Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 128. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Neuburger, Struve, Glüsing, Kuhlemann, Dr. Schmid ({0}), Frühwald, Dr. Menzel, Schmitt ({1}), Rademacher, Wagner, Dr. Pfleiderer, Müller ({2}), Dr. Frey, Harig und Goetzendorff.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 14. März 1951 die Anfrage Nr. 161 der Fraktion des Zentrums betreffend Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse - Drucksache Nr. 1873 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2063 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat am 8. März 1951 über das Ergebnis des Beschlusses der 101. Sitzung des Deutschen Bundestages betreffend Steuerrückvergütung an die Imkerschaft berichtet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 2062 verteilt werden.
Meine Damen und Herren, darf ich die Zustimmung des Hauses unterstellen für die Erweiterung der Tagesordnung um die Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr, Drucksache Nr. 2061. Ich bin allerdings nicht ganz im Bilde, ob der Ausschuß, der diese Dinge vorbereitet hat, geplant hat, daß heute die erste, zweite und dritte Beratung vorgenommen werden solle.
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- Das ist offenbar nicht der Fall. Dann würde es sich also nur um die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs und die Ausschußüberweisung handeln. Der Tagesordnungspunkt würde dann lauten: erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr, Drucksache Nr. 2061.
Meine Damen und Herren, es ist bei mir beanstandet worden, daß in diesem Hause ein etwas merkwürdiger Geruch ist. Ich muß annehmen, daß er auf Bohnerwachs zurückzuführen ist.
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- Offenbar sind einige Damen und Herren der Auffassung, daß es sich um die enge Verbindung zwischen Restaurant und Plenarsaal handelt. Wir werden versuchen, das abzustellen.
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Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 11/51 zur Änderung und Ergänzung der Verordnung PR Nr. 59/50 über Getreidepreise für die Monate Oktober 1950 bis Juni 1951 ({4})
Zur Begründung hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Wort.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Als man die Preise für Brotgetreide aus der Ernte 1950 festsetzte, war man
allgemein der Auffassung, damit das Richtige getroffen zu haben. Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat, aber auch sämtliche beteiligten Wirtschaftskreise vertraten die Meinung, daß damit eine befriedigende Regelung getroffen sei. Zunächst hat der Gang der Ereignisse diese Annahme auch voll und ganz bestätigt. Die Ablieferungen erfolgten in durchaus befriedigendem Maße. Mehr und mehr traten aber durch die weltpolitischen Ereignisse doch Änderungen ein. Die Koreakrise mit ihren Folgen brachte eine allgemeine Verteuerung der Lebenshaltung, von der ich aber dessentwegen nicht sprechen will, weil sie nicht allein die Landwirtschaft, sondern sämtliche Kreise des deutschen Volkes betraf. Man könnte allerdings darauf hinweisen, daß gewisse eingetretene Preissteigerungen, zum Beispiel bei Textilien und Schuhwerk, die Landwirtschaft besonders trafen, da der Verschleiß dieser Gebrauchsgegenstände dort besonders groß ist.
Ich möchte mich absichtlich darauf beschränken, zu erörtern, welche spezifischen Änderungen in den Produktionskosten seit Festsetzung der Preise für Getreide aus der Ernte 1950 für die Landwirtschaft eintraten. Sie gestatten, meine Damen und Herren, daß ich mich - um meine Ausführungen nicht zu sehr ausdehnen zu müssen - hier auf drei wesentliche Sektoren der Produktionsbedingungen beschränke.
Zunächst zum Kapitel der Düngemittel. Es ist uns im großen und ganzen gelungen, die Düngemittelpreise - bei Superphosphaten bekanntlich durch Gewährung von Subventionen - auf dem bisherigen Stand zu halten. Trotzdem ließ es sich aber nicht vermeiden, daß sich auch hier teilweise nicht unbeträchtliche Verteuerungen bemerkbar
machten. Die Schwerindustrie verlangte eine Erhöhung der Preise für Thomasmehl im Ausmaß von 0,28 auf 0,33 Pfennig je Kilo-Prozent, und die Landwirtschaft hat sich bereit erklärt, da dem Bund keine Mittel zur Verfügung standen, um auch hier so zu subventionieren, wie es bei Superphosphaten der Fall ist, dieser Forderung der eisenschaffenden Industrie zu entsprechen, was immerhin bei einem Verbrauch von 200 000 t P205 im Jahr eine Mehrbelastung von 10 Millionen DM ausmacht.
Hinzu kam auf Forderung der Alliierten mit Wirkung vom 1. Januar 1951 eine erhebliche Verschlechterung in der bisherigen Frachttarifpolitik bei Düngemitteln insofern, als die Ausnahmetarife ganz oder teilweise außer Kraft traten, was für das Jahr berechnet eine Erhöhung der Kosten von 6 Millionen DM ausmacht, die natürlich der Landwirt zu zahlen hat.
Nebenbei erwähne ich - auch kleine Dinge sind doch von Bedeutung -, daß seit dem 1. Januar eine Steigerung der Sackpreise von 60 Pfennig auf 1,20 DM eingetreten ist, was bei vielen Düngemitteln, die einfach nicht lose verschickt werden können, doch eben auch letzten Endes für den Bauern eine nicht unerhebliche Verteuerung darstellt.
Viel bedeutsamer als bei den Düngemitteln hat sich die Verteuerung bei dem zweiten wichtigen Produktionsmittel der Landwirtschaft bemerkbar gemacht, bei den Maschinen. Meine Damen und Herren, man spricht so oft und so gern von der Notwendigkeit, die Landwirtschaft zu rationalisieren, und ist dabei, was absolut richtig ist, der Auffassung, daß der Weg über die Mechanisierung gehen müsse. Wir haben auf diesem Gebiet allerhand erreicht. Ich darf z. B. feststellen, daß es uns gelungen ist, im Jahre 1949 in die Landwirtschaft 24 000 Traktoren hineinzubringen, und daß diese Zahl im Jahre 1950 auf 40 000 gestiegen ist. Wir müssen dafür sorgen, daß dieses notwendige und für eine weitere gedeihliche Entwicklung der deutschen Landwirtschaft einfach unentbehrliche Mittel der vermehrten Anwendung von Landmaschinen unter keinen Umständen durch Preisentwicklungen gefährdet wird, die es dem Landwirt unmöglich machen, seinen Willen zum modernen Betrieb in die Tat umzusetzen.
Wie haben sich hier die Dinge entwickelt? - Vor mir liegt eine Liste, die in allen Einzelheiten die Preise vom 8. März 1951 darstellt und sie mit den Preisen aus der Zeit vor dem 22. Juni 1950 vergleicht. Ich will Sie nicht langweilen und will Ihnen nicht diese Dutzende von Positionen vortragen. Ich darf mich auf die hauptsächlichsten Dinge beschränken und z. B. darauf hinweisen, daß es für uns natürlich unendlich bedeutungsvoll ist, wenn es deutscher Forschergeist endlich, endlich möglich gemacht hat, die Planung eines Bauerntreckers mit der entsprechenden Wendigkeit und Vielseitigkeit für 4500 bis 5000 DM Gestehungskosten Wirklichkeit werden zu lassen. Wir dürfen unter keinen Umständen dulden, daß dann diese Errungenschaften des deutschen Geistes deswegen nicht zur praktischen Auswirkung kommen, weil die Erzeugnisse zu teuer geworden sind. So darf ich z. B. darauf hinweisen, daß der Preis für das Werk von Porsche von 4500 auf heute 5720 DM, der für das ebenso begrüßenswerte Produkt langer Konstruktionsarbeit und hoher Konstruktionskunst der Lanzwerke von 4500 auf 5700 DM, also im Schnitt um 25% gestiegen ist. Ich rede jetzt nicht von der Felge mit Luftbereifung, die sich in dem genannten Zeitraum um
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57 % verteuert hat. Ich habe den Versuch unternommen -es muß natürlich ein Versuch bleiben -, bei all den in der Zwischenzeit eingetretenen Verteuerungen der landwirtschaftlichen Maschinen ein gewogenes Mittel zu errechnen, und ich komme zu dem Ergebnis, daß sich die Landmaschinen in der Zwischenzeit, d. h. in dem halben Jahre, das nun seit Festsetzung der neuen Getreidepreise hinter uns liegt, um 20 bis 24 % verteuert haben.
Nun komme ich zu dem dritten und bedeutsamsten Kostenfaktor der Landwirtschaft, zu den Löhnen der Landarbeiter. Meine Damen und Herren, wir sind uns doch über eines vollkommen klar: Eine Anpassung der Landarbeiterlöhne an die Löhne der Industriearbeiter - eine gewisse Differenzierung wird ja immer bleiben - ist nicht ein, sondern d e r Weg, den wir gehen müssen, um der Landflucht wirksam zu begegnen. Während der Ernte 1950 sind von den Landarbeiterorganisationen, wie Sie sich alle ja noch erinnern werden, Lohnforderungen gestellt worden, und die Arbeitgeberorganisationen der Landwirtschaft haben sich bereit erklärt, diesen Forderungen zu entsprechen. Das macht schon etwas aus! Ich darf Ihnen nur die eine Zahl vor Augen halten, daß die Lohnzahlungen für die 1103 000 Lohnarbeiter, die wir in der Landwirtschaft haben, im Jahre 1949 eine geldliche Aufwendung der Landwirtschaft von 1 650 000 000 DM mit sich brachten. Aus den Aufwendungen, die nun durch Erhöhung der Landarbeiterlöhne verursacht wurden - sie betrug 15 % -, ergibt sich für die Landwirtschaft eine Mehrbelastung um 123 Millionen DM. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß bei dieser meiner Aufstellung das Heer der familieneigenen Arbeitskräfte in der Landwirtschaft außer acht gelassen ist, über deren großenteils miserable Entlohnung wir ja alle mitsammen uns einig sind.
