Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 129. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung
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haben wir wiederum die traurige Pflicht, des Heimganges eines Kollegen zu gedenken. Am 25. März ist in Hannover der Abgeordnete Bruno Leddin, Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion, abberufen worden. Herr Abgeordneter Leddin ist 1898 in Berlin geboren, hat dann eine kaufmännische Lehre absolviert, wurde im ersten Weltkriege schwer verwundet und ist dann städtischer Angestellter und Gewerkschaftssekretär in Pommern gewesen. 1933 wurde er verhaftet; nach der Entlassung wurde er aus politischen Gründen aus Pommern ausgewiesen. Während des Krieges ist er dorthin zurückgekehrt, und 1945 ist er nach Hannover gegangen, als Pommern geräumt werden mußte. In Hannover wurde er 1945 Mitglied des ersten niedersächsischen Landtages und des Wirtschaftsrates sowie Mitglied des Rates der Stadt Hannover. Seit 1947 war er Leiter des Städtischen Sozialamtes. Er gehörte der Sozialdemokratischen Partei seit 1918 an und war Mitglied des Parteivorstandes.
Meine Damen und Herren! In diesem Hause hat der Herr Kollege Leddin eine hingebungsvolle und, wie wir alle sagen dürfen, erfolgreiche und segensreiche Arbeit als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen geleistet. Es ist ihm sicher eine der größten Freuden seines Lebens gewesen, daß das unter seiner besonders tätigen Mithilfe zustande gekommene Versorgungsgesetz vom Bundestag in dieser Einmütigkeit angenommen worden ist. Ich habe namens des Bundestages auch bei der Trauerfeier in Hannover das Beileid des
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Deutschen Bundestages zum Ausdruck gebracht und möchte auch hier Gelegenheit nehmen, darauf hinzuweisen, daß es nach meiner Überzeugung nicht nur für uns, sondern für das ganze deutsche Volk eine Lehre sein sollte, daß wieder einer der Menschen, die sich in besonders hingebungsvoller Weise in diesem Hause für die Notleidenden eingesetzt haben, in der Blüte seiner Jahre hingerafft worden ist. Ich meine, daß viele Menschen in ihrer Stellung zu diesem Hause und zu diesem Staate daraus eine Lehre ziehen sollten.
Sie haben sich zu Ehren des heimgegangenen Kollegen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Abgeordnete von Knoeringen mir gegenüber schriftlich erklärt hat, daß er mit Wirkung vom 3. April 1951 sein Bundestagsmandat niederlege, da er von der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in Bayern zum Fraktionsvorsitzenden gewählt worden sei. Ich begrüße in unserem Kreise seinen Nachfolger, Herrn Dr. Gerhard Kreyssig, und hoffe, daß er mit uns und in unserem Kreise eine erfolgreiche Arbeit leisten kann.
In gleicher Weise darf ich den für den ausgeschiedenen Herrn Abgeordneten Zinn in den Bundestag eingetretenen Abgeordneten, Herrn Professor Dr. Preller, in unserem Kreise mit ebenso herzlichen Wünschen begrüßen.
Meine Damen- und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilung zu machen. Mir ist ein Fernschreiben vorgelegt worden., das der Abgeordnete Dr. Dorls am 30. 3. 1951 an den Bayerischen Innenminister, Herrn Hoegner, gerichtet hat. Dieses Fernschreiben hat folgenden Wortlaut:
Durch Pressevertreter in Bonn wurde mir mitgeteilt, daß laut Erlaß Ihres Ministeriums Versammlungen der Sozialistischen Reichspartei im Reichslande Bayern verhindert werden sollen. Diese Anordnung wird von uns, da verfassungswidrig, als gegenstandslos betrachtet. Unsere Meinung zur Sache: Amerikanisches Terrorregiment durch ihre politischen Zuhälter in Deutschland.
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Unsere Meinung zu Ihrer Person: Sie sind das verächtlichste Subjekt, das die deutsche Erde je getragen hat, ({3})
- Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir die Möglichkeit gäben, diese Mitteilung zu beenden! -- weil Sie sich freiwillig als Hinrichtungszeuge in Nürnberg zur Verfügung gestellt haben.
({4}) Dann die Unterschrift:
Dr. Fritz Dorls, erster Vorsitzender der Sozialistischen Reichspartei.
Meine Damen und Herren! Ich habe keine Veranlassung, dem gestellten Strafantrag und der Behandlung der Frage der Aufhebung der Immunität, mit der sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität beschäftigen wird, in irgendeiner
Weise vorzugreifen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es nicht Aufgabe der Fernschreibeinrichtungen des Bundestages ist, solche Telegramme zu befördern.
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Ich habe Anweisung gegeben, daß der Fernschreiber des Bundestags für den Abgeordneten Doris gesperrt wird.
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Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren, für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage den Abgeordneten Reitzner, Dr. Gerstenmaier, Görlinger. - Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Doris für acht Tage wegen Krankheit,
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Dirscherl für acht Tage wegen Krankheit, Dr. Jaeger für 14 Tage wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Pfleiderer für 14 Tage wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Vogel für drei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Loibl für vier Wochen wegen Krankheit, Bauknecht für fünf Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Gockeln, Paul ({1}), Rische, Schütz, Dr. Bucerius, Dr. Wellhausen.
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Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bitten, den wegen dienstlicher Inanspruchnahme gestellten Urlaubsanträgen zuzustimmen. Ich möchte mich, da ich erst in diesem Augenblick von einer Dienstreise zurückgekehrt bin, zunächst informieren, ob ärztliche Atteste bei den Abgeordneten vorliegen, die krankheitshalber Urlaub erbitten. Ich werde Ihnen in kurzer Zeit vorschlagen, welche Entscheidung zu fällen ist.
Ich stelle fest, daß Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen, der sich ursprünglich für heute entschuldigt hatte, anwesend ist.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat unter dem 16. März 1951 mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung am gleichen Tage den nachstehenden Gesetzen zugestimmt habe bzw. einen Antrag gemäß Art. '77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht stelle:
Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet;
Gesetz über eine Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein;
Gesetz zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verlängerung der Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes über den
Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen; Gesetz zur Änderung und Ergänzung des
Wertpapierbereinigungsgesetzes;
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Zweites Gesetz über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung;
Gesetz über die Bemessung und Höhe der
Arbeitslosenfürsorgeunterstützung;
Gesetz über den Verkehr mit Vieh und
Fleisch;
Gesetz zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein;
Gesetz zur Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes.
Gegen das Gesetz über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft werde er einen Einspruch gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes nicht einlegen.
Den Verordnungen über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung über die Preise für Roheisen, Walzwerkserzeugnisse und Schmiedestücke, über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen und zur Ergänzung und Änderung der Verordnung über Getreidepreise für die Monate Oktober 1950 bis Juni 1951 habe er mit Änderungen zugestimmt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. März 1951 die Anfrage Nr. 117 der Abgeordneten Karpf und Genossen betreffend steuerliche Behandlung der Heimarbeiter und Hausgewerbetreibenden in der Aschaffenburger Bekleidungsindustrie - Drucksache Nr. 1355 - beantwortet. Die Antwort . wird als Drucksache Nr. 2098 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 8. März 1951 zur Anfrage Nr. 151 der Abgeordneten Dr. Wuermeling, Junglas und Genossen betreffend Beseitigung der Doppelgleisigkeit in der Verwaltung der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft - Drucksachen Nr. 1755, 1835 - im Nachgang zu seiner Antwort vom 25. Januar 1951 berichtet. Das Schreiben ist als Drucksache Nr. 2084 abgedruckt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 7. März 1951 die Anfrage Nr. 164 der Fraktion der SPD betreffend Anordnung über betriebliche Erziehungsmaßnahmen bei Jugendlichen vom 22. Oktober 1943 - Drucksache Nr. 1964 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2073 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 15. März 1951 die Anfrage Nr. 166 der Fraktion der Bayernpartei betreffend Abgeltung von Besatzungsschäden im Verhältnis 10 zu 1 - Drucksache Nr. 1994 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2083 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 20. März 1951 die Anfrage Nr. 167 der Fraktion der SPD betreffend Auslieferung von Deutschen an eine Besatzungsmacht - Drucksache Nr. 2001 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2097 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 29. März 1951 die Anfrage Nr. 168 der Fraktion der SPD betreffend Vierte Verordnung zur Ausführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses - Drucksache Nr. 2002 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2103 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 31. März 1951 die Anfrage Nr. 172 der Fraktion der FDP betreffend Preußische Gemäldesammlungen - Drucksache Nr. 2049 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2104 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. März 1951 über die Ausführung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 22. Februar 1951 betreffend Stundung der Soforthilfeabgabe berichtet. Sein Schreiben ist als Drucksache Nr. 2102 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe Punkt 1 der
Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Frau Wessel und Fraktion des Zentrums, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei, Tichi, Schuster und Genossen betreffend Wiederherstellung der deutschen Rechte an dem Konzern der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG. ({1}).
Der Ältestenrat hat eine Begründungszeit von 10 Minuten vorgesehen.
Zur Begründung der Interpellation hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram das Wort.
Dr. Bertram ({2}), Interpellant: Meine Damen und Herren! Der Gegenstand der Interpellation wird das Außenministerium zum erstenmal in Funktion setzen. Ich muß etwas weiter ausholen, um Ihnen den Gegenstand näherzubringen.
Als 1929 die Gesellschaft - zunächst Enka, später Aku - gegründet wurde, hat man diesen Vertragsweg gewählt, weil im internationalen Recht die Möglichkeit zu einer Fusion nicht gegeben war. Man hat wirtschaftlich zwar eine Fusion gewollt, hat sie aber formaljuristisch nicht schaffen können. Man hat aber in den Vertragsbestimmungen und in den Begleitverträgen den Gedanken der Parität zwischen den holländischen und den deutschen Vermögensinteressen ausdrücklich bejaht. Wirtschaftlich gesehen war der deutsche Vermögensanteil wesentlich größer als der holländische. Bei einem deutschen Vermögenswert Ende 1928 von rund 200 Millionen Mark und einem holländischen Vermögen von rund 40 Millionen Mark, umgerechnet, hätte es nahegelegen, das holländische Vermögen in eine deutsche Gesellschaft einzubringen. Man hat aber eine holländische Rechtsform gewählt. Die Gründe hierfür zu untersuchen, würde im einzelnen zu weit führen; offenbar aber ist es geschehen, um eine deutsche Kontrolle über das deutsche Vermögen, das in dieser holländischen Schale untergebracht wurde, zu erschweren.
Die Vertragsgrundlage für dieses ganze Vertragswerk ist aber mit Zustimmung der holländischen Regierung dahin gefunden worden, daß der wirtschaftliche deutsche Einfluß gewahrt wurde. Es sind neue Aku-Aktien an die deutschen Aktionäre ausgegeben worden. Die holländische Regierung hat 1929 zugestimmt. Die Tatsache, daß es sich hierbei formal im wesentlichen um eine holländische Gesellschaft, wirtschaftlich aber um deutsch-holländisches Gemeinschaftseigentum handelt, ergibt sich ganz klar und deutlich aus
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Ziffer 8 des Begleitvertrages. Nach Ziffer 7 des Begleitvertrages ist ein Arbeitsausschuß gebildet worden, in dem neben zwei Holländern fünf deutsche Herren tätig waren. Dieser Arbeitsausschuß hat folgende Funktion - und das ist der entscheidende Punkt -:
In bezug auf den Arbeitsausschuß ist zwischen den beiden Gesellschaften vereinbart, daß diesem Ausschuß gemäß den in den Statuten der Unie vorgesehenen Ermächtigungen die Führung der laufenden Geschäfte des Gesamtunternehmens und insbesondere die Ausübung der durch die Statuten dem Aufsichtsrat vorbehaltenen Rechte bezüglich der Verwaltung der Beteiligungen und der mit den Beteiligungen verbundenen Rechte zusteht.
Damit war also festgestellt, daß der Arbeitsausschuß, in dem eine deutsche Mehrheit bestand, bei der Aku die Verfügung und die Rechte des Aufsichtsrats über das Glanzstoff-Aktienpaket hatte, das in die Aku eingebracht worden war.
Man kann aus diesem Vertrag nur die Schlußfolgerung ziehen, daß es sich tatsächlich um ein internationales Treuhandverhältnis, in die Form der Einbringung von deutschen Vermögenswerten in eine holländische juristische Person gekleidet, handelt. Die Aku-Aktien, die also jetzt den früheren Glanzstoff-Aktionären im Austausch gegeben wurden, stellten deshalb materiell kein holländisches Vermögen dar, sondern eigentlich nichts anderes als das ursprüngliche deutsche Glanzstoff-Vermögen, das nur eine andere juristische Form bekommen hatte.
Durch Verordnung der holländischen Regierung von 1944 sind diese Aku-Aktien zu Unrecht den deutschen Aktionären enteignet worden da es sich im Kern um innerdeutsches Vermögen handelte. Damit wurde innerdeutsches Vermögen, nämlich der gesamte Glanzstoffkonzern, der gesamte Glanzstoffbesitz unter holländische Kontrolle gestellt und auch substantiell holländisches Staatsvermögen. Durch diese Verordnung von 1944 - und das ist der entscheidende Punkt - wurde deutsches, in Holland nur liegendes Treuhandvermögen Deutschland enteignet und zu holländischem Staatsvermögen gemacht. 1947 hat die holländische Regierung den von mir so genannten Treuhandvertrag, in dem der Arbeitsausschuß gebildet worden war und in dem die Rechte des Arbeitsausschusses statuiert worden waren, für nichtig erklärt.
Der Schaden für die deutsche Volkswirtschaft ist sehr groß. Es sind wenigstens 100 Millionen Gulden nach dem derzeitigen Börsenwert, die der deutschen Volkswirtschaft entgangen sind. Dieses Vermögen verzinst sich im Durchschnitt der letzten Jahre mit 7 bis 71/2 °/o. Diese Zinsen sind wieder nach Holland geflossen, statt daß sie in Deutschland geblieben wären. Das Glanzstoffunternehmen in Deutschland arbeitet also, obwohl es selbst. formell noch als deutsches Unternehmen dasteht, praktisch nur für Holland, ohne daß Holland je. mals eine Gegenleistung für diese Glanzstoffaktien gegeben hätte.
Die holländische Regierung stützt sich nun auf das Kontrollratsgesetz Nr. 5. Dieses Gesetz greift überhaupt nicht ein; denn Art. 2 des Kontrollratsgesetzes Nr. 5 bestimmt ausdrücklich, daß nur außerhalb Deutschlands befindliches Vermögen beschlagnahmt wird. Die Aku-Aktien sowohl wie das wirtschaftlich dahinter stehende Glanzstoffvermögen - die Fabriken, die Grundstücke und die sonstigen Werte - waren aber niemals ausländisches Vermögen, sondern sind immer nur innerdeutsches Vermögen gewesen, so daß das Kontrollratsgesetz Nr. 5 überhaupt nicht eingreift. Holland hat die deutschen Stücke für nichtig erklärt. Das ist auch ein Verstoß gegen das internationale Privatrecht, weil diese Stücke sich nicht in Holland befanden, sondern immer in Deutschland gewesen sind. Holland hat also damit gegen die Haager Landkriegsordnung verstoßen, die verbietet, daß fremdes Privateigentum im fremden Land beschlagnahmt wird. Das Militärregierungsgesetz Nr. 53 mag zwar eingreifen; aber dieses Gesetz Nr. 53 hindert die deutsche Verwaltung und die deutsche Regierung nicht, einzugreifen und eine Wiederunterstellung unter deutsche Verwaltung sicherzustellen. Dadurch wird insbesondere auch nicht verhindert, daß die deutsche Regierung die eventuell jetzt nicht mehr zeitgemäßen Treuhandverträge auflöst und das deutsche Glanzstoffvermögen auch formell wieder in deutsche Hand zurückführt.
Meine Damen und Herren, dieser Punkt hat Parallelen bei dem Traktatrecht; aber gerade bei dem Traktatrecht sind die Dinge, von deutscher Seite aus gesehen, sogar noch ungünstiger, weil ja die Grundstücke, die von Holland ergriffen worden sind, in Holland liegen. Hier handelt es sich aber um wirtschaftlich immer in Deutschland gebliebene Vermögensstücke, die die holländische Regierung zu Unrecht mit Beschlag belegt hat.
Meine Damen und Herren! Die Schumanplanverhandlungen sind so weit abgeschlossen und haben die Möglichkeit ergeben, daß im größeren europäischen Rahmen tatsächlich auf einem gewissen industriellen Sektor eine Vereinigung herbeigeführt wird: Diese Glanzstoff-Fusion, die damals aus Mangel an einem internationalen europäischen Recht diesen eigenartigen Weg gefunden hat: Einbringung der Glanzstoffaktien in die Aku und dafür Begebung von Aku-Aktien nach Deutschland, ist - so kann man sagen - eine Art Vorstufe oder eine Art Parallelerscheinung zu einer internationalen europäischen Industrievereinigung. Wenn man sich jedoch klarmacht, daß sich hier eine Regierung wie die holländische nicht scheut, unter Verletzung des internationalen Privatrechts, wenn sie gerade einmal die politische Übermacht zu haben glaubt, den Partner an diesem Vertrage zu enteignen und damit die von ihr selbst 1929 gegebene Zustimmungserklärung für null und nichtig zu bezeichnen, dann muß das natürlich für das Vertrauen in- alle intereuropäischen wirtschaftlichen Abmachungen eine beträchtliche Rückwirkung haben.
Ich bin deshalb der Ansicht, daß die deutsche Bundesregierung alles tun sollte, um alsbald entweder die wahrhaftige Durchführung der ursprünglichen Verträge von 1929 sicherzustellen oder aber eine Auflösung der Entflechtung durch Aufteilung des ursprünglich holländischen Vermögensanteils und des ursprünglich deutschen Vermögensanteils in zwei wieder selbständige Vermögen herbeizuführen.
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Zu der Interpellation auf Drucksache Nr. 2014 nehme ich wie folgt Stellung.
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Die Zusammenhänge, insbesondere die aktienmäßige Verflechtung der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG mit der Allgemeinen Kunstseide-Union - Aku - sowie die Tatsache der Beschlagnahme der im deutschen Besitz befindlichen Aku-Aktien durch den holländischen Staat sind der Bundesregierung bekannt. Für die Errichtung der ersten deutschen Perlonfabrik sind der Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG 5 Millionen DM als Kredit zur Verfügung gestellt worden. Diese Gelder stammen jedoch nicht aus ERP-Mitteln, sie wurden vielmehr aus dem Exportförderungsprogramm der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Ziel dieses Investitionskredits war die Errichtung einer Anlage zur Herstellung von Perlonseide und Perlongarn. Der Kredit wurde gewährt, weil durch die Aufnahme einer derartigen Produktion Einsparungen an Devisen zu erwarten sind sowie Exportmöglichkeiten für Perlonfertigwaren geschaffen wurden.
Unmittelbare Schritte zur Beseitigung der Folgen des von der holländischen Regierung unter Verletzung des Völkerrechts, insbesondere der Haager Landkriegsordnung, begangenen Unrechts konnten seitens der Bundesregierung bei der holländischen Regierung bisher nicht eingeleitet werden, da die Fragen der Behandlung des deutschen Vermögens im Auslande auch nach dem revidierten Besatzungsstatut noch zu den Vorbehaltsgebieten der Alliierten Hohen Kommission gehören.
Holland hat die Schlußakte der Pariser Reparationskonferenz vom 14. Januar 1946 unterzeichnet und sich damit zu der in diesem Abkommen getroffenen Vereinbarung über die Beschlagnahme und Verwertung des deutschen Eigentums im Ausland zu Reparationszwecken bekannt. Die Bundesregierung hat bei allen sich ihr bietenden Gelegenheiten darauf verwiesen, daß die in dem Pariser Reparationsabkommen getroffenen Maßnahmen von ihr als völkerrechtswidrig angesehen und mithin nicht anerkannt werden können.
Die Bundesregierung ist laufend bemüht gewesen und wird es weiter sein, wegen der Behandlung des deutschen Vermögens im Auslande von der Alliierten Hohen Kommission Erleichterungen zugestanden zu erhalten. Diese Bestrebungen sind jedoch seitens der Alliierten Hohen Kommission bisher stets ablehnend beschieden worden. Gleichwohl wird die Bundesregierung auch in Zukunft nichts unversucht lassen, um die Genehmigung der Allierten Hohen Kommission zur Erleichterung auf diesem Gebiete zu erlangen. Sie erachtet es jedoch in diesem Zeitpunkt nicht für zweckmäßig, unter Berufung auf Art. 25 des Grundgesetzes innerdeutsche gesetzliche Maßnahmen zu ergreifen, die die holländische Herrschaft über die Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG. so lange beseitigen oder einschränken, bis die Rechte der deutschen Aktionäre an der Aku und die vertraglichen Rechte der deutschen Gesellschaft und der deutschen Verwaltungsmitglieder wiederhergestellt sind.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Darf ich fragen, ob Abgeordnete eine Besprechung der Interpellation wünschen? - Das sind jedenfalls nicht 50 Abgeordnete. Damit ist dieser. Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen des Bergbaus sowie
der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie
({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) Nrn. 2042, zu 2042 der Drucksachen).
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Berichterstatter ist der Abgeordnete Sabel. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Sabel ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in der Sitzung vom 14. Februar den vorliegenden Gesetzentwurf in erster Lesung beraten. Der Gesetzentwurf wurde dem Ausschuß für Arbeit und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen. Die beiden Ausschüsse haben bereits am darauffolgenden Tag mit der Beratung begonnen. Um eine beschleunigte Bearbeitung zu ermöglichen, wurde auch in diesem Fall ein Arbeitskreis bestellt, bestehend aus den Vertretern der beiden Ausschüsse. Dieser Arbeitskreis hat in 12 Sitzungen den Entwurf durchberaten. Dann haben die beteiligten Ausschüsse zu dem Beratungsergebnis Stellung genommen und es im wesentlichen . übernommen. Nunmehr ist das Ergebnis dem Hohen Hause zur Beschlußfassung zugeleitet.
Bei den Beratungen des Gesetzentwurfs im Ausschuß zeigte sich, daß manche Korrekturen notwendig wurden, weil die kurze Zeit, die den beteiligten Ministerien für die Vorbereitung des Entwurfs zur Verfügung stand, eben doch nicht ausgereicht hat, um die mit dem Gesetz zusammenhängenden Fragen ausreichend zu klären. Das wurde in elm Ausschußberatungen im wesentlichen nachgeholt.
In einer Reihe von Fragen ergab sich bei der Ausschußberatung Übereinstimmung, insbesondere bei der Bestimmung über den Geltungsbereich, den fachlichen Geltungsbereich, möchte ich sagen, nicht jedoch bei der Frage der Betriebsgröße. Dann war wohl unumstritten, daß die Arbeitnehmer in gleicher Zahl wie die Eigentümer in den Aufsichtsräten vertreten sein sollten. Weiter war unbestritten, daß der Arbeitsdirektor eine gleichberechtigte Stellung im Vorstand der Unternehmen haben sollte. Ferner waren sich die beteiligten Ausschüsse darüber klar, daß die vorgesehenen Senate - Kohle- und Eisensenat - nicht übernommen werden sollten.
Im einzelnen möchte ich zu der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 2042 folgendes sagen. Die Überschrift ist geändert, und zwar um deutlich zu machen, daß in diesem Gesetz nur eine Teilfrage behandelt wird, die Frage der Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten und in den Vorständen der in Frage kommenden Unternehmen.
Bei den Beratungen des § 1 Abs. 1 ging es darum, eine Umgrenzung zu finden, die doch der Meinung derjenigen entsprach, die bei der Schaffung der Richtlinien, die als Vorlage für das Gesetz geschaffen wurden, beteiligt waren. Es kam darauf an, eine Fassung zu finden, die weder eine Einengung noch eine Ausweitung möglich macht. Der Ausschuß glaubt, daß die Ihnen vorgeschlagene Formulierung ausreicht.
Im Gegensatz zum Regierungsentwurf ist in Abs. 1 unter Buchstabe a auch noch die Aufbereitung, Verkokung, Verschwelung und Brikettierung der Kohlengrundstoffe mit einbezogen worden. Der Ausschuß war in seiner Mehrheit der Auf({4})
fassung, daß dies wegen der engen Verbindung dieser Betriebsabteilungen mit der Förderung usw. notwendig sei.
In § 1 Abs. 2 wird die Frage der Betriebsgröße behandelt. Der Regierungsentwurf hatte hierzu in § 13 Vorschläge unterbreitet. Der Ausschuß war aber der Meinung, daß das zusammenhängend in § 1 geregelt werden sollte. Wie Sie sehen, kommt es im wesentlichen darauf an, daß Betriebe mit mehr als 1000 Arbeitnehmern oder Einheitsgesellschaften dem Gesetz unterstellt werden sollen. Diese Regelung wurde in den beteiligten Ausschüssen mit Mehrheit beschlossen. Ebenfalls hat der Ausschuß mit Mehrheit die Bestimmung im Regierungsentwurf gestrichen, nach welcher Unternehmen dem Gesetz unterstellt werden sollten, die mehr als eine Million DM Nennkapital haben. Diese Streichung erfolgte, weil sich bei den Beratungen zeigte, daß die Beibehaltung dieser Fassung zu dem Ergebnis geführt hätte, daß eine beachtliche Zahl von Betrieben nunmehr dem Gesetz unterstellt worden wäre, die eine Belegschaftsstärke von weit unter 1000 Mann haben. Die Minderheit im Ausschuß hat die Auffassung vertreten, daß bereits Betriebe mit 300 Beschäftigten dem Gesetz unterstellt werden sollten. Dabei war allerdings vorgeschlagen worden, den Aufsichtsrat in diesen Betrieben von 300 bis 1000 Beschäftigten nur mit 7 Personen zu besetzen und die Möglichkeit zu schaffen, in diesen kleineren Betrieben von der Bestellung des Arbeitsdirektors Abstand zu nehmen.
In § 2 ist gesagt, daß die Bestimmungen des Aktiengesetzes, des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, der Berggesetze und des Betriebsverfassungsrechts nicht anzuwenden sind, soweit sie dem vorliegenden Gesetz widersprechen. In diesen Gesetzen sind einige Bestimmungen enthalten, die sich mit dem vorliegenden Gesetz nicht vereinbaren lassen. Darum war diese Bestimmung aufzunehmen.
In § 3 wird bestimmt, daß die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und die bergrechtlichen Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit zukünftig Aufsichtsräte zu schaffen haben. Hier ist auch vorgesehen, daß die Vorschriften des Aktienrechts auf diese Aufsichtsräte sinngemäß Anwendung finden.
Die §§ 4 und 9 behandeln die Größe des Aufsichtsrates. In § 4 ist der Regelfall behandelt; in § 9 sind Ausnahmen vorgesehen. Der Regelfall sieht die Besetzung der Aufsichtsräte mit 11 Personen vor. Die Aufsichtsräte setzen sich danach aus vier Vertretern der Anteilseigner und einem weiteren Mitglied, vier Vertretern der Arbeitnehmer und einem weiteren Mitglied und dem sogenannten elften Mann zusammen. Ausnahmen sollen für Betriebe mit mehr als 20 Millionen DM Nennkapital möglich sein. Bei diesen Betrieben soll eine Ausweitung des_ Aufsichtsrats bis auf 15 Mitglieder möglich sein. Bei Betrieben mit mehr als 50 Millionen DM Nennkapital soll eine Ausweitung des Aufsichtsrats auf 21 Mitglieder ermöglicht werden. Der Regierungsentwurf hatte bei den weiteren Mitgliedern von „unabhängigen Mitgliedern" gesprochen. Der Ausschuß war der Auffassung, daß diese Definition noch größere Schwierigkeiten schaffen und zu Meinungsverschiedenheiten führen könnte, weil über den Begriff „unabhängig" nicht
immer eine einheitliche Auffassung herbeigeführt werden kann. Für die weiteren Mitglieder sind im
Abs. 2 des § 4 einige Voraussetzungen vorgesehen.
Die Meinung des Ausschusses ging dahin, daß dieses weitere Mitglied nicht Interessent im engeren Sinne sein solle. Insbesondere wurde im Ausschuß auch die Auffassung vertreten, daß diese weiteren Mitglieder im Unternehmen doch auch in stärkerem Maße die Interessen der Allgemeinheit wahren sollten. Es sollte hier eine Möglichkeit gegeben sein, auf die Interessen der Allgemeinheit Rücksicht zu nehmen.
Der § 5 behandelt die Frage der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Eigentümerseite. Hier ist das Wahlrecht der Hauptversammlung unbestritten.
Besonders wichtig ist der § 6. Hierüber haben im Ausschuß die längsten Beratungen stattgefunden. Es war auch bis zum Abschluß der Beratungen nicht möglich, hier eine Übereinstimmung zu erzielen. Die Meinungen waren doch sehr differenziert, und ich möchte sagen, daß eigentlich hier die grundsätzlichste Meinungsverschiedenheit bestand. Die Mehrheit des Ausschusses, die ja diesen Ausschußbericht gebilligt hat, vertrat die Auffassung, daß im Gesetz ein stärkeres Recht der Belegschaft verankert werden müßte. Dabei sollten die Interessen der Gewerkschaften nicht zu kurz kommen. Sie sollten ja durch zwei Mitglieder im Aufsichtsrat vertreten sein; aber die Belegschaft sollte durch ein Wahlorgan auch diese Mitglieder der Gewerkschaften bestätigen.
Weiterhin ist es bei der Beratung dieser Bestimmung zu einer beachtlichen Diskussion über die Frage gekommen, ob man den Begriff der Spitzenorganisation im Gesetz verankern sollte, wie es der Regierungsentwurf an verschiedenen Stellen tut. In § 3 des Entwurfs ist umschrieben, welche Spitzenorganisation in Frage kommen soll, nämlich diejenige, welcher die Gewerkschaft angehört, die in dem Unternehmen über die größte Mitgliederzahl verfügt. Es heißt wohl in § 5 des Regierungsentwurfs, daß die zuständige Spitzenorganisation bei ihren Vorschlägen die Minderheiten in billiger Weise berücksichtigen soll. Es ist nicht erkennbar, ob damit auch die gewerkschaftlichen Minderheiten gemeint waren. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, den Begriff der Spitzenorganisation nicht im Gesetz zu verankern; er spricht vielmehr von den Rechten der in dem Unternehmen vertretenen Gewerkschaften. Bei Annahme des Ausschußantrags würden die Gewerkschaften entsprechend ihrer zahlenmäßigen Vertretung in dem Betrieb zum Zuge kommen, weil ja auch die Zusammensetzung des Wahlorgans dem Stärkeverhältnis der im Betrieb vertretenen Organisationen zweifellos sehr stark entspricht.
Vom Ausschuß wurde ein Wahlkörper vorgeschlagen, der die Personen wählen soll, die von der Arbeitnehmerschaft in den Aufsichtsrat entsandt werden. Ursprünglich war der Wunsch geäußert worden, diese Personen durch Urwahlen zu bestellen. Besondere Gründe und Schwierigkeiten führten dazu, daß der Ausschuß in seiner Mehrheit einen anderen Wahlkörper vorschlägt, und zwar die gewählte Betriebsvertretung, die durch eine Anzahl von Wahlmännern ergänzt werden sollte. Seitens der Minderheit wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Wahl der Wahlmänner eine gewisse Beunruhigung in die Betriebe hineintragen würde und es an einer Garantie dafür fehle, daß nicht ungeeignete Personen zum Zuge kommen.
In Abs. 2 des § 6 ist festgelegt, daß von dem Wahlkörper zwei Vertreter der Arbeitnehmer nach Vorschlägen der in dem Unternehmen vertretenen Gewerkschaften zu wählen sind. Ich sagte schon
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einmal: damit ist die Sicherheit gegeben, daß die Gewerkschaften bei der Besetzung der Aufsichtsräte entsprechend berücksichtigt werden. Die zwei weiteren Mitglieder sollen ein Arbeiter und ein Angestellter aus dem Unternehmen sein. Hier liegt das Vorschlagsrecht bei den Betriebsräten und den Arbeitnehmern, die sich allerdings vorher mit den Gewerkschaften beraten sollen. Im übrigen ist im Ausschuß die Meinung zutage getreten, daß die gegenseitige Beratung von Gewerkschaft und Belegschaft allgemein wünschenswert sei, damit alle Vorschläge möglichst in Übereinstimmung zwischen Gewerkschaft und Belegschaft gemacht werden.
Damit nun der vorgesehene Wahlkörper eine echte Wahl vornehmen kann, soll nach der Vorlage des Ausschusses die doppelte Zahl der zu wählenden Personen vorgeschlagen werden; es soll also nicht nur mit einer Bestätigung sein Bewenden haben. Das Nähere soll in Durchführungsbestimmungen festgelegt werden.
Die Minderheit im Ausschuß hat den Vorschlag gemacht, den § 5 des Regierungsentwurfs zu übernehmen. Es kam dabei zum Ausdruck, daß sich die Spitzenorganisationen bezüglich ihrer Vorschläge an das Wahlorgan mit dem Betriebsrat im Unternehmen verständigen würden. Es wurde darauf hingewiesen, daß durch die Einschaltung der Spitzenorganisation die Gewähr für die rechte Auswahl gegeben sei.
In § 7 ist der Fall behandelt, daß der Aufsichtsrat für eine längere Zeit nicht ausreichend besetzt ist. Es ist hier die Bestimmung eingebaut, daß das Gericht gemäß den Bestimmungen des Aktiengesetzes die fehlenden Mitglieder zu bestellen hat. Allerdings muß die Bestellung sofort widerrufen werden, wenn der Mangel behoben ist.
Eine weitere wichtige Frage ist im § 8 der Vorlage behandelt, und zwar die Frage der Wahl des elften Mitglieds im Aufsichtsrat. Die Bestimmung im Regierungsentwurf war nach der Meinung des Ausschusses nicht klar genug gehalten. Es war hier vorgesehen, daß das elfte Mitglied auf Vorschlag der übrigen Aufsichtsratsmitglieder durch das Wahlorgan gewählt werden sollte, wobei allerdings eine qualifizierte Mehrheit in der Form vorhanden sein sollte, daß von jeder Seite, also von der Eigentümerseite und von der Arbeitnehmerseite, mindestens je drei Mitglieder dem Vorschlag zustimmen. Sofern ein Vorschlag nicht zustande kommen oder die vorgeschlagene Person vom Wahlorgan nicht gewählt würde, sollte ein zu schaffender Senat angerufen werden. Dieser sollte dann dem Wahlorgan drei Personen vorschlagen, aus denen das Wahlorgan das Aufsichtsratsmitglied wählen sollte. Wenn auch jetzt keine Wahl zustande kommt, kann das Wahlorgan weitere Vorschläge erbitten; dabei ist das Wort „kann" zu betonen.
Es bestand nun ein Meinungsstreit darüber, ob das Wahlorgan frei werden würde. Das ist die Lücke im Gesetz. Die Auffassungen über die Frage waren sehr stark differenziert. Der Ausschuß hat den Ihnen vorliegenden Vorschlag gemacht, daß zunächst einmal versucht wird, den elften Mann durch den Aufsichtsrat zu wählen. Wenn das zu keinem Ergebnis führt, soll ein Vermittlungsausschuß aus vier Mitgliedern und einem unparteiischen Vorsitzenden gebildet werden, wobei jede Gruppe - Eigentümer- und Arbeitnehmergruppe - zwei Mitglieder in diesen Vermittlungsausschuß entsendet. Dabei ging der Ausschuß von der Auffassung aus, daß diese Mitglieder selbst dem Aufsichtsrat nicht angehören sollen. Die Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden soll von der Bundesregierung erfolgen. Dieser Vermittlungsausschuß hat dann die Aufgabe, drei Vorschläge an das Wahlorgan, die Hauptversammlung zu machen. Falls dieses Wahlorgan keinen der Vorschläge akzeptiert, wird der elfte Mann von dem Vermittlungsausschuß bestellt. Der Ausschuß war einmütig der Meinung, daß der im Regierungsentwurf - in den §§ 11 und 12 des Regierungsentwurfs sind die Bestimmungen eingebaut - vorgesehene Senat nicht geeignet sei, bei der Findung des elften Mannes ausreichende Hilfe zu leisten. Auch war der Ausschuß der einmütigen Auffassung, daß man den Aufgabenbereich dieses vorgesehenen Senats zu weit abgesteckt hatte.
In § 13 ist die Frage des Arbeitsdirektors behandelt. Es ist vorgesehen, daß als gleichberechtigtes Mitglied des zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organs ein Arbeitsdirektor zu bestellen ist. Über die Tatsache, daß ein Arbeitsdirektor bestellt wird, bestanden an sich keine wesentlichen Meinungsverschiedenheiten. Nur über die Form, wie die Wahl zustande kommen sollte, waren die Auffassungen differenziert. Während ein Teil die einfache Mehrheit für ausreichend hielt, war ein anderer Teil, und zwar die Mehrheit des Ausschusses, der Meinung, daß für die Wahl hier doch eine qualifizierte Mehrheit notwendig sei, und zwar in der Form, wie sie im Regierungsentwurf vorgesehen ist: daß die Mehrheit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Bestellung des Arbeitsdirektors zustimmen müßte, um die Sicherheit zu haben, daß hier ein echtes Vertrauensverhältnis zwischen den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat und dem Arbeitsdirektor besteht. Mit der gleichen Stimmenmehrheit wurde auch die Bestimmung aufgenommen, daß dasselbe für den Widerruf der Bestellung gelten soll. Hier waren sehr beachtliche Einwände festzustellen, die dahin gingen, man brauche keine Bedenken zu haben, daß man willkürlich einen Arbeitsdirektor mit einfacher Mehrheit abberuft; das Aktienrecht sieht ja hier gewisse Sicherungen vor.
In § 14 sind die Termine festgelegt, wann das Gesetz in Kraft tritt.
