Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Sitzung des Deutschen Bundestags. Ich lasse zunächst die Namen der abwesenden Mitglieder zur Kenntnis des Hauses bringen. Bitte, Herr Schriftführer.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Frau Rösch, Gengler, Friedrich Maier, Fisch; - auf Grund von Entschuldigungen die Abgeordneten Dr. Laforet, Mensing, Kunze, Frau Heiler, Arndgen, Sabel, Dr. Holzapfel, Stauch, Pohle, Steinhörster, Heinz Meyer ({0}), Leddin, Frau Korspeter, Berlin, Klabunde, Frau Kalinke, Dr. Seebohm, Eickhoff, Dr. Besold, Dr. Baumgartner, Dr. Falkner, Reimann, Dr. Hasemann, Dr. Wellhausen, Rademacher, Tichi, von Thadden.
Meine Damen und Herren, ich habe weiter folgende Mitteilung zu machen. Auf Grund einer heute vormittag im Ältestenrat getroffenen Vereinbarung wird die Tagesordnung durch einen Punkt 4 erweitert, und zwar durch Behandlung der Drucksache Nr. 116, betreffend Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen.
Ferner darf ich über den heute geplanten Ablauf der Tagesordnung folgendes sagen. Zunächst wird der Herr Bundeskanzler eine Regierungserklärung abgeben, die durch Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zugleich im Namen des Herrn Bundeswirtschaftsministers ergänzt wird. Daran anschließend werden wir unter Punkt 2 den mündlichen Bericht des Ausschusses für Berlin entgegennehmen und dann eine Pause von etwa 30 bis 35 Minuten einlegen, um den Fraktionen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Wir treten in die Tagesordnung ein: Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.
Ihnen, meine Damen und Herren vom Deutschen Bundestag, als den legitimierten Vertretern des deutschen Volkes habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die jüngsten Vorgänge in der Ostzone und in Berlin sind kennzeichnend für den tragischen Weg des deutschen Volkes seit 1933. Sie unterstreichen mit aller Klarheit und Deutlichkeit noch einmal die Zerreißung des deutschen Gebiets in zwei Teile, in einen östlichen Teil, bewohnt von rund 18 Millionen Deutscher, die in der Unfreiheit sowjetischer Satellitenstaaten dahinleben, und einen westlichen Teil mit 45 Millionen Einwohnern, der sich zwar noch nicht im vollen Besitz der Freiheit befindet, in dem aber die Souveränitätsrechte eines demokratischen Staates immer mehr in deutsche Hände gelegt werden und in dem - ich hebe das auf das nachdrücklichste hervor - die Menschen sich der persönlichen Freiheit und Sicherheit erfreuen, ohne die ein menschenwürdiges Dasein für uns nicht denkbar ist.
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Ich habe von dem Schicksalsweg des deutschen Volkes seit 1933 gesprochen. Um der historischen Wahrheit willen muß man davon sprechen, daß die Tragik des deutschen Volkes nicht erst 1945 mit der Kapitulation, die bedingungslos die gesamte
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militärische und staatliche Macht den Siegern übergab, begann, sondern 1933 mit der Machtergreifung Hitlers.
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Man kann und darf die Periode von 1933 bis 1945 nicht trennen von dem, was sich seit 1945 ereignet hat.
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Beide Epochen hängen eng zusammen. Um der Verantwortung willen, die wir vor dem deutschen Volk übernommen haben, und um dem deutschen Volk und dem Ausland ein klares Bild von dem zu geben, was jetzt ist, ist eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse seit 1945 nötig.
Entgegen dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945, in dem beschlossen wurde, Deutschland während der Besetzungszeit als eine politische und wirtschaftliche Einheit zu betrachten, trat schon sehr bald eine verschiedene Auffassung über die Deutschland gegenüber zu beobachtende Haltung unter den Alliierten zutage. In der Sowjetzone wurden schon im Jahre 1945 im Gegensatz zu den drei anderen Zonen Zentralverwaltungen eingerichtet, die den unverkennbaren Zweck hatten, die ganze sowjetische Zone staatlich einheitlich zu organisieren. Diese Bestrebungen wurden aufs nachdrücklichste gefördert durch die am 12. Juni 1947 erfolgte Bildung einer Wirtschaftkommission. Die wirtschaftliche und die politische Trennung der Sowjetzone von dem übrigen Deutschland wurde weiter gefördert durch die Einsetzung des sogenannten Ersten Volkskongresses am 6. Dezember 1947, die Einberufung des Zweiten Volkskongresses am 18. März 1948, die Schaffung eines Volksrats am gleichen Tag, die Erteilung des Auftrags an den Volksrat, eine Verfassung auszuarbeiten, und schließlich durch die Verabschiedung dieser Verfassung durch den Volksrat am 19. März 1949.
Diese Volkskongresse sind nicht aus Wahlen, das heißt aus freien Wahlen, an denen sich jeder hätte frei beteiligen können, hervorgegangen. Für den Dritten Volkskongreß durfte nur eine Einheitsliste aufgestellt werden. Die in der vom Volksrat beschlossenen Verfassung vom 19. März 1949 vorgesehenen Wahlen für eine Volkskammer wurden nicht abgehalten. Der Volksrat etablierte sich am 7. Oktober 1949 im Widerspruch mit der von ihm selbst beschlossenen Verfassung als provisorische Volkskammer. Gleichzeitig wurde erklärt, daß Wahlen, die schon mehrfach in Aussicht gestellt waren, bis zum 15. Oktober 1950 verschoben würden. Nach dem völligen Zusammenbruch aller staatlichen Organisation in Deutschland mit der bedingungslosen Kapitulation kann aber eine Organisation in Deutschland nur dann den Anspruch darauf erheben, ein legitimer Staat zu sein, wenn sie auf dem freien Willen der Bevölkerung beruht.
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Es wird niemand behaupten können, daß die nunmehr geschaffene Organisation der Sowjetzone auf dem freien Willen der Bevölkerung dieser Zone beruht.
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Sie ist zustande gekommen auf Befehl Sowjetrußlands und unter Mitwirkung einer kleinen Minderheit ihm ergebener Deutscher.
Im Gegensatz zu der Sowjetzone trat in den drei Westzonen bei den westlichen Alliierten das Bestreben, eine einheitliche staatliche Organisation für diese drei Zonen zu schaffen, erst auf der Londoner Konferenz der sechs Mächte - England,
Frankreich, USA, Beneluxstaaten -, die vom Februar bis Juni 1948 abgehalten wurde, zutage.
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Dieses Bestreben zeigte sich also erst, als die Entwicklung in der Ostzone, die ich eben geschildert habe, schon weit fortgeschritten war, als der Erste und der Zweite Volkskongreß und der Volksrat schon geschaffen waren. Auf Grund der Empfehlungen der Londoner Konferenz wurde der Parlamentarische Rat zum 1. September 1948 einberufen. Das von ihm beschlossene Grundgesetz trat( nach der Ratifizierung durch die Landtage am 23. Mai 1949 in Kraft.
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Die Wahlen zum ersten Bundestag wurden am 14. August 1949 abgehalten. An ihnen beteiligten sich rund 25 Millionen von 31 Millionen stimmberechtigter Deutscher. Nur die 1,5 Millionen kommunistischer Stimmen, die abgegeben wurden, kann man als gegen die staatliche Neuordnung abgegeben bezeichnen,
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so daß rund 23 Millionen Wähler bei dieser Wahl bestätigten, daß sie die staatliche Neuordnung der drei Westzonen, die Schaffung der Bundesrepublik Deutschland billigten.
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Ich stelle folgendes fest. In der Sowjetzone gibt es keinen freien Willen der deutschen Bevölkerung.
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Das, was jetzt dort geschieht, wird nicht von der Bevölkerung getragen und damit legitimiert.
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Die Bundesrepublik Deutschland stützt sich dagegen auf die Anerkennung durch den frei bekundeten ' Willen von rund 23 Millionen stimmberechtigter Deutscher. Die Bundesrepublik Deutschland ist somit bis zur Erreichung der deutschen Einheit insgesamt die alleinige legitimierte staatliche Organisation des deutschen Volkes.
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Hieraus ergeben sich innerpolitisch und außenpolitisch Folgerungen, die ich im einzelnen wiederzugeben mir heute versagen muß.
Die Bundesrepublik Deutschland fühlt sich auch verantwortlich für das Schicksal der 18 Millionen Deutscher, die in der Sowjetzone leben.
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Sie versichert sie ihrer Treue und ihrer Sorge.
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Die Bundesrepublik Deutschland ist allein befugt, für das deutsche Volk zu sprechen.
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Sie erkennt Erklärungen der Sowjetzone nicht als verbindlich für das deutsche Volk an.
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Das gilt insbesondere auch für die Erklärungen, die in der Sowjetzone über die Oder-Neiße-Linie abgegeben worden sind.
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) Ich stelle diese Tatsache mit allem Nachdruck vor dem deutschen Volk und der gesamten Weltöffentlichkeit fest.
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Zur Frage Berlin habe ich folgendes zu erklären. Die Lage Berlins wird durch die Entwicklung in der Sowjetzone besonders kritisch. Berlin ragt in die Sowjetzone hinein als Vorposten und Bollwerk des demokratischen westlichen Teils Deutschlands,
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ja, mehr als das, als Bollwerk des demokratischen Westeuropas.
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Berlin hat die Blockade dank der bewunderungswürdigen Stärke und Zähigkeit seiner Bewohner und dank der Hilfe der Westalliierten überstanden; aber es leidet schwer unter ihren Nachwirkungen.
In Artikel 23 des Grundgesetzes ist niedergelegt, daß Groß-Berlin als zwölftes Land zur Bundesrepublik Deutschland gehören soll. Wenn auch die internationale Lage bei der Genehmigung Ling des Grundgesetzes die Verwirklichung dieses Beschlusses zunächst unmöglich gemacht hat
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und wenn die fortdauernde internationale Spannung auch jetzt noch die Durchführung des Artikel 23, vielleicht auch im Interesse Berlins selbst, nicht gestattet, so bleibt der Beschluß des Parlamentarischen Rates, wie er im Artikel 23 niedergelegt ist, nur suspendiert. Der Artikel 23 wird in Wirksamkeit treten, sobald die internationale Lage es gestattet.
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Bis dahin will Berlin seine Gesetze den Bundesgesetzen anpassen, um so schon jetzt eine de-factoZugehörigkeit Berlins zum Bund herbeizuführen.
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Wir begrüßen diese Absicht Berlins.
Über die notwendige finanzielle und wirtschaftliche Hilfe für Berlin haben zwischen Vertretern des Berliner Magistrats sowie der Berliner Wirtschaft und Mitgliedern der Bundesregierung in den letzten Tagen sehr ausführliche und eingehende Verhandlungen stattgefunden. Diese Verhandlungen haben zu einem positiven Ergebnis geführt. Die Einzelheiten darüber wird Ihnen der zuständige Bundesminister, Herr Schäffer, vortragen. Er wird zugleich im Namen des Bundeswirtschaftsministers sprechen. Ich erkläre namens der Bundesregierung nachdrücklichst, daß wir alles, was in unseren Kräften steht, tun werden, um die Berliner Wirtschaft und damit auch die Finanzen der Stadt Berlin wieder gesund zu machen und gesund zu erhalten. Wir werden Berlin nicht im Stiche lassen.
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Meine Damen und Herren! Die Menschheit lebt seit Jahrzehnten in einer Epoche staatlicher und sozialer Wirren. Das deutsche Volk ist infolge seiner sprunghaften Entwicklung und infolge seiner zentralen Lage ein Mittelpunkt dieser Wirren geworden. Die Bundesrepublik Deutschland erholt sich dank der Hilfe der Westalliierten, dank auch des Fleißes und der Ausdauer ihrer Bewohner langsam, aber stetig. Die Bundesrepublik Deutschland
fühlt um so mehr die Verpflichtung in sich, den Bewohnern der Sowjetzone und der Stadt Berlin zu helfen. Sie wird diese Pflicht erfüllen. Wir sind davon überzeugt, daß unsere oft so trostlos aussehende Epoche schließlich doch zu fruchtbaren Neubildungen staatlicher und überstaatlicher Ordnungen führt, von Ordnungen, die erwachsen sind auf dem Boden des gleichen Rechts für alle. Unser vornehmstes Ziel wird sein, ganz Deutschland auf dem Boden des Rechts und der Freiheit zu einen und es in eine europäische Ordnung hineinzuführen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Hohes Haus! Gleichzeitig im Namen des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, der die Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt Berlin vorbereitet und geführt hat, darf ich über das Ergebnis dieser Besprechungen folgendes mitteilen. In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 20. September 1949 ist besonders auf die Stadt Berlin Bezug genommen. Es heißt dort: „Unsere besondere Fürsorge gilt der Stadt Berlin". Nachdem dann von den bisherigen Leistungen Westdeutschlands für Berlin gesprochen wurde, ist betont worden, es sei unbedingt notwendig, daß wir unter keinen Umständen Berlin im Stiche lassen und beschleunigt über den Fortgang und den Umfang der Hilfsmaßnahmen für Berlin, und zwar nicht ausschließlich durch Gewährung von finanziellen Zuschüssen, beraten und beschließen.
Was in der Regierungserklärung gesagt worden ist, ist in den letzten Tagen geschehen. Nachdem schon vor Wochen Besprechungen mit dem Stadtkämmerer von Berlin und anderen Herren über die Haushaltsfrage stattgefunden hatten und nachdem die Mitglieder des Kabinetts, Herr Bundesminister Kaiser und Herr Bundesminister Heinemann, sich an Ort und Stelle über die Lage in Berlin unterrichtet hatten, ist in den letzten Tagen auf Anregung und Wunsch des Herrn Reichskanzlers ({0})
- des Herrn Bundeskanzlers eine Abordnung maßgebender Berliner Persönlichkeiten unter Führung des Herrn Oberbürgermeisters Reuter in Bonn gewesen, um gemeinsam mit dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft Vorschläge für Hilfsmaßnahmen zugunsten Berlins zu machen und die Durchführung dieser Vorschläge mit der Bundesregierung zu besprechen. Diese Vorschläge entsprechen vielfach den Grundgedanken der Anträge, die dieses Hohe Haus zu dieser Frage eingebracht hat. Ich darf diese Vorschläge und die Stellung der Bundesregierung bekanntgeben.
Eine deutsche Stadt, die eine Insel ist inmitten eines Wirtschaftsgebiets, das von der Elbe bis zum Gelben Meer reicht, eine deutsche Stadt, die all den wirtschaftlichen und seelischen Einflüssen des sie umbrandenden Meeres ausgesetzt ist, will dem Gedanken Deutschland und dem Gedanken der deutschen Demokratie treu bleiben. Entscheiden wird die seelische Stärke der Bevölkerung.
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Diese seelische Stärke darf nicht durch wirtschaftliche Not, durch Arbeitslosigkeit, durch Verarmung
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gebrochen werden. Berlin braucht wirtschaftliche Hilfe. Die Bundesregierung erkennt es als Pflicht an, alles mögliche zu tun und der Deutschen Bundesrepublik alle tragbaren Opfer zuzumuten, soweit sie notwendig sind und geeignet erscheinen, unsere deutschen Brüder in Berlin zu unterstützen, ihnen das Vertrauen auf ihre Sache zu erhalten und ihnen die Hoffnung auf den Sieg ihrer Gedankenwelt zu geben.
Die wirtschaftliche Hilfe scheidet sich in zwei Gebiete: a) in die budgetäre Hilfe, das heißt in die Hilfe, um den Haushalt Berlins auszugleichen, b) in wirtschaftspolitische Hilfsmaßnahmen, die das Ziel haben, die in Berlin seit der Währungsumstellung und seitdem die über GARIOA-Mittel gegebene wirtschaftliche Unterstützung ein Ende gefunden hat, als drohendes Gespenst aufgetauchte Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Ich möchte vorausschicken, daß bei den Verhandlungen, die in den letzten Tagen stattgefunden haben, beide Teile den Beweis des guten Willens erbracht haben. Ich bin den Vertretern der Stadt Berlin besonders dafür dankbar, daß sie selbst betont haben, daß sie das Ihre tun werden, damit die Unterstützung aus der Deutschen Bundesrepublik gewissenhaft und wirksam für die Belebung der Berliner Wirtschaft verwendet werden.
Die Herren Vertreter der Stadt Berlin haben erklärt, daß sie bereit sind, sich nach dieser Richtung jeder Kontrolle zu unterwerfen. Diese Erklärung wurde von ihnen aus freien Stücken abgegeben; sie wurde abgegeben, weil sie menschlich wohl die Überzeugung gewonnen hatten, daß auch die Vertreter der Bundesregierung den besten Willen gezeigt haben, zu tun, was nur möglich ist.