Ich habe eingangs meiner Darlegungen gesagt, daß die seinerzeit von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung in Übereinstimmung mit sämtlichen Wirtschaftsgruppen vorgenommene Festsetzung der Getreidepreise für 1950 als richtig anerkannt wurde. Nun kam es infolge der von mir geschilderten Entwicklung dazu, daß der anfangs befriedigende Fluß des inländischen Getreides zum Verbraucher langsam aber immer stärker zum Versiegen kam. Infolgedessen sind Erscheinungen aufgetreten, angesichts derer man sagen könnte: der Regierung sind die Getreidepreise davongelaufen. Ich kann das nicht bestreiten; es ist eine allen bekannte Tatsache.
Der Herr Bundeskanzler hat zu diesem Fragenkomplex bei dem Treffen mit den landwirtschaftlichen Organisationen am 17. Februar in Rhöndorf Stellung genommen. Es ist vielleicht für das Haus wissenswert, die wichtigen Ausführungen zu hören, die er damals machte. Ich bitte den Herrn Präsidenten, sie verlesen zu dürfen. Der Herr Bundeskanzler sagte bei dieser Gelegenheit vor der versammelten deutschen Landwirtschaft:
Das landwirtschaftliche Preisniveau, das weitgehend durch innerwirtschaftliche und handelspolitische Maßnahmen beeinflußt werden kann, muß meiner Überzeugung nach in einer Parität zu den übrigen Preisen der deutschen Wirtschaft gehalten werden, insbesondere auch zu den Löhnen und hier wiederum in erster Linie zu den landwirtschaftlichen Löhnen. Im besonderen Maße
- fährt der Herr Bundeskanzler fort gilt diese Frage der Preisparität zu den
übrigen Produkten der Wirtschaft für das
Getreide, dessen betriebswirtschaftliche Verbundenheit mit den übrigen Feldfrüchten und den verschiedenen Zweigen der Veredelungswirtschaft ihm im landwirtschaftlichen Betriebshaushalt eine besondere Rolle zuweist. Wir müssen daher beim Getreide zu einem Preis gelangen, bei dem die Parität zu der übrigen Wirtschaft die Grundlage bildet. Der bisherige Festpreis ist im Hinblick auf die Entwicklung auf dem Weltmarkt überholt. Dadurch ist auf dem Gebiete des Handels eine Verschiebung zum Nachteil der Genossenschaften entstanden, die unbillig, die ungerechtfertigt und die schädlich ist. Die Bundesregierung wird sich in den nächsten Tagen schon mit dieser Angelegenheit beschäftigen.
Soweit die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in Rhöndorf am 17. Februar.
Ich muß jetzt aber noch auf eine außenpolitische Tatsache hinweisen. Es ist ja doch ganz klar, daß die Amerikaner, deren Getreidelieferungen im Rahmen des Marshall-Plans die Säule für unsere inländische Brotgetreideversorgung darstellen, sich auch darum kümmern, wie in Deutschland die Anlieferung aus eigener Erzeugung erfolgt. Die oberste Stelle der amerikanischen Besatzungsmacht ist infolgedessen vor kurzem an den Herrn Bundeskanzler mit der Frage herangetreten, ob nicht allenfalls die völlige Freigabe der inländischen Brotgetreidepreise erwägenswert wäre oder ob es nicht opportun sei, falls man den ersten Vorschlag ablehne, eine erhebliche Erhöhung der festgesetzten Preise zu erwirken. Das Bundeskabinett hat sich mit dieser Anregung der Amerikaner natürlich eingehend befaßt und ist zu folgender Meinung gekommen: Wir haben - genau so ist es in den übrigen europäischen Ländern - auf dem Gebiete des Brotgetreides auch in Deutschland zur Zeit eine Mangellage. Es wäre aber töricht, bei dieser Situation nun das volle freie Spiel zwischen Angebot und Nachfrage in Erscheinung treten zu lassen. Der Brotpreis war immer ein politischer Preis, von den alten Ägyptern angefangen bis zum heutigen Tage, und wird es für alle Zukunft bleiben. Die Bundesregierung war daher der Meinung, daß eine völlige Freigabe der inländischen Brotgetreidepreise nicht erfolgen kann. Sie vertrat aber die Auffassung, daß aus den von mir eingehend geschilderten Gründen doch eine Revision in der Weise stattfinden müsse, daß für Roggen und für Weizen eine Erhöhung der Festpreise um je 100 DM pro Tonne eintreten solle.
Meine Damen und Herren! Ich habe bisher als Landwirtschaftsminister gesprochen, aber gleichzeitig eigentlich auch als Ernährungsminister, weil ja die beste Ernährungspolitik doch die ist, die die landwirtschaftlichen Belange fördert. Ich muß aber jetzt doch noch ein Wort zu den Auswirkungen sagen, die sich aus der von der Regierung vorgeschlagenen Erhöhung der Brotpreise ergeben. Wir haben die Faustregel, daß bei einer Erhöhung der Brotgetreidepreise um 10 DM je Tonne eine Erhöhung der Brotpreise bei Weizenbrot um 1,2, bei Mischbrot um 1,1 und bei Roggenbrot um 1,0 Pfennig je Kilogramm erfolgt.
Man muß sich natürlich darüber klar sein, daß der Haushalt der Minderbemittelten durch diese Erhöhung der Brotpreise entsprechend belastet wird. Aber wir haben doch eine Möglichkeit, dem die Schärfen zu nehmen. In diesem Hause ist über den Begriff schon so viel gesprochen worden, daß ich ihn nicht weiter zu erörtern brauche. Ich meine
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das Konsumbrot, das seinerzeit eingeführt wurde, als die neuen Preise für Getreide aus der Ernte 1950 statuiert wurden.
Das Schicksal des Konsumbrotes ist in den Ländern der Bundesrepublik absolut verschieden. Der Anteil des Konsumbrotes an dem gesamten freien Brot schwankt zwischen 5 und 80 %.
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Ich habe die feste Überzeugung, daß sich bei Verteuerung des preisfreien Brotes eine erhöhte Nachfrage nach Konsumbrot bemerkbar macht. Das bringt natürlich für den Bund die Notwendigkeit mit sich, die für die Verbilligung des Konsumbrotes zur Verfügung gestellten Mittel, die zur Zeit ungefähr 12 Millionen DM je Jahr betragen, entsprechend zu erhöhen. Aber auf der anderen Seite profitiert der Fiskus bei einer Erhöhung der inländischen Brotgetreidepreise insofern, als die Aufwendungen für die Herabschleusung des teureren Weltmarktbrotgetreides in der Zukunft um genau 100 DM je Tonne niedriger werden.
Gestatten Sie mir, noch auf einen Einwand einzugehen, den man gegen die Vorlage vorbringen könnte und der nicht ganz unberechtigt ist. Man sagte uns in den letzten Tagen und Wochen häufig: Es ist falsch, innerhalb eines Wirtschaftsjahres, das doch eigentlich ein geschlossenes Ganzes darstellen soll, einen solch wichtigen Faktor, wie ihn die Brotgetreidepreise nun einmal darstellen, zu ändern. Richtig; kann nicht bestritten werden. Aber ich möchte die verehrten Damen und Herren, die seinerzeit dem Wirtschaftsrat in Frankfurt angehörten, an die denkwürdige Nachtsitzung vom 30. Oktober 1948 erinnern - Herr Abgeordneter Horn, der damals diese Sitzung mitmachte, nickt mir zu -, wo wir auch mitten im Wirtschaftsjahr gegen unseren Willen durch die gleichen Entwicklungen gezwungen waren, eine Erhöhung der Brotgetreidepreise vorzunehmen, die sich damals absolut bewährt hat. Natürlich ist es nicht schön, wenn man sich sagen muß: Der Bauer, der rechtzeitig drosch, nicht hortete und sofort ablieferte, bekommt 280 DM, und der, der zurückhielt, schiebt jetzt einen Hunderter mehr in der Tasche. Die Dinge liegen aber doch so; man darf das eine nicht vergessen: Der Bauer, der im Herbst drischt, deckt mit dem Erlös Betriebsmittelausgaben; er kauft Dünger und ergänzt seinen Maschinenpark. Um bei meinem Maschinenbeispiel zu bleiben: Damals bekam der Bauer eine Sämaschine noch erheblich billiger als heute sein Kollege, der nicht nur mehr bezahlen, sondern auch 3 bis 4 Monate warten muß.
Ein weiterer Grund, warum in der Landwirtschaft so langsam abgeliefert wird, ist: Man nimmt sich wieder einmal Zeit zum Dreschen. Infolgedessen ist der Fall theoretisch möglich, aber in der Praxis doch nicht so bedeutsam, daß auf der einen Seite diejenigen sind, die sofort alles und auf der anderen Seite diejenigen sind, die nichts abgeliefert haben. Ich bin aber ehrlich genug, zu sagen, daß diese Unebenheit besteht. Wir müssen sie in Kauf nehmen.
Die ebenso drängende Frage, die an mich nach Bekanntwerden der Absichten der Regierung gestellt wurde, lautete: Wird die Sache nützen? Ist die Situation in der Zwischenzeit nicht so verändert, daß eure 420 und 380 DM schon der Vergangenheit angehören? Daß wir heute in der Tat schon bei Weizen Preise bis zu 500 DM am freien Markt haben, kann nicht bestritten werden, aber man muß doch die Kirche beim Dorf lassen. Ich habe bereits in der vorletzten Sitzung des Bundestags die Erklärung abgegeben, die Bundesregierung habe die Preisprüfungsstellen angewiesen, Preisüberschreitungen, die sich in dem von mir eben geschilderten Sektor bewegen, mit allen Mitteln zu verfolgen. Es kommt aber nicht allein auf die Polizei und auf die administrativen Maßnahmen an. In Wirklichkeit dreht es sich doch darum, die beteiligten Kreise von der Richtigkeit der Maßnahmen innerlich zu überzeugen.
