzuheben, daß die berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes, die ebenfalls vor dem 8. Mai 1935 erstmals berufsmäßig in den Wehrdienst eingetreten, in ein Beamtenverhältnis oder in den Dienst der früheren Landespolizei berufen worden sind, die als Angehörige des Wehrdienstes, der Landespolizei oder einer Verwaltung in den Reichsarbeitsdienst übergegangen oder übergeführt worden sind, die also eine 10jährige Dienstzeit abgeleistet haben, wie die Angehörigen der Wehrmacht behandelt werden. Dabei werden die mittleren und höheren Reichsarbeitsdienstführer wie die Berufsoffiziere und die unteren Reichsarbeitsdienstführer wie die Berufsunteroffiziere behandelt. Für die Einreihung in die Besoldungsordnung A und B ist eine besondere Anlage C dem Gesetz beigegeben.
Um dieses Thema abzuschließen, darf ich zu den Abschnitten VII und VIII noch folgendes sagen. Die nach Kapitel I zu leistenden Versorgungszahlungen übernimmt der Bund, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Der Bund ist insofern der Dienstherr für diese Gruppen der öffentlichen Bediensteten und Angehörigen der früheren Wehrmacht und des früheren Reichsarbeitsdienstes. In § 53 ist vorgesehen, daß durch den Wechsel des Wohnsitzes eines Anspruchsberechtigten keine Schwierigkeiten in der Weiterzahlung der Bezüge mehr eintreten, so daß also zwischen einheimischen und zugewanderten Beamten oder Wehrmachtangehörigen kein Unterschied mehr gemacht wird. Damit ist die Freizügigkeit der unter den Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen auch nach dieser Richtung hin wiederhergestellt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich rufe § 48 auf. Wünscht jemand dazu das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter von Aretin!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich meine kurzen Ausführungen beginne, erlaube ich mir, übliche Verhältnisse einmal umzukehren. Im allgemeinen ist es üblich, daß die Presse die Abgeordneten ausgiebig und hinlänglich kritisiert. Gestatten Sie einmal die Umkehrung. Wir erlauben uns auch einmal zu kritisieren, daß eine so angesehene Zeitung wie die „Frankfurter Allgemeine" in ihrer Betrachtungsweise über Art. 131 gestern Dinge zu Papier gebracht hat, die nicht mehr als Reproduktion des tatsächlich Gewesenen bezeichnet werden können.
Ich habe unseren Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 123 zu begründen. Meine Damen und Herren, es geht uns hier in erster Linie um die Beseitigung des Stichtages. Warum? Das Gesetz nach Art. 131 soll die Rechtsverhältnisse all derjenigen gleichmäßig regeln, die durch die Verhältnisse des Jahres 1945 aus ihrem Amt verdrängt worden sind, also die der vertriebenen Beamten, der 'verdrängten Beamten und auch der ehemaligen
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Berufssoldaten. Lediglich bei der Regelung für die Berufssoldaten besteht noch ein Stichtag. Es wird in diesen Kreisen - wahrscheinlich zu Unrecht - als eine Diffamierung ausgelegt, daß gerade für sie der Stichtag des 8. Mai 1935 geblieben ist.
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- Herr Kollege Wuermeling, ich bedauere, Ihnen doch nicht recht geben zu können; denn nachdem bei den Beamten keine Stichtage mehr gelten, erscheint es mir richtig, auch hier den Stichtag zu beseitigen, um eine völlige Gleichstellung aller derjenigen zu erreichen, denen wir die schwachen Vergünstigungen des Art. 131 zu geben in der Lage sind.
Darüber hinaus, meine Damen und Herren, habe ich hier den Antrag gestellt, dem Leistungsprinzip, das ich bereits gestern hier zu vertreten hatte, auch im § 48 zum Durchbruch zu verhelfen. Wir haben gestern beim § 18 das Leistungsprinzip nicht in dem Maße beachtet, wie es meiner Meinung nach zweckmäßig gewesen wäre. Deshalb bedauere ich, noch einmal darauf hinweisen zu müssen, daß es nach meiner und meiner Freunde Meinung ein Fehler ist, die Nivellierung in diesem Gesetz gar zu weit zu treiben. Ich bitte also, dem Antrag der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 zuzustimmen mit der Maßgabe, daß eine kleine redaktionelle Änderung, die durch die Abstimmung gestern notwendig geworden ist, von mir anschließend dem Herrn Präsidenten übergeben wird. Ich darf dabei auf Verständnis bei der CDU bzw. der Regierungskoalition rechnen, da diese gestern einen im Kern ähnlichen Antrag gestellt hat.
In meinen heutigen Ausführungen muß ich noch auf folgendes zu sprechen kommen, was nun anfängt, mir schmerzlich zu werden. Es erscheint mir notwendig, daß gerade die große Kategorie der Berufssoldaten stärker an die sich heute in Westdeutschland bildende Demokratie herangeführt und an sie gebunden wird. Wir wissen, in wie starkem Maße man gerade im Osten versucht, ehemalige maßgebende Funktionäre der früheren deutschen Armee an das kommunistische System zu binden. Wir hier in Westdeutschland hätten allen Grund, ebenfalls die Funktionäre der ehemaligen deutschen Armee an uns zu binden, soweit es in unseren Kräften steht.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nowack.
Meine Damen und Herren! Sie haben in dem Umdruck Nr. 119 unter Punkt 3 einen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP vorliegen, in § 48 Abs. 1 Satz 1 nach dem Wort „entsprechend" folgenden Satz einzufügen:
§ 30 a findet Anwendung mit der Maßgabe, daß Beförderungen wegen erwiesener Tapferkeit stets zu berücksichtigen sind.
({0})
Meine Damen und Herren, wir haben gestern durch den Herrn Bundeskanzler Worte über den deutschen Soldaten gehört, die uns allen zu Herzen gegangen und für die wir ihm sehr dankbar sind. Der deutsche Soldat ist in den vergangenen Jahren vielfach in einer Weise angegriffen, verkannt und verfolgt worden, die mit seiner Leistung und
dem Einsatz für sein Volk in Widerspruch stand.
({1})
Seit langem haben unsere Soldaten - nicht nur die Berufssoldaten, sondern alle, die den Waffenrock getragen haben - auf ein Wort aus diesem Hause gewartet, das ihnen ihre Ehre als Soldaten, als Kämpfer für ihr Volk bestätigt hat.
({2})
Das, was wir hier als einen kleinen Antrag einbringen, ist in seiner materiellen Bedeutung nicht so wesentlich. Aber es ist wesentlich als ein Beweis der Anerkennung und des Dankes und als ein Beweis dafür, daß das deutsche Volk den anständigen deutschen Soldaten und Kämpfer in seinem Herzen eingeschlossen hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter.
Meine Damen und Herren! Die beiden Anträge, die eben gestellt worden sind, finden selbstverständlich unsere volle Zustimmung. Ich darf aber noch auf eines hinweisen. Es erscheint mir notwendig, in § 48 Abs. 1 unter Ziffer 2 die Worte „Beamte auf Widerruf" zu ändern in die Worte „Beamte zur Wiederverwendung". Denn ich glaube, es besteht dann eher die Möglichkeit, daß Angehörige dieser Personengruppe wieder in den Beruf oder in irgendeine Stelle hineinkommen.
Ferner habe ich dem Herrn Präsidenten gestern bereits einen Antrag übergeben, die auf Seite 27 der Drucksache Nr. 2075 in § 48 am Schluß stark gedruckten Worte „An ihre Stelle tritt bei volksdeutschen Vertriebenen und Umsiedlern die Wehrmacht des Herkunftslandes" durch die Worte „einschließlich der ehemaligen österreichungarischen Monarchie" zu ergänzen, und zwar deswegen, weil unter Umständen Bürokraten erklären könnten, daß die österreich-ungarische Monarchie nicht darunter fällt, da sie nicht als Herkunftsland zu betrachten ist, und daß man infolgedessen diesen meistens doch sehr verdienten Offizieren und Unteroffizieren das ihnen Zukommende nicht zubilligt.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Nach § 48 des Gesetzentwurfs ist bei den Berufsoffizieren eine Dienstzeit von mindestens zehn Jahren, bei den Berufsunteroffizieren eine solche von mindestens achtzehn Jahren als Vorbedingung für die Behandlung als Beamte auf Lebenszeit festgelegt. Berufsoffiziere mit weniger als zehn und Berufsunteroffiziere mit weniger als achtzehn Jahren Dienstzeit sind nach diesem Gesetzentwurf wie Beamte auf Widerruf zu behandeln. Meine Fraktion ist gegen eine solche ungleiche Behandlung der Berufssoldaten.
({0})
Man kann sich, wenn man die Ansprüche der Berufssoldaten heute auf der Grundlage des Beamtenrechts regeln will, wie das mit dem vorliegenden Gesetz geschehen soll, unserer Meinung nach nicht darauf berufen, daß das Wehrmachtversorgungsgesetz zehn und achtzehn Dienstjahre vorgesehen hat. Aus diesem Grunde beantragt meine Fraktion eine Änderung der Fassung des § 48 Abs. 1 Ziffern 1 und 2 wie folgt:
Dabei sind
1. die Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere
({1})
mit einer Dienstzeit von zehn und mehr Jahren
wie Beamte auf Lebenszeit,
2. die Berufsoffiziere und Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von weniger als zehn Jahren wie Beamte auf Widerruf
zu behandeln.
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Abänderungsantrag meiner Fraktion Umdruck Nr. 116 Ziffer 6 kurz zu begründen.
Wir haben schon im Ausschuß den Antrag gestellt, daß die Unteroffiziere nicht erst mit achtzehn, sondern schon mit zwölf Jahren Dienstzeit in den Genuß der gleichen Behandlung kommen wie die Offiziere nach zehn Jahren. Man hat uns damals entgegengehalten, daß hier die Rechtsverhältnisse anders sind. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß wir gerade hinsichtlich- dieses Personenkreises von unseren Absichten etwas abweichen mußten, eine vollständige Gleichberechtigung herzustellen. Wir sind bewußt, und zwar aus verschiedenen Gründen, vom ehemaligen Wehrmachtfürsorgegesetz abgewichen. Es ist trotzdem folgendes festzustellen. Es geht absolut nicht an, daß die Unteroffiziere mit zwölf Dienstjahren noch nicht in den vollen Genuß der Altersversorgung kommen. Wir müssen nämlich für die Regelung die Verhältnisse so sehen, wie sie wären, wenn die Zeiten normal verlaufen wären. Dann wären diese Unteroffiziere zum Teil bei der Wehrmacht geblieben, zum Teil aber bestimmt auch in das Beamtenrecht eingerückt. Sie hatten also unstreitig nach zwölf Dienstjahren den Anspruch auf volle Versorgung, so oder so. Wir sehen deshalb nicht ein, weshalb man hier den Unterschied machen soll, zumal es sich hier wieder um Leute mit niedrigen Bezügen handelt. Ich erwähne in diesem Zusammenhang auch den von der Regierungsmehrheit gestellten Antrag, dem natürlich auch von uns zugestimmt wird, den Berufsunteroffizieren eine Übergangshilfe auf die Dauer von drei Monaten zu geben, welche durch den Abänderungsantrag, der inzwischen gestellt worden ist, auf zwölf Monate erweitert werden soll. Die Regelung wird den Verhältnissen nicht gerecht. Wenn wir normale Zeiten hätten, wenn diese Unteroffiziere aus irgendwelchen Gründen heute aus dem Dienst ausscheiden müßten, könnten wir es verstehen, daß man ihnen Übergangshilfen gibt, damit sie in einen neuen Beruf hineinkommen, damit sie sich umschulen können. Aber denken Sie doch daran, daß inzwischen eine ganze Reihe von Jahren vergangen Ist, daß diese Möglichkeiten heute nicht mehr bestehen und daß manche in ein Alter gekommen sind, in dem sie eben dann gar nichts bekommen, wenn diese Fassung des Gesetzes stehen bleibt. Wenn wir nun auch trotz der geschilderten Verhältnisse zugeben wollen, daß Zweifel über die Rechtsstellung der Unteroffiziere übrigbleiben können, möchten wir doch das Hohe Haus bitten, in diesem Falle, weil es sich eben um kleine Gehaltsempfänger handelt, nach dem alten Rechtsgrundsatz zu verfahren: im Zweifel für den Betroffenen.
Ich sagte schon, es handelt sich um Menschen mit geringen Bezügen. Deswegen sind die Auswirkungen gar nicht bedeutend. Ich sagte auch, daß der § 49 Abs. 3 keinen echten Ersatz bietet. Deswegen bitte ich, unserem Antrag stattzugeben, das Wort „achtzehn" in Abs. 1 Ziffern 1 und 2 durch „zwölf" zu ersetzen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch den zweiten Abänderungsantrag zu § 48 begründen. Das fällt mir außerordentlich leicht. Sie wissen - das wurde auch vom Berichterstatter hervorgehoben -, daß wir den Stichtag des 8. Mai 1935 einführen mußten. Die Gründe dafür sind dargelegt worden. Wir haben uns aber immer Gedanken darüber gemacht, daß dieser Stichtag größere Härten mit sich bringen könne. Eine der unvertretbaren Härten scheint uns hinsichtlich der Spätheimkehrer vorzuliegen. Hier haben wir nach einem Ausweg gesucht. Wir wollen Ihnen nun vorschlagen, daß jenen Kriegsgefangenen aus den Reihen des angesprochenen Personenkreises der Wehrmacht auch die Zeit der Kriegsgefangenschaft als ruhegehaltsfähige Dienstzeit angerechnet wird, bei denen sie länger als ein Jahr gedauert hat, also die Heimkehr nach dem 8. Mai 1946 erfolgt ist. Wir wissen, daß hier ein weiterer Personenkreis hinzutritt, glauben aber, wenn wir bei den Beamten diese Zeit anrechnen, es nicht verantworten zu können, dies bei den andern Heimkehrern unterlassen zu sollen. Wir schlagen deshalb vor, ihnen diese Kriegsgefangenschaftszeit anzurechnen mit der Maßgabe, daß in diesen Fällen die Stichtagsregelung des 8. Mai 1935 praktisch nicht zur Geltung kommt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns erlaubt, zu § 48 drei Anträge zu stellen. Der erste bezieht sich auf die Gleichstellung mit den Beamten durch Beseitigung des Stichtages. Der zweite will, daß besondere Leistungen bei den Beförderungen berücksichtigt werden. Hier soll vor allem die Bewährung charakterlicher Eigenschaften vor dem Feind nicht unberücksichtigt bleiben, weil wir der Meinung sind, daß Menschen, die vor dem Feind eine besondere Haltung bewahren, eine Beförderung verdient haben. Wir haben drittens den Antrag gestellt, daß die Worte „zwei Drittel" durch die Worte „50 vom Hundert" ersetzt werden sollen, weil wir der Auffassung sind, daß eine Dienstunfähigkeit nicht erst dann angenommen werden soll, wenn eine Minderung der Dienstfähigkeit um zwei Drittel eingetreten ist, nachdem das Gesetz über die Kriegsopferversorgung die Schwerbeschädigteneigenschaft schon bei 50% beginnen läßt.
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Ich darf aber noch folgendes hinzufügen. Der Antrag unter b, der bezweckte, daß besonders hervorragende Leistungen bei den Beförderungen zu berücksichtigen sind, ist in der gegenwärtigen Fassung durch die Beschlüsse zu den §§ 18 Abs. 1 und 30 a überholt. Ich darf namens der Fraktion der Bayernpartei den Antrag zu 2 b hiermit zurückziehen. Wir behalten uns vor, ihn bei der dritten Beratung in einer der Lage nach §§ 18 Abs. 1 und 30 a entsprechenden Neuformulierung einzubringen. Es würden also die Anträge 2 a und c zur Behandlung übrigbleiben.
Grundsätzlich darf ich folgendes bemerken. Solange der Sieger mit zornigem Atem uns gegenüberstand, war zu verstehen, daß er eine Politik ab irato treiben wollte. Nach sechs Jahren muß eine andere Betrachtungsweise Platz greifen.
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Es geht nicht an, daß Berufssoldaten, die Söhne des
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einen und gleichen Volkes sind und ihre Pflicht, wie der Herr Bundeskanzler gestern gesagt hat, erfüllt haben, schlechter als die Beamtenschaft gestellt werden. Ich darf darauf hinweisen, daß das nazistische Regime eine Reihe von Sonderbehörden geschaffen hat, wie den Beauftragten für den Vierjahresplan, die Einrichtung eines Generalinspekteurs und anderer Spitzenstellen von Sonderbeauftragten, die in einem wesentlich intensiveren Maße und in einem höheren Grade der Rüstung, dem Rüstungsgeschäft und der Vorbereitung des Krieges dienten als die Berufssoldaten, die nichts anderes zu tun hatten, als einen an sie ergangenen Befehl des Staates auszuführen. Wir möchten also haben, daß hier mit einer größeren menschlichen Noblesse verfahren wird, daß man aus Gründen der politischen Befriedung unseres Volkes eine Diskriminierung beseitigt und daß man erkennt, daß es sich hier, wie ich schon gesagt habe, um die Söhne eines und des gleichen Volkes handelt. Wir würden es als einen großen Gewinn und politischen Fortschritt ansehen, wenn unseren Anträgen zu § 48 unter 2 a und c Rechnung getragen würde und das Hohe Haus zustimmen könnte. Um diese Zustimmung möchten wir Sie dringend gebeten haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stimmen den Abänderungsanträgen der Bayernpartei und auch der Sozialdemokratischen Partei in vollem Umfang zu. Wir verzichten darauf, ähnliche Abänderungsanträge zu stellen.
Lassen Sie mich noch einige wenige kurze Ausführungen zu dem Antrag der Bayernpartei betreffend Abänderung des Termins vom 8. Mai 1935 machen. Wir haben uns bereits im Ausschuß für Beamtenrecht sehr eingehend darüber unterhalten, und ich darf das Hohe Haus darauf hinweisen, daß durch die Festlegung dieses Termins insbesondere für die Heimkehrer sehr große Härten entstehen würden. Entsprechend der allgemeinen Übung sollten wir gerade die Heimkehrer bevorzugt behandeln. Wir haben das im Bundesversorgungsgesetz getan, wir haben das im Heimkehrergesetz und ebenso in dem neuen Umsiedlungsgesetz getan. Wenn dieser Termin erhalten bliebe, dann würde das für die Spätheimkehrer bedeuten, daß ein Heimkehrer, der am 9. Mai 1935 oder später in die Wehrmacht eingetreten und bis zum Jahre 1950 in Kriegsgefangenschaft gewesen ist, also 15 Dienstjahre aufzuweisen hat, keinen Anspruch auf Versorgung nach diesem Gesetz hätte, während jemand, der durch Glück und Zufall sofort nach Kriegsende entlassen wurde, die Leistungen nach diesem Gesetz in vollem Umfang in Anspruch nehmen kann. Ich möchte deshalb das Hohe Haus bitten, unbedingt dafür zu stimmen, daß dieser Termin abgeändert wird, damit wir den Heimkehrern nicht besondere Härten auferlegen.
Das, was über die Gleichstellung der Unteroffiziere mit den Offizieren mit einer Dienstzeit von zehn Dienstjahren gesagt wurde, unterstreiche ich hundertprozentig. Es besteht heute gar kein Grund, irgendeinen Unterschied zwischen Offizieren` und Unteroffizieren zu machen. Ich darf Ihnen auch sagen, daß die Offiziere im Gegenteil sogar Wert darauf legen, daß diese bewährten Unteroffiziere mit ihnen gleichgestellt werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem deutschen Soldaten hat bisher in der Vergangenheit und in den letzten Jahren niemand die Ehre nehmen können. Wir begrüßen aber, daß endlich eine Erklärung abgegeben wurde, die nichts wieder zurückgeben wollte, die aber offiziell von höchster deutscher Stelle die Feststellung traf, daß die Ehre des deutschen Soldaten für das deutsche Volk unangetastet ist und unangetastet bleibt.
Nun haben die Koalitionsparteien CDU/CSU, FDP und DP zu § 30 a den Antrag gestellt, nach dem Beförderungen wegen erwiesener Tapferkeit stets zu berücksichtigen sind. Ich möchte diesen Satz dahin erweitern, daß unter erwiesener Tapferkeit Tapferkeit im Felde bzw. vor dem Feind gemeint ist. Die drei Parteien sind damit einverstanden, daß wir diesen Satz in der Form aussprechen, daß Beförderungen wegen erwiesener Tapferkeit vor dem Feind stets zu berücksichtigen sind.
Es liegt uns natürlich am Herzen, vor allen Dingen auch mir persönlich - ich brauche das nicht extra zu betonen, da ich nicht erst seit heute, sondern gleich nach dem Zusammenbruch nach 1945 mit meinen Freunden dafür kämpfe -, daß wir möglichst dem Rechtsanspruch der einzelnen entgegenkommen und versuchen, ihn aus dem Versorgungsgesetz heraus zu befriedigen. Wir wissen, daß wir bei allem - wir haben versucht, das in gerechter Abwägung zu tun - Einschränkungen machen mußten, die uns sehr, sehr schwer geworden sind. Besonders am Herzen hat uns natürlich die Sache der Berufsunteroffiziere gelegen, und es ist uns gelungen, von ihren Rechtsansprüchen das meiste zu erfüllen. Vom 10. Dienstjahr ab - es gilt ja für alle die 10-DienstjahrVoraussetzung - erkennen wir ihren Anspruch auf Unterbringung an, und die betreffenden Behörden können sie bei der 20%igen Unterbringung mitanrechnen. Vom 12. Dienstjahr an besteht der Anspruch gemäß dem früheren Anspruch auf Unterbringung. Wir sind uns aber klar darüber, daß diese Unteroffiziere von 12 bis 18 Dienstjahren gegenüber anderen Beamtengruppen ins Hintertreffen geraten sind. Sie sind praktisch nicht konkurrenzfähig, weil sie nicht die Vorbereitung erhalten haben, die sie sonst bei normalen Verhältnissen erhielten,
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um in einem Beamtenberuf den Dienst tun zu können, so daß wir uns Maßnahmen überlegen mußten, um ihnen hier den gleichen Start wie den anderen zu geben. Wir wollen vor allen Dingen bei den Ausführungsbestimmungen ein Augenmerk darauf haben, daß Behörden, sei es Post, Eisenbahn und alle die, auf die wir einen Einfluß nehmen können, eine Anweisung bekommen, in einem bestimmten Prozentsatz bevorzugt Leute aus diesem Kreise unterzubringen, denen es ja in erster Linie darum geht, wieder in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden.
Wir müssen aber auch von dieser Stelle aus einen Appell an diejenigen richten, die bisher verhindert haben, daß diese Leute Arbeit bekamen. Und hier muß es einmal gesagt werden: Wenn man es ehrlich damit meint, diesen Kreisen zu helfen, dann muß man vor allen Dingen von der linken Seite des Hauses auf die Betriebsräte einwirken,
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diesen Leuten nicht mehr entgegenzustehen, wie es bisher sehr oft geschehen ist,
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und nicht mehr zu sagen, es sind Militaristen. Darüber beklagen sich diese Kreise am allermeisten.
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Dieser unser Appell von der Tribüne des Bundestages soll diese Kreise ermahnen, nun einmal auch ernst zu machen und diese Kräfte nicht mehr auszuschließen. Dann haben wir für diese Kreise das Entscheidendste getan.
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Wir haben weiter für die Berufsunteroffiziere erreicht, daß die Nachversicherung in der Reichsversicherungsanstalt für sie gewährleistet und bis zum 31. Dezember 1952 garantiert wird. Sie werden weiter behandelt wie Widerrufsbeamte, so daß sie bei Dienstunfähigkeit die Versetzung in den Ruhestand beantragen können und dann die Versorgungsbezüge wie Unteroffiziere mit 18 Dienstjahren erhalten.
Die Hauptsache für uns aber ist, ihrem Rechtsanspruch entsprechend, das Übergangsgehalt. In unserem Antrag - er enthält das, was wir nach Rücksprache mit dem Herrn Finanzminister noch erreichen konnten - wünschen wir, daß die Worte „bis zur Dauer von drei Monaten" gestrichen und ersetzt werden durch die Worte „vorerst bis zur Dauer von 12 Monaten". Wir müssen nämlich genau überlegen, wie wir die Verhältnisse bei den einzelnen Gruppen regeln. Ich habe schon anfangs betont: möglichst dem Rechtsanspruch gemäß, der seinerzeit bestand. Unteroffiziere, die eine 18jährige Dienstzeit haben, haben einen absoluten Pensionsanspruch; er ist ihnen gegeben. Unteroffiziere, die 12 bis 18 Dienstjahre haben, haben diesen absoluten Pensionsanspruch nicht, sondern sie hatten Versorgungsübergangsbezüge bis zur festen Anstellung. Das konnte unter Umständen mehrere Jahre dauern, bis sie ihre Beamtenstellung antraten. Während dieser Jahre bekamen sie die Versorgung. Diesem Prinzip müssen wir entsprechend dieser Rechtsgrundlage treu bleiben; denn wenn wir hier weitergehen und über das hinausgehen, was Recht war, dann können wir es nicht verantworten, daß wir unendlich vielen Kreisen Rechte einschränken mußten, was uns sehr schwer gefallen ist. Wenn wir jetzt festlegen, daß die Unteroffiziere mit 12 bis 18 Dienstjahren „vorerst bis zur Dauer von 12 Monaten" die Übergangsbezüge gemäß ihrem erdienten Ruhegehalt bekommen, dann ist 100%ig alles erfüllt; denn das Wort „vorerst" sagt, daß diese Frist, wenn der Betreffende nach einem Jahre noch nicht untergebracht ist, verlängert werden kann.
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- Mag sein, daß Ihnen das unangenehm ist; aber es ist so,
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daß wir damit praktisch dasselbe erreichen wie Sie.
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Das heißt also, diese Unteroffiziere bekommen laufend ihre Versorgungsbezüge; und sie bekommen sie gemäß ihrem Rechtsanspruch. Wir haben den Kreis nicht überschritten, dessen Überschreitung uns in Schwierigkeiten bringen würde. Ich möchte das Hohe Haus im Namen der CDU/CSU, der FDP und
DP bitten, diesem Änderungsantrage zu § 49 zuzustimmen.
Es ist selbstverständlich für uns sehr bitter gewesen, daß wir die Kriegsgefangenschaft nicht für alle gleichmäßig nach den Dienstjahren anrechnen konnten. Wir sind keineswegs damit einverstanden - das möchte ich für meine Freunde und für mich persönlich sagen - und haben am entschiedensten dagegen gekämpft, daß man den Stichtag einführte. Aber ich möchte darauf hinweisen, daß der Antrag der SPD auch nicht glücklich ist, wenn er erst die Kriegsgefangenschaft ab 1946 berücksichtigen will. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die Kriegsgefangenschaft von 1945 bis 1946 für die meisten die furchtbarste Zeit gewesen ist, auch hier in den Lagern im Westen, und daß unendlich viele umgekommen und verhungert sind oder sich Leiden zugezogen haben, an denen sie heute noch laborieren. Man kann den Einschnitt nicht dort machen; das wäre ungerecht. Es wäre nur möglich, die ganze Zeit zu berücksichtigen; aber ich möchte doch den Herrn Finanzminister bitten, hierzu Stellung zu -nehmen, da ich es nicht verantworten kann - und auch viele in diesem Hause nicht, glaube ich -, daß wir vielleicht durch größere finanzielle Anforderungen das ganze Werk hier zum Scheitern bringen. Draußen aber wartet alles darauf, daß so schnell wie möglich erst einmal diese Regelung erfolgt. Wir dürfen darum keine Zeit mehr verlieren. Wir wissen ja: Hinter diesem Gesetz steht unmittelbar - und es ist untrennbar mit ihm verbunden - das neue Beamtengesetz. In diesem neuen Beamtengesetz müssen wir uns allgemein über die Einbeziehung der Zeit der Kriegsgefangenschaft in die Dienstzeit aussprechen, und wir müssen Beschlüsse darüber fassen. Es wäre vielleicht nicht richtig, wenn wir jetzt schon in diesem Gesetz etwas vorausnähmen. Ich bin der Überzeugung, daß wir es im Laufe dieses Sommers schon so regeln werden, wie es meine Freunde und ich und wie wir es vielleicht alle wünschen, daß wir den Stichtag fallen lassen und die Kriegsgefangenschaft in unsere Berechnungen absolut mit einbeziehen können. Es ist also hier das letzte Wort darüber noch nicht gesprochen worden; mag die Entscheidung so oder so ausfallen. Das letzte Wort wird im Laufe dieses Sommers ausgesprochen werden und dann natürlich in dem Sinne: für alle gerecht und in gleicher Weise.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat darum ersucht, daß der Bundesminister der Finanzen zu den jetzt zur Aussprache stehenden Abänderungsanträgen Stellung nehme. Ich entspreche diesem Ersuchen auch deshalb, weil der Begründer des Antrages auf Umdruck Nr. 116 auch den Satz gesprochen hat: in dubio pro reo. - Meine Damen und Herren, wer ist in diesem Falle der reus?
({0})
- Das heißt: derjenige, den Ihre Beschlüsse in der Form treffen, daß er zu leiden und zu tragen hat. ({1})
- Das ist der Steuerzahler.
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Meine Damen und Herren! Ich darf deshalb vom Standpunkt des Steuerzahlers aus, für den in diesem Hause so selten ein Wort gesprochen wird, doch einmal ein Wort reden.
