Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 126. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Suhr, Neumann, Brandt, Dr. Dr. Müller ({0}), Dr. Frey, für drei Tage den Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Höfler, Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Veit und Dirscherl.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Dr. Baur ({1}) wegen einer Studienreise nach Italien für vier Wochen. - Ein Widerspruch erfolgt nicht; das Urlaubsgesuch ist genehmigt.
({2})
Meine Damen und Herren, der Herr Schriftführer war derartig in Fahrt, daß er gleich mitlas, was auf dem Blatt hier vor mir steht. Die Feststellung ist zwar m i r vorbehalten, ich nehme aber an, daß Sie genau so gerne auf seine Frage beschließen.
({0})
Entschuldigt sind die Abgeordneten Mayer ({0}), Clausen, Wittenburg, Agatz, Niebergall, Paul ({1}) und Dr. Dorls.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 12. März 1951 unter Bezugnahme auf den Beschluß der 95. Sitzung eine Übersicht übersandt, aus der hervorgeht, welche Städte außerhalb Bonns als Sitz der Bundesgerichte sowie der obersten und oberen Bundesbehörden bestimmt oder von der Bundesregierung in Aussicht genommen sind. Die Übersicht ist als Drucksache Nr. 2045 verteilt worden.
Weiterhin hat der Herr Bundeskanzler unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft elf Verordnungen zur Kenntnisnahme übersandt, die zwischenzeitlich auch dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundesrates zur Zustimmung gemäß § 2 des vorbezeichneten Gesetzes zugegangen sind. Die Verordnungen werden unter den Drucksachennummern 2031, 2046 und 2047 vervielfältigt.
Unter dem 6. März 1951 hat der Herr Bndeskanzler die Anfrage Nr. 148 der Fraktion der SPD betreffend Deutsche Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten - Drucksache Nr. 1710 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 2033.
Gleichfalls am 6. März 1951 hat der Herr Bundesminister für Arbeit die Anfrage Nr. 63 der Fraktion der DP betreffend betriebliche Altersversorgung - Drucksache Nr. 1949 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 2041.
Am 12. März 1951 hat der Herr Bundeskanzler die Anfrage Nr. 87 der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen betreffend Bundespolizei - Drucksache Nr. 1045 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2052 verteilt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 12. März 1951 die Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Adenauerspende - Drucksache Nr. 1827 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2053 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung habe ich folgendes zu sagen. Ich bitte um Ihr Einverständnis, daß die heutige Tagesordnung erweitert wird - und zwar auf Bitten des Herrn Vorsitzenden des Rechtsausschusses - um die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen, Drucksache Nr. 1985. - Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß diese erste Beratung stattfindet. Es wird sich darum handeln, den Entwurf zur weiteren Behandlung dem Rechtsausschuß zu überweisen.
Weiterhin habe ich nach der Sitzung des Altestenrates die Tagesordnung ergänzt um den Punkt 2: erste Beratung des von den Fraktionen
({0})
der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 - Drucksache Nr. 2044 - und den Punkt 3: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr.11/51 zur Änderung und Ergänzung der Verordnung PR Nr. 59/50 über Getreidepreise für die Monate Oktober 1950 bis Juni 1951 - Nr. 2030 der Drucksachen -, um den Punkt 4: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 12/51 zur Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung PR Nr. 79/50 zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen - Nr. 2037 der Drucksachen - und den Punkt 5: Beratung des Entwurfs einer Verordnung PR Nr. 13/51 über die Verlängerung der Geltungsdauer der Verordnung PR Nr. 78/50 über die Preise für Roheisen, Walzwerkserzeugnisse und Schmiedestücke, Nr. 2038 der Drucksachen. - Ich muß nach der Geschäftsordnung die Genehmigung des Hauses zu dieser Ergänzung der Tagesordnung, die ich vorgenommen habe, einholen.
({1})
- Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Wir werden einverstanden sein, daß der Punkt 2 - der Gesetzentwurf über die vorläufige Haushaltsführung - auf der Tagesordnung bleibt, wenn die Vorlage ohne Debatte an den Haushaltsausschuß überwiesen wird; denn es wird noch eine kurze sachliche Beratung im Haushaltsausschuß notwendig sein.
Dagegen müssen wir auf Grund des § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung gegen die Beratung der Punkte 3, 4 und 5 Einspruch erheben. Es handelt sich hier um eine endgültige Beschlußfassung des Bundestages. Die Drucksachen sind erst heute morgen in die Hände der Abgeordneten gelangt. Es geht hier, wie Sie alle wissen, um Verordnungen von sehr weittragender Bedeutung. Es ist ausgeschlossen, daß dem Hause zugemutet werden kann, schon jetzt über diese Entwürfe von Verordnungen zu entscheiden, wenn sie erst heute morgen den Abgeordneten zugeleitet worden sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Namens der Fraktion der Freien Demokraten unterstütze ich den Standpunkt, den soeben Herr Kollege Mellies verkündet hat. Denn wir sind der Auffassung, daß diese sehr wichtigen Verordnungen erst einmal in den Fraktionen beraten werden müssen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion widerspreche ich auch der Beratung und Behandlung des Punktes Nr. 2 der Tagesordnung. Es handelt sich da um den Initiativantrag der Koalitionsparteien, und es darf wohl angenommen werden, daß die Koalitionsparteien und die Regierung sich darüber klar waren, daß sie vor Ablauf des Monats März zur Weiterführung der Geschäfte eine Genehmigung des Bundestages benötigten. Auch diese Vorlage ist uns heute morgen erst zugegangen.
Im übrigen schließe ich mich dem an, was der
Herr Kollege Mellies zu den Punkten 3, 4 und 5 der Tagesordnung gesagt hat. Es muß unseres Erachtens endlich einmal damit Schluß gemacht werden, daß vor allem das Wirtschaftsministerium in der denkbar letzten Minute den Bundestag mit Verordnungen von so weittragender Bedeutung überfällt, ohne daß der Bundestag Gelegenheit hat, diese Vorlagen in den einzelnen Fraktionen gründlich zu besprechen.
Herr Präsident, ich widerspreche also auch der Beratung des Punktes 2 der Tagesordnung.
Sie haben auch der Beratung des Punktes 2 widersprochen.
Meine Damen und Herren! Die Bestimmung des § 36, daß die Beratungen frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksachen beginnen dürfen, ist zwingend. Das Haus kann davon absehen, wenn nicht zehn Abgeordnete widersprechen. Durch die Erklärungen der Herren Abgeordneten Mellies und Euler steht fest, daß hinsichtlich der Punkte 3, 4 und 5 dieser Widerspruch vorliegt.
Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, diese Punkte morgen auf die Tagesordnung zu setzen?
({0})
- Dann ist vorzusehen, sie auf die Tagesordnung der Sitzung vom Freitag zu setzen. Damit ist die geschäftsordnungsmäßige Frist gewahrt. Ich stelle das ausdrücklich fest.
Darf ich fragen, ob der Widerspruch des Herrn Abgeordneten Renner gegen die erste Beratung des Punktes 2 der Tagesordnung außer von den anwesenden sechs Mitgliedern seiner Fraktion auch von anderen Mitgliedern des Hauses unterstützt wird? - Das ist nicht der Fall. Es wird kein Widerspruch von zehn Mitgliedern erhoben. Damit ist der Widerspruch des Herrn Abgeordneten Renner wirkungslos. Die Beratung des Punktes 2 der Tagesordnung findet statt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({1}) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft ({2}).
Als Berichterstatter hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Oellers.
Dr. Oellers ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner 116. Sitzung vom 1. Februar 1951 den Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft verabschiedet.
Der § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes sieht vor, daß der Bundesminister für Wirtschaft den Sitz dieser Behörde bestimmen soll. Das bedeutete eine Abänderung des ursprünglichen Regierungsentwurfs, der in dem genannten Paragraphen die Fassung hatte: „Die Bundesstelle hat ihren Sitz in Frankfurt/ Main". Der Deutsche Bundesrat hat gegen diese Änderung den Vermittlungsausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes angerufen und verlangt, daß die ursprüngliche Formulierung der Regierungsvorlage im § 1 Abs. 2 wiederhergestellt werde.
({4})
Der Vermittlungsausschuß hat sich mit dieser Frage eingehend beschäftigt. Von dem Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums wurde ausgeführt, daß man allerdings erst zwischen der zweiten und dritten Lesung die Änderung der Regierungsvorlage vorgeschlagen habe, daß das aber seine Begründung in den inzwischen veränderten Verhältnissen gehabt habe. Als man die Vorlage eingebracht habe, sei man von der Annahme ausgegangen, daß ein Abbau der Reste 'der Bewirtschaftung unmittelbar bevorstehe; dagegen habe sich jetzt herausgestellt, daß sowohl hinsichtlich der Ausfuhr als auch hinsichtlich der Einfuhr und neuerdings auch hinsichtlich der Rohstoffversorgung ab Mitte 1950 Bewirtschaftungsmaßnahmen weiterhin notwendig seien. Aus diesem Grunde sei das Bundeswirtschaftsministerium auf eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesstelle für den Warenverkehr angewiesen, die nicht gewährleistet sei, wenn das Amt in der räumlichen Entfernung Frankfurt-Bonn vom Ministerium seinen Sitz habe. Hinzu komme, daß auf Grund eines Räumungsbefehls der alliierten Behörden die jetzige Dienststelle, nämlich die McNair-Kaserne in Frankfurt am Main, geräumt werden soll. Das habe Veranlassung gegeben, mit der Stadt Köln die Verbindung aufzunehmen, um in Köln die Errichtung eines Verwaltungssitzes für die Dienststelle zu gewährleisten, der in einem auf Kosten der Stadt Köln herzurichtenden Verwaltungsgebäude nunmehr auch zu sehr billigen Mietssätzen gefunden worden sei.
Bei den Erörterungen des Vermittlungsausschusses ist die Frage angeschnitten worden, wieweit es mit der vom Deutschen Bundestag verlangten Vorlage einer Generalplanung für sämtliche Sitze der Bundesbehörden seitens der Bundesregierung sei. Nachdem festgestellt wurde, daß dieser Plan jedenfalls zu einem zu benennenden Zeitpunkt noch nicht vorgelegt werden konnte, wurde ein Vertagungsantrag, der dahin ging, das Projekt bis zur Vorlage dieses Planes abzusetzen, abgelehnt. Ein Vertagungsantrag, der dahin ging, den Punkt bis zur Vorlage eines Gutachtens des Bundesrechnungshofes über die eventuellen Kosten beider Möglichkeiten abzusetzen, wurde ebenfalls abgelehnt.
Im Vermittlungsausschuß wurde schließlich noch die Frage behandelt, ob es nicht verfassungspolitischen Bedenken begegnen müsse, wenn man in die Ressortverantwortlichkeit eines Ministers dadurch eingreife, daß man von seiten der Legislative den Sitz eines seiner Ämter bestimme. Der Ausschuß glaubte, daß auch diese Bedenken nicht von entscheidender Bedeutung seien. Nachdem der Vertreter des Landes Hessen, Herr Ministerpräsident Zinn, die Erklärung abgegeben hatte, daß in Frankfurt ein ausreichender Ersatzraum für die beschlagnahmte McNair-Kaserne zur Verfügung stehe, und nachdem er ferner zum Ausdruck gebracht hatte, daß die Bundesregierung bei ihren Erwägungen hinsichtlich einer Verlegung des Dienstsitzes eine entsprechende Frage an die Regierung in Hessen nicht gerichtet habe, beschloß der Ausschuß mit 14 gegen 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen, dem Antrag des Bundesrates zu entsprechen.
Ich habe somit namens des Ausschusses den Antrag vorzulegen, in § 1 Abs. 2 die Regierungsvorlage wie folgt wiederherzustellen:
Die Bundesstelle hat ihren Sitz in Frankfurt/ Main. Zweigstellen können an anderen Orten errichtet werden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Sollen Erklärungen abgegeben werden? - Das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, der Ihnen in der Drucksache Nr. 1974 vorliegt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist gegen etwa 30 Stimmen angenommen. Damit ist der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1951 ({0})
Ich nehme nicht an, daß es nötig sein wird, für diesen Punkt der Tagesordnung eine besondere Redezeit festzusetzen.
Zur Begründung des Antrags hat das Wort der Herr Abgeordnete Bausch.
Bausch ({1}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir verzeichnen heute den 14. März. Am 1. April beginnt ein neues Rechnungsjahr. In normalen Zeiten hätten wir wohl zu diesem Zeitpunkt einen fertig beratenen Haushalt für das kommende Rechnungsjahr in der Hand. Wir leben aber nicht in normalen Zeiten. Der Bund mußte seine Haushaltsgrundlagen völlig neu erarbeiten. Wer von diesen Dingen etwas versteht, weiß, daß die Erarbeitung völlig neuer Haushaltsgrundlagen gewissermaßen aus dem Nichts heraus eine ganz ungewöhnlich schwere Aufgabe ist. .So stehen wir heute vor der Situation, daß wir mit dem Haushalt für 1950 noch nicht fertig sind. Ich darf Ihnen aber sagen, daß die Arbeit des Haushaltsausschusses an der Beratung des Haushalts für 1950 sehr gut vorangeschritten ist.
Der Haushaltsausschuß hat heute früh, um die Beratung voranzutreiben, beschlossen, auch in der kommenden Woche, also in der Woche vor dem Osterfest, zu tagen. Er wird auch in der Woche nach Ostern seine Tätigkeit sofort wieder aufnehmen. Der Haushaltsausschuß ist, sich auch darüber einig, daß der Haushalt für 1950 die Grundlage für den Haushalt für 1951 abgeben soll, und zwar in der Weise, daß der Haushalt für 1950 gewissermaßen als Gerippe im großen und ganzen unverändert in den Haushalt für 1951 eingearbeitet werden soll. Der Haushaltsausschuß ist sich, wie ich zu glauben Anlaß habe, auch in der Absicht einig, die Beratungen des Haushalts für 1951 dann s o rasch zu fördern, daß wir in jedem Falle bis Mitte des Jahres, also vor Beginn der Sommerferien, einen fertig beratenen, abgeschlossenen Haushalt für 1951 in der Hand haben werden. Dadurch eröffnet sich uns die gute und begründete Aussicht, daß wir vor Beginn des Rechnungsjahres 1952 einen fertigen Haushalt für 1952 zur Verfügung haben werden.
Nun, meine Damen und Herren, ist es notwendig, daß wir eine Übergangslösung finden, daß wir eine Rechtsgrundlage für die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1951 schaffen. Zu diesem Zweck haben Ihnen die Regierungsparteien den in Drucksache Nr. 2044 vorliegenden Gesetzentwurf zur Annahme empfohlen.
Ich halte es für nötig, daß dieser Entwurf im. Haushaltsausschuß kurz beraten wird, und möchte
({2})
deshalb die Überweisung dieses Entwurfs an den Haushaltsausschuß beantragen. Ich hoffe, daß die Beratung im Haushaltsausschuß rasch vonstatten gehen und daß dann vielleicht doch die Möglichkeit bestehen wird, diesen Gesetzentwurf noch in dieser Woche auch in zweiter und dritter Lesung anzunehmen.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrages gehört. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner!
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Haushaltsplan für das laufende Etatsjahr, das in wenigen Tagen zu Ende geht, noch nicht fertiggestellt ist, ist ja für uns und auch für die Öffentlichkeit nichts Neues. Daß es notwendig ist, zu Beginn des neuen Rechnungsjahres die Regierung in den Stand zu setzen, durch ein Ermächtigungsgesetz ihre Geschäfte verfassungsmäßig weiterzuführen, ist auch keine neue Erkenntnis. Es war also meines Erachtens durchaus nicht notwendig, uns in dieser denkbar letzten Minute mit diesem Antrage zu überfallen. Er hätte nach Lage des Verhandlungsstandes im zuständigen Ausschuß schon vor Wochen kommen können.
Dies zu der einen Seite der Geschichte. Nun aber noch etwas anderes!