Infolgedessen hat der Herr Bundeskanzler die Berufsvertretungen der Landwirtschaft, den Deutschen Bauernverband und sämtliche Präsidenten der Landesbauernverbände, die führenden Herren der deutschen landwirtschaftlichen Genossenschaften, die Vertreter des deutschen Getreidehandels und sämtliche Berufsorganisationen auf dem Gebiet der Mühlenwirtschaft am 8. März zusammengerufen. Er hat ihnen die Situation geschildert, und als Ergebnis einer eingehenden, mit großem Ernst geführten Aussprache wurde folgende Zusammenfassung veröffentlicht. - Herr Präsident gestatten Sie, daß ich Sie verlese:
Der Herr Bundeskanzler hat heute mit den Vertretern der Landwirtschaft, der landwirtschaftlichen Genossenschaften, des Handels und der Mühlen über die geplante Erhöhung der Getreidepreise eine eingehende Besprechung gepflogen. Dabei wurde von den Vertretern der genannten Wirtschaftszweige zum Ausdruck gebracht, daß die in Aussicht genommenen Brotgetreidepreise von 420 DM je Tonne Weizen und 380 DM je Tonne Roggen sowie 360 DM je Tonne Futterhafer und Futtergerste den Verhältnissen angepaßt sind. Die Vertreter der Wirtschaft verpflichteten sich, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln in ihren Kreisen auf die Einhaltung dieser Preise hinzuwirken und auch in der Öffentlichkeit allen Versuchen von Preisüberschreitungen entgegenzutreten.
Der Herr Bundeskanzler erklärte, daß alle notwendigen gesetzgeberischen und verwaltungsmäßigen Maßnahmen in kürzester Zeit durchgeführt werden. Die beteiligten Wirtschaftskreise wenden sich auf das energischste gegen alle Versuche, das tägliche Brot zum Gegenstand der Spekulation zu machen und sprechen die dringliche Erwartung aus, daß nunmehr alle noch in der Hand der Landwirtschaft, des Handels und des verarbeitenden Gewerbes befindlichen Brotgetreidebestände zu den vorgenannten Preisen dem menschlichen Verzehr zugeführt werden.
Das ,,tägliche Brot" heißt es, und ich meine, unter diesem großen Nenner muß die ganze Frage zusammengefaßt werden. Wir sind gehalten, die Basis, das Fundament der deutschen Wirtschaft, des deutschen Lebens unter allen Umständen zu erhalten. Wir können uns doch nicht andauernd mit ausgespreizten Fingern auf fremde Hilfe verlassen. Wir müssen doch denen sagen können, daß wir selbst das tun, was in unseren Kräften liegt. Treten bei der Verwirklichung dieses Gedankens Schwierigkeiten auf, dann ist es Aufgabe der Regierung - und sie bittet das Parlament dabei um die Unterstützung -, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Aber unverrückbar bleibt das Ziel: das deutsche Volk darf nicht hungern!
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Entwurfs einer Verordnung - Drucksache Nr. 2030 - gehört. Ich schlage Ihnen eine Aussnrachezeit von 60 Minuten vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist offenbar der Fall.
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Zur Aussprache Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der schmerzlichen Überzeugung, daß ein Versuch zur ernsthaften, gründlichen Auseinandersetzung mit den Problemen, wie sie wirklich liegen, aussichtslos ist, weil die Tatsachen, mit denen wir uns hier auseinanderzusetzen haben, offenbar noch nicht vor genügend Leuten mit dem genügenden Gewicht wirklich in Erscheinung getreten sind, aber in der Überzeugung, daß wir diese Auseinandersetzung in diesem Hause mit den letzten Konsequenzen sehr bald werden führen müssen, möchte ich mich für heute im Namen meiner Fraktion mit der Abgabe einer kurzen Erklärung begnügen.
Die Änderung der Festpreise für Brotgetreide im Laufe des Getreidewirtschaftsjahres und die dadurch verursachte Steigerung der Brotpreise stellen eine schwere Belastung der Lebenshaltung aller Brotverbraucher dar. Dafür bietet das jetzt schon unzureichende Angebot an Konsumbrot in Zukunft noch weniger einen Ausgleich, als es das nach der ersten Getreidepreiserhöhung und ihrer Auswirkung auf den Brotpreis getan hat. Zugleich ist die Erhöhung der Getreidepreise im gegenwärtigen Augenblick eine Benachteiligung aller der Erzeuger, die im Vertrauen auf das von diesem Haus beschlossene Marktordnungsgesetz und auf die von der Bundesregierung bekanntgemachten Festpreise ihr Getreide bereits verkauft hätten, ehe die durch die falschen Maßnahmen oder die Unterlassungen der Bundesregierung verursachte Mangellage die Spekulationspreise bildete, vor denen die Bundesregierung heute kapituliert.
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Weder nach der einen noch nach der anderen Seite sind ausgleichende Leistungen seitens der Bundesregierung ernsthaft in Angriff genommen. Die einseitige Preiserhöhung, die gegen das für Erzeuger und Verbraucher gleichermaßen wichtige Prinzip stabiler Preise verstößt, ist völlig ungeeignet, den außerordentlich großen Gefahren zu begegnen, denen die Brotversorgung in den nächsten Wochen und Monaten ausgesetzt ist.
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Sie ist auch nicht geeignet, die Bundesrepublik aus der Zwangslage zu befreien, in die sie durch die völlige Abhängigkeit von ausländischer Hilfe infolge der planlosen Getreidewirtschaft hineingekommen ist. Mit dieser Preisanordnung können die begangenen Fehler nicht ausgeglichen werden. Sie ist auch kein Ersatz für die längst notwendigen Maßnahmen, die die Regierung nicht zu ergreifen wagt, weil sie den Bankerott des geltenden Wirtschaftsprinzips zu klar erkennen lassen würden.
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Die sozialdemokratische Fraktion bekennt sich erneut zu der Auffassung, daß der deutschen Landwirtschaft ausreichende Preise zugebilligt werden müssen. Sie sieht aber in der von der Regierung vorgenommenen Preisfestsetzung nicht den ernsten Versuch, zu einer richtigen Preisrelation zu kommen. Das beweist schon die Tatsache, daß auch von der Bekanntgabe der neuen Festpreise die tatsächliche Preisbildung unbeeinflußt geblieben ist. Solange das unkontrollierte Spiel der Kräfte fortgesetzt wird, welches man fälschlich „soziale Marktwirtschaft" nennt, wird der Landwirtschaft mit der einen Hand immer mehr genommen, als ihr mit der anderen Hand gegeben werden soll,
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während die Verbraucher die Zeche für eine Agrarpolitik zahlen müssen, die eben keine ist.
Die SPD-Fraktion erwartet von der Regierung unverzüglich die Bekanntgabe aller der Maßnahmen, die zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Brot, Mehl und Teigwaren erforderlich sind, und ebenso Maßnahmen zur Sicherung einer Preisgestaltung, die der Kaufkraft der Verbraucher Rechnung trägt. Sie lehnt es ab, an einer Verschleierung der Tatbestände unter Verantwortung mitzuwirken, und stimmt deshalb der Preisanordnung nicht zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Das Pathos, mit dem der Herr Minister seine Schlußbemerkung umkleidete, daß die Regierung beabsichtige, das Volk vor dem Hunger zu bewahren, kann nicht von der Tatsache ablenken, daß diese Regierung den Hunger organisiert.
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Es wäre zweckmäßiger gewesen,
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wenn der Herr Minister zur Begründung seiner Vorlage zum Ausdruck gebracht hätte,
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daß diese Vorlage ein Ausdruck der Katastrophenpolitik dieser Regierung ist. Es steht wohl einwandfrei fest und kann nicht bestritten werden - und ich glaube, es ist bekannt -, daß eine Getreidereserve für die Brotversorgung im Augenblick nur noch für einen Monat vorhanden ist. Es ist weiter bekannt, daß sehr ernste Bedenken hinsichtlich der Übergangsperiode bis zur neuen Ernte vorhanden sind.
Wenn der Herr Minister als Begründung für diese Lage u. a. angibt, daß die Notwendigkeit der Erhöhung der Getreidepreise sich aus der Preiserhöhung für Kunstdünger und für landwirtschaftliche Maschinen ergebe, so ist demgegenüber festzustellen, daß das nur ein Ergebnis der Politik der Liberalisierung, der Freigabe der Preise, ist.
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Woher hätten sonst die Betriebe und die Industrie jene großen Milliardensummen für die Eigeninvestierung hernehmen können, wenn nicht durch die Freigabe der Preise und das Niedrighalten der Löhne solche Milliardenbeträge hätten herausgewirtschaftet werden können?
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Der Herr Minister hat u. a. erklärt, die Begründung für die Erhöhung der Preise sei auch in der Weltmarktlage zu suchen. Meine Damen und Herren, wer sich in die Hände und die Klauen
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der amerikanischen Milliardäre und Kriegstreiber begibt und deren Politik unterstützt,
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der wird mit ihnen zusammen zugrunde gehen. Es ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen und kann von niemand bestritten werden, daß die amerikanische Kriegspolitik
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eine solche Unordnung auf dem Weltgetreidemarkt ausgelöst hat, daß sogar die in den Handelsverträgen für Westdeutschland geplanten Einfuhrmengen in ihrer Lieferung absolut zweifelhaft geworden sind. Die Einfuhr aus anderen, nicht dollargebundenen Ländern würde bedeuten, daß das benötigte zusätzliche Getreide zu überhöhten Weltmarktpreisen nach Westdeutschland eingeführt werden müßte. Aber wieweit der Einfluß der Amerikaner in die Wirtschafts- und Ernährungspolitik eingreift, hat der Herr Minister selbst zugegeben, indem er erklärt hat, daß die Amerikaner die Anregung - wie er sich ausgedrückt hat - gegeben hätten, die Preise freizugeben. Wir glauben, es hätte den Amerikanern schon gefallen, „freie Preise", um damit ihre Gewinne aus eigenen lukrativen Geschäften auf Kosten der Konsumenten, der werktätigen Bevölkerung ins Ungeheure zu steigern. Das ist genau so charakteristisch wie die Tatsache, daß der Petersberg, als von Westdeutschland ein Vertrag mit einem Staat der Volksdemokratien über die Lieferung von 360 000 t Getreide abgeschlossen wurde, durch das Verbot der Lieferung von Industrieprodukten nach diesem Staat die Belieferung mit Getreide praktisch verhindert hat. Mit dieser Politik auf dem Ernährungssektor soll ein entscheidender Beitrag zur Finanzierung des amerikanischen Krieges und der Remilitarisierung geleistet werden und wird geleistet.