({3})
Wir haben gestern in der Debatte schon betont, daß die Gesamtaufwendungen für das Gesetz nach den Beschlüssen, die der Ausschuß gefaßt hat, den Betrag von rund 750 Millionen DM erreichen. Ich habe gestern darauf hingewiesen, welchem Steueraufkommen das entspricht. Dabei darf ich dem Herrn Kollegen Mellies, weil er mir zulächelt, auf eine Bemerkung von gestern antworten. Gewiß, Herr Kollege Mellies, in früheren Zeiten hatte ich gehofft, daß die Aufwendungen für dieses Gesetz, vom Standpunkt des Steuerzahlers aus betrachtet, auf einen Betrag von etwa 450 Millionen DM beschränkt werden könnten. Ich habe nunmehr entsprechend den Wünschen, die an die Bundesregierung herangetragen wurden, erklärt, daß ich bereit bin, im neuen Haushalt einen Betrag bis zu 700 Millionen DM zu übernehmen. Aber, Herr Kollege Mellies, es wäre mir sehr lieb gewesen, ich hätte das, was ich in früheren Zeiten vermieden haben wollte, auch vermeiden können, nämlich mit Vorlagen wie der über eine Erhöhung von Umsatzsteuern an den Deutschen Bundestag heranzutreten. Ob man sich der politischen Verantwortung dann entzieht oder nicht, die tatsächliche Verantwortung für solche Steuergesetze tragen alle diejenigen, die zuerst, ohne den „reus", ohne den Steuerzahler zu hören, in diesem Hause die Ausgaben beschlossen haben, die dann irgendwie gedeckt werden müssen. Gerade deshalb möchte ich hier über diese Auswirkungen sprechen und darf die finanziellen Auswirkungen der Anträge ungefähr zusammenrechnen. Wir haben gestern den § 15 Abs. 2 gestrichen. Ich rechne nicht die 35 Millionen DM Ausgleichsbetrag, weil sie ja Mittel zu dem Zweck sind, die Unterbringung zu beschleunigen und bei den Gemeinden nun wirklich den Willen zur Unterbringung zu schaffen.
({4})
Wir stehen vor der merkwürdigen Tatsache, daß gestern ein Antrag gestellt worden ist, die Unterbringung - sagen wir mal - nicht so durchzuführen, wie es der Gesetzgeber urspünglich wollte, und ich heute über Anträge sprechen muß, deren Durchführung gerade die Unterbringung zur Voraussetzung hat.
({5})
Ich rechne, wie gesagt, nicht mit dem Ausgleichsbetrag von 35 Millionen DM; ich rechne mit dem Betrag, von dem ich annehmen muß, daß er an Ersparnissen bei der Unterbringung nicht erzielt werden wird. Das wird ein Betrag von wenigstens 50 Millionen DM sein. Wenn ich nun den Betrag berücksichtige, der durch den neuerdings gestellten Antrag, die Zahl „18" durch die Zahl „12" zu ersetzen, hinzukommt, so ist davon auszugehen, daß sich der Antrag auf einen Personenkreis von ungefähr 15 000 Menschen bezieht. Ich muß damit rechnen, daß die Mehrbelastung, die dem deutschen Steuerzahler dann zugemutet wird, 30 Millionen DM betragen wird. Wenn ich weiter die von der Bayernpartei gestellten Anträge berücksichtige, in § 48 Abs. 1 Satz 3 die Worte „zwei Drittel" durch die Worte „50 v. H." zu ersetzen, was auch wieder eine Ausweitung bedeuten wird, so tritt schon damit gegenüber den Ausschußbeschlüssen eine
Erhöhung in den Ausgaben von wenigstens 100 Millionen DM ein.
Meine Damen und Herren, wer die Ausgaben beschließt - ich habe es gestern gesagt -, muß die' Verantwortung vor dem deutschen Steuerzahler tragen, selbst wenn er bei den Deckungsvorlagen nein statt ja sagt, wozu er eigentlich verpflichtet ist.
({6})
Der Bundesfinanzminister hat die Pflicht, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Ich darf daran erinnern: meine ersten Arbeiten an diesem Entwurf haben bereits um die Jahreswende 1949/50 eingesetzt. Ich habe damals eine Deputation beruflicher Wehrmachtangehöriger empfangen. Ohne daß ich mir etwas besonderes dachte, ist mir damals der Satz über die Lippen gekommen: „Es ist doch ganz selbstverständlich, daß jeder deutsche Vater, der im Weltkrieg einen Sohn in einer Uniform der Wehrmacht verloren hat, weiß, daß die große Mehrheit des Volkes der Wehrmacht innerlich genau so anständig gegenüberstehen muß wie er seinem eigenen toten Sohn, und daß infolgedessen den Wehrmachtangehörigen der Dank des Volkes gehört."
({7})
Die Leute haben ganz verwundert geschaut; denn
im Jahre 1949/50 war die Stimmung gegenüber
dem Wort Wehrmacht eine andere, als sie heute ist.
({8})
Ich war damals einer der ersten, der das ausgesprochen hat. Aber ich darf auch sagen: wenn ich es heute im Interesse der deutschen Steuerzahler und im Interesse der Allgemeinheit wage, die Grenzen einzuhalten, die nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Vernunft den Anträgen setzen müssen, wird mir jeder zugeben müssen, daß ich damit genau so ein Freund der beruflichen Wehrmachtangehörigen bin, wie ich es in einer Zeit war. in der man allgemein noch anders über sie gesprochen hat als heute. Ich bin derselbe Freund der Wehrmachtsangehörigen geblieben.
Ich möchte hier, indem ich zu dem Antrag übergehe, folgendes feststellen. Es ist falsch, wenn man z. B. zur Begründung des Antrages zu § 48 Abs. 1 Satz 3, die Worte „zwei Drittel" durch die Worte „50 v.H." zu ersetzen, sagt, das bedeute eine Gleichstellung mit den Berufsbeamten. Das ist ja nicht wahr. Wir haben bei den Berufsbeamten den Begriff der Dienstunfähigkeit. Die Dienstunfähigkeit kann unter Umständen erst gegeben sein, wenn medizinisch ein viel höherer Grad - nicht nur 50%, sondern sogar mehr als zwei Drittel - von Minderung der Berufsfähigkeit gegeben ist. Es handelt sich darum, ob einer den Dienst, zu dem er bestellt ist, den Dienst am Schreibtisch oder sonstwo, noch ausüben kann oder nicht. Wir haben Blinde, die ihren Dienst als Staatsbeamte tun; wir haben Gelähmte, die ihren Dienst als Staatsbeamte tun. Medizinisch sind sie 100% erwerbsunfähig, aber dienstfähig im Sinne des Gesetzes. Eine Gleichstellung ist nicht gegeben.
Wir müssen doch unsere Betrachtung über dieses Gesetz danach ausrichten, daß wirklich eine gleiche Behandlung herbeigeführt wird. Das ist doch das Ziel. Aber über dieses Ziel darf auch nicht hinausgegangen werden. Ich glaube, daß bei der Betrachtung der Frage der Berufsunteroffiziere diese Grenze übersehen worden ist. Was das Gesetz für die Berufsunteroffiziere festlegt, sind tatsächlich die Ansprüche, die ihnen in normalen Zeiten zu({9})
gestanden hätten. Ich kann eine Gesetzgebung aus dem Jahre 1938, an deren volle Verwirklichung Adolf Hitler, der dieses Gesetz verkündet hat, wohl selber nicht recht geglaubt hat - denn die Voraussetzung dieser Gesetzgebung wäre der völlige militärische Sieg in dem von ihm damals bereits geplanten Kriege gewesen; das hätte ein europaisches Gebiet vorausgesetzt, um all diese Versorgungsquellen zu schaffen - nicht zur Richtschnur nehmen. Ich muß daran denken, wie dieses Gesetz vom Jahre 1938 tatsächlich praktiziert worden ist und praktisch werden konnte. Die Voraussetzungen selbst nach diesem Gesetz wären nur bei .einer ganz geringen Personenzahl gegeben. Und wenn wir die Möglichkeiten, die der einzelne hatte, auf einen großen Kreis von Personen ausdehnen, dann erreichen wir nicht das Ziel der Gleichstellung, sondern schießen bei einer Gruppe über dieses Ziel weit hinaus und überschreiten den Rahmen des Möglichen, den Hitler in seiner Gesetzgebung überhaupt nie berechnet hat.
Ich bitte also, den Bundesfinanzminister richtig zu verstehen. Wenn der Bundesfinanzminister mahnen und auf das hinweisen muß, was möglich ist, wenn er auf die Lasten hinweisen muß, die die Ausgabenbeschlüsse aller Art für den deutschen Steuerzahler mit sich bringen, dann tut er seine Pflicht. Er hat das gleiche Herz für die deutsche Not und er will genau so helfen wie Sie. Aber bitte: Wir müssen daran denken, daß wir e i n Volk sind und die Lasten zusammen zu tragen und zu verantworten haben.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich muß dem Herrn Finanzminister heute morgen doch schon das Kompliment machen, daß er bei der Beratung dieser Materie ganz ausgezeichnet versteht, auf allen Klavieren zu spielen. Nur, Herr Finanzminister, glaube ich, Ihre Liebeserklärung für die Steuerzahler wird man Ihnen draußen im Lande auch nicht abnehmen. Ich kann jetzt natürlich auf die ganze große Problematik der Finanz- und Steuergesetzgebung nicht eingehen. Wir werden ja noch die Möglichkeit haben, uns darüber zu unterhalten, und dann werden Sie unsere Stellungnahme klar und eindeutig hören.
Gestern hat der Kollege Dresbach dem Herrn Innenminister sagen müssen, daß es doch offenbar sehr notwendig ist, im Innenministerium eine Kommunalabteilung einzurichten, damit das Innenministerium über alle diese Fragen richtig unterrichtet ist. Wenn Sie, Herr Finanzminister, heute morgen ausgeführt haben, daß durch die Streichung des § 15 Abs. 2 die Unterbringung in starkem Maße beeinträchtigt worden sei, dann kann man bei einer derartigen Behauptung für Sie leider keine Entschuldigung anführen: Denn Sie haben in Ihrem Hause genügend Referenten, welche Beamtenfragen bearbeiten, und ich glaube, keiner Ihrer Referenten könnte Ihnen nachweisen, daß, nachdem jetzt die Bestimmungen der §§ 16, 16 a und 16 b in dem Gesetz stehen, durch die Aufrechterhaltung der Bestimmung des § 15 Abs. 2 auch nur ein einziger Vertriebener mehr untergebracht werden könnte.
({0})
- Nun schön, Sie können ja den Versuch machen. Aber ich meine, meine Damen und Herren, man sollte hier dann wirklich klar und ehrlich und deutlich sein. Vertrauen Sie doch dem, wie ich gestern schon gesagt habe, was in den §§ 16, 16 a und 16 b festgesetzt ist, und damit kommt dann das Funktionieren des Staatsapparats überhaupt in Frage.
Aber nun sagen Sie doch einmal: Wenn nun jede Aufsichtsbehörde die Genehmigung erteilen muß, wenn einer aus dem Personenkreis des Art. 131 nicht genommen wird, was wollen Sie denn noch mehr tun? Herr Kollege Kühn, Sie sind doch selber früher als Regierungspräsident ein Mann gewesen, der die kommunale Aufsicht wahrzunehmen hatte! Glauben Sie, wenn Sie diesen Paragraphen ansehen, Sie hätten nicht die Möglichkeit, jede Gemeinde zu zwingen? Dann stellen Sie doch Ihrer Tätigkeit als früherer Kommunalaufsichtsbeamter ein Zeugnis aus, das ich hier nicht näher bezeichnen will!
Es liegt uns hier doch nur daran, endlich einmal mit Klarheit und Eindeutigkeit festzustellen, daß die Bestimmungen der §§ 16, 16 a und 16 b durchaus genügen und daß man keine Möglichkeit hat, noch etwas mehr zu tun.
({1})
- Daß das von Ihren Bänken aus optischen Gesichtspunkten anders gesagt wird, können wir verstehen; ich komme dazu gleich noch auf eine andere Sache zurück. Daß aber von der Regierungsbank und von den Herren Ministern dauernd in dieser Weise argumentiert wird, ist unerträglich, und die Bundesregierung sollte sich einmal überlegen, ob das wirklich verantwortet werden kann.
({2})
Ich wollte nur noch ein paar Sätze zu den Ausführungen von Herrn Farke sagen. Große Ereignisse werfen bekanntlich ihre Schatten voraus, und wenn man Herrn Farke mit dem großen Pathos hier an dieser Stelle sieht, dann liegt der Schatten des Wahlkampfes in Niedersachsen über diesem Saal.
({3})
Herr Farke hat geglaubt, er müsse einen besonderen Appell an uns wegen einer Einwirkung auf die Betriebsräte bei der Einstellung von Angehörigen der früheren Wehrmacht richten. Soweit etwa Dinge vorgekommen sind, die sich nicht aus sachlichen Gründen verantworten lassen, werden sie von uns auf keinen Fall gebilligt. Ich bitte aber, Herr Kollege Farke, in allen solchen Fällen auch einmal zu überlegen, ob nun wirklich nicht auch sachliche Gründe für gewisse Stellungnahmen vorgelegen haben. Ich glaube, man sollte in dieser Beziehung nach beiden Seiten richtig messen.
Im übrigen glaube ich, wenn wir da eine Rechnung aufmachen wollten, wäre doch einiges dazu zu sagen, in welch unverantwortlicher Weise zum Teil die Notlage nicht nur der unter Art. 131 fallenden Personengruppen, sondern aller Flüchtlinge von Kreisen in Deutschland ausgenutzt ist, die Ihnen politisch sehr nahestehen.
({4})
({5})
Noch eine letzte Bemerkung: Wenn nach dieser Richtung hin einmal bei Betriebsräten etwas vorgekommen sein sollte, so steht das in gar keinem Verhältnis zu dem, was an Haß von Ihnen aufgewandt wird, wenn irgendwo in der Verwaltung mal ein sozialdemokratischer Beamter eingestellt wird.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: Meine verehrten Damen und Herren! Ich möchte vom Standpunkt des Berichterstatters aus zur rechtlichen Klarstellung folgendes ausführen. Der Herr Abgeordnete Richter hat davon gesprochen und beantragt, daß Berufsoffiziere mit einer Dienstzeit von weniger als 10 Jahren und die Berufsunteroffiziere wie Beamte nicht auf Widerruf, sondern zur Wiederverwendung, behandelt werden sollen. Man kann in Beratung über ein Gesetz einen Antrag ohne allen Zusammenhang mehr oder minder aus dem Handgelenk stellen. Ich möchte darauf hinweisen, daß wir erstens einmal in demselben Paragraphen bestimmt haben und mit voller Absicht bestimmen mußten, daß im Gegensatz zu den Beamten zur Wiederverwendung die Wehrmachtangehörigen als „außer Dienst" bezeichnet werden müssen, weil durch die Worte „zur Wiederverwendung" ein vollkommen falscher Eindruck erweckt werden würde, den wir zur Zeit gar nicht erwecken können und erwecken dürfen. Es würde auch bei dieser Gruppe, selbst wenn wir in die europäische Verteidigung einbezogen würden, ein ganz falscher Eindruck in bezug auf ihre Zukunft, die wehrmäßig vollkommen im Dunkeln liegt, erweckt werden; das sind Erwartungen, die wahrscheinlich für den größten Teil überhaupt nicht verwirklicht werden können.
Bezüglich der Berufsunteroffiziere und des Wehrmachtfürsorgegesetzes möchte ich folgendes sagen. Es gab drei Gruppen, erstens die Wehrmachtsiedler, die auch in den Grenzgebieten abgefunden werden sollten. Ich habe bereits in meinem Sonderbericht darauf hingewiesen, daß diese Möglichkeit überholt ist. Das war eben damals eine Illusion im Endziel der ganzen Kriegspolitik. Zweitens gab es diejenige Gruppe, deren Angehörige in das Wirtschaftsleben übergehen sollten. Sie wurde übergangsweise ziemlich reichlich bedacht, kam aber für die Dauerversorgung überhaupt nicht in Frage. Die dritte Gruppe umfaßte diejenigen, die den Militäranwärterschein, den Zivilversorgungsschein erhielten. Nur dieser Teil war für eine Dauerversorgung bestimmt. Weil die Verhältnisse sich total geändert haben, hat der Ausschuß das Schwergewicht auf die übergangsweise Versorgung für die Berufsunteroffiziere gelegt, die noch nicht im Beruf untergekommen sind. Nach den Wehrmachtfürsorgegesetzen von 1925 und 1938 besteht absolut nicht die Möglichkeit, diejenigen, die im freien Wirtschaftsleben untergekommen sind, mit einer Dauerrente zu versorgen. Das war der Grund, warum der Ausschuß seinen Vorschlag gemacht hat. Ich bitte, ihm zuzustimmen, um gerade dort die Verhältnisse. zu bessern, wo wie in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein noch Männer vorhanden sind, die nicht im Wirtschaftsleben untergekommen sind und die nur begrenzt für ganz bestimmte, auch technische Berufe im offentlichen Dienst verwendbar sind.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Debatte der letzten Stunde ist es mir als Fraktionsredner der CDU/CSU jetzt zum ersten Mal möglich, zu dem Abschnitt „Berufssoldaten" eine Erklärung abzugeben. Es liegt mir daran, zunächst unsere herzliche Freude über die gestrige Ehrenerklärung unseres Bundeskanzlers für den deutschen Soldaten zum Ausdruck zu bringen.
({0}) Meine Damen und Herren, die Zeit der Kollektivschuld ist endgültig vorbei. Die Ehre des deutschen Soldaten war nie verloren und brauchte deshalb durch die gestrige Erklärung unseres Bundeskanzlers nicht wiederhergestellt, sondern nur bestätigt zu werden.
({1})
Es wird aber Aufgabe aller Teile dieses Hauses sein, aus dieser Erklärung nun auch die praktischen Konsequenzen in der Handhabung der Personalpolitik zu ziehen, damit endlich damit Schluß wird, daß Berufssoldaten an den Türen der Behörden immer wieder zu hören kriegen: Ihr seid frühere Soldaten, ihr seid Militaristen, deswegen wollen wir euch nicht haben. Meine Damen und Herren! Hier muß insbesondere - das muß offen ausgesprochen werden - in denjenigen Behörden eine Änderung eintreten, deren Leitung in der Hand von Politikern der Linken liegt. Wir haben aus den Kreisen der Berufssoldaten immer und immer wieder an erschütternden Einzelbeispielen erlebt, wie sie hier vor den Kopf gestoßen werden, und das muß endlich ein Ende haben. Ich erinnere mich noch, meine Damen und Herren, daß ich, als ich so ziemlich als erster in Rheinland-Pfalz damals öffentlich für die volle Anerkennung der Ehre der Berufssoldaten eintrat,
({2})
deshalb heftigen Angriffen in der SPD-Presse ausgesetzt gewesen bin.
({3})
Ich habe dann noch zu dem SPD-Antrag betreffend Anrechnung der Kriegsgefangenschaftszeit für die Berufssoldaten Stellung zu nehmen. Wir brauchen wohl nicht besonders zu betonen, daß wir das Ziel dieses Antrags nur wärmstens begrüßen können und uns sachlich gern dahinterstellen. Wir haben im Ausschuß für Beamtenrecht über diese Frage bereits des öfteren und des längeren verhandelt und waren damals leider, und zwar, wenn ich mich recht erinnere, übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, die finanziellen Konsequenzen einer Berücksichtigung dieses Antrags wären so groß, daß man ihm nicht entsprechen könne. Jetzt ist durch diesen Antrag mit der Begrenzung auf den 8. Mai 1946, der also nur die Berufssoldaten betrifft, die länger als ein Jahr in Kriegsgefangenschaft waren, insofern eine neue Situation geschaffen, als die Größe des Kreises, dem nun diese Vergünstigung zuteil werden soll, die wir alle begrüßen, nicht ohne weiteres feststellbar ist, und zwar nach der einen wie nach der anderen Seite hin nicht ohne weiteres feststellbar. Es muß näm({4})
lieh nicht etwa nur geprüft werden, ob wir diesen Termin des 8. Mai 1946 wegen der finanziellen Konsequenzen vielleicht noch etwas hinausrücken müssen, sondern es muß auch umgekehrt geprüft werden, ob wir ihn nicht noch etwas zurückrücken können, vielleicht sogar auf den 1. Januar 1946.
Meine Damen und Herren! Diese Frage können wir aber im Augenblick im Plenum nicht endgültig beantworten, und deswegen bin ich der Meinung, daß man die Entscheidung dieser Frage nicht unbedingt jetzt treffen muß, weil wir ja bei der in Kürze stattfindenden Beratung des endgültigen Beamtengesetzes Gelegenheit haben, diese Sache dort einzuarbeiten und das, was wir hier noch tun können und wollen, im Rahmen des Beamtengesetzes zu berücksichtigen. Ich sage das nicht zuletzt auch deshalb, weil ich die Hoffnung habe, daß wir den Termin des 8. Mai 1946 unter Umständen noch etwas zurückrücken können, um einen noch größeren Kreis von Berufssoldaten in den Genuß der hier beabsichtigten Vergünstigung gelangen zu lassen.
({5})
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen für die praktische Behandlung folgenden Vorschlag machen: Ich gehe davon aus, daß es nicht der Wunsch des Hauses ist, die Verhandlungen und die Verabschiedung des Gesetzes dadurch aufzuhalten, daß im Rahmen der Beratung dieses Gesetzes noch eine Ausschußberatung stattfindet, die die Sache nur hinausschieben könnte. Deswegen beantrage ich, den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 117 dem Ausschuß für Beamtenrecht zu dem ihm vorliegenden Entwurf betreffend das Bundesbeamtengesetz zu überweisen.
({6})
Dann können wir diesen Antrag im Rahmen des Bundesbeamtengesetzes berücksichtigen.
Um aber den Willen des Hauses eindeutig zu bekunden, in diesem Sinne positiv zu handeln, möchte ich Ihnen zusätzlich eine Entschließung vorschlagen, die wir im Zusammenhang mit diesem § 48 annehmen können. Ich erbitte die Erlaubnis des Herrn Präsidenten, diese wenigen Worte kurz vorlesen zu dürfen:
Entschließung des Bundestages zu § 48 des Gesetzes zu Artikel 131
Die Bundesregierung wird ersucht, im Regierungsentwurf zum Bundesbeamtengesetz die Anrechnung von Kriegsgefangenschaftszeiten auch für ehemalige Berufssoldaten und RAD-Angehörige vorzusehen.
Die Einbeziehung der RAD-Angehörigen im Rahmen der sonstigen Einbeziehung in das Gesetz zu Artikel 131 erscheint hier ohne weiteres gerechtfertigt.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, namens der Regierungsparteien, diesen beiden gestellten Anträgen zuzustimmen, also erstens der Überweisung des SPD-Antrages an den Ausschuß für Beamtenrecht zur Beratung im Zusammenhang mit dem ihm vorliegenden Bundesbeamtengesetzentwurf, und zweitens der eben vorgetragenen Entschließung, die ich dem Herrn Präsidenten überreicht habe.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man heute die ganze Debatte anhörte: es war eigentlich fast erheiternd, wie soviele
Redner erklärten, sie seien die ersten gewesen, die sich schon damals, im Jahre 1945 und später,
({0})
für die Ehre der Berufssoldaten und Offiziere eingesetzt hätten. Aber wie sah es doch damals so betrüblich aus, in den ganzen Jahren! Niemand oder fast niemand wagte es zu sagen, welch unerhörtes Unrecht die ganzen Jahre hindurch unseren braven Soldaten, Offizieren und Wehrmachtbeamten zugefügt worden ist.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen nur eines aus meiner Praxis erzählen:
({2})
Ich weiß, wie ich kämpfen mußte!
({3})
Meine Damen und Herren, es dient der Förderung der Verhandlungen, wenn Redner ruhig angehört werden. Um so schneller geht es zu Ende.
Meine Damen und Herren, ich erinnere mich noch sehr genau - ({0})
- Sagen Sie das bitte Ihrem Fraktionskollegen, der in der Schweiz saß, nicht mir!
({1})
- Ich bitte mich jetzt nicht mehr zu unterbrechen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte darum! Wenn Sie es trotzdem tun,
({3})
werden Sie nur dazu beitragen, daß das Parlament draußen nicht das Ansehen hat,
({4})
das es bekommen könnte.
({5})
Herr Abgeordneter Loritz, wollen Sie die Wahrung des Ansehens des Parlaments freundlichst der Gesamtheit des Parlaments und mir überlassen!
Ich wäre sehr froh, Herr Präsident, wenn Sie mir Ruhe verschaffen könnten!
({0})
Meine Damen und Herren! Ich weiß nur - und darüber sind ja die amtlichen Dokumente vorhanden -:
({1})
({2})
Als ich im Jahre 1947 als Minister die undankbare Aufgabe hatte - ({3})
- Herr Zwischenrufer, dafür sind die Dokumente als Beweise gegen Sie da! - Ich habe mich im Jahre 1947 mit aller Kraft dafür eingesetzt, daß nicht etwa, wie es die Militärregierung damals wollte, nahezu jeder Unteroffizier und jeder Offizier als Militarist erklärt wurde. Damals bin ich leider allein auf weiter Flur geblieben in Bayern.
({4})
- Ihre Fraktionskollegen hätten mich damals unterstützen sollen, und zwar öffentlich! Sie haben es aber nicht getan, sondern in Ihren Zeitschriften wurde ich damals schwerstens angegriffen, und nicht bloß ich, sondern jeder, der so redete wie ich, wurde schon fast als Neofaschist und als Militaristenfreund hingestellt, wenn er die Wahrheit sagte.
({5})
Was die Ehrenerklärung für den deutschen Soldaten betrifft, die der Herr Bundeskanzler gestern in so wohlabgewogenen Worten hier abgegeben hat, so hätte eine solche Erklärung schon bei oder kurz nach dem Zusammentritt des Bundestages unseren Soldaten und Offizieren sehr gut getan.
({6})
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun zu dem kommen, was der Herr Bundesfinanzminister eben sagte. In einer humorvollen Travestierung des lateinischen Satzes „in dubio pro reo" meinte er, der reus sei der kleine Steuerzahler
({7})
- oder der Steuerzahler -, und man müsse doch auch die Interessen des Steuerzahlers im Auge behalten. Meine Damen und Herren, das tun auch wir. Aber der Herr Bundesfinanzminister möge sich doch eines sagen lassen: Sein Finanzkollege im Lande Bayern, ein Mann, dem man sicher nicht absprechen kann, daß er von Finanzwissenschaft und von Steuersachen etwas versteht, hat erst vor zwei oder drei Wochen öffentlich erklärt - und das ging fast durch die gesamte deutsche Presse -, daß nach rohen Schätzungen allein die großen Firmen und Fabriken Steuerrückstände im Betrage von 500 Millionen DM und noch mehr haben.
({8})
- Das hat der Herr Finanzminister Dr. Zorn dort erklärt.
({9})
- Meine Damen und Herren, hier im Rheinland sieht es mit den Steuerrückständen großer Importfirmen nicht anders aus!
({10})
Und, meine Damen und Herren, er sagte wörtlich, unterstützt von Herrn Finanzminister Schäffer: Wenn diese Summen beigebracht würden, dann wären weiß Gott Beträge da, die sich sehen lassen könnten.
Der Herr Finanzminister nannte uns heute ein paar Zahlen über die Auswirkungen, die die Verbesserungsanträge dieses Hauses auf die Finanzkasse des Bundes haben würden. Er nannte uns einmal die Zahl - wenn ich recht hörte - von 50 Millionen DM. Diese Summen, meine Damen und Herren, sind nicht so hoch, als daß wir sie unseren Soldaten, für die der Herr Bundesfinanzminister doch so schöne Worte gefunden hat, verweigern könnten.
({11}) Der Finanzminister sagte wortwörtlich: Der Dank des Vaterlandes muß ihnen sicher sein, das gilt far Soldaten wie Offiziere! - Schön und richtig! Aber dann muß der Dank des Vaterlandes auch 50 Millionen, 100 Millionen und 700 Millionen DM wert sein! Diese Ausgaben kann man namentlich zu einem Zeitpunkt verantworten, in dem erste Finanzautoritäten wie Dr. Zorn und andere zusammen mit dem Bundesfinanzministerium festgestellt haben, welch riesige Steuersummen im Rückstand sind, nicht bei den kleinen Steuerzahlern - die haben prompt bezahlt und haben sowieso nichts mehr -, sondern bei denen, bei denen das Geld heute noch in Hülle und Fülle vorhanden ist!
Herr Bundesfinanzminister, wir bitten Sie dringend und herzlichst: Machen Sie hier Ihren Geldsäckel etwas weiter auf, damit der Dank des Vaterlandes auch hierin den Kriegsopfern zum Ausdruck gebracht wird.
Ich möchte speziell bei dem vorliegenden § 48 Ihnen empfehlen, doch unter allen Umständen diese unglückselige Sperrfrist, diesen Stichtag vom Mai 1935 radikal zu streichen. Er ist wirklich eine Ungerechtigkeit!