({0})
- Ich weiß es nur zu gut!
({1})
- Das ist auch eine Übertreibung von Ihnen, die sich ein Christ nicht erlauben sollte, Herr Bausch, vor allen Dingen dann nicht, wenn er „moralisch aufgerüstet" ist.
Die Sache hat aber noch eine andere Seite. Wer dieser Regierung diese Ermächtigung in die Hand gibt, ab 1. April die Geschäfte im Rahmen des - wie der Herr Berichterstatter zu Recht gesagt hat
- jetzt erst zusammengestellten oder im Zustande der Zusammenstellung begriffenen Haushalts für 1950 zu führen, der ermächtigt die Regierung, die Maßnahmen weiterzutreiben, die wir im letzten Jahre erlebt haben und die in den letzten Wochen einen derartig unheilvollen Inhalt gewonnen haben, daß sich jeder wirklich überlegen sollte, ob er bereit ist, einer solchen Regierung diese Ermächtigung zu geben.
Wir haben vorhin erlebt, daß auch die sozialdemokratische Fraktion damit einverstanden war, daß dieser Punkt der Tagesordnung heute erledigt wird. Es ist notwendig, den Kollegen von der SPD-Fraktion zu sagen, daß sie damit auch genau so wie die Parteien der Regierungskoalition die Verantwortung dafür übernehmen, daß die Adenauer-Regierung mit Wirkung vom 1. April die Steuern so und in der Höhe eintreibt, wie sie festgelegt sind, daß die Preisbildungspolitik so weitergetrieben wird, wie sie Adenauer in den letzten Wochen begonnen hat. Also alle Mißstände der Politik der Adenauer-Regierung werden dadurch legalisiert, daß man ihr erlaubt, im Rahmen dieser Ermächtigung zu amtieren und zu fungieren.
Auf diese Tatbestände hinzuweisen, war uns ein Bedürfnis. Wir lehnen, da wir die Adenauer-Regierung ablehnen, es selbstverständlich auch ab, ihr in irgendeinem Punkte auch nur die leiseste Ermächtigung zu erteilen.
({2})
- Aber aussprechen dürfen wir es noch. Wenn Sie Ihre Wähler mal fragen würden, würden die Ihnen genau dieselbe Antwort erteilen!
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt, den Entwurf Drucksache Nr. 2044 dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist - mit Ausnahme der von Herrn Kollegen Renner vertretenen Fraktion.
Ich darf zwischendurch aufrufen:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Ergänzung des Gesetzes über den Ablauf
der durch Kriegs- oder Nachkriegsvorschriften
gehemmten Fristen ({0}).
Der Punkt ist in Ergänzung der Tagesordnung auf die heutige Tagesordnung gesetzt worden. Ich nehme an, daß sich die Regierung auf die schriftliche Begründung bezieht. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich schließe die allgemeine Aussprache und darf annehmen, daß das Haus mit der Überweisung der Torlage an den Rechtsausschuß einverstanden ist. Das ist der Fall.
Zur Geschäftsordnung möchte der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano das Wort nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion und der anderen Fraktionen der Regierungskoalition beantrage ich, den Punkt 10 der Tagesordnung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer heute abzusetzen. - Sie wissen, daß die Ausschüsse mit der Arbeit noch nicht fertig geworden sind und daß deswegen auch ein Ausschußbericht noch nicht vorliegt. Es ist also sogar geschäftsordnungsmäßig unmöglich, die Dinge heute zu diskutieren.
Darüber hinaus möchte ich aber eines ausdrücklich feststellen: Es liegt uns nicht daran, dieses Gesetz auch nur um Tage etwa zu verzögern oder zu verschleppen.
({0})
- Sie haben ja gleich die Gelegenheit, zu reden, Herr Kollege. - Ich glaube, daß die Arbeit des Ausschusses bewiesen hat, daß man mit äußerster Energie und mit größtem Verantwortungsgefühl hier an die Arbeit gegangen ist.
({1})
Ein Gesetz dieser Art, meine Damen und Herren, ist von einer ungeheuren Bedeutung für unser gesamtes Sozial- und Wirtschaftsleben; und ich bin der Überzeugung und glaube, daß hier ein Widerspruch kaum möglich ist, daß eine solche Vorlage wirklich einer besonders sorgfältigen Beratung und Erwägung bedarf. Ich glaube nicht, daß hier das Argument der drängenden Zeit stärker sein dürfte als alle d ie Argumente, die für eine sachliche und gründliche Beratung sprechen.
({2})
Ich erkläre mich für meine Freunde auch durchaus
damit einverstanden, daß die Beratungen, die in
den Ausschüssen fortgesetzt werden, baldigst zum
({3})
Abschluß geführt werden und daß wir in der ersten Sitzung nach Wiederaufnahme der Arbeit des Plenums die zweite Lesung beginnen.
Zur Geschäftsordnung hat weiter das Wort Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! Ganz ungeachtet unserer grundsätzlichen Stellungnahme zu der Gesetzesvorlage widersprechen wir dem Antrag auf Absetzung des Punktes 10 von der Tagesordnung. - Der Herr Kollege von Brentano glaubte, darauf hinweisen zu können, daß nicht die Absicht bestehe, die Verabschiedung dieser Vorlage irgendwie zu sabotieren. Aber ich glaube, daß der Verlauf der Beratungen, und zwar sowohl im Arbeitskreis als auch in den gemeinsamen Beratungen des Wirtschafts- und Arbeitsausschusses, diese Tendenz ganz eindeutig unterstrichen hat. Es wäre absolut möglich gewesen, in den letzten Tagen auch die noch offenstehenden Fragen der §§ 6, 8 und 11 zu einer Erledigung zu bringen, so daß heute die vorgesehene zweite Beratung dieses Gesetzes und dann die für Freitag beabsichtigte dritte Beratung hätte durchgeführt werden können.
Es entzieht sich im Augenblick meiner Kenntnis, inwieweit die Einsprüche von der französischen und von der belgischen Regierung - dazu sollen ja auch noch die Benelux-Staaten kommen - bei der Stellungnahme der Regierungsparteien hinsichtlich der Verabschiedung dieser Vorlage eine gewisse Rolle gespielt haben. Wesentlich scheint mir aber zu sein, daß angesichts der Haltung verschiedener Vertreter der Regierungskoalition in den Ausschüssen schon erwiesen ist, daß auf lange Zeit hinaus diese Vorlage nicht zur Verabschiedung gelangen soll.
Ich wiederhole also: ungeachtet unserer eigenen Haltung zu dieser Vorlage widersprechen wir der Absetzung von der Tagesordnung.
({0})
Weiterhin hat zur Geschäftsordnung das Wort der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß entgegen der sonstigen Regelung in diesem Hause die jetzt vorgeschlagene Abänderung der Tagesordnung nicht zu Beginn der Sitzung oder bei dem betreffenden Punkt der Tagesordnung zur Diskussion gestellt worden ist.
({0})
Ich möchte hier für die sozialdemokratische Fraktion erklären, daß wir dem Antrag auf Absetzung des Punktes 10 der Tagesordnung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht zustimmen können, und ich möchte das Hohe Haus auf die besondere Bedeutung und die große Tragweite einer Absetzung dieses Punktes ausdrücklich aufmerksam machen. Niemand in diesem Hause kann die Dringlichkeit der Erledigung dieser Angelegenheit bestreiten.
({1})
Genau vor einem Monat hat hier im Hause die
erste Lesung dieses Entwurfs stattgefunden. Inzwischen haben die Ausschüsse einen Monat Zeit
gehabt, um die Differenzen und Streitfragen zu
behandeln. Wir haben vor allem im letzten Teil der
Beratungen im Ausschuß den Eindruck gewonnen,
daß mindestens ein Teil der Ausschußmitglieder die Absicht verfolgt, eine baldige und positive Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs zu verzögern.
({2})
Mit allem Nachdruck möchten wir unsere ernsteste` Sorge über diese Taktik gegenüber einer solchen Lebensfrage der deutschen Demokratie zum Ausdruck bringen.
({3})
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in einer besonderen und merkwürdigen Situation. Wir haben eine Vorlage der Regierung gehabt, die nach all dem, was vorangegangen war, als eine tragbare Basis für eine positive Entscheidung angesehen werden konnte.
({4})
Die Beratungen im Ausschuß haben bei uns nicht nur den Eindruck erweckt, daß man Zeit gewinnen will, sondern daß man auch in bestimmten Teilen dieses Hauses glaubt, unter dem Zeitgewinn sachliche Verschlechterungen des Entwurfs durchführen zu können,
({5})
und zwar in einem Maße, daß der positive Wert dieses Gesetzes überhaupt gefährdet erscheint.
({6})
Täuschen Sie sich doch bitte darüber nicht, daß die Entscheidung über dieses Gesetz weit über den Rahmen seiner Bedeutung für die unmittelbar Betroffenen hinausgeht!
({7})
Ich möchte im Namen meiner Fraktion angesichts der gegenwärtigen allgemeinen innen- und außenpolitischen Lage der Bundesrepublik mit allem Nachdruck dafür plädieren, daß wir heute zu diesem Gesetzentwurf in zweiter Lesung Stellung nehmen.
({8})
- Das geht! Sie brauchen gar nichts anderes zu tun, als den ursprünglichen Entwurf der Regierung jetzt zur Debatte zu stellen.
({9})
Ich will nicht zur Sache sprechen.
({10})
Ich will nur eines sagen, meine Damen und Herren, und das meine ich gegenüber allen denjenigen Mitgliedern dieses Hauses, die durch ihr Verhalten bei uns den Verdacht einer solchen Verschleppung erweckt haben. Glauben Sie nicht, daß in diesem Falle das Wort: „Zeit gewonnen, viel gewonnen" zu irgendeinem Resultat in Ihrem Sinne führen wird!
({11})
Ich möchte Sie außerdem auf folgendes aufmerksam machen. Sie wissen, daß die beteiligten. Arbeitnehmerkreise, die von diesem Gesetz betroffen werden, bisher in vollem Vertrauen auf eine loyale Durchführung einer Abmachung der Behandlung im Parlament gegenübergestanden haben. Sie sind an dem Punkt, wo eine weitere Verschleppung dieser Angelegenheit dazu führen muß, den
Deutscher Bundestag - 126. Sitzurig, Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951 4787
({12})
Glauben an eine loyale Erledigung auf das schwerste zu erschüttern.
({13})
- Das hat mit „Drohung" nichts zu tun. ({14})
Wenn Sie gegenüber 800 000 Arbeitnehmern Anfang Februar dieses Jahres in diesem Hause die Erklärung abgegeben haben, daß nach einer sachlichen Erledigung im Ausschuß die Vorlage so schnell wie möglich auch zur Entscheidung im Plenum gebracht werden soll, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn einen Monat später Zweifel an den loyalen Absichten in der Öffentlichkeit hervortreten.
({15})
Wir wünschen, daß die ganze Angelegenheit mit einem positiven Resultat im Sinne der Stärkung der Demokratie
({16})
und des sozialen Gehalts dieser Demokratie erledigt wird.
Aus diesem Grunde widersprechen wir dem Antrag auf Absetzung von der Tagesordnung und bitten Sie, den Punkt auf der Tagesordnung zu belassen, damit wir heute im Plenum in die zweite Lesung dieses Gesetzentwurfs eintreten können.
({17})
Meine Damen und Herren! Es liegen weitere vier Wortmeldungen zur Geschäftsordnung vor. Ich möchte zur Klärung des Sachverhalts folgendes sagen. Der Herr Abgeordnete Ollenhauer hat beanstandet, daß die Frage, ob der Punkt 10 der Tagesordnung erörtert werden kann oder nicht, nicht zu Beginn der Sitzung oder bei dem Aufruf dieses Punktes der Tagesordnung behandelt worden ist. Der Punkt ist vom Ältestenrat auf die Tagesordnung gesetzt worden. Ich hätte beim Aufruf dieses Punktes pflichtgemäß zu fragen gehabt, ob angesichts der Tatsache, daß ein Ausschußbericht nicht vorliegt und die Behandlung im Plenum gemäß § 40 der Geschäftsordnung erst am zweiten Tage nach Verteilung des Ausschußberichts vorgenommen werden soll, Widerspruch gegen die Behandlung erhoben würde. Auch die Kürzung dieser Frist wäre nur möglich gewesen, wenn nicht zehn Abgeordnete widersprechen. Der Widerspruch ist von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano ausgesprochen worden. Damit liegt der Widerspruch vor.
Meine Damen und Herren, eine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit, diesen Punkt der Tagesordnung heute zu erörtern, gibt es angesichts dieses Widerspruches und des Nichtvorliegens des Ausschußberichts nicht. Es bedarf keiner Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten von Brentano, sondern es liegt eine geschäftsordnungsmäßige Unmöglichkeit vor.
({0})
- Ich habe nicht verstanden, was eben gesagt wurde.
({1})
- Darf ich die Frage stellen, ob der Widerspruch des Herrn Abgeordneten von Brentano unterstützt wird.
({2})
- Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie zur Geschäftsordnung sprechen? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Mellies!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, so kann man die Angelegenheit geschäftsordnungsmäßig nicht erledigen.
({0})
Darf ich fragen, wer soeben das Wort „Schiebung" ausgesprochen hat. - Ich sehe nicht, wer es ist.
({0})
- Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zur Ordnung. Ich muß mir verbitten, daß meine Maßnahmen als Schiebung bezeichnet werden.
Meine Damen und Herren! Die letzte Entscheidung über die Behandlung einer Angelegenheit liegt immer beim Plenum dieses Hauses. Wenn wir nach der Ansicht des Präsidenten verfahren wollten, könnte ein Ausschuß irgendeine Vorlage nicht nur Monate, sondern Jahre hindurch verschleppen
({0})
und im Plenum wäre eine Behandlung nicht möglich. Das Plenum kann zwar die Anträge und die Gesetzesvorlagen den Ausschüssen überweisen. Es hat aber selbstverständlich jederzeit die Möglichkeit, die Angelegenheit von sich aus wiederaufzugreifen, wenn es der Ansicht ist, daß die Ausschüsse mit ihrer Arbeit nicht vorankommen oder sie nicht so erledigen, wie es im Interesse des Hohen Hauses gewünscht wird.
({1})
Sie finden auch keine Bestimmung in der Geschäftsordnung, die einer solchen Regelung widerspricht. Herr Abgeordneter Ollenhauer hat soeben ausdrücklich darauf hingewiesen: wenn das Haus heute in die zweite Lesung eintreten will, steht zwar nicht der Bericht der Ausschusses hier zur Verhandlung, es liegt uns aber die Vorlage der Regierung vor. Diese Vorlage der Regierung kann jeden Augenblick in zweiter Lesung auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt werden, wenn das Plenum das will und beschließt, ohne daß der Bericht des Ausschusses vorliegt. Es kann also nicht so verfahren werden, wie der Herr Präsident es vorgeschlagen hat, nämlich davon auszugehen, daß ein Widerspruch des Abgeordneten von Brentano vorliegt, sondern es muß jetzt ausdrücklich beschlossen werden, daß der Punkt nach dem Antrag des Herrn von Brentano von der Tagesordnung abgesetzt wird.
Herr Abgeordneter Mellies, ich bin weiterhin nicht dieser Auffassung.
({0})
Die Frage, welche Berichte zur Debatte stehen, ist in der Geschäftsordnung eindeutig geregelt. Es steht Ihnen frei, den Antrag zu stellen, daß heute eine zweite Beratung auf der Grundlage des Gesetzentwurfs der Regierung stattfindet. Wenn Sie beabsichtigen, einen solchen Antrag zu stellen, lasse ich über ihn abstimmen. Soll ich Ihre Ausführungen so verstehen, Herr ' Abgeordneter Mellies?
({1})
Jetzt muß ich, da Herr Abgeordneter Loritz und die Herren Abgeordneten Euler, Walter und von Brentano sich auch gemeldet haben, nach der
({2})
Reihenfolge verfahren. Wollen die anderen Herren verzichten?