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Wenn nun festgestellt worden ist. daß schon vor der Einbringung dieser Vorlage die Mehlpreise um rund 25 % gestiegen sind und die jetzige Erhöhung der Brot- und Getreidepreise zu einer weiteren Belastung von 15 bis 20 % für Brot und Brötchen führen muß, dann ist zu beachten, daß dabei noch nicht einmal /die Regierungsvorlage über die Umsatzsteuererhöhung eingerechnet ist. Wird sie wirksam, so wird eine weitere vermehrte Belastung der Verbraucher eintreten.
Meine Damen und Herren! Profitieren würde aus dieser Vorlage in erster Linie der Zwischenhandel; der Bauer wird davon das Allerwenigste bekommen.
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Die Kosten für diese Erhöhung der Getreidepreise trägt das Volk. Ich möchte mich auf eine Bemerkung stützen, - ({10})
Herr Abgeordneter Müller, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluß!
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Ich möchte mich auf die Feststellung einer bürgerlichen Zeitung stützen, die die Ausgaben für einen Arbeitslosen mit seiner Frau auf 174,62 DM monatlich - ohne Bekleidung und Schuhwerk - und einen Fehlbetrag von 62,45 DM
berechnet. Dazu kommen jetzt die neuen Kosten. Wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, daß dem Bauern die Existenz erhalten werden muß. Das kann aber nicht auf dem Wege geschehen, den die Regierung vorschlägt, sondern einerseits muß die Existenzsicherung auf dem Wege der Subventionierung erfolgen, andererseits muß zugleich verhindert werden, daß der Konsument die Kosten dieser Katastrophenpolitik der Regierung trägt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller ({0}). - Herr Abgeordneter Dr. Müller, wünschen Sie das Wort zu nehmen?
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Herr Abgeordnter Dr. Horlacher, bitte!
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute ein ganz gutes Gemüt, und deswegen möchte ich mich mit den Herren der äußersten Linken gar nicht auseinandersetzen.
({0})
- Das wäre allerdings einmal notwendig, denn das, was die Herren über die Westzonen erzählen, trifft ausgerechnet auf die Ostzone zu.
({1})
Wir wollen uns darüber aber nicht unterhalten, sondern wir wollen einmal dafür sorgen, daß das deutsche Volk über die Ernährungslage in der Ostzone aufgeklärt wird; dann können wir uns auch hier darüber näher aussprechen. Aber ich will das jetzt nicht weiter verfolgen und will auch die Aussprache nicht vertiefen, sondern nur noch ein paar Gesichtspunkte herausheben.
Vor allen Dingen habe ich die Bitte an die Regierung, dafür zu sorgen, daß die Abrechnung mit den Bäckern über das Konsumbrot so erfolgt, daß keine Stockung im Verkehr eintritt. Die Vereinbarungen mit den Bäckern genügen allein nicht, sondern es muß auch für rechtzeitige Auszahlung der Beträge Sorge getragen werden. Ich glaube, die Bundesregierung wird selber ein Interesse daran haben, das unter allen Umständen sicherzustellen.
Dann, meine verehrten Damen und Herren, komme ich zu einer technischen Frage im Gesetz. Die Festsetzung der unterschiedlichen Preisgebiete mit den Paritätspunkten ist - ich habe mich soeben auch mit dem Herrn Regierungsvertreter darüber unterhalten - eine etwas umstrittene Angelegenheit. Deswegen hat der Kollege Struve zusammen mit anderen Herren einen Abänderungsantrag gestellt, wonach § 4 Abs. 2 folgende Fassung erhalten soll:
({2}) Ergeben sich bei Anwendung der Vorschriften über die Preisgebiete ({3}) und über Paritätspunkte ({4}) Ungleichheiten, so kann der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Preisgebiete und die Paritätspunkte anderweitig festsetzen.
Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und dem noch hinzufügen - und deswegen habe ich hauptsächlich das Wort ergriffen -: „oder eine einheitliche Regelung treffen". Die Regierung braucht dann also nicht mehr Bundesrat und Bundestag zu
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fragen, sondern kann die Dispositionen treffen, die im Interesse der Bevölkerung notwendig sind.
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Deswegen würde ich Sie dringend bitten, diesem Abänderungsantrag, Umdruck Nr. 101, mit dem von mir gewünschten Zusatz Ihre Zustimmung geben zu wollen.
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Das Wert hat der Abgeordnete Lampl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist müßig, vor diesem Hohen Hause über eine Entwicklung zu rechten, die die ganze Welt erschüttert. Es ist selbstverständlich, daß angesichts dieser Entwicklung eine Verknappung und eine Preiserhöhung eintreten mußten, die im Ausland teilweise sogar noch stärker in Erscheinung treten als bei uns. Es ist ganz natürlich, daß man alle diese Dinge zu einer billigen Hetze verwenden kann, mit der man unserer Bevölkerung allerdings keinen Dienst erweist.
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Es ist klar, daß es unter solchen Umständen schwierig ist, unsere Versorgungslage in Ordnung zu halten, und es ist ebenso klar, daß das Brotgetreide knapper und teurer und außerdem, wovon gerade unser Ernährungsminister ein Lied zu singen vermag, aus dem Ausland schwerer hereinzubringen ist. Nun scheint - gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich darauf etwas eingehe - in weiten Kreisen festzustehen - man kann es wenigstens aus der Presse teilweise entnehmen -, daß der deutschen Landwirtschaft die Schuld an diesen Zuständen zuzusprechen ist. Es wird behauptet, die deutsche Landwirtschaft halte den Weizen zurück oder treibe den Preis künstlich in die Höhe. Man versucht nachzuweisen, daß in diesen Monaten weniger abgeliefert worden sei als in der gleichen Zeit des Vorjahres. Ich glaube, dabei vergißt man, daß von einer „Ablieferung" von Getreide überhaupt keine Rede sein konnte, daß der Landwirt über das, was er auf seinem Grund und Boden erzeugt, frei verfügen konnte. Man vergißt, daß seit Jahr und Tag unserer Landwirtschaft, unseren Bauern, gepredigt wurde, Veredelungswirtschaft hinsichtlich der Schweinehaltung und Schweinemast zu treiben. Weiter vergißt man, daß Futtermittel und Futtergetreide ständig knapper und teuer geworden sind, daß schon vor Jahresfrist Schwierigkeiten bei dem wichtigsten Futtermittel, bei Mais, eintraten und Mais besonders im letzten Jahr überhaupt kaum noch hereinzubringen war, vom Preis ganz abgesehen. Schließlich übersieht man auch, daß in der weiteren Folge dieser Entwicklung der Bauer letzten Endes gezwungen war, für Futtermittel 20 und 25 DM dort zu bezahlen, wo er für seine eigenen Erzeugnisse, für Brotgetreide, nur 14 und 16 DM zu bekommen vermochte.
Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen besteht zweifellos gar kein Grund, die deutsche Landwirtschaft für eine Entwicklung verantwortlich zu machen, die vielleicht überhaupt schwer vorauszusehen war. Ich darf dabei bemerken, daß diese gleiche Landwirtschaft, die unser Volk - und ich darf das aussprechen - in den schweren Jahren vor dem Verhungern bewahrt hat, im letzten Jahr und auch heute noch in ein System der Festpreise eingepreßt war und ist, daß der Bauer aber auf dieses System der Festpreise dort nicht stieß, wo es sich um den Bezug seiner Betriebsmittel handelte. Es darf weiterhin festgestellt werden, daß es sich um die gleiche Landwirtschaft handelt, die zusehen mußte, wie man den Preis z. B. auch bei Getreide künstlich niederhielt und dafür hohe Subventionen aufwendete.
Nun sind die Preise seit langer Zeit davongelaufen - ich sagte vorhin schon: auf dem Weltmarkt zum Teil noch stärker als bei uns -, und man versucht jetzt, die offiziellen Preise den geänderten Verhältnissen anzupassen. Ich darf dazu folgendes sagen: Dieser Entschluß wird unserer Bundesregierung bestimmt nicht leicht geworden sein. Es ist natürlich immer peinlich, mitten im Wirtschaftsjahr Preisregelungen vorzunehmen. Unter normalen Verhältnissen müßte man sich mit allen Mitteln dagegen wenden und eine solche Zwischenregelung für falsch halten. Man kann natürlich auch einwenden, daß, wie vorhin schon gesagt, diese Zwischenregelung auch deswegen unzweckmäßig ist, weil der Bauer in einem Falle belohnt und im anderen Falle bestraft wird. Auf jeden Fall ist aber, und das weiß auch die Landwirtschaft, das Preisgefüge in diesem letzten Halbjahr ein vollkommen anderes geworden und es dürfte vor allen Dingen doch feststehen, daß dieses uns vorgelegte Preisgesetz in der Praxis keine Änderung der derzeitigen Verhältnisse bringt. Es bringt keine Änderung für den Verbraucher. Denn in Wirklichkeit ist es ja so, daß heute die Preise zum Teil höher sind, als sie die Regierungsvorlage vorsieht. Das Gesetz bedeutet auch für den Landwirt keine Änderung. Dieser muß auf der anderen Seite fordern, daß auch das Preisniveau seiner Erzeugnisse dem der Betriebsmittel angepaßt wird, die er braucht.