In Besprechungen, die den Verhandlungen der letzten Tage vorausgegangen sind, war dem Herrn Stadtkämmerer von Berlin bereits mitgeteilt worden, welche Haushaltsmittel für die nächsten Monate bis zum Schluß des Etatsjahres, also bis zu dem Zeitpunkt, da der Bund seine ihm nach dem Grundgesetz zugewiesenen Steuern und damit auch die entsprechenden Kriegsfolgelasten übernimmt, an Berlin mit Hilfe der deutschen Länder gegeben werden können, die diese Steuern heute noch beziehen und die Kriegsfolgelasten tragen. Ich glaube sagen zu dürfen, die Vertreter Berlins haben auch bei diesen Besprechungen anerkannt, daß die Deutsche Bundesrepublik diese Mittel unter Anspannung aller Kräfte gegeben hat und das Bestmögliche leistet.
Das Hauptgewicht wurde in all den Besprechungen auf die wirtschaftspolitischen Maßnahmen gelegt, die das Ziel haben, die Arbeitslosigkeit in Berlin zu bekämpfen und dem Wirtschaftsleben der Stadt Berlin wieder frisches Blut zuzuführen. Sie bestehen in folgenden Maßnahmen:
1. Vergebung öffentlicher Aufträge. Die Stadt Berlin soll als Notstandsgebiet im Sinne des § 24 Absatz 3 Satz 3 der Verdingungsordnung für Leistungen erklärt werden. Auch bei der Vergebung nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen der Beschaffungsstellen des Bundes soll Berlin bevorzugt berücksichtigt werden. Es sollen dabei Richtlinien aufgestellt werden über Art und Ausmaß der Bevorzugung Berliner Firmen. Die Bundesregierung wird weiter beim Bundesrat den Antrag stellen, der Bundesrat möge den Landesregierungen empfehlen, die für die Beschaffungsstellen des Bundes getroffene Regelung bei den betreffenden Stellen der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, sowie sonstigen dem Einfluß der
Landesregierungen unterstehenden öffentlichen Stellen zur Anwendung zu bringen. Die Bundesregierung will weiter bei den Hohen Kommissaren beantragen, daß sie die Beschaffungsstellen der Besatzungsmacht veranlassen, bei ihren Vergebungen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Der deutschen Kohlenbergbaustelle und dem Stahltreuhänderverband wird empfohlen werden, die ihnen angegliederten Betriebe anzuhalten, ebenfalls bei ihren Vergebungen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird ersucht werden, den Kreditnehmern nahezulegen, bei den im Rahmen der Investitionskredite zu vergebenden Aufträgen die Berliner Wirtschaft bevorzugt zu berücksichtigen. Der Bundesminister für Wirtschaft wird darauf hinwirken, daß eine Bundesausgleichsstelle für öffentliche Aufträge eingerichtet wird, der die an die Berliner Wirtschaft zu vergebenden Aufträge von den betreffenden Stellen mitgeteilt werden. Die Bundesausgleichsstelle gibt dann der von der Berliner Wirtschaft errichteten Auftragsstelle Berlin von diesen Aufträgen Kenntnis. Die Auftragsstelle wird im Benehmen mit dem Magistrat Berlin darüber wachen, daß diese Aufträge sowie die daraus hervorgehenden Unteraufträge, soweit überhaupt nur die Möglichkeit dazu besteht, in den Westsektoren von Groß-Berlin ausgeführt werden.
2. Wirtschaftliche Aufträge anderer Art: Um nicht nur die Vergebung von öffentlichen Aufträgen, sondern die Vergebung aller Art wirtschaftlicher Aufträge nach Berlin zu fördern, wird die Bundesregierung vorschlagen, zur Förderung von Bezügen aus den Westsektoren von Berlin Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen bis zum Betrage von 50 Millionen D-Mark nach Richtlinien zu übernehmen, denen der Ausschuß Berlin des Deutschen Bundestags zugestimmt haben wird. Der IndustrieAusschuß West-Berlin wird im Benehmen mit dem Magistrat dem Bundesminister für Wirtschaft einen Entwurf solcher Richtlinien vorlegen; damit übernimmt die Bundesrepublik die Deckung des von der Wirtschaft vielfach im Warenverkehr befürchteten politischen Risikos, das ein Hemmnis für die Erteilung von Aufträgen nach Berlin gewesen ist. Der Bundesminister der Finanzen wird wegen der Art der Garantieleistungen mit der Bank deutscher Länder sofort ins Benehmen treten.
3. Der Bundesminister der Finanzen hat sich auch zur besonderen Förderung und zur Gestaltung eines Anreizes, Waren aus Berlin zu beziehen, bereit erklärt und wird eine Gesetzesvorlage einbringen, die dem Bezieher von Waren aus Berlin ermöglichen soll, die Waren umsatzsteuerfrei in den Verkehr zu bringen. Der Magistrat Berlin hat außerdem um die Ermächtigung nachgesucht, bei bestimmten Steuern an Berlin Steuererleichterungen zu gewähren mit dem Ziel, die Produktion und den Absatz von Waren nach dem Gebiet der Deutschen Bundesrepublik zu erleichtern und zu fördern. Diese Steuerermächtigungen sollen im Benehmen und im Einverständnis mit dem Bundesminister der Finanzen erteilt werden. Dieser hat sein Einverständnis von vornherein dafür gegeben, daß alle Steuererleichterungen, die in dem Gebiet der Deutschen Bundesrepublik heute bereits bestehen und in Berlin noch nicht in Kraft sind, auf Berlin übernommen werden. Durch diese Maßnahmen soll auch ein besonderer Anreiz für Investitionen in Berlin und dafür geschaffen werden, daß Betriebe, die aus Berlin herausverlegt worden sind, wieder nach Berlin zurückkehren.
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4. Der Bundesminister für Wirtschaft wird vorschlagen, aus Gegenwerten der Europa-Hilfe sobald als möglich für Investitionen in Industrie, Handel und Handwerk einen Betrag von 40 Millionen, für Wohnungsbauvorhaben einen Betrag von 50 Millionen D-Mark zur Auszahlung zu bringen.
5. Die vom Magistrat beim Deutschen Kohlenverkauf in Anspruch genommenen Kredite für die Kohlenbevorratung, die von alliierter Seite für Berlin angeordnet war, in Höhe von 37 Millionen D-Mark sollen möglichst bis zum Beginn des nächsten Haushaltsjahrs dadurch finanziert werden, daß der Magistrat Berlin dem Deutschen Kohlenverkauf Handelswechsel unter gleichzeitiger Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft zur Verfügung stellt und daß die Bank deutscher Länder diese Wechsel diskontiert und einmal prolongiert.
Der Magistrat verpflichtet sich dagegen, alle Erlöse, die aus dem Verkauf dieser Kohlenvorräte erzielt werden, ohne Einschränkung zur Abdeckung des Kredits zu verwenden. Der Bundesminister der Finanzen wird mit der Bank deutscher Länder sofort ins Benehmen treten mit dem Ziel,
die endgültig. Abdeckung des nach Abzug derartiger Verkaufserlöse verbleibenden Betrags durch
einen Kredit zu ermöglichen, der dann im Haushalt 1950/51 der Bundesrepublik einzusetzen wäre.
6. Der Magistrat Berlin beabsichtigt, die sogenannten Uraltkonten, also die Spar- und Girokonten, die im Mai 1945 durch die sowjetische Besatzungsmacht gestrichen worden sind, ähnlich der Umstellung, die in Westdeutschland für Konten dieser Art bereits geschehen ist, mit 5 Prozent aufzuwerten. Die Rückzahlung des aufgewerteten Betrags soll bei Girokonten auf 3 Jahresraten und bei Sparkonten auf 5 Jahresraten verteilt werden. Die so entstandenen Forderungen sollen mobilisiert und in Form von Investitionskrediten der Berliner Wirtschaft zugeführt werden. Der erforderliche Bedarf für das erste Jahr ist dabei bei Girokonten mit 60 Millionen D-Mark, bei Sparkonten mit 14 Millionen D-Mark veranschlagt. Es sollen jedoch nur solche Guthabenbesitzer berücksichtigt werden, die ihren Wohnsitz und ihren Geschäftssitz in den Westsektoren von Berlin haben. Zu diesem Jahresbedarf von 74 Millionen D-Mark sollen außerdem noch Ausgleichsforderungen an den Berliner Magistrat im Betrage von etwa 100 Millionen D-Mark, über die die Berliner Kreditinstitute bereits verfügen, mobilisiert werden, um mittelfristige Betriebskredite zu gewähren und den Ankauf von Berliner Schuldverschreibungen - Steuergutscheinen - durchführen zu können. Um dies zu ermöglichen, ist eine Rückdeckung bei der Bank deutscher Länder erforderlich. Die Bank -deutscher Länder hat sich bereit erklärt, im Benehmen mit der Zentralbank Berlin diese Frage zu prüfen und sie in den nächsten Tagen bereits zur Entscheidung zu bringen.
7. Daneben sollen noch die Hohen Kommissare ersucht werden, die Ausstellung von Interzonenpässen für den Reiseverkehr aus dem Gebiet der Bundesrepublik nach Berlin zu erleichtern.
Das sind die Vorschläge, die die Vertreter der Stadt Berlin gemacht und die die Unterstützung der Bundesregierung gefunden haben.
Die Bundesregierung darf zusammenfassend die Hoffnung aussprechen, es möchte im gesamten deutschen Volk die Frage Berlin mit demselben Ernst und derselben inneren Wärme betrachtet werden - hoch über allen Parteigegensätzen -,
wie es im Geiste der Verhandlungen gelegen hat. Die Deutsche Bundesrepublik übernimmt neue Leistungen, sie übernimmt damit Opfer; sie übernimmt sie, weil sie die Opfer, sieht, die die Berliner Bevölkerung um des deutschen Gedankens willen in noch viel höherem Maße zur Zeit trägt und leider noch länger tragen muß. Sie übernimmt diese Opfer, weil sie sich überzeugt hat, daß die Vertreter Berlins den ehrlichen Willen Berlins gezeigt haben, mit der Deutschen Bundesrepublik zusammenzustehen, um diese Hilfsmaßnahmen vor Mißbrauch und Ausnützung zu schützen und denen zugute kommen zu lassen, für die sie bestimmt sind, den braven, tapferen Brüdern und Schwestern in Berlin.
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Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Berlin über den Antrag der Fraktion der SPD, betreffend Maßnahmen für Groß-Berlin ({0}).
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Suhr.
Dr. Suhr ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler und der He: c Bundesfinanzminister haben in ihren Erklärungen eben über die Verhandlungen mit der Gebietskörperschaft Berlin berichtet und dabei über die Maßnahmen gesprochen, die von der Bundesregierung für Berlin beabsichtigt sind. Diese Maßnahmen decken sich zum Teil mit den Forderungen, die in dem Antrag des Berlin-Ausschusses, der Ihnen unter Drucksache Nr. 100 vorgelegt worden ist, enthalten sind und über die zu berichten ich hier die Ehre habe. Es mag auf den ersten Blick scheinen, als ob dieser Bericht des Berlin-Ausschusses damit post festum käme. Abgesehen davon, daß zur geschäftsordnungsmäßigen Erledigung der Anträge, die dem Hohen Hause vorgelegen haben, eine Verabschiedung notwendig ist, dürfte Ihnen dieser Bericht gleichzeitig Maßstäbe an die Hand geben, wie die Maßnahmen der Bundesregierung, von denen wir gehört haben, zu werten sind, wieweit sie bereits eine Erfüllung des Antrags des Berlin-Ausschusses darstellen.
Um den Antrag des Berlin-Ausschusses verständlich zu machen, darf ich daran erinnern, daß wir in der 11. Sitzung des Deutschen Bundestags am 30. September hier einen Bericht der Abgeordneten Louise Schroeder über die Notlage und die Existenzkämpfe der Berliner gehört haben. Frau Schroeder hat damals zwei sozialdemokratische Anträge begründet. Der eine davon, eine Erklärung der Verbundenheit der Bundesrepublik zu Berlin und eine Dokumentation des Willens des Bundestags, Berlin als zwölftes Land in die Bundesrepublik aufzunehmen, wurde von Ihnen, meine Damen und Herren, in der gleichen Sitzung angenommen. Der andere Antrag, Drucksache Nr. 16, in dem von der Bundesregierung die so dringlich notwendig gewordenen Hilfsmaßnahmen für Berlin gefordert werden, wurde damals dem Berlin-Ausschuß überwiesen. Der Berlin-Ausschuß hat sich bereits in seiner ersten, konstituierenden Sitzung am 14. Oktober sehr schnell, fast ohne Aussprache und ohne Unterschied der im Ausschuß vertretenen Fraktionen zu den Ansichten und Prinzipien bekannt, die in dem Antrag der sozialdemokratischen Frak({2})
tion vorgelegt worden waren. Dabei handelt es sich um drei Grundsätze:
Der Bundestag beauftragt die Bundesregierung
1. in den Haushaltsplan der Bundesrepublik für die Zeit bis zum 31. März 1950 einen Betrag zur Deckung des Defizits des Haushaltes von Groß-Berlin einzusetzen;
2. zu überprüfen, in welchem Umfange, ohne den Ablauf des Geschäftsverkehrs zu erschweren, Dienststellen der Bundesrepublik nach Berlin verlegt und Aufträge von Bundesbehörden nach Berlin gegeben werden können;
3. alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Existenz Berlins zu sichern.
Der sozialdemokratische Antrag hat jedoch - wie ich meinen möchte, in glücklicher Weise - in den Ausschußberatungen eine Ergänzung durch einen Antrag der CDU/CSU gefunden, der seinerzeit in der Drucksache Nr. 12 unterbreitet wurde. Dieser Antrag, in dem die Einsetzung des Berlin-Ausschusses erst gefordert worden war, ist damals im Plenum nicht zur Verabschiedung gekommen, weil die Einsetzung von Ihnen, meine Damen und Herren, schon vorher beschlossen worden war. Aber die Antragsteller, darunter die Herren Adenauer, Erhard, Schäffer, Kaiser, haben ja nicht auf den materiellen Inhalt des Antrags verzichtet, und es bestand innerhalb der beiden Fraktionen - also sowohl der CDU/CSU wie der sozialdemokratischen Fraktion - bei den Beratungen im Ausschuß Übereinstimmung darin, daß die einzelnen Punkte, die in dem Antrag der CDU/CSU zur wirtschaftlichen Sicherung Berlins aufgestellt worden waren, eine wesentliche und wichtige Ergänzung zu der grundsätzlichen sozialdemokratischen Forderung auf Existenzsicherung Berlins darstellen.
Deshalb liegt Ihnen nunmehr in der Drucksache Nr. 100 ein kombinierter Antrag vor, der aus dem ursprünglichen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hervorgegangen ist, ergänzt durch die unter Ziffer III, 1 bis 7 genannten einzelnen Punkte, in denen als notwendige wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Sicherung der Existenz Berlins gefordert wird: einmal die Überwindung der Berliner Arbeitslosigkeit durch Rohstoffversorgung, dann Maßnahmen zur Absatzsteigerung durch steuer- und tarifpolitische Maßnahmen, die Beschaffung von Investitions- und Betriebsmittelkrediten, die Beseitigung der aus der gegenwärtigen Währungssituation sich ergebenden Unzuträglichkeiten, die Regelung der sogenannten Uraltkonten, die Realisierung der Blockadehilfe und die Einschaltung Berlins in die Abwicklung des OstWesthandels.
Meine Damen und Herren, der Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 100 - eine Glückszahl, wie ich hoffen möchte -, ist einstimmig von allen Mitgliedern des Berlin-Ausschusses angenommen worden, und ich habe das Hohe Haus im Namen des Ausschusses um Zustimmung zu dem Antrag in der Ihnen vorgelegten Form zu bitten.
Meine Damen und Herren! Vielleicht gestatten Sie mir aber, die eigentliche Aufgabe eines Berichterstatters überschreitend, noch zwei Bemerkungen; sie finden ihre Begründung in Ausführungen, die im Berlin-Ausschuß selbst gemacht worden sind. Sollte es nicht, so möchte ich fragen, künftig möglich sein, solche Anträge, die ein Ersuchen an die Regierung um eine Vorlage enthalten, die also noch keine materielle Entscheidung
erfordern und deren Materie daher bei der Vorlage nochmals einen Ausschuß passieren muß, - sollte es nicht, so frage ich, künftig möglich sein, solche Anträge sofort im Plenum zu entscheiden? Dem Plenum würde damit Arbeit erspart, und die Verhandlungen würden beschleunigt werden. Ich könnte mir vorstellen: wenn wir bereits seinerzeit die Entscheidung getroffen hätten, wäre dieser Bericht vielleicht schon eine Stütze bei den Verhandlungen der Regierung gewesen.
Und die zweite Bemerkung. Es ist selbstverständlich, daß ich als Berliner es als eine besondere Ehre empfinde, Berichterstatter des Berlin-Ausschusses zu sein. Nun hat der Berichterstatter nur zu berichten; der Berliner aber möchte sehr gern seinen Gefühlen Ausdruck geben. Ich möchte daher der Versuchung nachgeben, meine Aufgaben als Berliner und als Berichterstatter miteinander zu verknüpfen, und möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, sich in Ihren Entscheidungen von demselben Geiste leiten zu lassen, in dem die Beratungen des Ausschusses durch den damaligen Vorsitzenden Herrn Dr. von Brentano geleitet wurden, der am Anfang und am Ende der Beratungen dieses Ausschusses zum Ausdruck gebracht hat, wie dringend notwendig die Hilfe für Berlin ist, und hinzufügte: Wer schnell gibt, gibt doppelt; eine Hilfe, die nach seinen Ausführungen nicht nur um Berlins willen geleistet werden sollte, sondern die von uns allen empfunden werden sollte als eine nationale Verpflichtung der Deutschen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Verabredungsgemäß unterbrechen wir jetzt die Sitzung mit der Maßgabe, daß ich um 16 Uhr 20 zum ersten Male klingeln lasse, damit wir um 16 Uhr 30 wieder zusammentreten können.