({3})
- Herr Abgeordneter Loritz wünscht nicht zu verzichten. Bitte, Herr Abgeordneter Loritz!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der WAV-Fraktion nur kurz einiges sagen: Wir warnen vor einem Präjudiz, das unter Umständen später einmal gerade der Opposition am allermeisten schaden könnte. Wir haben noch keinen Ausschußbericht. Es ist ein absolut ungewöhnliches Verfahren, hier ohne Auschußbericht eine zweite Lesung durchzuführen. Ich glaube, die Opposition wird Manns genug sein, im Ausschuß zu verhindern, daß eine Verschleppung usque ad infinitum eintritt. Jedenfalls ist heute die Lage so, daß wir, die überwiegende Mehrheit in diesem Hause, nicht wissen, was im Ausschuß überhaupt gesprochen und beschlossen worden ist. Unter diesen Umständen hier in zweiter Lesung darüber zu debattieren, hieße, die Rechte der überwiegenden Mehrheit des Parlaments preiszugeben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob das, was der Herr Abgeordnete Loritz hier soeben vorgebracht hat, ein Anzeichen einer neuen Koalition ist.
({0})
Ich möchte nur folgendes feststellen: nach meiner Auffassung irrt der Herr Präsident. Er mißachtet den Abs. 1 und den Abs. 3 von § 36 der Geschäftsordnung. Der Abs. 1 lautet:
Gesetzentwürfe, Haushaltsvorlagen und Staatsverträge werden in drei Beratungen, alle anderen Vorlagen in einer Beratung erledigt. Die Beratungen beginnen frühestens am dritten Tage nach Verteilung der Drucksache.
Die Drucksache ist in Form einer Vorlage der
Bundesregierung verteilt worden. Der Ausschuß
hat sich bis jetzt nicht sehr beeilt und hat keinen
Ausschußbericht erstattet.
({1})
Der Geschäftsordnungsausschuß hat vor kurzem erst aus einem anderen Anlaß darauf hingewiesen - das ist in seinen Protokollen nachzulesen -, es sei ein Unding, daß ein Ausschuß die ordnungsgemäße Erledigung der ihm übertragenen Verpflichtungen aus eigenem Willen
({2})
nicht so vollzieht, wie es das Plenum erwarten darf.
In § 36 Abs. 3 heißt es:
Der Bundestag kann jederzeit beschließen, die Beratung eines Gegenstandes auf bestimmte Zeit bis zu vier Wochen auszusetzen. Der Antrag muß gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen.
Auch hier darf festgestellt werden, daß die Vorlage der Bundesregierung vor mehr als vier Wochen vorgelegen hat und dem zuständigen Ausschuß überwiesen worden ist.
Nun möchte ich darauf aufmerksam machen, daß in Anwendung des § 119 der Geschäftsordnung nach meiner Auffassung eine andere Regelung Platz greifen muß. Es heißt hier:
Eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Auslegung
- und die hier beliebte Auslegung ist grundsätzlicher Natur und geht über den Einzelfall hinaus - einer Vorschrift der Geschäftsordnung kann nur der Bundestag beschließen, und zwar nur auf Antrag und nach Prüfung durch den Geschäftsordnungsausschuß.
Es drängt sich also geradezu auf, diesen Fragenkomplex zunächst einmal dem Geschäftsordnungsausschuß in einer sofort einzuberufenden Sitzung zur Abklärung zu übertragen, ehe Sie, meine Damen und Herren, mit einer etwaigen Mehrheit gerade das tun, was der Herr Abgeordnete Loritz mit seinen letzten Ausführungen vermieden wissen wollte, nämlich ehe Sie die Rechte des Parlaments mit Füßen treten.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ritzel wird mir verzeihen, daß seine Ausführungen mich nicht überzeugt haben. Ich vermag nicht ganz einzusehen, daß die Anwendung der Bestimmungen über die Fristen im § 36 bei den Punkten 3, 4 und 5 der heute vorgesehenen Tagesordnung offenbar eine Einzelentscheidung ist und Ihnen selbstverständlich zulässig erscheint, während die Anwendung einer völlig korrespondierenden Entscheidung im § 40 zu einer grundsätzlicherí Entscheidung gemacht wird.
({0})
Ich muß darauf hinweisen, daß inzwischen der
eben in Aussicht gestellte Antrag der Fraktion der
Sozialdemokratischen Partei eingegangen ist:
Die zweite Lesung des Gesetzes Drucksache Nr. 1858, Mitbestimmungsrecht, wird auf die heutige Tagesordnung gesetzt.
Ich darf den Antrag so verstehen, Herr Abgeordneter Mellies, daß Sie beantragen, im Rahmen der heute aufgestellten Tagesordnung den Regierungsentwurf zur Grundlage der zweiten Beratung zu machen.
({1})
Meine Damen und Herren, über einen solchen Antrag lasse ich abstimmen.
({2})
Zur Geschäftsordnung hat zunächst Herr Abgeordneter von Brentano das Wort.
({3})
- Sie haben erst hinterher ums Wort gebeten.
({4})
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, mich mit den Ausführungen des Kollegen Ritzel auseinanderzusetzen. Herr Kollege Ritzel mag mir verzeihen, wenn ich sage: das war eine recht gewaltsame Ausdeutung der Geschäftsordnung.
({0})
Aber ich halte es für notwendig, gegenüber den Ausführungen der Herren Kollegen Ollenhauer und Mellies einiges zu sagen.
Zunächst konnte man aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer etwa entnehmen, das
Deutscher Bundestag - 12e. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März -1951 4789
({1})
Haus sei mit diesem Antrag auf Absetzung überrascht worden. Ich möchte nur zur Steuer der Wahrheit feststellen, daß ich bereits gestern nachmittag Herrn Kollegen Ollenhauer in einem persönlichen Gespräch von dem Beschluß meiner Fraktion Kenntnis gegeben habe und daß deswegen also die Tatsache, daß dieser Absetzungsantrag von uns gestellt wird, nicht unbekannt war.
Zum zweiten: Es ist aus den Ausführungen dieser beiden Redner der sozialdemokratischen Fraktion der Vorwurf herausgeklungen, daß der Ausschuß die. Arbeit verzögern wolle, und es ist der Vorwurf herausgeklungen, als sei die heutige Absetzung des Antrags von der Absicht getragen, hier eine unbillige, unangemessene Verzögerung eintreten zu lassen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß ich einem solchen Vorwurf allerdings mit aller Entschiedenheit widersprechen muß.
({3})
Dieser Vorwurf ist für den, der die Beratungen von 15 Sitzungen des Ausschusses zu verfolgen sich die Mühe gemacht hat, unglaubwürdig.
({4})U: Unerhört!)
Ich stelle weiter noch eines fest: Der Herr Kollege Ollenhauer sagte, es könne etwa in der Offentlichkeit der Eindruck entstehen, als entziehe sich das Hohe Haus der loyalen Erledigung einer Vereinbarung.
({5})
Meine Damen und Herren, zwei Dinge! Erstens einmal: Auch eine loyale Erledigung setzt eine sachliche Prüfung voraus,
({6})
und wenn wir über Lebensfragen des deutschen Volkes wie etwa das Lastenausgleichsgesetz seit einem Jahre beraten, kann man nicht sagen, daß die Regelung des Mitbestimmungsrechts bei Kohle und Eisen innerhalb vier Wochen abgeschlossen sein müsse,
({7})
wenn man obendrein noch, meine Damen und Herren, dabei feststellt, daß dieses Gesetz frühestens am 31. Dezember in Kraft treten wird, daß also ein gesetzloser Zustand gar nicht in Frage kommt.
({8})
Zum zweiten, meine Damen und Herren, haben allerdings ich und auch meine Fraktion nicht die Auffassung, daß das Hohe Haus berufen ist, Vereinbarungen loyal zu erledigen, sondern wir als Gesetzgeber haben die Verpflichtung vor uns und vor unseren Wählern, jede Vorlage mit der äußersten Sorgfalt zu prüfen und nach unserem besten Wissen und Gewissen zu entscheiden.
({9})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Auslegung der Geschäftsordnung ist in diesem Punkt sehr einfach. Auf der Tagesordnung steht nicht der Gesetzentwurf der Regierung, sondern der Mündliche Bericht des Ausschusses. Dieser Mündliche Bericht liegt noch nicht vor.
({0})
Dieser Mündliche Bericht kann schon deshalb nicht vorliegen, weil die Ausschußberatungen überhaupt noch nicht abgeschlossen sind. Wenn jetzt die Fraktion der SPD beantragt, daß der Gesetzentwurf der Regierung auf die Tagesordnung gesetzt werden soll, so ist das die Beantragung eines neuen Tagesordnungspunktes,
({1})
der nicht zur Abstimmung gestellt werden kann, demgegenüber vielmehr schon der Widerspruch eines einzelnen Mitgliedes genügt, um die Rufsetzung dieses Tagesordnungspunktes zu verhindern.
({2})
Im übrigen darf ich für die intensive Arbeit des Ausschusses und ihrer Notwendigkeit sagen, daß diese Prüfung um so sorgfältiger sein muß, als die Einigung seinerzeit aus einer Lage erwachsen war, die dahin zu kennzeichnen ist,
({3})
daß die Gewerkschaften einen rechtswidrigen Angriff auf den demokratischen Staat vollzogen hatten.
({4})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Walter. - Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die Debatte auf geschäftsordnungsmäßige Fragen zu beschränken!
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter!
Meine Damen! Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mellies waren auf keinen Fall überzeugend, als er beweisen wollte, daß wir die Vorlage behandeln könnten, ohne daß ein Bericht des Ausschusses vorliegt. Wenige Augenblicke vorher war von Herrn Mellies behauptet worden, die beiden Tagesordnungspunkte 2 und 3 könnten nicht behandelt werden, weil die Ausschußberichte zwar vorlägen, aber erst vor kurzem in die Hände der Abgeordneten gelangt seien.
({0})
Nun soll ein so wichtiges Gesetz wie das Mitbestimmungsgesetz für Kohle und Eisen behandelt werden, ohne daß Rücksicht darauf genommen wird, welche endgültige Formulierung das Gesetz in den Beratungen des Ausschusses gefunden hat.
({1})
Die Herren von der Opposition behaupten, es sei eine bewußte Hinausschleppung der Verabschiedung dieses Gesetzes beabsichtigt. Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß der Vorsitzende des Ausschusses, Herr Kollege Sabel, immer wieder erklärt hat, daß wir eine Hinauszögerung der Behandlung dieser Vorlage im Plenum nicht verantworten können. Er hat die Verhandlungen über das Gesetz im Ausschuß mit dem größten Verantwortungsgefühl geführt.
({2})
({3})
Nun zu der Gesetzesvorlage selbst. Es wird niemand bestreiten - ({4})
Herr Abgeordneter Walter, wollen Sie sich bitte auf die Geschäftsordnungsfrage beschränken!
Jawohl, und da möchte ich zu bedenken geben, daß die Gesetzesvorlage der Regierung sehr schnell zusammengestellt wurde, so daß diese die Mängel selbst zugab, die bei den Arbeiten im Ausschuß beseitigt werden mußten. Das ist geschehen; es ist aber noch keine endgültige Beschlußfassung erfolgt. Daher steht eine Behandlung im Plenum außer jeder Diskussion. Auch der Grund, den der Herr Abgeordnete von Brentano schon erwähnte, .daß dieses Gesetz ja erst am 31. Dezember in Kraft gesetzt werden soll, sollte uns vor Übereilung bewahren. Es geschieht also niemandem ein Schaden, wenn wir das Richtige im Ausschuß gründlich erarbeiten und erst dann das Gesetz im Plenum zur Diskussion stellen.
({0})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Renner. - Meine Damen und Herren, darf ich an Sie appellieren, sich in Ihren Bemerkungen zur Geschäftsordnung möglichst kurz zu fassen. Wir kommen dann weiter.
Meine Damen und Herren! Die Auslegung einer Geschäftsordnung
({0})
- ist Sache des Präsidenten, jawohl! Aber der Ablauf der heutigen Verhandlung hat bewiesen, daß Sie diesen in der Geschäftsordnung verankerten Grundsatz nicht einzuhalten gedenken, wenn es Ihnen gerade so paßt, Herr Mayer!
({1})
Die Auslegung der Geschäftsordnung ist eine absolute Machtfrage und gar nichts anderes.
({2})
Herr Abgeordneter Renner, darf ich fragen: Was wollen Sie mit der Feststellung, daß die Auslegung der Geschäftsordnung eine Machtfrage sei, sagen?
({0})
- Ich verzichte auf eine Antwort. Ich vermute, daß das aus Ihren Erfahrungen aus anderen Staaten stammt.
({1})
Es stammt zum Teil auch aus den Erfahrungen aus anderen Ländern. Aber das sind alles kapitalistische Länder, aus denen meine Erfahrungen stammen.
({0})
Auf der Tagesordnung stehen zwei Dinge; man braucht sie nur einmal nachzulesen. Da steht als Punkt 10: „Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer" usw., Drucksache Nr. 1858.
({1})
Drucksache Nr. 1858 ist die Regierungsvorlage. Daneben steht dann: „zu 1858", das ist die Stellungnahme des Bundesrates. Und daneben steht „Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({2}) - Nr. 2042 der Drucksachen -".
({3})
Dieser Mündliche Bericht liegt noch nicht vor aus den Gründen, die hier von links wahrheitsgetreuer dargestellt worden sind als von rechts.
Hier ist aber der Tatbestand zu verzeichnen, daß der Herr Kollege Mellies ausdrücklich die Regierungsvorlage aufgegriffen hat, und diese steht auf der Tagesordnung. Es wäre auch durchaus möglich, daß die fehlende Drucksache durch eine Mehrheit hier im Bundestag abgelehnt wird, und es ist ebenso durchaus möglich, daß die ursprüngliche Regierungsvorlage durch einen eventuellen Mehrheitsbeschluß wiederhergestellt wird.
({4})
- Ich bin nicht Ihr Berater. Ich lege nur die Geschäftsordnung aus, wie sie ausgelegt zu werden verdient, und nicht, wie es Ihnen paßt. Wir sind der Meinung - vor allen Dingen nachdem Herr Euler noch einmal die Katze aus dem Sack gelassen hat -, daß es richtig ist, wenn denjenigen, die hier einer ordnungsmäßigen Behandlung widersprechen, die Absicht unterstellt wird, die Klärung dieser Angelegenheit auf den Sankt-Nimmerleins-Tag hinauszuzögern. Auch wir sind der Auffassung, daß das tatsächlich ihre Absicht ist. Wir kennen auch die dunklen Kräfte, die hinter dieser Gruppe stehen, die heute diese Schwierigkeiten macht. Die kennen wir auch, die wohnen zum Teil ganz nah von uns, drüben auf dem Petersberg. Nicht wahr, so liegen doch die Dinge! Also, man soll uns nicht damit kommen, unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung die Absetzung dieses Tagesordnungspunktes durchzudrücken, sondern man soll wahrheitsgemäß sagen: Wir wollen keine Beratung, und wir beugen dieserhalb auch die Geschäftsordnung.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man die Geschäftsordnung auslegen will, muß man sie zunächst einmal gelesen haben; aber das scheint hier im Hause vielfach nicht der Fall zu sein.
({0})
Die Tagesordnung des Bundestages ist vom Bundestage selbst am Schluß einer Sitzung für die nächste Sitzung zu bestimmen. Das steht in § 69. Danach ist aber gewöhnlich nicht verfahren worden. Für diesen Fall sieht die Geschäftsordnung vor, daß der Präsident die Tagesordnung festsetzt und das Haus zu Beginn der Sitzung darüber entscheidet. Das steht in § 70. Dort heißt es: Selbständig setzt der Präsident Zeit und Tagesordnung fest, wenn der Bundestag die Festsetzung unterlassen hat usw. In Abs. 2 steht: Hat der Präsident die Tagesordnung festgesetzt, „so muß er bei Beginn der Sitzung die Genehmigung des Bundestags einholen". Das ist ein Mußvorschrift. Gewöhnlich wird diese Forderung durch stillschweigendes Einverständnis des Hauses erfüllt. Es kann aber n u r bei Beginn der Sitzung und sonst zu
({1})
keinem andern Zeitpunkt mehr über die Tagesordnung entschieden werden.