Eine Frage möchte ich hier noch kurz andeuten. Während der Beratungen sind seitens des Auslandsbesitzes über die Bundesregierung Wünsche an den Ausschuß herangetragen worden. Der französische Hohe Kommissar und sein Stellvertreter, dann auch die belgische Vertretung haben Bedenken gegen die vorliegende Fassung des Regierungsentwurfs, aber auch gegen einen Teil der Verhandlungsergebnisse im Ausschuß vorgetragen. Das Ausland ist mit neun Unternehmen beteiligt. Es handelt sich um das Aachener Kohlenrevier, um zwei Unternehmen im Kohlenbergbau an der Ruhr und um einen Betrieb in der Braunkohlenindustrie. Man befürchtete - und deswegen wurden die Bedenken insbesondere geltend gemacht -, das Gesetz würde für den Auslandsbesitz schon früher in Kraft treten als für den deutschen Besitz. Diesen Bedenken ist vom Ausschuß dadurch Rechnung getragen worden, daß man den Termin des Inkrafttretens entgegen dem Regierungsvorschlag auf den 31. Dezember 1951 festgelegt hat. Nach menschlichem Ermessen ist damit doch die Sicherheit gegeben, daß diese Betriebe gegenüber anderen Betrieben nicht dadurch benachteiligt werden, indem sie dem Gesetz früher unterstellt werden.
Ein weiterer Wunsch ging dahin - und das war
({6})
wohl das Wesentliche -, für diese Betriebe ein stärkeres Recht der Eigentümerseite auf die Bestellung des elften Mannes vorzusehen. Der Ausschuß hat die Auffassung vertreten, daß man diesem Wunsch im Gesetz nicht entgegenkommen könne, daß man es vielmehr den Gremien, die nun den elften Mann suchen, überlassen müsse, diese Bedenken und diese Einwände des Auslandsbesitzes zu berücksichtigen. Zweifellos sind wesentliche Argumente seitens des Auslandsbesitzes vorgetragen worden. Der Ausschuß war der Meinung, daß diese Argumente bei der Auswahl des elften Mannes in den dafür vorgesehenen Gremien berücksichtigt werden können.
Meine Damen und Herren, damit bin ich am Ende. Ich möchte namens des Ausschusses bitten, den Ihnen vorgelegten Vorschlägen des Ausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
({7})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten
Beratung und rufe zunächst auf § 1. ({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Angesichts der Entwicklung und der Behandlung der vorliegenden Frage sowohl innerhalb dieses Hauses als auch draußen in der öffentlichkeit ist es doch wohl zweckmäßig, noch einmal in eine allgemeine Aussprache über die jetzt entstandene Situation einzutreten. Ich beantrage, über ) diese Vorlage eine allgemeine Debatte zu führen.
Meine Damen und Herren, nach § 40 der Geschäftsordnung kann der Bundestag in der zweiten Beratung eine allgemeine Besprechung zulassen. - Ich frage, welche Damen und Herren eine allgemeine Besprechung wünschen. - Ich stelle fest, daß außer den sechs anwesenden Abgeordneten der KPD niemand dies wünscht.
Ich eröffne die Einzelbesprechung. Zu § 1 hat sich Herr Abgeordneter Dr. Koch zum Wort gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Fraktion der SPD habe ich zu § 1 die Ihnen vorliegenden Anträge zu stellen und zu begründen. Ich sage ausdrücklich nicht Abänderungsanträge; denn es handelt sich vor allen Dingen um Ergänzungs- und um Erläuterungsanträge, die um deswillen notwendig sind, damit nicht eines Tages bei der Auslegung des Gesetzes Zweifel entstehen, die wir alle nicht wollen.
In § 1 Abs. 1 Buchstabe b finden Sie in der letzten Zeile die Worte „und nicht liquidiert". Diese Worte „und nicht liquidiert" können nur bedeuten, daß in liquidierten Unternehmen das Mitbestimmungsrecht keine Anwendung findet. Eine derartige Bestimmung in diesem Gesetz ist unseres Erachtens völlig überflüssig. Wir beantragen daher, die Worte „und nicht liquidiert" zu streichen.
In der Überschrift des Gesetzes finden Sie die Worte „der Eisen und Stahl erzeugen den Industrie". Ebenso finden Sie in § 1 Abs. 1 unter Buchstabe b die Worte „den Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie". Nach Ansicht meiner Fraktionsfreunde ist es unbedingt notwendig, daß wir diese Worte „Eisen und Stahl erzeugende Industrie" erläutern, daß wir also in das Gesetz unter dem Buchstaben b eine Definition darüber aufnehmen, was Eisen und Stahl erzeugende Industrie bedeutet. Wir haben den Begriff definiert und beantragen, unter Buchstabe b folgende Formulierung aufzunehmen:
Zu den Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie im Sinne dieses Gesetzes gehören alle Unternehmen, die Eisen und Stahl erzeugen oder insbesondere warm verarbeiten, einschließlich aller Betriebsabteilungen.
({0})
Der Begriff Eisen- und Stahlerzeugung ist zweifellos zu eng; ér ist auch ungenau.
({1}) Wir wünschen, daß in dieses Gesetz über das Mitbestimmungsrecht auch die Abteilungen und Betriebe von Unternehmen aufgenommen werden, die Eisen und Stahl verarbeiten.
({2})
Bei allzu enger Auslegung des Gesetzes würde nämlich die Eisenerzeugung hinter dem Hochofen aufhören, die Stahlerzeugung hinter dem Stahlwerk, sei es nun hinter dem Siemens-Martin-Ofen, hinter dem Konverter oder hinter dem ElektroOfen. Wir sind uns, glaube ich, alle darüber einig, daß es völlig unmöglich ist, derartige Grenzen zwischen die Betriebe und Betriebsabteilungen der Eisen- und Stahlindustrie in weiterem Sinne zu ziehen. Es ist ganz unmöglich, daß man etwa ein Mitbestimmungsrecht lediglich für die Unternehmen der Eisen- und Stahlerzeugung im engeren Sinne schafft und die Eisen- und Stahlindustrie im weiteren Sinne nicht erfaßt. Wir sind uns doch alle darüber einig - das ist im Ausschuß auch nicht bestritten worden -, daß der Umfang der Unternehmen und Betriebe, die unter den § 1 Abs. 1 Buchstabe b fallen, in erster Linie durch die Worte bestimmt wird: „in dem Umfang, wie er in Gesetz Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission vom 16. Mai 1950 ... bezeichnet ist, soweit diese Unternehmen in Einheitsgesellschaften im Sinne des Gesetzes Nr. 27 überführt oder in anderer Form weiterbetrieben und nicht liquidiert werden". Unter das Gesetz Nr. 27 fallen aber sicherlich nicht nur Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie in engerem Sinne, sondern in dem Sinne, wie ich es gesagt habe, bestimmt auch Unternehmen der Eisen und Stahl verarbeitenden Industrie, nämlich meinetwegen Walzwerke, in denen die Erzeugnisse des Stahlwerks weiterverarbeitet werden. Aus diesem Grunde dürfen wir es, wenn wir nicht jetzt schon Zweifel über das, was wir alle wollen, aufkommen lassen wollen, nicht bei dem Begriff Eisen und Stahl ererzugende Industrie belassen, sondern müssen die Definition in das Gesetz aufnehmen, die wir Ihnen vorgeschlagen haben.
Bei der Kohle - wir haben das soeben von dem Herrn Berichterstatter gehört -, also bei den Unternehmen des Bergbaus, die unter § 1 Abs. 1 Buchstabe a aufgeführt sind, haben wir uns ausdrücklich zu derartigen Formulierungen bekannt. Wir haben dort die Weiterverarbeitung ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen. Es ist nicht einzusehen, weshalb wir bei den Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie nicht ebenfalls jetzt
({3})
schon für eine Klärung, der Begriffe im Gesetz sorgen. Wir beantragen daher, die Formulierung aufzunehmen, die ich im Namen meiner Fraktion vortragen durfte.
Wir bitten dann, den § 1 Abs. 1 durch einen Buchstaben d mit folgendem Wortlaut zu ergänzen:
den Unternehmen, deren überwiegender Zweck oder Geschäftsbetrieb darin besteht, sich an Unternehmen nach Buchstaben a und b unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen oder Umfang und Art des Betriebes solcher Unternehmen maßgeblich zu bestimmen.
Damit sind alle die Gesellschaften erfaßt, die nicht selbst Betriebe nach den Buchstaben a und b, also Bergwerke oder Eisen- und Stahlbetriebe, betreiben, die aber über Beteiligungen oder über Verträge, seien es Interessengemeinschaftsverträge oder Organverträge, einen bestimmenden Einfluß auf Unternehmen nach Buchstaben a und b ausüben können und auch tatsächlich ausüben. Es ist unseres Erachtens unbedingt erforderlich, daß auch diese Unternehmen, die einen bestimmenden Einfluß auf d i e Unternehmen haben, in denen das Mitbestimmungsrecht unbestritten gelten soll, unter dieses Gesetz fallen. Denn wir sind uns wohl alle darüber einig, daß der Einfluß dieser Unternehmen - nennen wir sie einmal beherrschende Unternehmen, kontrollierende Unternehmen oder Muttergesellschaften - über die Hauptversammlung in den Tochtergesellschaften, in den a- und b-Betrieben, oder über die Interessengemeinschafts- oder Organverträge eingreifender sein kann als der ganze Einfluß über das Mitbestimmungsrecht in diesen Unternehmen und Betrieben nach den Buchstaben a und b. Wenn wir also die Mitbestimmung in diesen Unternehmen, die eine derartige Dachgesellschaft über sich haben, nicht illusorisch machen wollen, dann müssen wir den vorgeschlagenen Inhalt des Buchstaben d in das Gesetz aufnehmen. Wir beantragen es.
Wir beantragen weiter, in § 1 des Gesetzes den Abs. 2 zu streichen. Diese Aufzählung, die wir in Abs. 2 finden, ist überflüssig; sie ist nicht notwendig. Wir finden in dieser Aufzählung, in dieser rein juristisch gedachten Aufzählung lediglich „die Aktiengesellschaften, die Gesellschaften m. b. H. und die bergrechtlichen Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit". Es ist unbedingt notwendig, daß - ich darf ein Beispiel nennen - etwa auch die Kommanditgesellschaften auf Aktien, aber ruhig auch Personalgesellschaften, also etwa Kommanditgesellschaften, unter dieses Gesetz fallen. Denn es kann meines Erachtens und nach Ansicht meiner Fraktionsfreunde keinen Unterschied machen, ob ich nun ein Bergwerk - sagen wir einmal mit 10 000 Belegschaftsmitgliedern - in Form einer Aktiengesellschaft betreibe, in Form einer Gewerkschaft oder in Form einer Kommanditgesellschaft auf Aktien, die in diesem Falle nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht erfaßt worden ist und nicht erfaßt wird, wenn wir den Abs. 2 nicht streichen. Die Rechtsform ist für die Frage des Mitbestimmungsrechts unbeachtlich. Der Umfang des Gesetzes, meine Damen und Herren, ist genügend bestimmt und abgegrenzt in dem § 1 Abs. 1; der besonderen juristischen Formulierung des Abs. 2 bedarf es dann nicht mehr. Wir wollen nicht neben die tatsächlichen und wirtschaftlichen Abgrenzungen, die bei einem derartigen wirtschaftichen Gesetz allein vernünftig sind, die rein juristischen Abgrenzungen setzen. Eine derartige Beschränkung - das sei ganz besonders betont -, wie wir sie in Abs. 2 finden, findet sich nicht in der Regierungsvorlage. Wir möchten also in diesem Punkte die Regierungsvorlage wiederherstellen, da wir hier etwas Sinnloses aufgenommen haben, was einen falschen Klang in das Gesetz bringt.
Ich betone noch einmal, daß alle Anträge, die wir gestellt haben, keine wesentlichen Änderungen bringen, sondern Erläuterungen und Klarstellungen, die wir beschließen müssen, wenn wir bei der künftigen Auslegung des Gesetzes nicht auf unnötige Zweifel stoßen wollen. Aus diesem Grunde bitten wir, unsere Anträge anzunehmen.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Abänderungsantrag zu § 1, dessen Begründung Sie soeben aus dem Mund des Vertreters der sozialdemokratischen Fraktion gehört haben, zeigt uns schon deutlich die Tendenz, die sich noch viel mehr bemerkbar machen wird, wenn Sie das Gesetz annehmen würden, eine Tendenz der Erweiterung des Rahmens dieses Gesetzes, und da können wir unter gar keinen Umständen mitmachen.
({0})
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz, so wie es uns hier vorliegt, vom § 1 angefangen bis zum Ende, muß die Fraktion der WAV ablehnen,
({1})
und zwar deshalb, weil dieses Gesetz
({2})
tatsächlich keine Verbesserung für das wirtschaftliche und persönliche Schicksal des Arbeiters bei uns in Deutschland bringt.
({3})
Meine Damen und Herren! Die WAV-Fraktion hat seit ihrer Gründung alles getan, um sich gerade für die Interessen der Arbeitnehmer einzusetzen,
({4})
da wir wissen, wie wichtig dieser Berufsstand ist, und wir sind oft genug draußen und auch hier im Hause sogar als Leute bezeichnet worden, die in irgendwelchem Gegensatz zu privatwirtschaftlichen Auffassungen stünden. Ich will darüber hier nicht weiter sprechen.
({5})
- Ja, gerade von Ihrer Seite kamen solche Zwischenrufe schon öfter.
Aber eines kann ich Ihnen erklären: Dieses Gesetz wird den Arbeiter nicht besserstellen, sondern wird lediglich dazu führen, daß einige wenige sogenannte „Berufsvertreter", mehr oder minder legitimierte, hier gutbezahlte Aufsichtsrats- und Vorstandsposten bekommen.
({6})
Meine Damen und Herren! Zuerst schon eines: Sie wollen hier Persönlichkeiten den Weg in die betreffenden Unternehmen öffnen, die diesen Unternehmen überhaupt nicht angehören, die von auswärts- hereinkommen.
({7})
Sie wollen - ja, ich werde gleich noch darauf zu
sprechen kommen - damit hier einer Organisation,
einer einzigen, die Möglichkeit schaffen, sich eine
({8})
Machtstellung aufzubauen, gegenüber der die des Stinneskonzerns ein harmloses kleines Würmchen gewesen ist.
({9})
Sie machten eben den Zwischenruf - draußen in der Öffentlichkeit haben Sie es ja auch schon getan! - und sagten: ja, in Aktiengesellschaften sitzen doch auch viele drinnen, die in anderen Aktiengesellschaften ebenfalls im Aufsichtsrat oder sonstwo drinsind.
Herr Abgeordneter Loritz, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir keine allgemeine Besprechung, sondern eine Einzelbesprechung über § 1 haben.
§ 1 ist die allgemeine - -
In § 1 befindet sich kein Wort darüber, wer im Aufsichtsrat sitzt. Ich bitte Sie, zu § 1 zu sprechen.
§ 1 statuiert die allgemeine Besetzungsnorm auf Grund des Mitbestimmngsgesetzes, und deswegen kann man hier auch darüber sprechen! Wir lehnen diese Besetzung ab und geben die Begründung dafür. Ich denke nicht daran, eine allgemeine Debatte zu eröffnen, sondern ich spreche, wie ich schon sagte, zu § 1 des Gesetzes.
({0})
Und auf einen Zwischenruf, Herr Präsident - das möchte ich Ihnen auch noch sagen -, muß ich unter allen Umständen zu antworten Gelegenheit haben. Auf den Zwischenruf: Aktionäre sind doch auch mehrfach in verschiedenen Aktiengesellschaften im Aufsichtsrat tätig! - kann ich nur antworten: Vielleicht in ein paar anderen, vielleicht in einem Dutzend anderer, niemals aber in allen der betreffenden Branche.
({1})
- Ich warte nur, bis ich ruhig sprechen kann.
Und noch ein Zweites möchte ich Ihnen sagen, meine Damen und Herren: Wir glauben, daß es andere Mittel gibt, um das Los der Arbeitnehmer zu bessern, und da würden wir freudigst mitmachen. Davon steht aber in diesem Gesetz, weder in § 1 noch sonstwo, leider gar nichts drinnen, nämlich davon, den Arbeitern die Möglichkeit zu geben, bei Fabriken und Gesellschaften, die auf Grund der heutigen Konjunktur unerhört große Gewinne machen, eine Mitbeteiligung am Mehrgewinn zu erzielen. Die Bestimmungen, die uns heute präsentiert werden, werden von manchen Kreisen vielleicht deswegen so befürwortet, weil man damit die Augen der Öffentlichkeit und die Augen der Arbeitnehmer davon ablenken will, daß ihnen der Wert des Geldes unter der Hand zerrinnt, daß sie durch das Steigen der Preise wirtschaftlich immer schlechter gestellt werden.
({2})
Herr Abgeordneter Loritz, ich rufe Sie zum zweiten Male zur Sache, nämlich zur Einzelbesprechung des § 1, und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufes zur Sache aufmerksam.
Deshalb bringt das Gesetz, dieser § 1,
({0}) keine Verbesserung, sondern er statuiert ({1})
- Ich lasse mich gern belehren. Wenn der Herr Präsident mir sagen würde, wo hier eine Verbesserung ist, -
({2})
Herr Abgeordneter Loritz, es gehört nicht zu meinen Aufgaben, Sie zu belehren.
({0})
Ich versuche es auch nicht.
({1})
§ 1 sieht eine Mitbestimmung vor für Kreise, die in das Werk überhaupt nicht hineingehören. Zweitens sieht er eine Heranziehung von Arbeitnehmern zu Aufgaben im Betrieb vor, die sie einschließlich des damit verbundenen Risikos selbst gar nicht übernehmen wollen und gar nicht übernehmen können. Genau sowenig wie ein Jurist technische Arbeitsfragen zu bearbeiten in der Lage wäre
({0})
- jawohl, ich sage das absichtlich: Fragen zu bearbeiten in der Lage wäre, die sich um den Einsatz in dem betreffenden Werk, um die Arbeitsbedingungen an der betreffenden Maschine drehen - das ist nicht Sache eines Juristen -, genau so-. wenig ist es möglich, Arbeitnehmer mit Aufgaben kaufmännischer oder allgemein technischer Art zu beauftragen.
({1})
Wir lehnen deshalb dieses Gesetz insgesamt und damit auch den § 1 ab. Wir sehen in dem Entwurf des Ausschusses keine Verbesserung. Er bringt nur einige Schönheitspflästerchen, ja, aber das Grundprinzip bleibt bestehen. Dieses Grundprinzip müssen wir ablehnen, gerade auch im Interesse der Arbeitnehmerschaft, weil es zu einer Zerstörung der Grundlagen unserer Wirtschaft führen wird. Wir sind deshalb auch nicht in der Lage, für die Abänderungen zu stimmen, wie sie- uns der Ausschuß hier vorschlägt, und - ich wiederhole es - die WAV-Fraktion lehnt diese Form des Mitbestimmungsgesetzes auf das entschiedenste ab.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
({0})
- Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerksamkeit für den Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen bitten!
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei stellt zu § 1 folgende Abänderungsanträge:
1. In § 1 Abs. 1 werden die Worte „und in den zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organen" gestrichen;
2. in § 1 Abs. 1 a werden die Worte „oder in der Aufbereitung, Verkokung, Verschwelung oder Brikettierung dieser Grundstoffe" gestrichen.
Darf ich mit dem zweiten Antrag beginnen. Die
Worte, die wir streichen möchten, fehlen in der
Regierungsvorlage, und ohne daß ich mich in die({0})
sem Augenblick auf weitere Paragraphen der Regierungsvorlage festlegen möchte, beantragen wir, in diesem Fall bei der Regierungsvorlage zu bleiben.
({1})
- Das habe ich gesagt, Sie haben es richtig verstanden!
({2})
- Deutlicher kann ich es nicht sagen, als ich es eben gesagt habe.
({3})
- Warten Sie noch ein bißchen ab. Es wäre sehr hübsch, wenn Sie Ihr Urteil nach den Beratungen zum § 13 oder zu einem ähnlichen Paragraphen sagen würden; jetzt ist es viel zu früh. - Die Sachverständigen, die der Regierung in großen Mengen zur Verfügung standen, haben diese Worte nicht für erforderlich gehalten, und wir halten sie auch nicht für erforderlich.
({4})
Es ist aber so, daß in § 1 Abs. 1 Buchstabe ä klar und deutlich „deren überwiegender Betriebszweck" drin steht; damit haben Sie nebensächliche Dinge, als die Sie offensichtlich im Einzelfall die Aufbereitung usw. betrachten, ohne weiteres drin. Es ist also überflüssig, das hier zu erwähnen.
Ich komme zu dem ersten Antrag, meine Damen und Herren. Ich muß mir vom Präsidenten die Erlaubnis erbitten, gleichzeitig über § 13 zu sprechen; denn wenn wir vorn die Worte „und in den zur Vertretung bestimmten Organen" streichen, dann meinen wir damit praktisch den § 13.
Auch meine Freunde sind der Auffassung, daß es angebracht ist, in großen Unternehmungen eine bestimmte Persönlichkeit im Vorstand damit zu beauftragen, sich besonders mit den sozialen Angelegenheiten - im breitesten Sinne gesprochen - zu beschäftigen. Wir sind aber nicht der Auffassung, daß es richtig ist, das gesetzlich vorzuschreiben; sondern es zu ordnen ist Sache des Vorstandes selbst in seiner Geschäftsordnung oder, wenn es eben nicht ausreicht, in einem Beschlusse des Aufsichtsrats. Meine Damen und Herren, die Erkenntnis für die sozialen Notwendigkeiten und die tatsächliche Fürsorge gestaltet sich meines Erachtens nur dann wirkungsvoll und sie steigert sich nur dann, wenn der gesamte Vorstand Verständnis für die sozialen Notwendigkeiten hat. Das ist für uns heute eine Selbstverständlichkeit. Alle Vorstandsmitglieder haben durch ihre gemeinsame Arbeit das Unternehmen so zu leiten, daß Kräfte und Mittel vorhanden sind, um soziale Notwendigkeiten und soziale Bedürfnisse zu befriedigen. Bei dem, wovon wir sprechen, handelt es sich ja nicht um die Dinge, die wir heute als selbstverständlich und gesetzlich geregelt ansehen, um die Versicherungen, den Unfallschutz usw., sondern um die zusätzlichen sogenannten freiwilligen sozialen Leistungen. Ich glaube keineswegs, daß die Arbeitsteilung im Vorstand, die durch dieses Gesetz geradezu provoziert wird, das richtige ist. Die lautet nämlich: Ich führe die Menschen, ich bin der Arbeitsdirektor, und du, du bist der Techniker, du führst und beaufsichtigst die Maschinen, und du, du bist der Kaufmann, du darfst die Bücher führen. Das ist eine völlig falsche Unterteilung, die im übrigen auch der Gesamtverantwortung, die der Vorstand hat, widerspricht.
Meine Damen und Herren, Sie haben zwar - oder wir haben - die Worte „von der Wahrung der Menschenwürde" herausgestrichen. Ja, sind Sie denn der Meinung, daß vielleicht die anderen Vorstandsmitglieder gewohnheitsmäßig ihre Aufgabe darin sehen, diese Menschenwürde zu untergraben?
({5})
Oder warum müssen und wollen Sie einem einzelnen Mann den Auftrag geben, die Menschenwürde zu wahren? Denn wenn das auch nicht mehr im Gesetz drin steht, so ist es doch der Sinn Ihrer Bestimmung, und ich stehe auf dem Standpunkt, daß das in jedem Vorstand ganz natürlicherweise eine Frontstellung erzeugt, an der Sie alle absolut kein Interesse haben.
Das wird aber noch schlimmer oder noch unrichtiger, wenn Sie nun im § 13 ein besonderes Mehrheitsverhältnis für die Wahl des Arbeitsdirektors vorschreiben. Wollen Sie ihn eigentlich damit heraufheben oder wollen Sie ihn heruntersetzen?
({6})
Irgendeinen Grund muß diese Bestimmung doch wohl haben. Wir halten also - meine Damen und Herren, entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen das sage - Sonderbestimmungen über einen Arbeitsdirektor für einen Rückfall in klassenkämpferische Ideen;
({7})
denn dieser Mann soll ja in unnötiger Weise die Interessen gegen jemand anders wahrnehmen. Ich kann mir nur einen Vorstand vorstellen, in dem jeder einzelne die Fürsorge für das Unternehmen und damit für die Arbeiter zu seiner obersten Pflicht macht. Soviel zu unseren Anträgen zu § 1.
Meine Damen und Herren! Wir sind nicht in der Lage, den Anträgen der SPD auf Umdruck Nr. 107 zu folgen. Wir glauben, daß die Einzelheiten - zum Beispiel: „nicht liquidiert" - so ausführlich besprochen sind, daß es schon besser ist, jede Unklarheit zu vermeiden und diese Worte „und nicht liquidiert" drin stehen zu lassen.
Besonders halten wir es nicht für eine Äußerlichkeit, sondern für einen sehr wichtigen grundsätzlichen Punkt, wenn Sie in Ziffer 2 Ihres Umdrucks von der Verarbeitung sprechen. Wenn diese „Verarbeitung" durch die Regelung des Gesetzes Nr. 27 erfaßt wird, dann ist sie ja von vornherein ein Betriebszweck, der mit eingeschlossen ist. Aber es sind technische Begriffe oder, ich will lieber sagen, termini technici: Eisen erzeugend und Eisen verarbeitend; diese möchten wir - darüber ist im Ausschuß sehr ausführlich gesprochen worden - nicht verwischen, und das würde der Antrag der SPD tun.
Was den Antrag angeht, der sich mit der Zahl der Arbeitnehmer beschäftigt, so ist darüber im Ausschuß so lange gesprochen und die Frontstellungen oder die Ansichten sind so klar zum Ausdruck gebracht worden, daß ich nicht glaube, dazu in diesem Augenblick nochmals etwas sagen zu müssen.
({8})
President Dr. Ehlers: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bergmann.
Herr Präsident! Meine Damen und herren! Im § 1 Abs. 2 der Vorlage wird der Umfang der Unternehmen festgelegt, die in dem §. 1 erfaßt werden sollen. Der Ausschuß hat mit Mehrheit beschlossen, die Grundlage der Regierungsvorlage zu verlassen, und der Herr Kollege Sabel hat als Berichterstatter bereits darauf hingewiesen, daß bei der neuen Formulierung eine beachtliche Zahl von Betrieben dem Gesetz unterliegt.
({0})
Meine politischen Freunde und ich sind aber der Auffassung, daß die Grundlage der Regierungsvorlage wiederherzustellen ist. Wir beantragen darum, im § 1 den Abs. 2 des Ausschußberichtes zu streichen und an seine Stelle folgende Bestimmung zu setzen:
Dieses Gesetz findet nur auf die in Absatz 1
bezeichneten Unternehmen Anwendung, die in
der Regel dreihundert und mehr Arbeitnehmer beschäftigen oder ein Nennkapital von
mehr als einer Million Deutsche Mark haben.
Die Begrenzung gilt nicht für die unter § 1 Absatz 1 Buchstabe d genannten Unternehmen. Ich glaube, es ist notwendig, daran zu erinnern, daß man sich schon im Referentenentwurf geeinigt hat, aus Zweckmäßigkeitsgründen nur diejenigen Unternehmen nicht unter das Gesetz fallen zu lassen, die als Kleinstunternehmen zu bezeichnen sind. Auch die beiden Sozialpartner waren der Auffassung, daß eine gleichmäßige Regelung des Mitbestimmungsrechts für den gesamten Bergbau anzustreben ist. Denn hier ist zu befürchten, daß besonders Betriebe aus dem Braunkohlen- und dem Eisenerzbergbau nicht unter dieses Gesetz fallen. Die in dem Referentenentwurf vorgeschlagene Zahl von 300 Arbeitnehmern entspricht also den Bedürfnissen einer einheitlichen organisatorischen Regelung und kann daher nicht fallengelassen werden. Wir sollten uns nicht nur von der Zahl der Beschäftigten leiten lassen, sondern die wirtschaftliche Bedeutung der Unternehmen muß für unsere Stellungnahme entscheidend sein. Ich weise darauf hin, daß im rheinischen Braunkohlengebiet z. B. von der Niederrheinischen Braunkohlen A.G. bei einer Belegschaftsstärke von 648 Arbeitnehmern eine Jahresproduktion von 1 119 000 Tonnen und von der Liblar G.m.b.H. bei 594 Arbeitnehmern eine Jahresproduktion von 1 536 000 Tonnen erreicht wurde. Sie sehen schon, welches wirtschaftliche Schwergewicht diese Betriebe haben. Wenn wir noch berücksichtigen, wie eng damit für diese Betriebe die Aufgabe verbunden ist, letzten Endes die Versorgung der Energiewerke durchzuführen, dann kommen wir zu der Auffassung, daß auch diese Betriebe erfaßt werden müssen.
Ich weise noch auf folgendes hin. Dieser Referentenentwurf ist auch die Grundlage für die Verhandlungen der beiden Sozialpartner gewesen. Es wurde ihm zugestimmt, wie auch Funktionärkonferenzen der beiden großen beteiligten Gewerkschaften IG Bergbau und IG Metall ihm zugestimmt haben. Letzten Endes ist es doch unsere Aufgabe, nach Möglichkeit die sozialen Spannungen zu beseitigen, sie nicht aufkommen zu lassen und eine gleichmäßige Regelung der Mitbestimmung in den vorgesehenen Industrien zu erreichen. Ich bitte Sie darum, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.
Auch in § 9 wird noch eine Änderung erfolgen müssen, wozu anschließend Stellung genommen wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind inzwischen zu dem § 1 zwei Abänderungsanträge gestellt, die sich auf insgesamt sechs Punkte beziehen. Ich will mich des besseren Verständnisses wegen bemühen, in derselben Reihenfolge, wie diese Anträge gestellt worden sind, Stellung zu nehmen.
Diejenigen, die die Ausschußarbeiten etwas näher kennen, wissen, daß der § 1 die große Crux in der ganzen Sache gewesen ist, -nicht etwa die politische Crux, sondern die Crux für die Formulierungs- und Abgrenzungskunst aller Beteiligten. Wir haben auf diesen § 1 in den verschiedensten Formulierungen Tage und Tage der Arbeit verwendet. Sie sehen das auch aus den hier gestellten Abänderungsanträgen.
({0})
- Sehr schön, Herr Henßler, ich glaube, daß Sie ohne meine Mitwirkung vielleicht doch noch größere Schwierigkeiten dabei gehabt hätten. Mindestens wird meine Mitwirkung nicht einer Primitivierung der Problematik' gedient haben, sondern ich' glaube, daß wir die Problematik nach allen Seiten hin - juristisch, technisch und politisch - genügend ausgewogen haben.
Es handelt sich zunächst um die Frage, über die Herr Dr. Koch gesprochen hat, ob die Worte „und nicht liquidiert" gestrichen werden sollen. Wir können diese Worte nicht streichen; denn die Buchstaben b und c von § 1 Abs. 1 Ausschußvorlage bilden in ihrer Abstimmung aufeinander ein einheitliches Ganzes. Die Schwierigkeit liegt darin, daß wir in den Buchstaben b und c nicht eine generelle Definition der Eisen- und Stahlindustrie gegeben haben und auch nicht geben konnten vielleicht auch nicht geben wollten -, sondern daß wir uns in den Buchstaben b und e an das Gesetz Nr. 27 angelehnt haben und damit übrigens dem gefolgt sind, was auch in den ursprünglichen Richtlinien einmal vorgesehen war. Das zwingt dazu, zu berücksichtigen, daß z. B. - um nur das Hauptproblem dabei herauszustellen - die Vereinigten Stahlwerke AG. als eine große Spitzengesellschaft selbstverständlich nur einmal in diesem Gesetz auftauchen. Wir alle aber wissen, daß bei der Neuordnung allerhand komplizierte Vorgänge erfolgen, die es erforderlich machen, daß wir hier die Formulierung in der Abstimmung aufeinander, wie sie die Buchstaben b und c bilden, beibehalten. Denn Sie werden in Buchstabe e sehen, daß wir da von den Gesellschaften gesprochen haben, die von der zu liquidierenden Spitze, nämlich der Spitzengesellschaft, in diesem Beispiel der Vereinigten Stahlwerke AG, abhängen. Diese abhängigen Gesellschaften werden durch Buchstabe c erfaßt. Brechen Sie also b und e auseinander, werden Sie mit dem Gesetz technisch nicht mehr fertig. Ich will im Hinblick auf diejenigen, die in die Materie nicht so eingehend eingedrungen sind, die Dinge nicht ausführlicher darstellen.
Aus denselben Gründen der Anlehnung an das Gesetz Nr. 27 und an die Bildung der Einheitsgesellschaften können wir auch dem Antrage nicht folgen, den Sie unter Ziffer 2 gestellt haben, nämlich eine Definition der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie zu geben. Wir haben den Bereich, der von diesem Gesetz erfaßt werden soll, in einer absolut zuverlässigen Weise abgegrenzt. Er wird sich in den Einheitsgesellschaften oder in den Kerngesellschaften wiederfinden. Das macht es gegenstandslos, wenn nicht sogar schädlich, eine zusätzliche Definition einzufügen. Das Bedenken, das Herr Dr. Koch vorgebracht hat, erklärt sich daraus, daß bei .der hessischen Sozialisierung Begriffsbestimmungen gewählt waren, die in der Tat zu einer Zerreißung von Betrieben an Ort und Stelle führen konnten. Das ist hier völlig ausge({1})
schlossen, da man sich über den Abgrenzungsbereich durchaus im klaren ist. Niemand wird so töricht sein, etwa der Bestimmung dieses Gesetzes wegen einen Einzelbetrieb aus einem großen Unternehmen loszulösen.
Sie haben dann unter Ziffer 3 beantragt, die Holding-Gesellschaften ebenfalls diesem Gesetz zu unterstellen. Wir sind nicht in der Lage, mindestens nicht im Augenblick, diesem Vorschlage zu folgen. Bei der Gründung der neuen Gesellschaften in Kohle und Eisen sind jedenfalls im Prinzip keine Holding-Gesellschaften vorgesehen. Sie werden möglicherweise sogar ausgeschlossen werden, so daß wir uns bei dem derzeitigen Stande der Entwicklung nicht in der Lage sehen, eine Bestimmung zu formulieren oder einer Bestimmung zuzustimmen, die einen Tatbestand unterstellt, mit dem wir wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch nicht zu rechnen haben werden.
Für Ziffer 4 gilt folgendes. Es ist zutreffend, daß der Referentenentwurf, der in einer von dem Herkömmlichen abweichenen Art und Weise vorher bekanntgemacht worden ist, in der Tat eine Belegschaftsstärke von 300 Arbeitnehmern oder das . hier genannte Nennkapital vorgesehen hat. Wir haben aber festgestellt - und wir folgen in diesem Punkte dem Regierungsentwurf -, daß es richtig ist, ansehnliche Unternehmensgrößen zu wählen, und sind der Auffassung, daß das etwa in der Größenordnung von 1000 Arbeitnehmern der Fall sein wird. Ich glaube, daß wir damit im Grunde auch mit dem übereinstimmen, was gerade von seiten der Antragsteller oder mindestens von einem Mitgliede der Antragsteller in den Ausschußverhandlungen gesagt worden ist, daß es sich nämlich - ich versuche, es so wörtlich zu wiederholen, wie ich es in Erinnerung habe - darum handele, nicht irgendwelche kleinen Quetschen in dieses Gesetz einzubeziehen, sondern die großen Unternehmungen. Ich glaube, wir sollten von diesem Grundsatz nicht abweichen, sondern sollten die Grenze von 1000 in Übereinstimmung mit dem Regierungsentwurf einhalten. Ebenso verfehlt wäre es, wenn man, falls man schon die TausenderGrenze für richtig hält, etwa eine Nennkapitalgrenze von 1 Million DM einführen wollte. Denn es ist bei der Kapitalintensität in diesen Industrien klar, daß auf diese Weise die Unternehmungen, die gerade in der Größenordnung zwischen 300 und 1000 ausgeschlossen wurden, auf dem anderen Wege wieder hineinkämen. Ich glaube, niemand wird sich ernstlich beschwert fühlen können, wenn wir diesen Antrag hier ebenso wie in den Ausschüssen ablehnen.
Von der FDP sind zwei Anträge gestellt worden, die leider noch nicht umgedruckt vorliegen. Wenn ich Herrn Dr. Wellhausen richtig verstanden habe, hat er darauf hingewiesen, daß sich die Formulierung „und in den zur gesetzlichen Vertretung be-berufenen Organen" nicht im Regierungsentwurf finde. Im -Regierungsentwurf findet sich in der Tat diese Umschreibung nicht, sondern dort ist von den Vorständen gesprochen. Wir wissen aber aus den Beratungen, daß damit alle Gesellschaften, wie sich das aus dem Späteren ergibt, erfaßt werden sollten.
Weiter ist dazu Stellung zu nehmen, daß in § 1 Abs. 2 nur die Gesellschaftsformen der Aktiengesellschaft, der GmbH. und schließlich der bergrechtlichen Gewerkschaft genannt worden sind. Sie haben vorgeschlagen, den entsprechenden Passus zu streichen und es allgemein bei „den Unternehmen" zu belassen: Nun ist aber das Gesetz in seiner Technik auf diese drei Gesellschaftsformen abgestellt worden. In der Tat - und wir haben das sehr sorgfältig untersucht - sind das die drei einzigen zur Zeit in diesen Industrien vorkommenden Formen. Außer diesen drei Formen könnten nur noch - Herr Dr. Koch hat das erwähnt - die Kommanditgesellschaft auf Aktien und schließlich die Genossenschaft eine Rolle spielen. Die Rechtsform der Kommanditgesellschaft auf Aktien ist hier nicht gebräuchlich, und ich sehe auch keinerlei Anlaß, warum sie wieder eingeführt werden sollte. Für die Genossenschaft gilt das gleiche. Sie können versichert sein, daß uns bei dieser Haltung nur die Klarheit des Gesetzesaufbaus, wie er hier geschaffen worden ist, leitet und daß wir keineswegs etwa - das könnte man vielleicht bei einigen Äußerungen zwischen den Zeilen lesen - die Vorstellung haben, daß hier nun klassische oder nichtklassische Ausweichmöglichkeiten geschaffen werden sollten.
Ich glaube, daß ich mich zunächst auf diese Bemerkungen zu § 1 beschränken kann, und ich bitte Sie, den Abänderungsanträgen nicht zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung der zweiten Beratung zu § 1.