Die Sitzung ist unterbrochen.
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Die Sitzung wird um 16 Uhr 38 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Ich erkläre die Sitzung wieder für eröffnet.
Wir kommen zur Aussprache über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung. Als erster hat der Herr Abgeordnete Dr. Pünder das Wort.
Meine Damen und Herren! An sich hätten meine politischen Freunde es lieber gesehen, wenn der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers von einer überwältigenden Mehrheit dieses Hohen Hauses, über Koalition und aufbaubereite Opposition hinweg, in einer gemeinsamen Erklärung ein einheitliches und klares Bekenntnis des Bundestags zu' diesen Schicksalsfragen deutscher Zukunft gefolgt wäre. Wir bedauern, daß sich dieser unser Plan nicht hat verwirklichen lassen, geben aber der Hoffnung Ausdruck, daß die jetzt beginnende Diskussion dem In- und Ausland einen gleich positiven Eindruck vermitteln wird.
Meine Fraktion der CDU/CSU hat mit voller Absicht zu ihrem Sprecher zu den Fragen Berlin und deutscher Osten einen westdeutschen Abgeordneten bestimmt, der von dem Vertrauen der größten deutschen Stadt am linken Rheinufer in den Bundestag entsandt worden ist. Hierdurch wollen wir unterstreichen, wie ernst und ehrlich es uns mit dem Bekenntnis zu unserm Deutschtum vom Westen bis hin zum Osten ist.
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Die CDU/CSU stimmt den Darlegungen des Herrn Bundeskanzlers in jeder Form zu. Insbesondere möchte ich, zum Teil aus eigenem Miterleben, die Richtigkeit seiner Darlegungen über die geschichtliche Entwicklung der letzten Jahre unterstreichen.
Die Bundesorgane in Bonn sind ohne jeden Zweifel berechtigt, für das ganze deutsche Volk zu sprechen. Nicht nur repräsentieren wir über 45 Millionen deutscher Einwohner und damit den größten Teil des deutschen Volkes, sondern unser Bundestag ist ohne Zweifel das einzige deutsche Parlament auf oberster deutscher Ebene, das auf wahrer demokratischer Grundlage zustande gekommen ist. Wir fühlen uns daher mit Recht auch als die Hüter der Interessen unserer deutschen Brüder und Schwestern in der Sowjetzone, wie ja auch der Herr Bundeskanzler dies vorhin ausgeführt hat, unserer Landsleute drüben in der Sowjetzone, die heute eben nicht in Freiheit und Offenheit sprechen können. Um so mehr betonen wir von den drei Westzonen aus vor aller Welt, daß wir allzeit in Treue zu ihnen halten werden.
Aus dieser Grundeinstellung heraus erklären wir in voller Übereinstimmung mit der Bundesregierung, daß die offiziellen Verlautbarungen aus der Sowjetzone für Deutschland keinerlei Wirksamkeit haben, wobei ich, lediglich beispielsweise, vor allem an die für uns völlig undiskutierbare Oder-NeißeLinie erinnern möchte.
Die Ausrufung des Oststaates ist zweifellos eine ernste und traurige Angelegenheit für jeden, der überhaupt deutsch fühlt. Durch die Schaffung dieses merkwürdigen Staatsgebildes wird die Zerreißung Deutschlands in zwei Teile in der grausamsten Weise unterstrichen. Wir lehnen diesen Oststaat in aller Form ab, und es ist völlig abwegig, zu seiner Begründung etwa den Geist von Rapallo noch bemühen zu wollen.
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Die Ablehnung des Oststaates befreit uns aber nicht von der Notwendigkeit, uns mit seiner Tatsache auseinanderzusetzen. Bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, daß sich gegenüber dem bisherigen Zustand an sich nicht gar viel geändert hat, nur mit der Maßgabe, daß manches einen anderen Namen bekommen hat und einiges hinzugetreten ist. Diese Feststellung führt nach unserer Auffassung zu dem weiteren Schluß, daß für unsere Bundesrepublik kein Anlaß vorliegt, an den bisher schon bestehenden unpolitischen Wechselbeziehungen etwas zu ändern. Wir glauben, dies insbesondere Berlin und den 18 Millionen Deutschen in der Sowjetzone schuldig zu sein, wie wir es ja auch begrüßt hatten, daß nach Aufhebung der Blockade vor allem der Verkehr, Post und Eisenbahn wieder in leidlich geregelten Fluß gekommen waren. Aus der Pflege und gegebenenfalls Förderung solcher wirtschafts- und verkehrspolitischen Verbindungen kann selbstredend unter keinen Umständen eine Anerkennung des Oststaates de facto oder gar de jure gefolgert werden.
Die Sorge wäre also völlig unbegründet, daß unsere Bundesrepublik jetzt etwa die Sowjet-Union gegen die Westmächte ausspielen wollte. Aber umgekehrt sollten auch die Westmächte unseren Wunsch nach engster Zusammenarbeit stärken. Der „kalte Krieg" wird von jetzt ab stärker als bisher in Deutschland ausgetragen werden. Die Westmächte sollten daher in allen ihren Maßnahmen diesen Gedanken nie außer acht lassen.
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Durch die Ausrufung dieses merkwürdigen staatspolitischen Gebildes im deutschen Osten ist
das Problem Berlin noch dringender geworden. Namens meiner politischen Freunde betone ich, daß wir Berlin, dessen Wappen als zwölftes Land im Länderkranz unserer Bundesrepublik Deutschland ja schon die Stirnseite unseres Plenarsaales ziert, möglichst bald als zwölftes Land in unserem Kreise begrüßen möchten.
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Unbeirrbar halten wir am Artikel 23 unseres Grundgesetzes fest, in dem Groß-Berlin ausdrücklich aufgeführt ist.
Wir wollen aber durchaus Verständnis dafür aufbringen, daß die sofortige offizielle Einbeziehung Berlins gewisse Spannungen auslösen könnte, die im Augenblick der Sache abträglich wären. Wir möchten aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich diese Spannungen, auch durch Initiative der Bundesregierung, so schnell wie möglich legen werden.
Inzwischen ist es für uns eine selbstverständliche Pflicht, Berlin de facto als zwölftes Land zu betrachten und wirtschaftlich und finanziell für Berlin zu sorgen. Diese Feststellung ist für mich besonders selbstverständlich, der ich bereits im Frühjahr 1948 beim Abgang aus dem Präsidium des Städtetages in der Paulskirche in Frankfurt beantragt hatte, daß meine verehrte Berliner Kollegin mein Nachfolger im Präsidium würde. Diese Linie haben wir auch im Frankfurter Verwaltungsrat und Wirtschaftsrat trotz unserer beschränkten Möglichkeiten und Zuständigkeiten unbeirrbar durchgehalten.
Wir begrüßen daher den hier soeben erstatteten Bericht des Herrn Kollegen Dr. Suhr über die bisherige Arbeit des Berlin-Ausschusses, die in Drucksache Nr. 100 vor uns liegt und die ihrerseits wieder auf den Anträgen Nr. 12 unserer CDU/CSU-Fraktion, wie das auch Herr Dr. Suhr soeben feststellte, und Nr. 16 der SPD beruhen. Wir freuen uns, daß auf dieser Basis bereits wichtige Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und dem Magistrat Berlin in Gang und zum Teil, wie wir hörten, schon zum Abschluß gekommen sind. Wir begrüßen deshalb auch die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, die er zugleich im Namen seines Kollegen, des Bundesministers für Wirtschaft, Herrn Professor Erhard, abgegeben hat. Nach unserer Auffassung ist jetzt dreierlei wichtiger als Subventionen: Kredite, Rohstoffe und Aufträge.
Im übrigen muß sich nach unserer Auffassung von jetzt ab die Bundesrepublik Deutschland in Berlin sehr deutlich zeigen. Deshalb begrüßen auch wir grundsätzlich die Erhaltung oder Überleitung von Bundesbehörden nach Berlin.
Mag auch heute die Frage „Berlin als Bundeshauptstadt" nicht akut sein, so ist es doch unser aller Pflicht, Berlin und seine Wirtschaft unter allen Umständen wieder lebensfähig zu machen und zu erhalten. Wir müssen es immun machen gegen jede Infiltration vom Osten. Denn wir müssen klar erkennen, daß den Machthabern im Osten viel weniger an der Schaffung einer Regierung für die Ostzone liegt als an der Schaffung einer Gegenregierung mit dem alleinigen Ziel der Sowjetisierung Gesamtdeutschlands. Infolgedessen ist Berlin heute und in nächster Zukunft gegenüber Asien das letzte Bollwerk für Europa und die ganze westliche Welt!
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wehner.
Meine Damen und Herren! Wir hätten gewünscht, daß die Bundesregierung zu einem früheren Zeitpunkt, als es jetzt geschehen ist, mit einer Erklärung zu den Ereignissen in der sowjetischen Besatzungszone und im Ostsektor Berlins vor den Bundestag getreten wäre, um dem Parlament Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Wir bauen ein demokratisches Staatswesen und wir meinen, daß Regierung und Parlament in der Praxis ihre ihnen zukommenden Funktionen ausüben und erfüllen sollen. Die Funktion des Parlaments kann es aber nicht sein, sich gelegentlich zu Bekenntnissen zu versammeln, sondern sie muß sein, Stellung zu nehmen. Eine solche Stellungnahme ist nötig, nicht etwa deswegen, weil das, was sich in diesen letzten Wochen in der sowjetischen Besatzungszone und in Berlin ereignet hat, etwas grundlegend geändert hätte, sondern vor allem deswegen, weil wir der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone und Berlins eine Erklärung schuldig sind.
({0})
Wir müssen doch daran denken, daß in diesen letzten Wochen und Tagen ein propagandistisches Trommelfeuer auf diesen Teil der Bevölkerung Deutschlands herabgegangen ist, das wir höchstens mit dem Propagandafeuerwerk in den Tagen von Potsdam im Jahre 1933 vergleichen können.
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Hier war und hier ist einer der Fälle gegeben, die wir meinten, als die sozialdemokratische Fraktion in der Debatte zur Regierungserklärung durch den Mund meines Kollegen Erich Ollenhauer sagte: Es werden sich Gelegenheiten ergeben, daß die Bundesregierung auch für die 18 Millionen Deutschen wird sprechen müssen, die heute stumm in der Ostzone leben. Er fügte hinzu:
Ich glaube, daß damit die Verantwortung dieser Regierung außerordentlich wächst, und wir erwarten, daß die Regierung und die Regierungsparteien in allen ihren Handlungen, die sich auf ganz Deutschland beziehen, auch den politischen Willen der Menschen in der Ostzone in Rechnung stellen, die heute an der freien Bekundung ihrer politischen Überzeugung gehindert sind.
Wir müssen in diesem Zusammenhang bedenken, daß gerade während dieser Wochen und Tage die Zermürbungstaktik gegenüber Berlin wesentlich intensiviert worden ist. Das verpflichtet uns zu einer konkreten, überall hörbaren Stellungnahme. Bei dem, was sich jetzt in der sowjetischen Zone abgespielt hat, handelt es sich ja in Wirklichkeit um eine gewissermaßen juristische Fixierung der seit mehr als vier Jahren dort bestehenden Verhältnisse und Tendenzen. Das, was sich jetzt dort als sogenannte provisorische Regierung hat etablieren lassen, hat an Regierungsgewalt im Grunde genommen nur die Macht, die zur Vollstreckung der Direktiven einer fremden Macht erforderlich ist.
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Gerade weil das so ist, ist ein klares Wort von dieser Stelle aus notwendig.
Wir sind aber auch der Bevölkerung der Bundesrepublik eine Erklärung schuldig. Es ist verwirrend und es gehört zu den bewußt in Szene gesetzten Verwirrungsmanövern, wenn nun auch schon in einem Teil der Presse der Bundesrepublik von angeblich zwei deutschen Präsidenten, von angeblich zwei deutschen Regierungen geschrieben wird und wenn sich das allmählich in den Sprachgebrauch einschleicht und einnistet.
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Wir wissen aus den Erfahrungen der letzten 15 Jahre, daß man solche Dinge in ihrer psychologischen Wirkung nicht unterschätzen darf.
In dem Zusammenhang ein Weiteres. Es hat ein Rätselraten über die wirklichen Absichten eingesetzt, die hinter diesem Akt in der sowjetischen Besatzungszone und in Ost-Berlin steckten, ein Rätselraten um die Zielsetzung der sowjetischen Politik. Wir haben im Interesse der Gesundung unseres Volkes und seines Staatswesens die große Aufgabe, dafür zu sorgen, daß unser Volk aus jenem Stadium herausgeführt wird, in dem es sich als ein Objekt und nur als ein Objekt fühlt. Wir können das nicht besser tun als dadurch, daß wir gerade in solcher kritischen Situation, in solchen Stunden und Tagen auf das zu sprechen kommen, was wir mit eigenen Kräften im eigenen Land tun können; wir müssen uns darüber klar werden, was wir selbst - ungeachtet unserer begrenzten Freiheit - tun können und tun müssen, um unsere Pflicht zu erfüllen.
Im Zusammenhang mit der Pariser Konferenz war das Rätselraten über die eigentlichen Absichten der sowjetischen Außenpolitik in der Presse und der Öffentlichkeit der westlichen Länder größer und fiebriger als in Deutschland selbst. Jetzt sieht es so aus, als ob es umgekehrt werden sollte. Wir sollten - und das ist begrüßenswert an dem, was wir heute von seiten der Regierung gehört haben - Fakten feststellen, aber auch dafür sorgen, daß neue Fakten geschaffen werden, soweit wir mit unseren Kräften durch unsere innere Arbeit dazu beitragen können.
Das, was in Westdeutschland, das, was in Berlin, und dazu das, was in der sowjetischen Besatzungszone geschieht, sind für uns doch nur verschiedene Seiten der einen deutschen Wirklichkeit. Gerade in solchen Stunden wie in denen, die hinter uns liegen und die wir noch erleben, ist es nützlich, an die Zusammengehörigkeit und an die Zusammenhänge zu machen. Es ist auch für uns nützlich, daran zu denken, daß ein Außerachtlassen der Wirklichkeit in der sowjetischen Besatzungszone uns zu gefährlichen Trugschlüssen über unsere eigene Lage und über das, was wir selbst zu tun haben, verführen müßte.
In dieser Stunde sollte gesagt werden, daß, wenn der sowjetische Außenminister Wyschinski auf der Pariser Außenministerkonferenz zu dem Vorschlag, in ganz Deutschland allgemeine und garantiert freie Wahlen durchzuführen, nicht nein gesagt hätte, wir bereits die Wahlen zu einer gesamtdeutschen gesetzgebenden Versammlung gehabt hätten.
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Dann hätte sich das ganze deutsche Volk eine solche gesetzgebende Versammlung für ganz Deutschland wählen können. Die sowjetischen Staats- und Propagandaakte, die in diesen Tagen auf deutschem Boden abgerollt sind und noch abrollen mögen, sind kein Ersatz für den einzigen Akt, aus dem die Wiedervereinigung unseres gegen den Willen unseres Volkes gespaltenen und auseinandergehaltenen Volks- und Staatswesens entstehen kann und entstehen wird. Denn dieser einzige Akt sind allgemeine, freie, geheime, gleiche und direkte Wahlen in allen Zonen und überall.
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Die Staatsakte in „Sowjet-Preußen"
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ersetzen diesen Akt nicht, auch nicht die Verheißungen, die manche jetzt aus dem Telegramm des sowjetischen Staatschefs herauszulesen sich bemühen. Ebensowenig jener Akt der Übergabe - der angeblichen Übergabe - der bisher von der sowjetischen Militäradministration ausgeübten Verwaltungsfunktionen, wie es in der Erklärung des sowjetischen Oberkommandierenden hieß, an die sogenannte provisorische Regierung. Von einer beflissenen Presse werden diese quasi-Dokumente als Dokumente der Verleihung der Souveränität, echter Souveränität, hingestellt. Uns erinnern sie nur peinlich an Schriftwechsel, die zehn Jahre zurückliegen.
({8}).
Sie ändern an den tatsächlichen Machtverhältnissen nichts, und es ändert auch nichts daran, wenn einer der Prominenten des Politbüros der sogenannten Sozialistischen Einheitspartei dieser Tage schrieb, daß die sogenannte Deutsche Demokratische Republik - wie es wörtlich heißt - „ein souveräner Staat ist, frei im Innern, selbständig nach außen".