({12})
Darf ich mich hier auch an Sie wenden, meine Herren von der Linken! Gerade Persönlichkeiten. die wir alle in diesem Hause ohne Parteischattierung als Märtyrer ihrer Überzeugung ansehen und hochachten, haben damals um die Jahre 1935, 1936, 1937 herum erklärt: Leute, junge Leute, die ihr nicht für Hitlers Diktatur seid, geht hinein in die Stellungen, in denen Machtbefugnisse entweder da sind oder sich vielleicht einmal zusammenfassen lassen! Geht hinein auch in die Wehrmacht und sorgt dafür, daß aus der Wehrmacht nicht ganz ein Instrument nur des Diktators wird! Es liegt nicht an diesen Persönlichkeiten,
({13})
daß sie sich da nicht so durchsetzen konnten. Allerdings, Hunderte von ihnen kamen vor die Kriegsgerichte, Hunderte von ihnen haben ihre Überzeugung mit dem Tode büßen müssen.
({14})
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen eines sagen: Der Stichtag des § 48 muß verschwinden.
Zweitens - und das haben ja verschiedene Vorredner hier schon betont -: Es wäre eine Ungerechtigkeit und würde auf die ganze Öffentlichkeit den schlechtesten Eindruck machen, Unteroffiziere anders zu behandeln als Offiziere. Da möge mir der Herr Berichterstatter bitte nicht mit dem alten Wehrmachtgesetz oder sonstigen Bestimmungen kommen. Das Parlament ist hier souverän, neue Gesetze zu schaffen, die dem Willen des Volkes entsprechen; und dem Willen des Volkes und - ich freue mich, das aus dem Munde von Offizieren auch gehört zu haben - dem Willen auch der Offiziere entspricht es, daß Unteroffiziere und Offiziere auch nach außen hin gleichgestellt werden.
Das möchte ich zu § 48 noch sagen. Die große Zahl der Redner gerade zu diesem Paragraphen hat
({15})
ja dem Hohen Hause wohl gezeigt, daß es sich hier wiederum wie gestern abend bei dem § 15 um eine der Schlüsselpositionen dieses Gesetzes handelt, von deren Annahme, von deren günstiger Annahme und Verbesserung sogar abhängt, was die Öffentlichkeit zu unserem Gesetz und zu diesem Parlament sagen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bestimmte Ausführungen des Kollegen Dr. Wuermeling geben mir Veranlassung, einiges zur Richtigstellung zu sagen. Er hat neben dem Herrn Finanzminister und, ich glaube, einigen anderen Sprechern dieses Hauses ebenfalls die Priorität für sich in Anspruch genommen, zu einem sehr frühen Zeitpunkt die angeblich verletzte Ehre des deutschen Berufssoldatentums wiederhergestellt zu haben. Herr Kollege Dr. Wuermeling, auch wenn Sie die Behauptung noch so oft aufstellen, es ist nicht richtig, daß Sie von der sozialdemokratischen Presse deshalb angegriffen worden seien, weil Sie für die Interessen und Bedürfnisse des deutschen Berufssoldatentums eingetreten seien, sondern das ist deshalb geschehen, weil Sie als eines der prominenten Mitglieder Ihrer Fraktion im Landtag sich geweigert haben, einem Gesetz über die Wiedergutmachung für die Opfer des Faschismus zuzustimmen.
({0})
Das scheint mir doch kennzeichnend für Ihre innere Einstellung gegenüber der wirklichen Demokratie zu sein. Im übrigen, Herr Kollege Wuermeling, ist es Ihre Sache, wie Sie den Ihrer Partei angehörenden Ministerpräsidenten des Landes RheinlandPfalz sehen, über dessen Konflikte mit Ihnen ja wohl auch in der breiteren Öffentlichkeit kaum ein Zweifel bestehen dürfte.
({1})
- Es hat insofern damit zu tun, als Sie sich in Ihrer bisherigen Tätigkeit immer bemüht haben, lort eine Kluft aufzureißen oder zu vertiefen, wo sie praktisch eigentlich nicht vorhanden war. Ich stelle also noch einmal fest: Die sozialdemokratische Presse hat Sie deshalb angegriffen, weil Sie es abgelehnt haben, das Gesetz über die Wiedergutmachung für die Opfer des Faschismus gleichzeitig und mit gleicher Berechtigung wie das über die Regelung von Ausgleichs- und Pensionszahlungen für die Berufssoldaten anzunehmen.
({2})
- Darüber werden die Protokolle des Landtags Ton Rheinland-Pfalz genügend Auskunft geben können. Im übrigen, meine Damen und Herren, bin ch der Meinung, daß man taktvollerweise und zuständigkeitshalber die Begeisterungsreden und die Werturteile doch denjenigen überlassen soll, die inter Umständen eines Tages wieder das zweifelhafte Vergnügen haben werden, an den Segnungen einer solchen neuen Einrichtung teilhaben zu müssen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Meine Damen und Herren! Darf ich an Sie appellieren, daß wir uns im Interesse der Förderung des Fortgangs unserer Arbeit bei den Auseinandersetzungen auf § 48 und seinen sachlichen Inhalt beschränken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß man diesem Haus eines Tages diesen Wettlauf um die Ehre, der erste gewesen zu sein, der die Ehre des deutschen Soldaten verteidigt hat, zum Ruhm anrechnen wird.
({0}) Offenbar war jeder der erste, zumindest wenn man ihn heute sprechen hört. Ich glaube, man sollte den Ruhm, etwas für die Ehre des deutschen Soldaten getan zu haben, denen lassen, die ihm die Türe geöffnet haben, als er abgerissen und gedemütigt zurückkam,
({1})
und hierbei sollte man nicht sich selber loben, sondern man sollte warten, bis jene, denen einer damals die Hand gereicht hat, sich daran erinnern und es sagen.
Die Ehre des deutschen Soldaten, - ich glaube nicht, daß es nötig war, soviel davon zu sprechen. Die böse Doktrin von der Kollektivschuld, die alberne Bezeichnung fast jedes Deutschen, der eine Uniform getragen hat, als eines Militaristen, - ich meine, daß ist doch dahin, und ich hoffe, daß man sich auf seiten der Sieger dieses Krieges ein bißchen dieser Epoche schämt.
({2})
Aber so schlecht und so falsch die Lehre von der Kollektivschuld war, wir sollten keinen Mythos von der Kollektiv u n schuld bilden wollen.
({3})
Ich glaube nicht, daß- ich das noch weiter auszuführen brauche. Vielleicht; doch ich habe Veranlassung zu glauben, daß man der Mythenbildung rechtzeitig steuern muß. Ich habe nicht Sie gemeint, Herr Wuermeling.
({4})
Und wenn man von der Ehre des deutschen Soldaten spricht, so sollte man darüber nicht nur dann sprechen, wenn von den Berufssoldaten die Rede ist. Man sollte immer so davon sprechen, daß alle jene einbeschlossen sind, die opfermutig und ehrenvoll für ihr Vaterland gekämpft haben, und das haben Berufssoldaten und Nicht-Berufssoldaten getan!
({5})
Und das haben auch diese unglücklichen 999er getan, jene Wehrunwürdigen, die man gezwungen hat, für ihren Schinder zu kämpfen!
({6})
Dann, meine Damen und Herren: Es ist recht und billig, daß der Staat jene versorgt, die ihm gedient haben; aber jene, die er versorgt, stehen zu dem Staat, der sie versorgt, in einem Treueverhältnis,
({7})
sie haben ihm gegenüber Treuepflichten, und diese Treuepflichten müssen erfüllt werden - durch die Tat!
({8})
({9})
Und da möchte ich daran erinnern, daß nach dem ersten Weltkrieg die also Versorgten diese Treuepflicht gegenüber dem Staat, der sie versorgt hat, nicht immer erfüllt haben.
({10})
Ich möchte daran erinnern, daß sich unter den also Versorgten sehr viele von denen befunden haben, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, die Republik von Weimar zu unterminieren.
({11})
Ich will hoffen, daß sich das diesmal nicht wiederholen wird.
Aber ich glaube, daß es notwendig ist, hier eine Warnung auszusprechen,
({12})
denn man liest schon in den Zeitungen, daß sich „Stahlhelm" und ähnliche Organisationen wieder bilden. Wenn man die Parolen liest, unter denen das vor sich geht - es sind genau die gleichen wie nach 1919.
({13}) Hier muß man rechtzeitig Stellung beziehen
({14})
und - wenn sich etwas bilden sollte, das dem ähnlich sieht, was einmal so verhängnisvoll wurde - rechtzeitig zuschlagen!
({15})
Es gibt unter den alten Berufssoldaten - ich weiß das - eine große, große Zahl verantwortungsbewußter Männer, die zu diesem Staat ein Verhältnis echter Treue haben und die bereit und entschlossen sind, am Aufbau der deutschen Demokratie mitzuarbeiten. Ich richte an sie einen Appell: Die Ehre des deutschen Soldaten ist nichts, das ausschließlich auf die Vergangenheit hin anzusprechen wäre; diese Ehre gilt es heute noch zu realisieren, dadurch, daß man zu dem heutigen Staat, in seinem Leide wirkend, gebend in das Treueverhältnis tritt, auf das man - mit Recht - seine Ansprüche gründet.
({16})
Als letzte Wortmeldung liegt die des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling vor.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jacobs hat eben die Behauptung aufgestellt, daß ich es abgelehnt habe, das Gesetz im Lande Rheinland-Pfalz betreffend die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts vor dem Gesetz betreffend die Regelung der Rechtsverhältnisse der Entnazifizierten zu behandeln.
({0})
Dazu stelle ich fest, daß ich es gewesen bin,
({1})
der namens sämtlicher Parteien des Landtages bei
Beginn der Beratungen über das Gesetz betreffend
die Entnazifizierten den Urantrag betreffend die
Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts
eingebracht hat, und daß ich der Initiator dieses
Urantrags gewesen bin, weil ich es nicht für vertretbar gehalten hätte, das Gesetz betreffend die
Entnazifizierten früher zu behandeln als das Gesetz betreffend die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts.
({2})
Es ist also eine objektive Unwahrheit, die Herrn Kollegen Jacobs leider unterlaufen ist; ich nehme an, unbedachter- oder irrtümlicherweise. Ich bitte Herrn Kollegen Jacobs, das Protokoll der Landtagssitzung nachzulesen und daraus den Schluß zu ziehen und dann den Entschluß zu fassen, seine Erklärung in einer der nächsten Sitzungen zu widerrufen.
Im übrigen, Herr Kollege Jacobs, haben Sie geglaubt, von Differenzen zwischen dem Ministerpräsidenten Altmeier und mir sprechen zu sollen. Ich habe daruf zu erklären:
({3})
Solche Differenzen bestehen nicht.
({4})
Wir haben nur - anders als in der SPD - in der CDU Meinungsfreiheit.
({5})
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling, ich hätte Ihnen nicht das Wort erteilt, wenn ich gewußt hätte, was Sie sagen wollten. Nach § 84 der Geschäftsordnung hätten Sie diese persönliche Bemerkung am Schluß der Beratung machen müssen.
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft.
({1})
- Ich stelle noch einmal fest, daß ich an die Bestimmungen der Geschäftsordnung gebunden bin. Es dient der Klärung des Sachverhalts, wenn man sich daran hält.
({2})
Ich komme zur Abstimmung über § 48 und die dazu vorliegenden Anträge. Meine Damen und Herren, ich bitte um möglichste Ruhe, damit wir bei der etwas komplizierten Form dieser Anträge die Obersicht behalten. Es liegt zunächst vor ein Antrag auf Umdruck Nr. 124, die Absätze 1 und 2 des § 48 insgesamt neu zu fassen. Ich halte diesen Antrag wegen seiner umfassenden Bedeutung für den weitestgehenden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 124 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen zwei Stimmen abgelehnt.
Es liegt weiter der Antrag der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 vor, in Abs. 1 im ersten Satz die Worte „ , die vor dem 8. Mai 1935 erstmals berufmäßig in den Wehrdienst eingetreten oder in ein Beamtenverhältnis oder in den Dienst der früheren Landespolizei berufen worden sind," zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Bayernpartei auf Streichung dieser Worte zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 unter Ziffer 2 b ist zurückgezogen worden. Es liegt weiter vor der Antrag der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 119 unter Ziffer 3,
({3})
in § 48 Abs. 1 Satz 1 hinter dem Wort „entsprechend" - das ist die letzte Zeile in Abs. 1 vor der Ziffer 1 - nach einem Strichpunkt die Worte einzufügen:
§ 30 a findet Anwendung mit der Maßgabe, daß Beförderungen wegen erwiesener Tapferkeit
- und der Antrag ist von Herrn Abgeordneten Farke für die Antragsteller dahin erweitert worden, daß es „vor dem Feinde" heißen soll stets zu berücksichtigen sind.
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die
diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Weiterhin liegt der Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 115 unter Ziffer 3 vor, die Ziffern 1 und 2 des § 48 Abs. 1 Satz 2 völlig neu zu fassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Es liegt weiter vor der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 116 unter Ziffer 6, in § 48 Abs. 1 Ziffern 1 und 2 die Zahl „achtzehn" durch die Zahl „zwölf" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt weiter der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Richter vor, in § 48 Abs. 1 Ziffer 2 am Ende die Worte „auf Widerruf" zu ersetzen durch die Worte „zur Wiederverwendung". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen drei Stimmen abgelehnt.
({4})
- Ich habe den Eindruck gehabt, Herr Abgeordneter Loritz, Sie hätten auch dafür gestimmt.
({5})
- Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Abstimmung nicht durch Debatten zu unterbrechen.
Es liegt weiter der Antrag der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 unter Ziffer 2 c vor, in § 48 Abs. 1 Satz 3 die Worte „zwei Drittel" durch' die Worte „fünfzig vom Hundert" zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({6})
- Ja, das ist mir klar. Ich war jetzt bei dem ersten Absatz von § 48, der damit erledigt ist.
Ich komme jetzt, nachdem die Abänderungsanträge erledigt sind, zur Abstimmung über § 48 Abs. 1. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage des Ausschusses unter Berücksichtigung der beschlossenen Abänderungen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Nach der Ausschußvorlage ist Abs. 2 des § 48 unverändert geblieben. Anträge dazu liegen nicht
vor. Ich lasse abstimmen über Abs. 2 des § 48. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Absatz zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Es liegt weiter der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 117 vor, einen Abs. 2 a mit dem Wortlaut einzufügen:
In die ruhegehaltsfähige Dienstzeit nach Absatz 1 wird die Zeit der Kriegsgefangenschaft eingerechnet, wenn die Heimkehr nach dem 8. Mai 1946 erfolgt ist. In diesen Fällen kommt der Stichtag des Absatzes 1 Satz 1 nicht zur Anwendung.
Zu diesem Antrage liegt ein Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling vor, diese Frage aus dem § 48 - wenn ich so sagen darf - auszuklammern und sie dem Beamtenrechtsausschuß zur Beratung im Zusammenhang mit der Beratung des ihm vorliegenden Entwurfs eines Beamtengesetzes zu überweisen. Weiter liegt dazu ein Entschließungsantrag vor. Ich darf unterstellen, daß auch hier die Praxis verfolgt werden soll, über Entschließungen am Schluß der dritten Beratung abzustimmen.
({7})
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling auf Überweisung. Ich bitte die Damen und Herren, die unter diesem Gesichtspunkt dem Überweisungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag auf Überweisung ist angenommen. Damit ist der Antrag auf Umdruck Nr. 117 erledigt.
Ich rufe weiter zur Abstimmung Abs. 3 und Abs. 4 des § 48 auf. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den beiden Absätzen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Die Absätze sind angenommen.
Zu Abs. 5 liegt der Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Umdruck Nr. 119 Ziffer 2 vor, die Worte „unter Berücksichtigung der §§ 7 und 8" zu streichen.
({8})
- Es ist eine redaktionelle Änderung. Ich bitte aber, meine Damen und Herren, formell um Ihre Zustimmung. Wenn Sie zuzustimmen wünschen, bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen; die Worte sind gestrichen.
Nach dieser Abstimmung über den Abänderungsantrag lasse ich über den Absatz 5 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Absatz ist angenommen.
Zum Abs. 6 liegt ein Antrag der Fraktion der WAV und des Herrn Abgeordneten Dr. Richter vor, am Schluß des Absatzes nach dem Wort „Herkunftslandes" einzufügen: einschließlich des ehemaligen Österreich-Ungarn.
({9})
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
({10})
- Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist das einfachste. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({11})
Ich komme zur Abstimmung über den Abs. 6 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Abs. 6 und somit der ganze Paragraph ist angenommen. Damit haben wir die einzelnen Abstimmungen über § 48 erledigt.
Ich rufe § 49 auf. Nach meinem Eindruck sind sämtliche Abänderungsanträge dazu bereits begründet, so daß sich wohl eine weitere Aussprache erübrigt. Ist das Haus damit einverstanden?
({12}) Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten von Thadden Umdruck Nr. 125 Ziffer 4, in § 49 einen Abs. 1 a einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen drei Stimmen abgelehnt.
Es liegt weiter der Antrag des Herrn Abgeordneten von Thadden Umdruck Nr. 124 Ziffer 3 vor, in § 49 in den Absätzen 2 und 3 das Datum „8. Mai 1945" zu ändern in „20. August 1946". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Enthaltungen gegen drei Stimmen abgelehnt.
Zu Abs. 3 liegt der Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP Umdruck Nr. 119 Ziffer 4 vor, daß in Satz 1 an die Stelle der Worte „bis zur Dauer von drei Monaten" die Worte „vorerst bis zur Dauer von zwölf Monaten" treten sollen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
({13})
- Eine Gegenstimme.
({14})
Nachdem über die Abänderungsanträge abgestimmt ist, komme ich zur Abstimmung über § 49 insgesamt.
({15})
- Herr Abgeordneter Farke hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eben den Antrag angenommen, daß die Dauer der Beihilfengewährung von drei Monaten auf zwölf Monate geändert wird. Wir müssen jetzt - das ist noch nicht beachtet - in der zweitletzten Zeile des Abs. 3 von § 49 hinter der Erwähnung des § 36 das Wort „drei" ebenfalls in „zwölf" ändern.
Ich halte das für eine redaktionelle Änderung, meine Damen und Herren, die sich aus der Annahme des Änderungsantrages als selbstverständlich ergibt, bitte das aber zu notieren.
Ich komme zur Abstimmung über § 49 in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Der Berichterstatter hat bereits über die Abschnitte VI a und VII berichtet. Wir kommen zu § 49 a. Dazu hat der Ausschuß eine redaktionelle
Änderung vorgeschlagen, in Abs. 2 hinter „A und B" einzufügen „ist". Es handelt sich um die Berichtigung eines reinen Druckfehlers. Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung und komme zur Abstimmung über § 49 a unter Berücksichtigung dieser kleinen Änderung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit ganz überwiegender Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu Abschnitt VII, § 50. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung über § 50. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 50 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit haben wir die Abschnitte bis einschließlich VII erledigt. Ich darf den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Dr. Kleindinst zur Berichterstattung über Abschnitt VIII bitten.
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: Über die Sondervorschriften für Angehörige von Nichtgebietskörperschaften habe ich bereits in der allgemeinen Ausführung gesprochen. Der Grundsatz ist, daß die entsprechenden Nichtgebietskörperschaften vor dem Bunde zur Unterbringung und zur Versorgung verpflichtet sind.
Ich komme nun zu Kapitel II, Sonstige Angehörige des öffentlichen Dienstes. Es handelt sich um die §§ 55 und 56. Die Bestimmungen dieses Kapitels betreffen die einheimischen Beamten, Angestellten und Arbeiter des Bundes ({1})
Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter ist ja nicht zu verstehen!
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: - einschließlich der Bundesbahn und der Bundespost, der Länder und Gemeinden, der Gemeindeverbände und sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, ferner einschließlich der Wartestands- und Ruhestandsbeamten und der sonstigen Versorgungsempfänger im Bundesgebiet, die aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ihr Amt oder ihren Arbeitsplatz verloren haben und noch nicht wieder entsprechend verwendet sind oder eine entsprechende Versorgung nicht mehr erhalten konnten.
Die Unterbringung und Versorgung dieser öffentlichen Bediensteten obliegt den Dienstherren. Bei ihnen sind die Rechtsverhältnisse schon von Anfang an am klarsten gewesen. Im Ausschuß wurde die Gewährung der im Gesetz vorgeschlagenen Übergangsgehälter als Mindestleistungen der Dienstherren bezeichnet. Ergänzende . landesgesetzliche Bestimmungen, insbesondere über die Verteilung der Lasten zwischen Dienstherren und Versorgungskassen, sind ermöglicht. Vor allem bleibt günstigeres Landesrecht unberührt, das nach dem 8. Mai 1945 erlassen worden ist oder noch erlassen werden wird. Die für einzelne Beamte, Angestellte und Arbeiter getroffenen günstigeren Maßnahmen bleiben in Geltung. Diese Bestimmung ist eingefügt worden, um irgendwelche Zweifel an diesen Festlegungen und an ihrem Bestand im vorhinein auszuräumen,
({1})
Im § 55 Abs. 3 ist die bestritten gebliebene Frage gelöst, ob öffentliche Bedienstete, die zur Entlassung gekommen sind, ohne Beziehungen zur NSDAP oder ihren Gliederungen gehabt zu haben, unter den Art. 131 fallen. Derartige Entlassungen sind aus den verschiedensten Gründen vorgekommen, auch aus dem Grund, daß sich irgendein Angestellter einer Militärbehörde einfach den Angestelltenplatz verschaffen wollte. Die jetzt vorliegende Bestimmung verneint die Frage, daß diese entlassenen Beamten überhaupt unter das Gesetz zu Art. 131 fallen, wenn das Fehlen dieser politisch belastenden Bestimmungen durch Spruchkammer- oder Kategorisierungsbescheid festgestellt ist. Sie werden deshalb vom Inkrafttreten des Gesetzes an so behandelt, als ob sie nicht aus ihrem Dienst ausgeschieden wären, können aber eine Nachzahlung von Bezügen nicht mehr verlangen.
Zu Kapitel III, Abgabe der Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Versorgungsrecht, §§ 57 bis 68: Diese Bestimmungen, die ursprünglich eine monatliche Abgabe von Angehörigen des öffentlichen Dienstes mit Versorgungsrecht in Höhe von 3 % der abgabepflichtigen Einnahmen vorsahen, sind bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs in diesem Hause auf Ablehnung gestoßen und schließlich durch die Ereignisse der letzten Monate völlig überholt worden.
Zu Kapitel IV, Wegfall der Gehaltskürzung, §§ 69 bis 71: Die ursprünglich im Zusammenhang mit der Regelung dieses Gesetzentwurfs und der erwähnten Erhebung einer Abgabe von den Angehörigen des öffentlichen Dienstes geplante Aufhebung der Gehaltskürzung ist bereits außerhalb dieses Zusammenhanges erfolgt, weshalb auch diese Bestimmungen in Wegfall kommen.
Zu dem wichtigen Kapitel V mit bedeutungsvollen Schlußbestimmungen werde ich nach Erledigung dieser Abschnitte noch berichten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe § 50 auf. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§§ 51, - 52, - 53, - 54. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Damit sind auch die Bestimmungen des Abschnitts VIII angenommen.
Herr Kollege Kleindinst, ich bitte Sie, weiter zu begründen.
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: In den Übergangs- und Schlußvorschriften regelt § 73 a die Versorgung von Berufssoldaten der früheren Wehrmacht oder ihrer Hinterbliebenen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes, wenn die Gesundheitsstörung nicht auf einer Dienstbeschädigung beruhte oder der Tod nicht infolge einer Dienstbeschädigung erfolgte, aber während der Zugehörigkeit zur Wehrmacht oder während der Zeit des Bezuges von Übergangsgebührnissen eingetreten ist und Versorgungsbezüge auf Grund des früheren Militärversorgungsgesetzes am 8. Mai 1945 bewilligt waren. Diese Regelung fällt an sich nicht in den Rahmen des Art. 131, ist aber auch im Bundesversorgungsgesetz nicht aufgenommen worden. Infolgedessen ist es notwendig, daß über diese Bestimmung, um ein eigenes Gesetz wegen eines einzelnen Paragraphen zu vermeiden, in diesem Zusammenhang Beschluß gefaßt wird. Die Bestimmung dehnt die Versorgung auch auf die Angehörigen des Vollzugsdienstes der Polizei und des früheren Reichswasserschutzes sowie auf ihre Hinterbliebenen aus. Die Übernahme in dieses Gesetz ist also eine reine gesetzestechnische Zweckmäßigkeit.
Eine besondere Regelung mußte in § 74 b für die unter das Gesetz fallenden Assistenten, Lektoren und Dozenten ohne Planstellen an den Hochschulen erfolgen, wenn sie am 8. Mai 1945 eine Dienstzeit von 25 Jahren abgeleistet haben. Da diese wissenschaftlichen Kräfte Planstellen im eigentlichen Sinne des Wortes nie gehabt haben, aber zu den notwendigen und verdienten Kräften der Hochschulen und der Forschung gehören, wurde diese Regelung hier eingefügt, und ich bitte, daß ihr die Zustimmung erteilt wird.
§ 75 sieht die gesetzliche Nachversicherung für Personen des Art. 131 vor, die nach dem Gesetzentwurf keine Anwartschaft auf Altersversorgung haben und daher nachzuversichern sind. Unter diese Bestimmung fallen auch die Berufsunteroffiziere mit einer Dienstzeit von weniger als 18 Jahren. Die versicherungsrechtlichen Beziehungen, in welche die öffentlich Bediensteten durch die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem 8. Mai 1945 getreten sind oder treten können, haben die Regelung einzelner wichtiger Fragen notwendig gemacht, die inzwischen aufgetreten sind. Die Personen des öffentlichen Dienstes, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, keine Anwartschaft auf Altersversorgung haben und daher von ihren früheren Dienstherren für die vor dem 8. Mai 1945 liegende Zeit der versicherungsfreien Beschäftigung nachzuversichern wären, gelten als nachversichert. Für die Erstattung von Leistungen, die auf die Zeit der versicherungsfreien Beschäftigung vor dem 8. Mai 1945 entfallen, ist zwischen dem Bund, den Dienstherren und den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung eine besondere Regelung vorgesehen. Diese Bestimmung ist besonders für die Beamten auf Widerruf wichtig. Die §§ 75 a und 75 b regeln die Erstattung der zur Rentenversicherung geleisteten Arbeitnehmerbeiträge an den Bund, wenn Beamte zur Wiederverwendung außerhalb des öffentlichen Dienstes tätig waren und in den Ruhestand treten, soweit sie nicht die Leistungen der Rentenversicherung zu beziehen wünschen, und ferner die Erstattung von Arbeitnehmerbeiträgen an den im öffentlichen Dienst in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes beschäftigten Beamten.
Für den Schutz der Beamten auf Widerruf, der Angestellten und Arbeiter, die zur Zeit im öffentlichen Dienst stehen, ist der § 76 a bestimmt. Er trifft Vorsorge, daß diejenigen Bediensteten, die persönliche und fachliche Anforderungen ihrer Dienststellung erfüllen, nicht entlassen werden dürfen, um die Unterbringungsmaßnahmen zu ermöglichen. Diese Bestimmung ist im Ausschuß gefaßt worden, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß irgendwelche Auswechslungen von Bediensteten zur Durchführung des Gesetzes geplant sind, und um denen, die die persönlichen und fachlichen Anforderungen ihrer Dienststellung erfüllen, ihren Arbeitsplatz zu erhalten.
Besonders wichtig ist die Bestimmung des § 77 Abs. ({1}), daß den unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Bediensteten einschließlich der in § 3 bezeichneten Personen außer den Ansprüchen aus diesem Gesetz weitergehende Ansprüche gegen den Bund oder andere im Bundesgebiet befindliche
({2})
offentliche Dienstherren auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht zustehen. Diese Bestimmung hat eine zweifache Bedeutung. Sie legt fest, daß die Regelung des Ausführungsgesetzes zu Art. 131 ihre Aufgabe erschöpfend löst, daß sich also alle Ansprüche aus den im Art. 131 des Grundgesetzes anerkannten Rechtsverhältnissen auf die Ansprüche aus diesem Gesetz beschränken und daß Ansprüche aus dem früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnis auch aus der Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Gsetzes nicht mehr bestehen. Diese Festlegung ist ausdrücklich auf Ansprüche gegen den Bund und andere im Bundesgebiet befindliche öffentlich-rechtliche Dienstherren beschränkt. Sie berührt Ansprüche gegen das Reich als früheren Dienstherrn nicht und auch nicht Ansprüche gegen Dienstherren außerhalb des Bundesgebiets. Diese Ansprüche bleiben bestehen. Es besteht zur Zeit nur nicht die Möglichkeit, sie geltend zu machen. Der § 77 besagt aber keineswegs, daß Ansprüche aus diesem Gesetz oder sogar vermeintliche weitergehende Ansprüche nicht verfolgt werden können, denn die Sperre des Art. 131 für die Geltendmachung von Ansprüchen im Klagewege fällt mit dem Inkrafttreten des Gesetzes. Der § '77 bestimmt nichts anderes, als sich aus der gesetzlichen Ausführung des Art. 131 ergeben würde. Er zieht die rechtlichen Folgerungen aber mit voller Klarheit. Aus diesen Gründen hat der § 77 zur vollen Klarstellung der Rechtsfolgen des Ausführungsgesetzes die Zustimmung der weitaus überwiegenden Mehrheit des Ausschusses gefunden.