Ich komme zur Abstimmung über die Abänderungsanträge und über § 1 selbst. Zunächst liegt zum § 1 Abs. 1 - dem Einleitungssatz dieses Absatzes - ein Abänderungsantrag der Fraktion der FDP vor. Da er noch nicht gedruckt verteilt ist, verlese ich ihn. Es wird beantragt, die Worte „und in den zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organen" in den Zeilen 2, 3 und 4 des Abs. 1 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der FDP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Weiterhin liegt zu Buchstabe a des Abs. 1 ein weiterer Antrag der Fraktion der FDP vor, der ebenfalls noch nicht verteilt ist und den ich also noch einmal verlese. In diesem Buchstaben a Zeile 4 ff. sollen die Worte „oder in der Aufbereitung, Verkokung, Verschwelung oder Brikettierung dieser Grundstoffe" gestrichen werden. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Änderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
- Enthaltungen? - Der Antrag der FDP ist bei Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Zu Buchstabe b des Abs. 1 liegt ein Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 107 vor, die Worte „und nicht liquidiert" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der SPD zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt. Enthaltungen? - Ich sehe keine Enthaltungen.
Weiter liegt ein Antrag der Fraktion der SPD
gemäß Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 107 vor, unter
Buchstabe b folgenden neuen Satz einzufügen:
Zu den Unternehmen der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie im Sinne dieses Gesetzes gehören alle Unternehmen, die Eisen und
Stahl erzeugen oder insbesondere warm verarbeiten, einschließlich aller Betriebsabteilungen.
({1})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen! - Der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt ein Antrag der Fraktion der SPD gemäß Ziffer 3 vor, daß der § 1 Abs. 1 einen Buchstaben d erhalten soll. Sie entnehmen den Inhalt des Antrags aus Umdruck Nr. 107. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt weiter vor: Antrag der Fraktion der SPD gemäß Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 107, an Stelle des Abs. 2, der gestrichen werden soll, eine neue Formulierung zu setzen. Sie können den Wortlaut aus Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 107 entnehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist ebenfalls abgelehnt.
Damit sind die zu § 1 gestellten Abänderungsanträge - ({2})
- Ich habe keinen KPD-Antrag zu § 1 vorliegen. Liegt Ihnen einer vor?
({3})
Meine Damen und Herren! Ich komme zur Abstimmung über § 1 des Gesetzes, nachdem über die Abänderungsanträge abgestimmt worden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 des Gesetzes zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
({4})
- Meine Damen und Herren, damit keine Mißverständnisse entstehen: Nachdem sämtliche Abänderungsanträge abgelehnt sind, dreht es sich jetzt um die Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der § 1 ist bei Enthaltung der Fraktionen der SPD, KPD und, wie ich sehe, der Bayernpartei und einiger Abgeordneten der Deutschen Partei, also bei zahlreichen Enthaltungen, angenommen.
Ich rufe auf § 2. Liegen Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und" Herren, ich schließe die Einzelbesprechung zu § 2 und komme zur Abstimmung über § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den Zweiten Teil des Gesetzes - Aufsichtsrat -, und zwar zunächst § 3.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und
Herren! Meine Freunde stellen folgenden Antrag:
§ 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder bergrechtliche Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ein Unternehmen im Sinne des § 1 betreiben, sofern für sie ein Aufsichtsrat besteht.
Mit dieser Fassung nimmt die FDP die Bestimmung auf, die in dem Entwurf der Bundesregierung zum Betriebsverfassungsgesetz steht. Sofern sich ein Unternehmen, das in der Form der GmbH betrieben wird, dazu entschließt von der Möglichkeit der Bestellung eines Aufsichtsrats Gebrauch zu machen, fällt es unter dieses Gesetz; tut es das nicht, so fällt es nicht unter dieses Gesetz. Ebenso möchten wir es bei den bergrechtlichen Gewerkschaften haben.
Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz nicht dazu da ist, die Unterschiede zwischen den einzelnen Gesellschaftsformen zu verwischen oder gar zu beseitigen; denn es hat einen tiefen Sinn, auf den ich im Augenblick nicht eingehen kann, daß in einer GmbH eben ein Abfsichtsrat nicht vorgeschrieben, sondern zulässig ist, während die Aktiengesellschaft einen Aufsichtsrat vorschreibt. Jetzt eine Ausdehnung dieser mit der Struktur der GmbH zusammenhängenden und ihr entsprechenden Vorschriften zu beschließen, einzig und allein, um den Aufsichtsrat so besetzen zu können, wie er hier besetzt werden soll - von allen anderen Gesichtspunkten abgesehen -, halten wir für einen Eingriff in die Gesellschaftsstruktur, der nicht erforderlich und nach unserer Ansicht auch nicht zweckmäßig ist.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung zu § 3.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP, der vom Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen eben begründet worden ist, in dem inzwischen wohl verteilten Umdruck Nr. 111 Ziffer 3. Darf ich feststellen: Ist der Umdruck verteilt?
({0})
- Ich verlese den Antrag nochmals:
§ 3 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten auch für Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder bergrechtliche Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ein Unternehmen im Sinne des § 1 betreiben, sofern für sie ein Aufsichtsrat besteht.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der FDP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei einigen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu § 3. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 4.
Zur Begründung des Abänderungsantrages der Fraktion der KPD Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Wir haben bereits bei der ersten Lesung dieser von den Gewerkschaften in der Regierungsvorlage akzeptierten Bestimmungen über das sogenannte Mitbestimmungsrecht darauf hingewiesen, daß die Frage der Mitbestimmung unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen in Westdeutschland einer den Interessen der Arbeiterschaft Rechnung tragenden Regelung und Entscheidung nicht zugeführt werden kann. Wenn die
({0})
Frage der Mitbestimmung steht - und ich glaube, daß gerade in § 4, soweit es sich also um die Zusammensetzung des Aufsichtsrats handelt, eine solche Regelung wenigstens in dem jetzt gegebenen Rahmen erzielt werden sollte -, dann setzt das voraus, daß auch der Aufsichtsrat so zusammengesetzt wird, daß er den Erfordernissen der Arbeiterschaft Rechnung trägt. Das um so mehr, als die allgemeine Situation und die allgemeine Entwicklung bedingen, daß die Arbeiterschaft in die Entscheidung über die Wirtschaftspolitik weitestgehend eingeschaltet wird, sie weitestgehend mitbestimmen muß, vor allen Dingen im Hinblick auf die Tatsache, daß heute in Westdeutschland die Fragen der Remilitarisierung, die Belastung des arbeitenden Volkes auf Grund der Adenauerschen und Erhardschen Wirtschaftspolitik ein solches Ausmaß angenommen haben, daß es notwendig ist, die Mitbestimmung in einem solchen Umfang zu regeln, daß die von der Regierung und den hinter ihr stehenden Kapitalistengruppen beabsichtigten Remilitarisierungspläne unter allen Umständen unterbunden werden.
({1})
- Der Zwischenrufer scheint einer von den Ignoranten zu sein, die noch nicht wissen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik von oben bis unten und umgekehrt das Mitbestimmungsrecht für die Gewerkschaften restlos realisiert ist.
({2})
- Ich weiß nicht, wer von der sozialdemokratischen Fraktion den Zwischenruf gemacht hat, aber die Tatsachen sprechen ihre eigene Sprache!
({3})
- Jawohl, sie sprechen ihre eigene Sprache! Es ist so, daß in allen entscheidenden Instanzen der Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften die entscheidende Mitbestimmung haben.
({4})
Dem Zwischenrufer von der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich sagen: vielleicht liest er einmal das Protokoll der ersten Beratung dieser Vorlage durch; ich denke, da wird er auf Seite 4436 des Protokolls der Bundestagssitzung vom 14. Februar 1951 die Ausführungen des Kollegen Imig finden. Kollege Imig führte dort, also am 14. Februar, wörtlich folgendes aus:
Ich will auch nicht untersuchen, ob nicht mindestens der letzte Krieg hätte verhütet werden können, wenn das Problem, das heute zur Debatte steht,
- also die Frage der sogenannten Mitbestimmung nach 1918 verwirklicht worden wäre.
Ich glaube, es ist kein sehr angenehmes Zeugnis gerade für die Politik der rechten Gewerkschaftsführung, daß die uralten Forderungen der Gewerkschaften, die bereits auf dem Nürnberger Gewerkschaftskongreß des Jahres 1920 aufgestellt worden sind und in denen damals verlangt wurde, daß das Mitbestimmungsrecht in der gesamten Wirtschaft von unten bis oben und umgekehrt verwirklicht werden sollte, auch nach 1918 nicht realisiert worden sind, mit dem Ergebnis, das wir alle ja kennen.
Es ist bedauerlich, daß die Gewerkschaftsführung weder die Konzeption um die Jahrhundertwende begriffen hatte, als der deutsche Kapitalismus in den Imperialismus umschlug, noch 1914, noch 1918, und daß durch die Haltung der Gewerkschaftsführung eine Entwicklung bis 1932/33 möglich gewesen ist auf Grund der Ablehnung der gemeinsamen Aktion gegen die damals drohende und dann Wirklichkeit gewordene faschistische Diktatur.
({5})
- Jawohl, § 4! - Kollege Imig hat in dem Punkt vollkommen recht gehabt, als er erklärte: Nach 1945 haben die Arbeiter den Aufbau begonnen, haben mühselig wieder zusammengeflickt. Und was ist das Ergebnis? Sie haben die Früchte dieser ihrer eigenen Arbeit nicht erhalten, sie haben vielmehr feststellen müssen, daß in der Entwicklung von damals bis heute die Reaktion in Westdeutschland wieder eindeutig triumphiert,
({6})
und dafür ist die Politik der rechten Gewerkschaftsführung entscheidend verantwortlich.
Ich glaube, wenn in der Frage einer gewissen - ich sage ausdrücklich: gewissen - Realisierung eines natürlicherweise unter den gegebenen Verhältnissen nicht voll durchzuführenden Mitbestimmungsrechtes die Forderung von der Arbeiterschaft erhoben wird, wie sie in diesem Gesetz in der Vorlage der Gewerkschaften verwirklicht werden soll, dann müssen wir uns auch mit den Vertretern der FDP auseinandersetzen. Bei der ersten Lesung hat der Abgeordnete Dr. Becker von den sogenannten Freien Demokraten zum Ausdruck gebracht, daß er gegen diese Vorlage sei, weil sie eine teilweise Enteignung bedeute. Ich wundere mich über die Dreistigkeit, mit der der Abgeordnete Dr. Becker von der FDP diese Behauptung aufgestellt hat.
({7})
Es ist doch zweifellos nicht zu bestreiten, daß, wenn er von einer Enteignung der Aktionäre gesprochen hat, die Frage aufzuwerfen ist: Welches Recht haben denn eigentlich diese sogenannten Aktionäre, und mit welchem Recht stellen sie hier Forderungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrates usw., wenn doch einwandfrei erwiesen ist, daß - entgegen der Behauptung des Abgeordneten Dr. Becker - das entscheidende Kapital in der Wirtschaft nicht der Aktionär ist, sondern die Arbeitskraft, daß infolgedessen die Arbeitskraft, d. h. die Arbeiterschaft den Anspruch darauf hat, auch in den Aufsichtsräten entscheidend vertreten zu sein? Denn das Geld, das die Aktionäre in den Händen haben, ist das Geld, das von den Arbeitern, den Technikern und Ingenieuren erarbeitet worden ist, das man ihnen aber stiehlt. Diesen Diebstahl kleidet man in eine rechtliche Form und behauptet dann, einen Rechtsanspruch zu haben.
Vielleicht kann ich das an einem Beispiel, das ich schon einmal erwähnt habe, erläutern. Als die Bilanz der Opelwerke-A.G. in Rüsselsheim veröffentlicht wurde, da wurde zwar formal ein Reingewinn von etwas über 30 Millionen DM ausgewiesen; Tatsache ist aber - das ergibt sich, wenn man die Bilanz etwas näher überprüft -, daß der Reingewinn mindestens 160 Millionen DM beträgt.
({8})
Dabei sind den Aktionären der Opelwerke-A.G., deren Aktienkapital 80 Millionen DM beträgt - aus den Erträgnissen, d. h. aus der Arbeit der Belegschaft der Opelwerke, der Arbeiter, Ingenieure
({9})
und Techniker -, die Aktien nicht im Verhältnis 10 : 1 umgestellt worden, wie es bei der Währungsreform für die Masse des Volkes üblich war, sondern für 1000-Reichsmark-Aktien sind 1000-DMark-Aktien gegeben worden, d. h. allein den Aktionären wurden aus dem erarbeiteten Verdienst der Belegschaft 72 Millionen DM Überprofit zugeschanzt. Das sind die Gelder, die aus der Belegschaft herausgearbeitet worden sind. Und dann behaupten die Herren von der FDP, einen Anspruch darauf zu haben, daß für die Aktionäre die Mehrheit im Aufsichtsrat gesichert werden soll.
Aber die FDP als Vertreterin insbesondere der Herren der Industrie hat - und das ergab sich aus den Beratungen des Ausschusses - ihre Unterstützung durch die Vertreter der ausländischen Kapitalisten gefunden. Nicht nur der französische Hohe Kommissar hat in Wahrnehmung der Interessen der französischen Kapitalisten Einspruch gegen eine Regelung erhoben, die sich insbesondere bezüglich des elften Aufsichtsratsmitgliedes ergibt, sondern das gleiche taten auch die Benelux-Staaten und schließlich gestern einige Vertreter der amerikanischen Wirtschaft.
Meine Damen und Herren, es ist doch nicht ganz uninteressant, einmal das Zusammenspiel der westdeutschen Unternehmerschaft mit den ausländischen Kapitalisten aufzuzeigen, gerade wo es sich darum handelt, daß, wenn auch noch so geringfügige Konzessionen gemacht werden sollen, die ganze Meute der deutschen und ausländischen Kapitalisten aufschreit. Wir haben ja - und einige Kollegen von anderen Fraktionen wissen das - z. B. bei der Entwicklung des hessischen Betriebsrätegesetzes die Erfahrung machen können, daß die Partei des Herrn Euler alles getan hat, um eine Verabschiedung und ein Wirksamwerden des hessischen Betriebsrätegesetzes zu verhindern. Ich erinnere daran - und Kollegen anderer Fraktionen werden das bestätigen können -, daß ich 1946, als im Länderrat in Stuttgart die Frage des Betriebsrätegesetzes und des Mitbestimmungsrechts zur Debatte stand, um eine Demokratisierung der Wirtschaft zu erreichen, die Forderung auf Realisierung erhoben habe. Da war es der amerikanische General McSherry, der, ich möchte beinahe sagen, wutschnaubend erklärte: Mitbestimmung gibt es nicht! Was Demokratie ist, darüber bestimmen wir, die Herren Amerikaner!
({10})
Das geht auch aus der Pressekonferenz der Herren
Haynes und Michler hervor, die gestern stattgefunden hat. Durch diese Pressekonferenz dürfte wohl
jedem, der sehen will, klar geworden sein, wer in
Wirklichkeit bestimmt. Denn diese Herren erklärten, daß dieses Gesetz nicht mit den amerikanischen
Interessen vereinbar sei. Sie wiesen darauf hin,
daß in Deutschland unzulängliches Verständnis für
amerikanische Unternehmerfreiheit bestände.
({11})
Meine Damen und Herren, das ist also die Demokratie und die Freiheit, die die Herren Amerikaner verstehen und die sie hier in Westdeutschland praktizieren. Für sie kommt es darauf an, alle Wege freizumachen und freizuhalten, damit sie ihren Job in Westdeutschland unterbringen und entsprechende Profite aus der deutschen Bevölkerung, der deutschen Arbeiterklasse, herausholen können.
Aus den von mir erwähnten Gründen muß in § 4 durch die Realisierung der genannten Forderungen eine Regelung erfolgen, daß das entscheidende Kapital in der Wirtschaft, die Arbeitskraft, entsprechend im Aufsichtsrat vertreten ist. Deswegen haben wir in dem Umdruck Nr. 106 für § 4 eine Fassung gefordert, nach der der Aufsichtsrat aus elf Mitgliedern besteht. Er soll sich aus fünf Vertretern der Anteilseigner und sechs Vertretern der Betriebsbelegschaft zusammensetzen. Das ist eine Forderung, die in der Linie der Realisierung des Mitbestimmungsrechts liegen würde. Ich glaube, daß es Aufgabe der Arbeiterschaft in den Betrieben und Aufgabe der Gewerkschaften wäre, diese grundsätzliche Forderung durchzusetzen. Wir wissen allerdings, daß in diesem Parlament die Entscheidung über die Realisierung des Mitbestimmungsrechts nicht möglich sein wird. Ich komme später noch auf einige Fragen zurück, die sich auf die Betriebe draußen selbst beziehen. Gerade zur Verhinderung der Remilitarisierung und zur Verhinderung einer weiteren Massenbelastung des arbeitenden Volkes ist es notwendig, daß das Mitbestimmungsrecht auf betrieblicher Ebene realisiert wird.
({12})
Das Wort hat der Abgenete Walter.
Meine Damen! Meine Herren! Da der Herr Abgeordnete Müller sich mit dem Konzept seiner Rede wahrscheinlich geirrt hat, indem er in eine verkehrte Versammlung hineingeraten ist - denn die Rede müßte drüben vor den Arbeitern gehalten werden, die dort nicht die geringste Möglichkeit haben, in den Betrieben mitzubestimmen -, bitte ich das Parlament, über den Antrag des Herrn Müller zur Tagesordnung überzugehen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich halte es für unzweckmäßig, einen Übergang zur Tagesordnung zu beantragen, wenn über einen Antrag abgestimmt werden kann. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Es liegt vor ein Antrag der Fraktion der KPD, eine neue Fassung des § 4 vorzunehmen, Umdruck Nr. 106. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Damit ist der Antrag des Herrn Abgeordneten Walter wohl erledigt.
Ich komme zur Abstimmung über § 4 in der Fassung des Ausschußberichtes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
({0})
Ich rufe § 5 auf. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über § 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 6 auf. Ich eröffne die Einzelbesprechung zu § 6.
Es hat sich zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Pelster. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird wohl von niemandem bestritten, daß der Ausschuß sich wirklich Mühe gegeben hat, in der Frage der Wahl der Mitglieder des Aufsichtsrats nach Möglichkeit zu einer einmütigen Auffassung zu kommen. Dieses Problem ist aber außerordentlich schwierig. Die Meinungen gehen da sehr weit auseinander. Wieweit sie auseinandergehen, das hat ja die Beratung zu § 4 gezeigt, wo man der Meinung ist, daß alle Macht nach unten in die Betriebe hineingelegt werden soll.
Der Vorschlag des Ausschusses für Arbeit ist von dem Ausschußvorsitzenden erläutert worden. Wir haben nach Abschluß der Ausschußberatungen die Dinge weiter diskutiert. Sie alle, die Sie dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem für Arbeit angehören, wissen, daß dieser Vorschlag mehr oder weniger ein Versuch war, die Arbeiten des Ausschusses wenigstens abzuschließen, einen Bericht zu ermöglichen, aber die Tür trotzdem offen zu lassen, um vielleicht doch noch eine bessere Formulierung zu finden.
Meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß der Apparat zu schwerfällig ist, der nach dem Ausschußvorschlag für die Wahl der Arbeitnehmervertreter aufgestellt werden soll. Wenn wir neben den Betriebsräten der einzelnen Werke, die in Einheitsgesellschaften zusammengeschlossen werden, noch einen Wahlkörper hätten, der doppelt soviel Mitglieder wie die Betriebsräte zählen würde, dann wäre das ein schwerfälliger Apparat; denn der Wahlkörper könnte außerordentlich groß sein. Ich erinnere daran, daß die Hibernia elf Zechen hat. Ich denke, ich bin aus Bergarbeiterkreisen recht unterrichtet worden.
({0})
Alle diese Zechen haben ihren eigenen Betriebsrat. Es sind zirka 25 000 Arbeitnehmer. Wenn nun zu den Betriebsräten in den einzelnen Zechenbetrieben noch Wahlmänner in der doppelten Anzahl gewählt werden, wird der Apparat nach der Auffassung meiner politischen Freunde und nach meiner eigenen Ansicht zu groß. Wir haben uns deshalb entschlossen, einen Abänderungsantrag zu stellen, daß der Wahlkörper nicht in dieser Form eingerichtet wird. Wir folgen weitgehend der Regierungsvorlage und wollen in diesem Gesetz festgelegt wissen, daß aus der Arbeitnehmerschaft der Betriebe heraus zwei Vertreter als Aufsichtsratsmitglieder bestimmt werden sollen. Es sollen dies ein Arbeiter und ein Angestellter sein. Beide, sowohl der Arbeiter als auch der Angestellte, sollen vom Vertrauen der Arbeitnehmerschaft getragen sein, der Angestellte vom Vertrauen der Angestelltenschaft, der Arbeiter vom Vertrauen der Arbeiterschaft der Betriebe. Wir möchten verhüten, daß der Angestelltenvertreter unter Umständen von der Mehrheitsgruppe der Arbeitervertreter bestimmt wird; denn das könnte
leicht eintreten, entspräche aber nicht dem Sinn des Gesetzes, wie wir es verstehen und haben wollen. Wir sind der Meinung, daß es gut ist, wenn die Angestelltenmitglieder des Betriebsrats für sich das Angestelltenmitglied des Aufsichtsrats wählen, das dem Wahlorgan vorgeschlagen wird. Ebenso soll von den Arbeitermitgliedern des Betriebsrats der Arbeitervertreter für den Aufsichtsrat benannt werden.
Wir wünschen weiter auch eine Berücksichtigung der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, weil sie ja auch vom Vertrauen der Arbeitnehmerschaft der Betriebe getragen sind. Wenn das nicht der Fall wäre, könnten ja keine Mitglieder der Gewerkschaften da sein. Wir wollen, daß die Gewerkschaften in engstem Benehmen mit den Betriebsräten von sich aus ebenfalls zwei Kandidaten für diese Wahl zum Aufsichtsrat vorschlagen. Ich bin gewiß, daß dieses Vorschlagsrecht immer nur im Benehmen und in Zusammenarbeit mit den Spitzenorganisationen ausgeübt wird. Ich weiß, daß dem Wort „Spitzenorganisation" etwas Ominöses anhaftet.
({1})
Wir wollen uns aber über eines im klaren sein, und ich glaube, das ganz offen aussprechen zu müssen. Ich habe lange genug in der deutschen Arbeiterbewegung gestanden und weiß, daß es oft gut ist, wenn von oben, von überbetrieblicher Ebene ein regulierender Einfluß ausgeübt wird. Ein solcher Einfluß wirkt auch dann regulierend, wenn betriebsegoistische Interessen irgendwie eine Rolle zu spielen beginnen.
Ich bin der festen Überzeugung, daß die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ihre Kandidaten den Betriebsmitgliedern, also der Arbeitnehmerschaft des Betriebes, niemals aufzwingen werden, also nicht gewissermaßen diktatorisch handeln werden.
({2})
Die Aufstellung kann nur in der Zusammenarbeit aller Gruppen geschehen. Wenn diese vier Vorschläge so zustande kommen, dann wird es auch richtig sein, wenn das fünfte Mitglied nach § 4 Abs. 1 b, das sogenannte unabhängige Mitglied, von übergeordneter Stelle auf dieselbe Art und Weise gewählt bzw. dem Wahlorgan in Vorschlag gebracht wird.
Wir haben uns deshalb erlaubt, Ihnen den § 6 in der von uns gewünschten Fassung in Umdruck Nr. 110 vorzulegen. Sie haben bei dem Interesse, das gerade dieser Paragraph findet, sicher bereits davon Kenntnis, und ich kann es mir wohl ersparen, auf die Dinge im einzelnen einzugehen und alles nochmals in Einzelheiten vorzutragen. Ich wiederhole: zwei Mitglieder aus den Betrieben, ein Arbeiter und ein Angestellter; ich wiederhole weiter: zwei Mitglieder, die von den Gewerkschaften - meinetwegen Spitzenorganisationen im Benehmen mit den Gewerkschaften -, aber auch in Beratung mit den Betriebsangehörigen vorgeschlagen werden, wobei das fünfte Mitglied ebenfalls auf diese Art und Weise benannt wird. Sie lesen in Abs. 4 des § 6: „Für das in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichnete weitere Mitglied gilt Absatz 3 entsprechend". Diese Vorschläge werden dem Wahlorgan zugeleitet. Abs. 5 sagt: „Das Wahlorgan ist an die Vorschläge der Betriebsräte und der Spitzenorganisationen .gebunden". Eine Divergenz kann vielleicht dadurch bestehen, daß wir gewünscht haben, statt „Spitzenorganisation"
({3})
„Spitzenorganisationen" zu sagen. Ich glaube, dagegen kann niemand etwas haben. Wir machen dieses Gesetz ja nicht für heute und morgen; wir machen es auch nicht für ein halbes Jahr oder für ein ganzes Jahr. Wir wollen nicht, daß durch die Fassung des Gesetzes jedwede mögliche Entwicklung - ganz egal, wie sie läuft; niemand kann etwas voraussehen - irgendwie verbaut wird. Ich bin mir klar darüber, daß die vernünftigen Menschen aus der Arbeitnehmerbewegung mit mir einer Meinung sind, daß dagegen nichts einzuwenden ist.
Das hätte ich zu § 6 zu sagen. Ich bitte, dem § 6 in der Fassung, wie wir sie vorgelegt haben, Ihre Zustimmung zu geben.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP stellt zu § 6 einen Antrag, der Ihnen inzwischen im Umdruck vorliegt. Ich werde ihn aber doch vorlesen, da ich höre, daß er nicht überall vorliegt:
§ 6 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
({0}) Die Vertreter der Arbeitnehmer müssen Arbeiter oder Angestellte der zum Unternehmen gehörenden Betriebe sein. Für ihre Wahl können die Betriebsräte der zum Unternehmen gehörenden Betriebe nach Beratung mit den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften und die Arbeitnehmer Wahlvorschläge aufstellen. Die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer müssen von mindestens einem Zehntel der Arbeitnehmer des Unternehmens oder von mindestens 100 Arbeitnehmern unterzeichnet sein. Jeder Wahlvorschlag muß mindestens die doppelte Zahl von Namen enthalten, wie Vertreter zu wählen sind.
§ 6 Abs. 3 wird gestrichen.
Zur Begründung darf ich kurz folgendes ausführen. Ich bin mit meinem Vorredner der Meinung, daß sich Arbeitskreis und Ausschüsse sehr große Mühe gegeben haben, in diesem Punkte zu einer Lösung zu kommen. Der Vorschlag in der Regierungsvorlage bedeutete praktisch - das ist im Ausschuß und besonders im Arbeitskreis sehr oft erörtert worden - ein reines Kopfnicken der Generalversammlung. Es ist - vorsichtig ausgedrückt - eine Übertreibung, wenn man eine solche Generalversammlung dann als ein Wahlorgan bezeichnet. Eine Institution, die mit dem Kopf zu nicken hat - sie muß nicken - in einer Demokratie als ein Wahlorgan zu bezeichnen, ist meines Erachtens eine reine Farce.
({1})
Das kann die FDP unter gar keinen Umständen mitmachen.
Wir sind aber der Meinung, daß der § 6 in Abs. 1 in bezug auf das nunmehrige Wahlorgan, das nicht mehr die Generalversammlung ist, einen guten Mittelweg gefunden hat. Wir glauben, daß es nicht richtig ist, die Betriebsräte zum alleinigen Wahlorgan zu machen. Denn der Arbeiter und der Angestellte haben mit Recht bei ihrer Stimmabgabe zur Wahl des Betriebsrates bei der Beurteilung der Kandidaten andere Gesichtspunkte in den Vordergrund gerückt, die zu beachten nötig ist, als wenn sie jemanden in den Aufsichtsrat des Unternehmens delegieren wollen. Das ist im Ausschuß so ausführlich - stundenlang, möchte ich sagen erörtert worden, daß ich darauf verzichte, es hier zu wiederholen. Es ist nach meiner Auffassung auch keineswegs so, wie uns Freund Pelster gesagt hat, daß das Wahlorgan zu schwerfällig sei. Man darf in solchen Fällen nicht immer mit dem Beispiel Hibernia arbeiten. Vielmehr ergibt sich auf diese Weise in der großen Mehrzahl der Fälle ein durchaus arbeits- und funktionsfähiges Wahlorgan.
Wir weichen von dem Ausschußbericht entscheidend in den weiteren Absätzen des § 6 ab. Wir sind der Meinung - ich sage das aus voller Überzeugung und werde immer dieser Überzeugung bleiben -, daß die Betriebsnähe des zu Wählenden das Entscheidende ist. Diese Betriebsnähe kann überhaupt nicht besser dokumentiert werden als dadurch, daß ausschließlich Mitglieder des Unternehmens selbst, Angestellte und Arbeiter, gewählt werden. Wir wollen nicht dieses kollektivistische Denken, und - nehmen Sie es mir nicht übel - wenn Sie glauben, sich nur auf die Gewerkschaften und hur auf die Spitzenorganisationen der Gewerkschaften verlassen zu können - das ist doch der Unterton Ihres Antrages -, stellen Sie meines Erachtens den Betriebsräten, vor allem aber den Arbeitern und Angestellten des Unternehmens, die doch der Träger der ganzen Angelegenheit sind, ein sehr schlechtes Zeugnis, ein Minderwertigkeitszeugnis aus.
({2})
- Das kann doch nicht Ihr Glaube sein, Herr Richter,
({3})
daß Sie bei den Gewerkschaften nun alle Wahrheit und Weisheit gepachtet haben. Ich weiß, daß speziell Sie persönlich sich sehr darum bemühen; denn Sie kenne ich ja am besten. Wir wollen aus den Arbeitnehmern funktionsfähige, selbständige, verantwortungsbewußte Leute machen. Deswegen wollen wir sie in die Aufsichtsräte entsenden und nicht Angehörige der Gewerkschaftsorganisationen oder gar der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften. Wenn das eine Erziehungsarbeit bedeutet, dann, bitte, leisten Sie doch von den Gewerkschaften aus diese Erziehungsarbeit. Wir sind sehr damit einverstanden. Sorgen Sie dafür
({4})
- verehrter Herr Richter, ich meine manchen Ihrer Funktionäre, nicht Sie -, daß überlegene, hervorragende Facharbeiter, Meister, Angestellte, Oberingenieure auch die richtigen Begriffe für ihre Arbeit und ihre Aufgaben im Aufsichtsrat bekommen. Aber nehmen Sie es ihnen doch nicht ab, werden Sie doch nicht ihr Vormund oder gar ihre Hebamme. Das haben die nicht nötig.
({5})
Wir wollen, daß die Arbeitnehmer selber ihre Rechte wahrnehmen.
Ich glaube, damit habe ich zur Begründung unseres Vorschlages genug gesagt.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des § 6 ist eigentlich noch von keiner Seite betont worden, daß all die vorgetragenen Fassungen ein großes Zugeständnis
({0})
von seiten der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer bedeuten, indem die Arbeitnehmer gleichviele Stimmen wie die Arbeitgeber neu bekommen und von nun an maßgebend in die Mitbestimmung des Unternehmens eingeschaltet werden. Die SPD geht nun einen Schritt weiter und will den Arbeitnehmern das Recht, das sie bekommen sollen, gleich wieder zur Hälfte wegnehmen und es den Gewerkschaftsfunktionären und der Gewerkschaftsbürokratie zuteilen.
({1})
Es geht im § 6 darum, ob der Arbeiter oder der
Gewerkschaftsfunktionär, der Betriebsfremde für
das Schicksal des Betriebes maßgebend sein soll.
({2})
Man bringt manchmal als Argument: Ja, die Gewerkschaften können oft sehr mäßigend einwirken, z. B. in dem Fall, daß eine völlig radikalisierte Vertretung der Arbeitnehmer in einem Betrieb die Herrschaft in der Hand hat und man diese einfach nicht wegbringt. Es gibt solche Fälle. Aber für uns geht es hier um den Grundsatz, wir haben bei der grundsätzlich en Debatte in der ersten Beratung klar zum Ausdruck gebracht: Wir wissen, das ist nach der Meinung der SPD nicht das Ende, sondern erst der Anfang der Einschaltung der Gewerkschaften. Deshalb wollen wir nicht, daß vielleicht in einer zukünftigen Entwicklung bis zum kleinen Betrieb herunter betriebsfremde Elemente in jeder Weise die Unternehmerfunktion ausschalten.
({3})
Wir wollen nicht, daß dieses Bemühen der Unternehmer um ihre Arbeiter gehemmt, geschädigt, gelähmt wird.
({4})
Ich glaube, 'das Gewissen und die Verantwortung der Unternehmer ist unter den Schlägen der letzten Jahrzehnte so ausgebildet worden, daß sie sich auch für die Arbeiter verantwortlich fühlen. Sonst gehören sie zum Teufel gejagt.
({5})
Für uns ist es danach entscheidend, daß nur Betriebsangehörige gewählt werden.
Wir sind zunächst für den Antrag der FDP. Herr Kollege Wellhausen hat bereits starke Argumente angeführt; ich brauche sie nicht zu wiederholen. Wir können uns nicht mit dem CDU-Antrag einverstanden erklären, der uns viel zu kompliziert, unklar und verschwommen ist.
({6})
Wenn jedoch der FDP-Antrag abgelehnt wird, möchten wir den weiteren Antrag stellen, daß die von den Gewerkschaften Vorzuschlagenden aus den Arbeitern und Angestellten der betreffenden Betriebe genommen werden. Das ist für uns ein entscheidendes Problem. Es müßte also in § 6 Abs. 2 Zeile 5 hinter den Worten „gehörenden Betriebe" eingefügt werden, daß die für die Wahl Vorzuschlagenden aus den Arbeitern und Angestellten dieser Betriebe genommen werden müssen! Sie sehen, wir versuchen, auch den Gewerkschaften soweit entgegenzukommen wie nur möglich, um eine möglichst breite Basis für das Gesetz. zu finden. Aber es ist für uns eine unabdingbare Voraussetzung, daß nicht der Funktionär, sondern ausschließlich der betriebsnahe Arbeiter an diesem Aufsichtsrat teilnimmt.
({7})
Entsprechend diesem Antrag würde die Formulierung des § 6 Abs. 3 sich ändern. Ich wiederhole: Wir sind zunächst für den FDP-Antrag, bitten aber, sollte dieser Antrag nicht durchgehen, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Imig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon meine Vorredner haben betont, daß es sich bei diesem § 6 um das Kernstück der Vorlage handelt. Es handelt sich um nichts mehr und nichts weniger als um das Vorschlagsrecht für die Wahl der Vertreter der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat. Es ist daher verständlich, daß die Beratungen darüber im Arbeitskreis der beiden Ausschüsse den breitesten Raum eingenommen haben, und die Fraktion der SPD hat keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß für sie der Begriff des Rechts auf Mitbestimmung in den Betrieben von der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrats abhängig ist. In der Drucksache Nr. 1858 - das ist der Regierungsentwurf - ist die Sicherheit in dieser Beziehung in vollem Umfange gewährleistet.
Aber wenn man das Mitbestimmungsrecht abschwächen wollte, dann war die Formulierung gerade dieses Paragraphen die geeignetste Gelegenheit dazu. Bei vier von den fünf Vorschlägen im Arbeitskreis konnten wir denn auch nichts anderes feststellen als den Versuch, die Einflußnahme der Unternehmerseite durch die Ausschaltung der Ge werkschaften zu ermöglichen. Das und nichts anderes bezweckt auch der uns vorliegende Entwurf. Man tut so, als ob man wollte, und sucht gleichzeitig nach Mitteln und Wegen, die unangenehme Angelegenheit zu umgehen.
({0})
Herr Kollege Schröder, Sie sprachen eben von einer gewissen Klarheit. Ich habe bald den Eindruck, als wenn wir auch die letzte Klarheit des Gesetzes beseitigt hätten.
({1})
- Na, an Schlagworten dazu fehlt es ja nicht, und zwar ist wohl der Hauptgrund die stärkere Einschaltung der Arbeiter aus dem Betrieb.
Nun möchte ich folgendes feststellen. Die Arbeitnehmer werden doch gewiß irgendeinen Grund dazu gehabt haben, sich in den Gewerkschaften zusammenzuschließen.
({2})
Diesen Grund hätten sie wahrscheinlich nicht gehabt, wenn man dem Mann im Betriebe immer die Bedeutung und den Wert beigemessen hätte, den man ihm jetzt auf einmal zubilligen will.
({3})
Herr Kollege Dr. Wellhausen, Sie erwähnten eben, der Arbeitsdirektor sei eigentlich eine überflüssige Einrichtung, denn die Vorstandsmitglieder würden von sich aus die Belange der Arbeitnehmer wahrnehmen und gleichzeitig die Würde der Arbeitnehmer wahrnehmen.
({4})
- Oder wahren, gut! Ja, Herr Kollege Dr. Wellhausen, wir sind inzwischen vom 19. Jahrhundert
ins 20. Jahrhundert gekommen, und es ist ja nun
nicht mehr so, als wenn wir einen Betrieb hätten,
bei dem der wirkliche Unternehmer als der Vater
({5})
darüber schwebte und nun jedem gäbe, was ihm zukäme. Heute haben sich die Dinge doch wesentlich geändert. Die Zeit ist vorangeschritten, und manchmal schreiten sogar die Menschen mit voran.
Zur Erklärung will ich auf die Äußerungen des Herrn Dr. Seelos eingehen, der vom Unternehmer sprach. Meine Herren, wollen Sie mir in den Industrien, von denen hier die Rede ist, den Begriff „Unternehmer" definieren?
({6})
Und wenn vom kollektivistischen Denken gesprochen wird, Herr Kollege Dr. Wellhausen: Ich habe manchmal so das Empfinden, daß das kollektivistische Denken auch auf der anderen Seite ist, nur mit umgekehrtem Vorzeichen.
({7})
- Doch, gibt es, Herr Dr. Wellhausen.
({8})
Aus dem einfachen und eindeutigen § 5 des Regierungsentwurfs hat man im § 6 der Vorlage des Ausschusses ein kompliziertes Verfahren zur Ermittlung eines Wahlkörpers entwickelt. Begründung: Es sollte ein Gegenstück zur Hauptversammlung, dem Wahlkörper der Anteilseigner, sein. Es ist eigentlich die Frage berechtigt: Wird dieser Wahlkörper auch jedesmal einberufen, wenn die Wahlversammlung, also die Generalversammlung, einberufen wird? Nein, meine Damen und Herren! Ich glaube, mit diesem Wahlkörper hat es nur den einen Sinn und den einen Zweck, den ich Ihnen ) eben schon geschildert habe.
Nach § 6 Absatz 3 der Vorlage dürfen die Gewerkschaften mit den Betriebsräten die Wahlvorschläge beraten. Ich würde mich als Mitglied des Wahlkörpers, wenn ich zu den restlichen zwei Dritteln gehörte, dagegen wehren, zu dieser Beratung nicht hinzugezogen zu werden. Denn letzten Endes: was dem einen recht ist, würde doch dem andern billig sein. Ich glaube annehmen zu dürfen, daß das Gesetz zu früh gekommen ist. Man hätte vor Zustandekommen dieses Gesetzes ein Antigewerkschaftsgesetz beraten müssen.