Wir haben dieser Tage ein erschütterndes Beispiel zur Kenntnis nehmen können und müssen, das gegen diese hohlen Deklarationen spricht. Ich meine die Verurteilung von vier jungen Berliner Menschen, Mitgliedern der Jugendbewegung „Die Falken", zur Höchststrafe, die ein sowjetisches Militärgericht verhängen kann, zur Strafe von 25 Jahren Straflager,
({9})
ohne daß sie mit ihren Eltern oder anderen Anverwandten und mit ihrem Rechtsbeistand hätten in Verbindung treten können.
({10})
Monatelang nach der Verurteilung und zufällig
einige Tage nach dieser ruhmredigen Deklaration
über die angebliche Souveränität und die „Freiheit"
jenes „Staatsgebildes" im Innern ist das Urteil
gegen diese vier Berliner jungen Menschen, gegen
Horst Glank, Lothar Otter, Günther Schlierf und
Gerhard Sperling gefällt worden. Zu dem, was
man ihnen zur Last gelegt hat, gehörte unter anderem, daß sie hektographierte Exemplare eines
Ausspruchs von Rosa Luxemburg verbreitet haben.
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Dieser Ausspruch von Rosa Luxemburg lautet:
„Freiheit ist immer nur dann Freiheit, wenn
es die Freiheit der Andersdenkenden ist."
({12})
Es kann wohl kein erschütternderes Beispiel für diese innere „Freiheit" jenes angeblichen Staatsgebildes geben als dieses Urteil und die Einsicht in die angeblichen Vergehen, die zu diesem Schrekkensurteil geführt haben.
Wenn dann die Rede ist von der „Selbständigkeit" jenes „Staatswesens" nach außen, so hat der Verkauf eines dem gesamtdeutschen Volk und seinen gewählten, ihm verantwortlichen Organen allein zustehenden Rechts einen Beweis für diese eigentümliche „Selbständigkeit" geliefert. Ich meine damit die der Friedenskonferenz vorweggenommene Erklärung des angeblichen Staatschefs jener Sowjetzonenrepublik über die „endgültige Anerkennung" der Annexion und über den „endgültigen Verzicht" auf die Gebiete jenseits der Oder und Neiße.
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Wir sollten, wenn wir über diese Dinge sprechen, die sich auf deutschem Boden abspielen, es uns abgewöhnen, in völkerrechtlichen Kategorien zu sprechen.
({14})
Es handelt sich hier um innerdeutsche Angelegenheiten, um ureigenste Angelegenheiten des deutschen Volkes!
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Aber lassen Sie es mich an dieser Stelle sagen: Stärker als alle Verfassungen, geschriebenen Verfassungen, und ich meine: stärker auch als alle Verfassungsbrüche - denn witzigerweise ist ja jene angebliche Regierung mit einem Bruch ihrer eigenen Verfassung ins Leben getreten oder ins Leben getreten worden - ist die eine ungeschriebene Verfassung, die in Deutschland gilt, die den Willen unseres Volkes zur Wiederherstellung seiner staatlichen Einheit zum Ausdruck bringt!
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Wir wissen, daß die Bedingungen und der Inhalt dieser Einheit nur sein können die Gewährleistung der vollen persönlichen und staatsbürgerlichen Freiheit far jeden einzelnen und überall. Dazu gehört - man muß es heute angesichts der „Volkspolizei" sagen - die Gleichheit der Machtmittel in den Zonen, solange Zonen bestehen.
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Dieser Tage, im ersten Rausch, den manche nach der Verkündung jener quasi-Regierung erlebt haben, konnte man in einer in Westdeutschland herausgegebenen kommunistischen Zeitung einen Artikel lesen unter dem Titel: „Das Beispiel Koreas lockt." Darin wurde mit allem Ernst ausgeführt, daß nun, nachdem dort eine sogenannte Regierung gebildet worden sei, für Deutschland der Zustand Koreas erstrebenswert sei. Ich brauche in diesem Hause sicherlich nichts Näheres über den Zustand Koreas auszuführen, denn Sie wissen, wie es in diesem fernöstlichen Gebiet, das die hiesigen Kommunisten lockt, aussieht und was es damit zu tun hat, daß dieser Zustand also für Deutschland erstrebenswert sei. So wird dieses Beispiel jetzt auf unser Land angewandt, und nicht nur angewandt, sondern als lockend hingestellt, von ihrem Standpunkt aus als lockend hingestellt!
Wenn das so gemeint ist, wie es geschrieben wurde, dann müssen wir uns - und wir müssen es überhaupt - mit dem, was heute unter dem Schlagwort „Nationale Front" zu verstehen ist, ernsthaft auseinandersetzen; denn genau so überheblich wie der Anspruch ist, daß jenes Vollzugsorgan im Ostsektor Berlins deutsche, ja gesamtdeutsche Regierung sei, ist der Anspruch, daß die Anhängerschaft der Regierung und der hinter ihr stehenden Gruppen die nationale Front Deutschlands sei.
In den verbindlichen-wenn man so sagen darf - Erklärungen der Wortführer der Partei, die das Stichwort „Nationale Front" gegeben hat, findet man die Versicherung, daß man dort nicht ruhen und nicht rasten wolle, bis unter den Fahnen dieser sogenannten deutschen Republik das ganze Vaterland befreit und vereint sein werde. Um dieser Forderung und dieser Zweckbestimmung den nötigen Nachdruck zu verleihen, wird in der Weltöffentlichkeit und wird durch die diesem Regime hörige Presse die Behauptung verbreitet, wir in Westdeutschland seien die Hauptbasis einer ameri({18})
kanischen Kriegspolitik. - Wir sollten auch die Fern- und die Tiefenwirkung einer solchen systematischen Stimmungsmache und eines solchen Trommelfeuers nicht unterschätzen!
({19})
In dem Zusammenhang möchte ich sagen: Zu dem, was man heute dort unter dem Stichwort „Nationale Front" gestartet hat und was auch im Westen Deutschlands wirken soll, gehört auch die Kalkulation über die Tätigkeit und die Rolle der sogenannten „Blockparteien" in der sowjetischen Besatzungszone. Diese „Blockparteien" sind in dieses totalitäre Machtspiel und seinen Apparat eingespannt, und es spielt dabei eine geringe Rolle, ob die, die dabei gebraucht werden, es in voller Kenntnis der Konsequenzen tun oder ob sie es mit Illusionen tun. Auch die Illusionen der „Blockparteien" sind von den eigentlichen Drahtziehern dieser Taktik berechnet, in Rechnung gestellt und werden wechselweise gebraucht, ja sogar hochgepäppelt. Denn in Wirklichkeit sind ja alle Parteien und alle Strömungen, die dort wechselweise wirken dürfen, nichts anderes als Bestandteil einer großangelegten Strategie und Taktik eines großen fremden Staats- und Machtapparates.
Es liest sich - ich sage es offen - erschütternd, wenn man in den Organen der CDU der sowjetischen Besatzungszone ausführt, daß man unter „Nationaler Front" etwas anderes verstehe und daß man den Mißbrauch mit diesem Wort verhindern wolle. In Wirklichkeit sagen die internen Direktiven der eigentlichen Drahtzieher, daß sogar diese Illusionen und gerade eben sie ausgenützt werden sollen, besonders im Westen ausgenützt werden sollen. Denn im Westen müsse man aus taktischen Gründen bestimmte Dinge, die in der sowjetischen Besatzungszone unerläßlich sind und über die dort nicht diskutiert werden darf, zurückstellen, nicht betonen, weniger betonen, um zunächst einmal das eine zu erreichen: die Auflockerung und Zersplitterung der Kräfte im Westen Deutschlands.
Es hätte, meine Damen und Herren, nicht erst der Bestätigung durch die - sozusagen - Einklammerung der Ministerien jener vorgeblichen Regierung durch besonders linientreue Staatssekretäre bedurft, um den Charakter jener Regierung etwas ins rechte Licht zu rücken.
({20})
Aber diese Einklammerung, sagen wir einmal, eines Dertinger durch einen Ackermann scheint uns eine eigentümliche Begleiterscheinung zu dem Anspruch gewisser Kreise der Ostzonen-CDU zu sein, die in schärfster Frontstellung gegen die Sozialdemokratie in Westdeutschland erklären, die CDU sei die „Klammer der deutschen Einheit". Dies, was sich jetzt dort jenem Akt zur Verfügung gestellt hat, kann nicht als Klammer der deutschen Einheit angesehen werden oder Anspruch darauf erheben, so angesehen zu werden.
({21})
- Nun gut, meine Herren, ich habe mit Besorgnis
in diesen Tagen die Äußerungen zweier recht prominenter Angehöriger einer Regierungspartei über
das Verhältnis Westdeutschlands zu diesem Satellitenstaat gelesen, und ich habe auch bemerkt, mit
welcher Betonung, um nicht zu sagen mit welcher
Freude diese Äußerungen führender CSU-Politiker
in der Ostzonenpresse aufgenommen worden sind.
So die Äußerung, daß die Regierung der „Deutschen
Demokratischen Republik" - man übernimmt diesen Terminus - in Berlin nicht einfach zu ignorieren sei, ja noch klarer gesagt, daß man mit ihr als mit einer Realität rechnen müsse, und noch schärfer herausgearbeitet, daß man abwarten wolle, ob sie echte demokratische Entwicklungen zulasse,
({22})
und dann könne man mit ihr in Verbindung treten.
({23}) - Dies sage ich hier ja nicht in anklagendem Tone gegen die, die solche Meinungen nicht teilen. Aber ich sage: mit Sorge muß man solche Dinge betrachten, die aus dem Lager der Regierungsparteien und nicht von irgendwem, sondern von prominenten Politikern der Regierungsparteien gesagt und schriftlich niedergelegt werden, noch bevor die Regierung selbst Stellung genommen und eine Erklärung abgegeben hat.
({24})
- Darüber streitet man sich mitunter, wer in jenem Lager „maßgebend" ist. Das ist nicht immer leicht festzustellen. Das kann man an vielem, auch an den Dingen im parlamentarischen Leben dieses Hauses sehen und studieren.
({25})
Wir haben, meine Damen und Herren, im Laufe dieser 41/2 Jahre Leute gesehen, die waren bewußte Agenten.
({26})
Wir haben andere gesehen, die waren „wohlmeinend". Wir haben „Brückenbauer" verschiedener Techniken gesehen, und wir haben schließlich Versuche und Mißerfolge von Godesberg gesehen. Jetzt haben wir - lassen Sie mich das betont sagen, und denken wir allesamt darüber nach - eine neue Formel, mit der wir zu rechnen haben, nämlich die Formel des sowjethörigen Außenministers jener angeblichen Regierung von der „Koordination", der Koordination der Entwicklungen, das heißt der politischen und Verwaltungsmaßnahmen im Westen nach dem Maßstab, der dort in der sowjetischen Besatzungszone aufgestellt wird. Sie werden zugeben müssen, daß wir nach dem, was wir erlebt haben, an solchen Dingen und solchen Verbindungen nicht leichtfertig vorbeigehen können. Koordination führt letzten Endes dazu - womit ja auch schon manipuliert wird -, daß man sich Gedanken macht über die Möglichkeit, eines Tages ein en Präsidenten zu haben - nur dürfe es nicht Dr. Schumacher oder ein anderer führender Sozialdemokrat sein - und so allmählich eine gesamtdeutsche „provisorische Regierung" und später irgendwann einmal Wahlen, aber dann nicht mehr freie Wahlen abzuhalten. Unterschätzen Sie diese Methode der „Koordination", diese Methode, die mit „Koordination" beginnt und mit Gleichschaltung aufhört, nicht!
({27})
Dies entspricht genau den Intentionen der Drahtzieher, die, wie ich schon sagte, so weit gehen, auch hier mit zwei Gesichtern zu arbeiten. Und decken Sie in diesem Zusammenhang bitte auch daran, daß man in der vielseitig und vielschichtig arbeitenden Propaganda von jener Zentralstelle aus mit mancherlei Spekulationen und auch mit starken geschäftlichen Lockungen zu arbeiten sich bemüht!
({28})
Der Ostwesthandel ist dabei der Anziehungspunkt, und ich unterschätze nicht die Bedeutung
({29})
der Tatsache, daß in einer anderthalbseitigen, also verhältnismäßig kurzen Erklärung eines der maßgebenden Politiker der sowjetischen Besatzungszone und ihrer eigentlichen Partei fünfmal die Hamburger Exporteure angesprochen wurden, womit denen von meiner Seite aus nicht zu nahe getreten werden soll, womit aber gesagt werden soll: mit diesen Spekulationen, mit solchen Verlockungen arbeitet man von jener Seite.
Wir sollten in diesem Zusammenhang über die Notwendigkeit, aber auch über die Gefahren dessen, was man heute unter Ostwesthandel lanciert und was nichts anderes ist als ein Bestandteil dieser totalitären Offensive, die von jener QuasiRegierung aus gestartet worden ist, sprechen. Ostwesthandel ist für uns lebensnotwendig, aber in Wirklichkeit handelt es sich bei dem, was man heute mit Ostwesthandel bezeichnet, gar nicht um irgendwelche Angelegenheiten im Bereich der Außenpolitik und des Außenhandels, sondern um eine rein binnenwirtschaftliche Angelegenheit.
({30})
Wir sehen auch die Gefahr, daß, wenn es so weitergeht, wie es bisher geht, wir abgedrängt weden
könnten. Andererseits sollten wir aber klug genug sein, zu sehen, daß es manchen Mächten außerhalb Deutschlands gelegen kommt, uns diesen Köder „Ostwesthandel" vorzuhalten, um damit unsere Anwesenheit auf anderen Märkten loszuwerden, die wir ebenso lebensnotwendig brauchen und auf die wir auch um den Preis des Handels zwischen diesen Zonen oder irgendeines noch illusorischen Handels mit östlich gelegenen Ländern nicht verzichten können.
({31})
Das Interzonenabkommen, so wie es hier bisher nur in Bruchstücken bekanntgeworden ist, gehört in den Kreis dieser Betrachtungen. Von diesem Interzonenabkommen weiß eigentlich niemand so recht, wer dafür zuständig ist. Die Eigentümlichkeit der Formen seines Zustandekommens und auch der Formulierung geben nicht nur zu denken, sondern sollten auch zu sprechen geben. Gemäß diesem Abkommen werden Nahrungsmittellieferungen aus der sowjetischen Besatzungszone nach dem Gebiet der westlichen Besatzungszonen, vor allem erhebliche Kartoffel- und Futtermittellieferungen festgelegt. Auch von Butterlieferungen ist die Rede. Ich weiß nicht - aus dem bisher veröffentlichten Text läßt es sich nicht entnehmen -, ob dies letzte den Tatsachen entspricht.
Wir, die wir verpflichtet sind, bei solchen Gelegenheiten nicht nur auch, sondern besonders das Interesse der Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone im Auge zu behalten und uns als Anwalt dieser Interessen zu bewähren, können nicht umhin, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß gerade in den letzten Tagen in der Presse der sogenannten Sozialistischen Einheitspartei zugegeben worden ist, daß in diesem Jahre in der Sowjetzone die Kartoffellage besonders ernst ist, daß faktisch Kartoffelmangel herrschen wird, und daß weiter in anderen Veröffentlichungen, zum Beispiel in einer Veröffentlichung des Pressedienstes jener Partei, erklärt wird, gegenwärtig leide tatsächlich in der Ernährung nicht nur die Arbeiterschaft unter Mangelerscheinungen, sondern das ganze Volk der Zone. Schließlich sollten wir uns in diesem Zusammenhang überlegen, welch tieferer Sinn wohl jener Weigerung eines der Prominenten der sogenannten Deutschen Wirtschaftskommission der sowjetischen Besatzungszone innewohnte, als er erklärte: „Wir", das heißt die Deutsche Wirtschaftskommission und die hinter ihr stehende Partei, „haben es abgelehnt, in einen Vertrag über den Interzonenhandel die Bestimmung aufzunehmen, daß die gegenseitig zu liefernden Güter ausschließlich der deutschen Wirtschaft zugute kommen."
({32})
Das ist also von jener Seite abgelehnt worden! Diese Forderung, die nicht mehr als billig ist, die wir für den innerdeutschen Verkehr, für den binnenwirtschaftlichen Verkehr und angesichts der besonderen Lage der Bevölkerung der sowjetischen Zone nicht nur erheben, sondern für deren Durchsetzung wir uns einsetzen müssen, wurde abgelehnt. Hier liegt der ganze Kern jener Wirtschaftspolitik, die vorgibt, mit dem Zustandekommen und Ingangsetzen jenes Ostwesthandels deutschen Interessen dienen zu wollen.
In Zusammenhang mit diesem Interzonenabkommen und in Zusammenhang mit anderen weitergehenden Plänen taucht wieder die Vorstellung und die Spekulation der Drahtzieher jener angeblich ,,Nationalen Front" auf, sogenannte gesamtdeutsche Organe - wohlgemerkt unter ihrem Regime! - schaffen zu wollen. Auch dies ist letzten Endes Mittel zum Zweck.
Der tatsächliche Verkehr zwischen den Besatzungszonen sollte - das muß an dieser Stelle gesagt werden - unter genauester Kontrolle und nicht einfach nur mehr durch Beamte durchgeführt werden. Er muß der Kontrolle des Parlaments unterstehen. Wir wollen die Regierung nicht zu sogenannten Staatsverträgen mit einem Nichtstaat bringen; aber wir bestehen auf Kontrollausübung und auf der Verantwortlichkeit der Regierung und gegenüber der Regierung.