({2}) Dazu kommt die Bestimmung des § 47:
Die Fristen zwischen der ersten und zweiten
Beratung können bei der Feststellung der Tagesordnung verkürzt oder aufgehoben werden.
Zeitpunkt für die Feststellung der Tagesordnung ist der Beginn der Sitzung; da hat das Hohe Haus über die ihm vorgelegte Tagesordnung zu entscheiden, und mit dieser Entscheidung sind auch die Fristen verkürzt. Es kann dann nicht bei irgendeinem Punkt 9 oder 10 jemand aufstehen und einwenden, daß die Fristen nicht gewahrt wären. Vor allen Dingen gibt gerade für diesen Fall, der uns heute hier interessiert, § 72 eine Sonderregelung. Dort heißt es:
Wird der von einem Ausschuß angekündigte mündliche Bericht nicht erstattet,
- genau das liegt vor so kann der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt oder zurückgestellt werden.
({3})
Es kann also geschehen, d. h. es bedarf eines Antrags, wenn es geschehen soll. Über den Antrag auf Absetzung ist dann abzustimmen.
Das ist alles so klar und einfach, wenn man sich einmal die Mühe gemacht hat, die Geschäftsordnung nicht nur in den ersten, sondern auch in den letzten Paragraphen zu lesen, daß darüber ein Streit gar nicht ausbrechen dürfte. Der Hintergrund ist ja, daß Sie nicht wagen, die Absetzung offen zu beantragen und darüber abstimmen zu lassen; das ist der wirkliche Grund.
({4})
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, ich darf feststellen, daß ich mit Ihnen in dem Wissen um die Notwendigkeit, die Geschäftsordnung zu lesen, völlig einig bin. Ich habe nur den Eindruck, daß das nicht immer zur gleichen Auslegung führt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit wenigen Sätzen auf einige Bemerkungen der Herren Kollegen von Brentano und Euler eingehen.
Ich habe hier lediglich beanstandet, daß der Herr Kollege von Brentano den von ihm angekündigten Antrag auf Absetzung dieses Tagesordnungspunktes nicht zu Beginn der Tagesordnung vorgebracht hat. Ich finde, daß wir diese bisher gepflogene Übung im Hause nicht aufgeben sollten.
({0})
Der Herr Abgeordnete von Brentano hat gemeint, ich sei nicht berechtigt gewesen, davon zu sprechen, daß von einem Teil der Mitglieder des Ausschusses mindestens im letzten Teil der Ausschußberatungen eine Taktik verfolgt worden ist, die bei uns den Verdacht hat aufkommen lassen, daß man die sachliche Entscheidung verschleppen will. Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß wir gerade nach einer sehr eingehenden Prüfung der Beratungen des Ausschusses in der letzten Woche von Tag zu Tag mehr den Eindruck gewonnen haben, daß man hier erstens die Entscheidung überhaupt verschleppen will und daß man zweitens, wenn man eine Entscheidung -schließlich herbeiführen muß, hofft, wesentliche Verschlechterungen des Gesetzes im Ausschuß durchsetzen zu können.
({1})
Wir sind entschlossen, uns mit aller Entschiedenheit sowohl gegen das eine als auch gegen das andere Motiv zur Wehr zu setzen.
Meine Damen und Herren, was diesen zweiten Punkt angeht, so konnte keine stärkere Bestätigung für die Richtigkeit unseres Verdachtes gegeben werden als durch die Rede des Herrn Kollegen Euler.
({2})
Genau so haben wir vermutet, daß man sich nämlich jetzt auf dieser Seite des Hauses auf den
Standpunkt stellt, man sei ja in keiner Weise durch
außerparlamentarische Vereinbarungen gebunden
und müsse jetzt die Sache ganz von neuem prüfen.
({3})
Meine Damen und Herren, so steht die Partie nicht.
({4})
Der Ausschuß berät. meines Wissens über eine Vorlage Ihrer Regierung.
({5}) Bitte, meine Herren, Sie haben zu entscheiden,
({6}) was Sie mit dieser Regierungsvorlage wollen. Es ist für uns sehr interessant, daß eine Regierungspartei sich heute in einer solchen Weise von einer Regierungsvorlage distanziert.
({7})
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eines sagen: Wir sind nicht bereit, die Differenzen, die Sie in dieser Frage im Regierungslager haben, auf Kosten der Interessen der Arbeitnehmer austragen zu lassen.
({8})
Das ist die Situation; und wenn Sie diesen Verdacht von sich nehmen wollen, haben Sie gar keine andere Wahl, als sich damit einverstanden zu erklären, daß wir unbeschadet des ausstehenden Ausschußberichtes heute in die zweite Lesung der Regierungsvorlage eintreten.
({9})
Meine Damen und Herren, ich vermute, daß zur geschaftsordnungsmäßigen Frage wesentlich neue Gesichtspunkte nicht mehr vorgetragen werden. Darf ich Ihnen den Vorschlag machen, diese Geschäftsordnungsdebatte zu beenden.
Ich stelle erstens zu dem, was Herr Kollege Arndt gesagt hat, fest, daß die Verkürzung anderer Fristen als der zwischen erster und zweiter Beratung nach § 47 Abs. 1 nicht an die Bedingung der Beantragung bei Beginn der Sitzung geknüpft ist; zweitens, daß die Absetzung von der `Tagesordnung - auch wenn es üblich ist, Herr Kollege Ollenhauer, sie zu Beginn der Sitzung zu beantragen - nach § 72 der Geschäftsordnung nicht an diesen Zeitpunkt gebunden ist. Ich hätte, wie ich Ihnen vorhin erklärt habe, beim Aufruf des Punktes 10 der Tagesordnung, wenn dessen Absetzung bis dahin nicht beantragt worden wäre, gefragt, ob die Tatsache, daß ein Ausschußbericht nicht vorliegt, zu einem Widerspruch führt. Dieser Widerspruch ist jetzt ausgesprochen worden, bevor der Punkt aufgerufen worden ist. Ich muß demgemäß über den jetzt gestellten Antrag auf Absetzung
({0})
des Punktes 10 von der Tagesordnung abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Absetzung des Punktes 10 von der Tagesordnung sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
- Ich bitte, die Abstimmung noch einmal zu wiederholen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen bitte! ({2})
Der Sitzungsvorstand ist nicht einig. Meine Damen und Herren, ich bitte, über diesen Antrag auf Absetzung des Punktes 10 von der Tagesordnung durch Hammelsprung abzustimmen.
({3}) Ich bitte, mit der Abstimmung zu beginnen.
({4})
- Meine Damen und Herren, darf ich bitten, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag auf Absetzung des Punktes 10 von der Tagesordnung haben gestimmt 202 Abgeordnete, dagegen 140; Enthaltungen 13.
({5})
-.Weil der Sitzungsvorstand über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig war!
({6})
Darf ich annehmen, Herr Abgeordneter Mellies, daß der Antrag, den Sie gestellt haben, damit erledigt ist?
({7})
- Das ist der Fall. Punkt 10 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({9}) ({10}).
({11})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Bleiß.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß, das Wort zu nehmen.
Dr. Bleiß ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 114. Sitzung hat das Hohe Haus den Beschluß gefaßt, die Bundesregierung zu ersuchen, die Zentralbüro für Mineralöl GmbH ({13}), die entsprechenden Arbeitsgemeinschaften oder andere private Organisationen nicht mehr in die Mineralölwirtschaft einzuschalten.
Im Anschluß an diese Beschlußfassung wurde von den Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP die in der Drucksache Nr. 1969 ({14}) formulierte Gesetzesvorlage zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft eingebracht. Der Inhalt des Gesetzentwurfs ist kurz folgender.
Art. 1 Ziffer 1 sieht die Beseitigung der Rechtsgrundlage des ZB durch Aufhebung einer seit dem Jahre 1939 bestehenden Anordnung mit Wirkung ab 1. April 1951 vor. Ziffer 2 bestimmt die Aufhebung der bisher bestehenden Preisbindungen für Mineralöl und für Treibstoff mit Wirkung ab 1. Mai 1951. Hiervon sollen nur die Bestände ausgenommen sein, welche das ZB am 30. April 1951 noch auf Lager hat. Nach Ziffer 3 werden die bisher den privilegierten Verbrauchern, also der Landwirtschaft, der Binnenschiffahrt, der Hochseeschiffahrt und der Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger gewährten Vergünstigungen aufgehoben. Die Weiterführung dieser Vergünstigungen soll nunmehr durch Rechtsverordnungen geregelt werden, die der Bundesfinanzminister erläßt. Art. 1 stellt also im wesentlichen fest, was aufgehoben werden soll.
Art. 2 stellt fest, was bestehen bleibt, nämlich die Bewirtschaftung von Mineralöl, von Kraftstoff, von Spezial- und Testbenzin. Die Geltungsdauer der einschlägigen Verordnungen soll zunächst bis zum 30. Juni 1951 verlängert werden.
Art. 3 ermächtigt die Bundesregierung oder den Bundeswirtschaftsminister, mit Zustimmung des Bundesrats eine Verbrauchslenkung auf der Grundlage der durchgehenden Bezugsberechtigungen durchzuführen. Als Lenkungsorgan soll an die Stelle des in Fortfall kommenden ZB die Bundesstelle für den Warenverkehr treten, die mit der Durchführung der Bewirtschaftungsmaßnahmen die Fachstelle für Mineralöl mit dem Sitz in Hamburg beauftragen wird.
Die Bundesstelle für den Warenverkehr kann Ausschüsse bilden, deren Mitglieder aus Kreisen der Mineralölwirtschaft stammen sollen. In Aussicht genommen sind zwei Ausschüsse: ein Qualitätsausschuß - er soll sich aus 10 bis 12 Chemikern zusammensetzen -, zweitens ein Mengenausgleichsausschuß, der etwa 10 Personen umfassen soll. Hoheitsrechte dürfen auf diese Ausschüsse nicht übertragen werden.
So weit, meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf.
Bei den Beratungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß konnte eine Übereinstimmung über die Gesetzesvorlage nicht erzielt werden. Von den Vertretern der SPD wurde darauf hingewiesen, daß eine Bewirtschaftung ohne Preisbindung sinnlos sei, weil sich der Preis unabhängig von dem durchlaufenden Bezugsrecht nach den Verknappungserscheinungen orientieren und nach oben auspendeln würde. Der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums war der Meinung, daß die Preise für Vergaser- und Dieselkraftstoff zwar zunächst steigen, dann aber wahrscheinlich wieder sinken werden. Die Preissteigerung werde in der Hauptsache dadurch verursacht werden, daß sich auf Grund des Gesetzes die Übernahmepreise erhöhen und die Gleitzölle in Fortfall kommen.
Hinsichtlich der Tätigkeit der bei der Bundesstelle für den Warenverkehr einzurichtenden Ausschüsse entschied sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß dahin, daß die Fachausschüsse nur zur Beratung in technischen Fragen herangezogen werden sollen.
({15})
In den Beratungen über den privilegierten Verbrauch der Landwirtschaft, der Binnenschiffahrt, der Hochseeschiffahrt usw. wurde von der SPD geltend gemacht, daß Art. 1 Ziffer 1 nicht klar erkennen läßt, ob die Vergünstigungen überhaupt bestehen und ob sie in der bisherigen Höhe bestehen bleiben sollen.
Der Ausschuß stellte mit Mehrheit fest, daß Art. 1 Ziffer 3 die Verpflichtung für den Bundesfinanzminister beinhalte, die vorgesehenen Rechtsverordnungen auch wirklich zu erlassen. Das gelte auch gegenüber der Landwirtschaft, obwohl von dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums Bedenken geltend gemacht wurden, daß eine Privilegierung der Landwirtschaft zu einer mißbräuchlichen Verwendung der privilegierten Kontingente führen könnte.
Zu Art. 5 des Entwurfes wurde schließlich beschlossen, daß das Gesetz hinsichtlich der Bestimmungen des Art. 1 Ziffer 1 und der Art. 2, 3 und 4 ab 1. April dieses Jahres, hinsichtlich der übrigen Bestimmungen am 1. Mai 1951 in Kraft treten solle. Art. 3 des Gesetzes soll mit Ablauf des 30. Juni 1952 außer Kraft treten.
In der Schlußabstimmung wurde die Gesetzesvorlage in der geänderten Form mit einem Stimmenverhältnis von 10 zu 5 bei 2 Stimmenthaltungen gebilligt. Mit diesem Stimmverhältnis schlägt der Ausschuß dem Hohen Hause die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 2022 vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich darf annehmen, daß der Bundestag damit einverstanden ist, wenn ich gleich die Artikel 1 bis 5 gemeinsam aufrufe.
Herr Abgeordneter Dr. Schöne, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage Nr. 1969 ({0}) hat im wesentlichen einmal die Beseitigung der Arbeitsgemeinschaft für Mineralöl und damit indirekt die Beseitigung des Zentralbüros und zum andern die Beseitigung der Preisbindung zum Inhalt, dann den Umbau der Bewirtschaftung und letztlich eine Änderung des bisherigen Systems der sogenannten privilegierten Verbraucher. Zu dem ersten Punkt, Beseitigung des Zentralbüros, ist, glaube ich, nicht viel zu sagen. Auch wir weinen dem Zentralbüro keine Träne nach. Wir haben nur die Hoffnung, daß die Akten des Zentralbüros noch so lange leben, bis der Untersuchungsausschuß zur Überprüfung der Verhältnisse auf dem Gebiet des Kraftstoffvertriebes zu einem endgültigen Resultat gekommen ist.
Zur Frage der Preisbindung möchte ich doch noch einige Bedenken wiederholen, die bereits von meinen Freunden im Ausschuß vorgebracht worden sind und die in der Ausschußberatung nicht ausgeräumt werden konnten. Die Treibstoffversorgung im vergangenen Jahr wurde zu drei Vierteln durch Einfuhren getätigt, zu einem Viertel aus der deutschen Erzeugung. Auch für dieses Jahr wird ein Viertel aus der deutschen Förderung kommen, und drei Viertel werden durch Einfuhren aufgebracht werden müssen. Damit wäre die Versorgung der deutschen Volkswirtschaft mit Mineralöl theoretisch sichergestellt. Es erhebt sich nur die eine Frage, ob die zur Bezahlung der Einfuhr notwendigen Gelder vorhanden sein werden. So ist für die 1,9 Millionen Tonnen Benzin allein eine
Summe von 80 Millionen Dollar erforderlich, und es erscheint meinen Freunden sehr bedenklich im Hinblick auf die gegenwärtige Zahlungsbilanzsituation, ob mit einer solchen Versorgung durch Einfuhren gerechnet werden kann. Fehlt aber der genügende Import aus diesen Gründen, dann fehlt damit eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Preisfreigabe; und wir haben im Ausschuß ganz deutlich vor einem zu starken Vertrauen in die Tugenden der freien Wirtschaft gewarnt.
Zum zweiten Punkt, zum Umbau der Bewirtschaftung, darf ich noch einmal wiederholen, daß eine Bewirtschaftung nur dann einen Sinn hat, wenn sie zugleich eine Preisbindung kennt. Tut sie das nicht - und das vorgesehene System kennt diese Bindung nicht -, so führt sie ganz konsequent zu zwei Tatsachen, einmal zu einer ungesunden Marktspaltung und zum andern zu einer Begünstigung der großen Mineralölfirmen. Diese Begünstigung der großen Mineralölfirmen ergibt sich insbesondere aus dem Zwang zur Mischung.