({9})
Wahrscheinlich wäre man dann mit diesem Gesetz besser hingekommen.
({10})
Es wird jetzt so hingestellt, als müsse der Arbeiter im Betrieb Schutz vor seinen eigenen Gewerkschaften suchen.
({11})
Dieser Logik, meine Herren, kann ich tatsächlich nicht mehr folgen.
({12})
Wollen Sie denn vielleicht die Wirtschaftspolitik ohne die Gewerkschaften machen?
({13})
Wollen Sie vielleicht mit dieser Methode die Gewerkschaften aus der Verantwortung entlassen? ({14}) Meine Herren und namentlich Sie, Herr Kollege Rechenberg, wir werden sehr oft zitiert.
({15})
- Na, die Entwicklung, Herr Kollege von Rechenberg, nicht die Gewerkschaften, wird Sie schon zwingen, diesen Weg zu gehen, ob Sie wollen oder nicht.
({16})
Und Sie werden diesen Weg gehen mit den Gewerkschaften, sonst können Sie ihn nämlich nicht gehen!
({17})
- Ach, meine Herren, glauben Sie denn, daß die Gewerkschaften die Mitverantwortung und Mitarbeit übernähmen, ohne auch mitbestimmen zu können?
({18})
Soviel Dummheit dürfen Sie den heutigen Gewerkschaften nicht mehr zutrauen!
({19})
Die Entwicklung, in der wir uns befinden und die noch in unangenehmer Weise fortschreitet, zeigt doch, daß die Löhne den Preisen nicht mehr zu folgen vermögen.
({20})
- Augenblick! Wenn die Gewerkschaften verlangen, mitzubestimmen, müssen sie beweisen, daß sie dieses Recht auf Mitbestimmung haben, und das muß ich Ihnen ja beweisen. Die Lohnforderungen, die heute gestellt werden, sind unter Umständen morgen von den Preisen schon wieder überholt. Ich brauche nicht zu betonen, welche Schraube damit in Bewegung gesetzt wird. Die Gewerkschaften haben bereits unter Beweis gestellt, daß sie sich nicht scheuen und auch gewillt sind, Verantwortung zu übernehmen.
({21})
Ich glaube, Sie waren nicht gemeint, Herr Abgeordneter!
({0})
Das habe ich Ihnen gar nicht zugetraut, Herr von Rechenberg! - Aber Mitarbeit und Verantwortung nur dann, wenn eben das Recht auf Mitbestimmung gegeben wird!
({0})
- Meine Herren, wenn die Gewerkschaften nicht so verantwortungsbewußt wären, dann säßen Sie wahrscheinlich heute gar nicht hier!
({1})
Ich bitte um Ruhe für den Redner; er ist sonst nicht zu verstehen!
Warum regen Sie sich denn so auf, meine Herren?
({0})
- Ich erzähle Ihnen doch gar nichts, Sie brauchen auch gar nicht zuzuhören.
({1}) Aber ich habe bereits gesagt, daß für uns die Mitbestimmung von der Herstellung der paritätischen Besetzung des Aufsichtsrates abhängt.
Wir beantragen daher, den jetzigen § 6 durch den § 5 der Regierungsvorlage mit dem Zusatz des Bundesrates zu ersetzen. Der Paragraph würde dann folgendermaßen lauten:
({2}) Die in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitglieder des Aufsichtsrats werden auf Vorschlag derjenigen Spitzenorganisation gewählt, welcher die Gewerkschaft angehört, die überwiegend in den Betrieben des Unternehmens vertreten ist ({3}). Unter den in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitgliedern müssen sich ein Arbeiter und ein Angestellter befinden, die in einem zum Unternehmen gehörenden Betrieb beschäftigt sind. Diese Mitglieder werden dem Wahlorgan durch die zuständige Spitzenorganisation auf Antrag der Betriebsräte der zum Unternehmen gehörenden Betriebe zur Wahl vorgeschlagen. Die zuständige Spitzenorganisation kann Anträge der Betriebsräte nur ablehnen, wenn der begründete Verdacht besteht, daß der Vorgeschlagene nicht die Gewähr bietet, zum Wohle des Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich im Aufsichtsrat mitzuarbeiten; in diesem Falle stellen die Betriebsräte einen neuen .Antrag. Die zuständige Spitzenorganisation soll bei ihren Vorschlägen die innerhalb der Belegschaft bestehenden Minderheiten in billiger Weise berücksichtigen.
({4}) Für ein weiteres der in § 4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitglieder gilt Absatz 1 entsprechend.
({5}) Das Wahlorgan ist an die Vorschläge der zuständigen Spitzenorganisation gebunden. Es kann nur Personen wählen, die von dieser vorgeschlagen sind.
Zum Schluß eine kurze Bemerkung. Meine Herren, ich habe betont, daß dies für uns das Kernstück des ganzen Gesetzes ist. Wir als Gewerkschaftler haben das letzte Werk eines für uns großen Mannes damit zu erfüllen. Ich weiß, daß man mit Sentimentalitäten keine Politik macht. Aber das eine dürfen wir Ihnen versichern: Im Angedenken dieses großen Toten, den Millionen von Menschen verehrt haben, werden wir das Gesetz mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen!
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! Es war gerade rührend zu hören, wie der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen von der FDP bemüht war, sich für die demokratischen Rechte der Belegschaft zu erwärmen. Ich glaube, die Hintergründe für diese Haltung der FDP sind wohl ziemlich eindeutig. Wenn dieser immerhin nicht ganz unmaßgebliche Vertreter der Schwerindustrie diese Auffassung vertritt, dann ist es ganz klar, was er damit verfolgt.
({0})
- Ach, Sie sind sehr intelligent mit Ihrem Zwischenruf, sehr intelligent!
({1})
Dann wird es ganz klar, daß er damit gar keine andere Absicht hat, als aus dem Betrieb einen bestimmten kleinen Kreis heranzuholen, ihn mit bestimmten Methoden, die bekannt sind, entsprechend zu beeinflussen und damit ein willfähriges Werkzeug für die Politik der Mehrheit des Aufsichtsrates und des Vorstandes nachher in diesem Betrieb zu schaffen.
Aber ich glaube auch, daß die Ausführungen des Vertreters der CDU nicht ganz uninteressant gewesen sind; denn in der Forderung, die er hier erhoben hat, kam nicht mehr und nicht weniger zum Ausdruck als erstens, daß die Belegschaft in Arbeiter und Angestellte gespalten werden soll, um damit ein einheitliches Handeln der Belegschaft zu zerschlagen. Außerdem klang die Absicht hindurch, doch im Lauf der Entwicklung eigene christliche Gewerkschaften aufzuziehen.
({2})
Ich glaube, daß das deswegen nicht ganz uninteressant ist, weil den Tendenzen gerade von der Unternehmerseite in Richtung der Aufspaltung und Zerspaltung der Einheitsgewerkschaften der gesamten Politik, wie sie in Westdeutschland betrieben wird, nach dem alten Grundsatz der Unternehmer ,,divide et impera" Rechnung getragen werden soll.
Nach der Auffassung der kommunistischen Fraktion hat die Frage des § 6 noch eine besondere Bedeutung. Die Entsendung der Aufsichtsratsmitglieder der Belegschaft ist in erster Linie davon abhängig zu machen, daß die Mitglieder des Aufsichtsrates die Interessen der Belegschaft wahrzunehmen haben. Wir stehen auf dem Standpunkt - und das kommt ja auch in der neuen Formulierung des § 11, wie sie auf Umdruck Nr. 106 festgelegt ist, zum Ausdruck -, daß die Aufsichtsratsmitglieder der Belegschaft an die Weisungen der Belegschaft gebunden sind, daß sie in logischer Entwicklung des vorhin von uns zu § 4 gestellten, aber abgelehnten Antrags verpflichtet sind, diese Weisungen durchzuführen, und daß sie infolgedessen auch gegenüber der Belegschaft Rechenschaft abzulegen haben. Das bedeutet umgekehrt, daß über die Entsendung der Mitglieder in den Aufsichtsrat von der Belegschaft zu entscheiden ist. Der Kollege Imig hat in seiner Rede bei der ersten Lesung des Entwurfs bereits darauf hingewiesen, daß 90 % der Arbeiterschaft organisiert sind. Daraus ergibt sich also logischerweise, daß die für den Aufsichtsrat Vorgeschlagenen Gewerkschaftsmitglieder sind und daß das Recht der Gewerkschaften automatisch gewährleistet ist. Das bedeutet aber auch, daß die Frage, wer nun gewählt werden soll, nicht automatisch an die Zugehörigkeit zur Belegschaft gebunden ist, der betreffende Vertreter der Belegschaft infolgedessen auch, wenn er das Vertrauen der Belegschaft hat, ein außerhalb des Betriebes Stehender, also ein Funktionär der Gewerkschaft sein kann und damit
({3})
dem demokratischen Prinzip der Entscheidung der Belegschaft selbst unter Wahrung der Rechte der Gewerkschaften Rechnung getragen wird.
Wir sind auch der Meinung, daß entsprechend einer solchen Regelung, die aus dem Gesichtspunkt, daß die Aufsichtsratsmitglieder den Interessen der Belegschaft Rechnung zu tragen und ihre Weisungen durchzuführen haben, entstanden ist, auch die in der Regierungsvorlage enthaltene Bestimmung über die Wahlordnung nicht akzeptabel ist. Es wurde im Ausschuß darüber beraten, von wem diese Wahlordnung erlassen werden soll. Wir sind der Meinung, daß nicht die Regierung Adenauer, Erhard und Schäffer diese Wahlordnung zu erlassen hat, sondern daß es Angelegenheit der zuständigen Industriegewerkschaft ist, diesen Entwurf so zu machen, wie wir es fordern; und die Belegschaften sollen dann darüber entscheiden. Es ist ausschließlich Angelegenheit der Arbeiterschaft selbst.
Ich glaube aber, ein Punkt der Ausführungen des Kollegen Imig wird die Aufmerksamkeit nicht nur dieses Hauses, sondern auch weitestgehend der Arbeiterschaft draußen wecken. Kollege Imig sagte als Antwort auf einen Zwischenruf, der von der rechten Seite kam - ich glaube, aus dem Kreise der FDP -: „Daß Sie heute hier sitzen, das verdanken Sie den Gewerkschaften!" Das ist eine Tatsache, aber eine bedauerliche Tatsache.
({4})
- Meine Damen und Herren, es ist eine bedauerliche Tatsache, daß es durch die Politik der Gewerkschaftsführung in diesen knapp sechs Jahren möglich gewesen ist, daß die ganzen Vertreter aus der Nazizeit, soweit sie in wirtschaftlich maßgebender Stellung gewesen sind, heute in Westdeutschland die Kommandohöhen der Wirtschaft bereits wieder restlos besetzt haben.
({5})
Das ist eine Frage, die gerade auch im Zusammenhang mit der Entwicklung des Mitbestimmungsrechts steht. Ich glaube also, die Tatsache, daß diese Leute heute hier in Westdeutschland wieder maßgebend bestimmen, gehört zu denen, über die sich die Arbeiterschaft draußen in den Betrieben usw. sehr ernst wird unterhalten müssen. Im Zusammenhang mit dem Kampf um ein wirkliches Mitbestimmungsrecht muß dieser Entwicklung Einhalt geboten werden, damit wir zu einer demokratischen Entwicklung kommen, und ich glaube, daß auf dem Gebiet der Wirtschaft gerade der Kampf um das Mitbestimmungrecht ein Kampf um die Demokratisierung der Wirtschaft ist.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kann keine Rede davon sein, daß, wie der Abgeordnete Imig vorhin sagte, das Mitbestimmungsrecht durch den Ausschußantrag abgeschwächt würde. Es heißt in der Überschrift meines Erachtens doch ganz klar: „Mitbestimmung der Arbeitnehmer in Unternehmen".
({1})
Sie werden sich mit dem Bleistift hinter dem Ohr noch verletzen, Herr von Thadden.
({0})
von Thadden ({1}): Diese Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb kommt meines Erachtens am besten durch den Abänderungsantrag zum Ausdruck, den die FDP hier eingebracht hat.
Meine Damen und Herren! Was erwartet der Arbeiter vom Mitbestimmungsrecht?
({2})
Es sind da sehr interessante Umfragen gemacht worden, und zwar bei der Industriearbeiterschaft und bei der Arbeiterschaft im allgemeinen. Der Arbeiter wünscht, durch das Mitbestimmungsrecht vor Arbeitslosigkeit gesichert zu werden. 57 % wünschen, mehr Geld zu verdienen. 47 % wollen, daß ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden; das sind wesentliche Aufgaben der Betriebs- und der Aufsichtsräte. Nur 23 %, meine Herren Vertreter der Gewerkschaften, wünschen pointiert, ein Wort im Betrieb mitsprechen zu können.
({3})
Wer die Interessen der Arbeiter vertreten soll, das ist in dieser Umfrage, die einen recht großen Personenkreis umfaßt hat, auch klar herausgekommen: 60 % sind dagegen, ihre Interessen durch Gewerkschaftsfunktionäre von außen vertreten zu sehen; nur 18 % sind dafür daß ihre Interessen durch Betriebsfremde vertreten werden. Hier das anschauliche Bild, das Sie sicher als interessierter Gewerkschaftler kennen werden.
({4})
Meine Damen und Herren! Die SPD ist mit dem Satz, den sie in ihrem Abänderungsantrag bringt, daß zwei von den fünf Mitgliedern aus dem Betriebe sein sollen, durchaus auf dem richtigen Wege. Nehmen wir alle fünf aus dem Betrieb, dann werden die Dinge meines Erachtens für den Arbeitnehmer, dessen Interessen ja vertreten werden sollen, am besten geregelt sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns, wie eben schon gesägt wurde, bei der Behandlung des § 6 am Kernpunkt des Gesetzentwurfes, dessen zweite Lesung wir heute haben. Ich habe aus vielen Unterhaltungen mit Kollegen und Kolleginnen des Hauses den Eindruck gewonnen, daß sich, wenn wir hier in diesem Kernpunkt des Gesetzes eine Brücke zwischen gewissen grundsätzlich gegensätzlichen Auffassungen innerhalb des Hauses finden, die Möglichkeit ergeben wird, das Gesetz mit einer, sagen wir, mindestens relativ breiten Mehrheit in diesem Hause zu verabschieden.
Deshalb gestatten Sie mir, daß ich mit wenigen Worten einen solchen Überbrückungs- und Vermittlungsvorschlag vor Ihnen begründe, damit wir nachher darüber abstimmen und sehen können, wie weit sich die Basis innerhalb des Hauses verbreitern läßt.
Darf ch zunächst mit ganz wenigen grundsätzlichen Sätzen beginnen. Mir ist schon so oft aus Kreisen der sozialdemokratischen Fraktion im Landtag in Rheinland-Pfalz bei sozialpolitischen Debatten der Text der berühmten päpstlichen Enzykliken „Rerum novarum" und „Quadragesimo anno" vorgehalten worden, in denen gewisse Grundlinien der christlich-sozialen Konzeption über die Dinge, um die es sich hier handelt, niedergelegt sind. Ich habe diese Hinweise immer sehr dankbar begrüßt, weil ich gerne nach solchen
({0})
Richtlinien schaue, von denen jeder weiß, daß sie auch für den Katholiken zwar keine absolute Bindung bedeuten, daß sie für uns aber von großem Erkenntniswert sind. Deswegen erlauben Sie mir, daß ich an diesem entscheidenden Punkt der Beratungen nun meinerseits einmal ein solches Zitat zu der grundsätzlichen Frage bringe, um die es hier letzten Endes im Gipfelpunkt des Gesetzes, gerade bei der Beratung des § 6 geht. Papst Pius XII. hat an die Teilnehmer der Internationalen Studientagung in Rom am 3. Juni 1950 eine Ansprache gehalten, in der er zu diesem Problem grundsätzlich Stellung genommen und dabei - vier Sätze will ich nur zitieren - folgendes gesagt hat. Er sprach von der Grenze, bis zu der man hinsichtlich der Mitwirkung - wenn ich so sagen soll, von der anderen Seite her - gehen darf, und fuhr dann wörtlich fort:
Diese Grenze liegt dort, wo die Gefahr sich erhebt, daß jetzt die Arbeiterschaft in den gleichen Fehler fällt wie seinerzeit das Kapital. Der Fehler bestand darin, die Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel, namentlich in den großen und Riesenunternehmungen, der persönlichen Verantwortlichkeit des privaten Eigentümers ({1}) zu entziehen, um sie anonym kollektiven Formen der Verantwortlichkeit zu überantworten.
Dann heißt es weiter:
Sozialistisches Denken kann sich mit einer solchen Gestaltung sehr wohl befreunden. Beunruhigen aber muß sie denjenigen, der darum weiß, welche grundlegende Bedeutung dem Recht auf Eigentum zukommt, um in der Wirtschaft die Entschlußfreudigkeit zu selbständigem Handeln zu wecken und die Verantwortungsbereiche klar zu umschreiben.
Und jetzt kommt der vierte, meines Erachtens hier bedeutsamste Satz:
Eine ähnliche Gefahr droht nicht minder dann, wenn man für die im Lohnarbeitsverhältnis stehende Belegschaft des Betriebes das Recht auf wirtschaftliche Mitbestimmung in Anspruch nimmt, namentlich dann, wenn die Ausübung dieses Rechtes tatsächlich unmittelbar oder mittelbar unter maßgeblichem Einfluß von Organisationen steht, die von außerhalb des Betriebes ihre Befehle empfangen.
Ich möchte mich jedes Kommentars zu diesen klaren Worten enthalten, nur hinzufügen: Das Ahlener Programm der CDU, zu dem unsere ganze Fraktion in eiserner Konsequenz steht,
({2})
sieht vor, daß „den Arbeitnehmern des Betriebes in den Aufsichtsorganen, z. B. im Aufsichtsrat , die ihnen zustehende Vertretung einzuräumen" ist.
({3})
- Gar nicht: „Es war einmal"!
({4})
- Sie werden erleben, meine Damen und Herren, daß unser Ahlener Programm noch durch diesen Bundestag in allen Punkten durchgeführt wird.
({5})
Damit habe ich in kurzen Worten den Kern des Problems angedeutet, um das es geht. Dieser Kern liegt darin, daß gesagt wird: Es darf nicht zuviel
Zuständigkeit in die Hand solcher Stellen gelegt werden, die nicht innerhalb des Betriebes stehen, und es wird gefordert, daß die Belegschaft selbst oder durch die Betriebsräte möglichst weitgehende Vollmachten hat und ausüben kann. Die Dinge zeigen sich nun praktisch hier in der Beantwortung der Frage: Wie weit geht das Recht der Belegschaften - in Klammern: ({6}) - bei Auswahl ihrer Vertreter für den Aufsichtsrat, und wie weit geht das Recht der Gewerkschaften auf der anderen Seite, einen bestimmenden Einfluß auf diese Auswahl auszuüben?
Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich erklären, daß ich nicht daran denke, der Arbeitnehmerschaft irgendwie das Recht abzusprechen, sich durch Funktionäre ihrer Gewerkschaften in den Aufsichtsräten vertreten zu lassen. Meine Damen und Herren, man darf den Mann am Schraubstock nicht dazu zwingen, unbedingt nur selbst oder vertreten durch seinen Kollegen im Aufsichtsrat zu erscheinen, sondern man muß ihm das Recht lassen, seinen zuständigen Fachmann, den Anwalt seiner Sache, in den Aufsichtsrat zu entsenden, damit er dort für ihn tätig wird. Mein Vorschlag, den ich nachher machen werde, wendet sich also in keiner Weise dagegen, daß Funktionäre der Gewerkschaften - und zwar die zwei oder drei, um die es geht - in den Aufsichtsrat hineinkommen. Es geht nur um die Frage: Wer bestimmt diesen dritten und vierten Mann, nachdem also vorab der erste und zweite aus den Reihen der Belegschaft ja schon gemäß dem Verfahren nach dem hier in Betracht kommenden § 6 Abs. 1 und 2 bestimmt worden sind? Da war in der Regierungsvorlage vorgesehen - und das ist auch in dem jetzt vorliegenden Antrag der CDU/CSU so -, daß dieser dritte und vierte Mann praktisch einseitig durch die Gewerkschaften bestimmt wird, zwar nach Anhörung oder Benehmen oder nach Fühlungnahme mit dem Betriebsrat, aber ein entscheidendes Mitwirkungsrecht sollte dem Betriebsrat in diesem Falle nicht gegeben sein.
Nun habe ich volles Verständnis dafür, daß die Gewerkschaften selbst eine wesentliche, entscheidende Mitbestimmung bei der Auswahl ihrer Funktionäre für den Aufsichtsrat ausüben wollen, und möchte den Vermittlungsvorschlag machen, der ja schon in der Ausschußfassung im Grundgedanken enthalten war, daß nämlich die Gewerkschaften diese beiden Gewerkschaftsfunktionäre nicht einseitig von sich aus allein bestimmend vorschlagen, sondern daß die Gewerkschaften vier Funktionäre benennen, aus denen dann der Betriebsrat zwei auswählen kann. Meine Damen und Herren, ich meine, dann hätte man zwei Prinzipien, die hier miteinander ringen, nämlich den Willen nach alleiniger Bestimmung seitens der Gewerkschaften und den berechtigten Anspruch der Betriebsräte, wenigstens einen Rest von Mitbestimmung auch noch in diesem Falle auszuüben, in eine Verbindung miteinander gebracht, mit der schließlich - schließlich, sage ich - weite Teile dieses Hauses zufrieden sein könnten.
Meine Damen und Herren! Ich darf anfügen, daß mir diese ganze Frage so wichtig war, daß ich am vergangenen Wochenende an zwei Tagen meine Arbeitnehmerfreunde aus' meinem Wahlkreis Altenkirchen-Neuwied versammelt und mit ihnen dieses Problem besprochen habe. Ich habe dort namens vieler Tausender Arbeitnehmerwähler der CDU, vor allem aus der Eisenindustrie im Kreise Altenkirchen an der Sieg, den einstimmig erteilten Auftrag bekommen, namens dieser Ar({7})
beitnehmerwähler - und zugleich namens zahlreicher Fraktionsfreunde - hier diesen von mir jetzt zu formulierenden Antrag zu stellen. Bei den Herren, mit denen ich gesprochen habe, befanden sich nicht etwa nur Mitglieder der Betriebsräte oder der Betriebe, sondern auch in jahrzehntelangem Ringen ergraute Funktionäre der christlichen Gewerkschaften.
Meine Damen und Herren! Die Fassung, die ich Ihnen jetzt für den § 6 Abs. 3 vorschlagen darf, bedeutet eine Änderung des Ihnen vorliegenden CDU/CSU-Antrags. Sie lautet:
Zwei der in §,4 Absatz 1 Buchstabe b bezeichneten Mitglieder werden von den Betriebsräten der Betriebe des Unternehmens aus einem vier Namen enthaltenden Wahlvorschlag gewählt, der von den zuständigen Spitzenorganisationen der Gewerkschaften unter angemessener Berücksichtigung der Minderheiten aufgestellt wird. Dieses Wahlverfahren kann unterbleiben, wenn Betriebsräte und Spitzenorganisationen sich über einen gemeinsamen Vorschlag einigen.
Der letzte Satz besagt, daß man, wenn sich ohne das Wahlverfahren die Gewerkschaften und die Betriebsräte über die zwei Personen einig werden - das gilt dann auch für die dritte Person, für den fünften also -, natürlich von diesem komplizierteren Verfahren abweichen kann, das allerdings immer noch wesentlich weniger kompliziert ist als das Verfahren nach Abs. 1 und 2 für die Wahl des ersten und des zweiten Arbeitnehmer-Mitglieds.
Herr Abgeordneter, wenn ich Sie recht verstehe, ist Ihr Abänderungsantrag ein Abänderungsantrag zum Antrag der CDU/CSU?
Ja! Darf ich nur zur verhandlungstechnischen Situation im Hause noch eines anfügen. Ich sagte bereits, daß ich mit Vertretern verschiedener Parteien im Hause gestern, heute und auch vorgestern über dieses Problem gesprochen habe. Ich habe eigentlich in keinem Falle erlebt, daß mir mein Partner erklärt hätte, daß dieser Vermittlungsvorschlag ein unüberwindliches Hindernis für eine Zustimmung der betreffenden Parteien sei. Von der FDP hörte ich solches, von der Bayernpartei, von der Deutschen Partei, vom Zentrum, und ich konnte vorher auch mit einem Kollegen der SPD sprechen, der mir sagte, das sei letzten Endes keine Kardinalfrage.
Nun möchte ich natürlich nur diejenigen Kreise des Hauses, die sozial so aufgeschlossen und fortschrittlich ,sind, daß sie im Bereich Kohle und Eisen die paritätische Mitbestimmung unter Einbeziehung der Tätigkeit der Funktionäre der Gewerkschaften bejahen, bitten, doch den Versuch zu machen, die Mehrheit für dieses Gesetz so weit zu verbreitern, wie es nur irgend möglich ist. Nach links darf ich sagen: Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen nicht so wichtig ist - und es kann Ihnen nicht wichtig sein! -, dann denken Sie daran, daß wir doch das Gesetz als gewaltigen sozialen Fortschritt mit einer gewaltigen Mehrheit verabschieden möchten. An die Rechte möchte ich den Satz richten: Denken Sie daran, daß diese Formulierung von Ihrem Standpunkt aus gesehen doch immerhin ein kleineres Übel ist gegenüber dem Antrag, dessen Abänderung ich hiermit beantragt habe.
Meine Damen und Herren! Ich bezwecke mit diesem Antrag die Vermeidung eines scharfen Kampfes um dieses Problem und rate dazu, auf dieser Basis, auf möglichst breiter Grundlage in diesem Hause einen wirklichen sozialen Frieden zu gestalten.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Herr Wuermeling, hat eben ausgeführt, daß er mit den verschiedenen Parteien
({0}) über seinen Vorschlag gesprochen hat. Ich habe mich eben bei meiner Fraktion erkundigt und muß leider feststellen, daß ich keinen Vertreter meiner Partei gefunden habe, der mit ihm über diese Angelegenheit in eine Diskussion eingetreten ist.
({1})
- So, mit Herrn Farke. Ich habe eben hier gefragt. Wo ist denn Herr Farke? Herr Farke ist der einzige, der im Augenblick nicht im Saal ist.
({2})
Daher war es nicht möglich gewesen. Aber trotzdem muß ich sagen, daß ein Versuch in dieser Art und Weise, wie man hier augenblicklich versucht, noch einen Kompromißvorschlag zu machen, nach meiner Meinung doch nicht durchzuführen ist. Wir haben in der Zwischenzeit in den Ausschüssen gearbeitet, und wir haben aus der Regierungsvorlage heraus in der Ausschußarbeit einen Vorschlag erarbeitet, über den - mit gewissen Stimmenverhältnissen - abgestimmt worden ist, so daß die Mehrheit des Ausschusses diesen Vorschlag gebilligt hat. Wenn wir nun hier am heutigen Tage versuchen, diese einzelnen Positionen mit Abänderungsvorschlägen nochmals wieder zu verwässern, so glaube ich, werden wir dahin kommen - wenn wir es so weitermachen, wie wir es bis jetzt gemacht haben -, daß wir uns über den § 6 höchstwahrscheinlich wieder im Ausschuß unterhalten müssen; denn eine derartige Erledigung hier im Plenum durchzuführen, wird sehr schwer sein. Wenn wir nun auch heute zu einer wirklichen, schnellen Erledigung kommen wollen, würde ich es doch für richtig halten, daß wir uns wenigstens erst einmal wieder besinnen, um eine Basis des Ausgangs zu finden, auf der wir überhaupt arbeiten können. Wir haben hier augenblicklich den Ausschußvorschlag. Wir haben die verschiedenen Anträge der Parteien. Wir haben den Regierungsvorschlag, und wir haben jetzt auch noch diejenigen Vorschläge, die uns in der letzten Zeit vorgelegt worden sind. Meine Damen und Herren, ich glaube, alle, die hier im Saale sind, werden infolge der Vielheit dieser Vorschläge in diesem Augenblick bestimmt gar nicht in der Lage sein, bei Abstimmungen so schnell zu entscheiden, was sie für richtig halten, und damit eine endgültige Entscheidung zu treffen. Ich möchte für meine Fraktion nur sagen, daß wir, nachdem wir uns die Angelegenheit reiflich überlegt haben, dafür sein werden, das, was im Ausschuß erarbeitet worden ist, hier mit zu unterstützen, damit die Ausschußarbeit zu ihrem Recht kommt. Wir werden uns bei der Gelegenheit auch den FDP-Vorschlag, der hier noch einmal vorgelegt worden ist, überlegen, und
({3})
ich glaube auch, daß wir, wenn der FDP-Vorschlag zur Abstimmung kommt, ihm zustimmen werden. Aber ich glaube kaum, daß der FDP-Vorschlag Aussicht auf Erfolg hat. Wir werden daher immer weiter zu der Auffassung kommen, daß der Ausschußvorschlag dasjenige ist, was vielleicht durch schnelle Erledigung am heutigen Tage uns auf eine Basis führt, mit der wir alle zufrieden sein können. Das ist die Auffassung derjenigen Freunde, mit denen ich über die Frage gesprochen habe.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir nicht in den Ausschüssen und in dem daraus gebildeten verkleinerten Arbeitskreis alle der Auffassung gewesen wären, daß es notwendig ist, mit allen Kräften den Versuch zu machen, für dieses Gesetz eine breite Mehrheit hier im Hause zu finden, dann hätten wir uns die Bemühungen von Wochen, von Abend-und Nachtsitzungen sparen können; denn dann hätten wir es wesentlich billiger und einfacher haben können. Aber da wir in den Ausschüssen von diesem Willen beseelt gewesen sind, glaube ich, daß es auch jetzt noch nicht zu spät ist, diesen Versuch zu machen.
Inzwischen sind Ihnen von allen Fraktionen mit Ausnahme der Deutschen Partei, wenn ich meinen Vorredner Kuhlemann richtig verstanden habe, Abänderungsanträge vorgelegt worden, und es gehört in der Tat schon ein gewisses Spezialistentum dazu, die Nuancen der einzelnen Anträge mit voller Deutlichkeit zu übersehen. Dadurch wird
» auf der einen Seite ganz klargestellt, daß hier tatsächlich der springende Punkt und die Crux des Gesetzes liegt; aber auf der anderen Seite wird dadurch doch nur die Notwendigkeit unterstrichen, gerade in diesem Punkt zu einer befriedigenden Regelung zu kommen.
Meine Damen und Herren, es ist leider in dieser Debatte zu wenig hervorgehoben worden, daß das Grundprinzip, nämlich die paritätische Besetzung der Aufsichtsräte, im Grunde überhaupt nicht mehr diskutiert worden ist.
({0})
Ich wundere mich eigentlich darüber, daß das so wenig diskutiert worden ist; denn wir wollen uns doch darüber klar sein, daß wir mit diesem Gesetz am Beginn eines außerordentlich bedeutungsvollen Abschnitts unserer Wirtschafts- und Sozialgeschichte stehen, und wenn man sich schon in diesem Punkte der Parität sozusagen durch allgemeinen Konsens so weitgehend geeinigt hat, dann sollte es in der Tat keine unüberwindlichen Schwierigkeiten bereiten, für die Parität eine Form zu finden, die allen Gruppen in diesem Hause erträglich erscheinen mag.
Wir werden in wenigen Wochen vor einer neuen Debatte stehen, nämlich vor der Debatte über das allgemeine Mitbestimmungsrecht. Ich würde es für sehr viel glücklicher gehalten haben - ich gestehe das ganz offen -, wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten, die monatelangen Beratungen, in denen wir uns mit dem allgemeinen Mitbestimmungsgesetz beschäftigt haben, nicht zu unterbrechen, sondern fortzusetzen und zu Ende zu führen, bevor wir in diese spezielle Lage gebracht wurden, ein Sondergesetz für Kohle und Eisen vordringlich, zum Teil überstürzt - denn das sehen
Sie der Regierungsvorlage doch an - zu behandein. Ich glaube, wir würden eine wesentlich bessere Atmosphäre gehabt haben, wenn wir auf der Basis eines allgemeinen Mitbestimmungsrechts dann die Besonderheiten hätten berücksichtigen können, die nach der Überzeugung der meisten von uns für Kohle und Eisen angezeigt erscheinen mögen. Aber, meine Damen und Herren, gerade weil wir in absehbarer Zeit das allgemeine Mitbestimmungsrecht werden diskutieren müssen, deshalb sollten wir uns heute auch schon über die tragenden Prinzipien klar werden, die die richtige Legitimation für die Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat abgeben. Ich glaube, daß, wenn man sich diese Frage einmal ohne Voreingenommenheit überlegt, man sicher zu dem Ergebnis kommen kann, nach meiner Überzeugung sogar zu dem Ergebnis kommen muß, daß es nicht richtig ist, die Vertreter der Arbeitnehmer über eine Hauptversammlung zu schleusen, die dabei, wie schon einmal gesagt worden ist, die Rolle des Nickinstituts oder des Notars, oder wie immer Sie es nennen wollen, zu übernehmen hat. Es scheint mir wesentlich besser und auch notwendig, die Legitimation der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat in einer überzeugenden Weise vorzunehmen, und wenn Sie darüber nachdenken, welches denn nun ein Gremium sein kann, und zwar vom Betrieb her gesehen ein Gremium sein kann, das in der Lage ist, eine überzeugende Legitimation für die Arbeitnehmer herzugeben, dann werden Sie auf nichts anderes kommen als darauf, daß neben der Hauptversammlung eine Vollversammlung der Belegschaft zu stehen hätte.
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß sich dagegen sehr viele Gründe formaler und technischer Art, daß sich dagegen politische Bedenken usw. o usw. geltend machen lassen. Aber dieses Prinzip als solches sollte man in der Tat ernsthafter durchdenken, als das bisher in manchen Kreisen geschehen zu sein scheint, und ich glaube, daß wir dafür auch sehr solide Anknüpfungspunkte in der Vergangenheit des deutschen Rechtslebens haben. Vielleicht haben einige von Ihnen Gelegenheit genommen, in diesen Wochen des Kampfes um die Ordnung der Mitbestimmung bei Kohle und Eisen noch einmal einen Blick in das alte Betriebsrätegesetz von 1920 und in die Durchführungsbestimmungen dazu zu werfen, die 1922 erlassen worden sind. Sie werden zu Ihrer großen Überraschung finden, daß man damals den von mir für richtig gehaltenen Grundsatz bereits gesetzlich fundamentiert hat, nämlich den, daß die Vertreter der Arbeitnehmer über den Betriebsrat unmittelbar in den Aufsichtsrat gelangen. Man hat sogar - und ich bitte Sie, diese Wahlordnung einmal nachzulesen - dafür gesorgt, daß ein Minderheitenschutz geschaffen wurde, also gerade das, worum wir uns doch heute auf allen Rechtsgebieten so ganz besonders bemühen. Ich habe den Eindruck, daß, wenn man das schon vor 30 Jahren in dieser klaren und deutlichen Weise gesetzlich festgelegt und in der Nationalversammlung als Fortschritt gefeiert hat, wir dann heute sehr gut daran täten, uns doch nicht zu weit von den Prinzipien zu entfernen, die eine tatsächlich solide Fundamentierung der Legitimation für die Teilnahme der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat geben können.
Unter diesen Gesichtspunkten, meine Damen und Herren, sollten Sie sich vielleicht doch noch einmal die Mühe machen, die Beschlüsse anzusehen, die die Ausschüsse für Arbeit und Wirtschaftspolitik in ihren gemeinsamen Sitzungen gefaßt haben.
({1})
Dort hat man den Versuch gemacht, wirklich allen Seiten das zu geben, was man ihnen geben muß. Es ist keineswegs so, wie Herr Imig sagte, daß „man so tut, als ob man wollte und in Wirklichkeit nicht will". Das Gegenteil ergibt sich meiner Auffassung nach bereits aus der bloßen Lektüre der Vorschläge, die die Ausschüsse gemacht haben. Hier wird in einem sehr gut ausgewogenen Zusammenspiel gesetzlich - übrigens zum erstenmal gesetzlich - eine gegenseitige Konsultation von Betriebsrat und Gewerkschaft festgelegt, also durchaus ein Prinzip, für das sich doch sicherlich sehr weite Kreise in diesem Hause sollten einsetzen können.
Wenn man dann sagt, die Bedeutung der Gewerkschaften in ihrer Spitze sei hier aber nicht genügend hervorgehoben, so glaube ich, daß das ein Fehlschluß ist. Sie können ganz sicher sein, daß, wenn diese Vorschläge - wie die Ausschüsse es Ihnen empfohlen haben - von den Gewerkschaften zu machen sind und die Belegschaft die Möglichkeit hat, daraus zwei Vertreter zu wählen, dabei ohne Zweifel, auch ohne daß wir eine gesetziche Begriffsbestimmung der zuständigen Spitzenorganisation geben, die im Betrieb stärkste Gewerkschaft sich dann auf Grund ihrer natürlichen demokratischen Stärke wird durchsetzen können. Ich glaube, daß dieses Prinzip all den andern Prinzipien, die hier vorgeschlagen werden, durchaus überlegen ist. Sie sollten sich gerade im Hinblick auf die kommende Regelung des allgemeinen Mitbestimmungsrechts doch überlegen, ob man hier nicht noch einmal ernsthaft den Versuch unternehmen sollte, zu jener Mehrheit zu kommen, die wir für dieses umwälzendste Gesetz seit 1945 in diesem Hause im Interesse der deutschen Gesamtheit unbedingt brauchen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Diskussion zu § 6 verfolgt hat, kommt man zu der Feststellung, daß von der äußersten Linken bis zur äußersten Rechten sogar Übereinstimmung darüber besteht, daß nur die Arbeiter im Betrieb bestimmen sollen und alles andere ausgeschaltet werden soll. Herr Kollege Seelos meinte, es sollten nur betriebsnahe Leute, Leute, die auch im Betrieb sein müssen, dafür genommen werden. Meine Damen und Herren, ich möchte doch einmal auf die Entwicklung hinweisen, die das Mitbestimmungsrecht genommen hat. Mitbestimmungsrecht für den Mann, der im Betrieb steht - schön, ich bin damit einverstanden! Dann aber auf der ganzen Linie! Es wird aber niemandem in diesem Hause einfallen, ob das nun Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind, Gewerkschaftler, oder nicht Gewerkschaftler, dem Arbeiter im Betrieb ein Mitbestimmungsrecht in der Festlegung seines Lohnes zuzugestehen. Ich schließe mit dem Arbeitgeber einen persönlichen Vertrag, einen Arbeitsvertrag ab. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer, die im Betrieb stehen, sondern Leute, die weit darüber stehen, nicht einmal auf der örtlichen Ebene, sondern der bezirklichen, oft sogar - bei Reichstarifverträgen - auf der Reichebene stehen, setzen den Lohn fest, und der Arbeiter hat ihn, wenn auch nur als Mindestlohn, anzunehmen. Der Arbeitgeber hat ihn zu bezahlen. Ich weiß, mir kann entgegengehalten werden, es bestehe ja noch die Möglichkeit, jetzt zu vereinbaren, darüber hinaus etwas zu geben; das seien Mindestsätze. Aber an dem Prinzip kommen wir nicht vorbei. Ich schließe einen Vertrag mit meinem Arbeitgeber ab. Den wesentlichen Teil des Inhalts des Vertrages bestimmen Leute, die darüberstehen.