In diesem Zusammenhang erlaube ich mir, auf die eigentümliche Rolle hinzuweisen, die Berlin in jenem Interzonenabkommen zugewiesen worden ist. Diese Rolle Berlins kommt nur in einem angehängten Briefwechsel zum Vorschein, und in der Antwort des Vertreters der sowjetischen Besatzungszone wird nicht mehr getan, als daß der Wunsch und die Forderung des Vertreters der Frankfurter Wirtschaftsbehörden wörtlich zitiert und am Schluß gesagt wird: „Wir werden im Interesse der Bevölkerung Groß-Berlins Ihrer Vorstellung nach Möglichkeit Rechnung tragen." Ich wiederhole: „nach Möglichkeit Rechnung tragen"! Man bedenke die vagen Worte der sonst so sehr auf „Konkretheit" erpichten Leute dieser Himmelsrichtung, die in diesem Falle angewendet worden sind! Man bedenke, daß es sich bei der Forderung und dem Wunsche, der von der hiesigen Seite aus vorgetragen worden ist, darum handelte, ein bestimmtes Kontingent für Berlin festzulegen. Auch in dieser Beziehung zeigte man die kalte Schulter.
Wir haben Sorge um die weitere Entwicklung Berlins und sagen an dieser Stelle, daß Berlin, sein Schicksal und das Schicksal der Bevölkerung der ganzen sowjetischen Zone und auch der Menschen und Gebiete jenseits der Oder-Neiße unter keinen Umständen und von niemandem in diesem Bereich als Tauschobjekt - sei es, wofür auch immer - gebraucht werden dürfen.
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Mit Opfern auf Kosten des Ostens unseres Landes kann und darf man keine Positionen irgendwo in westlicher Richtung erkaufen wollen.
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Wir haben mit Bitternis aus verschiedenen Äußerungen - auch von Mitgliedern der Regierung, nicht am heutigen Tag, aber in den letzten Tagen - vernommen, wie die Frage der konkreten Hilfe für Berlin in Konkurrenz gestellt worden ist zu Ausgaben für Westdeutschland, zu Sozialleistungen, die hier gefordert wurden, oder wie man bestimmte Abbau- und Einschränkungsmaßnahmen hier mit der Notwendigkeit der Hilfe für Berlin zu begründen - ich sage zu begründen und meine das in diesem Fall ironisch - versucht hat. Wir wenden uns von dieser Stelle aus gegen eine Politik, die mit dem Hinweis auf die nationalpolitisch notwendigen Leistungen zur wirklichen Unterstützung Berlins soziale Leistungen im Westen Deutschlands nicht durchzuführen sucht. Man muß sich - wir wollen das als ein Bekenntnis verstanden wissen, hinter das sich alle stellen müßten und sollten - diesen Kampf um die Erhaltung Berlins etwas kosten lassen! Wir alle sollten alles in unseren Kräften Stehende tun, um uns in dieser Beziehung nicht irgendwann eines Versäumnisses anklagen zu müssen. Berlin soll und muß - und wir hätten gewünscht, daß es an dieser Stelle klar gesagt worden wäre - von den Organen der Bundesrepublik so behandelt werden, als wäre es bereits das zwölfte Land der Bundesrepublik.
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Sehen Sie, meine Damen und Herren, genau so wie der Friedenszustand vor einem formalen Abschluß eines Friedensvertrages zur Tatsache werden muß, so braucht Berlin einen Zustand als zwölftes Land der Bundesrepublik, bevor und bis es zur Legalisierung - wenn ich so sagen darf - dieses Zustandes kommt. Unsere Sache ist es, darüber zu wachen, dab das in einer Weise geschieht, daß, wenn durch die Alliierten dieser Zustand schließlich legalisiert wird, nachträglich nichts oder nur Unwesentliches ändern oder hinzuzufügen sein wird. Das aber verpflichtet dazu, daß wir erstens wirtschaftlich, zweitens hinsichtlich der öffentlichen Finanzen, drittens in bezug auf die ERP-Hilfe und viertens durch die Anstrengungen zur Schaffung eines gleichen Lebensstandards und gleicher Lebensverhältnisse wie im Westen unseres Landes diesen Zustand zur Wirklichkeit werden lassen. Das wollen wir verstanden wissen unter aktiver Staatspolitik, wie es mein Kollege Schmid in der Debatte zur Regierungserklärung in bezug auf Berlin formulierte. Wir sind noch weit davon entfernt.
Ich möchte als ein Beispiel dafür darauf hinweisen, daß dieser Tage in einem Berliner Organ der Christlich-Demokratischen Union, dessen Lizenzträger, wenn ich nicht irre, der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Angelegenheiten ist, der Fall „Patentamt Berlin" als ein Probefall für diese Haltung des Westens gegenüber Berlin hingestellt worden ist.
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Und wir sollten sehen, ob in der Praxis und in diesen Einzelfällen die Bekenntnisse auch wirklich ihren Niederschlag finden. Es handelt sich da um die Möglichkeit, einen Beschluß des Wirtschaftsrats, der mit einer geringen Mehrheit von, wenn ,ich nicht irre, ungefähr 43 zu 40 gefaßt worden ist, das Patentamt von Berlin nach München zu verlegen, jetzt rückgängig zu machen. Es handelt sich um die Möglichkeit, jetzt Menschen Arbeitsplätze zu erhalten, und es handelt sich mich um die Möglichkeit, an anderer Stelle Investitionen zu sparen. Das ist tatsächlich ein Probefall, einer von vielen anstehenden Probefällen. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang anstrengen, über die so häufig ausgesprochene, in einem Beschluß des Bundestags festgelegte, aber in der Wirklichkeit so wenig umrissene Bereitschaft zur Verlegung bestimmter Bundesbehörden nach Berlin Lösungen zu finden, und zwar nicht demonstrative oder repräsentative, sondern solche Lösungen, die arbeitsmäßig einen Sinn haben; denn das gehört dazu, um Berlin trotz seiner heutigen insularen Lage in der Tat mit der Bundesrepublik zusammenwachsen zu lassen.
In der Debatte zur Regierungserklärung wurde von unserer Seite gesagt: „Wir können niemanden als einen Freund des deutschen Volkes empfinden, dessen praktische Politik die deutsche Einheit auf der demokratischen Grundlage verweigert und behindert." Es wurde das in bezug auf Berlin gesagt. Und das gilt, meine ich, so wie es Herr Dr. Schumacher hier gesagt hat, nicht nur gegen eine Richtung, sondern es gilt für alle, für uns alle. Dieses Verhältnis zu Berlin ist ein Maßstab. Wir können, meine Damen und Herren, das, was man den Ost-West-Konflikt nennt, von uns aus nicht aus der Welt schaffen. Wir können uns auch nicht zu der Auffassung bekennen, die im Westen Europas wiederholt als eine besonders weise Auffassung gepriesen worden ist. Ich denke an das Wort, daß „jeder in seinem Garten" arbeiten und glücklich zu werden suchen sollte und daß man sich nicht „über den Gartenzaun hinweg" Beschimpfungen schickt. Ich denke auch daran, daß wir uns nicht jene billige Vorstellung, wie sie besonders in der französischen öffentlichen Meinung im Zusammenhang mit den sehr fragwürdigen Ergebnissen der Pariser Außenministerkonferenz geäußert worden ist, zu eigen machen können, daß es „Sache der Deutschen selbst" sei, sich „zu verständigen". Die Alliierten - fügt man hinzu - hätten von sich aus das Notwendige getan.
Nun, wir können nur feststellen, diese vier Alliierten - es sind immer noch vier Alliierte - haben bisher das Notwendige nicht getan; denn von dem, was sie getan haben, liegt nur der Tatbestand der Trennung unseres Landes vor. Es ist unwahr, wenn von irgendeiner Seite die Sache so dargestellt wird, als ob das Gebilde, das jetzt auf einem Teil unseres Landes errichtet worden ist, irgendwie das Ergebnis deutschen Willens wäre. Das ist es beileibe nicht. Durch unser Land, durch unsere Familien geht jener „Gartenzaun", von dem einmal gesprochen worden ist, und wir brauchen für unser nationales Leben wie auch dafür, daß wir ein gesunder und wertvoller Bestandteil des neuen Europa sein können, die Überwindung dieses Zaunes.
Was wir von hier aus und was wir unablässig tun müssen, das ist der Ausbau des Teiles, in dem wir in relativer Freiheit arbeiten dürfen In sozialer Beziehung bedeutet das: Alles, was hier zur Verbesserung des sozialen Gehalts der Bundesrepublik getan wird, ist ein Baustein zur Wiedervereinigung unseres Landes. Alles, was hier in dieser Beziehung versäumt wird, ist ein Schlag gegen diese Wiedervereinigung. So einfach und nüchtern stehen die Dinge.
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- Sie sitzen etwas schief; ich kann das leicht verstehen, daß Sie das schief gesehen und gehört haben.
Es handelt sich darum, dafür zu sorgen, daß dieser Teil unseres Landes wirklich als Kernland Deutschlands betrachtet werden kann. Das kann es aber nur sein, wenn es ein sozial fortschrittliches und sozial vorbildliches Gebilde ist. Es kommt nicht auf „Antideklarationen" und „Antideklamationen" an, sondern es kommt auf den Ausbau dieses Staates an.
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Ich möchte in diesem Zusammenhang und am Schluß sagen: Von „Regierung zu Regierung" lassen sich solche Dinge nicht klären, ebensowenig von der Regierung zu den Organen der Besatzungsmächte. Das Parlament, dieser Bundestag, hat dabei durch seine Stellungnahme, durch seine Forderungen und durch seine Arbeit eine wichtige Funktion und eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Wir wollen sie ausüben; das gehört mit dazu, daß wir in unserem gequälten Land mit Geduld und mit innerer Festigkeit das tun, was wir als unsere europäische Funktion bezeichnen dürfen,
ohne uns wichtiger zu nehmen, als wir sind.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde sind nicht der Ansicht, daß die Fülle der Worte und die Vielfalt der Betrachtungen geeignet wäre, inmitten dieses Aktes der deutschen Geschichtstragödie die Festigkeit der Haltung und die Entschiedenheit des Willens zu fördern.
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Ich beschränke mich daher darauf, im Namen meiner Freunde Ihnen eine knappe Erklärung vorzulesen.
Die Fraktion der FDP billigt die Erklärung der Bundesregierung. Sie teilt die Ansicht, daß nach demokratischen Grundsätzen eine Rechtmäßigkeit der in der Sowjetzone eingesetzten Regierung nicht anerkannt werden kann. Denn dieses Regierungssystem gründet sich nicht auf einen freien und unbeeinflußten Willensausdruck der Bevölkerung. Diese Feststellung erstreckt sich auch auf die Führung der politischen Parteien in der Sowjetzone. Die Fraktion der FDP weiß sich eins mit dem deutschen Volk, wenn sie die Bewohner der Ostzone ihrer hilfsbereiten Treue versichert.
Sie erklärt ferner ihre Bereitschaft, der Stadt Berlin und ihrer Bevölkerung alle nur irgend mögliche wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung als Ausdruck der Dankbarkeit für ihre tapfere Haltung zu gewähren und damit die faktische Einbeziehung Berlins in die Bundesrepublik zu verwirklichen. Die Fraktion der FDP gibt der Erwartung Ausdruck, daß in Würdigung dieses Kampfes von Berlin für die Freiheit der gesamten abendländischen Welt nunmehr baldigst der Wunsch des deutschen Volkes, in Freiheit und Gleichberechtigung in einem geeinten Europa zum Frieden der Welt und der Wohlfahrt der Völker beitragen zu können, verwirklicht wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mühlenfeld.
Mit einer Erleichterung des Herzens haben wir heute die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vernommen, insofern als sie für uns das Signal war, daß damit das Stadium der Diskussion, das Stadium der Besprechung zu Ende ist und nun endlich zu Taten geschritten wird. Wir sind der Auffassung, daß es hier nichts mehr zu reden gibt, daß gehandelt werden muß, und zwar schnell. Ist doch die tätige Hilfe, die wir für Berlin erbringen, die schnelle Hilfe, ein Maßstab für den Lebenswillen der deutschen Nation. Aus dieser Erkenntnis beauftragt mich meine Fraktion, zu erklären, daß sie die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers billigt und sich mit dem Willen der Bundesregierung einig fühlt, alles zu tun, aber auch ' alles, was den Interessen der deutschen Bevölkerung in der sowjetisch besetzten Zone dienlich ist. Sie unterstreicht die in der Regierungserklärung zum Ausdruck gekommene Feststellung, daß die Organe der Bundesrepublik Deutschland die allein legitimierten Vertreter sind, um für jene Deutschen zu handeln, denen die Kundgebung ihres demokratischen Willens verwehrt ist. Die von der sowjetisch besetzten Zone für Deutschland gemachten Anerbieten und Erklärungen entbehren der Legitimitätsgrundlage und sind daher nicht verbindlich.
Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es, daß der Herr Bundeskanzler hinsichtlich der OderNeiße-Linie eine so klare und eindeutige Stellungnahme verkündet hat. Sie hält es für erforderlich, daß im übrigen hinsichtlich aller die sowjetisch besetzte Zone betreffenden Fragen von den Parteien und der Öffentlichkeit jene Bedachtsamkeit geübt wird, die erforderlich ist, um die Belange Gesamtdeutschlands weder nach innen noch nach außen zu beeinträchtigen.
Die von der Regierung im Einvernehmen mit dem Magistrat von Berlin beschlossenen Hilfsmaßnahmen werden von der Fraktion der Deutschen Partei mit besonderer Befriedigung gebilligt. Die Fraktion der Deutschen Partei sieht darin eine praktische Maßnahme, um der deutschen Bevölkerung in der Sowjetzone zu beweisen, daß ganz Deutschland hinter ihr steht. Es handelt sich um Maßnahmen, die zu einer wirklichen Gesundung der Berliner Verhältnisse führen werden. Mit besonderer Befriedigung darf davon Kenntnis genommen werden, daß die Berlin-Hilfe einen sichtbaren Erfolg der Bundesregierung darstellt.
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Das Wort hat Frau. Abgeordnete Wessel.
Meine Herren und Damen! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung von den Vorteilen gesprochen, die sich nach seiner Auffassung aus der Tatsache ergeben müssen, daß in diesem Hohen Hause eine Regierungs- und eine Oppositionsseite zustande gekommen sind. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß das Berlin-Problem schon geeignet ist, diese Auffassung des Herrn Bundeskanzlers zu widerlegen; denn wenn die knappe Mehrheit, auf die der Herr Bundeskanzler sich gestützt hat, in diesem Hohen Hause bei der Frage Berlin berücksichtigt werden sollte, dann würde schon diese Tatsache zeigen, wie notwendig es ist, daß in solchen nationalen Fragen Opposition und Regierungsparteien doch vielfach übereinstimmen müssen. Wohin würden wir kommen, wenn gerade in solchen Fragen, die das ganze deutsche Volk bewegen und angehen, hier nicht Opposition und Regierung einer Auf({0})
fassung sein könnten! Ich möchte das vor allen Dingen hervorheben, weil wir von der Zentrumsfraktion schon seinerzeit bei der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers darauf hingewiesen haben, daß wir uns nicht irgendwie solchen Verpflichtungen entziehen werden, selbst wenn wir nicht zur Regierungskoalition gehören. Wir haben es von Anfang an für unmöglich gehalten, daß nur ein Teil in diesem Hohen Hause, der nun zufällig die Regierung bilden würde, zu solchen Fragen ein bejahendes Wort sprechen kann. Wir sind damals mit unserer Auffassung nicht durchgedrungen, daß es vielleicht - aus der Erkenntnis heraus, daß wir nicht nur heute und morgen, sondern wahrscheinlich sehr oft dahin kommen werden, eine solche Übereinstimmung feststellen zu müssen - zweckmäßiger und begrüßenswerter gewesen wäre, sich nicht auf die kleine Koalition zu beschränken.
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Und in Wahrheit muß sich doch die kleine Koalition darauf verlassen, daß sich die Opposition an der Verantwortung beteiligt. Wir sind uns vollkommen darüber klar, daß solche staatspolitischen Erwägungen, wie sie heute wieder vor uns stehen, und gerade auch die Frage Berlin in einer solchen Lösung gesehen werden müssen. Wir verwehren dabei niemandem - meine Herren von rechts, die Sie glaubten, dazu lächeln zu müssen -, der eine andere Meinung in dieser Frage hat, diese seine Meinung ebenso zu vertreten. Wir hüten uns aber davor - und ich glaube, es ist notwendig, das zu erwähnen -, diese realistischen Auffassungen, von denen aus wir die Politik des Tages von heute und morgen und vielleicht für Jahrzehnte führen müssen, nicht sehen zu wollen, und wir sprechen es auch aus, obgleich manches in diesem Zusammenhang ausgesprochen werden muß, was bisher von meinen Vorrednern nicht erwähnt wurde.