Diese Bedenken, insbesondere die in dem letzten Punkt vorgetragenen, werden noch verstärkt, wenn man sich genauer mit dem System beschäftigt, das auf dem Gebiete der Bewirtschaftung an die Stelle des alten Zentralbüros treten soll. Im Wirtschaftsausschuß des Bundesrates sagte der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums:
Das Bundeswirtschaftsministerium ist zu der Überzeugung gelangt, daß Bewirtschaftungsaufgaben, wie sie für die nächste Zeit unerläßlich sind, zweckmäßigerweise nicht von einer privaten Gesellschaft erledigt werden, sondern einer staatlichen Stelle übertragen werden müssen. Ohne eine zentrale Stelle sind nicht zu lösen die Fragen des zentralen Qualitätsausgleichs, des zentralen Mengenausgleichs und drittens des Frachtausgleichs.
Diese Formulierung im Wirtschaftsausschuß des Bundesrats bedeutete im Grunde genommen einen Sieg des Bundeswirtschaftsministeriums über den Bundeswirtschaftsminister. Der Bundeswirtschaftsminister hatte sich nämlich zuvor bemüht, an die Stelle des Zentralbüros eine Bewirtschaftung in Form von Marktabreden zu setzen, und er fand sich da in vollstem Einverständnis mit den großen vier Firmen auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft. Wegen Bedenken, die wohl die Hohen Kommissare äußerten, mußte einmal der Bundeswirtschaftsminister dann seine Plaung revidieren, und es mußte zum andern der Antrag Drucksache Nr. 1969, der uns erst vorgelegt wurde, in Drucksache Nr. 1969 ({1}) umgewandelt werden.
Nun, die Reste dieser Auffassung finden sich aber trotzdem noch in der Drucksache Nr. 1969 ({2}). In Art. 3 heißt es nämlich nur, daß die Bundesregierung eine Neuregelung der Bewirtschaftung schaffen kann. Zweitens hat uns die Ausführung über die Organisation der Fachstelle, insbesondere die Institution eines sogenannten Mengenausschusses unter Hinzuziehung von namhaften Vertretern der Mineralölwirtschaft, doch zu den größten Bedenken genötigt. Wenn schon nach Meinung des Bundeswirtschaftsministeriums eine Aufhebung der Bewirtschaftung unverantwortbar ist, so darf ich für meine Freunde sagen, daß wir dann ein funktionierendes Bewirtschaftungssystem verlangen. Hierzu gehört wenigstens, daß in die Bewirtschaftung ein System von zumindest Höchstpreisen eingebaut wird.
Im gleichen Zusammenhang steht ein weiteres Bedenken, das sich aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2 ergibt.
({3})
Danach genehmigt der Bundeswirtschaftsminister lediglich den Bezug durch zentrale Versorgung einzelner Verbrauchergruppen; die Landeswirtschaftsverwaltungen dagegen erhalten Globalkontingente. Die Einschaltung der Landeswirtschaftsverwaltungen steht also im Belieben des Bundeswirtschaftsministers. Unter Umständen aber - und die Möglichkeit ist offengelassen - bedient sich der Bundeswirtschaftsminister der Organisation der Mineralölwirtschaft. Wir haben hier doppelte Bedenken. Sie sind einmal herausgeboren aus dem Verhältnis der Landeswirtschaftsverwaltungen zur Bundeswirtschaftsverwaltung, und zum andern haben wir sehr starke Bedenken im Interesse einer sauberen Trennung zwischen den Funktionen der Wirtschaft und den Funktionen des Staates.
Die Frage einer Begrenzung durch Höchstpreise konnte im Ausschuß von seiten der Verwaltung keineswegs befriedigend beantwortet werden. Es wurde von seiten einiger Ausschußmitglieder darauf hingewiesen, daß die zur Verfügung stehende Einfuhrmenge zwangsläufig zu einem sinkenden Preisniveau führen müsse. Nun stehen sinkende Preise mit einem Höchstpreissystem keineswegs im Widerspruch. Es ist also gar nicht einzusehen, warum man wenigstens nicht das Höchstpreissystem beibehalten will.
Ein ganz besonderes Gebiet, das gerade bei der Preisbildung hervorgehoben werden muß, ist das der Sicherung der Benzinlieferung zum gleichen Preis in verkehrsferne Gebiete. Im Ausschuß selbst sprach der Vertreter des Landes Bayern für seine besonderen Belange, und er konnte durch die Erwiderung der Verwaltung eigentlich nicht davon überzeugt werden, daß seine Auffassung nicht richtig sei.
Besondere Bedenken gruppieren sich um den von mir bereits vorhin erwähnten Punkt, nämlich um die Neuordnung der Privilegierungen, also der Subventionen an die sogenannten privilegierten Verbraucher. Nach einer Auskunft des Vertreters des Bundesfinanzministeriums würde nach der neuen Ordnung eine Subventionierung der landwirtschaftlichen Dieselölverbraucher nicht mehr erforderlich sein, da nach dem neuen Wirtschafts- und Agrarprogramm der Bundesregierung die Landwirtschaft derart im Geld und in Gewinnen schwimmen könnte und würde, daß sie eben nicht mehr irgendwelche Subventionen auf dem Gebiete des Mineralöls brauche.
({4})
Für die Binnenschiffahrt und Küstenfischerei hat man die nichtbindende Zusage gegeben, daß man vielleicht doch im Laufe der Zeit gewisse Subventionsmethoden finden würde.
Nun haben sich, meine Damen und Herren, in letzter Minute noch neue Bedenken eingeschlichen, die in der Frage der Zollpolitik begründet sind. Die Zollverhandlungen sind bei dieser Frage des Mineralöls besonders schwierig und dürften auch weiterhin noch auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.
Kurzum, die Bedenken meiner Freunde sind durch die Sitzung des Ausschusses nicht ausgeräumt, im Gegenteil durch die letzte Sitzung noch verstärkt worden. Ich darf Sie namens meiner Freunde bitten, unserem Antrag zuzustimmen, nämlich die Drucksache Nr. 1969 ({5}) an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zurückzuverweisen unter Hinzuziehung insbesondere des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und
unter Hinzuziehung des Ausschusses für Verkehrswesen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Naegel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns in mehreren Sitzungen des Ausschusses mit dem Problem beschäftigt, das durch dieses Gesetz neu geregelt werden soll. Wir haben dabei in enger Anlehnung an die Beschlüsse des Hohen Hauses uns mit der bisherigen Art der Bewirtschaftung von Mineralöl vertraut zu machen versucht. Wir haben geglaubt, daß es einheitliche Auffassung ist - wie es schon Herr Dr. Schöne sagte -, daß das Zentralbüro schnellstens verschwinden soll. Wir sind uns dabei aber darüber klar geworden, daß einmal hinsichtlich der gesetzlichen Regelung und zweitens hinsichtlich der technischen Voraussetzungen für die Durchführung der weiteren Aufgaben kein Vakuum entstehen darf. Die Zeit drängt. Am 31. März laufen die bisher gültigen Gesetze für die Bewirtschaftung von Mineralöl ab. Wir müssen deshalb schnell handeln, um bis zu diesem Termin eine neue Regelung gefunden zu haben. Wir haben zwar in das Gesetz über die Sicherungsmaßnahmen auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft Mineralöl und feste Brennstoffe ausdrücklich eingeschlossen, so daß von dieser Seite her schon die Möglichkeit der Erfassung und Behandlung durch das Bundeswirtschaftsministerium gegeben ist. Wir glauben aber, daß darüber hinaus für die Übergangszeit bis zu einer Neuregelung bzw. völligen Freigabe auf diesem Gebiet noch Maßnahmen notwendig sind, die wir in diesem Gesetz niedergelegt haben.
Es ist durchaus nicht so, daß man bei der Einführung eines neuen Bewirtschaftungssystems - d. h. „neu" in Gänsefüßchen, es hat ja bereits früher bestanden, wir denken dabei an den durchlaufenden Bezugschein - eine Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stipulieren kann und gleichzeitig eine Preisbindung Platz greifen lassen müßte. Wir haben ja in früherer Zeit - auch schon in Zeiten der Hochkonjunktur der Bewirtschaftung - Fälle gehabt, daß wir Dinge bewirtschaftet haben, ohne gleichzeitig eine enge oder engherzige Preisbindung durchzuführen.
Was das Prinzip der Höchstpreise anlangt, so waren wir im Ausschuß der Meinung, daß man davon abgehen sollte. Denn Höchst preise haben sich in der Praxis bisher immer so ausgewirkt, daß sie zu Normal preisen werden. Wenn wir aber die Absicht haben, durch eine gewisse freizügige Wettbewerbsgestaltung auch auf diesem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft durch den Wettbewerb Preissenkungen eintreten zu lassen, dann können wir unmöglich wieder eine Bremse in der Form der Höchstpreise wirksam werden lassen.
Selbstverständlich sind wir uns dabei über die Bedeutung der Vorlage klar. Sie soll in erster Linie die Beseitigung des Zentralbüros bewerkstelligen. Deshalb mußten die gesetzlichen Voraussetzungen für das Zustandekommen dieser Organisation aufgehoben werden. Es gibt keine schriftliche Unterlage über eine gesetzliche Anordnung zur Bildung des ZB. Merkwürdigerweise liegt nur eine mündliche Anordnung des früheren Reichswirtschaftsministers vor auf Grund der allerdings schriftlich festgelegten gesetzlichen Regelung über
({0})
die Bildung der Arbeitsgemeinschaft für Mineralöl. Wir mußten deshalb die Grundlagen an der Stelle aufheben, wo sie bestehen, nämlich bei der Arbeitsgemeinschaft für Mineralöle, was wir dann auch hier in dem Art. 1 festgelegt haben.
Das zweite war die Aufhebung der Marktanteile oder der Quoten der bisher in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen bzw. im ZB vertretenen wenigen Mineralölfirmen. Es gibt darüber hinaus eine ganze Reihe von anderen kleineren Firmen, die bisher praktisch aus dem Markt ausgeschlossen waren. Wir wollen es gerade durch die Aufhebung dieser Quotenregelung zulassen, daß auch diese bisher abseits stehenden Firmen nunmehr in die gesamte Geschäftsabwicklung miteinbezogen werden können.
Ich brauche abschließend nur noch zu betonen, daß uns dabei in erster Linie wiederum der Gedanke des Wettbewerbs getragen hat. Selbstverständlich müssen, wenn die bisher durch das ZB angeordneten und durchgeführten Maßnahmen nicht mehr vom ZB erledigt werden können, an diese Stelle andere Regelungen treten. Wir sind davon überzeugt, daß besonders die Überführung der bisher delegierten hoheitsrechtlichen Aufgaben von dieser privaten Organisation auf echte Staatsstellen, nämlich auf die Bundesstelle für den Warenverkehr und deren Untergliederung, die Fachstelle für Mineralöl, eine klare Trennung zwischen wirtschaftlicher und hoheitlicher Funktion bewirken wird. Wir sind der Meinung, daß auch die Bedenken zurückgestellt werden können, die hinsichtlich der bevorrechtigten Verbraucher geltend gemacht wurden. Es ist vom Bundesfinanzministerium zugesichert worden, daß eine Regelung gefunden wird, die den bisherigen und den künftigen Wünschen dieser Gruppen entspricht. Wir glauben auch, daß es möglich sein wird, echte Subventionen dort zu geben, wo es wirklich notwendig ist, und daß durch Änderungen in gewissen Agrarprogrammen oder anderen Maßnahmen ein Ausgleich zwischen der bisherigen Forderung nach Subventionen und der künftigen Leistung dieser Gruppen möglich sein wird. Ich bin nicht der Meinung, daß die Landwirtschaft in Zukunft in Geld und Gewinnen schwimmen wird, aber ich bin wohl der Meinung, daß eine künftige Gestaltung der Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse gegebenenfalls auch eine Änderung in der Subventionierung von Mineralöl möglich macht.
Zur Preisgestaltung sind natürlich auch Wünsche hinsichtlich der unterschiedlichen Entfernungen von den Haupteinfuhrhäfen bzw. von den Hauptverarbeitungsstätten für Mineralöle laut geworden. Wir glauben, daß auch hier die Möglichkeit besteht, eine der früheren Zonenpreisgestaltung ähnliche Regelung - eventuell durch einen Frachtausgleich oder andere Maßnahmen - Platz greifen zu lassen, damit die ungünstig liegenden Verbraucher - in den entfernt liegenden Gebieten - wiederum zu einer vernünftigen Preisrelation kommen. Sollte die Mineralölwirtschaft dieser Anregung wider alles Erwarten nicht entsprechen, so besteht für uns immer noch die Möglichkeit, im Bundestag diese Frage wieder aufzugreifen.
Zusamenfassend möchte ich sagen: Wir haben wirklich die Überzeugung, daß aus Anlaß des Ablaufs der bisherigen gesetzlichen Regelung am 31. März keine Zeit verloren werden darf. Andererseits sind wir der Überzeugung, daß die Beratung der Materie im Ausschuß so eingehend wie nur möglich war, so daß wir dem Antrag der SPD auf
Zurückverweisung der Vorlage an den Ausschuß nicht zustimmen können. Ich bitte vielmehr das Hohe Haus, der Vorlage in zweiter Lesung zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Dr. Preusker ({0}) Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion c er FDP spricht sich gegen die Zurückverweisung des Antrages Drucksache Nr. 1969 ({1}) an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß aus, und zwar aus den Gründen, die der Abgeordnete Naegel eben schon dargelegt hat. Sonst würde nach dem 31. März auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft ein völlig ungeregelter Zustan eintreten; ebenfalls hätten, abgesehen von den nicht mehr bestehenden Bewirtschaftungsanordnungen, insbesondere die bisherigen Vergünstigungen, die die Landwirtschaft, die Fischerei, der Schiffbau, die Binnenschiffahrt und einige kleinere Gruppen, wie z. B. die Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, erhalten haben, keinerlei Rechtsgrundlagen mehr.
Es muß also unter allen Umständen eine Regelung getroffen werden, die sichert, daß die Bewirtschaftung in der Form, wie sie notwendig ist, und die Vergünstigungen erhalten bleiben. Die Bestimmung über die Weiterführung der Vergünstigungen - das möchte ich ausdrücklich hier bemerken, darüber hat es auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß keinerlei Differenzen gegeben - in der Fassung der Ziffer 3 des Art. 1, in der es heißt: „Die Weiterführung der bisher gewährten Vergünstigungen ist durch Rechtsverordnungen zu regeln", wird von uns als eine absolut zwingende Vorschrift aufgefaßt. Wenn Erörterungen, sagen wir einmal: zwischen der Landwirtschaft und dem Bundesfinanzminister, in Zukunft stattfinden, ob auf Grund der veränderten Erlösverhältnisse der Landwirtschaft hier eine Änderung stattfinden soll, dann können diese - denn das ist eine spätere Angelegenheit - in keiner Weise etwa auf diesen Art. 3 gestützt werden. Es heißt da ganz klar, daß die bisher gewährten Vergünstigungen weitergeführt werden müsse n.
Wir sind uns in diesem Hause alle darüber einig gewesen, daß das Zentralbüro für Mineralöl-GmbH. als ein privates Monopol nicht weiter Träger der Bewirtschaftung sein soll, sondern daß es außerordentlich erstrebenswert ist, hier wieder einen Wettbewerb um die Marktanteile eintreten zu las. sen. Ich möchte auch keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß die Bestimmung des Art. 3, daß zukünftige Bewirtschaftungsvorschriften, soweit sie noch notwendig sein sollten, auf der Grundlage des durchlaufenden Bezugsrechts erfolgen sollen, für uns das A und O dieser Gesetzesvorlage darstellt. Denn nur der durchlaufende Bezugsschein, der von dem Verbraucher entweder der einen oder anderen Firma - auch einer Firma, die bei dem Monopol bisher überhaupt nicht zugelassen war - in die Hand gedrückt wird, gibt ihr auf Grund ihrer Leistung die Möglichkeit, dann die entsprechenden Rohstoffe oder Fertigprodukte zu erhalten.