Das ist nun gang und gäbe geworden und niemand denkt daran, es wieder aufzuheben; denn es hat sich in 30 Jahren oder in 50 - wir haben ja schon vorher Tarifverträge gehabt - eingespielt. Wean sich das eingespielt hat, dann stehe ich nicht an zu erklären: es besteht ja dann eine Möglichkeit, daß es sich auch einspielt, daß Leute oder Vertreter der Arbeitnehmer, die vom Vertrauen der Arbeitnehmer getragen sind, jetzt, gestützt auf dieses Vertrauen, die Interessen im Aufsichtsrat wahrnehmen. - Das möchte ich dazu sagen.
Veranlaßt durch eine Bemerkung von Ihnen, verehrter Herr Präsident, ob der Antrag des Herrn Kollegen Wuermeling ein Abänderungsantrag zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion sei, möchte ich von mir aus feststellen, daß es ein persönlicher Antrag ist, der allerdings auf eine Abänderung hinausgeht.
Die beiden Anträge, der Antrag der CDU/CSU und der der `SPD, unterscheiden sich nur ganz geringfügig. Ich möchte darauf hinweisen, daß es in beiden übereinstimmend lautet: zwei Leute kommen aus dem Betrieb, Arbeiter und Angestellte. Ich weiß auch, daß Sie uns zustimmen werden, wenn wir sagen: wir wünschen, daß der Vertreter der Angestellten aus den Reihen der Angestellten und der Vertreter der Arbeiter aus denen der Arbeiter genommen wird. Ich glaube, die Angestellten - und es sind doch auch Massen, die Mitglieder des DGB, Mitglieder der Industriegewerkschaften sind - werden es den Industriegewerkschaften nicht danken, wenn man ihnen nicht das Recht zugestehen will, ihren eigenen Mann nun selbst zu bestimmen. Also, das brauchte kein unüberwindliches Hindernis zu sein.
Wenn ich dann weiter sage - beide Vorschläge sehen das vor -: Zwei Mann sollen von der Vertretung der Arbeitnehmer - direkt aus dem Betrieb - kommen und zwei von den Spitzenorganisationen nach vorheriger gemeinsamer Beratung mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften, dann darf ich dabei hervorheben, daß wir in dem Antrag der CDU/CSU wenigstens zu einem Ende kommen. In beiden Anträgen steht, daß den Gewerkschaften bzw. den Spitzenorganisationen das Recht zugestanden ist zu prüfen, ob die Vorgeschlagenen auch die Qualifikation haben. Wenn nun diese Qualifikation in dem einen oder anderen Falle nicht anerkannt wird - ich glaube, es wird nicht sehr häufig vorkommen; das ist wenigstens meine innere Überzeugung -, wenn diese Qualifikation einmal angezweifelt werden sollte und den Leuten im Betrieb gesagt würde: ihr müßt einen neuen Vorschlag machen, dann könnte es ja eintreten, daß man immer wieder bei demselben bleibt und nicht daran denkt, einen andern vorzuschlagen.
Nun ist in beiden Vorschlägen vorgesehen, daß man ein gewisses Veto einlegen kann. Wenn nun dieses Veto nicht anerkannt wird, dann muß doch eine Stelle da sein, die dem ein Ende macht. Deshalb sagen wir: Wir wünschen, daß dann, wenn die Betriebsräte die Vorgeschlagenen - das Recht des Einspruchs oder der Einspruch - nicht anerkennen, wenigstens eine Stelle da ist, die entscheidet. In diesem Falle - so haben wir gesagt - soll der Bundesminister für Arbeit bestimmen. Ich halte das für richtig, um völlige Klarheit auf diesem
({0})
Gebiet zu haben. Das ist das wesentliche. Aber nachdem wir eine Flut von Abänderungsanträgen bekommen haben, halte auch ich es für richtig, daß man sich einmal überlegt, ob man nun aus dem Ganzen zu einem einheitlichen Vorschlag kommen kann, der von breitester Front getragen wird.
-Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.
({0})
Ich glaube, daß keine weiteren Wortmeldungen zu § 6 mehr zu erwarten sind.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren, der Kollege Kuhlemann hat in seinen Ausführungen vorhin auf die vielen Anträge zu dem § 6 hingewiesen. Es sind, wenn ich recht gezählt habe, auch gerade sechs. Kein Mitglied des Hohen Hauses außer den jeweiligen Antragstellern hat vor Beginn der Sitzung diese Anträge gekannt. Bei der Bedeutung der Angelegenheit ist es unbedingt erforderlich, daß den Fraktionen Gelegenheit gegeben wird, zu den verschiedenen Anträgen Stellung zu nehmen. Das würde auch den Wünschen entsprechen, die verschiedentlich von Diskussionsrednern geäußert worden sind. Ich beantrage deshalb, die Sitzung eine Stunde zu unterbrechen, damit die Fraktionen über die Anträge beraten können.
Wünscht jemand gegen diesen Antrag zu sprechen? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Vertagung um eine Stunde ist, den bitte ich um. ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das war Einstimmigkeit.
Meine Damen und Herren, der Bundestag tritt dann wieder um 18 Uhr 5 zusammen.
Ich habe noch eine Mitteilung zu machen. Sämtliche Ausschüsse möchten ihre für morgen vormittag vorgesehenen Sitzungen vertagen, damit die Fraktionen beraten können. Die Sitzung des Ältestenrates wird stattfinden.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 18 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Sitzung fort. Ich hatte festgestellt, daß die Rednerliste erschöpft ist. Daraufhin ist der Antrag auf Unterbrechung der Sitzung gestellt worden. Wir haben die Sitzung unterbrochen.
Ehe ich in die Abstimmung eintrete, möchte ich, um für die Abstimmung völlige Klarheit zu schaffen, die Frage stellen: Werden noch Anträge gestellt? Sobald wir in die Abstimmung eingetreten sind, können auch keine Abänderungsanträge mehr gestellt werden. - Es ist nicht der Fall. Es werden also keine Abänderungsanträge mehr angekündigt. Ich stelle das fest.
({0})
- Zur Sache? Wollen Sie einen Abänderungsantrag stellen? - Herr Abgeordneter Determann, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumspartei hat einen erneuten Antrag zu stellen auf Grund ihrer Haltung, die sie in der letzten Sitzung eingenommen hat, und zwar mit Rücksicht darauf, daß die Meinung hier im Hause sehr verworren ist. Dazu habe ich eine kurze Erklärung abzugeben.
Diese Erklärung der Zentrumsfraktion lautet:
Die Zentrumsfraktion bedauert lebhaft, daß man trotz aller Beratungen in der Frage der Mitbestimmung für Kohle und Eisen heute hier in diesem Hohen Hause eine so unklare Haltung und verworrene Meinung vorfindet.
({0})
--- Der Antrag kommt sofort.
Einer der Redner gebrauchte sogar den Ausdruck, daß die gesamte Fraktion auch heute noch geschlossen hinter dem Ahlener Programm stünde.
({1})
Wir fragen uns, wieso es dann möglich sein kann, daß trotzdem innerhalb dieser Fraktion so viele verschiedene Meinungen bestehen können. Ebenfalls fragen wir den Herrn Bundeskanzler, ob er sich denn nicht mehr zu dem Ahlener Programm bekennt, da er ja die Regierungsvorlage bejaht hat.
({2})
Ich bitte, Sie kurz unterbrechen zu dürfen. Sie reden jetzt nicht zur Sache.
({0})
Sie wollen einen Antrag stellen. Ich bitte Sie, das zu tun und den Antrag sachlich zu begründen.
Wir vom Zentrum haben die Regierungsvorlage bereits in der ersten Lesung bejaht und unsere grundsätzliche Stellungnahme zum Mitbestimmungsrecht festgelegt.
({0}) Wir brauchen unseren Standpunkt nicht zu ändern.
({1})
Wir beantragen, -
Herr Determann, stellen Sie bitte Ihren Antrag!
Ich bin gerade dabei.
({0})
Wir beantragen, die Regierungsvorlage zu § 6 wiederherzustellen.
Dazu will ich eine kurze Begründung in ein paar Sätzen abgeben. Unsere klare Haltung gründet sich darauf, - ({1}) - Klare Haltung!
({2})
Meine Damen und Herren, es war nicht militärisch gemeint!
({0})
Unsere klare Haltung gründet sich darauf, daß wir die Dinge, das heißt diesen Gesetzentwurf, ganz klar von dem anderen Mitbestimmungsrecht trennen, und wir kommen dann zu der Meinung, daß, wenn 95 bis 97 % sämtlicher Betriebsangehörigen organisiert sind, man praktisch gar keinen Strich zwischen Gewerkschaft und Belegschaft ziehen kann. Wenn man das nicht will, dann sollte man doch nicht hier und da noch versuchen, einen Unterschied zwischen Belegschaft und Gewerkschaft zu machen, sondern man sollte so klar und so eindeutig, wie wir unsere Stellungnahme eingenommen haben, auch entscheiden. Die Gewerkschaften haben in den vergangenen Jahren durchaus bewiesen, daß sie Verantwortung tragen können. Ich glaube, wenn sie heute hier an dieser Bundestagssitzung teilnehmen würden, so würden sie uns sagen: Der Deutsche Bundestag soll genau dasselbe beweisen. Ich bin der Meinung, daß er dann, wenn er das tut, dem sozialen Frieden am besten dient.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Werden keine Anträge mehr gestellt? Dann erteile ich das Wort zur Abstimmung dem Abgeordneten Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! In dem Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, Umdruck Nr. 107, beantragen wir, den Satz:
Die zuständige Spitzenorganisation kann Anträge der Betriebsräte nur ablehnen, wenn der begründete Verdacht besteht, daß der Vorgeschlagene nicht die Gewähr bietet, zum Wohle des Unternehmens und der gesamten Volkswirtschaft verantwortlich im Aufsichtsrat mitzuarbeiten; in diesem Falle stellen die Betriebsräte einen neuen Antrag.
zu streichen.
Mit dieser Bestimmung - das zeigen einige Fälle der Praxis aus der Vergangenheit - würde und soll erreicht werden, daß fortschrittliche Vertreter aus den Belegschaften von der Entsendung in den Aufsichtsrat ausgeschlossen werden sollen.
Haben Sie den Antrag schriftlich?
({0})
- Sie müssen ihn nach der Geschäftsordnung schriftlich übergeben. Solange Sie ihn nicht schriftlich übergeben haben, kann ich nicht darüber abstimmen lassen.
({1})
Meine Damen und Herren! Wir treten in die Abstimmung ein. Ich lasse in folgender Reihenfolge abstimmen und bitte, die Vorlage und die Umdrucke entsprechend bereitzulegen. Am weitesten geht der Antrag der Kommunistischen Partei, Umdruck Nr. 106, von der Vorlage ab. Der nächstweitgehende Antrag ist der Antrag der FDP, dann der Antrag der Bayernpartei.
({2})
- FDP: Umdruck Nr. 111; Bayernpartei: Umdruck Nr. 114.
({3})
- Ich bitte um Entschuldigung, es liegt ein entsetzlicher Wirrwarr von Papier auf diesem
Tisch. - Ja, Nr. 112 ist der Antrag der Bayernpartei. Dann der Antrag des Zentrums, der mir soeben schriftlich vorgelegt wird, womit den Anforderungen der Geschäftsordnung für die zweite Lesung Genüge getan ist. Das Zentrum beantragt, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Alsdann kommt der Antrag der SPD. Dann werde ich den Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Wuermeling zum Antrag der CDU, Umdruck Nr. 110, zur Abstimmung stellen und dann - wenn wir bis dahin kommen sollten - den Antrag der CDU. Das scheint mir eine geschäftsordnungsmäßige Reihenfolge zu sein.
Ich rufe auf Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 106, Abänderungsantrag der Fraktion der KPD. Wer dafür ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich rufe weiter auf Umdruck Nr. 111, Antrag der
FDP, und zwar die Ziffer 4 a. Darf ich zunächst fragen: Sie legen doch wohl Wert auf absatzweise Abstimmung?
({4})
- Wer für die Annahme der Ziffer 4 a des Umdrucks Nr. 111 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Es ist abgelehnt.
Ziffer 4 b des Umdrucks Nr. 111. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letztere ist unzweifelhaft die Mehrheit. Es ist abgelehnt.
Ich rufe weiter auf Umdruck Nr. 112, Änderungsantrag der Fraktion der Bayernpartei. Wird auch hier ziffernweise Abstimmung gewünscht, oder kann ich im ganzen abstimmen lassen?
({5})
- Ich lasse im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit. Es ist abgelehnt.
Nunmehr kommt der Antrag des Zentrums, die Regierungsvorlage wieder herzustellen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist abgelehnt.
({6})
Nunmehr der Antrag der SPD, Umdruck Nr. 107 Ziffer 5. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Es ist abgelehnt.
Nunmehr der Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag der CDU/CSU Umdruck Nr. 110, der Abänderungsantrag des Abgeordneten Dr. Wuermeling Umdruck Nr. 114. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages zum Abänderungsantrag in Umdruck Nr. 110 im Sinne des Antrags des Kollegen Wuermeling ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Es ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den Antrag der CDU/CSU, Umdruck Nr. 110, Ziffer 1.
({7})
- Entschuldigung, das Wort zu einer Erklärung hat der Abgeordnete Richter.
({8})
- Jede Fraktion und jeder Abgeordnete hat das Recht zu erklären, warum er so oder so stimmt. Er hat nicht das Recht, dabei zur Sache zu sprechen. Er kann lediglich die Motive für seine Abstimmung erläutern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere und mit mir meine Fraktion, daß Sie unseren Antrag abgelehnt haben, der praktisch die Regierungsvorlage, den Beschluß des Bundesrats und die Vereinbarungen der Sachverständigen zur Grundlage hatte und nicht mehr und nicht weniger. Nun haben wir abzustimmen über den Antrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 110. Wir haben Bedenken gegen die Fassung. Trotzdem ist meine Fraktion bereit, diesem Antrage zuzustimmen. Wir behalten uns jedoch vor, einige Abänderungsanträge bis zur dritten Lesung zu stellen, und hoffen, daß Sie im Interesse der Sache dafür Verständnis haben.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe einen Fehler begangen. Ich bitte um Entschuldigung. Ich hätte zunächst über Umdruck Nr. 113 abstimmen lassen sollen, den zweiten Abänderungsantrag zum Antrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 110.
({0})
- Ach ja, Entschuldigung! Er gehört zu § 8. ({1})
- Aber damit, daß ich ihn aufgenommen habe, ist es mein Fehler geworden.
({2})
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Umdrucks Nr. 110 Ziffer 1 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit ist § 6 in der Fassung des Umdrucks Nr. 110 angenommen.
Wir fahren fort mit § 7.
({3})
- Wir haben doch eben über eine völlige Neufassung des § 6 abgestimmt.
({4})
Diese Fassung ist damit angenommen.
§ 7. - Keine Anträge, keine Wortmeldungen. Dann lasse ich abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
({5})
- Wir wiederholen die Abstimmung. Wir wollen den Nein-Stimmen alle Ehre widerfahren lassen. Wenn Sie wollen, werde ich sie auszählen.
({6})
Wer für die Annahme des § 7 ist, den bitte ich,
eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Relativ sind das einige wenige Stimmen ...
({7})
- Aber Sie kennen ja die verschiedenen Sprichworte über die Vorzüge der jeweils „Wenigen".
({8})
Ich rufe auf: § 8. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und
Herren! Meine Fraktion stellt folgende Abänderungsanträge. § 8 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
Kommt innerhalb eines Monats keine Wahl
zustande, so erfolgt die Wahl des fehlenden
Aufsichtsratsmitgliedes durch das gesetzliche
Wahlorgan.
§ 8 Abs. 3, 4 und 5 werden gestrichen.
Meine Damen und Herren, wir bezwecken damit eindeutig und ohne Umschweife und ohne Umwege, das Wahlorgan der Generalversammlung für den elften Mann festzulegen. Wir halten es nicht für richtig, Sondervorschriften und Abweichungen vom Aktienrecht in dieses Gesetz aufzunehmen, wenn es nicht erforderlich ist, und hier ist es nicht erforderlich.
Wir stellen aber, sofern dieser Antrag abgelehnt wird, folgenden Eventualantrag. § 8 Abs. 2 erhält folgende Fassung:
Kommt innerhalb eines Monats keine Wahl zustande, so wird ein Vermittlungsausschuß gebildet, der aus vier Mitgliedern besteht. Je zwei Mitglieder werden von den nach § 5 und den nach § 6 gewählten Aufsichtsratsmitgliedern gewählt.
§ 8 Abs. 3 erhält folgende Fassung:
Der Vermittlungsausschuß schlägt innerhalb eines Monats dem Wahlorgan ({0})
- das ist also die Generalversammlung - drei Personen zur Wahl vor. Kommt eine Wahl innerhalb von zwei weiteren Monaten auf Grund der Vorschläge des Vermittlungsausschusses nicht zustande, so wählt das Wahlorgan ({1}) das fehlende Aufsichtsratsmitglied endgültig.
§ 8 Absätze 4 und 5 werden gestrichen.
({2})
- Das finde ich nicht. Ich glaube, es ist verhältnismäßig einfach zu verstehen, wenn Sie sieh etwas Mühe geben. Ich bin der Meinung, meine Damen und Herren, daß man die Wege, anders zurechtzukommen, nämlich unter Einschaltung des Vermittlungsausschusses, nur im Notfalle beschreiten soll. Wir haben den Grundgedanken, den ja die Regierungsvorlage in dieser Beziehung auch enthält, aufgenommen, aber doch wohl gegenüber der Einrichtung von je einem Senat für Bergbau und Eisen eine erhebliche Verbesserung erzielt. Wenn auch niemand in diesem Saale noch dafür ist, diese Senate einzurichten, so muß ich doch die Gelegenheit benützen, um unserer lebhaften Verwunderung darüber Ausdruck zu geben, daß die Regierungsvorlage es fertiggebracht hat einen solchen Senat oder vielmehr zwei Senate vorzuschlagen. Diese Senate bedeuten nämlich nicht mehr und nicht weniger als eine Oberbehörde, um ein in diesem Hause übliches Wort zu gebrauchen. Sie bedeuteten für jede Gesellschaft ein viertes Verwaltungsorgan neben Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung.
({3})
Sie bedeuteten einen Teil des überbetrieblichen Mitbestimmungsrechts; ja, meine Damen und Herren, wenn Sie das richtig sehen, so wollte dieser schreckliche Paragraph der Regierungsvorlage sogar einen Wahrer des Grundgesetzes für diese beiden Gruppen der Industrie einsetzen. Demgegenüber dürfte der Vorschlag mit dem Vermittlungsausschuß, den ich mir in dem Eventualantrag jetzt zu eigen gemacht habe - ein Vermittlungsausschuß also, der ad hoc für den Einzelfall bestellt wird -, eine außerordentliche Verbesserung sein.
Aber auf der andern Seite enthält nun doch der Vorschlag des Ausschusses, der den Vermittlungsausschuß bereits vorsieht, einen sehr großen Fehler darin, daß er letzten Endes die Bestimmung darüber, wer der elfte Mann sein soll, dem Staate,
({4})
also der Bundesregierung, in jedem Einzelfall überläßt; denn dadurch, daß ein von der Bundesregierung ernannter Mann das fünfte Mitglied des Vermittlungsausschusses wird oder werden sollte, lag die Entscheidung bei diesem fünften Mann und also bei der Bundesregierung. Das halten wir unter keinen Umständen für richtig, sondern wenn Sie schon glauben, diesen Umweg - sehr freundlich ausgedrückt - über den Vermittlungsausschuß gehen. zu sollen und unseren ersten Antrag nicht annehmen zu können, daß nämlich endgültig und schlicht nach fruchtlosem Ablauf won § 8 Abs. 1 die Generalversammlung entscheidet, dann, bitte, nehmen Sie unseren Eventualvorschlag an, den Sie aus dem Umdruck Nr. 111 ersehen können, und seien Sie damit einverstanden, daß der Vermittlungsausschuß einige Versuche macht, die ja vielleicht in diesem oder jenem Falle zum Erfolge führen werden. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann, bitte, verordnen Sie eindeutig, daß die Generalversammlung dann die letzte Entscheidung hat. Ich freue mich, feststellen zu können, daß wir dann diesmal - aber nur diesmal! - mit einem Antrag der CDU einig wären.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz die Anträge begründen, die meine Fraktion auf den Umdrucken Nr. 110 und Nr. 113 gestellt hat. Der Umdruck Nr. 113 ist leider erforderlich geworden, weil beim Druck von § 8 Abs. 3 ein Versehen unterlaufen war. Deshalb erlauben Sie mir, daß ich diese beiden Umdrucke gleichzeitig begründe. Ich bitte Sie, beide als ein einheitliches Ganzes ansehen zu wollen.
Ich stimme meinem verehrten Vorredner völlig darin zu, daß ich es für ein Verdienst des Ausschusses - und ich glaube, sagen zu können: des ganzen Ausschusses - halte, wenn er diese unglückselige Konstruktion der Senate oder je eines Senats für Kohle und Eisen und vielleicht gar noch eines zusätzlichen Senats für Braunkohle und Eisenerz beseitigt hat, um dafür das praktikablere und wahrscheinlich weniger langlebige Institut eines Vermittlungsausschusses zu schaffen. In den Anträgen, die wir jetzt zu § 8 stellen - Umdruck Nr. 110 und Nr. 113 -, sind wir abgewichen von dem, was wir in der Ausschußvorlage beschlossen haben. Der Unterschied besteht darin, daß wir nun, da von vielen Seiten der Wunsch dazu geäußert worden ist, auch in dem zweiten Stadium der Berufung des elften Mannes zu einer Art paritätischem Gremium gekommen sind, daß wir also doch den Versuch machen möchten, dann, wenn die Einigung im Aufsichtsrat, der jeweils fünf, gescheitert ist, nochmals einen von anderen Leuten gemachten Vorschlag zum Tragen zu bringen. Wird dieser Vorschlag allerdings nicht von der Hauptversammlung akzeptiert, die aus ihm auswählen soll, so kann sie sich weitere Vorschläge erbitten. Tut sie das nicht, so bestimmt sie endgültig.
ich glaube also für das Verständnis des Hauses sagen zu dürfen, daß die Abs. 2 und 3 - und zu 3 eingerechnet den Umdruck Nr. 113 - mit dem Eventualantrag übereinstimmen, den Herr Kollege Dr. Wellhausen für die FDP gestellt hat.
Meine Damen und Herren! Ich möchte abschließend sagen, daß es außerordentlich schwierig war, eine alle Seiten befriedigende Regelung in der Auswahl dieses elften Mannes zu bekommen. Wenn nun eine der jetzt vorgeschlagenen Fassungen - ich hoffe, die von uns vorgeschlagene Fassung - Gesetz werden sollte, so wollen wir daran die Hoffnung knüpfen, daß auf diese Weise ein brauchbares und für alle Zeiten befriedigendes Auslesesystem geschaffen worden ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schöne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Wellhausen hat vorhin den Geist beschworen, der der Regierungsvorlage zugrunde lag. Ich möchte doch noch einmal auf die Prinzipien der Regierungsvorlage zu sprechen kommen.
Das Prinzip der Regierungsvorlage bestand zunächst darin, daß die zehn Aufsichtsratsmitglieder aus sich selbst heraus den elften Mann der Hauptversammlung vorschlagen sollten. Die Voraussetzungen für diesen Vorschlag waren jedoch doppelter Art: Einmal sollte dieser elfte Mann besondere Qualifikationen haben, und zwar Qualifikationen, die ihn als völlig Neutralen kennzeichneten.
({0})
Zum andern war die Voraussetzung, daß mindestens drei von jeder Seite der fünf diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben sollten. Wenn nun
kein Vorschlag aus den zehn herauskam oder wenn
seitens der Hauptversammlung eine Wahl des Vorgeschlagenen nicht erfolgte, dann sollte der Senat
eintreten. Hier ist der Senat ja nur geschildert
worden, wie Herr Schröder sagte, als eine Oberbehörde oder wie auch immer. Aber der Senat
hatte noch eine andere Aufgabe: Er sollte nämlich
die neutrale Stelle bilden! Und diese neutrale
Stelle des Senats sollte dann, wenn die anderen
Vorschläge nicht zum Zuge kamen, seinerseits der
Hauptversammlung Vorschläge machen. Dieses
Prinzip, meine Damen und Herren, glaube ich, muß
man sich noch einmal ganz klar vor Augen halten.
In den Ausschußverhandlungen ergab sich nun, daß die Qualifikationen für diesen elften Mann fielen, und zwar im allgemeinen Einverständnis, aber unter der Voraussetzung des Vorhandenseins eines Senats, nämlich einer neutralen Stelle, und des Vorhandenseins von Vorschlagsverhandlungen des Senats. In den weiteren Verhandlungen des Ausschusses wurde sodann aus der Vorlage die Formulierung herausoperiert: „Zustimmung von mindestens je drei Mitgliedern jeder Seite." Dieses Herausoperieren der Zustimmung der je drei geschah bereits in klarer Zielrichtung auf den nun neu geschaffenen Vermittlungsausschuß.
Der Arbeitskreis, der vor den beiden Ausschüssen tagte, fand dann die Lösung, daß der Vermittlungsausschuß einen Vorschlag entwickeln und diesen dem Aufsichtsrat - oder den übrigen zehn - und nicht der Hauptversammlung geben sollte. In den beiden Ausschüssen für Arbeit und Wirtschaftspolitik kam dann in dieser Frage eine andere Lösung zustande, indem man nämlich sagte: Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses soll nicht an den Aufsichtsrat, nicht an die übrigen zehn gehen, sondern soll an die Hauptversammlung gerichtet werden. Diese Vorlage haben wir jetzt hier.
Für meine Freunde ist diese Vorlage des Ausschusses unannehmbar, und zwar aus folgendem Grunde. Die Ausschußfassung verläßt nicht nur die Prinzipien der Regierungsvorlage, die ich kurz
({1})
schilderte, sondern sie bedeutet sogar die glatte Umkehrung dieser Prinzipien. Ich darf dazu folgendes sagen. Die Regierungsvorlage stand auf dem Standpunkt, daß diese zehn Leute, die in dem Aufsichtsrat schon vorhanden sind, unter dem Zwang stehen sollen, sich zu verständigen und sich zu einigen, und ging von dem Grundgedanken aus, daß diese zehn Menschen für eine gleiche Aufgabe bestellt worden sind. Die Ausschußvorlage dagegen kehrt diesen Zwang zur Einigung um in einen ganz klaren, straffen Zwang zur Nichteinigung; denn von vornherein gehen in diese Versammlung der zehn Menschen zumindest fünf dann mit der Absicht, sich nicht zu einigen, weil der Vermittlungsausschuß dann doch einen Passenden findet, dem nachher die Hauptversammlung - und das ist nur die eine Seite dieser Parität - ihre endgültige Zustimmung gibt.
Zweitens baute die Regierungsvorlage auf auf dem Grundsatz der Parität, und zwar Parität plus einem Neutralen. Was in der Ausschußvorlage jetzt erscheint, ist nicht mehr Parität, ist nicht mehr neutral, sondern ist ganz klar und deutlich diese Gruppierung: sechs von seiten der Anteilseigner und fünf von seiten der Arbeitnehmer.
({2})
Die CDU-Vorlage räumt diese Bedenken in keiner Weise aus. Sie ersetzt den großen Aufsichtsrat eigentlich, wenn man so will, durch einen etwas verkleinerten. Ich darf Ihre eigene Argumentation im Ausschuß wiederholen, wo Sie sagten: Wie sollte es möglich sein, daß vier Mann das besser können, was zehn Mann vorher nicht gekonnt haben? Dann sieht diese CDU-Vorlage vor, daß die Lücke geschlossen werden müsse, die entsteht, wenn diese zehn Mann sich nicht einigen und dieser Vermittlungsausschuß nicht einen der Hauptversammlung genehmen Menschen findet. Da schließen Sie die Lücke ganz endgültig, indem Sie sagen: Die Hauptversammlung braucht gar nicht noch weitere Vorschläge von dem Vermittlungsausschuß zu erbitten, sondern kann dann einfach von sich aus den elften Mann kreieren. Ich glaube, deutlicher braucht man es gar nicht mehr zu machen, daß der Grundsatz der Parität, auf dem die Sozialpartner standen und auf dem die Regierungsvorlage stand, restlos verlassen worden ist.
({3})
- Das habe ich vorhin gerade erläutert. Zehn Mann und ein Neutraler, das ist eine Parität!
Meine Damen und Herren, unser Vorschlag, den Sie auf Umdruck Nr. 107 vor sich liegen haben, sieht unter Ziffer 6 vor, in § 8 Abs. 3 in der zweiten Zeile die Worte „dem Wahlorgan ({4})" zu streichen und an deren Stelle zu setzen: „den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern". Damit wollen wir den Grundgedanken der Regierungsvorlage wiederherstellen; denn es soll jetzt aus dem Vermittlungsausschuß heraus der Vorschlag an die übrigen zehn gehen und nicht an die Hauptversammlung, und damit haben wir die Regierungsvorlage mit Ausnahme des Senats. Es heißt nicht mehr Senat; es heißt Vermittlungsausschuß. Ich glaube, daß unser Vorschlag den Geist, wie er bei den Verhandlungen der Sozialpartner vorhanden war und dem der. Regierungsvorlage am meisten entspricht, wieder einführt, und ich darf Sie namens meiner Freunde bitten, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller. .
Meine Damen und Herren! Die Frage der Entsendung des elften Aufsichtsratsmitglieds nahm in den Beratungen der Ausschüsse einen sehr breiten Raum ein. Das ist verständlich; denn gerade um diesen elften Mann im Aufsichtsrat handelt es sich bei der Entscheidung, zu wessen Gunsten, ob zugunsten der Aktionäre oder zugunsten der Betriebsbelegschaft nicht allein die Entscheidungen des Aufsichtsrats, sondern damit letzten Endes auch die Fragen der Zusammensetzung des Vorstandes wie überhaupt der gesamten Politik des betreffenden Unternehmens geregelt werden, und es ist nicht uninteressant - Herr Kollege Dr. Schröder hat es vorhin ja bestätigt -, daß die CDU in ihrem eigenen Antrag dem fortgesetzten Drängen seitens der FDP Rechnung getragen hat,
({0})
daß im Grunde, Herr Dr. Schröder, nach dem Antrag der FDP und dem der CDU in der entscheidenden Frage, wenn es zu keiner Einigung kommt, das Organ der Aktionäre, d. h. die Generalversammlung, über das elfte Aufsichtsratsmitglied entscheidet und damit automatisch eine Mehrheit zugunsten der Vertreter der Aktionäre im Aufsichtsrat gesichert ist. Das ist die entscheidende Frage. Auch in den Fällen, in denen nach der hier vorgesehenen Regelung - Herr Kollege Dr. Schöne hat das schon angesprochen - der Vermittlungsausschuß wirksam werden soll, wenn nämlich zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern bezüglich des elften Mannes keine Einigung erzielt wird und wenn die Vertreter, die von der Belegschaft in den Aufsichtsrat entsandt werden, konsequent die Interessen der Belegschaft vertreten, kann und wird es niemals zu einer Einigung kommen -, lautet die entscheidende Frage: Wer hat die Mehrheit in dem Vermittlungsausschuß? Da nach den Bestimmungen der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses von der Regierung, also von den Herren Adenauer, Erhard, Schäffer usw. bestimmt wird, ist auch hier die Konsequenz, daß in der letzten Entscheidung wiederum die Vertreter der Aktionäre bei der Bestimung des elften Aufsichtsratsmitgliedes die Mehrheit haben werden.
Daraus ergibt sich ganz logisch, daß der ganze § 8 keinen anderen Sinn hat, als auf Umwegen und etwas verbrämt die Entscheidung zugunsten der Aktionäre herbeizuführen. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, diesen Paragraphen zu streichen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Weitere Anträge sind nicht angekündigt. Dann kommen wir zur Abstimmung. Was die Reihenfolge der Abstimmung anbetrifft, so geht ohne Frage der eben gestellte Antrag der KPD am weitesten, den Paragraphen zu streichen. Danach geht am weitesten der Antrag der FDP;
({0})
bitte, dieser Antrag und der Eventualantrag; dann der Antrag der SPD.
({1})
- Ihr Antrag Umdruck Nr. 110 geht nicht so weit; über den Abänderungsantrag Umdruck Nr. 113 muß vor der Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 110 abgestimmt werden.
({2})
Ich lasse zunächst abstimmen über Umdruck Nr. 106 Ziffer 3. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck Nr. 111 Ziffer 5 a und b, den Prinzipalantrag. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war unzweifelhaft die Mehrheit; abgelehnt.
Nun über den Eventualantrag Ziffer 6 desselben Umdrucks. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun lasse ich abstimmen über Umdruck Nr. 107 Ziffer 6, in § 8 Abs. 3 einige Worte zu streichen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!- Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen zunächst über den Abänderungsantrag Umdruck Nr. 113 zum Abänderungsantrag Umdruck Nr. 110. Wer für den Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Nunmehr über Umdruck Nr. 110 Ziffer 2 in der jetzt beschlossenen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Damit ist § 8 in der soeben beschlossenen Fassung angenommen.
Ich rufe auf § 9. Hier ist ein Abänderungsantrag der SPD gestellt.
({3})
- Keine Wortmeldungen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Es ist schwer zu sagen; ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Annahme des
9 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen.
10. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Zu § 11_ ist ein Abänderungsantrag der KPD angemeldet, Ziffer 4 von Umdruck Nr. 106. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich hatte heute schon Gelegenheit genommen, zu der grundsätzlichen Frage des Mitbestimmungsrechts Stellung zu nehmen und in diesem Zusammenhang sowohl zur Zusammensetzung des Aufsichtsrates als auch der Wahl des Aufsichtsrates, seiner Aufgaben und seiner Funktionen. Ich möchte in Begründung des von uns gestellten Antrages kurz auf folgendes hinweisen. Ich habe schon davon gesprochen, daß die Mitglieder des Aufsichtsrates die Aufgabe haben, die Interessen der Belegschaft zu vertreten und ihr gegenüber Rechenschaft schuldig sind, die Weisungen der Belegschaft durchzuführen. Das bedeutet in erster Linie, daß gerade aus diesem Interesse heraus die Mitglieder des Aufsichtsrates die Aufgaben zu lösen bzw. durchzuführen haben, die im Interesse der Erhaltung des Friedens und des Kampfes gegen die Remilitarisierung im Vordergrund der gesamten Aufgaben und der Zielsetzung aller friedliebenden Menschen, insbesondere aber der Belegschaft selbst stehen.
Die Vertreter im Aufsichtsrat, die von der Generalversammlung gewählt werden, sind zwar nach dem Gesetz formal an keine Weisungen gebunden; aber ich glaube, niemand von Ihnen wird bestreiten können, daß die Aktionäre ihre Aufsichtsratsmitglieder nicht entsenden, um die Interessen der Belegschaft wahrzunehmen, sondern die Interessen des Aktienkapitals,
({0})
daß sich also aus der Aktie und seitens der Aktienbesitzer ohne weiteres eine ungeschriebene Weisung für die Mitglieder des Aufsichtsrats ergibt.
({1})
Daraus ergibt sich logischerweise umgekehrt, daß die Mitglieder des Aufsichtsrats, die von der Belegschaft zu entsenden sind, unter allen Umständen an die Weisungen und die Aufträge der Belegschaft gebunden sein müssen. Das bedeutet naturgemäß, daß diese Aufsichtsratsmitglieder, wenn sie diesen Weisungen nicht Rechnung tragen, auch der Abberufung durch die sie entsendende Stelle, also die Belegschaft selbst, unterliegen.
Meine Damen und Herren, die Aufgabenstellung der Aufsichtsratsmitglieder wird sich angesichts der unerhört ernsten Situation, in der wir uns befinden, angesichts der sich immer mehr verstärkenden Aufrüstungs- und Remilitarisierungsbestrebungen
({2})
darauf zu konzentrieren haben, die Herstellung von Kriegsmaterial zu verhindern.
({3})
Ich glaube, die Ereignisse der letzten Monate dürften darüber wohl jedem restlose Klarheit verschafft haben. Ich nenne hier die Tatsache des Zwangsexports von Kohle und die Tatsache des Zwangsexports von Eisen und Stahl. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur daran, daß das Volkswagenwerk für einige Tage stillegen mußte, weil die benötigten Bleche nicht zur Verfügung standen, und daß im Volkswagenwerk vom 1. April ab deswegen Kurzarbeit eingeführt werden muß, weil die benötigten Bleche für Rüstungsaufgaben verwendet und ausgeführt werden. Es ist eine Aufgabe dieser Aufsichtsratsmitglieder, dafür zu sorgen, daß die vordringliche Sicherung der Bedürfnisse der Bevölkerung und insbesondere der deutschen Friedensindustrie durchgesetzt wird. Selbstverständlich besteht die Aufgabe der Aufsichtsratsmitglieder auch darin, sich der sozialen und wirtschaftlichen Belange der Belegschaft anzunehmen. Das wäre ein Schritt zur Verwirklichung eines echten Mitbestimmungsrechts.