Unsere sehr realistischen Auffassungen werden leider - und das möchte ich auch einmal ausdrücklich feststellen - vom Petersberg aus laufend bestätigt. Selbstverständlich denken wir nicht daran, vor den Tatsachen, mit denen man uns von alliierter Seite begegnet, zu kapitulieren. Dieses Hohe Haus kann und darf aber nicht die unerträglichen Beschränkungen, die der deutschen Souveränität auferlegt werden, widerspruchslos hinnehmen. Wenn über die Bundesregierung so quasi eine Art Briefzensur verhängt worden ist, so betrachten wir das immerhin als eine Einschränkung, die nicht so hundertprozentig mit dem Besatzungsstatut übereinstimmt und die deutsche Verantwortungsfreudigkeit nicht gerade erhöht.
Es ist von alliierter Seite anerkannt worden - und ich glaube, wir sind dem Herrn Bundeskanzler dafür dankbar, daß er das in seiner heutigen Regierungserklärung ausdrücklich noch einmal bestätigt hat -, daß es sich bei diesem Bundestag um ein aus freien Wahlen hervorgegangenes Parlament handelt, das auch den echten Volkswillen repräsentiert. Auf diesem Parlament beruht die Autorität der Bundesregierung, und es ist politisch nicht klug, uns die Beschränktheit unserer Souveränität in einer Weise vor Augen zu führen - ich glaube, wir haben es in den letzten Wochen häufiger spüren müssen -, die uns befürchten läßt, daß in absehbarer Zeit eine andere -- sie ist vom Herrn Bundeskanzler sehr deutlich herausgestellt worden -, zwar nicht aus freien Wahlen hervorgegangene Regierung nach außen und in der Optik des Volkes gesehen ein Maß von Souveränität geltend machen kann, das
wir in größerem Maße unserer deutschen Bundesrepublik wünschen möchten. Wir müssen die Westmächte - ich möchte das auch in bezug auf Berlin hervorheben dürfen - immer wieder angehen, in der politischen Wirklichkeit uns die Dinge nicht allzu schwer zu machen. Wenn wir nicht anders können, müssen wir uns selbstverständlich darauf einstellen.
Es ist eine Tragik nicht nur für Deutschland und die westliche Welt, sondern für die Welt in ihrer Gesamtheit - ich schließe hier nicht einmal die Sowjetunion aus -, daß die Uneinigkeit der Siegermächte eine Aufspaltung Deutschlands herbeigeführt hat, unter der das heute zweigeteilte Berlin besonders schwer zu leiden hat. Keine von den vier Besatzungsmächten kann von der Verantwortung für das tragische Schicksal Deutschlands und insbesondere für das heutige tragische Schicksal Berlins freigesprochen werden.
({2})
Die zonale Aufgliederung Deutschlands, eines Staates, von dem man von vornherein wissen konnte, daß man ihn nicht mit ein paar Federstrichen zergliedern, daß man ihn nicht einfach von der Weltkarte wegstreichen kann, ist eine verhängnisvolle politische Entwicklung, die nicht auf das deutsche Schuldkonto zu verbuchen ist. Wenn wir es heute schmerzlich - und ich möchte sagen, menschlich und innerlich schmerzlich - beklagen müssen, daß wir uns als Deutsche nicht die Hände reichen können, daß wir nicht von heute auf morgen - das ist ,auch ausgesprochen worden - in freien Wahlen in sämtlichen deutchen Ländern wieder ein geeintes Deutschland werden können, so zeigt das die Situation, in der wir uns heute befinden. Ich möchte es in diesem Zusammenhang nicht unausgesprochen lassen, daß an diesem Verhältnis nicht Deutschland, nicht eine deutsche Regierung, sondern tatsächlich das Verhalten der vier Besatzungsmächte die Schuld hat.
Meine politischen Freunde und ich denken keineswegs daran - und wir würden es für unehrlich halten -, die Bundesregierung dafür verantwortlich zu machen, wenn im Augenblick keine Möglichkeit besteht, Berlin als zwölftes Bundesland in die Bundesrepublik einzugliedern. Wir machen hier einen Unterschied zwischen einem staatsrechtlichen Akt, den wir aus Mangel an Souveränität noch nicht durchführen können, weil die internationale Lage, die weltpolitischen Spannungen es nicht zulassen, und unserer unbedingten Überzeugung, daß die Einheit Deutschlands trotz aller Zonengrenzen und Staatsgründungen erhalten geblieben ist und niemals zerschlagen werden konnte. Das deutsche Volk im Westen und im Osten meint immer ein und dasselbe Vaterland, wenn es sich zu Deutschland bekennt. Wir sind glücklich über die Anwesenheit von Vertretern Berlins in unserm Bundestag. Wenn sie, formal gesehen, hier nur beratend mitwirken können, so liegt darin kein wesentlicher Unterschied zwischen ihnen und den andern Mitgliedern dieses Hohen Hauses begründet, sofern wir nur bereit sind, uns nicht an solche Formalitäten zu klammern. Ich denke auch nicht daran, den aufrichtigen Wunsch zu verheimlichen, daß wir die Berliner Vertreter auch als formal gleichberechtigte Abgeordnete in diesem Hohen Hause sehen möchten.
({3})
Aber ich meine, wir sollten uns auch vor den
Tatsachen, die uns einschränkenderweise auferlegt
sind, nicht verschließen und sollten auch die Ber({4})
liner Kollegen aus dieser Haltung nicht nur in schönen Deklarationen, sondern in Echtheit als Vertreter Berlins vollberechtigt sehen.
Ich vermute, daß auch der Herr Bundeskanzler dieser Auffassung beipflichten kann. Und ich könnte auch deshalb darauf hinweisen, daß er bei der Regierungserklärung - wenn nämlich soviel davon gesprochen wird, daß Berlin schon als zwölftes Bundesland betrachtet werden soll -, von einer falschen Voraussetzung ausgegangen ist, indem er nämlich unterließ, in etwa auch die Berliner Mandate in die Berechnung der Mehrheitsverhältnisse in diesem Hohen Hause einzubeziehen.
Das soll aber nur eine kleine Nebenbemerkung sein, und ich glaube, sie gerade bei der Berliner Frage machen zu sollen, vielleicht auch eine Mahnung, daß wir in diesem Hohen Hause dahin kommen sollten und dahin kommen müssen, uns soweit wie möglich auch in unseren gemeinsamen Fragen und in der Gestaltung der deutschen Politik zu begegnen.
Wir sind heute nicht in der Lage, eine formale Wiederherstellung der deutschen Einheit zu erreichen. Wir wollen aber auf der anderen Seite aus diesen Verhaltnissen das Gefühl in uns haben, daß wir auch Berlin in die verantwortliche Gestaltung der deutschen Politik letzten Endes im Blickfeld von Gesamtdeutschland einbeziehen müssen, um von dieser Entwicklung aus hier im Westen eine Zielsetzung zu haben, die nicht zu einer Entfremdung zwischen Ost und West führen darf. Eine derartige Rücksichtnahme auf den schon deutlich erklärten politischen Willen WestBerlins scheint auf jeden Fall möglich zu sein. Betrachten wir West-Berlin nicht nur als ein Bollwerk, sondern in erster Linie als ein Tor zu unseren Brüdern und Schwestern im Osten!
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Versuchen wir, über Berlin zu unsern in der Ostzone so schwer geprüften Brüdern und Schwestern die Brücke zu schlagen!
Es ist gewiß keine leichte Lage für die Bundesregierung, wenn sie heute nicht die Möglichkeit hat, diesem Hohen Hause eine wirklich befriedigende Erklärung über die staatsrechtliche Stellung Berlins abzugeben. Ich sagte schon, wir denken gar nicht daran, den Herrn Bundeskanzler für diese Situation irgenwie verantwortlich zu machen, obwohl er als Bundeskanzler die volle Verantwortung für unsere derzeitige Politik trägt. Wir wenden uns heute aber noch einmal mit allem Nachdruck an die vier Besatzungsmächte, und zwar mit dem dringenden Appell, Deutschland endlich den Weg zur Wiederherstellung seiner nationalen Einheit frei zu machen. Deutschland und in Deutschland Berlin sind nicht geeignet, den Zankapfel zu spielen. Denn es stände in schärfstem Gegensatz zu seinen vitalen Interessen, wenn es im Streit zwischen Ost und West eine Chance suchen wollte.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir hinsichtlich der wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen für Berlin, die auch wir für durchaus notwendig halten, Ihnen die Tatsache vor Augen zu stellen, daß Berlin, das endlich aus der Rolle des Almosenempfängers herauswill, seine alte wirtschafts- und verkehrspolitische Bedeutung nur in der Mittlerrolle zwischen West und Ost zurückerhalten kann. Wir bilden uns nicht ein, daß das deutsche Volk heute weltpolitisch gesehen eine solche überaus wünschenswerte Vermittlertätigkeit ausüben könnte. Wir sind uns dabei der Grenzen unserer politischen
Wirklichkeit und politischen Wirksamkeitsmöglichkeiten durchaus bewußt. Das darf aber nicht bedeuten, daß wir nicht wenigstens den Wunsch nach einer weltpolitischen Entspannung hegen und insbesondere für Berlin eine Lösung herbeiführen möchten, die dieser Stadt ihre gesunden wirtschaftlichen Voraussetzungen wiedergibt.
Wenn jetzt die Bundesregierung darangeht, Berlin die materielle Hilfe zuteil werden zu lassen, die im Rahmen der der Bundesrepublik gegebenen wirtschaftlichen Möglichkeiten liegt, ja, die Mittel der Bundesregierung aufs äußerste anspannen - und wir halten es durchaus für richtig, daß es getan wird -, dann muß die Bundesregierung einen Weg beschreiten - gestatten Sie mir, das auch noch zu sagen der nach der Auffassung meiner politischen Freunde in einer erfreulichen Weise von den wirtschaftspolitischen Richtlinien abweicht, von denen die Bundesregierung ausgegangen ist und derentwegen die Zentrumsfraktion bei ihrer Stellungnahme zur Regierungserklärung mit deutlicher Distanz geantwortet hat. Würde nämlich die Bundesregierung bei ihren wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen zugunsten Berlins den Prinzipien der Wettbewerbswirtschaft folgen, so würde die Berliner Hilfe von vornherein zum Scheitern verurteilt sein.
Es hat in diesem Hohen Hause, als das Thema Berlin zum ersten Male angeschnitten wurde, einige Auseinandersetzungen darüber gegeben, ob sich der Berliner Magistrat eine bundesseitige Kontrolle der Verwendung der Mittel, die die Bundesrepublik für ihn aufbringen muß, gefallen lassen müßte. Wir sind jetzt an einem andern, viel entscheidenderen Punkt angelangt, daß niemand in diesem Hohen Hause bereit sein wird, die volkswirtschaftlichen Investitionen, die jetzt für Berlin vorgenommen werden müssen, völlig unkontrolliert zu lassen. Das so oft propagierte Schlagwort vom freien Spiel der Kräfte wäre, wenn es in die Berlin-Debatte hineingeworfen würde, absolut sinnlos. Niemand kann die Gefahr verkennen, daß die Opfer, die von der Bundesrepublik - und ich darf wohl sagen, auch von den Steuergroschen der breiten Massen - jetzt für die gesamte Berliner Bevölkerung aufgebracht werden, in die Taschen von einigen Spekulanten fließen. So erhebt sich von selbst die Forderung, den Berlin zugedachten Kapitalstrom zu lenken und zu kontrollieren. Fehlinvestitionen in Berlin wären ein Luxus, den sich die Bundesrepublik auf keinen Fall gestatten kann.
Wir leben eben nicht in normalen Zeiten, und ich wehre mich sehr entschieden gegen eine BerlinHilfe, die etwa dadurch verwirklicht würde, daß man es zu einem besonders lohnenden Geschäft für die westdeutsche Wirtschaft machte, Aufträge nach Berlin zu vergeben. Ein solches Verfahren würde praktisch dazu führen, daß die westdeutsche Industrie auf Kosten der breiten Verbraucherschichten aus der tatsächlichen Notlage Berlins ein neues Geschäft machen könnte.
Es kommt jetzt nicht darauf an, meine Damen und Herren, die westdeutsche Wirtschaft in freundschaftlicher Weise davon zu überzeugen, daß sie Berlin nicht im Stiche lassen soll, sondern es kommt darauf an, daß man den Mut aufbringt, der westdeutschen Wirtschaft ganz bestimmte Vorschriften zu machen. Hier drängt sich die Notwendigkeit einer staatlichen Lenkung dieser aus allgemeinen Finanzmitteln genommenen Zuschüsse für Berlin auf, sofern man nicht die Absicht damit
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verbindet, sich auf die kapitalistische Gewinnsucht zu verlassen und zu ihren Gunsten die für Berlin gebrachten Opfer zu verwenden.
Meine Damen und Herren, ich glaube, das Schulbeispiel Berlin ist das Beispiel far die gesamtdeutsche Situation. Dieses Berlin stellt ein außerordentliches, aber keineswegs ein abseitiges Problem dar. Es bedeutet für uns die Frage, ob wir Deutsche in der Lage sind, füreinander einzustehen. Ich darf die Bundesregierung versichern, daß sie die stärkste Unterstützung der Zentrumsfraktion finden wird, wenn sie im Falle Berlin den durch die Not gewiesenen Weg beschreiten und in dem vorgenannten Sinne auch die Hilfe für Berlin gestalten wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayern-Partei bedauert aufs tiefste die Zweiteilung des deutschen Volkes, die durch die Bildung von Sowjet-Preußen eine neue Bestätigung bekommt.
({0})
- Das Wort Sowjet-Preußen haben Sie erfunden, meine Herren von der SPD. - Wenn sich das durch einen Sowjetbefehl und ohne demokratische Wahlen entstandene Sowjet-Preußen neben die deutsche Bundesrepublik stellen will, so müssen wir ihm eine Gleichberechtigung absprechen. Auch eine Koordinierungsregierung über den beiden Regierungen würden wir angesichts ihrer nicht vergleichbaren Rechtsbasis ablehnen. Wir möchten den Zusammenschluß des gesamten deutschen Volkes in einem Bunde gern verwirklichen. Aber höher als eine Einheit nach sowjetischen Bedingungen steht uns unsere Freiheit.
Der Schnitt durch Deutschland teilt nicht nur Deutschland, sondern auch Europa. Als Heimatpartei mit ihren Idealen von Christentum, Vaterland und Familie bekennen wir uns zum christlichen Abendland und erklären uns kompromißlos gegen den Kommunismus des Ostens, der die tödliche Bedrohung unserer Ideale bedeutet. Unter dem Druck der von Moskau geschaffenen Tatsachen im europäischen Osten gehören wir dem Westen an. Insofern die Mächte des Westens für dieses christliche Abendland kämpfen und für die Gleichberechtigung aller an dieser Auseinandersetzung beteiligten Staaten eintreten, stehen wir zu ihnen. Wenn wir das Deutschland unter dem Besatzungsstatut, also die relative Unfreiheit des Westens, der totalen Unfreiheit des Ostens - trotz scheinbarer Zugeständnisse äußerer Souveränität an den ostdeutschen Staat - vorziehen, so muß doch bald bei den westlichen Mächten Verständnis dafür aufkommen, daß man gegenüber seinen Gesinnungsfreunden nicht gleichzeitig Eingriffe und Maßnahmen unbegreiflicher Art Tag für Tag durchführen darf. Die Westmächte werden sich der Konsequenz der neuen Entwicklung in Ostdeutschland nicht verschließen können, wenn sie den Kampf um Europa, der jetzt in sein entscheidendes Stadium getreten ist, gewinnen wollen. Der Weg von Morgenthau bis McCloy war weit. Aber das realistisch denkende amerikanische Volk ist ihn unter der zwangsläufigen weltpolitischen Entwicklung gegangen. Wir zweifeln nicht, daß das viel unmittelbarer betroffene Frankreich und schließlich auch England folgen werden, wenn es ihnen um die Erhaltung Europas ernst ist.
Angesichts der beklagenswerten Situation im deutschen Raum gibt die Bundestagsfraktion der Bayernpartei der dringenden und mahnenden Erwartung Ausdruck, daß nichts unternommen wird, um die Entfremdung zwischen dem staatspolitisch und wirtschaftlich getrennten deutschen Volk des Westens und des Ostens zu verschärfen und zu vertiefen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Für uns Deutsche, besonders aber für uns Heimatvertriebene ist die Ostzonen-Republik in besonderem Maße gekennzeichnet durch ihre Anerkennung der Oder-Neiße-Linie. Die Oder-Neiße-Linie wurde in einer schamlosen Servilität als die Grenze des Friedens bezeichnet. Schon dadurch hat sich diese sogenannte deutsche Regierung selbst entlarvt als das willfährige Instrument aller jener Bestrebungen, die gegen das gesamtdeutsche Interesse gerichtet sind. Meine Freunde und ich halten es nicht für erforderlich, den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers weitere hinzuzufügen. Wir können diese Regierungserklärung in vollem Umfange unterstreichen.