Wegen der Neuordnung der staatsrechtlichen Verhältnisse bestimmt der § 80 a die Dienstherrenverhältnisse nach Maßgabe der Übernahme der Aufgaben und entsprechend die Übernahme von Versorgungsbezügen. Dabei sind landesgesetzliche Vorschriften für die Verteilung der Versorgungslast zwischen Land und Gebietskörperschaften und Verwaltungsvereinbarungen vorbehalten. Die Bestimmungen über die bereits berichtete Einbeziehung der öffentlichen Bediensteten, die ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt in Berlin-West haben oder hatten, sind zwischen den Vertretern der Bundesregierung und dem Lande Berlin vereinbart und vom Ausschuß beschlossen worden. Diese Einbeziehung setzt voraus, daß das Land Berlin wieder berufsbeamtenrechtliche Verhältnisse festlegt
({3})
und daß es die Verpflichtungen übernimmt, die die andern Länder nunmehr gegenüber dem Bund und gegenseitig übernehmen.
Ich muß nun auf eine Ergänzung in dem Bericht des Ausschusses hinweisen, die auf einen dankenswerten Vorschlag des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe zurückgeht. Sie wissen, daß in einer Reihe von Klagen versucht worden ist, festzustellen, ob bereits die Verfolgung von Rechtsansprüchen nach dem Art. 131 möglich ist oder nicht, um Ansprüche durchzusetzen. Diesen Klagen ist mit Rücksicht auf die laufenden Gesetzgebungsverhandlungen nicht stattgegeben worden. Der Vorschlag des Bundesgerichtshofs, der uns über das Bundesministerium der Justiz übermittelt worden ist, besagt, daß Gerichtskosten einschließlich der Auslagen aus Anlaß von Rechtsstreitigkeiten nicht erhoben werden, die sich durch dieses Gesetz erledigen, und außergerichtliche Kosten gegeneinander aufgehoben werden. Ich bitte, daß diese Frage, an die wir im Ausschuß nicht gedacht hätten, im Sinne dieses Vorschlages zur Erledigung kommt.
Der Gesetzentwurf enthält Kann-, Soll- und Muß-Bestimmungen. Die rechtliche Tragweite dieser Bestimmungen ist zwar nicht bestritten. Der Ausschuß hat aber auf die Festhaltung der Erklärung Gewicht gelegt, die von der Bundesregierung gegeben worden ist, daß die Soll-Bestimmungen in der Regel durchzuführen sind, daß sie aber keine Ansprüche begründen.
Mit Rücksicht auf die erst im Haushaltsjahre 1951 vorgesehenen oder vorzusehenden Deckungsmittel kann das Gesetz erst zum 1. April 1951 in Kraft gesetzt werden. - Damit sind die wesentlichen Vorschriften und Änderungen in den Übergangs- und Schlußbestimmungen erläutert und begründet.
({4})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf § 54 a. - § 55. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 56 ist ein Abänderungsantrag der FDP angekündigt, Umdruck Nr. 121 Ziffer 3. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die §§ 55 und 56 ragen insofern gegenüber den übrigen Paragraphen hier heraus, als sie den Sitz der Materie speziell für die einheimischen 131er darstellen. Es ist notwendig, hier mit einigen Sätzen auf die Unterschiede in der Behandlung der einheimischen und der vertriebenen 131er einzugehen; denn daraus erklärt sich dann der Antrag der FDP.
Hinsichtlich der Versorgung sind einheimische und vertriebene 131er gleichgestellt; dagegen ist hinsichtlich der Unterbringung eine Differenzierung erfolgt. Die einheimischen 131er haben nicht den Vorzug, unter die 20-%-Klausel zu fallen, also unter die bevorzugte Unterbringung. Es besteht damit eine gewisse Gefahr, daß die einheimischen 131er nicht nur nicht gleichzeitig untergebracht werden, sondern überhaupt hintangestellt werden. Nun ist allerdings richtig - und ich möchte diese Argumente, die mir sonst entgegengehalten werden könnten, gleich vorwegnehmen -, daß hinter den einheimischen 131ern ein gewisser -finanzieller Druck steht, nämlich der, daß die Versorgung dieser Personen nach Maßgabe dieser Vorschriften dem Dienstherrn obliegt, also ihrem Dienstherrn, der ja hier im Bundesgebiet vorhanden ist und dem sie auch heute noch unterstehen. Sie sind ja durch die Maßnahmen nach 1945, wie wir heute wissen, nur suspendiert und nicht etwa völlig ihrer Beamtenrechte verlustig gegangen. Sie haben also, wennn man es mal so sagen darf, rechtlich in gewisser Weise eine etwas stärkere Position; sie stehen dementsprechend auch ihrem alten Dienstherrn näher, indem er zur Versorgung verpflichtet ist, während für die vertriebenen 131er der Bund dieselbe Versorgung übernommen hat. Das ist in der Tat - ich will das hier ruhig sagen - ein gewisser Druck zu einer bevorzugten Einstellung der einheimischen 131er. Andererseits hatten wir vorgesehen, daß ein entsprechender Druck für die vertriebenen 131er durch die Ausgleichsbeträge gemäß § 15 dieses Gesetzes hervorgerufen werden sollte, die ja nun leider gestern in der zweiten Lesung auf den SPD-Antrag hin gestrichen worden sind. Ich nehme aber an und hoffe, daß diese Bestimmung, nämlich der § 15, in dritter Lesung
({0})
doch noch mit den Koalitionsparteien durchgezogen werden kann, so daß dann der hier unbedingt notwendige finanzielle Druck insoweit auch zugunsten der vertriebenen 131er vorhanden und die jetzt in der zweiten Lesung eingetretene Verschlechterung wieder beseitigt sein wird.
Nun aber die Unterbringung der einheimischen 131er speziell. Ich sagte, sie nehmen an der bevorzugten Unterbringung innerhalb der 20 % nicht teil. So besteht nach unserer Auffassung allerdings in der Tat nun die Gefahr - besonders da diese Dinge manchmal sehr stark der politischen Sicht unterliegen; in den ehemaligen Reichsbehörden ist die Gefahr allerdings weniger gegeben; ich weiß, daß z. B. in der Reichsfinanzverwaltung die Dinge heute mehr oder weniger völlig geregelt und geklärt sind und daß da Zufriedenheit eingetreten ist; die Dinge liegen schwierig und stoßen sich im Raum hauptsächlich bei den Gemeindebeamten -, daß Beamte von Städten und Gemeinden aus politischen Gründen vielleicht überhaupt nicht wieder eingestellt werden. Denn ein bestimmter Zwang ist im Gesetz nicht gegeben!
Darum hielt es die FDP für notwendig, in § 56 Abs. 1 den letzten Satz zu ergänzen. Der letzte Satz heißt jetzt: „Zur Unterbringung und Versorgung nach Maßgabe dieser Vorschriften ist der Dienstherr verpflichtet." Wir wollen folgenden Text haben: „Zur Unterbringung bis spätestens 31. Dezember 1952 und Versorgung nach Maßgabe dieser Vorschriften ist der Dienstherr verpflichtet." Wir sehen allein darin die Gewähr, daß dieser Kreis an der Unterbringung beteiligt wird, der sonst Gefahr läuft, nicht nur hintangestellt zu werden, sondern bei der Unterbringung völlig auszufallen.
Ich bitte Sie daher, diese Ergänzung gemäß dem FDP-Antrag zu beschließen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Abänderungsantrag zu § 56 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit: Abgelehnt!
({0})
- Einige Herren von Ihrer Fraktion haben gegen Ihren eigenen Antrag gestimmt.
({1})
- Dann wiederhole ich die Abstimmung. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Ergebnis ist dasselbe: Abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 56 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Kapitel III entfällt.
Kapitel IV entfällt.
Kapitel V, §§ 72, - 73, - 73 a -. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 73 b ist ein Abänderungsantrag, Umdruck Nr. 115 Ziffer 4, der kommunistischen Fraktion angekündigt. Der Paragraph soll gestrichen werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Der § 73 b behandelt die Belange der Beamten und
Berufssoldaten, die an eine Dienststelle der früheren Geheimen Staatspolizei, des früheren Forschungsamtes des Reichsluftfahrtministeriums oder der früheren Waffen-SS von Amts wegen versetzt waren. Diese Beamten und Berufssoldaten sollen hinsichtlich ihres Rechtsanspruchs so behandelt werden, als wenn sie in ihrer früheren Amtsstellung gewesen wären, mit der Einschränkung, daß ihre Dienstzeit bei den soeben genannten nazistischen Einrichtungen nicht angerechnet wird. In diesem § 73 b heißt es dann aber: „In besonderen Ausnahmefällen kann die oberste Dienstbehörde eine Anrechnung dieser Dienstzeit zulassen."
Meine Fraktion vertritt den Standpunkt, daß dieser Paragraph zu streichen ist, weil damit nach unserer Meinung Tür und Tor geöffnet ist, Personen Rechte einzuräumen, die diese wegen ihres Verhaltens in der nationalsozialistischen Zeit keineswegs verdient haben. Wir sind - das sage ich ausdrücklich - nicht dagegen, daß im einzelnen Fall einem Beamten, der von Amts wegen an die genannten früheren nationalsozialistischen Einrichtungen versetzt wurde, der aber trotz allem ein anständiger Mensch geblieben ist, seine Beamtenansprüche zuerkannt werden sollen. Wir sind auch der Meinung, daß man einen derartigen Beamten, der also völlig schuldlos ist, in einem solchen Falle nicht dadurch bestrafen darf, daß ihm diese bei den genannten Dienststellen verbrachten Jahre nicht angerechnet werden. Wir sind aber der Meinung, daß sich solche Ausnahmefälle - die Fälle sind in der Tat selten - im Rahmen der Durchführungsbestimmungen zu diesem Gesetz regeln lassen und daß es absolut unzweckmäßig ist, einen besonderen Paragraphen - wie hier § 73 b - dafür im Gesetz zu belassen. Meine Fraktion beantragt deshalb die Streichung dieses Paragraphen.
Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Bei der Wichtigkeit dieser Frage möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen, was ich in meinem besonderen Bericht schon gesagt habe, daß vorn in dem Gesetzestext unter „Personenkreis" die Geheime Staatspolizei grundsätzlich ausgeschlossen worden ist. Wenn der § 73 b gestrichen würde, wäre es nicht möglich, denjenigen Beamten, die wider ihren Willen zu der Geheimen Staatspolizei gekommen sind und die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, die Tätigkeit in dieser Zeit auch anzurechnen. Das wäre auch auf dem Wege einer Durchführungsbestimmung nicht möglich, weil dazu keine Ermächtigung vorliegen würde. Es ist ja bekannt, daß Leute aus der Kriminalpolizei lediglich übernommen worden sind, um in der Fremdenpolizei, im Meldewesen und ähnlichen Aufgaben jahrelang tätig zu sein. Sie können sich ohne weiteres rechtfertigen und nachweisen, daß sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen. Aber diese Frage kann generell nicht geregelt werden; sie muß individuell, und zwar unter Verantwortung der obersten Dienstbehörde gelöst werden. Und was von der Geheimen Staatspolizei gilt, gilt auch für das noch nicht ganz geklärte Forschungsamt, das ja eine getarnte Einrichtung im Rahmen des BLM gewesen ist, eine Behörde zur Bespitzelung und Beobachtung im Interesse des Herrn Göring. Dasselbe gilt für Offiziere der Waffen-SS, von denen wir wissen, daß namentlich bei Beginn manche sich geweigert haben, ihr beizutreten, und dann zu ihr komman({1})
diert worden sind. Diese Fälle können aber nur individuell geklärt werden. Dazu bedarf es der Ermächtigung in diesem § 73 b, der gegenüber der grundsätzlichen Ausschließung der Angehörigen dieser Organisationen und Personenkreise, wie sie in § 1 enthalten ist, den Unschuldigen anerkennen will.
Ich habe Ihnen kurz bekanntzugeben, daß um 12 Uhr in Zimmer 12,, Südflügel, eine kurze Beratung des Untersuchungsausschusses Nr. 44 stattfindet.
Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 115 Ziffer 4 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Er ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über die §§ 73 b, - 74,
- 74 a, - 74 b, - 74 c, - 75, - 75 a, - 75 b, -76. Wer für die Annahme dieser Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Paragraphen sind angenommen.
Zu § 76 a liegen Abänderungsanträge vor, Umdrucke Nr. 122 Ziffer 1 und Nr. 121 Ziffer 4. Wer begründet die Anträge? - Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem § 76 a kommen wir leider wieder auf das unerfreulichste Kapitel des ganzen Gesetzes zurück, nämlich auf die - das darf ich heute sagen - mißglückte Unterbringung. Der § 76 a, den uns die SPD im Ausschuß beschert hat, lautet in seinem ersten Teil wie folgt:
Beamte auf Widerruf, Angestellte und Arbeiter, die die persönlichen und fachlichen Anforderungen ihrer Dienststellung erfüllen, dürfen nicht zu dem Zweck entlassen werden, um Dienstposten oder Arbeitsplätze zur Durchführung der Unterbringungsmaßnahmen nach diesem Gesetz freizumachen . . .
Wenn man das draußen in Versammlungen den Betroffenen vorträgt, dann empfinden sie das wie einen Schlag ins Gesicht. Sie sagen: Da habt ihr jetzt über ein Jahr an dem Gesetz herumgebrütet, und jetzt versetzt ihr uns mit diesem Text des § 76 a eine Ohrfeige, die uns einfach umhaut! Ich bin der Ansicht, daß dieser Paragraph entweder überhaupt nicht in dieses Gesetz hineingehört oder noch besser: in sein Gegenteil verkehrt werden müßte, daß also genau das Gegenteil darin stehen müßte, nämlich daß die Plätze von denjenigen, die als Berufsfremde und Außenseiter nach 1945 in die Dienststellen hineingekommen sind, - ({0})
Lassen Sie doch den Redner bitte vortragen.
({0})
Also meine Damen und Herren, ich lasse diesem Tumult von links durchaus seinen Lauf. Ich hatte ihn an dieser Stelle allerdings auch erwartet.
({0})
Ich sage Ihnen allerdings auch, daß ich den schärferen Ausdruck für diese betreffenden Kreise bisher vermieden habe. Reizen Sie mich nicht, das Wort zu sagen!
({1})
Herr Kollege Miessner, bitte mäßigen Sie sich!
Reizen Sie mich nicht, das
Wort zu sagen, das hier eigentlich fällig wäre. ({0})
- Die 131er wissen, was ich meine.
({1})
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich aufregen. Was habe ich Ihnen getan?
({2})
- Mir scheint, meine Damen und Herren von links, Sie fühlen sich allerdings erheblich getroffen. - Ich setzte jetzt meine Rede fort.
({3})
Meine Damen und Herren, die „131er", die Berufsbeamten aus dem Osten, aus Königsberg oder Breslau, oder wo sie sonst her sind, haben allerdings das Gefühl - ({4})
Meine Damen und Herren! Sie verlängern ja nur die Dauer der Sitzung. Lassen Sie den Redner doch sagen, was er sagen zu müssen glaubt, und antworten Sie ihm, wenn Sie glauben, ihm antworten zu müssen.
({0})
Die Berufsbeamten haben das Gefühl, daß die Berufsfremden jetzt Stellungen einnehmen, welche sie selbst fachlich weit besser ausfüllen könnten.
({0})
Wenn man ihnen diese Stellungen gäbe bzw. wiedergäbe, wäre die Unterbringungsfrage schnellstens gelöst.
({1})
Diese Fachbeamten haben das Gefühl, daß der § 76 a, der zweifellos in einem systematischen Zusammenhang mit dem SPD-Antrag auf Streichung der Ausgleichsbeträge nach § 15 steht, eigentlich die umgekehrte Tendenz haben müßte und etwa so lauten sollte:
Beamte auf Widerruf und Angestellte, die die persönlichen und fachlichen Anforderungen ihrer Dienststellung nicht erfüllen, können entlassen werden, um Dienstposten oder Arbeitsplätze zur Durchführung der Unterbringungsmaßnahmen nach diesem Gesetz frei zu machen...
Das haben die 131er erwartet und nichts anderes.
({2})
- Wer hat denn hier von Nazis geredet?! ({3})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole meine Ermahnung: Verlängern Sie nicht die Dauer dieser Sitzung!
Ich wüßte nicht, daß ich das Wort, das Sie jetzt hier in den Saal rufen, heute morgen in irgendeiner Form in die Debatte gebracht hätte. Ich habe auch andere Worte nicht ausgesprochen, an die Sie anscheinend denken. Ich weiß sehr wohl, warum ich sie nicht ausgesprochen habe. Ich habe gar kein Interesse daran, die Dinge etwa hier in der Diskussion zu verschärfen. Ich habe nur den Wunsch, daß ein möglichst großer Teil des Hauses dem FDP-Antrag zustimmt.
Die FDP-Fraktion als solche hält es für ausreichend, daß aus dem § 76 a nur die Worte „um Dienstposten oder Arbeitsplätze zur Durchführung der Unterbringungsmaßnahmen nach diesem Gesetz frei zu machen oder" gestrichen werden, so daß der Paragraph nur so lautet:
Beamte auf Widerruf dürfen nicht
zu dem Zweck entlassen werden, um eine den
Pflichtanteil ({0}) übersteigende Zahl
anrechnungsfähiger Personen zu vermindern. Das letztere wäre allerdings ein Schutz für die 131er; das könnte sehr wohl drinbleiben.
Ich persönlich habe namens einer größeren Zahl von Fraktionskollegen einen weitergehenden Antrag gestellt - der Antrag lautet so, wie ich ihn vorhin vorgelesen habe -, damit offen sichtbar wird, daß der § 76 a wörtlich und sinngemäß in sein Gegenteil verkehrt wird, nämlich in das, was die 131er erwartet haben. Denn die 131er wissen sehr wohl, daß die ganze Unterbringungsfrage letztlich nur dadurch gelöst werden kann, daß diejenigen, die als Angestellte oder als Beamte auf Widerruf
ohne beamtenmäßige Vorbildung nach 1945 die Plätze ausgefüllt haben, jetzt wieder in ihre angelernten Berufe zurückgehen und die Plätze für das gelernte Berufsbeamtentum aus dem Osten frei machen.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Kollege Miessner hat der Sache, um die es ihm geht, mit seinem Antrag keinen besonders guten Dienst geleistet.
({0})
- Verzeihen Sie, wenn Sie von vornherein ein solches Vorurteil haben, dann warten Sie in Zukunft doch, bis der Redner, der etwas zu sagen hat, gesprochen hat.
({1})
Wenn es Ihnen um die Bereinigung des Berufsbeamtentums geht, dann sollten Sie das einer Aufgabe überlassen, die im Zusammenhang mit diesem Gesetz gar nicht gelöst werden kann. Die Frage, wie die Qualitäten von Beamten sein müssen und wie das Berufsbeamtentum auszusehen hat, ist eine Frage, die der allgemeinen beamtenrechtlichen Regelung überlassen bleiben muß. Sie wissen so gut wie wir, daß man zur Zeit dabei ist, gewisse Prinzipien zu entwickeln und zu einem allgemeinen Berufsbeamtengesetz zu kommen. Hier könnten die Fragen geregelt werden, um die es geht, wenn der Antrag des Herrn Kollegen Miessner wirklich das meint, wovon er hier spricht. In
Wirklichkeit geht es um etwas ganz anderes. In
Wirklichkeit steckt hinter diesem Antrag nicht das
Bestreben, die Parteibuchbeamten - das hat Herr
Miessner gemeint, wenn er diesen Ausdruck auch
vermieden hat - zu entfernen, weil man der
Meinung ist, daß hier und da jemand in eine Position gekommen ist, in die er nicht hineingehört. In
Wirklichkeit geht es auch gar nicht darum, hier
einen besonderen Schutz für Ostbeamte, die untergebracht werden sollen, zu schaffen. Hier handelt
es sich vielmehr um ein Politikum erster Ordnung.
({2})
Die Einstellung des Herrn Kollegen Miessner geht von einer völligen Verkennung der Situation aus, wie sie sich uns 1945 dargestellt hat. Wenn der Herr Kollege Miessner die Tage um den Zusammenbruch und danach aus eigener praktischer Schau besser kennen würde, wenn er einmal die Aufgabe gehabt hätte, aus den Trümmern der Verwaltung wieder ein erstes Fundament zu erstellen und die ersten organisatorischen Voraussetzungen für das öffenliche Leben zu schaffen, dann müßte er ein wenig schweigsam sein in seiner generellen Beurteilung und Verurteilung von Leuten, die damals unter Mühen und unter Übernahme schwerer Lasten Funktionen auf sich genommen haben, die diejenigen, an die er jetzt denkt, zu übernehmen weder willens noch fähig gewesen sind.
({3})
Man vergißt doch völlig, daß wir damals unter Verhältnissen gelebt haben, die es uns unmöglich gemacht haben, selbständig und völlig aus eigener Kraft und aus eigenem Willen wieder Verwaltungen aufzubauen. Ein großer Teil der Beamten konnte nicht übernommen werden. Ich will hier nicht über die Entnazifizierung und darüber reden, inwieweit in Verbindung mit der Entnazifizierung Unrecht geschehen ist. Das ist in diesem Hause von allen Parteien wiederholt und mit Nachdruck klargestellt worden. Aber es ist doch nicht so, daß Beamte, die 1933 entlassen wurden, die 1945 zum Teil wiedergeholt werden konnten und die später eingestellt worden sind, unter allen Umständen Beamte bleiben müssen; denn wo Unfähigkeit vorliegt, geben die geltenden beamtenrechtlichen Gesetze jede Möglichkeit, solche Leute aus dem Amt zu entfernen. Es gibt kein Beamtengesetz, in dem nicht derartige Bestimmungen in der Vergangenheit waren und in der Zukunft sein werden. Es handelt sich also um eine Frage, die außerhalb jeder Leidenschaft erörtert werden sollte und von der man sagen muß: Wie immer man sie regelt, - in Verbindung mit diesem Gesetz kann sie nicht geregelt werden. Sonst bringen Sie in dieses Gesetz in noch verstärktem Maße ein Odium hinein, meine Damen und Herren, vor dem wir Sie warnen möchten.
({4})
Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen, zunächst über den weitestgehenden der beiden eben gestellten Anträge, den Antrag auf Umdruck Nr. 122 Ziffer 1, der besagt, daß Beamte auf Widerruf und Angestellte usw. entlassen werden können, um Dienstposten usw. freizumachen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
({0})
Ich lasse nun abstimmen über den zweiten Antrag, Umdruck Nr. 121 Ziffer 4. Wer für die An({1})
nahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
({2})
- Ich wiederhole die Abstimmung. Wer für den Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es sind mindestens doppelt soviel Stimmen dagegen gewesen.
({3})
Die Übersicht ist im allgemeinen von hier aus besser als aus dem Saal.
Ich lasse nun abstimmen über den § '76 a in der Fassung der Ausschußvorlage. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Zu § 77 sind wiederum Abänderungsanträge angekündigt. Der eine befindet sich auf Umdruck Nr. 122 Ziffer 2 - Antrag der FDP oder vielmehr des Kollegen Miessner -, der andere der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 Ziffer 3, ein weiterer des Kollegen von Thadden auf Umdruck Nr. 125 Ziffer 5.
Zunächst Herr Abgeordneter Miessner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe namens einer größeren Zahl von Fraktionskollegen der FDP die Streichung des § 77 beantragt. Die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 77 ist von Anbeginn an umstritten gewesen, und so hat sich auch die Fraktion der FDP in ihrer Meinung geteilt. Bis zur letzten Minute hat der § 77 sowohl im Ausschuß für Beamtenrecht als auch in der Öffentlichkeit stärkstens im Mittelpunkt der Diskussionen gestanden, berührt er doch letztlich eine Grundfrage, nämlich die, ob der Gesetzgeber berechtigt war, ganz neues Recht zu schaffen, oder ob er die hergebrachten Grundsätze des Beamtentums und damit ebenso auch die früheren Rechte der 131er voll zu respektieren hatte.
Die unter rechtsstaatlicher Sicht höchst bedenkliche Bestimmung des § 77 in der ursprünglichen Fassung des Regierungsentwurfs hat erst gegen Ende der Ausschußberatungen die jetzt vorliegende Fassung erhalten. Für die Beurteilung dieser Bestimmung ist es nicht ohne Bedeutung, auf folgendes hinzuweisen: § 77 ging zunächst dahin, daß weitere Ansprüche außer den Ansprüchen nach diesem Gesetz gegen den Bund oder andere im Bundesgebiet befindliche öffentliche Dienstherren nicht geltend gemacht werden konnten. Das war deutlich erkennbar ein Klageverbot, also der Versuch, die Geltendmachung bestehender oder behaupteter weitergehender Ansprüche prozessual zu verhindern.
Die Beamtenorganisationen haben übereinstimmend und immer wieder darauf hingewiesen, daß ein solches formelles Klageverbot gegen das Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoße, wonach jedem Staatsbürger der Rechtsweg offenstehe, wenn er durch die öffentliche Gewalt - hier verkörpert durch den Gesetzgeber -in seinen Rechten verletzt werde. Die Beamtenverbände betonten stets, keine Vorschrift, durch die die Berechtigten formell oder materiell klaglos gestellt werden sollten, werde die Gerichte daran hindern, eines Tages durch Gerichtsurteil ihre Rechte wiederherzustellen. Schon die vorliegende Judikatur zur Sperrvorschrift des Art. 131 des Grundgesetzes hat übereinstimmend die Auffassung vertreten, Art. 131 könne das Grundrecht aus
Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes nicht aufheben, sondern allenfalls nur für kurze Zeit, bis zur gesetzlichen Regelung, einen Klagestopp anordnen. Die Auffassungen gingen nur darüber auseinander, wie lang diese „kurze Zeit" zu bemessen sei.
Ich verweise insbesondere auf den Beschluß des Verwaltungsgerichts Kassel vom 2. Oktober 1950. Das Gericht hat damals unter Hinweis auf die lange Dauer der Gesetzesarbeit zum Art. 131 des Grundgesetzes u. a. ausgeführt:
Der Art. 131 des Grundgesetzes muß unter diesen Umständen als außer Kraft gesetzt betrachtet werden, weil es nicht Sinn dieser Gesetzesbestimmung war, den Rechtsweg in den gedachten Fällen dauernd oder langjährig auszuschließen.
Aber gegenüber einem dauernden Klageverbot, wie es § 77 des Regierungsentwurfes vorsah, wäre erst recht und mit Sicherheit die Feststellung der Verfassungswidrigkeit zu erwarten.
Nun ist aber im Laufe der Ausschußberatungen - und ich darf sagen, damals auf meinen Antrag hin - die Vorschrift des § 77 anders gefaßt worden. Sie lautet jetzt:
Den unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen stehen außer den Ansprüchen nach diesem Gesetz Ansprüche aus ihrem früheren Dienst- oder Arbeitsverhältnis gegen den Bund oder andere im Bundesgebiet befindliche öffentlich-rechtliche Dienstherren, auch für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes, nicht zu.
An die Stelle des verfassungsrechtlich zweifelsohne nicht haltbaren Klageverbotes ist nunmehr also die Feststellung getreten, daß weitere Ansprüche nicht bestehen oder, anders ausgedrückt, soweit sie bestehen sollten, damit zum Erlöschen gebracht werden sollen. Die Dinge sind also juristisch von der prozessualen auf die materielle Ebene verschoben. Zweck und Ziel sind aber das gleiche wie vorher, und die verfassungsrechtliche Beurteilung der Gesamtsituation dürfte sich damit kaum ändern. Im Gegenteil, eine solche Verschiebung könnte später einmal noch härter beurteilt werden, nämlich als künstliche Manipulation zur Umgehung des Klageverbotes! Dem sollte sich meines Erachtens der Gesetzgeber nicht aussetzen, ganz abgesehen davon, daß es nicht nach gutem Gewissen aussieht und meinem Empfinden nach sogar äußerst peinlich wirkt, die Rechte der 131er hier noch ausdrücklich zu vernichten. Es könnte der Autorität des Gesetzgebers nur dienlich sein, wenn er dem Recht, d. h. dem Gerichtsurteil, seinen Lauf ließe. Gerade wenn der Gesetzgeber - ich meine jetzt die anderen Teile des Hauses, die nicht meiner Auffassung sind - die Ansicht vertritt, daß über die im Entwarf eingeräumten Ansprüche hinaus Rechte nicht bestehen, ist das Interesse nicht erkennbar, das er daran haben könnte, seiner Meinung nach aussichtslose Klagen durch § '77 künstlich zu verhindern und abzuschneiden. Soviel zum Juristischen.
Nun noch ein Wort zu der Aufnahme dieses Paragraphen in der Öffentlichkeit. Vor allen Dingen weise ich darauf hin, daß die Verbände, die allesamt wie ein Mann die Beseitigung des § 77 wünschen, die Verbände des zivilen Berufsbeamtentums wie auch die des Berufssoldatentums, gar nicht so radikal sind, wie sie manchmal böswilligerweise hingestellt werden. Mit gerichtlicher Entscheidung - und ich weiß, daß ich da im Namen dieser Verbände spreche - auch eventuell zu
({0})
seinen Ungunsten findet sich der Beamte und findet sich auch der Berufssoldat immer ab. Aber Abschneidung der Rechte, ohne jemals überhaupt die Möglichkeit der Entscheidung des Richters zu haben, das ist es, was die 131er nicht verstehen. Darin fühlen sie sich allerdings gegenüber allen anderen Menschen in der Bundesrepublik sehr erheblich benachteiligt. Erst Rechte und keine Klage, jetzt zwar Klage, aber keine Rechte, das ist in der Tat für den Kreis der Betroffenen eine harte Zumutung!
Ich bitte Sie daher, den § 77 zu streichen.