Die Vertreter der Belegschaften in diesem Organ müssen dem Rechnung tragen, und zwar in der Frage des Verbots der Herstellung von Kriegsmaterial, der Einstellung der Zwangsexporte, der Sicherung der deutschen Friedensproduktion, in der Aufrechterhaltung des Lohnniveaus für Arbeiter und Angestellte entsprechend dem Preisniveau und der Auszahlung von Teuerungszulagen, bei der Festsetzung der Löhne für Frauen und Jugendliche nach dem Grundsatz: gleicher Lohn für gleiche Arbeit! bei der Bereitstellung von Mitteln für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung, ferner durch die Einhaltung des Achtstunden-Arbeitstages, durch die Reduzierung der Arbeitszeit bei gesundheitsschädlicher Arbeit sowie für schwangere Frauen
({4})
und Jugendliche, durch das Verbot der Überstunden, das Verbot von Panzerschichten
({5})
und anderer Arbeiten für Kriegszwecke.
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Wenn die Aufsichtsratsmitglieder weiterhin entsprechend dem Auftrag der Belegschaften insbesondere auch an der Entscheidung über Einstellungen und Entlassungen, zur Sicherung der demokratischen Rechte der Belegschaft teilnehmen,
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ich glaube, meine Damen und Herren, dann wird dem Rechnung getragen, was die Arbeiterschaft in Wirklichkeit unter der Realisierung eines weitgehenden Mitbestimmungsrechts bei den jetzigen Bedingungen versteht. Wir bitten Sie deshalb, diesem unserem Antrag stattzugeben. Ich glaube auch, daß die Belegschaften und die Gewerkschaften sich dafür werden einsetzen müssen, daß die von ihnen zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder ihren Aufgaben gerecht werden. Ihren Aufgaben können sie nur dann gerecht werden, wenn sie der Weisung und der Beschlußfassung der Belegschaft unterliegen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich pflege nicht oft zu Anträgen der KPD zu sprechen. Aber auf die Gefahr hin, mir einen Ordnungsruf des Herrn Präsidenten zuzuziehen, muß ich schon sagen: ich halte es für eine wirklich dreiste Spekulation
({0})
mit der nicht vorhandenen Dummheit des deutschen Volkes, von seiten der KPD einen solchen Antrag einzubringen. Ich lehne es ab, über einen solchen Antrag abzustimmen, und beantrage Übergang zur Tagesordnung.
({1})
Es kann gegen diesen Antrag gesprochen werden. - Keine Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung.
({0})
- Herr Abgeordneter Müller, bitte!
Meine Damen und Herren! Es genügt festzustellen, daß ein Vertreter derjenigen Fraktion, die sowohl im Ausschuß wie auch draußen nicht nur als die Vertreterin der Interessen eines entscheidenden Teiles des Großkapitals,
({0})
sondern auch der maßgebenden Partei der Adenauer-Regierung
({1})
glaubte, sich mit diesem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung der Entscheidung entziehen zu können. Meine Damen und Herren, wir stellen das fest. Die Antwort darauf wird draußen in der Öffentlichkeit gegeben werden.
({2})
Wir stimmen über diesen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung ab. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Dann lasse ich abstimmen über § 11 in der Ausschußfassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 12. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 13. Hier sind Abänderungsanträge angekündigt, ein Abänderungsantrag der Fraktion der FDP und ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD. Beide gehen auf Streichung. Wer begründet?
({0})
- Ich meine jeden einzeln.
({1})
- Herr Wellhausen, Sie haben das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die ausführliche Begründung, die ich in meinen Ausführungen zu § 1 bereits gegeben habe.
({0})
Wird der Antrag der KPD begründet?
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Die Herren der FDP scheinen sich ihrer Sache so sicher zu sein
({0})
- nicht wahr? -, daß sie glauben, die Angelegenheit auf diese Art und Weise behandeln zu können.
({1})
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Herr Präsident ist nicht richtig orientiert. Wir beantragen eine andere Fassung des § 13. Ich kann mich für die Begründung unseres Antrages auf meine soeben gemachten Ausführungen stützen. Es handelt sich hier um den Arbeitsdirektor als Mitglied des Vorstandes. Die FDP verlangt bekanntlich die Streichung der Bestimmung über die Bestellung eines Arbeitsdirektors. Wir sind der Auffassung, daß die Funktion des Arbeitsdirektors und seine Aufgaben in derselben Linie liegen, wie ich sie bei der Charakterisierung der Aufgaben der Aufsichtsratsmitglieder vorhin aufgezeigt habe. Ich möchte auf folgendes hinweisen. Wenn der Gesetzentwurf in der bisher vorgesehenen Form zur Annahme gelangt, wenn also eine Mehrheit des Aufsichtsrats aus den Beauftragten der Aktionäre den Vorstand bestellt, wird der Arbeitsdirektor auch an die Weisungen der Mehrheit des Vorstandes gebunden sein. Das würde also praktisch bedeuten, daß dieser Mann, auch wenn er den Titel eines Arbeitsdirektors hat, keine andere Politik machen kann als die, die ihm die Mehrheit in Vorstand und Aufsichtsrat vorschreibt, das heißt, daß er auf dem Gebiet der sozialen Fragen nicht diese, sondern die Interessen der Aktionäre wahrzunehmen hat.
Wir sind der Meinung, daß die Bestellung des Arbeitsdirektors nicht eine Aufgabe des Aufsichts({2})
rates ist, sondern daß der Arbeitsdirektor - und das besagt unser Antrag - von der Belegschaft gewählt werden muß und der Belegschaft auch Rechenschaft schuldig ist und daß er, wenn er seine Aufgaben nicht im Sinne der Beschlüsse oder Weisungen der Belegschaft wahrnimmt, von der Belegschaft auch abberufen werden kann. Das ist der Zweck unseres Antrages auf Neufassung des § 13 über die Wahl, die Funktion und die Aufgaben des Arbeitsdirektors. Ich glaube, die Arbeiterschaft draußen wird mit einer solchen Forderung absolut einverstanden sein.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der FDP nach Umdruck Nr. 111 Ziffer 7 auf Streichung des § 13. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 106 Ziffer 5. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf danach die Annahme des § 13 in der Ausschußfassung feststellen.
§ 14. - Wer für die Annahme ist, den bitte -ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 15. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite Beratung des Gesetzentwurfes und damit Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Der Beratungsgegenstand zu Punkt 3 der Tagesordnung, nämlich der von den Abgeordneten Strauß und Genossen eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Mineralölbewirtschaftung - Nr. 2070 der Drucksachen -, ist zurückgezogen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft ({0}) ({1});
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ({2}).
Der Ältestenrat war der Meinung, daß über a) und b) zusammen verhandelt werden könne. Der Vertreter des Herrn Finanzministers hat mich gebeten, dem Hause vorzuschlagen, den Gesetzentwurf unter 4 b) der Tagesordnung ohne weitere Begründung an den Ausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden, daß der Gesetzentwurf unter Punkt 4 b) ohne weitere Begründung als eingebracht gilt und ohne Aussprache an den Ausschuß überwiesen wird?
({3})
- Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen ist so beschlossen.
({4})
Damit ist der Gegenstand unter 4 b) an die Ausschüsse für Geld und Kredit, für Wirtschaftspolitik und an den Haushaltsausschuß, und zwar federführend an den Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen. Einverstanden?
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- Dann wollen Sie doch dazu sprechen?
({6})
- Wollen Sie das Haus nicht schonen, Herr Abgeordneter?
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- Sie wünschen die Federführung durch den Haushaltsausschuß. - Dann stimmen wir lediglich darüber ab, welcher Ausschuß federführend sein soll. Es ist beantragt, den Gesetzentwurf an den Haushaltsausschuß als den federführenden zu überweisen.
({8})
- Sie stellen den Antrag: Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Wird ein dritter Antrag gestellt? - Dann lasse ich zunächst über den Antrag des Herrn Kollegen Nöll von der Nahmer abstimmen, den Haushaltsausschuß für federführend zu erklären. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als den federführenden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Zu Punkt 4 a) der Tagesordnung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Begründungszeit von 15 Minuten vor; für die Aussprache - ich nehme an, daß ich den Vorschlag ändern kann, nachdem 4 b) erledigt ist - schlage ich 60 Minuten vor. Ist das Haus damit einverstanden?
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- Es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Naegel.
Naegel ({10}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits bei der Debatte über den Haushalt des Wirtschaftsministeriums haben wir nachdrücklich darauf hingewiesen, daß wir alles tun würden, um die Exportindustrien und den Export aus Deutschland zu fördern. Wir haben damals gefordert, für die steuerliche Begünstigung des Exportgeschäfts möglichst schnell eine gesetzliche Grundlage zu schaffen. Wir sind der Meinung, daß darüber hinaus auch seitens der Produktion noch sehr viel getan werden muß, um den unbedingt notwendigen Export in die entsprechende Größenordnung zu bringen. Die Koalitionsparteien haben Ihnen deshalb den Initiativantrag Drucksache Nr. 2082 vorgelegt und damit eine Ergänzung des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft vorgesehen. Es wird dabei notwendig sein, die für die Herstellung und Lieferung der Exportwaren benötigten Materialien durch Bewilligung von Prioritäten bevorzugt bereitzustellen. Wir glauben, daß diese
({11})
Ergänzung des Wirtschaftssicherungsgesetzes einem dringenden Bedürfnis entspricht und daß diese bevorzugte Rohstoffversorgung eben nur auf dem Wege der Prioritäten ermöglicht werden kann. Dazu bedarf es der Vollmacht für die Bundesregierung und den Bundeswirtschaftsminister, der dann mit Zustimmung des Bundesrates auf dem Wege der Rechtsverordnung die notwendigen Anweisungen treffen kann.
Die wertvollen Materialien werden zum Teil aus den importierten Rohstoffen und Werkstoffen genommen werden müssen. Dazu genügt höchstwahrscheinlich eine besondere Zuteilung von Importauschreibungen an die Exportindustrie. Darüber hinaus wird es aber notwendig sein, auch Werkstoffe und Halbfabrikate aus der Inlandsproduktion für die Ausführung von Exportaufträgen zur Verfügung zu stellen. Auch hierüber müßten im Wege der besonderen Zuweisungen, die gegebenenfalls den Weg von den Produzenten für Exportwaren bis zurück zum Rohstoff durchlaufen müssen, Anordnungen getroffen werden können.
Wir glauben, daß es nicht möglich ist, hier im Bundestag für jeden einzelnen Fall eine gesetzliche Regelung zu beschließen. Wir sind der Meinung, daß diese Dinge auf dem Wege der in Art. 80 des Grundgesetzes vorgesehenen Rechtsverordnungen geregelt werden müssen. Dabei wird es auch sehr wichtig sein, darauf zu achten, daß wir für die aus Deutschland zu exportierenden Waren die der Weltmarktlage entsprechenden Preise in voller Höhe bekommen, damit es nicht zu einem Export um jeden Preis kommt. Ebenso ist auf einen möglichst hohen Veredelungsfaktor bei der Herstellung der Exportware zu achten.
Die einzelnen Vorschriften, die wir hier vorschlagen, beziehen sich auf die verschiedenen Fälle. Der Fall 1, der unter dem Buchstaben a unseres Antrags behandelt wird, ist die vorrangige Lieferung von Waren der gewerblichen Wirtschaft. Das sind Rohstoffe, Halbfabrikate, aber auch Fertig- waren, die nachweisbar zur Herstellung von Exportwaren im Rahmen bestehender Ausfuhrverträge benötigt werden. Diese Exportpriorität für die Zulieferungen kann von dem die Exportware herstellenden Betrieb - wie ich schon sagte - über die Halbfertigwarenfabrikation bis zum Rohstoff durchlaufen. Im zweiten Fall, Buchstabe b unseres Vorschlages, trifft die Verpflichtung zur vorrangigen Herstellung der Exportware den Exporteur selbst. Ihm kann, damit er seine Ausfuhraufträge erledigen kann, auferlegt werden, die Exportware mit Vorrang vor anderen Waren herzustellen und abzuliefern. Im dritten Fall, Buchstabe c unseres Vorschlages, soll die Möglichkeit gegeben werden, Vorschriften zu erlassen, wonach ein Teil der Produktion von typischen Ausfuhrunternehmen für Exportzwecke reserviert werden kann, also nur zur Durchführung abgeschlossener oder noch abzuschließender Exportaufträge verwandt werden darf.
Die Konsequenz einer solchen Prioritätsvorschrift ist ein ausreichender Strafschutz gegen mißbräuchliche Verwendung der erteilten Liefervorränge.
7 des Wirtschaftsstrafgesetzes stellt bereits jede Erschleichung von Bezugsberechtigungen unter Strafe. Auch der Betrugsparagraph des Strafgesetzbuches reicht nicht aus, um eine mißbräuchliche Benutzung der einmal erteilten Prioritäten zu verhindern. Mit der Bestimmung in Ziffer 4 der Gesetzesvorlage - es wird der § 7 a neu eingefügt - soll diese Lücke geschlossen werden. Die unter Ziffer 2 und 3 vorgesehenen Einfügungen bzw. Abänderungen sind nur redaktioneller, gesetzestechnischer Art und bedürfen keiner Begründung.
Namens meiner Freunde beantrage ich, den Entwurf des Ergänzungsgesetzes zum Wirtschaftssicherungsgesetz dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, der bereits das Wirtschaftssicherungsgesetz eingehend beraten hat. In der Ausschußberatung wird zu prüfen sein, ob der mit dem Gesetzentwurf verfolgte Zweck durch eine präzisere Fassung der Bestimmungen noch klarer herausgestellt werden kann und ob eventuell eine Ausweitung auf noch andere Gebiete, die mit dem Gesetzeszweck in engstem Zusammenhang stehen, notwendig ist. Wir hoffen, daß nach schnellster Beratung im Ausschuß die endgültige Vorlage hier sehr bald zur zweiten und dritten Lesung kommen kann.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wiederum eine neue Ermächtigung für die Regierung, wieder ein neues Ermächtigungsgesetz! So geht es jetzt weiter. Wir sind wirklich gegenüber dieser Hochflut von neuen Ermächtigungen der Regierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet mißtrauisch geworden. Wir können uns nicht dafür erwärmen, die Vollmachten der Regierung immer weiter und weiter auszudehnen. Wir können uns deswegen dafür nicht erwärmen, weil wir genau wissen, wie es in den Ämtern, die über die von uns erteilten Vollmachten zu bestimmen haben, aussieht! Ich fürchte, daß auch diese neue Ermächtigung an die Regierung ein weiterer Schritt auf dem Wege zum wirtschaftlichen Zusammenbruch sein wird. Deswegen ist es uns nicht möglich, diesem Gesetz zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag entscheidet über Sein oder Nichtsein des ganzen deutschen Volkes. Wir sollten daher diesen Antrag gründlich diskutieren. Der Antrag Drucksache Nr. 2082 zeigt ganz deutlich - deutlicher denn je daß die westdeutsche Wirtschaft zwangsweise in die Rüstung eingeschaltet worden ist. Der ERP-Minister Blücher hat am 21. März 1951 eine Rede gehalten, über die es in den „Bundesnachrichten" heißt:
In der Tat beweisen diese Darlegungen
Blüchers, die vor dem Hintergrund der
direkten und indirekten amerikanischen Intervention und im Zusammenhang mit den nunmehr fertiggestellten ersten Rohstofflenkungsverordnungen gesehen werden müssen, daß
sich in Bonn jetzt die entscheidende Wandlung
des wirtschaftspolitischen Kurses vollzieht. Das hat der ERP-Minister am 21. März 1951 ganz deutlich erklärt. Hier wird offen von dem „Hintergrund der direkten und indirekten amerikanischen Intervention" gesprochen. Das Amt des amerikanischen Hohen Kommissars für Deutschland sagt in einem Pressebericht vom 2. April 1951, daß der Vizepräsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie sich zur Zusammenarbeit mit den westlichen Rüstungshyänen bereit erklärt hat. So arbeitet die Bundesregierung mit den Hohen Kommissaren und den Rüstungsinteressenten des In- und Auslandes zusammen.
Der Antrag Drucksache Nr. 2082 will nun, daß die Ausfuhrverträge den Vorrang haben. Was sind
({0})
denn das für Ausfuhrverträge? Wenn Sie die
Zeitung „Frankfurter Allgemeine" von gestern
zur Hand nehmen, lesen Sie dort folgendes:
Die deutschen Lieferungen, die mit einem erhöhten Stahlexport nach den Vereinigten Staaten begonnen haben, sollen jetzt noch durch Textillieferungen verstärkt werden. Wie am Montag in Frankfurt bekannt wird, soll ein Abkommen zwischen der amerikanischen Armee und deutschen Textilfirmen über die Lieferung von Baumwollgarnen, Geweben und Fertigwaren abgeschlossen werden. Bei den Aufträgen handelt es sich nicht mehr um Aufträge privater amerikanischer Firmen, sondern um zentral gesteuerte Bestellungen, für welche die amerikanische Armee verantwortlich zeichnet und für welche die deutsche Industrie Dollarzahlungen erhalten wird.
Hier kommt ganz deutlich zum Ausdruck, wohin es gehen soll und was es mit den Auslandsverträgen auf sich hat, von denen in der Vorlage Nr. 2082 gesprochen wird. Das muß, wenn es richtig verstanden wird, zu einem Sturm der Entrüstung draußen im Volk führen. Die der Friedensindustrie dienende Herdfabrik Krefft in Gevelsberg arbeitet nur 32 Stunden, weil sie kein Material zur Verfügung hat, und die Firma Junkers & Ruh in Karlsruhe 32 Stunden, ebenfalls, weil es an Material fehlt. Wir haben soeben gehört, daß das Volkswagenwerk kurzgearbeitet hat und wahrscheinlich auch in Zukunft mit Kurzarbeit zu rechnen hat, weil kein Material zur Verfügung steht. Aber Auslandsaufträge, die der Rüstung dienen, sollen bevorzugt behandelt werden. Das deutsche Volk wird der Regierung zeigen, daß es nicht gewillt ist, den Weg, den die Regierung geht, mitzugehen. Wir werden alles tun, um das Volk über die Gefahr aufzuklären, in der es sich befindet. Wir werden alles tun, um zu verhindern, daß die Wirtschaft, die, wie heute des öfteren betont wurde, vom deutschen Arbeiter aufgebaut worden ist, jetzt in die Rüstung eingegliedert wird, die der Vernichtung des deutschen Volkes dienen soll. Seien Sie sich darüber im klaren, auch das Problem, das bei dem vorigen Punkt der Tagesordnung behandelt worden ist, wird in diesem Zusammenhang noch sehr eifrig diskutiert werden. Es wird sich zeigen, ob diejenigen aus den Gewerkschaften, die jetzt in wirtschaftliche Positionen einrücken, verhindern, daß das deutsche Volk, daß die deutsche Arbeiterschaft an dem eigenen Untergang tatkräftig mitwirkt.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Seien Sie sich darüber im klaren, der Ruf des deutschen Volkes: „Fort mit der Adenauer-Regierung!" wird immer heftiger werden und wird sie eines Tages auch hinwegfegen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Es ist beantragt Überweisung der Vorlage zu Punkt 4 a) an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 5 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Harten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei langer
bergmännischer Tätigkeit ({0}).
Das Wort zur Begründung ist nicht gewünscht. Wird das Wort zur Aussprache gewünscht?
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- Bitte, Herr Abgeordneter!
Der Ältestenrat hat für diese Aussprache eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
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Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei langer bergmännischer Tätigkeit beabsichtigt, einen Teil der Unzulänglichkeiten der heutigen Rentenversicherung vorweg zu beseitigen. Wenn in der Begründung zu diesem Gesetz zum Ausdruck gekommen ist, daß diese Vorwegnahme im Hinblick auf die im Verhältnis zu anderen Versicherungen in der Knappschaft relativ hohen Rentenbeträge nicht notwendig sei, so müssen wir dieser Auffassung widersprechen.
Das Unrecht, das bei den langjährig tätigen Bergleuten und ganz besonders bei denjenigen, die eine besonders qualifizierte Arbeit zu leisten haben, d. h. also bei den Vollhauern unter Tage, vorliegt, bedarf deshalb so dringend der Berichtigung, weil wir sonst immer schwierigere Verhältnisse für den bergmännischen Nachwuchs bekommen. Es ist eben nicht zu verstehen, daß für diesen Teil der Bergarbeiterschaft mit rund 30 Berufsjahren bereits nach rund 30 Jahren eine obere Fixierung der Rente stattfindet, die bei weiterer gleicher Tätigkeit kaum noch zu steigern ist. Wir sind der Ansicht, daß zur Vermeidung eben dieser Nachwuchsschwierigkeiten, aber auch im Hinblick auf das echte Unrecht gegenüber den anderen Versichertengruppen der knappschaftlichen Rentenversicherung der Sonderzustand beseitigt werden muß. Unsere Fraktion wird daher diesem Gesetz zustimmen.
Wir freuen uns, daß mit der Vorlage einem oftmals geäußerten dringenden Wunsche der Industriegewerkschaft Bergbau, aber auch der Arbeitsgemeinschaft der knappschaftlichen Rentenversicherungsträger Rechnung getragen worden ist. Als erfreulich sehen wir auch an, daß dieses Gesetz rückwirkend mit dem 1. Oktober 1950 in Kraft treten soll, des weiteren, daß bei dem Teil der Rentenempfänger, die nach der nunmehr zu treffenden Änderung eine Erhöhung ihrer Rente erwarten können, die Neufestsetzung der Rente von Amts wegen, d. h. ohne Antrag erfolgt, wobei allerdings die gesetzlichen Einspruchsmöglichkeiten bei Falschberechnung oder vermeintlicher Minderberechnung bestehen bleiben.
Unser Wunsch ist, daß die Vorlage, die Ihnen zur Beschlußfassung vorliegt, möglichst schnell im Ausschuß für Sozialpolitik behandelt wird, damit dieses Gesetz recht bald in seiner Auswirkung für die Bergleute in Kraft treten kann. Meine Fraktion beantragt also Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lenz hat im wesentlichen schon gesagt, um was es sich hier handelt. Es kann auf
({0})
keinen Fall davon gesprochen werden, daß es sich hier um ein Teilgesetz für die allgemeine Rentenerhöhung handeln soll, sondern hier handelt es sich nur darum, den in der Knappschaftsversicherung versicherten Menschen auch über das 30. Berufsjahr hinaus eine weitere Steigerung der Renten durch die eigene Beitragsleistung zu ermöglichen. Sie sollten sich klar darüber sein, daß die Mittel, die hierfür aufgewandt werden müssen, zwar, direkt gesehen, aus den Staatszuschüssen für die Rentenversicherung der Bergleute gezahlt werden müssen; aber im wesentlichen werden die Mittel, die hier gebraucht werden, durch das erhöhte Beitragsaufkommen in der Knappschaftsversicherung aufgebracht.
Wir benötigen für dieses Gesetz für das rückliegende halbe Jahr insgesamt 4,4 Millionen DM. Diese Gelder sind vorhanden. Wir brauchen darüber hinaus für das nächste volle Jahr 11,4 Millionen DM. Auch die Deckung ist gegeben. Wir müssen uns allerdings klar darüber sein, daß die Belastung aus diesem Gesetz weiterhin steigen wird; sie wird den Höchstbetrag einer jährlichen Mehrausgabe von 29,3 Millionen DM im Jahre 1960 erreichen.
Es ist so, wie der Herr Abgeordnete Lenz bereits sagte: Es handelt sich offensichtlich um eine vielleicht damals gar nicht gewollte Ungerechtigkeit. Man hat eine gesetzliche Formulierung in der Verordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan über die Regelung der Rentenversicherung des Bergbaues herausgebracht, die nicht klar übersehen hat, daß in der Zukunft die Bewertung des Geldes anders sein könnte, als sie damals war. Aus diesen neuen Entwicklungen heraus hat sich eben der Zustand ergeben, daß der Bergmann zwar 40 Berufsjahre' leisten kann, er darf 40 Jahre Beitrag an die Knappschaft bezahlen; aber über den Rahmen dessen, was er sich an Steigerungsbeträgen in 30jähriger Berufsarbeit erworben hat, kann er keine weiteren Rechte erwerben. Ich glaube, Sie alle in diesem Hohen Hause sind damit einverstanden, daß wir diesen offensichtlich ungerechten Zustand so schnell wie möglich beseitigen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2058 will bekanntlich die Härten und Ungerechtigkeiten bei der Rentenberechnung der Bergleute mit langer bergmännischer Tätigkeit beseitigen. Meine politischen Freunde und ich begrüßen den Gesetzentwurf, da durch ihn ein in der Tat bestehendes großes Unrecht in der Rentenberechnung der Bergarbeiter aus der Welt geschafft werden soll, ein Unrecht besonders gegenüber den alten Bergleuten, die 35, 40 und mehr Jahre im Bergbau ihre Pflicht getan und Beiträge an die Knappschaft entrichtet haben.
Wir bedauern jedoch, daß der Gesetzentwurf dem Bundestag erst heute vorgelegt wird, und zwar besonders deshalb, weil zwischen den beiden Sozialpartnern in der Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften schon vor einem Dreivierteljahr eine übereinstimmende Auffassung bezüglich der Dringlichkeit dieser Frage erzielt wurde. Leider jedoch wird von diesem Gesetzentwurf nur ein kleiner Teil der Knappschaftsrentner betroffen. Wir bedauern auch, daß das Arbeitsministerium nicht die von der Industriegewerkschaft Bergbau und der
Arbeitsgemeinschaft der Knappschaften - in der doch bekanntlich die Arbeitnehmer ebenso wie die Arbeitgeber vertreten sind - übereinstimmend aufgestellte Forderung berücksichtigt hat, nämlich die Forderung einer Rentenberechnung nach dem jetzt gezahlten Lohn, d. h. nach einer gleitenden Rente. Wir bedauern das um so mehr, als der Herr Bundesarbeitsminister in den verschiedensten Erklärungen vor der Öffentlichkeit immer wieder darauf Bezug genommen hat, daß möglichst alle Beziehungen der Sozialpartner zueinander durch diese selbst geregelt werden sollten. Deshalb, meinen wir, hätte auch der übereinstimmenden Auffassung der Sozialpartner Rechnung getragen werden sollen.
Doch nun zu dem Gesetzentwurf und seiner Begründung. Der § 1 bezweckt eine Änderung des § 7 der Verordnung vom 4. Oktober 1942. Durch die bisherige Regelung wurde, wie auch der Herr Bundesarbeitsminister schon ausführte, die Höhe der auszuzahlenden Renten auf 80 bzw. 90 % des monatlichen Durchschnittsverdienstes während der gesamten bergmännischen Tätigkeit begrenzt. Das bis jetzt geltende Recht hat sich praktisch so ausgewirkt, daß die über das 31. bzw. 35. Beitragsjahr hinaus gezahlten Beiträge nutzlos gezahlt wurden und keine Erhöhung der Rente zur Folge hatten. Da auch wir diese Regelung als eine Ungerechtigkeit und als eine unbillige Härte ansehen, stimmen wir der Änderung vollinhaltlich zu. Aber es muß dazu auch noch gesagt werden, daß es diese Begrenzungsvorschrift, die in der Verordnung aus dem Jahre 1942 enthalten ist, in keiner anderen Rentenversicherung gibt. Auch in der Knappschaft hat es vor dem Jahre 1943 diese Begrenzungsvorschrift nicht gegeben.
-Ebenso stimmen wir dem Abs. 2 zu, der eine Änderung des § 1 Abs. 3 b des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes vorsieht, da dadurch der bisherige Unterschied zwischen den einzelnen Versicherungsfällen vor und nach der Verkündung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes beseitigt wird. Aber, meine Damen und Herren, ich sagte schon: wir hätten es begrüßt, wenn der Vorschlag der Gewerkschaften auf eine Rentenberechnung nach dem heute verdienten Durchschnittslohn von der Regierung berücksichtigt worden wäre. Es ist doch einfach nicht vertretbar, daß bei der Rentenberechnung ein Lohn zugrundegelegt wird, der vor 25 oder 30 Jahren verdient wurde. Das Verhältnis zwischen gezahltem Lohn von heute und gezahlter Rente von heute verschlechtert sich doch nach jeder neuen Lohnerhöhung. Die Renten stehen heute noch auf dem Stand des Jahres 1949. Die Löhne sind in der Zwischenzeit sehr wesentlich gestiegen, und man kann doch sagen, daß die Renten bei der Berechnung nach den damals gezahlten Löhnen eigentlich um rund 50 % niedriger liegen als die Löhne, wie sie heute gezahlt werden. Durch die damals gezahlten niedrigen Löhne wird naturgemäß auch bei der Errechnung der Rente der Durchschnittslohn heruntergedrückt, und der Leidtragende ist in jedem Fall der alte Bergmann. Ähnlich liegen die Dinge doch auch bei den Bergbauangestellten. Auch hier berechnet sich der Durchschnittsverdienst nach den dreißig oder mehr Jahren der Tätigkeit des Angestellten mit Einschluß der Jahre, in denen er als Schlepper, Lehrhauer oder Hauer gearbeitet hat.
Wir meinen, daß, wenn die Regierung dieser Forderung entsprochen hätte, auch auf der finanziellen Seite keine Schwierigkeiten entstanden wären; denn nach Angaben der Knappschaft
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ist infolge der Lohnerhöhungen in den verflossenen Monaten und Jahren die finanzielle Seite vollständig geregelt. Ich glaube, da durch dieses Gesetz nur ein kleiner Teil der Knappschaftsrentner betroffen wird, sollten wir uns überlegen, ob vielleicht im Ausschuß die Frage, wie sie von der Industriegewerkschaft Bergbau und von den Knappschaften gestellt wurde, nicht einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen ist.
Nun, meine Damen und Herren, noch einige Worte zur Begründung des Gesetzes. Die Regierung sagt auf Seite 3 ihrer Begründung, daß im Vergleich zu den anderen Versicherungsträgern die Knappschaftsrentner eine etappenweise stetige Verbesserung erfahren haben. Ich glaube, das stimmt nicht ganz; denn auch in der Knappschaft hat es ein stetiges Auf und Ab gegeben. Ich erinnere nur an das Gesetz zur Erhaltung der Leistungsfähigkeit der Knappschaft vom 7. 12. 33, in dem eine Verschlechterung für die Knappschaftsrentner durchgeführt wurde. Es erscheint uns auch nicht gut, wenn in der Begründung gesagt wird, daß die Bergarbeiter in ihrer Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung an der Spitze aller Arbeitnehmer stehen, demgegenüber aber mit ihren Beiträgen kaum stärker ais die anderen Versicherten außerhalb des Bergbaues betroffen werden. Gewiß, meine Damen und Herren, das ist an sich richtig, aber wir müssen doch einsehen, daß neben den 8 %, die der Bergmann von seinem Lohneinkommen in die Knappschaft zahlt, auch die 14,5 % Arbeitgeberanteil ein Teil des Lohnes sind, der wie alle anderen Unkostenfaktoren und Betriebsunkosten von den Beschäftigten mit ihrer Hände Arbeit erarbeitet und dann auch auf den Preis . umgelegt wird.
Auf der anderen Seite steht doch fest, daß die Bergarbeiter durch ihre Knappschaft schon seit Jahrzehnten an der Spitze aller Rentenbezieher gestanden haben. Ich glaube, es sollte einmal ganz klar zum Ausdruck gebracht werden: wie will man das Nachwuchsproblem im Bergbau denn lösen, wenn man dem Bergmann in Anbetracht der Schwere und Gefährlichkeit seiner Arbeit und seines Berufs nicht eine gewisse Sonderstellung zubilligt? Wie will man die von unserer gesamten Volkswirtschaft geforderte Fördersteigerung erreichen, wenn man dem Bergmann nicht das Gefühl der Sicherheit bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit gibt?
Meine Damen und Herren, beachten Sie doch bitte folgendes. Zwischen dem aktiven Bergmann und dem nicht mehr arbeitsfähigen besteht immer noch ein echtes Gefühl der Kameradschaft, und der aktive Bergmann beobachtet sehr scharf, was der Staat für den nicht mehr arbeitsfähigen leistet. Niemand wird wohl behaupten wollen, daß eine Durchschnittsknappschaftsrente von 130 DM pro Monat zum Leben ausreichend ist, wobei ich betone, daß ein erheblicher Teil von Knappschaftsrenten noch weit unter diesen 130 DM liegt.
Ich glaube, auch sagen zu dürfen, daß man nicht so achtlos an der Krisenstimmung im Industriegebiet vorübergehen kann, die sich besonders in den letzten Wochen sehr stark bemerkbar gemacht hat; denn an allen Orten finden Protestversammlungen der Invaliden und Witwen statt. Ich glaube, der Bundestag und auch die Bundesregierung sollten versuchen, das Rentenproblem im allgemeinen auf dem schnellsten Wege zu regeln.
Ebenso mutet es uns eigenartig an, wenn die Regierung in ihrer Begründung sagt, daß vom
Bund 150 Millionen Mark Zuschuß für die Knappschaft gegeben werden. Es muß doch darauf hingewiesen werden, daß die Knappschaft auch die Lasten von zwei Weltkriegen mit zu tragen hat. Dementsprechend gehen Rentenleistungen, die eigentlich von der Öffentlichkeit getragen werden müßten, zu Lasten der Knappschaft. Es muß auch gesagt werden, daß der Zuschuß des früheren Deutschen Reiches zu den Rentenleistungen der Knappschaft ohne die Kriegsfolgelasten fast annähernd so hoch war wie der Betrag, der heute vom Bund den Knappschaften zur Verfügung gestellt wird.
Sehr bedenklich erscheint uns aber auch der Satz in der Begründung, daß ein Bedürfnis für die Vorwegnahme einer allgemeinen Rentenerhöhung in der Knappschaft vor der in der anderen Rentenversicherung nicht besteht. Ich glaube, bei der Notwendigkeit der allgemeinen Rentenerhöhung, wie ich schon zum Ausdruck gebracht habe, hätte sich die Regierung diesen Hinweis in der Begründung sparen können.
Das sind die verschiedenen Beanstandungen, die wir zu der Regierungsbegründung vorzubringen haben. Im allgemeinen stimmen wir dem Antrag meines Vorredners aus der CDU auf Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik zu und hoffen, daß dadurch wenigstens dieses Teilproblem für die alten Knappschaftsrenten befriedigend und möglichst schnell gelöst wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende der Ruhr-Knappschaft hat in Nr. 4 der Zeitung „Bergbau-Industrie" einen offenen Brief an das Bundesarbeitsministerium gerichtet, dessen Schlußsatz lautet:
Es wird die allerhöchste Zeit, eine Änderung der
Rentenleistungen für die berufsunfähigen
und invalidisierten Bergarbeiter zu schaffen. Das Bundesarbeitsministerium hat uns nun - Drucksache Nr. 2058 - ein Gesetz zugeleitet, das eine Änderung der Verordnung über die Knappschaftsversicherung vom 4. Oktober 1942 vorsieht, und hat damit anerkannt, daß die jetzigen Leistungen der knappschaftlichen Rentenversicherung der durch langjährige schwere und gefahrvolle Arbeit hervorgerufenen Erwerbsminderung in keiner Form gerecht werden. Wir hätten allerdings gewünscht, daß das Bundesarbeitsministerium endlich einmal von der Methode abgehen würde, Vorschläge zur Lösung des Gesamtproblems der Sozialversicherung hier im Bundestag geradezu „tropfenweise" zu unterbreiten. Denn auch diese Vorlage zeigt mit aller Eindringlichkeit erneut wieder die zwingende Notwendigkeit, an die gesamte Problematik der Sozialversicherung von Grund Mus heranzugehen.
Bei einer Prüfung der Vorlage müssen wir feststellen, daß die Knappschaftsrente im Durchschnitt 99,31 DM und die Knappschaftsvollrente monatlich 139,50 DM beträgt. Letztere erhält der Bergmann allerdings nur, wenn er keine Möglichkeit mehr hat, seine Arbeitskraft irgendwo anders einzusetzen. Wenn man dabei den tariflichen Hauerdurchschnittslohn bei 25 Schichten mit 347,50 DM zugrunde legt, ergibt sich, daß der Anteil der Renten nur ca. 35 % ausmacht. Den Unsicherheitsfaktor, der in diesen niedrigen Sätzen der knappschaftlichen Rentenversicherung liegt, versuchte man abzuschwächen, indem man - unter Anwendung besonderer Bestimmungen - zum Zwecke der Anpassung einen Zuschlag von 180 DM jährlich als
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Bestandteil der Rente gab. Darauf baut sich die uns nun in Drucksache Nr. 2058 vorliegende Gesetzesvorlage auf.
Bei der Rentenberechnung zur Knappschaftsversicherung haben wir die bemerkenswerte Tatsache zu verzeichnen, daß der Arbeitsverdienst bis zum 31. Dezember 1942 ein fingierter gewesen ist und mit durchschnittlich 242,50 Mark verrechnet wurde. Aus den ermittelten Beitragszeiten nahm man den fingierten End- und Mittelbetrag und errechnete so den Gesamtarbeitsverdienst. Aus diesem ermittelten Verdienst werden 1,5 % Knappschaftsrente und 2,4 % Knappschaftsvollrente errechnet. Diese Art der Berechnung nach dem zum großen Teil fingierten Jahresarbeitsverdienst bildet die Grundlage der niedrigen Renten, eine Tatsache, unter der vor allem der Frühinvalide außerordentlich stark zu leiden hat. Das Hereintragen einer ganzen Reihe juristischer Begriffe - ich spreche hier nicht nur von der Knappschaftsrente, sondern von der gesamten Sozialversicherung - erschwert selbstverständlich die gesamte Berechnung. Bei der Berechnung der Knappschaftsrente werden Beziehungen zu anderen Versicherungsträgern - beispielsweise zur Bergbauberufsgenossenschaft, Ruhrknappschaft usw. - und auch die Kürzungsbestimmungen des § 1274 der Reichsversicherungsordnung oder des § 50 des Reichsknappschaftsgesetzes berücksichtigt, was die Situation auf dem Gebiete der Knappschaftsversicherung in ihrer Gesamtheit verschärft.