({0})
Unsere Treue, und zwar unsere unverbrüchliche Treue gilt unseren Brüdern und Schwestern im deutschen Osten und in Berlin.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, heute auf die großen historischen Irrtümer in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers bezüglich der Entstehung des westdeutschen Separatstaates einzugehen.
({0})
Das werden wir tun, wenn der Herr Bundeskanzler die Zustimmung vom Petersberg erhalten hat, über „seine" angekündigten innen- und außenpolitischen Maßnahmen hier im Bundestag Bericht zu erstatten.
Wir haben heute die Erklärung einer Regierung gehört, die sich hinter die sogenannte strategische Rheinlinie der Atlantikpakt-Strategen abgesetzt hat. In dieser Erklärung wurde außer der Frage Berlin kein einziges der schwebenden deutschen Probleme auch nur angesprochen. Aus diesem Port heraus, hier vom linken Rhein her, spricht Herr Dr. Adenauer vom „Bollwerk Berlin" und erklärt, er wolle Berlin nicht im Stich lassen, Berlin müsse geholfen werden. - Jawohl, wir sind einverstanden.
({1})
Aber
({2})
Berlin kann nur geholfen werden von Berlin aus.
Berlin ist und bleibt die Hauptstadt Deutschlands.
({3})
In Berlin hat die provisorische Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ihren Sitz. Aber Sie, meine Damen und Herren, streiten über Frankfurt oder Bonn als Bundeshauptstadt. Nach unserer Meinung wäre es, um die Spaltung Berlins, um die Spaltung Deutschlands zu überwinden,
({4})
von großem Nutzen, wenn die westlichen Verwaltungsorgane ihren Sitz nach Berlin verlegten.
({5})
Dadurch wäre die Möglichkeit gegeben, zu engeren Beziehungen zu den Organen der provisorischen demokratischen Regierung zu kommen.
({6})
Dadurch wäre die Möglichkeit gegeben, die wirtschaftlichen Verhandlungen auf gesamtdeutscher Grundlage, ohne die Berlin nicht leben kann, leichter und reibungsloser durchzuführen.
({7})
- Das war auch eine Pleite!
Wenn dann die Regierung Adenauer und die Politiker Westdeutschlands dafür kämpfen würden, daß die westlichen Besatzungsmächte den deutschen Organen die Hoheitsrechte zurückgeben würden, wie das die Regierung der UdSSR
({8})
der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gegenüber bereits getan hat, dann wäre ein entscheidender Schritt zur Verständigung getan. Wenn Sie, meine Damen und Herren, dafür kämpfen würden, daß alle Besatzungstruppen Berlin und darüber hinaus ganz Deutschland verlassen, dann wäre der entscheidende Schritt zur Wiederherstellung der deutschen Souveränität und der Einheit Deutschlands getan.
({9})
Herr Dr. Konrad Adenauer wünscht aber nicht Berlin als souveräne Hauptstadt Deutschlands. Deshalb bleibt er hinter dem Rhein
({10})
und will Berlin in der Rolle eines Vorpostens und Bollwerks gegen den Osten.
(
Ich wohne in Rhöndorf! - Große Heiterkeit.)
- Sie machen hier aber Politik im Geiste von Wallstreet. Herr Dr. Konrad Adenauer will dadurch Berlin als Instrument des Kalten Krieges erhalten.
Meine Damen und Herren von der SPD, hinter dieser Losung: „Berlin das Bollwerk gegen den Osten"
({0})
- „Bollwerk gegen den Osten", so hat Dr. Konrad Adenauer vorgestern gesagt -,
({1})
versteckt sich eine andere Absicht, nämlich die
Absicht der reaktionären Rechtsregierung, in Berlin
sogar den sozialdemokratischen Einfluß zu brechen.
({2})
Das ganze Gerede über die Hilfe, die Berlin zuteil werden soll, kann aber über die Tatsache nicht hinwegtäuschen, daß Arbeitslosigkeit, finanzielle Schwierigkeiten und die Wirtschaftskrise in Berlin diesem politischen Ziel der Rechtsregierung Konrad Adenauers förderlich sind und von ihm in diesem Sinne ausgenutzt werden.
({3})
Um so unbegreiflicher ist es - selbst für viele Sozialdemokraten -, daß die Führung der SPD diese selbstmörderische Politik des Herrn Dr. Konrad Adenauer
({4})
- für Sie selbst mörderisch - unterstützt.
({5})
- Es lohnt sich für uns - das sage ich in diesem Zusammenhang an Ihre Adresse, meine Herren von der SPD -, die wir die politische Vergangenheit des Herrn Wehner, heute Sozialdemokrat, kennen, nicht, auf seinen Haßgesang einzugehen. Ich stelle hier fest, daß er noch vor wenigen Jahren zu den wütendsten Bekämpfern der SPD gezählt hat. Ein solch sprunghafter Gesinnungswechsel trübt oft die politische Klarheit und Urteilsfähigkeit.
({6})
- Heute gehört er dazu; wer weiß, was morgen sein wird.
({7})
Zu der Erklärung des Herrn Dr. Adenauer und der Bundesregierung gebe ich namens meiner Fraktion die folgende Erklärung ab:
Die Ereignisse der letzten Wochen haben das deutsche Volk vor große Fragen und Entscheidungen gestellt. Unser Volk ist durch die Spaltung Deutschlands in eine nationale Notlage geraten, die große Gefahren heraufbeschwört. Wir Kommunisten haben alles getan, um diese Spaltung zu verhindern.
({8})
- Wir waren bekanntlich sogar gegen die Bildung dieser separatistischen westdeutschen Bundesrepublik.
({9})
- Da kann ja nur Dummheit lachen!
({10})
- Wir sehen unsere entscheidende Aufgabe heute darin, alles zu tun, um die Spaltung unseres Vaterlandes zu überwinden.
Die jüngste innerdeutsche und internationale Entwicklung, deren hauptsächliche Merkmale in der Bildung der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und in dem welthistorischen Telegramm Stalins, des Hauptes der Sowjetregierung, an den Präsidenten und den Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik bestehen, fordert schärfer als jemals zuvor die Entscheidung vom ganzen deutschen Volk darüber, welchen Weg es gehen soll, um zu seiner staatlichen Einheit, zum Frieden, zur vollen Souveränität als gleichberechtigte Nation zu gelangen.
Die Erfahrungen der letzten Wochen haben unsere Voraussagen bestätigt, daß die Regierung Adenauer keine souveräne Regierung ist; denn eine Regierung, die auf der Grundlage des Besatzungsstatuts beruht, kann keine souveräne Regierung sein.
({11})
Tatsache um Tatsache beweisen dies. In einer für die Wirtschaft und das Wohl des Volkes so entscheidenden staatlichen Maßnahme, wie sie die Abwertung der D-Mark darstellt, diktierten die Hohen Kommissare ohne Befragung des Bundestags.
({12})
Ohne Finanzhoheit aber kann von Souveränität eines Staates keine Rede sein. Eine Regierung, der durch das Ruhrstatut die Verfügung über Kohle und Stahl entzogen ist, ist zu dauernder Ohnmacht verurteilt. Die Tatsache, daß man ihr sogar das Recht verweigerte, ein innerdeutsches
({13})
Handelsabkommen selbständig abzuschließen, und daß man den einstimmigen Beschluß von Regierung und Bundestag gegen die rechtswidrigen Demontagen mißachtete, beweist die volle Abhängigkeit von den Besatzungsmächten. Eine Regierung, der auf Grund des Besatzungsstatuts das Recht auf eine selbständige deutsche Außenpolitik verweigert wird, ist außerstande, den Frieden für unser Volk und die Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage herzustellen. Sie wird niemals Deutschland zu einem anerkannten Faktor in der internationalen Politik machen können.
Das deutsche Volk braucht einen Friedensvertrag, der ihm seine nationale Einheit und Unabhängigkeit, der ihm eine demokratische und friedliche Entwicklung sichert. Durch das Besatzungsstatut aber wird der Friedensvertrag verhindert, wird die Einheit Deutschlands unmöglich gemacht, werden dieselben verhängnisvollen Kräfte gestärkt, die Deutschland bereits in zwei Weltkriege gestürzt haben. Das Besatzungsstatut bedeutet Reaktion, koloniale Unterjochung und Krieg. Die Aufrechterhaltung der militärischen Besetzung Deutschlands ist zu einer Gefahr für den Frieden geworden. Deshalb stellen wir Kommunisten die Forderung: Weg mit dem Besatzungsstatut!
Der Zustand der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands, der Verhinderung eines Friedensvertrags, der unbefristeten militärischen Besetzung Deutschlands ist für das deutsche Volk untragbar geworden. Angesichts dieser Lage kann es für das deutsche Volk nur einen Weg der Rettung geben, den Weg der Sammlung aller patriotischen Kräfte aller Arbeiter, Angestellten, Bauern, Kulturschaffenden und aller durch den Marshallplan in ihrer Existenz bedrohten Volksschichten in einer breiten nationalen Front zum Kampf für die Einheit Deutschlands,
({14})
für einen gerechten Friedensvertrag und für den Abzug der Besatzungstruppen.
Wir Kommunisten waren immer der Meinung, daß es aus dieser verhängnisvollen Lage, in die die Politik der Westmächte das deutsche Volk gebracht hat, einen Ausweg gibt: das ist der Weg einer demokratischen und friedlichen Entwicklung in Deutschland
({15})
und der friedlichen Verständigung mit den Völkern der Welt, vor allem mit den Völkern der Sowjetunion.
({16})
Beschreiten wir entschlossen diesen Weg, dann werden die Lebensfragen unseres Volkes ihre Lösung finden, dann werden wir einen souveränen, einheitlichen deutschen Staat schaffen, dann werden uns alle Völker der Welt als gleichberechtigt anerkennen, und dann wird der Friede gesichert sein! Dieser Weg steht jetzt dem deutschen Volke offen.
Die ganze Welt steht unter dem Eindruck des welthistorischen Telegramms Stalins zur Deutschlandfrage an den Präsidenten und an den Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik.
({17})
- Sie sind ja nicht die Welt! Ich meine die politische Welt, die etwas zu sagen hat!
({18})
In diesem Dokument heißt es unter anderem:
Die Gründung der Deutschen Demokratischen, friedliebenden Republik ist ein Wendepunkt in der Geschichte Europas.
({19})
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Existenz eines friedliebenden demokratischen Deutschlands neben dem Bestehen der friedliebenden Sowjetunion die Möglichkeit neuer Kriege in Europa ausschließt, dem Blutvergießen in Europa ein Ende macht und die Knechtung der europäischen Länder durch die Weltimperialisten unmöglich macht.
({20})
Die Erfahrung des letzten Krieges hat gezeigt, daß das deutsche und das sowjetische Volk in diesem Kriege die größten Opfer gebracht haben, daß diese beiden Völker die größten Potenzen in Europa zur Vollbringung großer Aktionen von Weltbedeutung besitzen. Wenn diese beiden Völker dieselbe Entschlossenheit an den Tag legen werden, für den Frieden mit der gleichen Anspannung ihrer Kräfte zu kämpfen, mit der sie den Krieg führten, so kann man den Frieden in Europa für gesichert halten.
Diese Worte Stalins müßten in ihrer ganzen Bedeutung von unserem Volk und von allen verantwortungsbewußten Politikern erkannt werden.
({21})
Aus diesen Worten spricht die weise historische Erkenntnis, - -({22})
- Sie, der Gründer dieses Staates, sollten vorsichtig sein, Herr Carlo; mit Ihnen rechne ich bei nächster Gelegenheit ab!
({23})
Aus diesen Worten spricht die weise historische Erkenntnis, welche Bedeutung ein friedliches und freundschaftliches Verhältnis zwischen der Sowjetunion und Deutschland für den Frieden in Europa und der Welt hat. Gewaltig sind die Perspektiven für das deutsche Volk, wenn Deutschland ein einheitlicher, demokratischer, friedliebender und unabhängiger Staat wird.
({24})
Ein solcher deutscher Staat wird ein gleichberechtigter Staat, ein Staat mit einer ruhmvollen Zukunft sein, der nach den Worten Stalins eine große Sympathie und aktive Unterstützung bei allen Völkern der Welt finden wird.
Wir Kommunisten erstreben diesen einheitlichen demokratischen und friedliebenden deutschen Staat. Darum kämpfen wir gegen das Besatzungsstatut, das uns den Friedensvertrag verweigert und durch das Westdeutschland zu einem Tummelplatz für Kriegstreiber gemacht werden soll.
({25})
- Mit Ihnen gern! ({26})
({27})
1 Darum sind wir für den Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland.
({28})
- Herr Präsident, gehen diese Störungen von meiner Redezeit ab?
Meine Damen und Herren, tun Sie mir einen Gefallen! Ich glaube, wir wollen Herrn Abgeordneten Renner die Verlesung der Erklärung seiner Fraktion erleichtern!
Bitte, Herr Abgeordneter Renner, Sie haben das Wort!
({0})
Glauben Sie, daß Sie mich mit
Ihren Zwischenrufen aus der Ruhe bringen können?
({0})
- Na also, dann warten Sie ab!
({1})
- Nicht die Absicht? Warum brüllen Sie dann so?
Darum sind wir für den Abzug aller Besatzungstruppen aus ganz Deutschland; darum richten wir unseren Ruf an alle verantwortungsbewußten Deutschen, vor allem an die deutsche Jugend, zum gemeinsamen Kampf für die Neugeburt unseres Vaterlandes auf der Grundlage einer einheitlichen, demokratischen und friedliebenden deutschen Republik.
Wir sprechen mit aller Deutlichkeit aus, daß die Krieghetze gegen die Sowjetunion und gegen die Volksdemokratien ein Verbrechen an den nationalen Interessen unseres deutschen Volkes ist.
({2})
Eine wahre deutsche Politik muß ihren Ausdruck finden in der Herstellung eines freundschaftlichen Verhältnisses zur Sowjetunion. Dazu verpflichten uns die furchtbaren Erfahrungen des letzten Krieges. Die Feindschaft gegen die Sowjetunion hat unser Volk in unsägliches Elend gestürzt. Der Friede kann nur gesichert werden, wenn das deutsche und das russische Volk sich die Hände zum gemeinsamen Kampf für den Frieden reichen.
In seiner ersten Proklamation als Präsident der Deutschen Demokratischen Republik wandte sich Wilhelm Pieck
({3})
mit folgenden Worten an den Bundestag und die Bundesregierung:
Ich appelliere an die Männer und Frauen im westdeutschen Bundestag und in der westdeutschen Regierung, sich bewußt zu werden, in welcher Gefahr sich das deutsche Volk angesichts der Politik der Westmächte befindet,
({4})
durch die die Einheit Deutschlands zerstört, der Friedensvertrag verhindert, die nationale Existenz des deutschen Volkes aufs Spiel gesetzt wird und ihm ein neuer Krieg aufgezwungen werden soll.
({5})
- Hören Sie doch mal eine Minute zu! Vielleicht kann er Ihnen trotz aller Ihrer Verbohrtheit doch etwas sagen!
({6})
Alles das aber kann verhindert werden, wenn der westdeutsche Bundestag und die westdeutsche Bundesregierung sich entschließen, nicht weiter diese Maßnahmen der westlichen
Besatzungsmächte zu unterstützen, sondern den Kampf gegen sie aufnehmen. Es geht nicht darum, ob die westdeutsche Bundesregierung und die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik sich gegenseitig anerkennen, sondern darum, gemeinsam oder nebeneinander den nationalen Interessen des deutschen Volkes zu dienen
({7})
und den Kampf um die Einheit Deutschlands, um den Friedensvertrag und um die nationale Selbständigkeit des deutschen Volkes zu führen. Wenn das von der westdeutschen Bundesregierung und dem westdeutschen Bundestag geschieht, dann werden wir uns einander nähern und schließlich die Spaltung Deutschlands beseitigen und eine Einheit Deutschlands schaffen, durch die Deutschland nicht zur Kolonie des amerikanischen Imperialismus ({8}) und nicht zum Aufmarschgebiet für einen neuen imperialistischen Krieg gemacht wird. Wir wollen ein demokratisches,
({9})
national und wirtschaftlich selbständiges Deutschland, das in Frieden und Freundschaft mit allen Völkern der Welt lebt.
Diese Worte Wilhelm Piecks sind der Appell eines alten, erfahrenen deutschen Politikers ({10}) zur Verständigung und zu gemeinsamem Handeln
aller Deutschen in Ost und West.
({11})
- Glauben S i e denn den Quatsch, den Sie hier
verzapfen? Ich glaube das, was ich sage, weil es meine innerste Überzeugung ist,
({12})
weil ich 40 Jahre dafür kämpfe und nicht gestern noch „Heil Hitler" geschrien habe wie so mancher unter Ihnen!
({13})
Meine Damen und Herren! Wollen wir doch etwas größere Ruhe bewahren! Die Verlesung der Erklärung wird dann um so leichter und zweifellos auch um so schneller vor sich gehen.