Wer begründet den anderen Abänderungsantrag? - Herr Dr. Etzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Abs. 1 des § 77 in der Fassung der Ausschußvorlage sind Ansprüche, die das vorliegende Gesetz nicht zubilligt, aberkannt. Es wird nicht verkannt, daß der 25. Ausschuß die Regierungsvorlage in zahlreichen wesentlichen Punkten zugunsten der Betroffenen verbessert hat. In § 77 aber hat er sie zuungunsten dieser Kreise verschlechtert. Auch die Regierungsvorlage will das Klagerecht der Betroffenen einschränken. Aber sie will immerhin nur, wie Art. 131 des Grundgesetzes, ein Klageverbot, also eine Prozeßsperre, verhängen und im übrigen auch die Geltendmachung weitergehender Ansprüche blokkieren.
Der Gesetzgeber hat offenbar, ich will nicht sagen, ein schlechtes, aber kein gutes Gewissen. Um es zu beschwichtigen, möchte er mit einem Federstrich einen etwas radikalen Schlußstrich ziehen. Ich muß es aussprechen: Die Bestimmung des Abs. 1 des § 77 des Gesetzentwurfes in der Fassung der Ausschußvorlage ist meines Erachtens rechts- und grundgesetzwidrig. Schon die Versagung des Klagerechts verstößt gegen den Gedanken des Berufsbeamtentums, der im Grundgesetz, in den Länderverfassungen und in den Beamtengesetzen, so auch in dem vorläufigen Bundesbedienstetengesetz vom Mai 1950, enhalten ist.
Ob die Geltendmachung wie unter der Bismarckschen und der Weimarer Verfassung sowie den Verfassungen der Länder vor den ordentlichen oder, wie nach § 142 des Deutschen Beamtengesetzes von 1937, vor den Verwaltungsgerichten zu erfolgen hat, ist meines Erachtens eine justizstaatliche, also rechtspolitische, nicht aber eine rechtsstaatliche, also grundsätzliche, im höheren Sinne moralische Frage. Der Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, daß das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln ist. Auch die Verfassungen der Bundesländer .enthalten ähnliche Vorschriften. Die bayerische Verfassung erklärt in Art. 95, daß das Berufsbeamtentum grundsätzlich aufrechtzuerhalten sei. Das Berufsbeamtentum wird aber nicht nur durch die fachliche Vorbildung, die grundsätzlich lebenslängliche Anstellung, den lebensberuflichen öffentlichen Dienst und die wechselseitige Treuepflicht, sondern auch durch den Schutz der wohlerworbenen Rechte gekennzeichnet.
Ich lasse dahingestellt, ob die Bestimmung des § 77 auch den in den Verfassungen und im Grundgesetz gewährleisteten Grundsatz de's Eigentums verletzt. Sicher ist, daß es sich hier um ein verfassungsmäßig fundiertes, legitimes Rechtsschutzinteresse der Berufsbeamten handelt und daß hier der Beamte, der betroffen ist, von den Möglichkeiten des Art. 19 Abs. 2 und 4 des Grundgesetzes
ebenso Gebrauch machen kann wie von der Vefassungsbeschwerde des § 90 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht, der bestimmt: Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.
Es wird auch Aufgabe der Gerichte sein, nach Art. 100 des Grundgesetzes zu prüfen, ob das heute in § 77 zu verabschiedende Gesetz grundgesetzmäßig ist. Art. 19 Abs. 2 bestimmt ausdrücklich, daß ein Grundrecht nicht in seiner Substanz verletzt werden darf, indem er sagt:
In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
Gerade dadurch, daß hier die Geltendmachung anderer Ansprüche, als sie im Entwurf des Gesetzes vorgesehen sind, ausgeschlossen wird, wird eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten hervorgerufen, also gerade das bewirkt, was § 77 in seinem Abs. 1 verhindern will.
Und nun erlauben Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein kurzes Wort. Der Herr Präsident des Bundes der Steuerzahler - verzeihen Sie, der Herr Bundesfinanzminister
({0})
hat vorhin auf die Grenzen hingewiesen, die unter dem Blickpunkt des Steuerzahlers einer Regelung im vorliegenden Falle gezogen sind und sein müssen. Niemand unter besonnenen Menschen wird sich dem Gewicht der von ihm geltend gemachten Hinweise und Argumente entziehen. Aber ich frage mich, ob, wenn solche Grenzen gezogen sind, die das Vermögen der Bevölkerung und ihre Leistungskraft angehen, das dann zu einer Diskriminierung einer bestimmten Bevölkerungsgruppe führen muß und soll. Die Frage des Rechts muß an erster Stelle stehen,
({1})
und ich bin der Meinung, daß auch in der Frage der Staatsausgaben und damit der Beanspruchung der Leistungskraft der Bevölkerung eines Bundes oder Staates gewisse Rangordnungen oder Prioritäten zu beachten sind. Die Verwirklichung des Rechts hat in der Rangordnung der Dinge an erster Stelle zu stehen. Wenn uns in den letzten Wochen aufgegeben worden ist, eine immer höhere Besatzungskostenlast zu tragen, dann ist uns sechs Jahre nach Kriegsschluß erlaubt, die Frage zu stellen, ob hier die richtige Prioritätenfolge eingehalten ist. Ich bin der Auffassung, daß es nicht angeht, durch eine immer höhere Hinaufsetzung des sogenannten Sozialprodukts von 80 auf 90, auf 100, auf 110 Milliarden - ({2})
Sprechen Sie bitte zur Sache!
- das gehört ja zur Sache! - auch die Grundlage für eine immer höhere Forderung der Besatzungskosten zu schaffen. Ich glaube, es wird möglich sein, auch den Besatzungsmächten klarzumachen, daß die Verwirklichung des Rechtsgedankens,
({0})
um den es hier geht, an erster Stelle zu stehen hat.
({1})
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte namens der Bundesregierung Sie eindringlich bitten, diesen Paragraphen so, wie ihn der Ausschuß verabschiedet hat, stehenzulassen. Ich erinnere Sie daran, daß dieser Paragraph einen der Grundgedanken des Gesetzes enthalt. Wäre diese Regelung hier nicht vorgesehen, dann, müßte ich sagen, wäre das ganze Gesetz im Grunde überflüssig.
({0})
Nun möchte ich erstens einmal fragen: Was ist der eigentliche Sinn? Ich möchte zweitens feststellen, daß dieses Gesetz verfassungsrechtlich zulässig ist, und drittens, daß es in keiner Weise eine Diskriminierung der aus Art. 131 zu Berechtigenden darstellt.
({1})
Zur rechtlichen Seite zunächst stellt dieser Paragraph zweierlei klar. Der erste Gesichtspunkt ist, daß das Gesetz die Ansprüche des Personenkreises aus Art. 131 gegen den Bund und gegen die übrigen öffentlich-rechtlichen Dienstherren erschöpfend regelt.
Der zweite Gesichtspunkt ist der, daß die Ansprüche gegen das Reich und gegen öffentlichrechtliche Dienstherren außerhalb des Bundesgebietes offen geblieben sind. Was bedeutet das? Diese Klarstellung gegenüber dem Bund und den übrigen öffentlich-rechtlichen Dienstherren im Bundesgebiet ist wichtig erstens für die Personen, die nach dem Gesetz keine Ansprüche haben, und zweitens hinsichtlich aller Personen allgemein für die Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten des Gesetzes. Damit werden die zahlreichen schwebenden Prozesse erledigt, und es wird eine abermalige Rechtsunsicherheit, die durch die Möglichkeit verschiedenartiger Entscheidungen in neuen Prozessen besteht, für die Zukunft verhindert.
({2})
Deshalb dienen diese Vorschriften ausgesprochen der inneren Befriedung. Ich habe hier ein Schreiben des Dritten Zivilsenats unseres Bundesgerichtshofes vorliegen, das, soviel ich weiß, auch Ihren Ausschußberatungen vorgelegen hat und Ihnen bekannt geworden ist. In diesem Schreiben wird. diese Auffassung auch von dem Dritten Zivilsenat nachdrücklich unterstrichen. Es heißt dort: „Durch diese gesetzliche Regelung werden sich zahlreiche Prozesse über die Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen erledigen". Diese Angelegenheit ist auch innerhalb der Regierung, sowohl eingehend mit dem Bundesjustizminister, der dieser eben dargelegten Auffassung durchaus beitritt, als auch mit dem Bundesminister für Vertriebene und mit dem Herrn Finanzminister geprüft worden.
Meine Herren! Der Rechtsweg ist durch diese Fassung in keiner Weise ausgeschlossen. Deshalb ist der Einwand, es handele sich um eine verfassungswidrige Regelung, nicht stichhaltig. Der Rechtsweg ist völlig offen geblieben. Auch soweit es sich nicht um Ansprüche nach dem Gesetz handelt, kann der Einwand der Verfassungswidrigkeit jederzeit vor der zuständigen Stelle gerichtlich geltend gemacht werden. Ich darf damit feststellen, daß keinerlei Beeinträchtigung der Rechte der Berufsbeamten vorliegt, selbstverständlich auch keinerlei Diskriminierung und selbstverständlich keine Verfassungswidrigkeit.
Auch in dem zweiten Fall, in dem gesagt ist, daß die Ansprüche gegen das Reich und öffentlichrechtliche Dienstherren außerhalb des Bundesgebietes unberührt bleiben, ist die Klarstellung von Wichtigkeit, weil sie alle Zweifel darüber ausschließt, daß das Bundesgesetz nicht beabsichtigt, die entsprechenden Ansprüche der 131er mit Wirkung gegenüber dem Reich oder den öffentlich-rechtlichen Dienstherren außerhalb des Bundesgebietes irgendwie zu beeinträchtigen.
Aus diesen zwingenden Gründen - weil es sich um eine grundlegende Bestimmung dieses Gesetzes handelt - bitte ich Sie, die Bestimmung stehen zu lassen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unerfreulich, wenn man in einem Gesetz die Möglichkeiten zur Beschreitung des Rechtsweges einschränken muß. Ich erkenne an, daß die Darlegungen, die uns der Herr Innenminister eben gemacht hat, berechtigt sind, und ein großer Teil meiner Fraktionsfreunde ist seiner Meinung. Ich persönlich kann mich dieser Meinung allerdings nicht anschließen und habe aus grundsätzlichen Erwägungen den § 77 bisher abgelehnt. Wir sind uns aber darüber einig, daß man aus dem Abs. 1 dieses Paragraphen zumindest doch den Satzteil streichen muß: „oder andere im Bundesgebiet befindliche öffentlich-rechtliche Dienstherren". Es gibt nämlich Dienstherren, gegenüber denen die Rechtsverhältnisse klar liegen, während für andere Gruppen - in ihrer Stellung dem Bunde gegenüber - praktisch Dienstherren nicht da sind. Hier aber sind die Dienstherren vorhanden, und hier darf man keineswegs eine Erschwerung herbeiführen, sondern muß unter allen Umständen den Rechtsweg freigeben. Meine Fraktion beantragt demgemäß die Streichung dieses Satzes.
Das Wort hat der Abgeordnete Wuermeling.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich zu diesem Punkt sehr kurz fassen, zumal nachdem der Herr Minister eben eingehende Darlegungen zu der Frage gemacht hat. Wie liegt die Situation? Das Grundgesetz hat uns in Art. 131 den Auftrag gegeben, die Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises zu regeln. Das ist ganz eindeutig ein Auftrag zu konstitutiver Gesetzgebung. Das war ein Auftrag, die Dinge so gerecht und sozial und angemessen zu regeln, wie es unter den heutigen Umständen möglich ist. Das haben wir mit unserem Gesetz getan, und es ist eine Selbstverständlichkeit, im Gesetz zu sagen, daß dann, wenn diese Regelung erfolgt ist, den Berechtigten nicht irgendwelche weitergehenden Ansprüche zustehen.
({0})
Das bedeutet keinerlei Ausschluß einer Klagemöglichkeit, denn jedem aus dem Personenkreis nach Art. 131' ist das Recht belassen - nicht etwa ausgeschlossen -, sich an das Gericht zu wenden und höhere Leistungen mit der Begründung einzuklagen, dieser § 77 widerspreche dem Grundgesetz. Daß er dem Grundgesetz jedoch nicht widerspricht,
({1})
scheint mir so eindeutig klar, daß man über das Ergebnis dieser Klage kaum wird geteilter Meinung sein können.
In diesem Zusammenhang muß aber noch ein Wort zu dem in den Blättern der betroffenen Personenkreise vielfach behandelten früheren Antrag Dr. Nowack zu diesem Gesetzentwurf gesagt werden. Dieser Antrag Dr. Nowack trug in seiner Formulierung den Bedenken gegen den § 77 eigentlich am besten Rechnung. Eigenartig aber ist, daß in einem Satz steht: der Personenkreis des Art. 131 könne alles fordern, und im nächsten Satz dann: er bekomme nur den Teil, den das Gesetz ihm heute zuerkennt. Meine Damen und Herren, so etwas kann man ja wohl in einem Gesetz nicht machen. Ich habe auch nicht den Eindruck bekommen, daß man diesem Antrag des Herrn Nowack seinerzeit in den Beratungen allzuviel praktische Bedeutung beigemessen hätte. Er ist zwar gestellt, ist umgedruckt worden und gelangte in den Ausschuß, nicht über das Plenum, sondern auf anderem Wege. Im Ausschuß hat selbst der Antragsteller nach meiner Erinnerung kaum etwas von seiner Beziehung zu diesem Antrag spüren lassen.
({2})
Verehrter Herr Kollege Nowack, in aller Kollegialität und rein bildlich gesprochen: Ich hatte manchmal etwas das Gefühl, als wenn die Beziehung zwischen Ihnen und diesem Antrag etwa der Beziehung eines unehelichen Vaters zu seinem unehelichen Kinde entspräche,
({3})
das man zu einem gewissen Termin dann vergißt oder vergessen hat.
({4})
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß dieses uneheliche Antragskind nicht einer Gemeinschaft mit der Göttin der Verantwortung
({5})
sondern einer unerwünschten Beziehung zu Tante Propaganda zu danken gewesen ist.
({6})
Es schien mir notwendig, diese Frage auch hier einmal ganz kurz zu beleuchten, damit nicht draußen im Lande mit diesem Antrag, unter dessen Einzelpunkten sich eigentlich niemand so recht etwas vorstellen kann, wie die Abstimmung ja hier ergeben wird, zuviel Mißbrauch getrieben wird. Ich bitte also, den § 77 in der Fassung des Ausschusses anzunehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehöre in dem Ausschuß für Beamtenrecht zu der Minderheit, die vom Anfang bis zum Ende gegen den § 77 gesprochen und auch in der dritten Lesung im Ausschuß dagegen gestimmt hat. Ich maße mir nicht an, etwa juristisch zu diesem Paragraphen Stellung zu nehmen, aber in aller Bescheidenheit mit dem gesunden Menschenverstand. Ich habe aus dem Art. 131 Satz 3 herausgelesen, daß bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes vorbehaltlich anderweitiger Regelung in den Ländern der Rechtsweg nicht beschreitbar ist, d. h. also bis zur Regelung, die den Art. 131 verwirklicht. Nun ist es soweit, das Gesetz wird jetzt geschaffen.
Dann muß doch eigentlich diese Bestimmung fallen, die den Mann bisher daran gehindert hat, den Rechtsweg zu beschreiten.
({0}) Ich kann verstehen, daß die Gesetzgeber im Parlamentarischen Rat - verehrte Frau Kollegin Dr. Weber -, als sie seinerzeit diesen dritten Satz hineinsetzten, verhindern wollten, daß bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes eine Flut von Prozessen angestrengt werden würde.
({1})
Diesen Zustand, meine Damen und Herren, kann man eine Zeitlang tragen. Aber das Grundgesetz ist am 23. Mai 1951 zwei Jahre in Gültigkeit. So lange können Sie den Zustand nicht aufrechterhalten, weil Sie dann gegen den Art. 3 und gegen den Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verstoßen, der jedem Menschen, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt bedrückt oder bedrängt fühlt, den Rechtsweg eröffnet.
Ich bin auch durch die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers nicht überzeugt worden. Der Herr Bundesinnenminister hat vorhin in seinen Ausführungen erklärt, daß dieses Gesetz keinem Menschen das Recht der Klage nimmt, der sich durch die Regelung seiner Rechtsansprüche in diesem Gesetz benachteiligt fühlt. Und er hat hinzugefügt, daß einem solchen Mann der Rechtsweg auch gegen einen anderen Dienstherrn des Reiches oder des Bundes offensteht. Wenn also geklagt werden kann, dann ist doch eigentlich dieser Paragraph überflüssig, und eine überflüssige Bestimmung sollte man nicht in das Gesetz bringen, .sondern man sollte es so einfach wie möglich machen, damit auch der einfachste Mann es verstehen kann. Ich werde bei meiner bisherigen Haltung bleiben und auch heute gegen den § 77, also für die Streichung stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nowack.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was von unserer Seite aus sachlich zu dem § 77 zu sagen ist, hat eben der Kollege Gaul gesagt. Ich möchte es nur noch durch eine Erwiderung ergänzen, eine Erwiderung, die ich an den Kollegen Wuermeling richten muß. Kollege Wuermeling hat hier den von mir mit Unterstützung sehr maßgebender Leute ausgearbeiteten und eingebrachten und auch von einer Reihe von Mitgliedern des Beamtenrechtsausschusses unterzeichneten Antrag zu dem Gesetz zu Art. 131 einer Kritik unterzogen. Er hat dabei von Propaganda gesprochen
({0})
und hat unterstellt, daß dieser Antrag, der ein Ergebnis wochenlanger, ich möchte beinahe sagen:
monatelanger Tag- und Nachtarbeit gewesen ist,
eine Angelegenheit der Propaganda gewesen wäre.
({1})
Ich habe mehr den Eindruck, als ob das, was der Kollege Wuermeling sowohl der Form als dem Inhalt nach zu diesen Dingen gesagt hat, eine reine Angelegenheit der Propaganda ist
({2})
und offenbar im Hinblick auf den Wahlkampf in Rheinland-Pfalz oder in anderen Teilen des Bundesgebietes gesagt worden ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: Meine verehrten Damen und Herren! Ich muß für den Ausschuß noch kurz folgendes sagen.
Vor dem Beamtenrechtsausschuß hat kein Vertreter der Verbände, kein Vertreter der Beamten den Standpunkt vertreten, daß außer dem, was durch das Gesetz erreicht wird, weitere Ansprüche geltend gemacht werden. Die Herren haben auch volles Verständnis dafür gehabt, daß zurücklieliegende Ansprüche nicht erfüllt werden können.
Die Stellungnahme, die eine Minderheit vertritt, bedeutet folgendes: Wir nehmen das an, was aus dem Gesetz nach allen Bemünungen - auch in finanzieller Beziehung - hervorgegangen ist, behalten uns aber vor, alle weitergehenden Ansprüche auf dem Klagewege geltend zu machen. - Das würde bedeuten: es können alle Ansprüche von Personen geltend gemacht werden, die am 8. Mai 1945 in bestimmten Rechtsverhältnissen zum nationalsozialistischen Staat gestanden waren, auch die Ansprüche dessen, der zwei Jahre im öffentlichen Dienst gestanden ist und eine Urkunde über eine Ernennung auf Lebenszeit erhalten hat, auch die Ansprüche eines Berufsunteroffiziers mit fünf Dienstjahren, während draußen die Männer zehn Jahre gestanden sind. Das kann von keinem vertreten werden, der die Beamtenrechtsverhältnisse kennt und die Dinge objektiv beurteilt. Ich glaube, daß man dem Berufsbeamtentum, so wie es uns überliefert worden ist und wie wir darin aufgewachsen sind, einen schlechten Dienst erweist, wenn man diese Stellungnahme als die Anschauung des gesamten Beamtentums hinstellen will.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse zunächst über den Antrag Dr. Miessner Umdruck Nr. 122 Ziffer 2 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den Antrag der Bayernpartei Umdruck Nr. 123 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den Antrag des Abgeordneten von Thadden, der allerdings mündlich nicht gestellt wurde. Ist er etwa zurückgezogen?
({0})
- Wenn Sie über den Antrag abgestimmt haben wollen, müssen Sie ihn stellen und mündlich begründen.
({1})
- Wer für den Antrag Umdruck Nr. 125 Ziffer 5 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen eine Stimme abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über § 77 abstimmen.
({2})
- Ich bitte um Entschuldigung! Ich lasse abstimmen über den Antrag der Deutschen Partei, den der Kollege Farke überreicht hat. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über § 77 abstimmen. Wer für
die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe § 78 auf. Wer für diesen Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 79 ist in Umdruck Nr. 116 Ziffer 7 ein Änderungsantrag gestellt. Wird er begründet?
Das Wort hat der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auch hier auf eine kurze Begründung beschränken. Sie liegt auf derselben Linie, aus der heraus wir die Streichung des Abs. 4 in § 36 beantragt haben.
Unsere Bedenken gegen in zwei Richtungen. Einmal sind wir der Meinung, daß dieser § 79 den haushaltsrechtlichen Gebräuchen nicht entspricht. In dieser Hinsicht sind wir, wenn man vom fachmännischen Gesichtspunkt her sprechen will, in guter Gesellschaft; denn auch der Finanzminister hat gestern im Haushaltsausschuß erklärt, daß er gar nichts dagegen hätte, wenn man den § 79 streichen würde. Er ist also in dieser Beziehung derselben Ansicht.
Unsere Bedenken gehen aber noch in einer anderen Richtung. Hier wird von der Voraussetzung ausgegangen, es werde sich im Laufe des Jahres erweisen, daß der veranschlagte Betrag nicht gebraucht werden wird. In den Verhandlungen des Beamtenrechtsausschusses sind stets zwei gegensätzliche Meinungen aufeinandergeprallt. Die Meinungsverschiedenheiten bestanden aber nicht zwischen der Regierung und der Opposition, sondern in den meisten Fällen zwischen der Regierung und den Regierungsparteien. Die Regierungsparteien waren immer der Meinung, die Ansätze des Herrn Finanzministers seien - wenigstens zum Teil - viel zu hoch, die Zahlen würden sich als bedeutend niedriger erweisen. Wir haben sozusagen daneben gestanden und gelächelt. Wir wissen ganz genau, daß die Regierung angesichts der Haushaltslage auch im Falle des § 79 nicht einen übermäßig hohen Betrag einsetzen, sondern sehr vorsichtig sein wird. Weil wir das wissen, glauben wir nicht daran, daß man im Laufe des Jahres aus diesem Titel Ersparnisse erreichen kann. Wir haben also keine Hoffnung darauf, daß durch Ersparnisse aus diesem Titel eine Erhöhung der Übergangsgelder zu erzielen ist. Vielmehr haben wir die große Befürchtung, daß die in § 50 in Aussicht gestellten Beihilfen und Unterstützungen nicht gewährt werden könnten. Aber gerade auf die Gewährung dieser Beihilfen und Unterstützungen legen wir entscheidenden Wert, weil wir wissen, daß verschiedene Bestimmungen des Gesetzes zu Härten führen, die nur auf diesem Wege ausgeglichen werden können.
Deshalb haben wir den Antrag gestellt, den § 79 zu streichen, wollen aber dafür dem Hohen Hause eine Entschließung vorlegen, über die wie über die andern in der dritten Lesung abgestimmt werden soll. Ich darf mir gestatten, sie heute schon bekanntzugeben, damit Sie unsere Stellungnahme verstehen. Sie lautet:
Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, im Haushalt 1951 einen Betrag von mindestens 60 Millionen Deutsche Mark für Beihilfen und Unterstützungen gemäß § 50 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen zur Verfügung zu stellen.
Wenn Sie diese Entschließung annehmen und für
({0})
die Einsetzung dieses Betrages in den Haushalt 1951 stimmen, tragen Sie in haushaltsrechtlicher Beziehung den Dingen Rechnung und dienen so auch am besten dem Interesse des betroffenen Personenkreises. Ich bitte Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Herr Wuermeling!
Meine Damen und Herren! Nur eine kurze Stellungnahme zu diesem Antrag.
({0})
Wir hatten bereits bei dem Antrag zu § 36 Abs. 4 über die grundsätzliche Seite der Frage gesprochen. Wir halten es für unverzichtbar, daß dem Personenkreis des Art. 131 durch eine Bestimmung dieses Gesetzes, eben den § '79, in Aussicht gestellt wird: der für sie in den kommenden Haushaltsjahren aufzuwendende Betrag wird insgesamt wenigstens nicht niedriger, und etwaige Ersparnisse sollen zur Erhöhung insbesondere der Übergangsgehälter verwendet werden, von denen wir ja alle wissen, daß sie an sich zu niedrig sind, und gegebenenfalls zur Erhöhung des Beihilfe- und Härtefonds von 30 auf 60 Millionen DM.
Meine Damen und Herren, ich kann die beiden Stellungnahmen der SPD nicht ganz in Einklang miteinander bringen. Einerseits erklärt man sich durch den Antrag auf Streichung des Paragraphen gegen eine solche Absicht, beantragt auf der anderen Seite aber dann eine Erhöhung der Mittel für das Haushaltsjahr 1951/52 auf dem Wege über den Beihilfefonds. Ich möchte empfehlen, diesen Entschließungsantrag, wenn wir später darüber zur Abstimmung kommen, zunächst einmal dem Haushaltsausschuß zu überweisen, wohin er gehört, weil er eine Bindung des Haushaltsplanes für das Jahr 1951 in sich birgt. Ich glaube, daß wir diese Überweisung unbedenklich werden vornehmen können.
Ich habe dann nur noch für den erwarteten Fall der Ablehnung der Streichung des § 79 einen ganz kleinen redaktionellen Antrag zu stellen. Wir müssen den Paragraphen jetzt der Tatsache anpassen, daß der Abs. 4 des § 36 gestrichen ist. Ich mache den rein redaktionellen Änderungsvorschlag, an Stelle der Worte „Festsetzung von Zuschlägen nach § 36 Absatz 4" zu setzen: „Erhöhung der Übergangsgehälter". Das entspricht dem Sinn meiner eben gemachten Ausführungen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den § 79 sprechen gewichtige haushaltsrechtliche Bedenken, Bedenken, die auch der Herr Bundesfinanzminister in vollem Umfang teilt, wie ich nicht nur aus seinen gestrigen Äußerungen. im Haushaltsausschuß, sondern auch aus privaten Rücksprachen im Laufe der heutigen Sitzung weiß. Ich möchte seinen Vertreter, den Herrn Staatssekretär, bitten, den Auftrag zu erfüllen, den der Herr Bundesfinanzminister mir persönlich angekündigt hat: daß sein Herr Stellvertreter hier im Hause, wenn die Frage aufgeworfen wird, seinen Standpunkt präzisieren wird. Ich glaube, wir sind es diesem Hause schuldig, daß wir hier mit offenen Karten spielen. Ich möchte hinzufügen - ohne den Namen des betreffenden Herrn zu nennen; er gehört zur Regierungskoalition und sitzt etwas weiter zur Rechten -, daß mir ein Kollege,
der ein Vertreter dieses Paragraphen ist, mir heute morgen im Beisein des Herrn Bundesfinanzministers gesagt hat: „Herr Kollege Schoettle, lassen Sie es doch stehen, es ist ja nur ein Trost nach außen!"
({0})
Ich wende mich gegen diese rein von der Optik bestimmten Gesetzestexte, die für die Betroffenen gar nichts bedeuten und bei denen jeder sich von vornherein darüber im klaren ist, daß sie nichts bedeuten. Deshalb sollte man diesen Paragraphen streichen.
({1})
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Schoettle kann ich erwidern, daß der Herr Bundesfinanzminister sich dieser Ansicht anschließt, d. h der Streichung dieses Paragraphen zustimmt.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen zunächst über den Antrag auf Überweisung der Resolution an den Ausschuß ab. Herr Wuermeling, habe ich recht verstanden, daß die Resolution an den HaushaltsAusschuß gehen soll?
({0})
- Wer für die Überweisung an den Haushaltsausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({1})
- Warum?
({2})
Zur Abstimmung hat das Wort Herr Abgeordneter Mellies.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Praxis in diesen Fällen ist doch so: Wenn Anträge auf Bereitstellung von Mitteln im Haushalt gestellt werden, solange der Regierungsentwurf des Haushaltsgesetzes noch nicht vorliegt, werden diese Anträge entweder hier angenommen oder den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Sie beschäftigen aber in keinem Falle den Haushaltsausschuß vorher. In der Regel ist so verfahren worden, daß die Anträge hier angenommen worden sind. Ich glaube, man sollte ordnungsmäßig auch in diesem Falle so verfahren, denn der Haushaltsausschuß kann nichts anderes tun, als Ihnen den Antrag mit der Empfehlung zurückreichen, ihn anzunehmen und damit der Regierung einen gewissen Fingerzeig für die Aufstellung des Haushaltsplans zu geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Meine Damen und Herren! -Ich könnte den Ausführungen des Herrn Vor({0})
redners zustimmen, wenn der Entschließungsantrag lediglich besagte, daß die Regierung gebeten wird, zu p r ü f en, ob diese Mittel erhöht werden können. Ich weiß nicht, ob Sie mit einer solchen Änderung einverstanden wären.
({1})
- Nein? Dann sind wir nicht in der Lage, dem Verfahren einer direkten Abstimmung zuzustimmen, weil in dem Antrag ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet wird, von dem ja erwartet wird, daß sie es erfüllt. Das soll doch eine Bindung der Regierung für die Mittel im Haushalt sein, die da zur Verfügung gestellt werden sollen. Man stellt doch vom Bundestag aus nicht Anträge an die Regierung, die man im Haushaltsausschuß noch nicht überprüft hat, ob sie haushaltsmäßig zu verantworten sind. - Ich bleibe bei meinem Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen in diesem Augenblick nicht darüber abzustimmen. Über Resolutionen wird normalerweise am Schluß der dritten Lesung entschieden. Wir stellen diesen Überweisungsantrag bis dahin zurück.