Dabei darf ich eines sagen. Wir wissen doch alle, in welcher schwierigen Position sich die Zahlungsbilanz der Bundesrepublik zur Zeit befindet. Trotzdem gibt es eine große Zahl auch von ausländischen Interessenten, die sehr gern in das doch sehr reizvolle Geschäft der Mineralölversorgung neu ein({2})
treten wollen und die bereits ihr Interesse deutlich bekundet haben. Gerade die Aufhebung dieses Monopols, des ZB, wird trotz der Situation unserer Zahlungsbilanz die wahrscheinliche Folge haben, daß eine Mehrversorgung unseres Marktes stattfindet, weil es eine größere Zahl von ausländischen Wettbewerbern geben wird, die durchaus nach Deutschland Benzin und Treibstoffe liefern wollen.
Wenn die Frage der Freigabe der Preise von der Opposition anders gesehen *wird, als wir sie im Ausschuß innerhalb der Regierungskoalition gesehen haben, so möchte ich folgendes dazu sagen. Bei einem Wirtschaftszweig, der bisher in diesem Maße monopolisiert war und bei dem es wesentlich darauf ankommt, einen möglichst hohen Anteil am Markt zu erreichen, um die gesamten Anlagen, die vielen Tankstellen, Kesselwagen, Tanklager und Tankschiffe voll ausnutzen zu können, entsteht in dem Augenblick, in dem Sie eine Preisbindung beseitigen und durch den durchlaufenden Bezugsschein die Grundlage für einen Wettbewerb um den Markt schaffen, ein so außerordentlich starker gegenseitiger Wettbewerbsdruck, daß nach allen Erfahrungen, die sich in den zwanziger Jahren und Anfang der dreißiger Jahre-nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen übrigen Welt - immer wieder bestätigt haben, die Tendenz auf eine Preissenkung gerichtet ist.
({3})
Wenn Sie berücksichtigen, daß in der letzten Zeit infolge zwingender staatlicher Notwendigkeiten das Mineralöl steuerlich belastet werden mußte, daß aus der Zeit der Zwangsbewirtschaftung des Nationalsozialismus das System der Spannen-Regelung völlig unangetastet geblieben ist, dann ist durchaus die Wahrscheinlichkeit gegeben, daß sich dieser Wettbewerb zu Gunsten der Verbraucher auswirkt. Damit rechnen wir auch, wenn auf den Weltmärkten nicht, was im Augenblick auch nicht mehr der Fall ist, eine weiter steigende Tendenz eintreten sollte. Würde diese weiter steigende Tendenz auf den Weltmärkten aber eintreten - meine Damen und Herren, seien wir uns darüber doch auch klar -, dann weist der Bundesfinanzminister, wenn wir die Preise fixieren, bestimmt auf seine leeren Kassen hin und sagt: Ich habe das Geld nicht, um etwa noch die Treibstoffpreise herunterzusubventionieren. Dann kämen wir auch nicht um zwangsläufige Entscheidungen herum.
Also aus all diesen Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe und die auch von meinem Kollegen Naegel hier dargelegt wurden, bitte ich das Hohe Haus, den Antrag auf Rückverweisung abzulehnen und dafür zu sorgen, daß dieser Entwurf bis zum 1. April Gesetz werden kann, um wieder eine vernünftige und für den Verbraucher nach unserer Überzeugung günstige Regelung des Treibstoffwesens in Kraft treten zu lassen.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Vesper.
Meine Damen und Herren! Die vorliegenden Drucksachen - Nr. 1969 ({0}) sowie der Mündliche Bericht Drucksache Nr. 2022 - berühren in keiner Weise die unhaltbaren Zustände innerhalb der westdeutschen Mineralölwirtschaft. Es ist bekannt, daß die Regierung der westdeutschen Ölindustrie in einer Zeit von 18 Monaten zirka 52 Millionen DM an Subventionen zugeschanzt hat. Sie wissen auch, daß die Erdölbohrungen, die Gewinnung des Öls und die Einfuhr von Rohöl sowie von Mineralöl-Erzeugnissen und deren Vertrieb fast vollkommen in ausländische Hände übergegangen sind. Im Jahre 1939 betrug der ausländische Anteil an der deutschen Ölwirtschaft 10 %. Dagegen ist der Einfluß der ausländischen Gesellschaften und der deutschen Gesellschaften mit ausländischem Anteil auf 67,6 v. H. gestiegen.
({1})
Von der westdeutschen Ölgewinnung haben sich die ausländischen Monopolisten also einen hohen Anteil zu sichern gewußt. In Westdeutschland gibt es etwa 25 Raffinerien verschiedener Art. Rund 82 % der Kapazität befinden sich auch hier in ausländischen Händen. Diese Tatsachen zeigen eindeutig die Ausschaltung deutscher Gesellschaften und eine immer stärkere Überfremdung durch englisch-amerikanische Ölgesellschaften.
({2})
Auch auf dem Gebiete des Benzin- und Dieselvertriebs in Westdeutschland beherrschen die Ausländer bereits 82 bzw. 82,7 % des Gesamtumsatzes. Hieraus erklärt sich die aufgezwungene verstärkte Rohöleinfuhr, die eine weitere Devisenbelastung mit sich bringen wird. Mit der steigenden Erdölgewinnung bei Einschaltung der Kohlehydrier- und Synthesewerke könnte der Bedarf an Mineralöl aus eigener Rohstoffbasis gedeckt werden.
Ich stelle fest: Die gesamte westdeutsche Mineralölwirtschaft - von der Erdölgewinnung über die Rohöleinfuhr und die Verarbeitung bis zum Vertrieb von Mineralölerzeugnissen - befindet sich fast restlos in den Händen englisch-amerikanischer Monopolisten. Die westdeutsche Mineralölwirtschaft wird in einem schnellen Tempo auf die militärisch-strategischen Erfordernisse umgestellt. Die Mineralölwirtschaft gehört zu jenen Industrien, die hohe Profite versprechen und denen die Amerikaner in ihren Kriegsvorbereitungen einen besonders wichtigen Platz zugedacht haben.
({3})
Für die deutsche Bevölkerung bedeutet diese Entwicklung eine verschärfte Ausbeutung durch die ausländischen Kompagnien und eine Vergrößerung der Kriegsgefahr.
Ich komme zum sachlichen Inhalt des Gesetzes. Die in Art. 1 enthaltene Beseitigung des Zentralbüros und auch die Anordnungen, die hier erwähnt werden, werden von meiner Fraktion gutgeheißen. Aber wir haben Bedenken bezüglich Art. 3. Dort heißt es in Abs. 1:
Die Bundesregierung oder der Bundesminister für Wirtschaft können mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über den Bezug von Mineralöl durch Verbraucher auf der Grundlage durchlaufender Bezugsberechtigungen erlassen. In diesen Rechtsverordnungen kann der Bundesminister für Wirtschaft ermächtigt werden, Verteilungsmengen für die Länder sowie Bezugsmengen für einzelne Verbrauchergruppen und für Bedarfsträger festzusetzen.
In Abs. 2 heißt es:
... Er kann bei der Bundesstelle Ausschüsse aus Kreisen der Mineralölwirtschaft bilden und ' sie mit technischen Aufgaben bei der Durchführung der nach Abs. 1 erlassenen Rechtsverordnungen betrauen . . .
({4})
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß im Art. 3 Vollmachten erteilt werden, die kriegswirtschaftspolitische Maßnahmen zur Folge haben werden. Wir sind für die Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung und für die Auflösung des Zentralbüros. Wir sind gleichzeitig für die Freigabe der flüssigen Treibstoffe für unsere Friedenswirtschaft.
Aus diesen Erwägungen lehnt die kommunistische Fraktion diese Vorlage ab.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch Art. 1 Ziffer 2 und 3 des vorliegenden Gesetzentwurfes sind die Interessen der verkehrsfernen Länder nicht mehr genügend gewahrt. Mit der Freigabe der Höchstpreise für Treibstoffe werden sich im Bundesgebiet - je nach der Entfernung der Abnehmer von den Einfuhr- und Herstellungsorten - unterschiedliche Bezugspreise ergeben. Die verkehrsfernen Länder als stark frachtbelastete Länder werden infolgedessen mit höheren Treibstoffbezugspreisen zu rechnen haben, die eine zusätzliche Belastung der Wettbewerbsfähigkeit der dortigen Treibstoffverbraucher auslösen.
({0})
Weil auf diesem Gebiet eine klare Regelung noch erfolgen muß, sind wir ebenfalls für die Zurückverweisung an den zuständigen Ausschuß.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Antrag gestellt worden ist, die Vorlage an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und außerdem an die Ausschüsse für Landwirtschaft und Verkehr zurückzuverweisen, möchte ich 'in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Wirtschaftspolitischen Ausschusses doch Bedenken zum Ausdruck bringen. Wir haben schon von den Vorrednern gehört, daß wir dieses Gesetz brauchen, weil wir nämlich sonst am 31. März ins Leere fallen werden. Dieses Gesetz trägt nicht zuletzt dem in diesem Hause einheitlich geäußerten Wunsche Rechnung, das Zentralbüro zu beseitigen. Die gesamte Wirtschaft hat sich selbstverständlich darauf eingerichtet, daß das ZB verschwinden wird. Das hat eine Menge organisatorischer Vorbereitungen bedeutet, die wir natürlich nicht jetzt einfach zum Stoppen bringen können. Damit würden wir alle die Tendenzen, die beinahe einheitlich vom Hause verfolgt worden sind, zunichte machen.
Meinem Vorredner von der äußersten Linken möchte ich sagen, daß der beste Gegenbeweis gegen die behaupteten Kriegsvorbereitungen, die er überall sieht, doch wohl die Tatsache ist, daß das ZB aufgelöst werden soll. Denn das ZB ist nicht zuletzt eine Institution mit ganz anderen Tendenzen gewesen. Ich glaube, damit wird die Behauptung des Herrn Vorredners von der äußersten Linken völlig ad absurdum geführt. Wenn das Hohe Haus die Vorlage zurückverweisen sollte, würde es völlig ausgeschlossen sein, bis zum 31. März ein funktionsfähiges Gesetz zu schaffen.
Ich möchte den Freunden aus Bayern, die hier besondere Bedenken zum Ausdruck gebracht haben, folgendes sagen. Ich bin der Überzeugung, daß das, was im Interesse der verkehrsfernen Länder getan werden kann, getan werden wird. Es gibt darüber hinaus einige natürliche Umstände, die gerade auch zugunsten Bayerns wirken können. Einmal werden sich die Zufuhren, die aus Italien und Österreich kommen - letztere mit stets wachsender Bedeutung -, auch für das verkehrsferne Bayern günstig auswirken. Außerdem gibt es Raffinerien bzw. Tanklager in Deggendorf, Neuburg, Regensburg und München. Es ist also eher anzunehmen, daß Bayern bei dem Ausspiel, das sieh hier ergeben wird, durchaus nicht schlecht wegkommen wird. Ich glaube, daß die Bedenken unbegründet sind. Das durchschlagendste Argument dürfte aber das sein, daß wir dieses Gesetz brauchen, um nicht nach dem 31. März 1951 in einen gesetzlosen Zustand zu kommen.
Deswegen bitte ich Sie, den Antrag auf Rückverweisung abzulehnen und der Vorlage unverändert zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung der zweiten Beratung.
Es liegt zunächst der Antrag vor, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik
als federführenden Ausschuß, an den Ausschuß für
Landwirtschaft, Ernährung und Forsten und an
den Ausschuß für Verkehr zurückzuverweisen. Ich
bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf
Rückverweisung zuzustimmen wünschen, eine
Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das Ergebnis ist nicht eindeutig klar. Ich bitte,
die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Zurückverweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine
Damen und Herren, es geht uns wie in anderen
Fällen: die Bayern durchkreuzen alle unsere Pläne.
({0})
Ich bitte also um Hammelsprung.
({1}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Es wird mir mitgeteilt, daß Zweifel über die Abstimmung aufgetreten sind. Wir stimmen über den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß 2h. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Rückverweisung sind, durch die Ja-Tür, diejenigen, die dagegen sind, durch die Nein-Tür einzutreten.
({2})
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. -
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über die Rückverweisung an die Ausschüsse bekannt. Für Rückverweisung haben gestimmt 193 Abgeordnete, dagegen 146 bei zwei Enthaltungen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
a) Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({3});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({4}):
Einzelplan IX - Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft - ({5}).
({6})
({7})
in Verbindung mit
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({8}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Staatssekretariat für Randwerk und gewerblichen Mittelstand ({9}),
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({10}) über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Vergebung der Aufträge des Bundes ({11}).
Berichterstatter ist in allen drei Fällen Herr
Abgeordneter Dr. Vogel.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen nach nachträglicher Vereinbarung unter den Fraktionen eine Gesamtredezeit von 240 Minuten vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
({12})
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Dr. Vogel ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums ist der erste der großen Haushalte, die Ihnen im Verlauf der Haushaltsberatungen vorgelegt werden. Er darf deswegen Ihr besonderes Interesse beanspruchen.
({14})
Darf ich um Aufmerksamkeit für den Herrn Berichterstatter bitten!
Im Haushaltsausschuß wurde es mit Genugtuung vermerkt, daß das Bundeswirtschaftsministerium den Haushaltsausschuß mit
reichhaltigem und ausreichendem Material über die Stellenpläne, über den Gesamtaufbau und die Organisation des Ministeriums versehen hat. Der Organisations- und Stellenplan zeigt - dies ist eine bemerkenswerte Ausnahme von den anderen Stellenplänen, die uns bis jetzt im Haushaltsausschuß vorgelegt worden sind - eine wesentliche Verminderung der Stellen im Gegensatz zu der bei fast allen anderen Ministerien anzutreffenden Stellenvermehrung.
Wir haben einen Stellenplan vorliegen über 370 Beamte, 493 Angestellte und 170 Arbeiter, zusammen 1033 Bedienstete. Die Zahl der Beamten hat sich gegenüber der Zahl des Haushaltsplans von 1949 von 248 auf 370 vermehrt - dies lag durchaus im Zuge der bevorstehenden und auch gewünschten Verbeamtung des Hauses -, während sich umgekehrt die Zahl der Angestellten von 722 auf 493 vermindert hat. Diese Verminderung wurde vom Haushaltsausschuß in jedem einzelnen Falle besonders geprüft und als begrüßenswert empfunden.
Was die Organisation des Bundeswirtschaftsministeriums selbst anlangt, so führte die Durchsicht der einzelnen Abteilungen zu einer ausführlichen Debatte im Grunde genommen nur bei den Abteilungen II und V. Ich darf auf die einzelnen Punkte insbesondere bei der Abteilung II eingehen, weil hierbei der Antrag, der unter Punkt b) auf der Tagesordnung steht, von Bedeutung ist.