Wir haben in den letzten Monaten mit Bestürzung festgestellt, daß die Preisschere sich schon wieder zu öffnen beginnt. Ich möchte die Dinge so ansehen, daß diese Verordnung eine erst e Rate aus diesem - ich darf schon sagen - fast sagenhaften Agrarprogramm darstellt, das ja kommen soll und das eine erhebliche Erhöhung der Löhne bringen soll. Dabei erhebt sich natürlich die Frage - wir kennen das Programm ja nicht im einzelnen -, ob dieses Programm überhaupt den gegenwärtigen Verhältnissen in der Landwirtschaft noch entspricht. Wenn der Herr Bundesernährungsminister - Sie verzeihen, Herr Minister - vom Schlepper gesprochen hat, der heute immerhin nur noch 4- bis 5000 DM koste, so ist es meine ganz unmaßgebliche Meinung, daß auch dieser Betrag bei dem jetzigen Preisniveau noch zu hoch ist, da wir an sich für ganz normale Verhältnisse 1000 DM annehmen müßten und unter den heutigen Verhältnissen vielleicht 2000 DM für den eigentlichen Bauernschlepper. Aber immerhin, ein gewisser Erfolg gegenüber den früheren Preisen ist ja schon eingetreten.
Die Landwirtschaft, meine Damen und Herren, hat in den letzten Jahren wiederholt Gelegenheit gehabt, sich darüber zu beschweren, daß Preisregelungen zu spät eingetreten sind. Die Landwirtschaft weist darauf hin und fordert immer wieder, daß man die Preise rechtzeitig vor Beginn eines Wirtschaftsjahres wissen muß, um sich entsprechend einstellen zu können. Insofern ist der vorgelegte Preisregelungsentwurf zu begrüßen.
4888 Deutscher Bundestag - 12e. Sitzung.. Bonn, Freitag, den 16. März 1951
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ja, ich bin sofort am Schluß. Der Entwurf ist also zu begrüßen, weil der Bauer damit die Möglichkeit bekommt, so zu planen, daß er aus seinem Grund und Boden das Äußerste herauszuholen vermag und weil damit - das darf ich noch sagen - unsere Volkswirtschaft auch von der Einfuhr aus dem Ausland und all diesen Unberechenbarkeiten unabhängiger wird und wir letzten Endes vor allen Dingen Devisen sparen, wenn es gelingt, in diesem Falle in unserem eigenen Land mehr Getreide zu erzeugen. Aus diesen zwingenden Gründen stimmt meine Fraktion dem Regierungsentwurf zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmidt ({0}).
Meine Damen und Herren! Der Herr Minister Niklas betonte am Schluß seiner Rede, über der Debatte, die wir heute führen, stehe die Forderung, die Ernährung des deutschen Volkes zu sichern. Auch wir vom Bauernstand und wir von unserer Fraktion stehen auf dem gleichen Standpunkte. Bei der heutigen Debatte - ich habe es vor einigen Tagen im Ernährungsausschuß gesagt - handelt es sich um zwei Dinge. Die Ernährung des Volkes soll gesichert werden. Auf welchem Wege wollen wir es nun tun? Es ist wohl so, daß mit dem Ausland Verträge über die Versorgung mit Brotgetreide abgeschlossen sind. Aber Sie alle, meine Herren Kollegen, wissen j a, welche Dinge sich hier abspielen könnten und daß Schiffsraum und alle diese Dinge hier mit eine Rolle spielen.
Ist es deshalb nicht notwendiger und ist es nicht angebracht, daß wir versuchen, die Vorräte, die wir noch selber im Lande haben, heranzubringen? Ich glaube, Sie alle werden hierin mit mir einig sein. Ich erinnere Sie daran, daß ich im vorigen Jahr, als die Koreakrise noch nicht war und als der Bauer das Brotgetreide fast nicht verkaufen konnte, davor gewarnt habe, leichtfertig über diese Dinge hinwegzugehen; denn es könnte die Zeit kommen, wo Sie das gereut. Damals hat man nicht an Korea gedacht. Heute haben sich meine Voraussagen bewahrheitet, und deswegen ist es angebracht, dafür zu sorgen, daß wenigstens die Getreidevorräte, die wir noch im Inland haben, sichergestellt werden. Ich habe gerade in den letzten Wochen mit meinen Bauern draußen Verhandlungen geführt, und diese haben erklärt: Jawohl, wir werden die kleinen Mengen, die wir noch haben, abliefern. Und mit den Preisen, die heute beschlossen werden sollen, sind sie zufrieden. Meine Damen und Herren, der Bauer hat ja gar nicht damit gerechnet und hat keinen großen Nutzen mehr davon, daß diese Preise heute kommen, weil meist keine erheblichen Getreidemengen mehr in seiner Hand sind. Aber dieser Anreiz durch die Getreidepreiserhöhungen muß dazu führen, daß jeder Bauer, der noch irgendwelche kleinen Mengen Getreide in der Hand hat, sie zu diesem Preise auch abliefern wird.
Darum wird es notwendig sein, daß wir das prüfen, ohne uns gegenseitig zu bekämpfen. Sie dürfen es glauben, daß auch wir vom Ernährungsausschuß wie jeder Bauer heute die gleiche Sorge auf dem Herzen haben: Wie werden wir mit der Ernährung unseres Volkes durchkommen? Ich glaube, es ist Aufgabe eines jeden Abgeordneten hier im Hause, daran mitzuhelfen, daß wir die Schwierigkeiten auf diesem Gebiete überwinden. Wir wollen nicht auf die Fehler eingehen, die bereits von der Regierung gemacht worden sind; das hat heute keinen Wert mehr. Wir müssen nicht zurückschauen, sondern vorwärtsschauen und versuchen, die Ernährung des Volkes sicherzustellen. Wir haben gar kein Interesse daran, die Kreise zu unterstützen, die in der Lage sind, auch teueres Brot zu bezahlen. Aber die Regierung könnte vielleicht Maßnahmen ergreifen, um der ärmeren Bevölkerung auf irgendeinem Wege dazu zu verhelfen, daß sie sich ihr tägliches Brot beschaffen kann, und ich glaube, wir können, wenn wir diesem Verordnungsentwurf heute zustimmen, mit Beruhigung sagen, daß wir unser Gewissen nicht belastet haben. Wenn wir diese Vorlage heute annehmen, dann dürfen wir sagen: Wir haben unsere Pflicht getan, damit die Ernährung des Volkes sichergestellt ist. In dem Sinne möchte ich alle Anwesenden, auch Sie von der linken Seite, bitten, dazu beizutragen, daß diese im Interesse der Ernährung des Volkes liegende Verordnung der Bundesregierung in Kraft treten kann.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Revenstorff.
Meine Damen und Herren! Mit dieser Verordnung soll versucht werden, durch die Angleichung der Getreidefestpreise an die Weltmarktpreise die in der Landwirtschaft eventuell noch vorhandenen Bestände an Roggen und Weizen zu erfassen. Wir sind zwar nicht felsenfest davon überzeugt, daß dies der richtige Weg ist. Immerhin, es hat heute keinen Zweck, darüber zu reden, welche frühere Schuld festzustellen ist, sondern wir wollen, wie Herr Schmidt von der WAV gesagt hat, in die Zukunft sehen. und uns bemühen, daß wir vorwärtskommen, aber nicht mehr den Schuldigen suchen. Wir haben uns im Ernährungsausschuß schon oft darüber unterhalten, daß wir genügend Futtergetreide zur Verfügung stellen müssen, wenn wir von den Bauern, von der Veredelungswirtschaft das Brotgetreide haben wollen. Es gibt nur diese Mittel: genügend Futtergetreide zur Verfügung stellen oder eine Preisangleichung durchführen. Der Vorredner von der Bayernpartei hat schon gesagt: Wir müssen es auf alle Fälle zurückweisen, daß jetzt der Bauer der Schuldige sein soll, und wir müssen es auch zurückweisen, wenn man sagt, der Bauer bekomme jetzt soundsoviel Millionen und dafür könne er ohne weiteres die erhöhten Landarbeiterlöhne zahlen.
({0})
- Das steht in der Zeitung. - Das stimmt nicht. Die Bauern, die heute noch Brotgetreide haben, haben es ja, von ganz kleinen Ausnahmen vielleicht abgesehen, nicht, um zu spekulieren, sondern sie haben das Getreide behalten, weil sie es als Futtergetreide brauchen, und in dem Augenblick, wo ihnen Futtergetreide zur Verfügung steht, werden sie sicher Brotgetreide abliefern.
In Zukunft, Herr Minister, statten Sie doch die Einfuhr- und Vorratsstelle so aus, daß sie in der Lage ist, den Markt zu regeln; dann brauchen wir uns wegen unserer inneren Preise nicht mehr solchen Kummer zu machen. Denken Sie auch daran, vielleicht etwas mehr Kartoffelwalzmehl auf Lager zu nehmen und damit Brotgetreide zu
({1})
strecken. Sie sagen: Es ist gefährlich, innerhalb des Wirtschaftsjahres den Festpreis zu ändern. Jawohl, es ist sehr gefährlich, aber nicht deshalb, weil dann ein Bauer etwas mehr verdient als der andere, sondern deswegen, weil mancher Bauer, der im vorigen Jahr im August oder September abgeliefert hat, jetzt vielleicht sagt: Donnerwetter, wir müssen doch noch etwas warten; denn wenn wir nicht abliefern, wird der Minister ja unsere Preise erhöhen. Also, gefährlich ist das schon, und wir stimmen nicht gern zu. Aber weil wir der Auffassung sind, daß kein Mittel unversucht bleiben darf, um die Volksernährung mit Brotgetreide sicherzustellen, deshalb wird die FDP dieser Verordnung zustimmen.