Dieser ungeheure Wust von gesetzlichen Bestimmungen führt zu einer Verzerrung des Rechtes der Bergarbeiter und ist die Ursache sehr kostspieliger Streitverfahren mit den Versicherungsbehörden. Man könnte an einzelnen Berechnungen die Unmöglichkeit dieser Grundlage der Rentenberechnung eingehend unter Beweis stellen. Man soll aber an einer Tatsache, die bereits von meinem Vorredner skizziert worden ist, nicht vorbeigehen. Allein im Monat September 1950 kehrten sich nach den statistischen Berichten 257 Arbeitskräfte von der Bochumer Zeche ab. Unter den jungen Bergarbeitern und den neuen Kräften, die dem Bergbau zufließen, besteht weiterhin starke Neigung, wieder von dort abzuwandern. Sie haben täglich die Schicksalstragödie ihrer alten Kameraden vor Augen und erkennen, daß das Verfahren von freiwilligen „Panzerschichten" im Bergbau wesentlich schneller zur Invalidität führt. Nach einwandfreien Ziffern beginnt die Invalidität im Durchschnitt im Alter von 49 Jahren. Wenn man die Härte der Berufsarbeit des Bergmannes anerkennen will, muß nach unserer Meinung mehr geschehen, als mit der vorgesehenen Abänderung der Verordnung vom 4. Oktober 1942, über die wir heute in erster Lesung zu beraten haben, erreicht werden kann.
Ich darf abschließend sagen, daß bei der Beratung dieses Entwurfes im Ausschuß drei Forderungen entscheidend sind, die mit behandelt werden müssen und hinsichtlich derer man zu einer Klärung kommen muß. Erstens: die sofortige Aufhebung der Kürzungsbestimmungen des § 50 des Reichsknappschaftsgesetzes in Anlehnung an den § 1274 der Reichsversicherungsordnung. Zweitens: der Grundbetrag bis zu 156 DM aus der Invalidenversicherungsleistung darf bei der Knappschaftsvollrente nicht gekürzt werden. Drittens: die Berechnung der Rente muß nach dem Jahresarbeitsverdienst der höchsten Berufsgruppe erfolgen, und alle Lohnerhöhungen im Ruhrbergbau müssen sich mit in steigenden Renten auswirken. Man soll nicht versuchen, diese Dinge mit einer Steigerung der Beiträge zu realisieren, sondern soll die notwendigen Beträge von den 9 Milliarden DM abzweigen, die Sie als Sicherheitsleistung jährlich zu zahlen gewillt sind.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe es vorauskommen sehen, daß man sich heute über das allgemeine Versicherungsreformwerk unterhalten würde. Dieser Gesetzentwurf ist aus einer Besprechung mit der Leitung der Ruhrknappschaft und des Bergarbeiterverbandes im Oktober des vergangenen Jahres geboren. Damals hat man mir vom Bergarbeiterverband und von der Leitung der Ruhrknappschaft gesagt: Wir sind zur Zeit in der Lage, das Unrecht des Gesetzes aus dem Jahre 1942 zu beseitigen; bitte, helfen Sie uns, damit wir diese Sache in eine Ordnung bekommen!
Es hat niemand bei uns daran gedacht, wie ich vorhin schon gesagt habe, durch dieses Gesetz vielleicht etwas von dem vorweg zu leisten, was wir durch einen einstimmigen Beschluß dieses Hohen Hauses zu leisten aufgetragen bekommen haben. Ich darf Ihnen sagen, daß alle die Ausführungen, die der Redner der Sozialdemokratischen Partei gemacht hat, vollständig richtig sind, wenn sie hier in diesem Hohen Hause zu der grundsätzlichen Neuordnung der Leistungen aus den Rentenversicherungen gemacht werden. Dann bin ich auch gern bereit, mit Ihnen die Wege zu suchen, die zu einer gerechteren Entschädigung an diejenigen führen können, die sich durch ihre Beitragsleistung Rechte erworben haben.
Ich darf dem Hohen Hause sagen, daß mir heute in meinem Ministerium mitgeteilt wurde, daß im Laufe des heutigen Tages die Gesetzentwürfe über die Neuordnung der Sozialversicherungsträger und ihrer Leistungen fertiggestellt werden. Sie werden in kürzester Zeit im Kabinett behandelt, und dann wird es Zeit sein, daß man sich in diesem Hohen Hause einmal klar darüber wird, inwieweit wir zur Zeit in der Lage sind, für die Sozialrentner etwas Grundsätzliches zu tun. Ich hoffe gern, daß das Hohe Haus dann auch mit dafür stimmen wird, daß die Mittel bereitgestellt werden, um dieses große Reformwerk wirklich durchführen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesundheit und Arbeitskraft der Bergleute genießen infolge ihrer hohen beruflichen Beanspruchung einen von den anderen Arbeiterkategorien abweichenden besonderen sozialen Schutz, der in der Rentenversicherung zum Ausdruck kommen muß. Der Bergmannsberuf ist nicht so begehrenswert, wie es wünschenswert wäre. Schwerste Arbeiten schwächen die Gesundheit der Arbeitnehmer im Bergbau im stärksten Maße. Wenn nun die Arbeitswilligen im Bergbau die Arbeit aufnehmen wollen, dann wollen diese Leute wissen, daß sie auch eine entsprechende und gute Sicherung dafür haben, daß in den Tagen des Alters die Pension so gewährleistet ist, daß sie für die wenigen Jahre ihres Lebensabends versorgt sind. Eine solche Regelung sieht dieser Gesetzentwurf nicht für alle Arbeitnehmer im Bergbau vor. Dieser Gesetzentwurf will nur die Beseiti({0})
gung von Härten in der knappschaftlichen Rentenversicherung bei längerer bergmännischer Arbeit. Diesen Wünschen ist man im Gesetzentwurf entgegengekommen. Die Verordnung vom 4. Oktober 1942 schreibt im § 7 vor, daß Knappschaftsrenten ohne Leistungszuschlag 80 % des durchschnittlichen jährlichen Entgelts nicht überschreiten dürfen. Diese Leistungzuschläge wurden gewährt: für das 11. bis 20. Hauerjahr je 12 DM, für das 21. bis 30. Hauerjahr je 24 DM und für jedes weitere Hauerjahr je 36 DM. Bei der Rentenerrechnung mußte der Leistungszuschlag voll in Anrechnung gebracht werden. Für die Rentenerrechnung mußte das Gesamtarbeitseinkommen aus allen Jahren der Tätigkeit berechnet werden. Das Einkommen wurde durch die Beitragsmonate geteilt, um den Jahresendbetrag zu errechnen. Davon wurden dann ohne Leistungszuschlag 80 % zugrunde gelegt und mit Leistungszuschlag 90 %. Daraus ergab sich, daß diejenigen Bergleute, die 500 bis 600 Beitragsmonate aufzuweisen hatten, in. ihren Rentenbezügen schlechter standen als diejenigen, die weniger Beitragsmonate hatten. Dieser Übelstand ist durch diesen Gesetzentwurf beseitigt worden. Wir begrüßen den Gesetzentwurf daher, bemängeln aber, daß er trotz aller Vorarbeiten erst heute vor diesem Hohen Hause behandelt wird. Wir hätten gewünscht, daß die berechtigten Forderungen der älteren Bergleute eher berücksichtigt worden wären.
Meine Fraktion begrüßt also diesen Gesetzentwurf und bittet, ihn dem Sozialausschuß zur weiteren Bearbeitung zu überweisen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, mir ist mitgeteilt worden, daß eine interfraktionelle Vereinbarung vorliegt, den Punkt 6 b der Tagesordnung, den Einzelplan XVI des Bundeshaushaltsplans für 1950 - Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen -, für heute zurückzustellen und morgen zu behandeln. - Widerspruch erhebt sich nicht. Ich stelle also die Zustimmung des Hauses dazu fest.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß mir der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses mitgeteilt hat, daß der Haushaltsausschuß morgen vormittag um 9 Uhr zu einer ganz kurzen Sitzung zusammentritt.
Ich rufe Punkt 6 a der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({0}).
Einzelplan XIII - Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen ({1}).
Dazu hat Herr Abgeordneter Dr. Bärsch als Berichterstatter das Wort.
Dr. Bärsch ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen unterscheidet
sich insofern wesentlich von den anderen, als er ein sehr viel geringeres Volumen hat; er besteht praktisch aus den beiden Posten Ministergehalt und Bundesdruckerei. Die Bundesdruckerei mit ihrer Hauptstelle in Berlin und einer neu aufgebauten Filiale in Frankfurt am Main bedarf für das laufende Rechnungsjahr eines Zuschusses von insgesamt 368 000 Mark. Dabei ist folgendes zu berücksichtigen. Das Hauptwerk in Berlin ist mit einer Bilanz von 6 525 000 Mark ausgeglichen. Der Zuschuß ist also für die neu aufgebaute Stelle in Frankfurt erforderlich und wird infolge der allgemeinen Anlauf- und Ausbaukosten benötigt.
Im Extraordinarium findet sich dann eine Ausgabe von 2 812 000 DM. Dabei handelt es sich in der Hauptsache um die Beseitigung der sehr zahlreichen Kriegsschäden in Berlin. Mit der Ausgabe hat es insofern noch eine besondere Bedeutung, als sie gleichzeitig dem Wiederaufbau der Berliner Wirtschaft dient. Von den 2 812 000 DM gehen allein rund 2 Millionen in die Berliner Wirtschaft.
Ich habe Sie im Auftrag des Ausschusses zu bitten, dem Haushaltsplan in der vorgelegten Form zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, zu den Einzelheiten des Haushaltsplans des Bundes- ministeriums für das Post- und Fernmeldewesen Stellung zu nehmen. Ich möchte hier nur eine Frage anschneiden, die mir am Herzen liegt.
Vielleicht ist es auch den Damen und Herren dieses Hauses, die nicht dem Haushaltsausschuß C angehören, bekannt, daß das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen den Plan erwägt, einen Neubau zur Unterbringung seiner Verwaltung hier in Bonn zu erstellen.
({0})
Die Gründe, die dafür vorgebracht worden sind, sind in jedem Fall erwägenswert. In Frankfurt muß eine sehr beträchtliche Miete für die Unterbringung der Verwaltung bezahlt werden, so daß es in jedem Fall notwendig ist, die Frage sehr sorgfältig zu prüfen, ob es nicht zweckmäßig wäre, hier in Bonn ein Gebäude für die Verwaltung zu erstellen. Wir sind uns im Haushaltsausschuß stets über die dringende Notwendigkeit einig gewesen, daß die Bundesverwaltung bei der Erstellung von Verwaltungsgebäuden für die Bundesorgane sehr sparsam verfährt, daß in keinem Fall aufwendige Gebäude erstellt werden und daß allen Ernstes versucht werden muß, einen Baustil herauszubringen, der der großen Armut und der großen Not des Volkes, die heute noch in breiten Schichten vorhanden sind, entspricht.
Nun hat die Postverwaltung hier in Bonn einen Bauplatz gefunden. Es ist einer der schönsten und teuersten, Plätze der Stadt. Die Verwaltung hat einen Plan für das Gebäude gemacht
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und sie hat uns mitgeteilt, daß es voraussichtlich etwa 7 bis 8 Millionen Mark kosten wird.
Wir haben versucht, uns eine Meinung darüber zu bilden, ob man den richtigen Stil herausgefunden hat und ob man sparsam verfahren ist. Wir sind uns nicht ganz klar darüber geworden. Ich hatte zwar immer den Eindruck, es wäre besser
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gewesen, man hätte nicht gerade den schönsten Platz am Rhein genommen, den es gibt, einen Platz, der sehr viel Geld gekostet hat. Es wäre sehr gut gewesen, hier etwas weniger an Repräsentanz aufzubieten. Es sind aber für diese Art des Bauens einige Gründe vorgebracht worden, gegen die nicht viel einzuwenden war, wenn sie auch nicht voll überzeugt haben.
Aber nun hat sich neuerdings - erst neuerdings - bei der Beratung des Haushaltsplans des Verkehrsministeriums folgender Tatbestand ergeben: Der Herr Bundesminister für Verkehr hat uns mitgeteilt, daß auch das Verkehrsministerium erwäge, einen Neubau für seine Verwaltung zu erstellen. Dieser Neubau soll etwa 4,7 Millionen Mark kosten, und zwar sollen in diesem Neubau etwa 1000 Beamte untergebracht werden. Wir haben gehört, daß dieser Neubau für die Postverwaltung 7 Millionen DM kosten soll, daß aber in diesem Gebäude nur 500 Beamte untergebracht werden sollen. Es ergibt sich also die Situation, daß der Verkehrsminister 1000 Beamte um 4,7 Millionen DM unterbringt, während der Postminister zur Unterbringung von 500 Beamten 7 bis 8 Millionen DM benötigt.
({3})
Wenn man die Kostenrechnung des Verkehrsministers zugrunde legen und sich sagen würde, daß vielleicht der Verkehrsminister hier die sparsamere Linie gefunden haben könnte, dann müßte man den Schluß ziehen, daß es dem Postminister möglich sein sollte, seine 500 Beamten um 2,3 Millionen DM unterzubringen. Man muß doch bei der Kostenrechnung für die Erstellung eines Gebäudes immer von einem gewissen Quadratmetersatz für die Fläche ausgehen, die nötig ist, um einem Beamten einen Arbeitsplatz zu verschaffen. Es ist nicht einzusehen, daß ein Platz für die Post so viel teurer sein soll als ein Platz für den Verkehr. Verehrter Herr Postminister, die Frage, die ich an Sie stellen möchte, ist die: Wäre es nicht möglich, Ihre 500 Beamten so billig unterzubringen, wie das der Herr Verkehrsminister offenbar für seine Beamten fertigbringt? Das ist die Frage, die ein besorgter Staatsbürger und ein Mann, der sich im besonderen dafür verantwortlich fühlt, daß hier in Bonn gespart wird, an Sie zu stellen hat. Ich wäre für eine Antwort sehr dankbar.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort kann selbstverständlich sofort gegeben werden. Ich darf bemerken, daß diese Frage heute früh und auch schon am Tage vorher im Haushaltsausschuß zur Frage gekommen ist. Es handelt sich um folgendes. Die Zahlen, die vom Verkehrsministerium genannt werden, können nicht ohne weiteres mit den unseren in Vergleich gesetzt werden. Das Verkehrsministerium rechnet bei der Kalkulation seiner Bauten mit einem Preis für den umbauten Kubikmeter von 45 DM. Jeder weiß, daß diese Zahl längst überholt ist. Wir haben vorsichtigerweise, so wie es eben die Pflicht eines anständigen .Hausvaters ist, mit dem jetzt üblichen Preis von 70 DM gerechnet.
({0})
- Ja, das sind die Preise, die heute bezahlt werden. Wir wissen das sehr genau. Sie wissen ja, daß
wir sehr eifrig den sozialen Wohnungsbau betreiben. Wir haben in den letzten zwei Jahren 25 000 Wohnungen gebaut, und wir bauen in jedem Monat regelmäßig noch 1000 dazu. Wir haben also sehr gute Vergleichsmaßstäbe. Außerdem müssen wir im Jahr etwa 70 Millionen für Dienstgebäude ausgeben, die ja, wie Sie auch wissen werden, bis zur Hälfte etwa durch den Bombenkrieg zerstört worden sind. Also schon dieser eine Tatbestand macht offenkundig, daß der Vergleich etwas hinkt.
Nun muß ich auch sagen, daß es sich zunächst auch nicht um 1000, sondern um 800 Personen handelt.
({1}) Ja, im Verkehrsministerium.
({2})
- Es hat gestern eine Besprechung stattgefunden, in der sich unser Ministerialdirektor Schmidt, der Experte für Hochbau ist, mit Herrn Feuerlein im Verkehrsministerium sehr eingehend auseinandergesetzt hat. Die Zahlen sind heute morgen auch im Haushaltsausschuß genannt worden.
Nun gebe ich zu, daß ich auch in unser Gebäude 800 Leute hineinpressen kann. Wir sind aber eine soziale Verwaltung, und es ist nachgerade genug, daß unsere Leute jetzt seit mehr als fünf Jahren schon in absolut unzulänglichen Räumen haben hausen müssen, wenigstens in der ersten Zeit unseres Aufenthalts in Frankfurt. Sie wissen, wir haben zunächst in dem Gebäude der alten Reichsbank in Frankfurt am Main im Schalterraum gehaust, dann in den unzulänglichen Räumen der IG-Farben-Fabrik draußen in Höchst und waren dann auf vier verschiedene Stellen in Frankfurt verteilt. Daß wir nach Bonn ziehen müssen, darüber ist ja wohl keine Meinungsverschiedenheit mehr vorhanden. Ich bin ja derjenige gewesen, der a sich immer gegen Bonn gewehrt hat; aber aus Gründen der Staatsraison - und ich sage das mit allem Nachdruck hier vor diesem Hohen Haus - bin ich jetzt für Bonn. Also wir müssen in Bonn bauen, und wenn wir bauen, dann bauen wir so, daß der Arbeiter bei uns auf einer Grundfläche von 10 bis 12 qm untergebracht werden kann. Man kann es auch mit 10 qm machen, durchaus; aber es gibt eben Funktionen, die man besser in einem etwas größeren Raum ausführt. Schließlich verbringen unsere Beamten drei Viertel ihres Lebens in ihrem Dienstgebäude, und es gehört zu den Obliegenheiten eines Verwaltungschefs, daß er dort, wo es möglich ist, für seine Leute in entsprechender Weise sorgt. Also die Vergleiche hinken in jeder Beziehung.
Vielleicht darf ich noch eines dazu sagen. Die Frage unseres Verwaltungsgebäudes in Bonn hat sich ja zwangsläufig entwickelt. Wir wollten ja gar nicht bauen. Mir ist zu Beginn der Regierungstätigkeit in Bonn ja das Haus am Bottlerplatz, in dem wir jetzt 8 oder 9 Diensträume haben, angeboten worden, und zwar zunächst großzügigerweise umsonst. Ich habe das gleich nicht geglaubt.
({3})
Später war es dann so: Als wir ernst machen wollten, hat es geheißen, wir müßten 2 Millionen zunächst auf recht, recht lange Zeit als Kredit an die Stadtverwaltung geben, möglichst zinslos,
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und außerdem müßten wir 280 000 DM Miete bezahlen.
({5})
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Daraufhin haben wir gesagt: Fangen wir an zu rechnen, ob es nicht doch besser ist zu bauen, insbesondere im Hinblick darauf, daß wir einen sehr ausgedehnten Kurierdienst zwischen Frankfurt und Bonn einrichten mußten und daß z. B. heute, wenn im Haushaltsausschuß so kitzlige Fragen behandelt werden, eine ganze Kavalkade von Spezialisten von Frankfurt nach Bonn" reisen muß. Wir haben uns ausgerechnet, daß wir vielleicht 100 000 Mark im Jahre allein für diese Aufwendungen aus unserem Säckel nehmen müssen. Dazu kommt, daß wir in Frankfurt runde 300 000 DM Miete zu blechen haben. Das sind zusammen 400-oder 450 000 DM Aufwendungen. Stellen Sie sich die einmal kapitalisiert vor, so kommen Sie ohne Zwang auf eine Größenordnung von 6 bis 7 Millionen DM. Darum handelt es sich! Vielleicht ist wirklich beim Verkehr jemand, der das Kunststück fertigbringt, um 45 DM pro Kubikmeter umbauten Raumes zu bauen. Wir bei der Post können es nicht. Aber vielleicht darf ich auch bemerken, daß die Post immerhin eine Bauerfahrung von einigen 70, 80 Jahren hat. Also ich glaube, wir waren darin sehr vorsichtig, und die Experten aus den Fraktionen, die sich von unserem Bauvorhaben einmal etwas haben sagen lassen, sind durchaus der Meinung, daß es ein richtiger, ein zweckmäßiger und ein sehr billiger Bau ist; denn wir haben durchaus nicht den Größenwahn, etwa Repräsentation zu machen. Der Bau an der kleinen Fährgasse wird sich im Stil genau an das dort vorhandene Haus von Ernst Moritz Arndt anschließen: ein einfacher Putzbau ohne jeden Aufwand.
Die Frage Baracken oder Festbauten brauchen wir, glaube ich, nicht zu erörtern.
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- Davon wollen wir nicht mehr reden.
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- Auch das kann ich Ihnen erklären. Jawohl, das hat einen guten Klang, und das wollen wir auch beibehalten. Bei uns ist es Sitte, daß wir da, wo die Herren und Damen unserer Verwaltung zum Mittagessen nicht nach Hause gehen können, ihnen ein auskömmliches Mittagessen zu billigem Preis
- mit Zuschuß der Verwaltung selbstverständlich - in angemessenen Räumen zur Verfügung stellen. Nun ist es glücklicherweise so, daß die Terrasse schon vorhanden ist, nämlich im Gelände, und es ist nicht einzusehen, warum der arme, gequälte Postbeamte - das sind nämlich nicht nur Ministerialdirektoren, die da essen; das sind bloß 5 im besten Falle, das andere sind ja alles verhältnismäßig „kleine Männer", wie man so in der Volkssprache sagt; ein Ministerialrat verdient heute nicht sehr viel, wenn die Steuern weg sind, so daß er gern auch ein Zuschußmittagessen einnimmt - warum der nicht sein Mittagessen im Angesicht des Rheins einnehmen soll. Warum soll er das nicht?
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Das darf jeder sehen, daß der Postbeamte dort ein billiges und auskömmliches Mittagessen zu sich nimmt. Ich sehe nicht ein, warum er das nicht tun soll. Wir sind doch nun einmal ein sozialer Staat.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan, der heute zur Debatte steht, enthält nur 2 Beträge. Der eine ist das Ministergehalt. Beim Ministergehalt wissen wir, daß es nicht höher und nicht niedriger als das der anderen Minister ist, wobei vielleicht noch gesagt werden kann: der Postminister ist notwendig, aber viele andere Minister könnten eingespart werden.
Bei der Bundesdruckerei liegen die Dinge se, daß - verursacht durch den Neuaufbau und die Beseitigung von Kriegsschäden - diese Zuschüsse im ersten und vielleicht im zweiten Jahre noch notwendig sind. Wir hoffen aber, daß in den nächsten Jahren über Überschüsse berichtet werden kann; denn eine Druckerei zu betreiben, hat für den Bund nur dann Zweck, wenn sie auch einige Überschüsse für den Bund abwirft.
Aber, meine Damen und Herren, wenn wir nur einmal im Jahre Gelegenheit haben, zu den Dingen bei der Bundespost Stellung zu nehmen, dann sollten wir sie wahrnehmen, auch den gesamten Apparat der Post ein wenig unter die Lupe zu nehmen. Denn die Bundespost ist nun einmal das zweitgrößte Sondervermögen mit einem 2 Milliarden-Haushalt, und das will schon etwas heißen. Die Post bekommt ja auch dadurch ihre besondere Bedeutung, daß ein großer Teil des Betriebsüberschusses an den Bund abgeliefert werden muß. Das ganze Volk hat Interesse daran, gelegentlich einmal etwas über die Post zu hören, denn letzten Endes ist j e der Postbenutzer und deshalb auch Interessent.
Vor allen Dingen wird in der Öffentlichkeit immer wieder die Frage erhoben: Wo bleibt das viele Geld, das die Post einnimmt und wo bleiben die Überschüsse? Wir hatten früher einen Verwaltungsrat bei der Post, der auf Grund des Postfinanzgesetzes von 1924 eingesetzt worden ist. Dieser Verwaltungsrat war sozusagen das öffentliche Kontrollorgan, ließ sich die Abrechnung, die Wirtschaftspläne der Post vorlegen und übte auch eine beratende Tätigkeit aus. Seit 1933 haben wir keinen Verwaltungsrat bei der Post mehr. Also die Verwaltung arbeitet jetzt mit diesen 2 Milliarden ohne öffentliche Kontrolle. Der Postausschuß dieses Hauses läßt sich gelegentlich auch einmal Bericht erstatten und bekommt auch - das muß ich offen zugestehen - alle Zahlen, die er haben will. Aber ich glaube, es ist notwendig, daß wir ähnlich, wie es jetzt bei der Bundesbahn geschehen soll, auch bei der Bundespost wieder zu einem Verwaltungsrat kommen, nicht zu einem Verwaltungsbeirat - ich möchte das besonders unterstreichen -, sondern zu einem Verwaltungsrat mit beschließenden Vollmachten. Deshalb möchte ich an den Herrn Postminister die Frage richten, wann das Postverwaltungsgesetz, über das nun schon sehr lange gesprochen wird, dem Parlament vorgelegt wird.
Wenn wir einen solchen Verwaltungsrat hätten, meine Damen und Herren, dann hätte er beispielsweise auch über die Frage zu entscheiden gehabt, ob hier in Bonn gebaut werden soll oder nicht. Sie kennen die Stellung der SPD zur Hauptstadtfrage. Wir haben die Verlegung des Sitzes der Hauptstadt des Bundes nach Bonn als einen politischen Wahnsinn
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bezeichnet und hatten auch unsere guten Gründe dafür.
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- Herr Walter, wenn Sie ehrlich sein wollen: Sie wissen, wie es sich verhält. Sie haben sich die Zahlen damals angesehen. Daher wissen Sie, daß der Hauptstadtausschuß schon dem Bundestag vorgerechnet hat, daß die Hauptstadt Bonn wesentlich mehr kostet, als die Hauptstadt Frankfurt gekostet hätte.
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- Ich war ja auch dabei, Herr Kollege!
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Wir haben in diesem Bericht nachgewiesen, daß Frankfurt billiger ist als Bonn. Daß die Entscheidung anders ausgefallen ist, ist nicht diesem Bericht zuzuschreiben, sondern den Methoden, mit denen man in der letzten Sitzung gearbeitet hat. Selbst in Ihren Kreisen hat sich die Auffassung durchgesetzt, daß das eine Fehlentscheidung war, und manche Ihrer Damen und Herren möchten diesen Beschluß wieder rückgängig machen.
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Wir sind der Auffassung, man sollte keinen weiteren Aufwand in. Bonn betreiben, und deshalb sind wir auch gegen den geplanten Postverwaltungsbau. Wir haben nämlich die Befürchtung, meine Damen und Herren: eines Tages, wenn Bonn nicht mehr Hauptstadt sein wird - und wir hoffen, daß das recht bald der Fall sein wird -, dann wird hier eine ganze Reihe von Gebäuden leerstehen; dann wird man vielleicht an diesen Häusern ein Schildchen finden: „Dieses Haus ist zu verkaufen", weil Bonn nicht mehr Hauptstadt ist. Aber dann werden sich keine Interessenten für diese Gebäude finden.
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Nun, eines halten wir dem Herrn Postminister zugute. Er hat von Anfang an mit richtigen Zahlen operiert, und er hat auch auf die Bedenken hingewiesen, die er damals in bezug auf eine Verlegung seiner Dienststellen nach Bonn hatte. Man hat ihm Versprechungen gemacht. Die Stadt Bonn hat Gebäude angeboten, und zwar zu Bedingungen, die damals annehmbar erschienen. Heute will man von diesen Angeboten nichts mehr wissen und stellt Bedingungen, die es für die Post ratsam erscheinen lassen zu überlegen, ob man nicht besser neu baut. Die Regierung und die Regierungsparteien, die den Beschluß zugunsten Bonns herbeigeführt haben, sollen sehen, wie sie mit diesem Problem fertig werden;
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wir geben unsere Zustimmung zu diesem Verwaltungsbau nicht.
Übrigens haben wir heute morgen in der Sitzung des Haushaltsausschusses gehört, daß man mit einem Baukostensatz von 65 DM rechnet. Seit heute morgen sind also die Baukosten schon wieder um 5 DM gestiegen. Ich möchte Herrn Bundespostminister Schuberth den Rat geben, sich wegen dieser inzwischen wieder eingetretenen Preiserhöhung doch einmal mit seinem Regierungskollegen Erhard in Verbindung zu setzen. Vielleicht hat dieser das noch gar nicht einmal gemerkt; er redet ja immer noch von den in Aussicht stehenden Preissenkungen und von der absteigenden Tendenz auf allen Gebieten der Preispolitik. Also, unser Standpunkt in bezug auf den Verwaltungsbau ist klar und deutlich.
Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Verwaltungsrat hätten, dann brauchten sich auch solche Organe wie der Bund der Steuerzahler nicht um die Vorgänge in der deutschen Bundespost zu kümmern und brauchten auch nicht die Frage aufzuwerfen, wo denn der Staatssekretär im Bundespostministerium geblieben ist. Ihnen wird diese Nummer der Veröffentlichungen des Bundes der Steuerzahler auch zugegangen sein, in der diese Frage ganz offen angeschnitten wird. Es ist tatsächlich so, daß wir einen Staatssekretär im Bundespostministerium haben, der seit 9 Monaten keinen Dienst mehr macht, obwohl er in Frankfurt ein Büro, eine Sekretärin und einen Dienstwagen hat, also den ganzen Apparat eines Staatssekretärs zur Verfügung hat, ohne dafür Dienst zu tun.
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Wir sind der Auffassung, daß ein Mann in diesem Alter, wie es der Staatssekretär Dr. Steinmetz ist, im Postdienst verwendet werden könnte. Wenn man glaubt, daß er die Qualifikation zu einem Staatssekretär nicht hat, dann hätte man sich das eben vorher überlegen sollen; denn man hat ihn ja schon länger gekannt als erst seit ein paar Wochen oder Monaten.
Aber ich möchte dem Bund der Steuerzahler auch -den Rat geben, sich nicht etwa um die Frage zu kümmern, ob ein Mann, der aus der unteren Laufbahn kommt, in der Lage ist, Präsident zu sein. Dann kommt dieser Bund der Steuerzahler nämlich in den Verdacht, daß er nur aus politischen Gründen eine gewisse Hetze gegen Leute betreiben will, die ihm nicht passen, insbesondere wenn wir feststellen, daß es in der deutschen Bundespost noch mehr Präsidenten gibt, die aus der unteren oder mittleren Laufbahn gekommen sind, über die kein Mensch spricht. Wahrscheinlich spricht deshalb keiner über sie, weil sie zufällig eine andere Parteizugehörigkeit haben als der Präsident der Oberpostdirektion in Hannover.
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Wenn man irgendeinem Beamten der deutschen Bundespost, selbst wenn es ein Präsident ist, irgendwelche Unregelmäßigkeiten nachweisen kann, dann soll man gegen ihn vorgehen und dann findet man dabei auch unsere Unterstützung. Aber wenn diese Hetze gegen einen Mann, dessen Parteibuch einem nicht gefällt, gerichtet ist und er deshalb bekämpft wird, weil er eben nicht jener Richtung angehört, dann werden wir uns mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, dagegen wehren.
Der Herr Bundespostminister hat heute einige Male betont, daß seine Verwaltung eine soziale Verwaltung ist. Wir haben dankend zur Kenntnis genommen, daß die Deutsche Bundespost in den letzten beiden Jahren Mittel für etwa 25 000 Wohnungen bereitgestellt hat. Das sind im Monatsdurchschnitt 2000 Wohnungen. Wir haben selbstverständlich den Wunsch, daß diese Wohnungen nicht nur für die höheren Beamten errichtet werden, sondern daß dabei auch die mittleren und unteren Beamten zum Ziele kommen.
Ein Wort zum Stellenplan der deutschen Bundespost, der hier zwar nicht in diesem Etat niedergelegt ist, der uns aber interessieren muß, weil
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im Augenblick wir die einzige Stelle sind, die darüber reden kann. Im letzten Jahre ist eine erhebliche Vermehrung der Planstellen vorgenommen worden. Die Erhöhung der Zahl der Planstellen für Oberposträte, Posträte, Amtsräte und Amtmänner ist - sehr beachtlich. Wir vermissen aber eine Erhöhung der Planstellen für die unteren Dienstposten in demselben Umfang und hoffen, daß nun bei der nächsten Gelegenheit besonders die Inhaber dieser Stellen zum Zuge kommen.
Dasselbe gilt für die Beförderungen. Es sollten nicht nur Beförderungen vorgenommen werden, um die alten Anwärter wieder in ihre Stellungen zu bringen und ihnen „Gerechtigkeit" widerfahren zu lassen, sondern man sollte auch daran denken, nun die Beamten aus dem unteren und mittleren Dienst in die entsprechenden höheren Gruppen zu bringen.
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Wir haben dann noch einiges bezüglich der sozialen Leistungen der deutschen Bundespost vorzubringen. Ich muß hier allerdings einschränkend bemerken: die Sätze, die die Deutsche Bundespost zahlt, sind bundeseinheitlich festgesetzt. Aber wir haben trotzdem Veranlassung, darum zu bitten, daß eine Überprüfung dieser Sätze vorgenommen wird. Die Unterstützungen, also Beträge, die in Zeiten der Not an Arbeiter, Angestellte und Beamte gezahlt werden, betragen 20 DM einheitlich für Arbeiter, Angestellte und Beamte. Bei den Beihilfen - sie werden bei Krankheit in der Familie oder bei Geburtsfällen usw. gezahlt - macht man Unterschiede, und zwar erhalten die Arbeiter und Angestellten 25 DM und die Beamten 50 DM. Warum diese Unterschiede in einem sozialen Staat, bei einer sozialen Verwaltung noch gemacht werden, ist uns nicht recht verständlich.
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Auch die Sätze, die für die Erholungsfürsorge gezahlt werden, scheinen uns der Überprüfung bedürftig zu sein, weil sonst die Gefahr besteht, daß nur ledige und besser bezahlte Angestellte und Beamte die Fürsorgeeinrichtungen, die Erholungsheime der Bundespost in Anspruch nehmen können. Der Herr Bundespostminister hat einmal in einer Sitzung des Postausschusses erklärt, der Briefträger sei der eigentliche Kulturträger des deutschen Volkes, weil er mit den Briefen, Zeitungen und dergleichen die Kultur in das Haus trage. Wenn dieser Briefträger in unserem Staat so wichtig ist, dann sollte man seine Stelle auch entsprechend bezahlen und, wenn man Verbesserungen beabsichtigt, in erster Linie an den Briefträger, an den Postschaffner und an den kleinen Postbeamten denken.
Die Personalpolitik der Bundespost könnte auch einmal einer Prüfung unterzogen werden. Herr Bundespostminister, wir haben vor allem die Sorge, daß man die Wiedergutmachung nicht etwa des Unrechts, das 1933 geschehen ist, sondern des Unrechts, das 1945 geschehen sein soll, auf dem Rücken derjenigen Beamten vollzieht, die 1945 in die Bresche gesprungen sind, die 1945 auf höher bewertete Dienstposten nachgerückt sind und bei denen man heute versucht, ihnen die Eignung abzusprechen. Es werden sogenannte Eignungsprüfungen mit dem offensichtlichen Zweck durchgeführt, den Nachweis zu erbringen, daß der Mann, der nun fünf Jahre diesen Posten versieht, in Zukunft nicht mehr fähig ist, diesen Posten auszufüllen.
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Das scheint uns außerordentlich bedenklich zu sein und sollte auch einmal überprüft werden.
Zum Schluß noch ganz kurz folgendes. Wir halten den Zeitpunkt für gekommen, daß auch einmal über die Frage der Neugliederung der Oberpostdirektionsbezirke gesprochen wird. Das ist ein Punkt, den wir schon in den Zeiten des Wirtschaftsrats angeschnitten haben. Der Herr Minister ist darüber im Bild, um welche Wünsche es sich da handelt. Er hat uns versprochen, daß diese Dinge nach Eingliederung der französischen Zone bereinigt werden sollen.
Wir haben außerdem den Wunsch, daß man auch die Frage ernsthaft prüft, ob die Post in Westberlin nicht an die Deutsche Bundespost angeschlossen werden kann. Herr Minister, wir glauben, daß diese Frage mit ganz besonderem Nachdruck geprüft und im Sinne unserer Berliner Bevölkerung geregelt werden sollte.
Das sind die Punkte, die wir zum Postetat anzuführen haben. Ich möchte noch einmal als den dringendsten Wunsch unserer Fraktion herausstellen, daß wir die baldige Vorlage eines Postverwaltungsgesetzes wünschen.
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Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin selbstverständlich in der Lage, die Anfragen zu beantworten, die der Herr Abgeordnete Cramer an mich gerichtet hat, muß aber betonen, daß ich sie mehr in großen Zügen, ich möchte beinahe sagen: größenordnungsmäßig aus dem Gedächtnis beantworten will, wenn es das Hohe Haus wünscht. Im andern Falle, wenn es sich darum handeln sollte, sehr genaue zahlenmäßige Angaben zu machen, wäre es vielleicht besser, mich vor dem Postausschuß zu hören. Es kommt darauf an, wie es das Hohe Haus wünscht.
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Darf ich den Herrn Abgeordneten Cramer so verstehen, daß er einverstanden wäre, daß diese Dinge im Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen behandelt werden?
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Ich kann größenordnungsmäßige Angaben auch hier machen, allerdings unter dem Vorbehalt, daß die Angaben im einzelnen ergänzt werden müßten, wenn genaue Zahlen verlangt würden.
Die erste Frage betrifft, wenn ich mich recht erinnere, das Postverwaltungsgesetz. Selbstverständlich ist dieses schon so weit vorbereitet, daß es interministeriell auf der Referentenebene durchgesprochen ist. Es könnte also wohl in nächster Zeit vorgelegt werden. Ich habe aber den Wunsch - ich glaube, das Hohe Haus wird das gleiche Bedürfnis haben daß wir warten, bis das Bahngesetz unter Dach und Fach gekommen ist; denn es bestehen infolge unserer Betriebsformen zwangsläufig doch sehr viele Ähnlichkeiten. Sowohl das Parlament als auch wir selbst könnten uns also ungeheuer viel Arbeit er({0})
sparen, wenn wir noch diese kurze Spanne Zeit warten würden. Das möchte ich gern dem Hohen Haus zu bedenken geben.
Eine andere Frage, die ich mir aufgeschrieben habe, betrifft den Wohnungsbau. Herr Abgeordneter Cramer, Sie brauchen keine Sorge zu haben, daß der Wohnungsbau etwa für höhere Beamte wäre. Sie haben sich schon in der Mustersiedlung in Darmstadt davon überzeugen können,
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daß dort neben dem Postkraftwagenführer auch der höhere Beamte ist; aber die Zahl der höheren Beamten ist so verschwindend gering; daß sie überhaupt nicht ins Gewicht fällt. Wir haben bewußt keine einräumigen Wohnungen gebaut, in denen also das junge Ehepaar keine Kinder bekommen kann. Wir haben vielmehr so gebaut, daß wir aus 1-, 1 1/2- und 2- Zimmerwohnungen auch 3- Zimmerwohnungen machen können. Wir haben die Dinge so gestaltet, daß die Mietsätze erschwinglich sind. Das Geheimnis dabei ist folgendes. Wir haben eine Versorgungsanstalt, in die Arbeiter, Angestellte und Beamte einzahlen, und der Bodensatz, der in dieser Anstalt vorhanden ist, kann zu sehr billigen Zinssätzen für Wohnungsbauten zur Verfügung gestellt werden. Also Sie können in dieser Frage ganz unbesorgt sein. Im übrigen ist die Möglichkeit gegeben, das jederzeit nachzuprüfen. Selbstverständlich werden wir auch dem jungen höheren Beamten, der mit einigen 300 Mark nach Hause zieht und heiraten will, nicht ohne weiteres die Möglichkeit nehmen dürfen, in eine solche billige Wohnung zu gehen.