Es handelt sich darum, in die Organisation der Abteilung II ein besonderes Moment durch die Verstärkung der Referate für Handwerk, für Handel und vor allem für Bergbau hineinzutragen. Sie ersehen aus der Drucksache Nr. 21 sogar die Forderung nach einem Staatssekretariat für das Handwerk und den gewerblichen Mittelstand. Diese Wünsche wurden in den Beratungen unseres Ausschusses ausführlich besprochen. Vom Bundeswirtschaftsministerium selbst wurde gegen sie eingewandt, es handle sich hier, vor allem was das Handwerk anlangt, um eine mangelnde Zuständigkeit des Ministeriums. Das Bundeswirtschaftsministerium selbst konnte nur 300 000 DM zur Förderung des Handwerks einstellen. Es handelt sich hier also nur um einen Koordinationsbeitrag, weil auf der anderen Seite die Förderung des Handwerks eine besondere Aufgabe der Länder darstellt. Das Ministerium konnte sich bei der Ablehnung dieser Wünsche auf eine Referatsverstärkung auf einen Kabinettsbeschluß stützen. Der Ausschuß ist auf Grund der hierzu gemachten Darlegungen zu der Überzeugung gelangt, daß für das Haushaltsjahr 1950/51 eine Änderung des Stellenplans nicht mehr tunlich erscheint, hat aber für das nächste Haushaltsjahr 1951/52 dem Ministerium eine nochmalige Überprüfung dieser Wünsche nahegelegt, um vielleicht eine stärkere Berücksichtigung der Wünsche des Handwerks und des Handels durchzusetzen. Die antragstellende Partei hat dabei betont, sie werde die Entwicklung besonders beobachten, und sich zunächst mit einem Querschnittreferat einverstanden erklärt. Eine Änderung nicht nur im Falle des Handwerks, sondern auch bei dem Antrag, den der Einzelhandel gestellt hatte, hätte in der Tat den bisherigen organisatorischen Aufbau des Ministeriums gesprengt, wie sich der Haushaltsausschuß überzeugen konnte. Es wurde uns mitgeteilt, daß die Referatsleiter das Recht des direkten Vortrags beim Staatssekretär und beim Minister hätten und daß sie infolgedessen im Ministerium über eine ausreichend starke Stellung verfügten. Dabei kam die Befürchtung zum Ausdruck, daß, wenn man selbständige Unterabteilungen oder gar Staatssekretariate für Handwerk, Handel und vielleicht auch für den Bergbau errichten würde, das Gesamtgefüge des Ministeriums und seine horizontale Organisation durchbrochen würde.
Was die Forderung vor allem des Bergbaus anbetrifft, eine stärkere Berücksichtigung im Stellenplan zu erfahren, so hat das Ministerium ausdrücklich zugegeben, daß die bisherige Besetzung der Bergbauabteilung schwach erscheine, und erklärt, daß man im Rahmen des Haushaltsplans 1951/52 stellenplanmäßig eine geforderte stärkere personelle Berücksichtigung der Belange des Bergbaus vorsehen werde.
Eine ausgedehnte Debatte ergab sich weiter bei der Abteilung V, der Außenhandelsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums. Wer den Umfang - es handelt sich um über 200 Stellen - dieser einen Abteilung ermißt, kann natürlich verstehen, daß Aufgabe und Problemstellung dieser Abteilung Anlaß zu einer besonders lebhaften Aussprache boten. Hier war auf der einen Seite zu berücksichtigen, daß diese Abteilung sich gegenwärtig in einem Spaltungsprozeß befindet. Wir haben in dem in Entstehung begriffenen Auswärtigen Amt eine Abteilung IV, die ähnliche Funktionen wie die Außenhandelsabteilung V im Rahmen des Bundeswirtschaftsministeriums ausübt. Der Haushaltsausschuß hatte ein sehr starkes Interesse daran, zu erfahren, ob diese Trennung der Aufgabenbereiche sich reibungslos vollzieht und ob die neu zu errichtende Abteilung IV im Rahmen des künftigen Auswärtigen Amtes rein stellenplanmäßig in einem richtigen zahlenmäßigen Verhältnis zu der im Bundeswirtschaftsministerium verbleibenden Abtei({0})
lung V stehen wird. Diese Zusicherungen sind uns gegeben worden. Ich darf hinzufügen, daß inzwischen sich auch eine Unterabteilung des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit dieser Frage beschäftigt hat und daß dort von dem im Entstehen begriffenen Auswärtigen Amt auch bereits ein Überblick über die Planung der künftigen Abteilung IV gegeben worden ist, der, wie Ihnen der Berichterstatter bestätigen kann, dem entspricht, was uns das Bundeswirtschaftsministerium vortrug.
Was den Arbeitsumfang dieser Abteilung V anlangt, so wurden uns sehr eindrucksvolle Ziffern geboten. Es sind bis jetzt allein 39 Handelsverträge und Zahlungsabkommen geschlossen worden, 9 weitere Verträge sind in Arbeit, und 8 Verträge wurden als bevorstehend angegeben.
Nach diesem Überblick über die Organisation und den Aufbau des Bundeswirtschaftsministeriums darf ich mich nun den Punkten zuwenden, die finanziell von besonderem Interesse sind. Sie finden sie in dem Material zu Drucksache Nr. 1910, Einzelplan IX, aufgeführt, wobei auf den Seiten 2 und 3 die Einzelziffern in guter Übersicht dargeboten werden. Wir stellen zunächst fest, daß gegenüber der Regierungsvorlage, die 121 775 000 DM an Einnahmen vorsah, durch Beschluß des Haushaltsausschusses eine Summe von 102 357 000 DM festgesetzt worden ist. Somit verbleibt eine Differenz von 19,8 Millionen DM. Diese Verminderung mag bei einer ersten Durchsicht erstaunlich erscheinen. Sie wird aber im wesentlichen auf die verschiedene Bewertung zurückgeführt, die die Einnahmequellen des Bundeswirtschaftsministeriums gefunden haben. Es handelt sich im besonderen um die Beträge, die dem Bundeswirtschaftsministerium von der Zentralstelle für Mineralölbewirtschaftung zufließen und die vom Bundesfinanzministerium weitaus geringer bewertet werden - nämlich nur mit 82 Millionen DM -, als es dem Ausschuß haushaltsrechtlich richtig erschien. Der Haushaltsausschuß bestand infolgedessen auf einer richtigeren Bewertung dieser Positionen. Daher ist es hier zu einer Heraufsetzung auf 99 Millionen durch den Ausschuß gekommen.
Die Gesamtregelung dieser Frage wird insofern noch eine gewisse Zeit offen bleiben, als ein sehr ansehnlicher Betrag in Höhe von 20 Millionen DM bis jetzt noch auf Sperrkonto bei einer Hamburger Bank zur Verfügung des Bundeswirtschaftsministeriums steht, ein Betrag, von dem auch im Protokoll des Haushaltsausschusses ausdrücklich festgehalten ist, daß über seine künftige Verfügung noch keine Bestimmung getroffen werden kann. Dieser Betrag entstand aus einer verschiedenartigen Bewertung der Preisspanne von 12 bzw. 13 Pfennig, also einem Streitobjekt zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und der Zentralstelle. Je nachdem, wie dieser Streit entschieden wird, wird nachher auch über diesen relativ sehr hohen Betrag noch verfügt werden können.
Ein anderes Kapitel, das beim Ausschuß besondere Aufmerksamkeit fand, waren die Einnahmen, die bei den nunmehr auslaufenden Fachstellen unter Kap. 2 a ausgewiesen werden. Hier handelt es sich um den erheblichen Titel von 1,9 Millionen DM, der dadurch entstand, daß ursprünglich die Fachstellen von der Wirtschaft selbst durch Gebühren finanziert wurden und daß die hier noch ausstehenden Forderungen an Gebühren diesen erheblichen Umfang annahmen. Der Haushaltsausschuß beschloß hier, daß über diesen Betrag nur mit seiner Zustimmung verfügt werden dürfe.
Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang die einzelne Benennung der weiteren Zahlendifferenzen zwischen Regierungsvorlage und Ausschußbeschlüssen ersparen, obgleich sich zum Teil sehr erhebliche Unterschiede zwischen den Ansätzen und den Endziffern in den einzelnen Kapiteln ergeben. Sie sind meistens darauf zurückzuführen, daß das Haushaltsjahr schon derartig weit vorgeschritten ist - das gilt vor allem für die hier neu erscheinende Auskunftsstelle, aber auch für eine ganze Reihe anderer Stellen -, daß es nicht mehr notwendig erschien, die Haushaltsansätze in ihrem ursprünglichen Umfang aufrechtzuerhalten. So ist z. B. auch bei der Auskunftsstelle je nur ein Zwölftel des Ansatzes als ausreichend befunden worden. So ergeben sich eine ganze Anzahl von Einsparungen.
In der Schlußzusammenstellung finden Sie die Summen aufgeführt: die Einnahmen mit 121,7 Millionen DM, die Ausgaben mit 210 Millionen DM nach der Regierungsvorlage. Danach wäre also ein Zuschuß von 89 Millionen DM notwendig gewesen. Der 10. Auschuß hat dagegen, entsprechend der neuen Bewertung der Einnahmen aus der Zentralstelle für Mineralöl, einen Zuschuß von nur 73 Millionen DM beschlossen, was ein Weniger von 15 195 000 DM bedeutet.
Ich darf mich nun einzelnen Kapiteln besonders zuwenden. Gestatten Sie mir vor allen Dingen, über die ehemalige Physikalisch-Technische Reichsanstalt, die heutige Bundesanstalt, noch einige Worte zu sagen. Der Haushaltsausschuß hat sich vom Leiter dieser Anstalt ausführlich über die Aufgaben informieren lassen. Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat dann zum Haushalt der Anstalt, eine wesentlich andere Stellung als der Bundesrat eingenommen. Während der Bundesrat auf sehr empfindlichen Streichungen bei der Bundesanstalt bestand, kam der Haushaltsausschuß des Bundestags zu der Überzeugung, daß angesichts der unbestrittenen Wichtigkeit der Funktionen der Bundesanstalt, vor allem für den Export, Streichungen nicht angebracht seien, sondern der vorgeschlagene Stellenplan aufrechterhalten bleiben müsse. Allerdings beschloß der Haushaltsausschuß weiter, diesen großen Apparat von über 400 Angestellten und Beamten durch einen zu bildenden Unterausschuß nachträglich prüfen zu lassen.
Ich darf noch auf einen besonders lebhaft diskutierten Posten aufmerksam machen, auf den Betrag, der zur Förderung der Normierung innerhalb der deutschen Wirtschaft vorgesehen ist. Der Haushaltsausschuß hat hier einer Erhöhung des Ansatzes von 300 000 auf 500 000 DM zugestimmt. Eine der umfangreichsten Diskussionen entspann sich beim Titel Ausgaben für Gutachten. Besonders lebhaft wandte sich die Opposition gegen die Ausgaben für das Gutachten von Professor Röpke. Vom Bundeswirtschaftsministerium wurde darauf hingewiesen, daß von dem ursprünglich angesetzten Betrag von über 10 000 DM nur noch 6022 DM übriggeblieben sind. Der Ausschuß beschloß schließlich, daß im künftigen Haushalt die Hälfte der vorgesehenen Mittel für Gutachten als gesperrt zu betrachten sei.
Ich darf mich weiter einzelnen neu in Erscheinung tretenden Kapiteln zuwenden und hier einige Streitpunkte erwähnen. Ganz ausführlich wurde die Frage der Verlegung der Bundesstelle für den Warenverkehr von Frankfurt nach Köln behandelt. Wir hatten im Ausschuß eine sehr lebhafte Aussprache darüber, ob die Verlegung notwendig wäre. Der Haushaltsausschuß hat dann den Ihnen bekannten Beschluß gefaßt, daß die Stelle in Frankfurt ver({1})
bleiben solle, sofern die wirtschaftlichen Notwendigkeiten es erforderten. Das Bundeswirtschaftsministerium gab darüber eine ausführliche Darstellung. Es wurde besonders darauf hingewiesen, daß zu der fraglichen Sitzung, in der die Entscheidung über die Verlegung gefällt wurde, die Stadt Frankfurt nicht erschienen war. Die Stadt Frankfurt hat Protest gegen die Verlegung eingelegt. Ungeklärt blieb, ob das Land Hessen die Stadt Frankfurt rechtzeitig benachrichtigte oder nicht. Ich nehme an, daß diese Frage noch in einem anderen Zusammenhang hier erörtert werden wird.
Einen gewissen Raum in den Beratungen nahm auch die Auskunftsstelle für den Außenhandel ein. Diese Stelle wird vollkommen neu geschaffen. Früher hatte man für die gleiche Aufgabe die Reichsstelle für den Außenhandel. Es handelt sich um eine Einrichtung, die für den Export außerordentlich notwendig ist, wie von niemandem bestritten wird. Die Auskunftsstelle soll ihre Tätigkeit bereits am 1. April aufnehmen. Vom Haushaltsausschuß ist ein Zwölftel des Haushalts für die Auskunftsstelle bewilligt worden.
Meine Damen und Herren, ich bin damit am Ende meiner Darlegungen über den Haushaltsplan für das Bundeswirtschaftsministerium. Damit ist gleichzeitig der auf der Tagesordnung aufgeführte Punkt 7 b - Beratung des Mundlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand, Drucksache Nr. 21 - erledigt worden. Der Antrag der Fraktion der Bayernpartei - Punkt 7 c der Tagesordnung - hat sich dadurch selbst erledigt, daß der allergroßte Teil aller in Frage kommenden Auftrage inzwischen vergeben wurde. Der Antrag ist also laut Ausschußbeschluß rein zeitlich als überholt zu betrachten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß anläßlich der zweiten Beratung des Einzelplans IX ausnahmsweise eine allgemeine Aussprache stattfinden soll. Diese allgemeine Aussprache eröffne ich hiermit.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ehe die Diskussion über die Wirtschaftspolitik beginnt, möchte ich feststellen, daß es erst diese unsere Wirtschaftspolitik dahin gebracht hat, daß für das deutsche Volk wieder Lebensmöglichkeiten geschaffen wurden, daß die wesentlichen demokratischen Grundrechte - die freie Berufswahl und die freie Konsumwahl sich durchzusetzen vermochten,
({0})
daß das deutsche Volk erst infolge dieser Wirtschaftspolitik wieder an den Sinn der Arbeit glauben konnte,
({1})
daß auf Grund dieser Wirtschaftspolitik die Sicherung einer geordneten Währung ermöglicht wurde und daß es insbesondere mit diesen Prinzipien gelang, den Außenhandel aus Trümmern wieder aufzubauen und die Verbindungen zu der übrigen Welt zu schaffen.
({2})
Diese Grundlagen unserer Wirtschaftspolitik bleiben bestehen. Aber wir sind nicht so starr und nicht so dogmatisch, um nicht einzusehen, daß die sich infolge des politischen Geschehens verändernden Verhältnisse eine Überprüfung unserer Wirtschaftspolitik notwendig machen und daß - wie in allen anderen demokratischen Ländern - auch bei uns Anpassungen erforderlich sind.
({3})
Wenn wir also auch auf den Prinzipien beharren, so sind wir doch bereit, die Methoden und Verfahren zu verändern. Wir wollen die Funktion des Marktes erhalten. Aber wir sind uns darüber klar, daß manche Freizügigkeit und manche Freiheit durch bewußte, planvolle und sinnvolle Regelung ersetzt werden müssen.
({4})
Das Grunderfordernis der Wirtschaftspolitik ist, durch die Fähigkeit zur möglichst schnellen Anpassung und durch Beweglichkeit den höchsten Grad von Reagibilität zu erreichen. Es muß sichergestellt werden, daß von dem Plan, von dem Gedanken bis zur Verwirklichung, bis zur Tat ein möglichst kurzer Zeitraum eingeschlossen liegt, daß also schnelle Planungen und schnelle Entscheidungen sowie schnelle Verwirklichung der Pläne unter allen Umständen gewährleistet sind.
({5})
Eine solche Politik setzt klare Verantwortungen und klare Zuständigkeiten voraus. Diese können und dürfen nach dem Grundgesetz lediglich in der Hand des Wirtschaftsministers sein.
({6})
Selbstverständlich bedürfen Maßnahmen wirtschaftspolitischer Art der Abstimmung mit den benachbarten Ressorts und der Genehmigung durch das Kabinett, aber der Führungsanspruch des Wirtschaftsministeriums ist klar gegeben. Nur der Wirtschaftsminister kann die Verantwortung übernehmen, die er auch nach dem Grundgesetz trägt. Ich bin bereit und willens, diesem Prinzip gemäß die Verantwortung voll zu übernehmen.
({7})
Meine Damen und Herren! Um Ihnen neben den Maßnahmen, die die Bundesregierung bereits getroffen oder eingeleitet hat, meine wirtschaftspolitische Konzeption
({8})
vor Augen zu führen, möchte ich zunächst damit beginnen, die anstehenden Probleme in etwa zu umreißen. Es ist, um das gleich für die nachfolgende Diskussion hier herauszustellen, zunächst darauf hinzuweisen, daß sich die ganze wirtschaftliche Entwicklung seit Mitte des vorigen Jahres im Schatten des Korea-Konflikts, also eines tragischen politischen Ereignisses, vollzogen hat und daß sich daraus für die ganze demokratische Welt die Notwendigkeit ergibt, Teile ihrer Arbeit, Teile des Sozialprodukts zur Verteidigung der Demokratie, zur Verteidigung der menschlichen Freiheiten bereitzustellen.