Nun lasse ich über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 116 Ziffer 7 abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Darf ich bitten, die Abstimmung zu wiederholen? Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
({0})
- Dann müssen wir im Hammelsprung entscheiden. Wer für die Streichung ist, den bitte ich, durch die Ja-Tür zu kommen.
({1})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung beginnt.
({2})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen. Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Abstimmung ist: 142 Ja-Stimmen, 133 Nein-Stimmen, 11 Enthaltungen. Damit ist § 79 gestrichen.
§ 79 a. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 79 b liegt ein Abänderungsantrag des Herrn von Thadden vor, wieder Umdruck Nr. 125, diesmal Ziffer 6. Der Abänderungsantrag wird nicht begründet. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Offenbar ist niemand dafür; ich sehe keine Hand.
({3})
Meine Damen und Herren, wenn Sie dafür sind, geben Sie doch bitte ein Handzeichen.
({4})
- Wenn wir abstimmen, muß man doch ein bißchen auf seinen Antrag achten. Sonst sollte man ihn lieber nicht einbringen. ({5})
Wer dagegen ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegen einige wenige Stimmen abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über § 79 b, - § 80, § 80 a. - Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Es ist nun durch den Ausschuß auf Umdruck Nr. 108 Ziffer 5 beantragt worden, einen neuen § 80 b einzufügen:
Soweit sich Rechtsstreitigkeiten durch den Erlaß dieses Gesetzes erledigen, werden Gerichtskosten einschließlich Auslagen nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 80 b nach der alten Zählung, 80 c nach der neuen Zählung. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 80 c ({6}) ist ein Abänderungsantrag gestellt - Umdruck Nr. 116, Ziffer 8 -, einen neuen § 80 d einzufügen. - Herr Abgeordneter Mellies, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich will keine lange Begründung geben; ich will nur auf zwei Dinge hinweisen. Wir haben in das vorläufige Gesetz, das wir in diesem Hause kurz vor Weihnachten verabschiedet haben, eine solche Bestimmung aufgenommen, die, soweit ich mich erinnere, damals weitgehende Zustimmung gefunden hat. Man könnte vielleicht der Auffassung sein, daß nach der Streichung des § 15 Abs. 2, die gestern beschlossen worden ist, dieser Paragraph nun nicht mehr erforderlich sei. Ich möchte Sie aber auf die Bestimmungen in §§ 13 und 14 des Gesetzes hinweisen. Ich glaube, daß diese neue Bestimmung um der Klarheit willen doch noch eingefügt werden sollte.
Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling, bitte!
Meine Damen und Herren! Wenn wir diesem Antrage stattgäben, würden wir Zehntausende von Beamten- und Angestelltenstellen für die Unterbringung verlieren, die sonst im Rahmen der Unterbringungsverpflichtung für den Personenkreis des Art. 131 zur Verfügung stünden. Das können wir, auch wenn es gewisse Schwierigkeiten auf diesem Sektor macht, nicht verantworten. Die Aufsichtsbehörden werden diese Fälle im Rahmen ihrer Zuständigkeiten in erträglicher Weise regeln.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über die Einfügung dieses neuen § 80 d nach Umdruck Nr. 116 Ziffer 8. Wer diesem Antrage zustimmen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit. Abgelehnt.
({0})
- Das Präsidium ist einstimmig der Meinung, daß letzteres unzweifelhaft die Mehrheit war.
Nunmehr kommt ein weiterer Antrag der Bayernpartei auf Umdruck Nr. 123 Ziffer 4. - Abgeordneter Dr. Seelos, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz enthält so heterogene Gruppen, daß es uns notwendig erscheint, einen besonderen Härteparagraphen einzufügen. Wir haben im Laufe der Debatte wiederholt gesehen, daß Anträge gestellt worden sind, die besondere Gruppen betreffen, die nirgends untergebracht werden kön({0})
nen. Man könnte sagen: Es ist ja möglich, das Gesetz später zu ergänzen. Wir wissen aber alle, daß es ein halbes bis ein Dreivierteljahr dauert, bis die Automatik des Gesetzgebungswegs zu einem Erfolge führt. Uns genügt auch nicht der § 50, der gewisse Beihilfen der Regierung vorsieht, sondern wir wünschen, daß die Berechtigten ihre Rechtsansprüche auf Grund eines besonderen Härteparagraphen geltend machen können. Wir bitten daher, diesem Antrage zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? - Herr Dr. Kleindinst!
Dr. Kleindinst ({0}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Für Härten, die sich im Rahmen des Gesetzes ergeben, sind Beihilfen und Unterstützungen im § 50 vorgesehen.
({1}) Weitergehende Härtefälle können nicht berücksichtigt werden, weil sonst jeder, der irgendwie nicht berücksichtigt worden ist - wir sind zu dieser Auffassung auf Grund langer und sorgfältiger Überlegungen gekommen -, Anträge nach dieser Richtung stellen würde, die eine Flut von „papierner Arbeit" und dann hernach von Enttäuschungen herbeiführen müßten. Ich muß deshalb sagen: Nach den übereinstimmenden Anschauungen der Ausschußmitglieder muß auf einen Härteparagraphen in diesem weiteren Sinne verzichtet werden. Das übrige ist durch den § 50 erfüllt.
({2})
Keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; er ist abgelehnt.
Nunmehr liegen keine Anträge zur zweiten Lesung mehr vor.
({0})
- Verzeihung! § 81:
Dieses Gesetz tritt am 1. April 1951 in Kraft.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Nunmehr Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung erledigt.
Gestern wurde beim Eintritt in die zweite Beratung der Antrag gestellt, die dritte Beratung unmittelbar anschließend folgen zu lassen. Die Entscheidung des Hauses hierüber ist bis nach Schluß der zweiten Beratung vertagt worden. Das Haus muß sich also jetzt darüber schlüssig werden, ob die dritte Beratung unmittelbar anschließend oder ob sie nächste Woche erfolgen soll.
({1})
- Werden Anträge dazu gestellt?
({2})
Herr Abgeordneter Euler!
Ich bitte mit Rücksicht auf die Entscheidungen, die das Haus in zweiter Lesung zu § 79 und zu anderen wesentlichen Paragraphen getroffen hat, die dritte Lesung erst in der nächsten Woche stattfinden zu lassen. Jedenfalls widerspreche ich, daß die dritte Lesung heute stattfindet.
Dann kann die dritte Lesung heute nicht stattfinden. Dieser Punkt der Tagesordnung von gestern ist nunmehr für heute erledigt.
Meine Damen und Herren, nun die Gretchenfrage: wie sollen wir heute weiter prozedieren? Wir haben von gestern noch eine ganze Reihe von Tagesordnungspunkten zu erledigen, und die heutige Tagesordnung ist ja auch recht umfangreich. Von einer Reihe von Herren des Hauses wurde mir gesagt, daß sich das Haus nach Erledigung dieses Punktes der Tagesordnung höchstwahrscheinlich sehr stark leeren würde und wahrscheinlich nicht nur für die Zeit einer Frühstückspause, sondern endgültig. Deswegen bin ich gebeten worden, das Haus zu fragen, ob die Haushalte, die heute auf der Tagesordnung stehen, nicht auf nächste Woche übertragen werden sollen und ob man sich nicht damit begnügen sollte, die anderen Dinge - alles andere außer den Haushalten - zu erledigen. Es ist ein Vorschlag, den zu machen man mich gebeten hat.
Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren, ich glaube, das Haus kann es nicht verantworten, wenn es heute so früh Schluß macht. Wir haben für die nächste Woche die dritte Lesung des Gesetzes über das Mitbestimmungsrecht vorgesehen. Eben ist durch den Widerspruch, der hier eingelegt wurde, veranlaßt, daß die dritte Lesung des Gesetzes nach Art. 131 des Grundgesetzes in der nächsten Woche stattfindet. Wir werden also auch für die nächste Woche sehr stark beladene Tagesordnungen haben; denn es steht ja in Aussicht, daß auch noch eine andere große Debatte stattfindet. Wenn wir so weiter fortfahren wollen, werden wir zu den Einzelberatungen der Haushaltspläne nicht kommen. Nachdem der Haushalt des Justizministeriums gestern nicht mehr behandelt werden konnte, sollte man ihn meines Erachtens heute noch beraten, damit wir wenigstens diesen Haushaltsplan noch verabschieden.
({0})
Zur Geschäftsbehandlung keine weiteren Wortmeldungen. Ich habe keinen Antrag ap das Haus zu stellen.
({0})
- Weiterarbeiten! Dann, meine Damen und Herren, schlage ich Ihnen vor, daß wir in Abänderung der Tagesordnung den Punkt 1 der Tagesordnung von heute behandeln.
({1})
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Aufhebung der Immunität des _Abgeordneten Dr. Doris gemäß Ersuchen des Bundesministers der Justiz vom 5. April 1951 ({3}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Dr. Horlacher ({4}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dieser Angelegenheit handelt es sich um folgenden Tatbestand. Der Herr Präsident dieses Hauses hat das ja schon
({5})
einmal bekanntgegeben, aber ich muß das jetzt im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Behandlung dieses Falles im Immunitätsausschuß noch einmal behandeln.
Der Herr Dr. Fritz Dorls, Mitglied dieses Hauses und erster Vorsitzender der Sozialistischen Reichspartei, hat über den bayerischen Ministerpräsidenten ein Fernschreiben an den Bayerischen Innenminister Hoegner in München gerichtet, und zwar wurde hierzu der Fernschreiber des Bundeshauses benützt. Das Fernschreiben hat folgenden Wortlaut:
Durch Pressevertreter in Bonn wurde mir mitgeteilt, daß laut Erlaß Ihres Ministeriums Versammlungen der Sozialistischen Reichspartei im Reichslande Bayern verhindert werden sollen.
Der Ausdruck „Reichslande Bayern" - das habe ich als Berichterstatter des Ausschusses zu sagen - ist ein direkt nationalsozialistischer Begriff. - Es heißt dann weiter:
Diese Anordnung wird von uns, da verfassungswidrig, als gegenstandslos betrachtet. Unsere Meinung zur Sache: Amerikanisches Terrorregiment durch ihre politischen Zuhälter in Deutschland.
Bei diesem Passus wurde im Ausschuß die Meinung zum Ausdruck gebracht, daß das eine allgemeine Verleumdung all der Personen darstellt, die nach dem Zusammenbruch die Arbeit mit den Besatzungsbehörden haben aufnehmen müssen.
Dann kommt der Schlußsatz:
Unsere Meinung zu Ihrer Person:
- also zur Person des Herrn Dr. Hoegner Sie sind das verächtlichste Subjekt, das die deutsche Erde je getragen hat, weil Sie sich freiwillig als Hinrichtungszeuge in Nürnberg zur Verfügung gestellt haben.
Es ist insbesondere notwendig, den Begriff „freiwillig", der hier steht, so rasch wie möglich nachzuprüfen. Der Herr bayerische Minister des Innern und stellvertretende Ministerpräsident hat gegen den Herrn Abgeordneten Dr. Fritz Dorls Strafantrag wegen Beleidigung gestellt und ersucht, die Immunitätsaufhebung zur Strafverfolgung beim Bundestag zu erwirken.
Bei der Beratung im Geschäftsordnungsausschuß waren die Vertreter des bayerischen Justizministeriums und des Bundesjustizministeriums, der Staatssekretär des bayerischen Justizministeriums und ein Vertreter des Bundesjustizministeriums, anwesend. Das Bundesjustizministerium stellt gleichzeitig aus öffentlichem Interesse den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dorls. Der Ausschuß hat eingehend über die Verhältnisse verhandelt. Es kam noch etwas hinzu, was ich aber nur so am Rande anführen möchte, eine Wahrnehmung des Abgeordneten Paul Stech, die er im Bundestagsrestaurant gemacht hat. Dort hat Dr. Doris behauptet, Dr. Hoegner sei doch ein Landesverräter. Auch das gebe ich zù den Akten.
Nun habe ich dem Hohen Haus den einstimmig beschlossenen Ausschußantrag vorzutragen, der folgendermaßen lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
die Immunität des Abgeordneten Dr. Dorls in vollem Umfang gemäß Art. 46 Abs. 2 des
Grundgesetzes einschließlich der Genehmigung
zur Verhaftung und gemäß Art. 46 Abs. 3 des Grundgesetzes aufzuheben.
Ich bitte das Hohe Haus, angesichts der Schwere der Vorwürfe diesem Antrag möglichst einstimmig die Zustimmung zu erteilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Richter.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht oft der Fall, wenn Anträge auf Aufhebung der Immunität gestellt werden, daß man mit einer solchen Geschwindigkeit arbeitet wie in diesem Falle. Ich habe das Gefühl, daß man eine solche Geschwindigkeit immer nur dann entwickelt, wenn es sich um ganz bestimmte Abgeordnete handelt, die nicht zu den Lieblingen des Hauses gehören.
({0}) Aber ich glaube, man hätte doch besser daran getan,
({1})
dem Herrn Abgeordneten Dr. Dorls zunächst einmal in diesem Hause Gelegenheit zu geben, selber dazu Stellung zu nehmen.
({2})
Das mindeste ist doch wohl, daß jemand, den man anklagt, sich auch verteidigen kann.
({3})
Das ist ein Recht, das Sie allerdings denen, die hier in diesem Hause angeklagt werden, nicht gern zubilligen möchten.
({4})
Darüber hinaus möchte ich auf etwas anderes hinweisen. Der Antrag, der hier vorgelegt worden ist, scheint mir auch juristisch nicht haltbar zu sein;
({5})
denn bei einer Beleidigung zu einer Verhaftung zu schreiten, ist etwas ganz Außergewöhnliches.
({6}) Ich glaube, wenn das Hohe Haus diesem Antrag zustimmte, könnte man nicht um den Eindruck herumkommen, daß die dann dafür in Frage kommende Mehrheit dem Staatsanwalt schon eine Art Marschbefehl geben möchte, um in dieser Form in den niedersächsischen Landtagswahlkampf einzugreifen.
({7})
Hätte man die ganze Angelegenheit etwas geruhsamer behandelt, was man auf Grund eines früheren Falles dem Hause wirklich anraten muß, dann wäre dieser Eindruck zum mindesten nicht in der Form aufgetreten, wie es heute der Fall ist.
Darüber hinaus möchte ich noch auf eins hinweisen. In diesem Hause ist schon einmal einem Abgeordneten die Immunität nicht entzogen worden trotz eines - ich möchte sagen - etwas derberen Ausdruckes, und zwar mit Rücksicht darauf, daß er diesen Ausdruck im bayerischen Landtagswahlkampf gebraucht hat. Auf diesen Hinweis wurde damals noch etwa der Zuruf gemacht: Na, so etwas ist nur in Bayern möglich! Ich will durchaus nicht behaupten, daß so etwas nur in Bayern möglich ist, möchte aber doch meinen, daß man, wenn man dem einen Abgeordneten zubilligt, daß
({8})
er vielleicht in der Erregung einen etwas scharfen, ungewöhnlichen Ausdruck gebraucht hat, dann auf der anderen Seite nicht päpstlicher sein sollte als der Papst.
({9})
Des weiteren möchte ich darauf hinweisen, daß in diesem Hohen Hause die Immunität in einem Fall nicht entzogen worden ist, in dem es sich tatsächlich nicht um eine politische Angelegenheit wie hier, sondern um eine Klage wegen Entwendung von Gegenständen gehandelt hat. Ob diese Klage zu Recht bestand oder nicht, spielt gar keine Rolle. Ich glaube nicht, daß sie zu Recht bestand. Aber sie lag zum mindesten vor und war kein Politikum, so daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität die Immunität des betreffenden Abgeordneten hätte aufheben können.
({10}) - Sie sind es nach Ihrer Schulung in Moskau ganz bestimmt! Darüber hinaus weise ich noch darauf hin, daß ebenfalls einem Abgeordneten dieses Hohen Hauses der Vorwurf gemacht werden konnte, er bediene sich Methoden, die ein politischer Gangster anwende. Ja, ein anderer Abgeordneter erklärte zu demselben Fall etwa: „Wenn ich der Überzeugung wäre, daß der Ausdruck Lügenbold parlamentarisch üblich wäre, dann würde ich den Betreffenden" - ich will den Namen nicht nennen, das ist nicht notwendig - „einen Lügenbold nennen", ohne daß man darauf seitens der Mehrheit des Hauses oder seitens des Betroffenen, wenigstens bisher, reagiert hat. Ja, ich stelle darüber hinaus fest, daß auch in anderen Fällen wesentlich großzügiger verfahren wurde, daß in diesem Hause selbst bei Vorliegen einer Klage wegen gefährlicher Körperverletzung die Immunität nicht entzogen wurde. Sie mögen selbst entscheiden, ob Sie auf dieser Basis fortfahren wollen. Ich glaube nicht, daß man draußen das Gefühl haben kann - man kann es auch hier drin nicht haben -, daß der Bundestag an diese Fälle sine ira et studio mit vollkommen gerechten Maßstäben herangeht. Im Gegenteil, man hat vielmehr das Gefühl, daß man hier gewisse Lieblinge hat, die natürlich entsprechenden Parteien angehören, daß diese entsprechend behandelt werden und daß die anderen unterdrückt werden sollen, wenn es sein muß, mit Mitteln ausgesprochenen Terrors.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich für meine Person nicht in der Lage, dem Antrag auf Aufhebung der Immunität zuzustimmen.
({0})
Ich spreche ohne Ansehen der Person.
({1})
Ich möchte hier nicht auf den Sachverhalt eingehen. Dessen Erörterung ist nicht Aufgabe dieses Hauses. Ich beziehe mich - und kann mich deshalb kurz fassen - auf die in Fragen der Immunität von mir selber hier häufig vorgetragenen Anschauungen, beziehe mich auch auf die Ausführungen von Herrn Professor Dr. Schmid, beziehe mich insbesondere darauf, daß ich auch im Falle Hedler der Aufhebung der Immunität habe widersprechen müssen, und zwar nach dem Grundsatz, daß ein gutes, ein zuverlässiges Recht sich immer in den
Grenzfällen bewährt, bei denen es um Zerreißproben geht.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Äußerung des Herrn Dr. von Merkatz einigermaßen erstaunt. Denn die ständige Praxis, der Herr Dr. von Merkatz das Wort geredet hat, lautet anders als seine augenblickliche Stellungnahme.
Der Versuch des Herrn Abgeordneten Dr. Richter, den vorliegenden Fall in einer absolut unzulässigen Weise zu bagatellisieren, veranlaßt mich denn doch, einmal festzustellen, daß es sich nicht um eine gewöhnliche formale Beleidigung oder um eine Beleidigung handelt, die lediglich als Ausfluß irgendeiner politischen Affekthandlung angesehen werden kann. Es handelt sich vielmehr um eine echte Verleumdung. Ja, Herr Dr. Richter, es handelt sich sogar um den Begriff und den Inhalt einer Staatsverleumdung. Ich hoffe sehr, daß es in Deutschland und auch in Bayern noch Richter geben wird, die diese Handlung gebührend beurteilen. Die Handlung ist durchaus nicht eine Affekthandlung gewesen. Denn der Ausdruck, der am 29. März hier im Restaurant fiel, deckt sich mit der scheinbar konservierten und auf Eis gelegten Erregung, die dann zu dem Fernschreiben geführt hat - das ist ein neuer Begriff, den Sie, Herr Richter sich patentieren lassen könnten, daß man Erregung im Fernschreiber verewigen kann -, deckt sich genau mit dem, was am vorhergehenden Tag vor sich gegangen ist. Wir haben es mit einer schandmäßigen gemeinen Handlung eines Bundestagsabgeordneten zu tun, die absolut niedriger gehängt zu werden verdient. Zu der Anhörung des Herrn Dr. Dorls lag um so weniger Veranlassung vor, als Herr Dr. Dorls die Erklärung im Bewußtsein der Tragweite dessen, was er getan hat, über den Bundeshausfernschreiber abgegeben hat. Er ist sich über den Inhalt und die Tragweite dieser niederträchtigen Äußerung nicht irgendwie im unklaren gewesen.
Herr Dr. Dorls hat aber noch nicht einmal von der Realität Kenntnis genommen, die er hätte kennen müssen, ehe er den Mund aufgetan oder eine Erklärung von sich gegeben hat. Ich bin im Besitz eines Telegramms des bayerischen Ministers des Innern mit folgendem Wortlaut:
Vom bayerischen Innenministerium wurde keine einzige Versammlung der Sozialistischen Reichspartei verboten. Es besteht in Bayern keine Bestimmung, nach der Versammlungen politischer Parteien verboten werden könnten. Selbstverständlich gilt in Bayern auch Art. 21 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland.
Dieses Grundgesetz zu wahren, ist die Aufgabe des Bundestages. Herr Dr. Richter, Sie sollten sich freuen,
({0})
daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität auch in einem solchen Falle rasch und prompt zu handeln versteht. Jeder, der eine Regung für das in sich hat, was dieser Staat, diese Demokratie für unser Volk bedeuten sollte und bedeuten könnte, muß mit derartigen Methoden von der ersten Stunde an abrechnen und dem Richter Gelegenheit geben, über sie zu urteilen. Das und
({1})
nichts anderes ist die Aufgabe des Parlaments in dieser Frage.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich noch eine Sache als Berichterstatter erledigen. Ich möchte mich namens des Ausschusses mit aller Schärfe gegen den Vorwurf verwahren, daß wir in diesem Fall nicht die gerechten Maßstäbe angelegt hätten. Das ist vom Ausschuß in eingehender Beratung - die Herren sind Zeugen - nach allen Richtungen hin geschehen.
Ich habe mich bis jetzt genau an die Regeln des Berichterstatters gehalten. Jetzt bin ich aber kein Berichterstatter mehr, jetzt spreche ich als freier Abgeordneter. Da sage ich Ihnen folgendes. Ich bin sicher ein gutmütiger Mensch und bin besonders dafür, daß der Streit aus diesem Hause möglichst herausgehalten wird. Und wenn ich ihn dämpfen kann, tue ich etwas dazu. Das wissen ja die Damen und Herren. Ich liebe die Schärfe nur an bestimmten Stellen. Diese sind dann mit Humor durchgesetzt. Jetzt kommt aber folgendes hinzu. Meine Ungemütlichkeit fängt dort an, wo mir die Erfahrungen meines Lebens den Weg zeigen.
({0})
Da sage ich mir, wenn ich zurückdenke an meine politische Tätigkeit seit dem Jahre 1920, dann 1924 bis 1933 im Deutschen Reichstag und wenn ich so denke an die Jahre 1931/32, Herr Kollege Richter: S o hat es angefangen.
({1})
Und principiis obsta, d. h. trete den Anfängen entgegen, muß die Devise der Demokratie sein.
({2})
Die Demokratie darf nicht von ihren Feinden zu ihren Zwecken mißbraucht werden
({3})
und die Demokratie darf nicht an der eigenen Gutmütigkeit zugrunde gehen.
({4})
Deswegen muß der Sache möglichst der Weg geebnet werden, damit die Dinge zur entsprechenden Aufklärung gebracht werden können. Wenn die Äußerungen in dem Telegramm von Minister Hoegner betreffend Versammlungsverbot dieser Partei in Bayern richtig sind - und das muß ich hier unterstellen -, dann ist die Absendung des Fernschreibens mit dem Eingangstext „Durch Pressevertreter in Bonn wurde mir mitgeteilt", schon eine außerordentlich liederliche Sache.
({5})
Ein gewissenhafter Mensch hätte dann mindestens Rückfrage in Bayern gepflogen und hätte nicht dieses absolut gemeine Fernschreiben an den bayerischen Innenminister gesandt.
Hinzu kommt folgendes. Was mich am meisten bei der Sache aufregt, ist, daß die Herren immer die Verfassung dann gebrauchen, wenn sie es für notwendig befinden,
({6})
aber die Verfassung immer dann nicht kennen,
wenn's ihren Zwecken dienlich ist. Da müssen wir
schon dafür sorgen, daß die Prinzipien des Grundgesetzes, wenn einmal der Verfassungsgerichtshof steht, hier zur Durchführung gebracht werden,
({7})
damit man weiß, was für Merkmale die Organisationen der Demokratie in Deutschland tragen müssen und welche Merkmale sie unmöglich tragen können. Sie können die Merkmale nicht tragen, die wieder zurückführen in das nazistische Denken, das so viel Unglück über unser Volk gebracht hat.
({8})
Da ist es nach meiner Überzeugung eine furchtbare Angelegenheit, wie der telegraphiert: „Unsere Meinung zur Sache: amerikanisches Terrorregiment durch ihre politischen Zuhälter in Deutschland".
({9})
Ich höre die Nazinachtigallen singen.
({10})
Lassen Sie die Nachtigallen einmal sprechen; ich will die Nachtigallen jetzt einmal zu Wort kommen lassen. Davon singen die Nachtigallen das Liedchen nicht, wieviel Leid und Unglück über die deutschen Familien durch die Ingangsetzung der nazistischen Maschine gebracht worden ist.
({11})
Dann sagen sie „das amerikanische Terrorregiment mit ihren politischen Zuhältern in Deutschland". Was heißt denn „amerikanisches Terrorregiment"? Gewiß hat's" in der ersten Zeit nach dem Krieg auch bei den Besatzungmächten eine andere Auffassung gegeben, und wir mußten das durchstehen.
Meine verehrten Damen und Herren! Es war für uns, die wir uns nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches haben einschalten müssen, keine leichte Aufgabe, dem deutschen Volk die Vertrauensgrundlage bei den Völkern der Erde wiederzuschaffen, die es durch den Nazismus restlos eingebüßt gehabt hatte.
({12})
So war doch die Lage und nicht anders. Wir mußten in der Seele der Welt erst langsam das korrigieren, was der Nazismus an Mißverständnissen und sonstigen Dingen, Blut und Terror angerichtet hatte.
({13})
Da kann man nicht von „amerikanischem Terror" sprechen. Das weise ich auch im Interesse unserer deutschen Sache mit aller Entschiedenheit zurück. Das weise ich auch mit Rücksicht auf die Tatsache zurück, daß das amerikanische Volk zu unserem Wiederemporkommen - ich erinnere nur an die Marshallplanhilfe - Wesentliches beigetragen hat, damit wir zu einer besseren Lebenshaltung und zu anderen wirtschaftlichen Verhältnissen kommen konnten. Das kann doch niemand bestreiten.
({14})
Dann kommen die „Zuhälter". Ja, jetzt kommt die Nachtigall, die singt: die Emigranten. Da haben sie wieder ihre Dolchstoßlegende, die Brüder von ehedem.
Die Emigranten! Meine Damen und Herren! Ich kenne zufälligerweise den Herrn Innenminister Dr. Hoegner sehr genau, habe mit ihm wiederholt Aussprachen gehabt und weiß darüber Bescheid. Ich weiß darüber Bescheid, daß er sich damals noch von März 1933 bis Mitte Juli 1933 in München aufgehalten hat. Er mußte wiederholt die Wohnung wechseln. Und glauben Sie mir, ich als Demokrat
({15})
stehe auf dem Standpunkt: Wenn einer dann letzten Endes, wie es der Hoegner gemacht hat, über die Schweizer Grenze geht, unter unsäglichen Mühen und unter unsäglichen Anstrengungen mit seiner Familie, so ist das sein gutes Recht.
({16})
Denn ich würde es für eine Riesendummheit gehalten haben, wenn er gewartet hätte, bis die Nazis
ihn in München erschlagen und umgebracht hätten.
({17})
Seine Wohnung ist sowieso bis zum Letzten demoliert gewesen. So ist die Lage. Ich lasse immer Recht und Gerechtigkeit gelten. Herr Minister Hoegner gehört nicht meiner Partei an, aber was Recht ist, muß Recht bleiben, und wir dürfen uns von dem Boden des Rechts hier nicht abbringen lassen.
Dann weiß ich auch von den Hinrichtungen in Nürnberg. Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid, was für eine schwere Angelegenheit es war, diesem Befehl der Amerikaner damals zu folgen, weil damals eine ganz andere Mentalität vorhanden war. Da ist es notwendig, daß das Gericht feststellt: Wie steht es mit dem Begriff „freiwillig", der hier von Dorls telegraphiert worden ist. Ist der Begriff „freiwillig" nicht richtig, dann ist das die hundsgemeinste Verleumdung, die jemals gegen jemand ausgesprochen worden ist. Da muß Klarheit geschaffen werden.
Also, meine Damen und Herren, wir müssen mit Mut und Tatkraft die Quellen zuschütten, aus denen das braune Wasser für das deutsche Volk wieder herausdringen könnte.
({18})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußvorlage auf Drucksache Nr. 2116 ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0}) Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen ist der Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zur Weiterberatung der gestern abend zurückgestellten Punkte:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({1});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({2}):
Einzelplan VII - Haushalt des Bundesministeriums der Justiz ({3}).
({4})
({5})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es werden jetzt die verschiedenen Haushalte behandelt.
({0})
Einen Augenblick bitte! - Meine Damen und Herren, ich bitte um
Ruhe. Es ist nicht möglich, den Redner zu verstehen.