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Der Abgeordnete Horlacher wünscht noch einmal das Wort zu nehmen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß leider Gottes noch einmal das Wort ergreifen, damit hier keine Panne passiert. Es kommt darauf an, daß die Verordnung so rasch wie möglich in Kraft gesetzt wird. Deswegen möchte ich nicht haben, daß wegen meines Abänderungsantrages wieder ein Zwiegespräch mit dem Bundesrat entsteht - der ist ja in letzter Zeit auf wirtschaftlichem Gebiet ein ganz gefährliches Instrument geworden -,
({0})
daß es hier wieder zu einer Auseinandersetzung kommt und daß sehr wichtige Maßnahmen auf wirtschaftlichem Gebiet unterbleiben. Ich persönlich habe die Meinung, der Bundesrat täte gut, sich auf das zu beschränken, was die verfassungsmäßigen Zustände zwischen Bund und Ländern angeht, und dazu gehört nicht die Wirtschaftspolitik.
({1})
Ich bin dankbar, daß ich jetzt dazu gekommen bin, weil ein paar Herren dagesessen sind, so daß ich leibhaftig an die erinnert worden bin!
({2})
Dann sollen sie ihre Anträge auch nicht zu spät an mich heranbringen, sondern rechtzeitig und nicht in letzter Minute, so daß man selber kaum einen Gedanken fassen kann.
({3})
- Das verteidige ich jederzeit! Wenn wir auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik eine Einigung hergestellt haben, dann macht der Bundesrat es wieder kaputt. Das ist doch nicht die Aufgabe des Bundesrates!
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Was die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechtsverhältnisse zwischen Bund und Ländern angeht, das betrifft etwas ganz anderes, das gesamte Funktionieren der Verwaltung, das gegenseitige Abstimmen, aber nicht die Eingriffe in die wirtschaftliche Führung, die der Bund als einheitliches Wirtschaftsgebiet für sich beanspruchen muß. Deswegen gebe ich kein Jota von meiner föderalistischen Gesinnung auf,
({5})
sondern sie wird hier entsprechend korrigiert und vertieft. Beim Bundesrat muß die Vernunft hergestellt werden, damit wir uns gut unterhalten.
({6})
Jetzt kommt das Wesentliche. Ich möchte also nicht haben, meine Damen und Herren, daß wegen dieses rein technischen Antrags hier Schwierigkeiten entstehen. Deshalb ziehe ich den Antrag zurück. Ich habe mich aber mit der Regierung dahin vereinbart, daß die weitestgehende Auslegung
({7})
des Antrages Struve stattfindet. Dort heißt es:
... so kann der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Preisgebiete und die Paritätspunkte anderweitig festsetzen.
Das „anderweitig" legen wir so aus, daß das auch eine einheitliche Regelung sein kann. Der Herr Minister hat dem zugestimmt; infolgedessen brauchen wir keinen neuen Streit mit dem Bundesrat zu beginnen. Das kann vielleicht die Regierung auf Grund dieser Ermächtigung zur Durchführung bringen.
Nun lassen Sie mich noch ein ernstes Wort sagen.
({8})
Ich stehe persönlich auf dem Standpunkt, daß die Erörterungen in der Öffentlichkeit über unsere Ernährungslage und insbesondere die Schwarzmalerei etwas sehr Ungünstiges für unser Gesamtvolk darstellen.
({9})
Ich bin der Meinung: je schwärzer wir malen, desto mehr arbeiten wir den Zigeunern in unserem Wirtschaftsleben in die Hände.
({10})
Wir müssen die Kirche im Dorf lassen und müssen die Dinge so schildern, wie sie wirklich sind. Wie ist denn in Wirklichkeit die Ernährungslage? Sie läßt sich ja mit derjenigen in der Ostzone gar nicht vergleichen. Wir haben eine steigende Fleischversorgung unserer Bevölkerung, zum großen Teil aus eigener Kraft. Wir haben in der Milchversorgung ungeheure Fortschritte erzielt. Wir haben jetzt nur Schwierigkeiten in der Übergangsperiode bei der Brotgetreideversorgung, und diese Schwierigkeiten werden sich im Zusammenwirken aller Kräfte überwinden lassen. Ich stehe auf dem Standpunkt -auch als Vertreter der Landwirtschaft, wenn ich mich als solchen bezeichnen darf -: wenn die Verordnung angenommen ist, dann müssen alle Kräfte zusammenhalten, damit auch das letzte Korn Brotgetreide für die Brotgetreideversorgung unseres Volkes herauskommt. Diese aktive Arbeit ist viel besser als die Schwarzmalerei, durch die unser Volk bloß immer mehr durcheinanderkommt.
({11})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung und bitte Sie um freundliche Herstellung der Ruhe, damit wir zur Abstimmung kommen können.
Ich benutze die gute Besetzung des Hauses, um Sie zu bitten, falls Sie keine Nachsendung Ihrer Postsachen durch das Tagungsbüro während der Osterpause wünschen, dieses dem Tagungsbüro be({0})
kanntzugeben. Das heißt also: falls Sie nichts angeben, werden die Postsachen nachgesandt, und Beschwerden werden dann nicht entgegengenommen.
Meine Damen und Herren, Sie haben vor sich die Drucksache Nr. 2030 und den Umdruck Nr. 101. Der Antrag des Herrn Abgeordneten Horlacher zur Abänderung des Antrags Umdruck Nr. 101: ist zurückgezogen worden. Der Umdruck Nr. 101 enthält unter Ziffer 1 einen Antrag zur Abänderung der Eingangsworte des Abschnitts I. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag Umdruck Nr. 101 Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist angenommen. Damit erledigt sich die Regierungsvorlage hinsichtlich der Eingangsworte zu Abschnitt I.
Ich komme zur Abstimmung über § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
({1})
- Meine Damen und Herren, Sie erleichtern uns
die Abstimmung, wenn Sie etwas Ruhe bewahren.
Zu § 2 liegt der Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 101 Ziffer 2 vor: „Die in Abschnitt I enthaltene Neufassung des § 2 wird gestrichen." Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({2})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit
der gleichen Mehrheit angenommen. Damit ist der
§ 2 gestrichen.
Ich komme zu § 3. Ich darf gleichzeitig aufrufen
§ 3 a und Abschnitt II b, also die Abschnitte II a und II b der Verordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3, dem Abschnitt II a mit dem § 3 a und dem Abschnitt II b mit dem § 3 b zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Der Abänderungsantrag Umdruck Nr. 101 wünscht eine andere Fassung des Abschnittes III. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag unter Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 101 betreffend Abschnitt III zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Abänderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über Abschnitt IV, - Einleitung und Überschrift der Verordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch Abschnitt IV, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich darf die Damen und Herren, die der Verordnung im ganzen unter Berücksichtigung der vorgenommenen Abänderungen zuzustimmen wünschen, bitten, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Verordnung ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 12/51 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung PR Nr. 79/50 zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen ({3}).
Die Regierung hat mir mitgeteilt, daß sie sich auf die schriftliche Begründung bezieht.
Ich eröffne die Aussprache und weise zunächst darauf hin, daß ein Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder vorliegt.
Zunächst hat sich zum Wort gemeldet der Abgeordnete Agatz. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Ist das Haus damit einverstanden?
({4})
- Darf ich fragen: Ist das Haus mit 40 Minuten einverstanden?
({5})
Es liegt in der Hand des Hauses, die Aussprachezeit zu begrenzen. Die Mehrheit des Hauses ist offenbar für 40 Minuten.
({6})
Bitte, Herr Abgeordneter Agatz!
Meine Damen und Herren! Nach der Vorlage sollen die erhöhten Kohlenpreise auch über den 31. März hinaus fortbestehen. Meine Fraktion hat im Dezember, als die Kohlenpreise erhöht wurden, gegen diese Erhöhung gestimmt. Sie hat es aus mehreren Gründen getan. Der wichtigste ist, daß wir die Kostenrechnung, die diesem Kohlenpreis zugrunde gelegt wird, nicht anerkennen können. Wir wissen, daß der Bergbau nach kapitalistischen Gesichtspunkten geführt wird. Da es kein wirkliches Mitbestimmungsrecht gibt, da die Arbeiterschaft und insbesondere die Bergarbeiterschaft keine Möglichkeit einer Prüfung der Rechnungsgrundlagen hat, kann sie unter keinen Umständen die Rechnungsgrundlage, die ihr von den Zechenherren gegeben wird, anerkennen.
({0})
Sie kann dieser Rechnungslegung nur mit Mißtrauen gegenübertreten. Wir wissen sehr genau, daß durch die monopolkapitalistische Beherrschung des Bergbaus Unkostenfaktoren vorhanden sind, die die Rechnung ganz erheblich belasten. Wir wissen, daß der Bergbau in der Vergangenheit und auch gegenwärtig nicht nach vernünftigen Gesichtspunkten organisiert und geführt wird, sondern daß nach wie vor Konzerninteressen maßgeblich sind, die ohne Rücksicht auf wirtschaftliche Vernunft und auf die Kosten durchgesetzt wurden. Dadurch sind Fehlinvestitionen größerer Art entstanden. Ich kann nur daran erinnern, daß es unzählige Fakten gibt, wie überflüssige Schachtanlagen, wie die Desorganisation des Kohlenfelderbesitzes usw. Aber der wichtigste Umstand, der uns bewegt, diese Vorlage abzulehnen ist: Diese Kohlenpreiserhöhung liegt in der Linie der allgemeinen Preiserhöhung als Folge der auch hier in Westdeutschland betriebenen Kriegsvorbereitungspolitik.