Diese Worte Wilhelm Piecks sind ein Appell eines alten, erfahrenen deutschen Politikers zur Verständigung und zu gemeinsamem Handeln aller Deutschen in Ost und West, die Einheit, Frieden und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes ehrlich wollen. Es ist unserer Meinung nach schädlich und politisch kurzsichtig, diese Linie der Einigung aller vaterlandsliebenden Deutschen, die aus den Worten Wilhelm Piecks spricht, mit verschärfter Hetze und mit übler Verleumdung gegen die Träger und gegen die Organe der Deutschen Demokratischen Republik zu beantworten.
Alle ehrlichen Deutschen mögen sich folgende Fragen überlegen: Nutzt es nicht dem deutschen Volke, wenn die Sowjetunion den Deutschen in einem Teil unseres Vaterlandes durch die Übertragung der Verwaltung die volle Souveränität wiedergibt und sich entsprechend dem Potsdamer Abkommen lediglich auf die Ausübung der Funktionen einer Kontrollkommission beschränkt?
({0})
({1})
I Wäre es von Nutzen oder Schaden für Deutschland, wenn die Westmächte dasselbe täten, anstatt durch Besatzungsstatut und durch Befehle der Hohen Kommissare nach eigenem Gutdünken zu diktieren? Ist dieser Zustand der Abhängigkeit nicht des deutschen Volkes unwürdig? Wäre es von Nutzen oder Schaden, wenn nicht nur Ostdeutschland, son dern ganz Deutschland eine selbständige Außenpolitik führen und seine eigenen Diplomaten und Handelsvertreter in andere Länder schicken könnte, anstatt wie in Westdeutschland einflußlos in den Vorzimmern auf sogenannte Empfehlungen, die in Wirklichkeit Befehle sind, zu warten? Ist es nicht besser für das deutsche Volk, wenn Stalin die Einheit und Unabhängikeit eines demokratischen Deutschlands und den Frieden für unser Volk garantiert, als wenn durch die Herren des Marshallplanes Deutschland zerrissen und kolonialisiert wird und die Jugend Westdeutschlands durch den Atlantikpakt der Gefahr ausgesetzt ist, als Kanonenfutter für die Durchsetzung imperalistischer Eroberungspläne ausgenutzt zu werden?
({2})
Hat nicht die Gründung der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik schon nach kurzer Zeit ihrer Entwicklung auch zu Resultaten für Westdeutschland geführt? Ist es nicht wahr, daß bereits die Tatsache ihrer sofortigen Anerkennung durch die Sowjetregierung und eine Reihe von Staaten bewirkt hat, daß die Vertreter der Westmächte beraten müssen, ob man jetzt nicht gezwungen sei, in der Frage der Demontagen, in Fragen des Besatzungsstatuts und einer größeren Selbständigkeit der Bundesregierung Konzessionen zu machen?
({3})
Das zeigt doch, daß die Linie einer selbständigen deutschen Politik schnell zu bedeutsamen Folgen führen wird, wenn sich das deutsche Volk in Ost und West zum gemeinsamen Kampf um Deutschlands Einheit, einen gerechten Friedensvertrag und den Abzug aller Besatzungstruppen zusammenschließt.
({4})
Aus dem Osten Deutschlands wurde uns hierzu die Hand entgegengestreckt. Auch der Ministerpräsident der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Repulbik, Otto Grotewohl, betonte ausdrücklich in seiner Regierungserklärung:
Die Regierung wird alles tun, was der Einheit Deutschlands und dem Frieden diene;
kann. Sie wird alles verhindern, was dieses
Ziel gefährdet.
Ist es richtig oder nicht, - ({5})
- Nicht gar zu blöde da drüben auf der rechten Seite! - Ist es richtig oder nicht, daß ein solcher Grundsatz den nationalen Interessen unseres ganzen Volkes entspricht? Jeder verantwortungsbewußte Deutsche muß anerkennen, daß allein eine solche Politik den einzigen Weg zur Rettung unseres Volkes aus einer nationalen Notlage darstellt.
Dieser Weg ist zugleich der Weg der Entfaltung der demokratischen Rechte der werktätigen Volksmassen. Es ist der Weg der endgültigen Entmachtung und Überwindung der deutschen und imperialistischen Kriegstreiber, die - das sagen wir den Sozialdemokraten und Gewerkschaftlern, den christlichen und parteilosen Werktätigen - die
Lohn- und Arbeitsbedingungen verschlechtern, das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte und der Gewerkschaften verweigern, den Angriff auf die gesamte. Sozialgesetzgebung führen, den Umsiedlern jede wirkliche Hilfe verweigern, den Lastenausgleich verhindern, die das werktätige Volk und vor allem unsere Jugend in Not und Hoffnungslosigkeit stürzen.
Wir Kommunisten sagen: Von welcher Seite man auch an das Problem der Neugestaltung Deutschlands, an die Frage seiner nationalen Souveränität, an die Frage der Existenz und der Verbesserung des Lebens des werktätigen Volkes und seiner ganzen Zukunft herantritt, - für alles gibt es nur eine Lösung, nämlich den Weg des Kampfes für die demokratische Einheit Deutschlands, für den Abschluß eines gerechten Friedensvertrages, für den baldigen Abzug aller Besatzungstruppen. Das ist der Weg des Kampfes um den Frieden, der Weg der Freundschaft mit der Sowjetunion, mit den Volksdemokratien, mit den Völkern Frankreichs, Englands, Italiens und Amerikas, mit allen Völkern der Welt. Für die Sicherung dieses Weges kämpfen wir deutschen Kommunisten leidenschaftlich und kompromißlos im Interesse des deutschen Volkes. Um seiner Zukunft willen muß das ganze deutsche Volk diesen Weg gehen.
Zum Abschluß, um dem unrühmlichen Kampf Bonn-Frankfurt ein Ende zu bereiten und den Weg zur Verständigung mit den Organen der provisorischen Regierung der Deutschen Demokratischen Republik zu öffnen, stellen wir folgenden Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die leitenden Bundesorgane verlegen ihren Sitz in die Hauptstadt Deutschlands, Berlin. Der Bundestag versammelt sich alsbald in Berlin.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Meine Damen und Herren! Ich habe als Vertreter der Nationalen Rechten zur Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nur das eine zu sagen, daß wir die Worte des Herrn Kanzlers wärmstens begrüßt haben, vor allem, daß er ganz klar herausgestellt hat, daß kein Deutscher, der überhaupt diese Bezeichnung noch verdient, die Oder-Neiße-Grenze anerkennen kann, und daß er darüber hinaus Worte gefunden hat, die ein Bekenntnis zu unseren Schwestern und Brüdern in der Zone des Schweigens bedeuteten, in jener Zone, in der man zwar von Demokratie redet, aber nicht die primitivsten Ansätze eines wahren demokratischen Lebens kennt.
({0})
Wir dürfen dem Herrn Bundeskanzler für seine Worte deshalb an dieser Stelle unseren Dank aussprechen.
({1})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich erkläre deshalb die Aussprache zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung für abgeschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Berlin unter Punkt 2 der Tagesordnung ({0}). Wer für diesen Antrag Drucksache Nr. 100 ist,
({1})
den bitte ich, sich zu erheben. - Danke! Ich bitte nun diejenigen, die nicht für diesen Antrag sind, sich ebenfalls zu erheben. - Danke!
({2})
Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit überwältigender Mehrheit gegen eine Minderheit bei einigen Enthaltungen angenommen worden ist.
Gleichzeitig liegt der mir soeben vom Herrn Abgeordneten Renner schriftlich überreichte Antrag, betreffend den Sitz der leitenden Bundesorgane, als Ergänzung zur Regierungserklärung vor. Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bucerius.
Ich bitte, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? - Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
Wer für diesen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ist, den bitte ich sitzenzubleiben. ({0})
Wer gegen diesen Antrag ist, den bitte ich, sich zu erheben.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner.
({2})
Ich protestiere gegen diese Methode der Abstimmung. Es war bei dem Skandal, den der Präsident durch seine Geschäftsführung bewußt herbeigeführt hat,
({0})
unmöglich, zu verstehen, worüber überhaupt abgestimmt wurde.
({1}) Der Herr Präsident hat heute mittag im Ältestenrat ausdrücklich abgelehnt, in derart provozierender Form Abstimmungen hier vornehmen zu lassen, wie das heute vorgekommen ist.
({2})
Herr Abgeordneter Renner, ich entziehe Ihnen das Wort.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung über den Antrag der kommunistischen Fraktion gegen die Stimmen der Herren Antragsteller angenommen worden ist.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zum nächsten Punkt der Tagesordnung.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, das Wort habe augenblicklich ich!
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der DP, betreffend Wohnungen für ostvertriebene Familien ({2}).
Die antragstellende Fraktion verzichtet auf Begründung und bittet um Überweisung an den Ausschuß. Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Dann gilt dieser Antrag als überwiesen an den Ausschuß für Wohnungswesen als den federführenden Ausschuß und gleichzeitig an den Ausschuß für Heimatvertriebene.
Wir kommen dann, meine Damen und Herren,
zum nächsten Punkt der Tagesordnung, der nicht
auf der gedruckten Tagesordnung enthalten, sondern nur mündlich mitgeteilt worden ist: Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen, betreffend Entlassungen bei der Deutschen Bundesbahn ({3}), Berichterstatter: Abgeordneter Jahn.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Jahn das Wort als Berichterstatter.
Jahn ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich in seinen Sitzungen vom 13. und 19. Oktober mit der Drucksache Nr. 32, Antrag des Abgeordneten Ollenhauer und Fraktion, betreffend Entlassungen bei der Bundesbahn, beschäftigt. Die Frage, die der Ausschuß zu erörtern hatte, drehte sich im Endeffekt um die finanziellen und Betriebsverhältnisse bei der Bundesbahn. Der Ausschuß wird sich in seinen nächsten Sitzungen mit der Frage des Verkehrswesens im allgemeinen zu beschäftigen haben.
In dem Antrag wird der Wunsch geäußert, dem Bundestag einen Bericht auf Grund der Ergebnisse des Jahres 1949 vorzulegen. Dazu kann bis jetzt festgestellt werden, daß der finanzielle Status der Bundesbahn äußerst bedenklich ist. Das Defizit wird sich wahrscheinlich auf 411 Millionen Mark belaufen. Es sind Bestrebungen vorhanden, dieses Defizit durch weitgehende Entlassungen bei der Bundesbahn auszugleichen. Es ist geplant, 27 000 Mann zu entlassen. Die Lohnsumme für diese 27 000 Mann würde etwa 80 Millionen Mark pro Jahr ausmachen. Damit könnte man 20 Prozent des Defizits decken. Nach Ansicht des Ausschusses für Verkehrswesen erhellt daraus, daß die Frage der Entlassungen keine lohnpolitische, sondern eine wirtschaftspolitische Frage ist, wirtschaftspolitisch besonders deshalb, weil bei der Bundesbahn infolge der Kriegsschäden Arbeiten in Hülle und Fülle vorhanden sind.
({5})
Der Eisenbahner, der seinen Arbeitsplatz verlassen soll, wird nicht verstehen können, daß er nicht arbeiten darf, obwohl er arbeiten will.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat einstimmig und der Ausschuß für Arbeit bei einer Stimmenthaltung beschlossen, den Antrag der SPD, Drucksache Nr. 32, in der redaktionell etwas veränderten Form - Drucksache Nr. 116 - dem Bundestag ebenfalls einstimmig zur Annahme zu empfehlen.
Ich glaube, es ist nötig, noch folgendes zu sagen. Bei der Bundesbahn ist ein Rückstand von 9000 km Gleisen wieder aufzubessern. 27 000 Weicheneinheiten sind wiederherzustellen. Die Folge ist, daß dieser nicht den Betriebserfordernissen entsprechende Oberbau von 1947 bis 1949 die Langsamfahrstrecken auf die Zahl von 221 ansteigen
({6})
ließ. Diese Langsamfahrstrecken bewirken einen Kohlenmehrverbrauch im Werte von 35 Millionen D-Mark pro Jahr.
({7})
Die Schienenbrüche sind wegen Alters- und Ermüdungserscheinungen des Materials von 16,5 auf 1000 km im Jahre 1937 auf 95 im Jahre 1948 angestiegen. Die Entgleisungen - vor dem Kriege sehr selten - betrugen 1948 570. Ich darf ferner darauf hinweisen, daß 274 Brücken instandzusetzen sind und 1054 Behelfsbrücken durch endgültige Bauwerke ersetzt werden müssen. Auch durch diese Verhältnisse sind weitere 1000 Langsamfahrstellen entstanden. Die Folge ist, daß die Durchschnittsgeschwindigkeit der Bundesbahn, gemessen an europäischen Geschwindigkeiten, um 30 bis 35 Prozent geringer ist. Es erhebt sich für die Transportbehörden des Auslands die Frage, ob Deutschland, das in der Mitte Europas liegt, noch weiter als Transitland durchfahren, oder ob es umfahren werden soll.
Die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft sind daraus ersichtlich. Wir glauben also, soweit der Ausschuß für Verkehrswesen in Frage kommt, daß mit Entlassungen die brennenden Probleme der Bundesbahn nicht gelöst werden können und sind der Auffassung, daß es der Regierungserklärung widerspricht, besonders im größten Staatsbetrieb mit Massenentlassungen das Signal zu weiteren Entlassungen überhaupt zu geben. Aus diesen Überlegungen heraus muß ein Weg gefunden werden, der finanziellen Klemme der Bundesbahn zu begegnen.
({8})
Wir sind ferner der Auffassung, daß die Vernachlässigung dieses wichtigsten Verkehrsträgers zu schwerwiegenden Folgen für die deutsche Wirtschaft im allgemeinen führen wird. Die Erhaltung der Arbeitsplätze bei den Bundesbahnen scheint uns vordringlich zu sein, um nicht ein Signal für eine weitere Belastung des Arbeitsmarktes zu geben, die wir in diesem Augenblick weniger als je ertragen können. Aus diesen Gründen ersucht der Ausschuß für Verkehrswesen und der Ausschuß für Arbeit, dem vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 116 die Zustimmung durch das Hohe Haus zu erteilen.
({9})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wird das Wort dazu gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Darf ich das Haus fragen, ob es einmütig dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 116 zustimmt, oder erhebt sich Widerspruch?
({0})
- Dann müssen wir abstimmen!
({1})
- Herr Abgeordneter Dr. von Brentano zur Geschäftsordnung!
Ich würde vorschlagen, die Abstimmung über Ziffer 2 auszusetzen, bis der Herr Verkehrsminister da ist.
Der Herr Verkehrsminister ist nicht da. Sie haben den Antrag des Abgeordneten Dr. von Brentano gehört. Es wird nicht viel Zweck haben, über den ersten Teil abzustimmen, wenn wir nicht gleichzeitig über den zweiten Teil abstimmen.
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter Jahn!
Ich glaube, daß über den Antrag abgestimmt werden sollte, nachdem er einstimmig im Ausschuß für Verkehrswesen und nur bei einer Enthaltung auch im Ausschuß für Arbeit angenommen worden ist. Ich glaube, es ist unmöglich, daß das Hohe Haus die Entscheidung hierüber weiter hinausschieben kann.
Herr Abgeordneter Jahn, ich höre soeben: der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano hat seinen Antrag zurückgezogen. Auf meine Frage, ob das Haus einmütig dem Antrag unter Drucksache Nr. 116 zustimmt, hat der Herr Abgeordnete Dr. Linnert widersprochen. Wir müssen daher über den Antrag abstimmen.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 116 ist, den bitte ich sitzenzubleiben.
({0})
- Verzeihung, wir sind in der Abstimmung, Herr Abgeordneter Dr. Linnert. - Wer für den Antrag Drucksache Nr. 116 e ist, den bitte ich sitzenzubleiben. - Bitte die Gegenprobe! Wer gegen den Antrag Drucksache Nr. 116 ist, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. ({1})
Dann darf ich noch die Enthaltungen feststellen. - Der Antrag ist mit eindeutiger Mehrheit angenommen. Ich danke Ihnen.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Ich habe dem Hohen Hause noch einige Mitteilungen zu machen.
Wir haben gestern den Antrag Drucksache Nr. 108, betreffend Vorlage eines Überbrückungsgesetzes zum KB-Leistungsgesetz, dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. Die antragstellende Fraktion der CDU/CSU hat den Wunsch, daß der Antrag unter Aufrechterhaltung der Federführung des Sozialpolitischen Ausschusses auch dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen überwiesen wird. Darf ich fragen, ob das Haus mit dieser Erweiterung einverstanden ist? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Weiter habe ich mitzuteilen, daß der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen bittet, daß sich die Mitglieder des Ausschusses sofort nach Schluß des Plenums zu einer kurzen Besprechung in dem Raum neben dem Plenarsaal zusammenfinden.
Ferner bin ich gebeten worden bekanntzugeben, daß der Ausschuß für die Festsetzung des vorläufigen Sitzes der leitenden Bundesorgane am kommenden Dienstag um 14 Uhr 30 zusammentritt, und schließlich habe ich auf Grund einer heute im Ältestenrat getroffenen Vereinbarung bekanntzugeben, daß in der nächsten Woche keine Plenarsitzungen, sondern lediglich Ausschußsitzungen stattfinden. Die nächste Vollversammlung ist am 3. November 1949, 10 Uhr.
Ich erkläre die 13. Sitzung des Deutschen Bundestags für geschlossen.