Vorhin wurde schon die Frage behandelt, nach unserem Dafürhalten aber nicht abschließend, ob der Haushalt des Bundesministeriums für Justiz heute noch hier erörtert werden soll. Der Herr Justizminister hatte sich gestern darauf eingerichtet, daß sein Haushalt erörtert und verabschiedet werde. Für heute nachmittag ist er verhindert, weil er an der Sitzung des Bundesrates und nachfolgend an einer Sitzung des Richterwahlausschusses teilnehmen muß. Ich glaube nicht, daß es angängig ist, einen Haushalt zu behandeln, wenn der zuständige Minister aus schwerwiegenden Gründen nicht in der Lage ist, der Erörterung beizuwohnen. Deshalb bitte ich, damit einverstanden zu sein, daß der Haushalt heute abgesetzt wird.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß der Richterwahlausschuß seine Sitzung wirklich vertagen könnte, wenn hier im Plenum der Justizetat verhandelt wird. Für die Verhandlungen im Bundesrat steht ja schließlich wohl der Herr Staatssekretär zur Verfügung. Wir haben wiederholt darauf hingewiesen: wir haben die Staatssekretäre in den Ministerien nicht, damit dauernd die Ausrede gebraucht wird, der Herr Minister sei verhindert. Wenn an zwei Stellen leitende Männer aus dem gleichen Ministerium gebraucht werden, dann muß eben an der einen Stelle der Minister sein, und bei der Beratung seines Haushalts hier im Plenum gehört der Minister selbstverständlich in den Bundestag. Dann muß eben der Staatssekretär die Vertretung im Bundesrat übernehmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Oellers.
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß der Herr Kollege Mellies die Situation im Bundesrat eindeutig erkannt hat. Die Situation ist die, daß der Bundesrat für die Beratung des heute zur Debatte stehenden Themas um die Anwesenheit des Herrn Bundesjustizministers ausdrücklich gebeten hat. Es handelt sich nämlich um die Frage, ob der vor einigen Tagen von uns verabschiedete Antrag des Vermittlungsausschusses betreffend die Verschiebung der Wahlen in den südwestdeutschen Ländern verfassungspolitisch zulässig ist oder gegen das Grundgesetz verstößt. Ich kann verstehen, wenn der Bundesrat in diesem Falle den Herrn Bundesjustizminister bei sich zu sehen wünscht, und nehme an, daß er nicht damit einverstanden wäre, wenn der Justizminister durch den Staatssekretär vertreten würde. Ich bitte Sie, Herr Kollege Mellies, das doch in Ihre Erwägungen miteinzubeziehen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen also ab über den Antrag zur Geschäftsordnung, die Beratung des Haushaltsplans des Justizministeriums von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Ich
({0})
bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifellos die Mehrheit; damit ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 7 b der gestrigen Tagesordnung:
Einzelplan XXII - Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin - ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Mellies ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Wie Sie aus der Drucksache Nr. 1921 ersehen, hat der Einzelplan XXII, Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin, im Ausschuß wesentliche Veränderungen erfahren. In dem Einzelplan XXII stand zunächst nur die Summe von 327 Millionen DM, und in den Erläuterungen war aufgeführt, daß davon 300 Millionen DM für den Haushalt Berlin bestimmt waren, während 27 Millionen DM zur Finanzierung der Beschaffung von Kohlevorräten dienen sollten. Im Laufe des Jahres ist dann aber das Verwaltungsabkommen mit Berlin getroffen worden, das uns hier im Bundestag auch schon einmal kurz beschäftigt hat. In diesem Verwaltungsabkommen ist die finanzielle Hilfe für Berlin wesentlich erweitert worden. Sie ist jetzt auf 500 Millionen DM festgesetzt. Außerdem ist durch die Gesetzgebung des Bundestages eine weitere Einbeziehung Berlins in die Gesetzgebung des Bundes vorgenommen worden.
Wir haben beim Kriegsopferversorgungsgesetz bestimmt, daß diese Versorgung sich in Berlin nach der Regelung in der Bundesrepublik richten soll. Aus diesem Grunde waren weitere finanzielle Maßnahmen für Berlin erforderlich. Sie ersehen aus der Drucksache Nr. 1921, daß für diese Kriegsopferversorgung 22,5 Millionen DM eingesetzt sind, und daß weitere 300 000 DM eingesetzt sind, die wir im Haushaltsausschuß vorwegbewilligt hab en, als die Ausstellung in Berlin stattfand. Es handelte sich darum, den Luftverkehr nach Berlin während dieser Ausstellung in vollem Maße auszunutzen. Das konnte nur durch eine erhebliche Herabsetzung der Flugpreise erreicht werden. Dann ist noch ein Zuschuß von einer Million DM für die Berliner Polizei vorgesehen. Am Schluß finden Sie dann noch im außerordentlichen Haushalt für Restausfuhrzahlungen 7,5 Millionen DM und zur Förderung des Absatzes der Westberliner Wirtschaft in den Dollarraum 1,2 Millionen DM. Diese Mittel werden aufgebracht zunächst mit 375 Millionen DM durch den Bund. Das wird im wesentlichen dem Aufkommen aus dem Berliner Notopfer entsprechen. 125 Millionen DM sind, wie Sie aus dem außerordentlichen Haushaltsplan ersehen, aus GARIOA-Mitteln zur Verfügung gestellt worden. Damit schließt der Berliner Haushalt, wie Sie aus der Zusammenstellung entnehmen wollen, mit einem Betrage von rund 551 Millionen DM ab.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, den Haushaltsplan, wie er Ihnen hier in der Drucksache Nr. 1921 unterbreitet ist, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache ein.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke. ({0})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere, daß eine so wichtige Frage wie der Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin vor einem fast leeren Hause diskutiert werden muß, und ich bin der Auffassung, daß es nickt, Herr Zurufer, eine Sache der Berlin-Spezialisten ist, sondern die Sache aller Deutschen, die Situation Berlins in voller Verantwortung so zu sehen, wie es gestern in der Debatte zum Haushalt des Ministers Kaiser ausgesprochen worden ist, und ich habe für meine politischen Feunde, die diesem Haushaltsplan zustimmen, noch folgende sehr wichtigen Bemerkungen zu machen.
Der Herr Abgeordnete Mellies, der den Plan eben vertreten hat, hat gestern erklärt, daß es sehr erfreulich wäre, wenn alle politischen Parteien eine besondere Initiative entwickelten, um die gesamtdeutschen Angelegenheiten auch hinsichtlich Berlins zu sehen. Wir sind besonders mit der Absicht einverstanden, diese gesamtdeutsche Initiative für alle Berliner, für jeden Berliner und jede Berlinerin, so entwickeln zu wollen, daß bei der künftigen Neuordnung die Situation Berlins als einer Insel immer mehr schwindet, und ich glaube, daß die SPD, von der Herr Mellies gestern sagte, daß sie Vorkämpferin gewesen sei, nun endlich auch in der Praxis in Berlin Vorkämpferin dafür werden müßte, daß die Gesetzgebung des Bundes und die Berlins nicht mehr unterschiedlich sind. Wer m, man in diesen Tagen von den Debatten und Auseinandersetzungen im Berliner Senat liest, dann muß man mit großem Bedauern feststellen, daß es noch maßgebliche Sprecher Berlins gibt, die die Einbeziehung Berlins in die Gesetzgebung des Bundes nicht wünschen, und zwar deshalb nicht wünschen, weil sie das gemeinsame Schicksal, das uns mit Berlin verbindet, nicht so sehen, wie wir es gesehen haben möchten, nämlich die Verbundenheit- der gemeinsamen uns vom Schicksal auferlegten sozialen Nöte, so daß wir das Gute wie das Böse unserer Lage, das Vorteilhafte wie das Nachteilige einer Gesetzgebung gemeinsam verantwortlich tragen.
Ich habe mich mit Absicht zuerst zum Wort gemeldet, um meiner Kollegin Frau Schroeder, die sicher antworten wird, Gelegenheit zu geben, auch auf die Dinge einzugehen, die uns am Herzen liegen. Ich habe gehört, daß Berlin in diesen Tagen nun endlich das Bundesversorgungsgesetz angenommen hat
({0})
- ich höre, daß das gestern geschehen ist -, und ich hoffe, daß nun Berlin auch bald mit den Vorbereitungen für die Durchführung dieses Bundesgesetzes fertig sein wird. Ich kann nur wiederholen, daß meine politischen Freunde wünschen, daß das, was hier bei den Beratungen im Bundestag schon -zugesagt wurde, nun möglichst bald auf Grund der Berliner Verfassung und dieser Zusagen verwirklicht wird. Noch haben nicht alle Berliner und alle Berlinerinnen das gleiche Recht in der Sozialgesetzgebung. Noch ist das Bundesversorgungsgesetz in Berlin gar nicht vollständig anzuwenden, weil Berlin die Voraussetzungen für eine Anpassung an die Regelung im Bund noch nicht geschaffen hat.
({1})
- Sie mögen das sicher für gewisse Absichten als
ein Glück ansehen, weil das, was in Berlin noch
besteht, sich weitgehend mit Ihrer Vorstellung von
({2})
der Sozialpolitik deckt. Mit unserer Vorstellung deckt es sich nicht.
({3})
- Ich brauche auf Ihre Zwischenrufe nicht weiter einzugehen. Die sind so uninteressant, weil Sie im Augenblick keinerlei sozialpolitischen Fortschritt hier verkünden können, solange noch in Berlin-Ost Ihre Freunde schuld sind an so unsagbarer Not und so unsagbarem Leid.
({4})
Die Berliner SPD-Abgeordneten haben von der Eigenständigkeit Berlins gesprochen, und von der Notwendigkeit dieser Eigenständigkeit in der Sozialpolitik aus wird dann gefolgert, daß Differenzierungen, wie wir sie hier im Bundesgebiet kennen, abgelehnt werden müssen. Wir hoffen, daß in der gesamten Neuordnung der Sozialpolitik - ich möchte nur einige Punkte erwähnen -, bei der Übernahme des Selbstverwaltungsgesetzes, in dem Berlin sich von dem Gesetz des Bundes unterscheidet, bei der Forderung Berlins auf Einbeziehung unter Art. 131 und bei der Forderung Berlins, bei der Neugestaltung der Renten und ihrer Erhöhung seinen Anteil zu haben, doch sehr bald die Erkenntnis durchbrechen möchte, daß wir keine andere Aufgabe haben als jene gesamtdeutsche, in Berlin nicht nur mit Worten, sondern mit der Tat, mit einer Tat, zu der die Berliner Abgeordneten auf Grund ihres doch sicher ehrlichen Versprechens verpflichtet sind, nun wirklich dahin zu kommen, daß jeder Berliner Bürger und jede Berliner Bürgerin das gleiche Recht die gleiche Möglichkeit und den gleichen Anspruch hat wie jeder Bürger im gesamten Bundesgebiet.
({5})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Kalinke, ich bedauere nicht nur, daß Sie keine Zeit hatten, der letzten Berlin-Ausschuß-Sitzung in Berlin beizuwohnen. Denn ich glaube, Sie hätten dann genau so wie alle anderen Mitglieder des Berlin-Ausschusses, der sich ja aus den Angehörigen aller Fraktionen oder des größten Teils der Fraktionen dieses Hauses zusammensetzt, einen Eindruck gehabt, was in Berlin an Not zu überwinden war und was tatsächlich in diesen Jahren geschehen ist, um wenigstens das Höchstmaß dieser Not zu überwinden. Aber ich darf hinzufügen, ich bedauere noch mehr, daß Sie nicht Gelegenheit genommen haben, in den ersten Jahren nach Kriegsende sich einmal dieses Berlin mit seiner Not anzusehen, die in nichts mit einer anderen Not in Deutschland zu vergleichen ist. Denn anderswo war die Demontage nicht bereits innerhalb der ersten 8 Wochen vollendet; im übrigen Deutschland waren nicht alle Sparkassen- und alle Bankkonten gesperrt; und im übrigen Deutschland hatten nicht die Frauen die ungeheure Aufgabe, die Stadt wieder einigermaßen aufzuräumen. Wenn Sie das erlebt hätten, dann, glaube ich, würden Sie nicht immer wieder mit Ihrem Steckenpferd, der VAB, kommen, sondern dann würden Sie einsehen, daß, wenn auch Fehler gemacht werden mögen - die werden überall gemacht, wo gearbeitet wird -, die VAB die Bevölkerung Berlins in Berlin vor dem schlimmsten Elend gerettet hat, in das sie zu geraten drohte, nicht nur die Arbeiter, sondern genau so die Angestellten, aber darüber hinaus alle anderen Schichten der Bevölkerung. Es war trotz alledem eine Tat, in diesem Augenblick der höchsten Notlage in Berlin diese Organisation zu schaffen.
Wenn Sie nun sagen: Wir wollen das gemeinsame Schicksal tragen, so bin ich Ihnen sehr dankbar dafür. Aber, Frau Kalinke, dieses Schicksal ist auch heute noch in Berlin ein anderes. Sehen Sie sich einmal die Statistiken an, vergessen Sie nicht die Tatsache, daß wir in Berlin trotz aller Aufgaben, die wir in diesen Jahren erfüllt haben - mit Hilfe des Bundes, ich will es gern anerkennen, und noch mehr mit Hilfe des Auslandes -, immer noch fast 300 000 Arbeitslose haben und daß davon der größte Teil weibliche Arbeitslose sind! Betrachten Sie einmal den ganzen Bevölkerungsaufbau der Stadt Berlin: Die Zahl der über 65 Jahre Alten hat sich seit der normalen Zeit mehr als verdoppelt, und wir haben einen Frauenüberschuß, der in keinem anderen Teil Deutschlands in dieser gewaltigen Zahl zu verzeichnen ist. Glauben Sie, daß wir es da verantworten können, nun in sozialpolitischer Hinsicht noch Verschlechterungen vorzunehmen? Helfen Sie uns, daß auch hier im Bunde eine wirkliche Neuordnung der Sozialversicherung erfolgt, eine Neuordnung, die aber auch gleichzeitig den vollkommen veränderten bevölkerungspolitischen Verhältnissen Rechnung trägt. Was ist es für ein Unsinn, daß wir heute noch eine Arbeiter- und eine Angestelltenrentenversicherung haben, in einer Zeit, in der - das wissen auch Sie - das Arbeits- und Berufsschicksal der Menschen nicht mehr so gesichert ist, wie es einmal der Fall war, und in der - das tritt heute ganz besonders in Berlin zutage - die Hälfte der Berufstätigen aus Frauen besteht?
Wenn Sie uns nun einen Vorwurf gemacht haben, daß wir das Versorgungsgesetz noch nicht durchgeführt haben, so möchte ich sagen: Ich bedauere, daß nicht vorher der Etat des Bundesarbeitsministeriums beraten worden ist.
({0})
Dann hätte unser Kollege Herr Bazille Ihnen sagen können, daß auch im Bund das Gesetz infolge der allgemeinen Verzögerung an diesem Gesetz noch nicht durchgeführt ist. Daß die Bestimmungen des Gesetzes in Berlin noch nicht durchgeführt sind, ist nicht Schuld Berlins. In Berlin durfte ja infolge der Art unserer Besatzung jahrelang überhaupt noch nicht von Kriegsopfern gesprochen werden. Und haben Sie vergessen, daß wir 11 Monate Blockade durchgemacht haben mit den ganzen schweren Folgen, die sie mit sich gebracht hat? Nun haben wir unter den größten Schwierigkeiten ein Versorgungsgesetz in Berlin geschaffen. Wir haben aber den Wunsch, in das Bundesversorgungsgesetz eingeschlossen zu werden; und sobald hier im Westen Deutschlands dieses Gesetz wirklich durchgeführt wird, wird es auch in Berlin durchgeführt werden.
Im übrigen kann ich Ihnen auf Ihre Klagen nur eines antworten. Sie sagen: Wir wollen das gemeinsame Schicksal mit Berlin tragen. Dann sorgen Sie dafür, daß Ihre Regierung - es ist ja Ihre - dafür sorgt, daß Berlin zunächst einmal de facto und in absehbarer Zeit auch de jure in den Bund eingeschlossen wird.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dem Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin in der Fassung, wie sie im Haushaltsausschuß beschlossen worden ist, unsere Zustimmung geben. Die Stadt Berlin ist das Herzblatt der Bundesrepublik Deutschland. Ich bin der Meinung, wir müssen alles tun, um dieses Herzblatt der Bundesrepublik zu hegen und zu pflegen. Meine Fraktion ist dazu wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft bereit.
Das Wort hat Herr
Abgeordneter Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich den Ausführungen meines Kollegen Bausch noch ein paar Sätze hinzufüge. Veranlaßt werde ich durch die Ausführungen der Frau Kollegin Schroeder, speziell durch die Art und Weise, wie sie auf die Darlegungen von Frau Kalinke reagiert hat. Ich greife das Wort „Steckenpferd VAB" auf. Ich möchte dazu auch namens meiner Freunde sagen, daß der Wunsch und das Verlangen nach Rechtsangleichung an das Recht des Bundes auf dem Gebiete der Sozialversicherung, das Frau Kalinke ausgesprochen hat, auch unser Verlangen ist. Es ist wohl niemand hier im Hause, der die Leistungen, die in diesen Jahren von der VAB tatsächlich vollbracht worden sind, negierte.
({0})
Aber ich darf doch wohl sagen, verehrte Frau Kollegin Schroeder, daß wir nun einmal auch hinsichtlich Berlins in unserer grundsätzlichen Auffassung betreffend die Gestaltung der Sozialversicherung von der Auffassung Ihrer Partei und Ihrer Freunde abweichen. Es besteht nun einmal die Tatsache, daß das Versprechen, die Rechtsangleichung alsbald vorzunehmen, auch für das Gebiet der Sozialversicherung gegeben worden ist. Man kann es, glaube ich, dem Bund, also auch diesem Haus nicht zum Vorwurf machen, daß man, wenn vom Bunde erhebliche Mittel an Berlin gegeben werden - und gern gegeben werden! -, nun einmal auf einem Gebiet wie dem der Sozialversicherung, das bundeseinheitlich geregelt ist, auch in Berlin die Regelungen sehen möchte, die im Bunde Gesetzeskraft haben.
({1})
Das ist einfach nicht zu umgehen. Wenn man sich die Verhandlungen vergegenwärtigt - ich habe die Berichte darüber auch gelesen -, die letzthin im Berliner Senat in sehr langen und heftigen Debatten geführt worden sind, dann kommt einem doch der Gedanke, daß man die Einlösung dieser Zusage oder dieser Vereinbarung seitens Ihrer politischen Freunde in Berlin doch noch möglichst hinausziehen möchte. Wenn Sie davon gesprochen haben, daß man es Ihnen nicht zumuten könne, auf dem Gebiet der Sozialversicherung Verschlechterungen hinzunehmen, dann scheint mir diese Darstellung nicht ganz sachlich zu sein. Bei einer solchen Angleichung an das Recht des Bundes tauschen Sie im wesentlichen Verbesserungen ein.
({2})
Und wenn Sie auf dem Gebiete der Krankenversicherung vielleicht bei der Anpassung auch ein klein wenig zurückschrauben müssen, dann, glaube ich, darf man das von Ihnen im Rahmen der Gesamtangleichung durchaus erwarten und wünschen und man darf verlangen, daß auch in dieser Beziehung die Gesetze des Bundes Geltung haben. Ich wollte also zum Ausdruck bringen, daß wir in dieser grundsätzlich bedeutsamen Frage durchaus der gleichen Meinung sind, wie sie von Frau Kollegin Kalinke hier zum Ausdruck gebracht worden ist. Auch wir wünschen die alsbaldige Durchführung dieser Rechtsangleichung.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Das Wort hat Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Frau Schroeder, die sich noch einmal zu Wort gemeldet hat, trotzdem Gelegenheit geben, noch auf eine weitere Frage zu antworten, wenn sie das für richtig hält. Ich möchte ganz ruhig ohne jede parteipolitische Polemik
({0}) Frau Schroeder sagen, daß man nicht mit großen Worten von dem gemeinsamen Schicksal sprechen sollte, wenn man weiß, wie ernst es der Bundesregierung, für die ich jetzt spreche,
({1})
in diesen Jahren damit gewesen ist, die Verantwortung für das gemeinsame Schicksal Berlins zu tragen. Ich habe kein Verständnis dafür, daß Sie darüber lachen. Denn ich glaube, es ist nicht unwesentlich, was hier in diesen Jahren angesichts der Flüchtlingsnot und der gesamtdeutschen Not an finanzieller Hilfe freudig gegeben wurde und auch angesichts der schweren Lage des gesamtdeutschen Schicksals gemeinsam getragen wurde. Aber was die Sozialversicherung angeht, Frau Kollegin, .so geht ja gerade unser Wille dahin, daß das gemeinsam getragen wird, was Berlin nicht allein tragen kann. Ich hatte heute schon Gelegenheit, mit einem Ihrer Kollegen hier kurz darüber zu diskutieren. Sie werden mir recht geben und haben das auch früher schon bestätigt, daß man eine Rentenversicherung nicht für eine Stadt machen kann. Nun endlich, nachdem die deutschen Berufsgenossenschaften es Ihnen so lange angeboten haben, sind Sie bereit, die Unfallversicherung Berlins mit in den großen Lastenausgleich des gesamten Bundesgebietes einzubeziehen.
Sie wollen die Verbesserung der Rentenversicherung und Sie brauchen sie, weil, wie Sie richtig sagen, die Not der Berliner Arbeitslosen und besonders die der Frauen in Berlin noch viel größer ist, als wir sie hier im Bundesgebiet trotz der. Not in den Flüchtlingsländern kennen. Obwohl das so ist, argumentieren Sie und Ihre Kollegen immer wieder mit Verschlechterungen, von denen ich nur eine positiv kenne, und das ist die Tatsache, daß S i e den Frauen in der Rentenversicherung die Rente mit 60 Jahren geben, gewiß eine wunderschöne, ein erstrebenswerte sozialpolitische Leistung, die wir sehr gern allen Arbeiterinnen und Frauen auch geben möchten. Sie wissen, daß schon im Wirtschaftsrat - und die Kollegen, die dabei waren, werden das bestätigen können - nach Wegen gesucht worden ist, um beim Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz vor allen Dingen in der Invalidenversicherung die Witwen in den Genuß dieser gerechten Regelung zu bringen. Sie wissen aber auch, daß das finanziell nicht möglich war.
({2})
Ich habe sehr oft gegen jene Lösung des Wirtschaftsrates gesprochen, die mit einem Stichtag einem Teil der Witwen einen Vorteil verschaffte und den anderen davon ausschloß. Ich weiß, daß dieses Kapitel gerade für Berlin ein besonders schweres sein wird. Aber ich meine: Wer hindert uns daran, über diesen Punkt in der Übergangszeit miteinander ernsthaft nach Wegen einer Lösung für Berlin zu suchen! Das darf aber doch nicht ausschließen, daß die gesamte Grundlage der Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der Unfallversicherung in Berlin dieselbe sein muß wie im Bundesgebiet. Und das darf nicht dazu führen, daß Sie durch solche Behauptungen, wie sie Ihr Kollege Neumann im Berliner Senat aufgestellt hat oder wie sie Ihre Kollegen Außner und Lipschütz und wie sie alle heißen, zum Ausdruck brachten, verhindern, daß Berlin in dem ehrlichen Willen, für dieses gemeinsame Schicksal einzutreten, in den Lastenausgleich des Bundes einbezogen wird.
Ein letztes Wort zu der Einbeziehung Berlins als zwölftes Land in den Bundesstaat. Für diese Einbeziehung de facto, verehrte Frau Kollegin, können Sie und Ihre Kollegen am besten sorgen, indem Sie sich dafür einsetzen, daß das, was Ihnen in Ihrer Verfassung als Möglichkeit gegeben ist, sobald als möglich verwirklicht wird, daß es nämlich kein einziges Gesetz in Berlin mehr gibt, das anders aussieht als die Gesetze der Bundesrepublik. Niemand wird Sie daran hindern, und damit haben Sie de facto erreicht, daß Berlin und jeder Berliner Bürger dasselbe Recht hat wie jeder Bürger der Bundesrepublik.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere politische Auffassung zu dem Komplex Berlin ist hier oft genug klar zum Ausdruck gebracht worden. Ich kann mich also in bezug auf diese Haushaltsvorlage mit der einfachen Feststellung begnügen, daß die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands, wie sie ihren besonders sichtbaren Ausdruck in Westberlin findet, mit einer halben Milliarde Zuschuß des Bundes zu teuer bezahlt ist.
Ich möchte aber doch die Gelegenheit benutzen, auf Grund der Diskussion, die durch die Frau Kollegin Kalinke heraufbeschworen wurde, auf eines hinzuweisen. Das Versprechen der Angleichung des Rechts von Westberlin an das Bonner alias Adenauer-Recht ist doch erfolgt, um die Zuschüsse, die Sie - damit meine ich die Koalitionsparteien und die Regierung - aus politischen Erwägungen für Berlin hergeben, nach Möglichkeit abzudrosseln.
Wenn die Frau Kollegin Schroeder ganz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, daß dieses erpreßte Versprechen der Rechtsangleichung in einigen Punkten vom Westberliner Magistrat noch nicht realisiert ist, so ist das sehr gut zu begreifen. Dort sind nämlich die Leistungen auf sozialpolitischem Gebiet heute noch etwas höher als in dem Hungerstaat' Adenauers.
Nachdem hier zwei Frauen zu Worte gekommen sind, will ich auch noch eine Frau zur westdeutschen Lage sprechen lassen, und zwar die Leiterin der Hinterbliebenenabteilung des Reichsbundes. Ich zitiere aus dem Reichsbundsorgan aus dem Bericht über eine Hinterbliebenenkonferenz vom 23., 24. Februar folgendes:
Nachdem noch alle Vor- und Nachteile des neuen Bundesversorgungsgesetzes herausgestellt worden waren, bezeichnete Kameradin Rischar die Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz als völlig unzureichend. Mindestens 40 % aller bisherigen Empfänger von Elternrente können keine Rente mehr oder nur noch eine Teilrente beziehen.
Das ist das Wort auch einer Frau.
Dann noch aus „Wille und Weg", diesem Organ des bestimmt nicht adenauerregierungsfeindlichen VdK, ein einziger Satz:
Was soll man weiter dazu sagen,
- so heißt es hier wenn man als Auftakt der Umanerkennung einer 86jährigen Kriegerwitwe, die im letzten Krieg vier Söhne verloren hat, die Rente entzieht, - das in einem Land, in dem man seit vier Jahren nicht imstande war, weil man dazu keine Zeit fand, zirka 200 000 noch ausstehende Rentenerstbescheide zu erteilen ....
({0})
Ich glaube, das ist eine eindeutige Antwort auf die Frage, warum der Westberliner Magistrat zögert, das Adenauer-Sozialrecht den armen Kriegsopfern und den armen Sozialberechtigten Berlins aufzuzwingen.
({1})
- Das steht eindeutig bei der Behandlung des Etats des Arbeitsministeriums zur Aussprache. Ich kann Ihnen da nicht helfen. Wir werden morgen noch darauf eingehen.
({2})
- Wenn Sie wollen, kann ich es auch heute noch tun. Ich bin darauf gerüstet, jederzeit darüber zu sprechen, was das Gesetz den Kriegsopfern gebracht hat.
Ich schließe mit der Feststellung ab, daß wir die Vorlage ablehnen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere, daß ich Sie in dieser Stunde und bei dieser Besetzung des Hauses mit sozialpolitischen oder sozialversicherungsrechtlichen Fragen langweilen muß. Ich hatte gar nicht die Absicht, zu diesem Thema zu sprechen; aber leider hat mich Frau Kalinke dazu gezwungen.
Ich will nur noch einmal sagen, Frau Kalinke, daß Sie immer wieder den Unterschied vergessen, obwohl Sie ihn vorhin mit vollem Recht selber gekennzeichnet haben, der zwischen Berlin und dem Bund oder Westdeutschland, wie ich lieber sagen möchte, besteht; denn wir in Berlin fühlen uns als zum Bund gehörig. Sie sagen, Sie möchten auch, daß alle Frauen mit 60 Jahren Rente bekommen. Glauben Sie denn, daß bei über 150 000 weiblichen Arbeitslosen in Berlin überhaupt noch eine Frau mit 60 Jahren die Möglichkeit hat, eine Arbeit zu bekommen?
Die zweite Frage betrifft den Unterschied bei der Witwenrente der Arbeiter- und der Angestelltenversicherung. Da sage ich Ihnen ganz klipp und klar folgendes. Ich habe ja die Freude und Ehre gehabt, bereits im Reichstag an diesen Gesetzen mit({0})
zuarbeiten. Mit meinen Fraktionskollegen habe ich damals schon gegen diesen Unterschied gewirkt, der in gar nichts berechtigt ist.
Was ist denn bisher im Bund in bezug auf die Neuordnung der Sozialversicherung geschehen, die wir, glaube ich, doch alle für notwendig halten? Das einzige, was geschehen ist, ist die Verschlechterung der Vertretung von 50 zu 50 %,
({1})
womit man, soweit die Krankenversicherung in Frage kommt, hinter die Zeit von Bismarck zurückgegangen ist. Sie werden es verstehen müssen, daß man sich da in Berlin allerdings wehrt, diese Verschlechterung mitzumachen.
({2})
Herr Kollege Horn, ich möchte Ihnen aber eines sagen. Sie haben von Ihrer Fraktion gesprochen. Ich glaube nicht, daß Ihre Fraktion einheitlich hinter dieser Meinung steht. Ihr Kollege Dr. Tillmanns hat im Berlin-Ausschuß in Berlin ausdrücklich erklärt: Wir können in der Frage der Sozialversicherung Berlin nicht ohne weiteres an den Bund anschließen. Das würde eine ungeheure Härte bedeuten. Wir müssen versuchen, Wege zu finden, die nach und nach zu einer Angleichung zwischen Bund und Berlin führen.