Eine sehr wichtige Frage ist die der Vermehrung der Planstellen. Dazu ist etwa folgendes zu sagen. Wir unterscheiden in unserer Verwaltung wie ja wohl in allen Verwaltungen zwischen sogenannten Dienstposten und Planstellen. Dienstposten sind die Stellen, die aus Betriebsbedürfnissen heraus, also von Betriebs wegen besetzt werden müssen. Planstellen sind die, die uns der Finanzminister genehmigt, damit wir diese Dienstposten auch mit den entsprechenden Beamtenkategorien besetzen können. Nun wird es immer so sein, daß zwischen Dienstposten und Planstellen eine Differenz besteht, und zwar einfach deshalb, weil wir diese Dienstposten bewußt nicht gleich mit der richtigen Kategorie besetzen, sondern dem Nachwuchs erst einmal die Möglichkeit geben wollen, sich auf diesen Stellen zu bewähren, ehe er zur Prüfung heransteht und dann in die entsprechenden Planstellen - ich denke dabei an die Eingangsstellen: Assistent, Sekretär, Inspektor usw. - eingewiesen wird.
Zahlenmäßig ist der Sachverhalt in großen Zügen etwa folgender. Bei den höheren Beamten liegt der Bedarf an Dienstposten - so darf ich sie vielleicht auch hier bezeichnen - bei der Deutschen Bundespost in der deutschen Bundesrepublik etwa bei 1050. Wir haben 930 Planstellen zur Verfügung, so daß wir im nächsten Jahr, wenn wir diese 1050 Dienstposten wirklich voll besetzen können, beim Finanzminister die zusätzlichen Planstellen beantragen werden. Beim gehobenen Dienst ist es so, daß wir 15 500 - ich sage runde Zahlen; es kann etwas schwanken - Dienstposten haben, also Bedarf an Beamten, die der diesen Dienstposten entsprechenden Tätigkeit gewachsen sind, und nur 13 500 Planstellen bewilligt bekommen haben. Diese 2000 restlichen Stellen werden einmal besetzt werden, und zwar dann, wenn wir wieder die Aspiranten haben, die ihre Ausbildungszeit, ihre Bewährungsprobe hinter sich haben und ihr .Examen gemacht haben.
Ähnlich verhält es sich im mittleren und unteren Dienst. Die Zahlen liegen etwa so: 60 800 Dienstposten und 56 000 Planstellen im mittleren Dienst; im unteren Dienst sind es 85 000 Dienstposten und 76 000 Planstellen.
Es wird Sie vielleicht interessieren - das ist ja auch ein Gegenstand, der offen diskutiert wird -, in welchem Prozentsatz die höheren Beamten zur gesamten Belegschaft stehen. Wir haben also 141 000 Beamte, 43 000 Angestellte, 66 000 Arbeiter und 14 000 Telegraphenbauhandwerker, also rund 290 000 Menschen. Davon beträgt die Zahl der leitenden, also der höheren Beamten 0,3 %; bei 930 sind es sogar noch etwas weniger. Das Planstellensoll ist also noch nicht erfüllt. Es liegt daran, daß die Leute noch nicht einweisungsreif sind. Entweder haben sie die Prüfung noch nicht gemacht, oder sie haben das Dienstalter zur Beförderung noch nicht erreicht. Von Jahr zu Jahr wird deswegen erneut an den Finanzminister herangetreten. Ob er den Anträgen in allen Fällen entspricht, ist eine andere Frage. Es bedarf hierbei natürlich manchmal eines Kampfes. Sie haben recht, Herr Abgeordneter Cramer, wenn wir einmal einen Verwaltungsrat haben, der von sich aus einen Teil der Legislative darstellt, haben wir es wahrscheinlich etwas leichter.
Es ist noch eine Frage angeschnitten worden, die die Unterstützungs- und Beihilfesätze betrifft. Bei den Unterstützungs- und Beihilfesätzen ist es so, daß für Beamte 50 Mark und für Arbeiter 25 Mark vorgesehen werden. Das hat seinen Grund wohl darin, daß der Arbeiter sozialversicherungspflichtig ist, daß er z. B. im Krankheitsfalle von seiner Krankenkasse unter Umständen die 100 % bekam. Das war bei Beamten bis dato nicht der Fall. Diese Differenzierung wirkt sich bei uns nicht aus. Denn das sind ja bloß Etatsposten: für soundso viel Beamte à 50 Mark, für soundso viel Arbeiter à 25 Mark macht es, um eine Zahl zu nennen, rund eine Million aus. Das wird bei der Ausschüttung nicht wieder geteilt, sondern bei der Ausschüttung wird nach dem jeweiligen Fall - unabhängig davon, ob es sich um Arbeiter oder Beamte handelt - entschieden, nämlich nach dem Tatbestand und vor allen Dingen nach der sozialen Lage. Bei uns wird es so gehandhabt, daß bei der Ausschüttung selbst kein Unterschied zwischen Beamten und Arbeitern mehr gemacht wird.
Was die Erholungsfürsorge anlangt, so kann ich Ihnen mitteilen, daß wir im letzten Jahr unsere Sätze auch insoweit geändert haben, als wir 4,50 Mark pro Urlaubstag vierzehn Tage hindurch gewähren. In den meisten Fällen haben wir Abkommen mit kleineren Gasthäusern getroffen, die entsprechende Verpflegung und Unterkunft gewähren. Bei den unteren und mittleren Beamten zahlen wir, sofern der Betreffende verheiratet ist, 3 Mark hinzu, so daß er selbst nur 1,50 Mark pro Tag aufzubringen hat. Die gehobenen Beamten und die höheren Beamten - wenn sie überhaupt in Betracht kommen - bekommen nur 2 Mark zusätzlich. Ich glaube, damit ist der sozialen Gerechtigkeit weithin Genüge getan.
Dann noch eine Frage, die Sie interessiert; das ist die der Angestellten, Beamten und Arbeiter auf höherwertigen Dienstposten. Es ist richtig: 1945 wurden ja alle Leute, die irgendwie etwas mit der Partei zu tun hatten, vor allen Dingen in der amerikanischen Zone, auf die Straße gesetzt. Man hat erst nach und nach die Leute wieder hereinholen können. Damals sind untere Beamte und
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vor allen Dingen Postfacharbeiter in höherbewertete Dienstposten eingerückt, damit der Betrieb überhaupt anlaufen konnte. Wir haben damals - ich war damals noch nicht an der Spitze - eine Entschließung gefaßt, die dahin ging, daß solche Leute, die sich nur sechs Monate auf solchen höherbewerteten Dienstposten bewährt haben, in diese Dienststellen als Beamte planmäßig eingewiesen werden. Man hat, um sicherzugehen, eine Prüfung eingelegt, und . zwar nicht die Regelprüfung, sondern eine erleichterte Prüfung. Damit hat man aber auch ein gewisses Ventil eingeschaltet, so daß nicht alle Leute - jeder ist ja nicht qualifiziert - zum Zuge kamen. Größenordnungsmäßig ist es etwa so, daß im Durchschnitt 7 bis 8 % unseres Bestandes damals behandelt worden sind. Nun sind von 1945 bis heute außerdem noch einige Postfacharbeiter und Angestellte auf höherwertigen Dienstposten beschäftigt worden. Sie sind nach und nach aus allen möglichen Gründen herein-getröpfelt. Ihre Zahl beläuft sich auf etwa 1 500. Wir haben diese 1 500 Leute aufgefordert, sich zu einer Prüfung in der Kategorie, in der sie beschäftigt sind, zu melden. Verblüffenderweise sind es bis jetzt nur einige Hundert - 200 bis 300 -, die sich gemeldet haben. Wir glaubten, es bestände ein großer Drang, ins Berufsbeamtenverhältnis zu kommen. Das ist aber nicht der Fall.
Denn wenn sie in eine Beamtenstelle eingewiesen werden, so kommen sie in die Anfangsstellung. Das bedeutet eine geldliche Einbuße, und darauf wollen es die Leute meistens nicht ankommen lassen.
Wenn Sie glauben, es seien Prüfungen, eine Art Vorprüfungen im Gange, so ist das richtig. Wir haben aber nicht etwa die Prüfungen in Kommissionsform. Bei den Prüfungen, die jetzt allgemein im Gange sind, um die zurückgebliebenen Beförderungen nachholen zu können, haben wir eine Vorprüfung eingeführt, weil die Ergebnisse der Regelprüfung so miserabel waren, daß wir uns gesagt haben, wir können diese Leute gar nicht der moralischen Diffamierung, die in dem Durchfall durch die Prüfung besteht, aussetzen. Es sind jetzt bis zu 70 bis 80 % bei der Regelprüfung durchgefallen. Daher sind gewisse Vorprüfungen eingeführt worden, die eine Art geistigen Querschnitt geben sollten. Es ist aber nicht so, daß irgendwie von uns der Auftrag gegeben worden wäre, die und die auszusieben. Wir haben die Prüfungen auch noch nicht abgenommen. Die Damen und Herren sind bisher nur aufgefordert worden, sich zu Prüfungen zu melden.
Es ist noch die Frage betreffend den Anschluß der Westberliner Post gestellt worden. Die Angliederung der Westberliner Post ist ein staatsrechtlicher Akt. Wir können sie selbstverständlich nicht eher vornehmen, als bis Berlin zwölftes Land geworden ist. Wir haben von uns aus schon dafür gesorgt, daß die Betriebsart auf allen Gebieten, sei es Post, sei es Telegrafie, sei es Fernsprechdienst, dieselbe ist. Wir haben uns also weitgehend so einander angepaßt, daß der Übernahme praktisch nichts im Wege steht. Von uns aus ist in dieser Richtung alles getan, was notwendig ist. Die letzte Entscheidung liegt eben sicherlich nicht bei der Post.
Ich glaube, damit habe ich die Fragen beantwortet.
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- Ja, zu der Angelegenheit des Staatssekretärs kann ich noch etwas sagen. Diese Angelegenheit kann nicht auf meiner Ebene entschieden werden. Sie ist auf der allerhöchsten Ebene behandelt worden. Im übrigen war der Herr niemals Staatssekretär, er hat nur Staatssekretärsdienst gemacht. Er war nicht ernannt und ist zurückgestellt worden, bevor er ernannt werden sollte. Es sind tiefgehende Differenzen, die auf höchster Ebene aus-gepaukt worden sind. Der Herr wird in allernächster Zeit bei einer anderen Behörde seinem Grad entsprechend Beschäftigung finden. Die Schwierigkeit war nur die, eine solche Stelle zu finden. Immerhin ist er Ministerialdirektor auf Lebenszeit, und es ist nicht ganz leicht, eine solche Position auszumachen.
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- Das habe ich sehr energisch, sehr deutlich getan. Damit habe ich, glaube ich, zunächst alle Fragen beantwortet. Wenn noch weitere Auskünfte gewünscht werden, ist es vielleicht besser, sie vor dem Postausschuß zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Brese. Ich mache darauf aufmerksam, daß seiner Fraktion noch 5 Minuten Redezeit zur Verfügung stehen. Herr Abgeordneter Bausch hat sich noch zu Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich kurz fassen. Ich möchte mich noch einmal mit dem geplanten Verwaltungsneubau in Bonn beschäftigen. Wir haben dieses Problem - so muß ich schon sagen - schon in verschiedenen Haushaltssitzungen beraten. Wir wissen, daß wir in dieser Angelegenheit kein Beschlußrecht haben, sondern nur dem Herrn Postminister unsere Wünsche mitteilen können. Ich habe an den Herrn Postminister den Wunsch, diesen Verwaltungsneubau zurückzustellen. Ich gehöre zu denen, die für Bonn gestimmt haben, stehe aber
auf dem Standpunkt: das hat mit diesem Verwaltungsneubau gar nichts zu tun. Die Post kann genau so gut in Frankfurt bleiben. Der Wirtschaftsrat war in dem großen Gebäude am Börsenplatz in Frankfurt. Dieses Gebäude gehört der Bundesbahn und ist zweckentfremdet vermietet worden. Es gibt also auch drüben noch Bundesgebäude, die für eine Erweiterung in Frage kommen. In einer Zeit, in der das Geld sehr knapp ist, in der Menschen noch in menschenunwürdigen Wohnungen leben - das ist nicht unsere Schuld, sondèrn eine Folge des Zusammenbruchs -, können wir es vor der Bevölkerung nicht vertreten, jetzt hier einen Verwaltungsneubau aufzuführen, der mit 7 Millionen DM veranschlagt ist. Mit diesem Betrag ist es ja noch nicht getan, sondern dazu kommen die Inneneinrichtungen. Wir müssen wohl mit 11 bis 13 Millionen DM rechnen, bis der Bau bezugsfertig ist. Dies ist eine Summe, die im sozialen Wohnungsbau eine große Linderung bringen kann. Wenn ich mir unseren Bauindex in Niedersachsen vor Augen halte, so können wir für 11 000 DM eine Wohnung errichten. Wir kämen dann auf 1100 bis 1200 Wohnungen. Wenn Sie diese Zahl mit '7 multiplizieren, kommen Sie auf die Personenzahl, die untergebracht werden kann. Ich glaube, wenn wir in jedem Kreise unseres Regierungsbezirks Lüneburg 1000
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Menschen aus Elendsquartieren befreien könnten, wäre das eine wirklich soziale Tat.
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- Das brauche ich dem Kanzler nicht zu sagen. Wir sind ja als Abgeordnete selber souverän und können unsere Meinung hier dem Postminister direkt sagen. Also Herr Postminister, das ist meine Bitte.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Im Namen meiner politischen Freunde habe ich zu erklären: auch wir legen großen Wert darauf, daß der Entwurf des Postverwaltungsgesetzes sobald als möglich Gesetz wird. Wir hätten viele der Beschwerden und Sorgen nicht, wenn diese Einrichtung heute schon bestünde.
Im übrigen möchte ich meinem Herrn Vorredner folgendes sagen. Es wird uns erklärt, daß in Frankfurt a. M. eine Miete von 280 000 bis 300 000 DM gezahlt wird. Wenn Sie diesen Betrag kapitalisieren, ergibt sich immerhin ein Wert von 5,6 bis 6 Millionen DM. Man kann also die Kritik in dieser Form nicht als berechtigt anerkennen, sosehr wir auch von Anfang an immer wieder darauf gedrängt haben, daß ein solcher Bau, wenn er schon geplant ist, so einfach und zweckmäßig wie möglich ausgeführt wird, damit er im Notfall auch anderweitig wieder verwendet werden kann. Wenn im Zusammenhang damit erklärt wird, daß der soziale Wohnungsbau keine Einbuße erleiden soll, so ist es doch Tatsache, daß die Wohnbauten bei der Post nicht aus den Postgeldern, sondern durch die gemeinnützigen Einrichtungen geschaffen werden. Wenn ich recht unterrichtet bin, sind bereits 25 000 Wohnungen errichtet worden.
Ich habe den Eindruck, daß heute die Kritik am Postministerium in einer Form geübt wurde, die wir eigentlich in unseren Verhandlungen im Postausschuß nicht gewohnt sind. Wir haben im allgemeinen den Eindruck, daß man mit der Verwaltung des Postministeriums in sehr verständnisvoller Form zusammenarbeiten kann. Es ist auch nicht so, als ob man mit dem Stab von Persönlichkeiten, die im Vordergrunde der Postverwaltung stehen, nicht in vollständig unbürokratischer Weise verhandeln könnte. Die Auskünfte, die wir bis jetzt gefordert haben, sind uns auch ohne Verpflichtung der Post stets und ständig offen gegeben worden. Auch die Abrechnung, die die Post hat, ist nicht nur eine rein bürokratische, sondern entspricht in starkem Maße der kaufmännischen Buchhaltung. Ich habe gesagt, wir legen Wert darauf, daß diese Postverwaltung eingeführt wird. Ich glaube, daß z. B. die Frage der Briefmarken dann eine bessere Regelung gefunden hätte, als es so der Fall ist.
Es gibt weite Kreise, die die Post nicht so beurteilen, wie man sie eigentlich beurteilen sollte. Denn wir müssen dankbar sein: es ist die einzige Behörde, die uns einen ansehnlichen Zuschuß für unsere Bundesausgaben bringt. Im übrigen möchte ich von meinem Standpunkt als Mitglied des Postausschusses aus tatsächlich meine Anerkennung über die Wiederaufbauarbeit aussprechen, die die Post unter schwierigen Verhältnissen geleistet hat,
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nur als Gegensatz zu der Kritik, die auf der anderen Seite wieder geübt worden ist.
Vor einigen Monaten haben wir ein Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost verabschiedet. Das ehemalige Sondervermögen des Reiches ist auf den Bund übergegangen. Bei dieser Erörterung hat man damals gesagt: Nachdem das Vermögen der -Post auf den Bund übergegangen ist, ist es notwendig, nun auch die Schulden in irgendeiner Form zu deklarieren. Die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz hat damals ein Schreiben an das Postministerium gerichtet. Ich wäre dem Herrn Postminister dankbar, wenn er klar zum Ausdruck brächte, daß bei der Umstellung, wie es auch sonst üblich ist, dem Kapital der Post, das seinerzeit mit 360 Millionen angegeben wurde, auch die Schulden gegenübergestellt würden. Die Post hat das Kapital in Sachwerte umgesetzt. Dadurch würde dann auch in diesen Kreisen eine gewisse Beruhigung eintreten. Ich glaube, das wäre für das Ansehen der Post und für etwaige spätere Möglichkeiten, eine Anleihe zu bekommen, von Wert.
Bei diesem Gesetz haben wir seinerzeit noch einen Passus besonders behandelt, der die Vermögensrechte des deutschen Unterhaltungsrundfunks betrifft. Wir wissen, daß die betreffenden Bestimmungen nicht von uns abhingen, sondern daß sie uns von der Besatzungsmacht auferlegt worden sind. Aber ich glaube, nachdem sich die Verhältnisse nun langsam in ein normales Gleis begeben, haben wir ein Interesse - und ich glaube, es ist Aufgabe der Regierung -, dahin zu wirken, daß die unnatürlichen Zustände, die sich hier herausgebildet haben, langsam beseitigt werden. Ich spreche jetzt nicht von der Programmgestaltung. Ich will mich überhaupt kurz fassen; ich weiß, daß wir spät dran sind. Aber das eine glaube ich: Es ist unvertretbar, daß wir heute sechs Sendegesellschaften haben, von denen jede technisch irgendwie arbeiten soll. Darunter sind einige, die wahrhaftig nicht leistungsfähig sind. Früher hat die Post von sich aus - die Programmgestaltung, das sei nochmals betont, scheidet vollständig aus - die technische Entwicklung und all diese Momente in vorbildlicher Weise behandelt. Damals waren wir gegenüber dem Ausland in vorzüglicher Verfassung. Jetzt ist das nicht denkbar. Es ist unmöglich, daß die kleinen Sendegesellschaften organisatorisch das leisten, was der Post mit ihren Spezialisten, die man eben dazu braucht, von vornherein gelingt. Ich möchte deshalb den Wunsch meiner Freunde noch zum Ausdruck bringen, hier langsam der Vernunft Rechnung zu tragen. Von meinem Standpunkt aus möchte ich hoffen, daß das in Bälde geschieht.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren! Es tut mir sehr leid, sagen zu müssen, daß mich die Antwort, die der Herr Postminister auf meine Anfrage wegen des geplanten Neubaues der Post gegeben hat, nicht befriedigt hat. Ich komme nicht darüber hinweg, warum es dem Verkehrsminister möglich sein soll, 500 Arbeitsplätze für seine Beamten um 2,3 Millionen zu beschaffen, und der Postminister dafür 7 Millionen benötigen soll.
({0})
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Dann muß es irgendwie an der notwendigen Koordinierung fehlen. Diese Koordinierung ist - das ist sicher unser aller Überzeugung - auf allen Gebieten notwendig.
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Wir müssen eine einheitliche Linie haben, und
zwar nicht nur bezüglich der Bauvorhaben des
Bundes, sondern auch was andere Dinge anlangt.
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Wir haben für den Bundestag auch Baupläne erwogen. Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang sagen, daß der -Bundestag in den Bauplänen für den Neubau, der hier an der Ecke geplant ist, sehr, sehr strenge Maßstäbe angelegt hat. in diesem Bau ist geplant, daß zwei Abgeordnete und noch die Schreibgehilfin dazu, also drei Personen zusammen über einen Arbeitsplatz von 13 qm verfügen sollen. Wir legen also an uns selbst die schärfsten und strengsten Maßstäbe an. Ich glaube, wir müssen auch von der Verwaltung erwarten, daß sie strenge Maßstäbe anlegt und daß sie versucht, eine einheitliche Linie für die Erstellung von Bauvorhaben der Bundesverwaltung festzulegen. Mehr will ich jetzt nicht sagen. Wir haben uns ja im Ausschuß darüber schon unterhalten. Aber, Herr Postminister, ich bitte Sie nochmals, diese Sache doch sehr ernsthaft zu überlegen. Wir sind dafür, daß eine Verwaltung sozial ist, und wir sind dafür, daß eine Verwaltung auch dafür sorgen soll, daß die Beamten im Amtsgebäude etwas zu essen erhalten. Aber ich weiß nicht, ob es richtig ist, wenn man zu diesem Zweck eine große Terrasse unmittelbar am Rhein aufbauen will.
Ehlers: Der Abgeordnete Dr. Tillmanns wünscht, die restliche Minute Redezeit der CDU in Anspruch zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundespostminister hat auf die Anfrage nach der Einbeziehung der Berliner Post in die Bundespostverwaltung geantwortet, die Voraussetzung dafür sei die Einbeziehung Berlins als 12. Land in den Bund. Dem kann ich nicht zustimmen.
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Ich bin der Auffassung: wenn dieser Bundestag es zusammen mit dem Bundesrat möglich gemacht hat, mehrere Bundesgesetze zu verabschieden, in die Berlin einbezogen worden ist, obwohl es noch nicht 12. Land ist, dann muß es auch einer Bundesverwaltung möglich sein, mit Berlin Vereinbarungen zu treffen, die schon bei dem gegenwärtigen staatsrechtlichen Zustand die Postverwaltung Berlins faktisch in die Bundespostverwaltung einbeziehen. Es handelt sich um eine sehr wichtige politische Angelegenheit. Ich möchte daher den Wunsch äußern, daß die Bundesregierung sich mit dieser Frage möglichst bald befaßt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Willenberg. - Offenbar wünscht er nicht das Wort zu nehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren, nur eine kurze Frage! Ich möchte den Herrn Postminister fragen, ob schon Anregungen und Bestrebungen dahin gegangen sind, eine europäische Briefmarke zu schaffen, und möchte ihn bitten, sich darüber vielleicht kurz zu äußern. Insbesondere scheint es mir richtig, daß, nachdem im Zuge des Schuman-Planes die Zölle zum Teil fallen, auch die Briefmarkenunterschiede fallen. Ich denke mir die Sache so, daß man dann Inlandsporto für ganz Europa bekommt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Ein Wort dazu! Ich darf Ihnen verraten, daß die europäische Postunion nicht nur ein Sonntagsgedanke von mir ist, sondern diesen Gedanken betreibe ich sehr ernsthaft schon seit zwei Jahren. Ich habe mich schon mit den verschiedensten europäischen Postministern getroffen, mit dem Italiener selbstverständlich, mit den Schweizern, mit den Holländern, mit den Luxemburgern, mit den Franzosen, auch mit den Engländern, die ja auf dem Ohr etwas schwerer hören. Es besteht selbstverständlich überall Bereitschaft zu einer europäischen Postunion. Natürlich liegen da, wie üblich, so beim Schuman-Plan und beim Pleven-Plan, gewisse politische Schwierigkeiten im Wege. Aber es ist ganz sicher: die Dingen liegen genau so in der Luft wie vor 75 Jahren beim Weltpostverein. Es ist ja schließlich so, daß der Briefträger drüben nichts anderes tut als bei uns. Es ist genau derselbe soziale Typ, die Techniken sind genau aufeinander abgestimmt, die Betriebsformen sind aufeinander abgestimmt, die Gebühren sind sich ganz ähnlich, also es stehen tatsächlich nur die nationalen Grenzen einer Vereinigung im Wege.
Selbstverständlich ist auch die Frage einer europäischen Briefmarke längst Gegenstand freundschaftlicher Besprechungen. Ich habe mich im vorigen Jahr in Mainz bei einer internationalen Philatelistenausstellung mit dem französischen Postminister Monsieur Brune getroffen. Wir waren uns darüber einig, daß im Vorweggang eine solche europäische Briefmarke durchaus eine Werbekraft für die Schaffung einer europäischen Postunion haben könnte. Ich darf Ihnen verraten, daß wir uns gerade vor kurzem in Bad Reichenhall bei einer Präsidentenkonferenz, auf der wir uns mit den österreichischen Postbeamten getroffen haben, sehr intensiv über eine Art, na, sagen wir einmal so: postalischen Pleven-Plan, auseinandergesetzt haben. Diese Dinge liegen schon sehr lange in der Luft.
Zum Schluß noch ein Wort! Die Holländer haben, sicher auch auf Grund unserer Bemühungen, bereits eine offizielle Anfrage an die deutsche Bundesregierung gerichtet, ob sie bereit sei, an der Verwirklichung einer europäischen Postunion mitzuarbeiten. Wir sind selbstverständlich bereit.
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Meine Damen und Herren, mit diesem Ausblick in die Zukunft ist die Aussprache geschlossen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses, Drucksache Nr. 1914, den Haushalt des Bundesministeriums für das Post-und Fernmeldewesen unverändert nach der Vorlage anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die
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diesem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist mir mitgeteilt worden, es sei eine Vereinbarung darüber zustandegekommen, daß' der Einzelplan XVI morgen erörtert werden soll. Trifft das zu, meine Damen und Herren?
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- Es trifft zu. Ich habe den Eindruck, als ob der Herr Minister davon keine Kenntnis bekommen hat.
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- Es ist nach der Mitteilung der Herren Abgeordneten bekanntgegeben worden. Dann wird also der Einzelplan XVI morgen erörtert.
Ich rufe nun auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge ({3}) über den Antrag der
Fraktion der SPD betreffend Krüppelfürsorge ({4}).
Berichterstatter ist Frau Abgeordnete Niggemeyer. Ich bitte Sie, das Wort zu nehmen. - Es ist vorgesehen, daß eine Aussprache nicht stattfinden soll. - Das Haus ist einverstanden.
Bitte, Frau Abgeordnete!
Frau Niggemeyer ({5}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich glaube, das Hohe Haus wird mir dankbar sein, wenn ich mich in meinem Bericht kurz fasse.
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Ich bedaure allerdings - und ich glaube, ich spreche da im Namen sämtlicher Mitglieder nicht nur des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge, sondern auch des Ausschusses für Fragen der Jugendfürsorge -, daß die Probleme, die uns angehen, meistens an das Ende einer Tagesordnung gesetzt werden, wenn sowohl die Kraft wie das Interesse der meisten Mitglieder verpufft sind.
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Ich möchte wünschen, daß, wenn wir zu der eigentlichen sachlichen Beratung dieses Gesetzes kommen, dann einmal, verehrter Herr Präsident, sowohl von Ihnen als auch vom Ältestenrat auch diesen Problemen in der Weise Rechnung getragen wird, daß sie an den Anfang einer Tagesordnung gesetzt werden.
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Das ist eine Privatäußerung von mir.
Wenn ich nun zu meinem Bericht komme, so lassen Sie mich sagen, daß wir in der gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für öffentliche Fürsorge und für Gesundheitswesen am 14. März zu dem Antrag der Sozialdemokratischen Partei Stellung genommen haben, der besagte, daß die Bundesregierung möglichst bald eine bundeseinheitliche Regelung der Krüppelfürsorge vornehmen möge. In der Sitzung, in der wir zu diesem Problem Stellung genommen haben, stellten wir erfreulicherweise fest, daß im Bundesministerium des Innern schon Beratungen über diese Dinge im Gange waren, und zwar auf Grund von Anträgen der an diesen Dingen interessierten Verbände, die schon im Dezember gemeinsam an das Innenministerium den Antrag gestellt hatten, zu einer bundeseinheitlichen Regelung zu kommen.
Daß eine bundeseinheitliche Regelung notwendig ist, ergibt sich aus der Verschiedenartigkeit, mit der das Krüppelfürsorgegesetz in den verschiedenen Ländern des Bundes gehandhabt wird. Rechtsgrundlage dieses Gesetzes ist an sich die Fürsorgepflichtverordnung des Jahres 1924 aus Preußen. In den verschiedenen Ländern sind aber zu dieser Fürsorgepflichtverordnung zusätzliche Bestimmungen getroffen worden. Auch nach dem Krieg ist in den Ländern eine verschiedene ,Handhabung dieses Gesetzes zutage getreten.
Wir haben uns an Hand von Referaten nach den beiden Hauptgesichtspunkten, nach denen zu diesem Gesetz Stellung genommen werden kann und muß, nämlich nach der fürsorgerechtlichen Seite und nach der medizinischen Seite hin, davon überzeugen lassen, daß an sich drei Wege möglich sind, zu einer gesetzlichen Neuordnung zu kommen: entweder die Krüppelfürsorge in die zu erwartende neue Fürsorgepflichtverordnung mit einzubauen oder aber zu einer Koordinierung der einzelnen Bestimmungen auf der Länderbasis zu kommen. Als dritter Weg schien uns derjenige gangbar zu sein, ein besonderes Gesetz zu schaffen. Wenn der Ausschuß für öffentliche Fürsorge gemeinsam mit dem Ausschuß für Gesundheitsfragen sich zu dem letzten entschlossen hat, dann hauptsächlich aus dem Gesichtspunkt, daß seit der ersten Schaffung eines Krüppelfürsorgegesetzes im Jahre 1920 die Medizin und die medizinische Erkenntnis derartige Fortschritte gemacht haben, daß die in dem damaligen Krüppelfürsorgegesetz, dessen Wert nicht verkannt sein und dessen Wirkung nicht abgeleugnet werden soll, getroffenen Bestimmungen doch nicht mehr der heutigen medizinischen Erkenntnis und den daraus folgenden Verpflichtungen für den Staat und für die Träger der sozialen Maßnahmen entsprechen. So sind sowohl die Mitglieder des Ausschusses für öffentliche Fürsorge als auch die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheitswesen einstimmig zu dem Entschluß gekommen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, es möge dem Antrag, der ihm unter Drucksache Nr. 2068 vorliegt, seine Zustimmung geben:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag baldmöglichst ein Krüppelfürsorgegesetz, entsprechend dem Antrag der Fraktion der SPD - Nr. 1869 der Drucksachen -, vorzulegen.
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Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frau Vorrednerin hat bereits ausgeführt, daß sich das Bundesministerium des Innern seit längerer Zeit mit den Vorarbeiten für dieses Gesetz beschäftigt. Die Vorarbeiten für eine einheitliche bundesrechtliche Regelung sind seit Dezember vorigen Jahres in Angriff genommen. Der Bundestagsausschuß für öffentliche Fürsorge und der Ausschuß für Gesundheitswesen haben noch in dem vorigen Monat, am 14. März, einen ausführlichen Bericht von den an dieser Materie beteiligten Abteilungen meines Hauses erhalten.
Nun waren eine Reihe von statistischen und anderen Unterlagen nötig, die von den Ländern zu
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erbitten waren. Sie sind bis jetzt etwas zögernd und auch unvollständig eingegangen; es ist aber zu erwarten, daß dieser Mangel behoben wird und daß wir uns in der nächsten Zeit noch mit den zuständigen Länderreferenten und mit den Fachorganisationen verständigen können. Ebenso findet am 4. und 5. Mai in Nürnberg die erste Nachkriegstagung der deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge statt; und wir hoffen, daß durch diese Tagung der Fachleute wichtiges Material für die weitere Klärung und Vorbereitung der Gesetzgebung geschaffen werden kann.
Die beabsichtigte Regelung ist eben ein wichtiges Teilgebiet. der Fürsorge; und da nach dem Grundgesetz die Länder zuständig sind, erscheint es zweckmäßig, den Ländern die Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob sie nun ein einheitliches Bundesgesetz wünschen oder ob eine Regelung im Rahmen der allgemeinen Fürsorgegesetzgebung in Angriff genommen werden muß. Ich möchte mich den Ausführungen der Frau Vorrednerin in dem Sinne anschließen, daß ich für das einheitliche Gesetz eintrete.
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Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge, Drucksache Nr. 2068. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich hatte mir zu Beginn der Sitzung vorbehalten, Ihnen wegen der Genehmigung der über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuche wegen Krankheit Vorschläge zu machen. Ich kann Ihnen berichten, daß der Abgeordnete Dirscherl inzwischen ein ärztliches Attest eingereicht hat. Bei den Herren Abgeordneten Loibl und Bauknecht ist bekannt, daß sie bereits seit längerer Zeit krank waren, so daß die Verlängerung des Urlaubs gerechtfertigt ist. Ich schlage Ihnen vor, in diesen Fällen die über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuche zu genehmigen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Bei dem Abgeordneten Dorls liegt ein Telegramm von Frau Lully Dorls vor: „Mein Mann schwer erkrankt". Ich habe Herrn Abgeordneten Dorls aufgefordert, seine Krankheit durch ein ärztliches Attest nachzuweisen. Wenn das geschehen ist, werde ich eventuell den Urlaub genehmigen. Falls Urlaub über eine Woche hinaus beantragt wird, werde ich die Zustimmung des Hohen Hauses dazu erbitten.
Ich rufe auf den Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Rat für Formentwicklung deutscher Erzeugnisse in Industrie und Handwerk ({1}).
Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Berichterstatter ist der Abgeordnete Gaul. Ich erteile ihm das Wort.
Gaul ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 90. Sitzung den Antrag der SPD-Fraktion, Drucksache Nr. 1347, betreffend Formentwicklung bei Erzeugnissen in Industrie und Handwerk den Ausschüssen für Kulturpolitik, für Wirtschaftspolitik und für Außenhandelsfragen überwiesen. Die geschäftliche Erledigung war dem Ausschuß für Kulturpolitik übertragen worden. Er hat sich mit dem Antrag beschäftigt und zu seinen Erörterungen sachverständige Persönlichkeiten zugezogen, den Leiter der Kerschensteiner Kunstgewerbeschule in München Professor Dr. Wiederanders und Dr. König aus Heidelberg.
Bei unseren Besprechungen ist nachdrücklich zum Ausdruck gebracht worden, daß besonders bei deutschen Ausstellungen im Ausland in den letzten Jahren und vornehmlich in der Industrieschau im Jahre 1949 in New York bei einigen deutschen Waren gediegene, aber für die Mehrheit der dort zur Schau gestellten Waren geringwertige Erzeugnisse ausgestellt wurden. Es wurde sogar gesagt, daß einige deutsche Erzeugnisse musealen Charakter hätten und daß sie nicht in den Wettbewerb mit ausländischen Waren eintreten könnten. In dem Antrag wird empfohlen, einen Ausschuß, eine Gruppe oder, wie es hier heißt, einen Rat für Formentwicklung zu schaffen, der sich mit dieser Formentwicklung schon vorher beschäftigt. Es soll keine Behörde, kein Amt, sondern ein Rat sein, der ehrenamtlich arbeitet.
Bei unseren Erörterungen war der Generalsekretär der Ständigen Konferenz der Kultusminister anwesend. Er äußerte sich zustimmend, ebenfalls ein Vertreter aus dem Wirtschaftsministerium, der diesen `Antrag begrüßte, allerdings auch erklärte, in diesem Jahr seien Mittel im Etat nicht vorgesehen. Vielleicht wäre es möglich, aus dem Etat für die wissenschaftliche Forschung etwas abzuzweigen.
Der Ausschuß für Kulturpolitik hat dann seinen Beschluß dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zugeleitet. Dieser stimmte ebenfalls zu, war aber der Meinung, daß die gesetzliche Regelung noch verfrüht sei. Deshalb schlug er vor, in dem ersten Absatz in der dritten Zeile die Worte „durch eine Gesetzesvorlage" zu streichen und dafür zu sagen „alle Schritte zu ergreifen".
Dieser Ausschuß soll sich zusammensetzen aus Künstlern, Kunstgewerblern und Kunsthandwerkern, aus Erzeugern, Verbrauchern und Vertretern der Gewerkschaften, aus Publizisten und vor allen Dingen auch aus Erziehern. Die Erzieher sollen schon in der Ausbildung der Jugend den Sinn für den Zusammenklang von Stoff und Form, Verwendungszweck und einen angemessenen Preis wecken und pflegen.
Im Namen des Ausschusses für Kulturpolitik und unter Hinweis auf die Beschlüsse der beiden anderen beteiligten Ausschüsse habe ich Sie zu bitten, dem Beschluß so, wie er hier vorliegt, zuzustimmen.
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Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. - Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik in Drucksache Nr. 2074. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
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- Gegen die Stimme der Frau Abgeordneten Dr. Steinbiß. Enthaltungen? -- Keine.
Bevor ich den letzten Punkt der Tagesordnung aufrufe, möchte ich darauf hinweisen, daß der Ausschuß für Verkehrswesen mit Rücksicht auf die große Zahl der geladenen Sachverständigen morgen um 10 Uhr zusammentritt, und zwar nicht auf der Viktorshöhe, sondern im Bundeshaus Zimmer 10.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschuses bittet, nochmals darauf hinzuweisen, daß der Haushaltsausschuß morgen um 9 Uhr im üblichen Raum zu einer kurzen Sitzung zusammentritt.
Ich rufe auf den letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({2}).
Ich habe darauf hinzuweisen, daß gebeten worden ist, den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Tillmanns und Genossen betreffend Flüchtlingsausgleich zwischen Berlin und der Bundesfederführend dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und weiterhin dem Ausschuß für Heimatvertriebene und dem Ausschuß für Berlin zu überweisen. Ich nehme an, daß das Haus unter diesen Umständen mit der Überweisung einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 5. April 1951, 13 Uhr 30 ein und schließe die 129. Sitzung des Deutschen Bundestages.