({1})
- In Amerika, lieber Kollege! Von dort aus wird diese Politik hier initiiert. Weil man hier Geld haben muß für die Besatzungskosten, Milliardenbeträge dafür bereitstellen muß, weil man hier Kasernen bauen muß, weil man hier alles tun muß, um den amerikanischen Kriegstreibern zu Gefallen zu sein,
({2})
darum muß man auch die Kohlenpreise erhöhen.
({3})
({4})
Wir lehnen diese Maßnahmen ab. Wir müssen sie auch aus Gründen ablehnen, die in der Vorlage angesprochen worden sind. Die Lohnerhöhungen der Bergarbeiter, Maßnahmen zur Förderungssteigerung werden hier als Grund für die erhöhten Kohlenpreise zitiert. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß die Bergarbeiter unseren Schutz verdienen. Sie müssen vor jedem Versuch einer Leistungssteigerung auf Kosten ihrer Arbeitskraft geschützt werden;
({5})
sie müssen sich gegen Panzerschichten wehren, sie müssen sich gegen jene Methoden wehren, die unsere wertvollste Arbeitskraft, den Bergarbeiter, auf den Hund bringen.
({6})
Deswegen kommen wir zur Ablehnung dieser Vorlage.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da die Regierung darauf verzichtet hat, den Verordnungsentwurf im einzelnen zu begründen, und da sie auf die schriftlich vorliegende Begründung verwiesen hat, möchte ich auch nur wenig weiteres hinzufügen.
Wir sind uns im Ausschuß für Wirtschaftspolitik darüber klar gewesen, daß wir hier nichts weiter vornehmen als eine Verlängerung und daß es Ihnen allen nicht erspart bleiben wird, im Laufe der nächsten Zeit in die Prüfung der Kohlenpreise mit großer Intensität einzutreten. Aber wir haben uns doch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß entschlossen, nicht eine Verlängerung der jetzt geltenden Kohlenpreise auf unbestimmte Zeit anzunehmen, sondern wir haben beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, den Ablauf dieser Verordnung auf den 31. Dezember 1951 zu begrenzen. Das bedeutet, daß die letzten Worte des Schlußsatzes des § 1 gestrichen werden und er statt dessen folgende Fassung erhält:
Sie tritt nach Ablauf des 31. Dezember 1951 außer Kraft.
Ich glaube, daß wir damit alle schon von vornherein unter einem gewissen Druck sein werden, uns so schnell und so intensiv wie möglich mit der Neuordnung der Kohlenpreise zu befassen.
Deswegen darf ich Sie bitten, dem Antrag des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten schon mehr als einmal Veranlassung, uns darüber zu beklagen, daß dem Hohen Hause Anträge auf Verlängerung befristeter Verordnungen und Gesetze erst kurz vor deren Fälligkeit vorgelegt werden. Für die Verwaltung ist es dann immer sehr bequem, auf die bestehende Zeitnot hinzuweisen. Ich glaube, ès spielt bei der Verwaltung mitunter auch die Überlegung eine Rolle, daß bei einer vorhandenen Zeitnot schnelle Arbeit auf Kosten der Gründlichkeit geleistet werden muß. Diese Methode der Verwaltung, das Hohe Haus immer wieder vor die Alternative des Entweder-Oder zu stellen, ist anscheinend besonders beim Bundeswirtschaftsministerium Tradition geworden; eine bedauerliche Tradition, gegen die wir vor der Öffentlichkeit erneut schärfste Verwahrung einlegen müssen.
Meine Damen und Herren! Diesmal werden uns - kurz vor Ultimo - gleich zwei Anträge auf Verlängerung der bis zum 31. März dieses Jahres befristeten Preiserhöhungen für Kohle und Stahl vorgelegt. Bei beiden Verordnungsentwürfen haben wir nicht nur die verspätete Vorlage, sondern vor allem auch die dürftige Begründung zu bemängeln. Wenn man die Drucksachen Nrn. 2037 und 2038 kritisch durchliest, hat man den Eindruck, daß sich das Bundeswirtschaftsministerium die Arbeit diesmal sehr leicht gemacht hat. Ich glaube, man muß eine Begründung als lapidar bezeichnen, die als Motiv für die Beibehaltung erhöhter Kohlepreise allgemeine Redensarten anführt, nämlich Verhandlungen über die wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen, oder wenn zur Begründung der Beibeihaltung höherer Stahlpreise gesagt wird, es entstehen Kostenerhöhungen dadurch, daß vorteilhafte Auslandserze zwar bestellt sind, aber nicht abgeholt werden konnten.
Meine Damen und Herren, ich habe schon mehrfach den Eindruck gewonnen, daß man im Bundeswirtschaftsministerium anscheinend auf dem Standpunkt steht, die Annahme von Preisvorschlägen durch die Koalitionsparteien werde letzten Endes auch dann erfolgen, wenn die kostenmäßige Notwendigkeit nicht in absolut schlüssiger Weise nachgewiesen wird. Von uns wird eine solche Methode der etwas labilen Nachweisung von Kosten auf keinen Fall akzeptiert. Wir haben im Dezember vergangenen Jahres gegen die damaligen Preiserhöhungen für Kohle und Stahl gestimmt, weil nach unserer Auffassung die Notwendigkeit von Preiserhöhungen für diese so wichtigen Grundstoffe nicht mit der erforderlichen Klarheit und Deutlichkeit bewiesen worden war. Wir hatten damals um weitere Informationen gebeten. Inzwischen sind drei Monate vergangen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte genügend Zeit, die damals angeforderten Unterlagen zusammenzustellen und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik vorzulegen. Das ist nicht geschehen. Wir tappen nach wie vor im Dunkeln. Das Ausbleiben genauer zahlenmäßiger Unterlagen hat uns veranlaßt, allgemeine Informationen einzuziehen. Auf Grund dieser allgemeinen Informationen sind wir nun zu der Überzeugung gekommen, daß sich in den vergangenen drei Monaten wesentliche Veränderungen im Kosten-Preis-Gefüge der Grundstoffindustrien nicht ergeben haben. Es' steht aber fest, daß ab 1. April 1951 die Zuschläge für Sonderschichten im Bergbau und die Regelmäßigkeitsprämie von 3% wegfallen und daß die Stahlindustrie vorsorglich Erhöhungen des Gaspreises einkalkuliert hat, die bisher noch gar nicht erfolgt sind.
Meine Damen und Herren, angesichts dieses Tatbestandes sind wir nicht in der Lage, der beantragten Verlängerung der Verordnungen über die erhöhten Kohle- und Stahlpreise zuzustimmen. Wir müssen erneut verlangen, daß das Hohe Haus endlich etwas genauere Information über die Kosten- und Ertragslage in den Grundstoffindustrien erhält. Nur dann ist eine wirklich einwandfreie Urteilsbildung möglich.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
({0})
Es liegen einmal die Regierungsvorlage Drucksache Nr. 2037, zum andern der Abänderungsantrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik vor, den der Abgeordnete Dr. Schröder eben begründet hat. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder zu § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 2, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Sie
der Verordnung in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der Abänderung des § 1 zuzustimmen
wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die
Gegenprobe. - Die Verordnung ist angenommen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 13/51 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung PR Nr. 78/50 über die Preise für Roheisen, Walzwerkserzeugnisse und Schmiedestücke ({1}).
Auch bei dieser Verordnung bezieht sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung.
Ich eröffne die Aussprache. Ich schlage Ihnen auch hier eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird die vorgelegte Verordnung ablehnen, und zwar deshalb, weil sie einen Bestandteil der von den Amerikanern befohlenen Kriegswirtschaftsmaßnahmen darstellt
({0})
und weil sie zum andern ausschließlich auf Kosten der werktätigen Bevölkerung, auf Kosten der Arbeiterschaft geht.
({1})
Die von der Regierung zu dieser Verordnung gegebene Begründung ist irreführend, sie entspricht nicht den Tatsachen. Ich möchte das beweisen. Es wird beispielsweise auf die sogenannte Selbstkostensteigerung gerade in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie hingewiesen. Auf die Erhöhung der Lohnkosten wird besonders verwiesen. Demgegenüber steht aber fest, daß der Lohnkostenanteil in der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie offensichtlich zurückgegangen ist. In der „Welt" vom 24. Januar 1951 wird ein Bericht des Mitgliedes des Stahltreuhänderverbandes Dr. Deist veröffentlicht, in dem folgendes erklärt wird:
Bei den entflochtenen Werken habe sich trotz
der seit Oktober 1950 durchgeführten Lohnerhöhungen von 37 bis 38 % kein höherer
Lohnkostenanteil an der Fertigung, sondern
vielmehr eine Senkung ergeben.
Man kann feststellen, daß sich die pro-Kopf-undMonat-Leistung der Arbeiterschaft in der Rohstahlerzeugung in den gémischten Hüttenwerken vom Mai 1948 bis November 1950 von 4,7 auf 9,7 t, also auf fast das Doppelte erhöht hat. Diese Zahl ist ein Ausdruck der gestiegenen Ausbeutung im Interesse der Eisen und Stahl erzeugenden Industrie. Sie ist auch ein Beweis für den Rückgang des Lohnkostenanteils, dagegen für die Steigerung des Reinertrags. Andere Zahlen beweisen dasselbe. In den neun ausgegliederten gemischten Hüttenwerken betrug der Reinertrag im Jahre 1948/49 29 Millionen DM oder 1,8 % des Bruttoumsatzes. Im letzten Geschäftsjahr 1949/50 betrug der Reinertrag in denselben neun Betrieben dagegen 69 Millionen oder 4,3 % des Bruttoumsatzes. Außerdem ist errechnet, daß ohne entscheidende große technische Veränderungen die Kopfleistungen der Arbeiterschaft gegenüber 1938 um 125 bis 130 % gestiegen sind.