Nun noch ein Wort an Herrn Kollegen Renner. Er hat so halbwegs - das war sehr freundlich - den Magistrat von Westberlin, wie er sich ausdrückte, verteidigt. Wir nennen ihn Berliner Magistrat; denn er ist der einzige rechtmäßig zustande gekommene, Herr Kollege Renner.
({3})
Ich möchte Ihnen eines sagen. Sie haben von der Aufrechterhaltung der Spaltung Berlins und Deutschlands gesprochen. Wie ist denn die Spaltung Berlins zustande gekommen? Mitten in der schwersten Zeit der Blockade, die Berlin durchgemacht hat, ist am 30. November 1948 ohne ein Mandat, ohne eine Wahl ein sogenannter Ostmagistrat gebildet worden. Seit dem Augenblick haben wir die Spaltung. Sorgen Sie bei Ihren Parteifreunden in Berlin und bei der hinter ihnen stehenden Macht mit dafür, daß in Berlin allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlen für ganz Berlin ausgeschrieben werden können! Seien Sie überzeugt: dann ist es aus mit der Spaltung Berlins.
({4})
Wenn Sie die Spaltung Deutschlands beseitigen wollen, dann kämpfen Sie mit uns für allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlen in ganz Deutschland!
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen.
Meine Damen und Herren! In dem mehr oder minder freundschaftlichen Disput zwischen Frau Kalinke und Frau Schroeder um die uns alle so sehr am Herzen liegende Sache Berlin klang auch wieder die Angelegenheit „Berlin - zwölftes Land" auf. Frau Schroeder hat dabei genau wie gestern Kollege Wehner wieder im Tone der Mahnung, an die Regierung gerichtet, anklingen lassen, als ob es an uns, der Regierung läge, daß Berlin noch nicht gleichberechtigt der Bundesrepublik angehört. Das ist nicht der Fall. Wenn es nach uns
Deutschen, wenn es nach dem Bundestag und insbesondere der Bundesregierung ginge, dann wäre Berlin nicht nur zwölftes Land, sondern es wäre das erste Land der Bundesrepublik Deutschland. Es liegt leider - Gott sei es geklagt - an der Haltung der Alliierten, daß das noch nicht erreichbar war. Aber, Frau Schroeder, ich versichere, daß ich gemeinsam mit Ihnen und gemeinsam mit wohl allen Abgeordneten mein Bestes tun werde, damit dieses Ziel, Berlin zum ersten Land der Bundesrepublik Deutschland zu machen, so bald wie möglich erreicht wird.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Vorlage des Haushalts-Ausschusses Drucksache Nr. 1921. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußfassung zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren! In 'Fortsetzung der Beratung der restlichen Punkte der gestrigen Tagesordnung käme letzt Punkt 8: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes. Ich finde hier in der mir vorliegenden Tagesordnung den Vermerk: ,.Soll abgesetzt werden". Ich bin mir nicht klar darüber, und ich kann mich auch nicht daran erinnern, daß bei einem meiner Vorgänger im Vorsitz ein Beschluß darüber gefaßt worden ist. Ich glaube deswegen das Haus fragen zu müssen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Mellies (SPD': Herr Präsident, die Dinge liegen so, daß Herr Horlacher den Wunsch geäußert hat, diesen Punkt abzusetzen. Der zweite Sachbearbeiter von unserer Fraktion, Herr Professor Gülich, ist nämlich zu einer Tagung des Büchereiausschusses mit nach Kiel gefahren, und es war zwischen Herrn Horlacher und Herrn Gülich die Vereinbarung getroffen, daß deswegen das Gesetz heute nach Möglichkeit nicht behandelt werden soll.
Meine Damen und Herren, es ist also beantragt, den Punkt R der gestrigen Tagesordnung aus den eben angeführten Gründen von der heutigen Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Damit ist die Tagesordnung des gestrigen Verhandlungstages erledigt.
Wir kommen wieder zur Tagesordnung der
heutigen Sitzung, und zwar nach Erledigung des
Punktes 1 zur Behandlung des Punktes 2 a: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({0});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({1}):
Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit ({2}).
({3})
Es ist mir schon mitgeteilt worden, daß auch da Vertagungswünsche bestehen. - Das Wort hat zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Auffassung, daß ein so wichtiger Haushalt, wie es derjenige des Arbeitsministeriums ist, nicht vor so leerem Hause behandelt werden kann, wie es augenblicklich der Fall ist.
({0})
Bei der Beratung dieses Haushalts wird nämlich eine ganze Reihe von sozialpolitischen Fragen zur Sprache kommen, und ich bin der Auffassung, daß diese Beratung vor einem besser besetzten Hause erfolgen sollte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gengler.
Ich schließe mich der Anregung des Herrn Kollegen Arndgen an und bitte nur, bei der Festsetzung der neuen Tagesordnung in Ergänzung der Ziffer 2 a von heute als Ziffer b Einzelplan XXVI Drucksache Nr. 1925 - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - hinzuzunehmen. Dieser Einzelplan XXVI steht in engstem Zusammenhang mit dem Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit -, und deswegen ist eine zusammenhängende Behandlung unbedingt erforderlich.
Meine Damen und Herren, soweit ich die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gengler verstanden habe, soll der Einzelplan XXVI als Punkt 2 b eingesetzt werden. Die bisherige Ziffer 2 b soll also 2 c werden. Ist das die Auffassung des Hauses?
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- Dann ist so beschlossen.
Herr Abgeordneter Bausch, bitte!
Darf ich dazu noch etwas sagen. Bei der Festsetzung der Tagesordnungen hat man darüber verhandelt, in welchem Zusammenhang die Einzelpläne XXVI und XXVII behandelt werden sollen. Darüber ist keine Klarheit erzielt worden. Ich halte es durchaus für richtig, den Einzelplan XXVI im Zusammenhang mit dem Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und den Einzelplan XXVII - allgemeine Kriegsfolgelasten - im Zusammenhang mit dem Haushalt für Besatzungskosten zu behandeln. Ich glaube, das wäre die richtige Lösung.
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Der Einzelplan XXVII steht ja heute nicht zur Debatte. Das ist, glaube ich, eine Angelegenheit, die der Ältestenrat bei der Aufstellung der nächsten Tagesordnung berücksichtigen kann. Hier ist lediglich die Frage, ob der Einzelplan XXVI mit dem Punkt 2 der heutigen Tagesordnung zu verbinden ist. - Ich habe keinen Widerspruch dagegen gehört und nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Es ist weiter beantragt worden, die Beratung der Ziffer 2 der heutigen Tagesordnung aus einer Reihe von Gründen zurückzustellen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zu Punkt 3 der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Gesetzes über die Behandlung wiederkehrender Leistungen bei
der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen ({0}).
Im Hinblick darauf, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein rein oder vorwiegend technisches Gesetz handelt, ist im Ältestenrat vorgesehen worden, ohne Begründung und ohne Debatte die Überweisung an den Rechtsausschuß vorzunehmen. - Da dem nicht widersprochen wird, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 4 a und b der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Papierversorgung für den Zeitungsdruck ({1});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mende, Dr. Nowack ({2}), Wirths und Genossen betreffend Papierversorgung der Tageszeitungen ({3}).
Der Ältestenrat hat für die Beratung eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Bleiß.
Dr. Bleiß ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der vorgeschrittenen Zeit möchte ich Ihnen zur Begründung unseres Antrags nur einige Zahlen nennen. Wir haben uns veranlaßt gesehen, die Bundesregierung zu ersuchen, der Preisgestaltung auf dem Papiermarkt, insbesondere auf dem Markt für Zeitungsdruckpapier, eine sehr intensive Beachtung zuzuwenden, weil sich hier eine katastrophale Preisentwicklung vollzogen hat.
Im Jahre 1945 belief sich der Tonnenpreis auf 230 Mark. Der Preis ist bis 1949 auf 520 DM gestiegen. Im Jahre 1950 hat er sich auf 780 DM erhöht, und in der neuesten Zeit ist ein Preis von 940 DM je Tonne - besonders im Absatzgebiet des Feldmühle-Konzerns - gefordert worden. Ein solcher Preis geht wesentlich über das Maß hinaus, das betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprechen würde.
Die Zeitungsverleger haben sich angesichts solcher Preissteigerung in die Zwangslage versetzt gesehen, entweder die Abonnementspreise wesentlich zu erhöhen oder aber eine wesentliche Beschränkung der Ausgaben vorzunehmen, d. h. von dem täglichen Erscheinen abzugehen. In dieser Zwangslage hat sich damals der norddeutsche Verlegerverband an die Öffentlichkeit gewandt, um Unterstützung zu finden. Die Aktion hatte den Erfolg, daß der Feldmühle-Konzern seinen Preis von 940 auf 830 DM je Tonne senkte. Sie sehen also, daß es sich um absolut willkürliche Preiserhöhungen gehandelt hat.
Wir sind der Meinung, daß auch ein Preis von 830 DM je Tonne noch zu hoch ist und wirtschaftlich nicht vertretbar erscheint; denn aus einer Bilanz der Feldmühle AG. per 31. 12. 1949 ergibt sich, daß dieser Konzern seine gesamten Anlagen innerhalb der ersten 11/2 Jahre nach der Währungsreform bis auf die Hälfte hat wieder abschreiben können, also ungewöhnlich große Gewinne aus seinem Zeitungsdruckpapiervertrieb gezogen hat.
Wir wünschen, daß auf dem Zeitungsdruckpapiermarkt endlich vernünftige Preisverhältnisse eintreten, und bezwecken mit unserem Antrag, daß die Bundesregierung dafür Vorsorge trifft, daß die
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Papierindustrie nach gesunden und vernünftigen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen kalkuliert. Wir sind der Meinung, daß gerade bei dem Feldmühle-Konzern nicht immer die Grundsätze der wirtschaftlichen Solidität ein Rolle gespielt haben. Denn in Süddeutschland sind auch jetzt noch die Preise um 75 DM je Tonne niedriger als in Norddeutschland. Wir wünschen, daß sich die Bundesregierung um einheitlich niedrige Preise für das ganze Absatzgebiet, um wirtschaftlich tragbare Preise bemüht und daß zu diesen angemessenen Preisen die Versorgung der Verleger mit dem notwendigen Zeitungspapier ermöglicht wird.
In diesem Sinne darf ich das Hohe Haus bitten, unserem Antrag Drucksache . Nr. 2034 seine Zustimmung zu geben.
Zur Begründung von Tagungsordnungspunkt 4 b hat Herr Abgeordneter Wirths das Wort.
Wirths ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben uns in diesem Hause schon häufig mit der wirtschaftlichen Notlage und mit wirtschaftlichen Forderungen einer ganzen Reihe von Berufs- oder Wirtschaftskreisen beschäftigt. Wir hatten auch einmal Gelegenheit, uns mit der Presse zu beschäftigen, und ich glaube, daß es kein Ruhmestag war, der in die Geschichte des Hauses eingegangen ist. Es betraf damals aber nur die journalistische Seite. Heute möchte ich mir erlauben, einiges über die wirtschaftliche Situation der Zeitungsverlage zu sagen.
Wir befinden uns mit den deutschen Zeitungen in einem Engpaß, der überwunden werden muß, oder wir müssen auf eine politische Presse verzichten. Die Preisentwicklung hat der Herr Kollege von der SPD eben schon geschildert. Sie hat alle Voraussagen überrannt. Die Preise der Rohstoffe für die Papiermühlen sind heute um 300 % höher als im vorigen Jahre. Die Zeitungsdruckpreise selber sind unaufhörlich gestiegen, auf dem Weltmarkt mehr als auf dem Inlandsmarkt. Die Zeitungen haben versucht, sich da herauszuwinden; aber es ist nicht möglich. Sie mußten in diesen Wochen dazu übergehen - wenigstens der allergrößte Teil -, Preiserhöhungen vorzunehmen. Das hat eine sehr unangenehme Seite. Es ist festgestellt worden, daß in großen Gebieten auch des Industriereviers, in denen Preiserhöhungen vorgenommen wurden, die Abbestellungen nahezu das Mehr, das durch die Preiserhöhungen gewonnen wurde, paralysierten, so daß für die Verlage nichts dabei herauskam. Der große politische Nachteil aber ist der, daß immer weniger Leute Zeitungen lesen.
Sehen Sie sich einmal die Entwicklung der Zeitungen in den letzten Jahren an. Wir hatten 1948 ungefähr 90 bis 100 Zeitungen. Es handelte sich da in der Hauptsache um die sogenannte lizenzierte Presse. 1949 waren bereits 450 da, und 1950 haben wir rund 1000 Zeitungen. Es ist ganz natürlich, daß diese Entwicklung ein Mehr an Papier erforderte, wenn auch die Umschichtung der Abonnenten dazu beigetragen hat, daß der Verlust bei der lizenzierten Presse zugunsten der dann neu- oder wiedererstehenden sogenannten Heimatpresse sehr groß war.
Die Zeitungen werden, wenn sich die Papierlage nicht entscheidend bessert, in den nächsten Wochen zu Einschränkungen ihres Umfangs übergehen müssen. Das bedeutet für die Verlage wirtschaftlich wiederum Einbußen, weil ja mit der Verkürzung des Textteils auch eine solche des Anzeigenteils erfolgen muß. Damit kommen dann sehr viele Zeitungen, insbesondere die ausgesprochen politischen Zeitungen, die ja in den wenigsten Fällen über einen eigenen Apparat verfügen, mit ihrer Kostendeckungsgrenze nicht mehr aus. Das bedeutet eine politische Verkümmerung, und wir werden erleben, daß dann noch weniger als bisher über die Tätigkeit etwa des Bundestages berichtet werden kann. Ich will auf diese Entwicklung nicht im einzelnen eingehen. Ich möchte nur feststellen, daß ein Teil dieser Schuld, wenn man von Schuld sprechen kann, in der heute unerklärlichen Pressepolitik der Besatzungsmächte gelegen hat.
Bei dieser Gelegenheit noch ein Wort, das zwar nicht im Antrag begründet ist; aber ich glaube, es hängt damit zusammen. Die Verlage haben seit Jahr und Tag vergeblich versucht, ERP-Kredite zu erhalten. Neuerdings ist eine Aktion angelaufen, GARIOA-Mittel bereitzustellen; aber die Wiederaufbaubank verlangt dingliche Sicherheiten. Die Verlage sind in der Regel nicht in der Lage, dingliche Sicherheiten zu stellen, sondern höchstens Maschinensicherheiten. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Regierung auf diesen Punkt lenken, und zwar mit der Bitte, daß sie sich da einschalten möge; denn im Interesse der Kostensenkung bei der Herstellung der Zeitungen ist es durchaus notwendig, daß der überalterte Maschinenpark erneuert wird. Wir haben die Möglichkeit, neue Maschinen zu bekommen. Ich erinnere daran, daß wir häufig in den Druckereien Setzmaschinen haben, die im Feuer gewesen sind. Aus drei alten Maschinen wurde eine neue zusammengestellt; aber die Leistung der an sich ja hockbezahlten Maschinensetzer ist an diesen alten Maschinen natürlich sehr gering. Ich möchte also darum bitten, daß diese Seite nicht vergessen wird; denn sonst befürchte ich das Schlimmste für unsere politische Presse. Ich glaube, sie ist nicht nur für uns hier in diesem Hause, sondern für die Gesamtentwicklung sehr wichtig. Es bestehen keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß die Zeitungen heute eine öffentliche Aufgabe zu erfüllen haben. Wir können es uns nicht leisten, daß vielleicht ein großes Zeitungssterben angeht. Es handelt sich darum, daß die notwendigsten wirtschaftlichen Sicherungen getroffen werden.
Ich möchte deshalb bitten, daß Sie unserem Antrage - ohne Ausschußüberweisung - zustimmen. Wir haben gewünscht, daß die Regierung dem Bundestage über die Maßnahmen, die sie ergreifen will, Bericht erstattet.
Damit sind die Anträge begründet. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Ehren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe es nicht nötig, dem Hohen Hause die Dringlichkeit zeitgemäßer Publizistik vorzutragen. Wohl aber erachte ich es für angebracht, auszusprechen, daß die Möglichkeiten, eine solche Publizistik zu betreiben, nahezu nicht mehr gegeben sind, und zwar nicht etwa deshalb, weil es an Fachleuten oder an dem notwendigen Interesse mangelt, sondern weil die Voraussetzungen auf dem Gebiete der Papierversorgung einfach fehlen. Es muß gesagt werden, daß die Verhältnisse hier untragbar geworden sind und daß die Gefahr besteht, daß wir zu chaotischen Zuständen kommen. Es gibt Fachleute, die der Auffassung sind, daß wir schon mitten in diesen chaotischen Zuständen drin sind. Es geht um den Bestand der deutschen Tages({0})
presse. Die normale Zeitungspapierproduktion in der Bundesrepublik reicht für den derzeitigen Bedarf der deutschen Presse nicht aus. Es fehlen für die regelmäßige Herausgabe von Zeitungen und Zeitschriften erhebliche Papiermengen. Es wird Sie sicher interessieren, einige Zahlen über die Produktion und den Verbrauch von Papier in der Bundesrepublik zu hören.
In der Bundesrepublik werden augenblicklich ca. 12 000 t Papier monatlich erzeugt. Dem steht ein Bedarf von monatlich 15 000 t gegenüber. Selbst bei voller Auslastung unserer Fabrikation - leider war selbst das in den letzten Monaten nicht einmal der Fall - bleibt ein monatlicher Fehlbetrag von ca. 3000 t. Bis Dezember 1950 konnte diese Fehlmenge durch Importe ausgeglichen werden. Der verhängnisvolle Engpaß wäre also augenblicklich nicht in diesem Maße vorhanden, wenn diese Einfuhren nicht eingestellt worden wären. Nicht nur die interessierten Zeitungsverlegerverbände, sondern auch wir verfolgen mit wachsender Sorge diese Entwicklung. Die Verlegerverbände haben durch die Einschränkung des Zeitungsumfangs versucht, der Lage Rechnung zu tragen. Das Ergebnis ist nicht erfreulich. Eine weitere Umfangbeschränkung ist unmöglich, wenn die Presse ihre verantwortliche Aufgabe auch weiter erfüllen soll. Aber auch trotz dieser Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, die notwendigen Papiermengen sicherzustellen. Der Plan, die Zeitungen viermal wöchentlich erscheinen zu lassen, ist bekanntlich von der Masse der Leser mit großer Entrüstung abgelehnt worden. Sie werden ebenfalls der Meinung sein, daß eine solche rückläufige Entwicklung untragbar ist. Wir sind daher im Interesse der Sicherstellung des weiteren täglichen Erscheinens der Tagespresse gezwungen, die Regierung aufzufordern, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
Meine Fraktion hält es für notwendig, der Zeitungspapierherstellung und der Belieferung der Zeitungen mit Papier die Priorität zuzuerkennen. Die Papierfabriken haben daher erstens zunächst die Versorgung der Tageszeitungen mit Papier vor allen anderen Druckerzeugnissen sicherzustellen. Ich möchte betonen, daß meine Fraktion der Auffassung ist, daß gewerkschaftliche, kirchliche, wissenschaftliche und sonstige Zeitschriften in die gleiche Dringlichkeitsstufe gehören. Wer heute Gelegenheit hat, Einblick in die Auslagen der Buchhandlungen und Zeitungsstände zu nehmen, der wird feststellen, daß für die Herstellung mancher zweifelhafter Presseerzeugnisse Papier anscheinend in Hülle und Fülle vorhanden ist.
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Hier ist von einem Mangel nichts zu spüren. Wir beklagen uns mit Recht über den mangelnden Widerhall unserer Arbeit in der Öffentlichkeit, müssen aber gleichzeitig feststellen, daß die deutsche Tagespresse aus organisatorischen Mängeln, die meines Erachtens behoben werden könnten, nicht in der Lage ist, -ihre publizistische Arbeit durchzuführen.
Wir müssen zweitens fordern, daß die Papierfabriken eine ausreichende Zuteilung von Kohle erhalten,
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um ihre Kapazität auszunutzen. Wenn es notwendig ist, müssen ihnen auch Devisen zur Verfügung gestellt werden, damit sie in die Lage versetzt sind, die für die Papierherstellung uns mangelnden Rohstoffe einzuführen. Ich bin der Auffassung, daß die Einfuhr mancher überflüssiger
Luxuserzeugnisse wie Blumen, Parfums oder sonst etwas dafür ruhig unterbleiben könnte.
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Meine Fraktion hält es drittens für notwendig - und das wurde ja auch von den Herren, die die Vorlage begründeten, schon herausgestellt -, daß die Regierung ihre Aufmerksamkeit der Preisentwicklung auf dem Papiermarkt zuwendet. Hier sind die Verhältnisse mehr als ungesund geworden. Während der Preis für eine Tonne Papier im Jahre 1936 225 Mark betrug, beläuft sich dieser Preis heute auf 87,50 DM. Allein seit Dezember vorigen Jahres ist eine Preissteigerung von 41% zu verzeichnen. Diese gewaltige Preissteigerung hat die gesamte Kalkulation der deutschen Presse über den Haufen geworfen und bedroht den wirtschaftlichen Fortbestand derselben auf das ernsteste. Es muß einmal in aller Öffentlichkeit gesagt werden, daß die Preiserhöhungen, die für ein Abonnement vorgenommen werden mußten, nicht ausgereicht haben, um nur die erhöhten Papierkosten zu decken.
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Auch das darf gesagt werden, daß die Angestellten
- besonders das redaktionelle Personal - der deutschen Presse aus diesen Gründen im Gegensatz zu fast allen anderen Berufen seit Jahren auf eine Gehaltsverbesserung warten mußten. Es ist daher zu veranlassen, daß die Papierfabriken ab sofort einen Berechtigungsnachweis für diese horrenden Preissteigerungen zu erbringen haben. Wir haben alle ein Interesse daran, auf dem Gebiete des Pressewesens gesunde Verhältnisse zu schaffen.
Aus diesen Gründen unterstützt meine Fraktion die Anträge der beiden Fraktionen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß der größte Teil der Redezeit Ihrer Fraktion verbraucht ist.
Meine Damen und Herren! Um Mißverständnissen vorzubeugen, muß klar herausgestellt werden, daß die Forderungen, die soeben gestellt worden sind, sich nur auf das Zeitungsdruckpapier beziehen können. Wenn die Forderung erhoben worden ist, daß die Fabriken die Zeitungsbetriebe bevorzugt beliefern sollen, dann kann sich dies ausschließlich nur auf Zeitungspapier beziehen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Betriebe nicht umgestellt werden dürfen - eine Forderung, die von einer Seite erhoben worden ist -, um nun ausschließlich Zeitungspapier herzustellen. Denn hierbei ergibt sich eine ganz besondere Frage arbeitspolitischer Art. Ich denke z. B. an meine Vaterstadt. Dort befinden sich zwei Zeitungsbetriebe, die insgesamt 80 Personen beschäftigen; die wollen das ganze Papier einer Fabrik, z. B. der Papierfabrik Kabel, haben. Das geht nicht, weil in dem gleichen Arbeitsbereich, in anderen Druckereien, 2400 Arbeiter beschäftigt sind.
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- Das stimmt, Herr Kollege Wirths.
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- Das sind die Zahlen, die festgestellt worden sind. - Herr Kollege Schmid, man kann auch nicht von chaotischen Zuständen auf dem Papiermarkt des Zeitungsgewerbes reden, wenn im vergangenen
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Monat nachgewiesenermaßen 14 000 Tonnen zur Verteilung gekommen sind. Es fehlen also lediglich 1000 Tonnen, ein Manko, das sich vielleicht auf dem Wege einer Verschiebung von Süddeutschland nach dem Westen bzw. Norden ausgleichen ließe.. Ich möchte ganz klar und deutlich feststellen: der Druck von Zeitungen darf nicht zu Lasten des anderen Druckgewerbes bevorzugt werden. Das geht unter keinen Umständen. Dann soll man einmal hergehen und die Verhältnisse auf dem Markt der illustrierten Zeitschriften klären. Hier sind Verschiebungen möglich.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Antragsteller hat mit Recht auf die unhaltbaren Zustände hingewiesen, die auf dem Gebiete der Papierversorgung bestehen, und hat mit Recht die Gefahren aufgezeigt, die sich daraus für alle politischen Parteien und ,sogar für die Aufrechterhaltung der Demokratie ergeben, wenn es nämlich den Zeitungen und den politischen Parteien nicht mehr möglich ist, ihre Meinung so zu vertreten und an so viele Leser heranzubringen, wie das notwendig erscheint.
Wir müssen uns über die Gründe für diese Papiernot klar sein. Dazu möchte ich folgendes sagen. Solange die Köhlenzuteilung an wichtigste Schlusselbetriebe, zu denen die Papierindustrie zweifelsohne gehört, so niedrig ist wie heute, darf man sich nicht wundern, wenn die Papierproduktion nicht in dem Umtang vor sich gehen kann, wie man es nach der Kapazität der Werke erwarten konnte. Hier rächt sich eben wieder einmal eine falsche Gesamtwirtschaftspolitik dieser Regierung, die zwar Kohle - das Rohmaterial - im Herbst vorigen Jahres zu hunderttausenden von Tonnen in die Schweiz und in andere Länder geliefert hat, damit diese Lander Papier fabrizieren konnten und alles andere dazu, wie Maschinen usw. Aber unseren Fabriken und damit auch unseren Arbeitnehmern in den Fabriken stehen diese Mengen nicht zur Verfügung! So geht es jetzt wieder. Ich habe mir einmal die Muhe gemacht, die Aufschlüsselungen, die für die einzelnen Industriezweige hinsichtlich der Kohlezuteilung erfolgt sind, anzusehen. Ich persönlich habe die feste Überzeugung, daß bei diesen Aufschlüsselungen die ungeheure Wichtigkeit des Materials Papier nicht in vollem Umfange erkannt wird. Es gibt manche Industriezweige, die man ganz anders kürzen könnte, vielleicht sogar - ich weiß, daß ich mich damit in stärkstem Gegensatz zu Herrn Kollegen Horlacher befinde - die Schnapsfabrikanten und andere, welche Zuweisungen an Kohle bekommen!
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Die Papierfabriken sind genau so wie z. B. die eisenverarbeitende Industrie und die Bauindustrie eine der wichtigsten Schlüsselpositionen unserer Wirtschaft. Hier muß eine andere Aufschlüsselung der Zuteilung für die Industrie Platz greifen. Der Vorredner hat mit Recht darauf hingewiesen - ich freue mich, daß ich da auch einmal einem Redner der Regierungsparteien zustimmen kann -, daß es ein Unrecht wäre, hier nur einseitig zugunsten der Druckpapier herstellenden Fabriken vorzugehen und die anderen zu vernachlässigen, wie z. B. Werkdruck-, Illustrationsdruck-, Offsetdruck- usw. -papier herstellende Fabriken. Da hat er vollkommen recht. Es ist eine Ungerechtigkeit, hier
eine Unterscheidung zu treffen. Diese ist bereits getroffen; denn die Zeitungspapier herstellenden Fabriken bekommen etwas mehr von dem wichtigen Rohstoff Kohle zugeteilt als die Papierfabriken, die Werkdruck und Illustrationsdruck herstellen, sogar dann, wenn sie exportieren und damit für unser deutsches Land wertvollste Devisen hereinholen.
Es ist ganz richtig, wenn darauf hingewiesen wurde, daß von der Belieferung mit solchem besseren Papier das wirtschaftliche Schicksal von Hunderttausenden von Menschen, darunter von Tausenden von Arbeitern, Setzern usw. in den betreffenden Druckereien abhängt. Sie können hier nur dann eine Abhilfe bringen - das möchte ich den Herren Antragsteller sagen -, wenn Sie die gesamte gegenwärtige Wirtschaftspolitik dieser Regierung völlig anders gestalten helfen. Solange wir ein System haben, bei dem planlos und ziellos gewirtschaftet wird, bei dem wichtigste Rohstoffe exportiert werden und dann die Fertigwaren, die andere Länder daraus hergestellt haben, zum dreifachen und vierfachen Preis importiert werden, so daß unseren Arbeitern diese Arbeitsgelegenheit verlorengeht, solange wir eine derartig unsinnige Gesamtwirtschaftspolitik haben, nutzt die Annahme oder Ablehnung einzelner Teilanträge auf diesem Gebiet leider gar nichts.
Die Rednerliste scheint nun wirklich erschöpft zu sein. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist kein Antrag gestellt; jedenfall fehlt ein Überweisungsantrag.
({0}) Herr Abgeordneter Wirths!
Ich hatte vorhin darum gebeten, die Anträge nicht an einen Ausschuß zu uberweisen, sondern direkt anzunehmen, weil ja in unserem Antrag die Regierung aufgefordert wird, dem Bundestag über das, was sie veranlaßt hat, unmittelbar zu berichten. Ich hoffe, daß der Bericht in ganz kurzer Zeit erstattet werden kann.
Meine Feststellung, daß ein Überweisungsantrag nicht vorliegt, ist also richtig.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über Punkt 4 a der Tagesordnung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die für den Antrag unter Punkt 4 b der Tagesordnung sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist angenommen.
Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung der Ubersicht Nr. 23 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen Umdruck Nr. 104).
Von einer Aussprache wird wie üblich abgesehen. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Vorlage ist angenommen.
Damit ist die Tagesordnung für heute erschöpft.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 10. April 1951, 13 Uhr 30.
Die 131. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.