Zur Kostensteigerung, die durch die Verknappung der Rohstoffe entstanden ist, ist folgendes zu bemerken. Es ist unmöglich, der deutschen Bevölkerung die Lasten aufzubürden, die durch den Raubexport der deutschen Kohle entstehen. Sie alle wissen, daß ein Viertel unserer Kohlenproduktion dem amerikanischen Zwangsexport unterliegt. Es ist unmöglich, die dadurch enstandene Kostenerhöhung, die aus der Verknappung des wichtigsten Rohstoffes resultiert, der deutschen Bevölkerung aufzulasten. Ebenso unmöglich ist es, die durch die Verknappung an Schrottbeständen verursachte Erhöhung der Herstellungskosten auf die Verbraucherschaft abzuwälzen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß die aus dieser Maßnahme der Regierung entstehenden Folgen sich nicht bloß direkt durch eine Abwälzung auf die Verbraucherpreise auswirken, sondern es ensteht auch ein stärkerer Druck auf die verarbeitende Industrie. Wir haben vorgestern einiges über die von der Bundesregierung geplante stärkere „Lenkung" der Investitionen gehört. Die Investitionen sollen in erster Linie in die kriegswichtige Industrie gelenkt werden, und die verarbeitende Industrie wird dabei vernachlässigt. Wir sehen bereits die Auswirkungen der Erhöhung der Rohstoffpreise in der verarbeitenden Industrie, nicht nur in der stärkeren Reduzierung der Arbeitszeit, -
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
- in den erhöhten Rationalisierungsmaßnahmen, sondern auch in zunehmenden Entlassungen in der gesamten eisenverarbeitenden Industrie.
({0})
Alles dies hat seine Ursache in der Politik der systematischen Preiserhöhung für die Rohstoffe, die von den Amerikanern dirigiert und von der Bundesregierung befolgt wird. Wir müssen diese Politik darum, weil sie ein Bestandteil der Kriegspolitik ist, aufs entschiedenste ablehnen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 2038. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1, dem § 2, der Einleitung und Überschrift der Verordnung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mich gebeten, bekanntzugeben, daß der Haushaltsausschuß sofort zu einer Sitzung zusammentreten soll.
({0})
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Inhaftierung von Deutschen wegen Protestaktion auf der Insel Helgoland ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Gundelach das Wort. .
Gundelach ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat sich bereits einige Male mit der Frage Helgoland beschäftigt und die Regierung beauftragt, mit dem englischen Hohen Kommissar Verhandlungen zu führen, um zu erreichen, daß endlich mit der Zerstörung der Insel Helgoland Schluß gemacht wird. Bis zum heutigen Tage liegt ein Ergebnis der Verhandlungen nicht vor, und die Bombardierungen werden, wie bekannt ist, fortgesetzt. Die englische Regierung - das ist doch immerhin beachtenswert - kann sich bei den fortgesetzten Bombardierungen auf keinerlei Vereinbarungen stützen, die nach Einstellung der Kriegshandlungen im Jahre 1945 getroffen wurden. Es handelt sich also um einen absoluten Willkürakt einer Siegermacht.
({3})
Gegen diesen Willkürakt wenden sich nicht nur die ehemaligen Bewohner der Insel Helgoland, denen die Hoffnung auf Rückkehr durch Fortsetzung des Zerstörungswerkes immer mehr genommen wird, sondern alle Deutschen sind empört, die in der Bombardierung der Insel Helgoland eine Teilmaßnahme auf dem Gebiete der Vorbereitung eines neuen imperialistischen Krieges erkennen.
({4})
Zu diesen Deutschen zählen auch jene sieben jungen Menschen, die am 26. Februar dieses Jahres auf der Insel Helgoland landeten, um mit ihrer Tat die Weltöffentlichkeit erneut auf die verwerflichen Handlungen
({5})
der englischen Regierung in der Frage Helgoland aufmerksam zu machen.
({6})
Die Bedeutung der Insel Helgoland für die internationale Schiffahrt sowie für wissenschaftliche Zwecke ist zur Genüge bekannt und wiederholt von dieser Stelle aus festgestellt worden.
({7})
Im Kampf um die Zurückgewinnung der Insel Helgoland für diese Zwecke
({8})
und im Zeichen des Kampfes für die Erhaltung des Friedens unternahmen die sieben jungen Deutschen am 20. Februar
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ihre Landung auf der Insel Helgoland. ({10})
Von diesem Geiste getragen gingen sie nach der Landung an eine praktische Arbeit.
({11})
Sie begannen mit der Einrichtung einer Schutzhütte für in Seenot geratene Seeleute und mit der Wiederherstellung des Friedhofes, der trotz der Versprechungen der englischen Behörden weiterhin durch Bombeneinwirkung zerstört wird.
({12})
Mit diesen ihren Handlungen symbolisierten die sieben jungen Deutschen ihre Absicht,
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durch ihre Landung auf Helgoland die internationale Öffentlichkeit zu Hilfe zu rufen, damit endlich das Zerstörungswerk ein Ende nimmt und Helgoland seinen früheren Bewohnern zurückgegeben wird.
Für diese ihre Handlungen, die auf einem Stück deutschen Bodens unternommen wurden, sind die sieben jungen Menschen von der englischen Besatzungsmacht mit Gewaltanwendung von der Insel Helgoland entfernt und vor ein Militärgericht in Lübeck gestellt worden.
({14})
Sie sind inzwischen verurteilt worden, und einer dieser Helgolandfahrer befindet sich zur Zeit noch in Strafhaft.
({15})
Meine Damen und Herren! Es ist immerhin bernerkenswert, daß die erste Gruppe Helgolandfahrer auf der Insel mit militärischen Ehren begrüßt und daß sie überhaupt von keinem Militärgericht irgendwie behelligt worden ist,
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ganz im Gegensatz zu den jungen Menschen, die am 26. Februar als Anhänger der Friedensbewegung
({17})
auf der Insel Helgoland gelandet waren; sie wurden in Ketten abgeführt
({18}) und vor ein Militärgericht gestellt.
Mit dem von meiner Fraktion gestellten Antrag soll erreicht werden,
({19})
daß der Bundestag gegen die Art und Weise der
Behandlung der sieben Helgolandfahrer protestiert, deren Handlung den Interessen des deutschen Volkes und der Erhaltung des Friedens dient.
({20})
Der von meiner Fraktion gestellte Antrag datiert vom 28. Februar. Er ist inzwischen,
({21}) weil er hier nicht als Dringlichkeitsantrag behandelt wurde, in einem Teile bereits überholt. Ich beantrage daher, den vorliegenden Antrag meiner Fraktion im zweiten Absatz wie folgt verändert anzunehmen:
Der Bundestag fordert die sofortige Freilassung des in Strafhaft befindlichen Helgolandfahrers Hans Peter Goetze
({22})
sowie die Aufhebung der vom britischen Militärgericht in Lübeck ergangenen Urteile gegen die sieben. Helgolandfahrer.
Sie, meine Herren Schreier, die Sie hier so mit aller Deutlichkeit zum. Ausdruck gebracht haben, daß Sie nicht bereit sind, sich für diese sieben
({23})
Helgolandfahrer einzusetzen, beweisen damit nur mit derselben Deutlichkeit, daß Sie amerikahörige, kriegsvorbereitende Menschen sind!
({24})
Herr Abgeordneter Gundelach, ich muß das als eine Beleidigung der Abgeordneten zurückweisen. Ich rufe Sie zur Ordnung!
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich wäre bereit, mich mit einer Anfrage der Kommunistischen Partei zu beschäftigen, die die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ostzone zum Gegenstand hätte.
({0})
Ich lehne es aber ab, einem solch primitiven Propagandamanöver zu folgen,
({1})
wie es uns hier vorgetragen worden ist, und beantrage Übergang zur Tagesordnung.
({2})
Meine Damen und Herren, es ist Übergang zur Tagesordnung beantragt worden. Wünscht jemand für den Antrag zusprechen? - Das ist nicht der Fall. Wünscht jemand dagegen zu sprechen? - Herr Abgeordneter Gundelach!
Meine Damen und Herren! Es wundert uns Kommunisten nicht, daß man den Mut hat, sich hier hinzustellen und eine im Interesse des deutschen Volkes
({0})
und im Interesse des Friedens so wichtige Frage in dieser Form zu erledigen. Wir protestieren gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Übergang zur Tagesordnung ist beschlossen. Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung der Ubersicht Nr. 22 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
Sie haben die Anträge der Ausschüsse auf Umdruck Nr. 98 nach dem Stande vom 9. März vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen der Ausschüsse zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Es liegt Ihnen weiter als nächster Punkt der Tagesordnung vor: Erste Beratung - ({1})
- Herr Professor Nölting, ({2})
- Sie müssen mir schon freundlichst gestatten, die Sache erst aufzurufen.
Ich habe aufzurufen:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, BP und Z eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr ({3}).
Es ist mir mitgeteilt worden, daß auf eine mündliche Begründung dieses Antrages verzichtet werden soll. Ich darf annehmen, daß auch eine Aussprache nicht gewünscht wird, und schlage Ihnen vor Überweisung federführend an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und mitberatend an den Ausschuß für Außenhandel.
({4})
- Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist diese Überweisung erfolgt.
Meine Damen und Herren! Damit bin ich am Schluß der Tagesordnung. - Oder wünscht der Herr Abgeordnete Strauß noch etwas zu einem Antrag zu sagen? - Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Ich berufe die nächste, 129. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. April 1951, 13 Uhr 30. Ich benutze die Gelegenheit, um Ihnen einen ruhigen, erholsamen Urlaub und ein gutes Osterfest zu wünschen,
({5})
und schließe die 128. Sitzung des Deutschen Bundestages.