({9})
Es ist selbstverständlich, daß eine solche Aufgabe
für alle beteiligten Länder, für alle beteiligten
({10}) Volkswirtschaften Opfer bedeutet; und diese Opfer müssen vom Volk in seiner Gesamtheit getragen werden.
({11})
Sie müssen selbstverständlich getragen werden unter der notwendigen sozialen Rücksichtnahme und in der richtigen sozialen Aufteilung.
({12})
Der Umfang des Opfers wird z. B. daraus ersichtlich, daß die deutsche Volkswirtschaft allein aus den sehr erheblichen Preissteigerungen auf dem Weltmarkt, gerechnet nach den Maßstäben des letzten Quartals 1950, eine jährliche Belastung von ungefähr 11/2 Milliarden DM hinnehmen muß. Wenn Sie weiter daran denken, daß die Marshallplanhilfe - wenigstens in dieser Form und in der seitherigen Ausrichtung - zum Auslaufen kommt, dann können Sie die Größenordnung der daraus indirekt entstehenden Belastung wieder ungefähr mit 11/2 Milliarden DM veranschlagen. Dazu kommen noch die öffentlichen Aufwendungen, die in dem Haushalt der Bundesregierung in Erscheinung treten, so daß das notwendige und zu tragende Opfer - ohne daß heute die letzte Klarheit geschaffen sein kann - sich insgesamt immerhin in einer Größenordnung von 7 bis 9 Milliarden DM bewegt. Diese 7 bis 9 Milliarden DM bedeuten im Verhältnis zu unserem Volkseinkommen und zum Sozialprodukt immerhin ein fühlbares Opfer, das durch kein Mittel vermieden werden kann.
Es ist deshalb bei uns wie in allen anderen demokratischen Volkswirtschaften unbedingt notwendig, daß eine Verkürzung der Lebenshaltung, eine Einschränkung des Konsums Platz greift.
({13})
Ich werde Ihnen nachher bei der Entwicklung meines Programms vor Augen führen, daß es uns sehr ernst damit ist, dabei die sozialen Grundsätze an die Spitze zu stellen.
({14})
Ich darf darauf verweisen, daß der englische Schatzkanzler erst vor ganz kurzer Zeit öffentlich erklärt hat, er hoffe, daß die Opfer, die er dem englischen Volk zumuten müsse, geringer sein würden als die im letzten Krieg.
({15})
Ich verzichte darauf, die Größe dieses Opfers zahlenmäßig zu umreißen; denn die Größenordnung ist nicht völlig klar, mindestens nicht exakt zu stipulieren. Sicher aber ist, daß diese Einschränkung der Lebenshaltung, diese Verkürzung des Konsums Platz greifen muß. Wir werden uns dann anschließend bei den Vorschlägen darüber zu unterhalten haben, welche Mittel zur Erreichung des Ziels geeignet erscheinen.
({16})
Der zweite große Problemkreis betrifft die Preise. Auf dem landwirtschaftlichen Sektor sind gewisse Entzerrungen vorgenommen worden, und zwar wesentlich auch mit der Zielsetzung, auf der Agrarbasis angemessene Löhne bezahlen zu können. Auf die Anhebung der Grundstoffpreise wie auch der Mieten hat die Bundesregierung verzichtet, um damit deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß es ihr heute vor allen Dingen darauf ankommt, die Stabilität der Preise zu gewährleisten,
({17})
das Möglichste zu tun, um im Sinne dieser Politik nicht nur die Stabilität zu erreichen, sondern nach Möglichkeit darüber hinaus auch noch einen Preisdruck wirksam werden zu lassen.
({18})
Stabile Preise sind die Grundlage einer sozialen Befriedung, sind die Grundlage einer organischen Spartätigkeit und die Grundlage der politischen Ordnung.
({19})
Die Bundesregierung wird deshalb diesem Problemkreis ihre besondere Aufmerksamkeit schenken, und es wird deshalb insbesondere meine Aufgabe sein, in dieser Richtung Vorschläge zu entwickeln, die zu einem Erfolg führen.
({20})
Meine Damen und Herren, ich darf auch hier wieder darauf verweisen, daß die Preissteigerungen, die eingetreten sind, ihren Ursprung zunächst einmal in der Entwicklung der Weltmarktpreise haben,
({21})
und wenn Sie über die Grenzen unseres Landes etwas hinausschauen, werden Sie finden, daß ohne Rücksicht auf Systeme und Ordnungen die Preise in aller Welt ebenfalls gestiegen sind.
({22})
Das bedeutet nicht, daß nicht alle Anstrengungen unternommen werden müßten, um gerade in diesem Augenblick und in einer Phase, da sich auf dem Weltmarkt immerhin eine gewisse Beruhigung abzuzeichnen beginnt, mit bewußten Maßnahmen in die Preispolitik einzugreifen.
Meine Damen und Herren! Der dritte Problemkreis, den ich hier zunächst umreißen will, betrifft das Problem der Investitionen in den Grundstoffindustrien. Es hat sich gerade bei dem sprunghaften Anstieg des Produktionsvolumens im Herbst deutlich erwiesen, daß hier noch ein struktureller Fehler in der deutschen Wirtschaft zu verzeichnen ist, und zwar dergestalt, daß die Verarbeitungskapazität in unserer Verbrauchsgüterindustrie, d. h. also in der Verarbeitungs- und Veredlungsindustrie, sehr wohl einen Produktionsindex von 160, 170 % zulassen würde, während auf der anderen Seite die Grundstoffindustrie noch erheblich nachhinkt. Jeder weitere Fortschritt in der Ausweitung unserer Produktion, in der Erhöhung des Sozialprodukts, in der Einschaltung neuer Arbeitskräfte wird von der erfolgreichen Inangriffnahme und Lösung des Problems der Investitionen in den Grundstoffindustrien abhängen.
({23})
Aber ich darf gleich hinzufügen, daß die Störungen und Spannungen in der Grundstoffindustrie damit in einem Marktsektor in Erscheinung getreten sind, in dem wir ganz bestimmt keine Marktwirtschaft hatten, sondern in dem durch das Fehlen klarer Eigentumsbegriffe, klarer Zuständigkeiten
4802 Deutscher Bundestag - 1.
({24})
und Verantwortungen eigentlich das Ideal Ihrer Wirtschaftspolitik, meine Herren von links, verwirklicht war.
({25})
Ich werde noch im einzelnen darzulegen haben,
welche Art der Mittelbeschaffung zur Lösung dieses Problems von mir in Vorschlag gebracht wird.
Als letzter, besonders wichtiger Fragenkomplex sei endlich noch die Entwicklung des deutschen Außenhandels erwähnt. In diesem Zusammenhang bedarf die Frage der Devisenbilanz zumindest einer kurzen Beleuchtung, zumal es ja sicher ist, daß nachher auch das System der Liberalisierung zur Diskussion gestellt werden wird. Ich brauche nicht daran zu erinnern, daß, gemessen an dem Volumen unseres Außenhandels, die schematisch eingeräumte Kreditlinie sogar trotz des zusätzlichen Kredits zu kurz geworden ist. Der sehr starke Importsog in die deutsche Wirtschaft herein hat selbst in einer starken Exportausweitung keine volle Entsprechung finden können. Es gilt also auch, bei den anderen Maßnahmen wie z. B. der Konsumbeschränkung die Ansatzpunkte so zu wählen, daß der Importsog mehr und mehr aufgelöst und eine Steigerung der Ausfuhr erreicht wird.
({26})
Meine Damen und Herren! Wie unterschiedlich die Auffassungen über die Liberalisierung sind, kann durch rechts besser beleuchtet werden als durch den Umstand, daß uns auf der einen Seite vorgeworfen wird, wir hätten zuviel überflüssige Waren eingeführt, und wir auf der anderen Seite unter Anklage stehen, daß wir die Liberalisierung dazu benutzt hätten, uns übermäßig mit Rohstoffen anzureichern. Das System der Liberalisierung schließt bei einer ehrlichen Anwendung das Mittel der Steuerung im Rahmen der Freilisten aus. Die Freilisten sind aber für jedes an der EZU beteiligte Land gegenseitig ausgehandelt worden. Sie erstrecken sich auf einen für alle Länder gleichen verbindlichen Prozentsatz, und innerhalb dieser Ordnung konnte bis heute eine Auswahl, eine Auslese, eine Steuerung nicht Platz greifen, solange wir ehrliche Spieler im Rahmen der Europäischen Zahlungsunion bleiben wollten.
({27})
Wenn wir auf einem Felde Maßnahmen ergreifen mußten und deren Notwendigkeit begründen konnten - vor allen Dingen auch vor den zuständigen Instanzen in Paris -, dann geschah es aus dem Zwang, gewisse Einschränkungen und zeitliche Terminierungen durchzuführen. Aber wir sind gehalten, dabei Prinzipien zur Anwendung zu bringen, die uns nicht in den Geruch einer einseifigen Diskriminierung bestimmter Partner setzen, mit der Wirkung, daß dann die an der Europäischen Zahlungsunion beteiligten Länder ihrerseits in ihrer Außenhandelsgestaltung Repressalien gegenüber Deutschland ergreifen würden. Das muß unter allen Umständen vermieden werden. Obwohl die endgültige Lösung auch in der technischen Abwicklung heute noch nicht festgestellt werden kann, ist es ganz sicher, daß ein Verfahren Platz greifen wird, das absolut gewährleistet, daß es in den kommenden Monaten - und wir hoffen, der Beengung in den kommenden Monaten durch eine bewußte, sehr aktive Außenhandelspolitik Herr zu werden - möglich sein wird, bald wieder zu größerer Freiheit zurückzukehren. Denn ich darf darauf verweisen, daß Deutschland, das seinen Außenhandel - wie ich vorhin schon sagte - aus Trümmern aufbauen mußte, ohne irgendwelche Verbindungen zu der übrigen Welt, bar jeglichen Patentschutzes, bei Mangel an Krediten, an Niederlassungen, an Unterstützungen jeglicher Art im Ausland, sehr wohl auf einen Erfolg hinweisen kann. Wenn die deutsche Ausfuhr heute eine Milliarde DM im Monat erreicht hat, so muß man dabei bedenken, daß dieser Erfolg ganz sicher nicht zu verbuchen gewesen wäre, wenn wir unsere Außenhandelspolitik etwa nach dem Grundsatz der non essentials betrieben hätten.
({28})
Ich erkenne gleichwohl an - nicht nur aus sachlicher Notwendigkeit heraus, sondern auch wegen der finanzpolitischen Ordnung -, daß im Augenblick Maßnahmen der Einschränkung in der Einfuhr ergriffen werden müssen, nicht als Endziel, sondern um die Balance in der Zahlungsbilanz herzustellen. Das Ziel bleibt nach wie vor die aktive Handelspolitik, die Lösung des Problems der Steigerung der Ausfuhr.
Wenn die Probleme dieser vier Kreise erfolgreich einer Lösung nähergeführt werden sollen, dann ist es selbstverständlich, daß sie durch eine Reihe steuerpolitischer Maßnahmen unterbaut werden müssen, ferner durch Maßnahmen der Geld- und Kreditpolitik, vor allen Dingen auch in Richtung einer noch strafferen Koordinierung mit der Bank deutscher Länder. Es sind Rückwirkungen gegeben in bezug auf Maßnahmen in der Agrarpolitik, sei es in der Lohngestaltung, in der Anbau-, in der Außenhandelspolitik und in Richtung einer Produktionssteigerung.
Nun, meine Damen und Herren, habe ich die Absicht, Ihnen als der verantwortliche Wirtschaftsminister die Pläne vorzutragen, die ich jetzt in einem Fluß von mir aus dem Kabinett zur Entscheidung zuleiten werde. Was die Frage der Konsumbeschränkung anlangt, so ist bis zu einer Wiederbelebung einer organischen Spartätigkeit nicht damit zu rechnen, daß ohne irgendwelche staatlichen lenkenden Einflüsse auszukommen ist.
({29})
- Lachen Sie ruhig, meine Damen und Herren! ({30})
Wir werden also Methoden zu entwickeln haben, durch die sichergestellt wird, daß die vom Konsum abzuziehenden, im Konsumsektor einzusparenden Mittel möglichst unmittelbar der notleidenden Grundstoffindustrie, den Schlüsselindustrien, zugeführt werden.
({31})
Ich denke in erster Linie an Kohle, Eisen und Stahl, Energie, Grundchemie, Zellstoffe und noch einige andere Grundstoffe. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Sie der Auffassung sind, die Investitionen in diesem Bereich wären nicht notwendig.
({32})
Wir sind der Auffassung, daß es sinnvoller, nützlicher und sozial wohltätiger ist, wenn diese Kapitalmittel für Investition in den Grundstoffindustrien dem Volke nicht ohne Gegenleistungen vom Staat weggenommen werden sollen, sondern daß im Sinne einer Sparkapitalbildung - und sei sie auch vom Staat her bewußt gelenkt - Sorge getragen wird, daß der deutsche Staatsbürger, der
({33})
das Opfer durch Konsumeinschränkung getragen hat, auch die Nutznießung und den Besitz an dem Investitionskapital erhält.
({34})
Dieser Zielsetzung trägt z. B. der von mir entworfene Plan des Aufbausparens durch Marken Rechnung. Dabei ist wieder vorgesehen, daß die Sätze, mit denen der Verbrauch belastet werden soll, dem sozialen Bedürfnis und der sozialen Struktur des deutschen Volkes in seiner Einkommensgestaltung Rechnung tragen.
Ich sage also noch einmal: Dieses Mittel der Kaufkraftlenkung bzw. Kaufkraftumschaltung soll in sozialer Ausrichtung nicht durch Steuern, sondern durch eine breitgeschichtete, private Sparkapitalbildung in der von mir etwa angeregten Form angewandt werden.
({35})
Man wird damit zugleich auch eine sozial wohltätige Lösung des Problems finden,
({36})
nämlich auch den kleinen Sparern die Möglichkeit zu geben, sich durch Baby-Shares oder Kleinaktien an dem produktiven Kapital zu beteiligen und ein höheres Maß von Wertbeständigkeit der Sparmittel zu erreichen.
({37})
- Meine Damen und Herren, Sie werden ja wahrscheinlich nachher Ihre „besseren" Maßnahmen in Vorschlag bringen.
({38})
Zur Preispolitik ist zu sagen, daß alle Anstrengungen dahin gehen, die Preisstellung so zu ordnen, daß in ihr nur die von dem Weltmarkt her hereinschlagenden echten Mehrbelastungen absoluter Art in dem einzelnen Produkt Niederschlag finden.
({39})
Es muß alles getan werden - und ich habe die Schritte bereits eingeleitet
({40})
um im Sinne einer stärkeren Aufklärung und einer Offenlegung der Kalkulationen die Gewißheit zu geben,
({41})
daß sowohl in der deutschen Industrie wie auch im Handel im Preise nur d i e Rohstoffverteuerung zur Anrechnung kommt, die effektiv vom Weltmarkt her uns aufgelastet oder aufgezwungen ist.
({42})
Die Tendenz muß, wie ich schon sagte, in Richtung eines Preisdrucks gehen. Wir können heute noch mehr als noch vor relativ kurzer Zeit hoffen, daß diese Politik erfolgreich sein wird.
({43})
Ich werde weitere Vorschläge in Richtung einer Verschärfung des Wirtschaftsstrafrechts dem Kabinett zuleiten.
({44})
Mit allen Mitteln werden wir dafür Sorge tragen, daß Mißstände beseitigt und Mißbräuche entsprechend geahndet werden.
({45})
Die Preisüberwachung wird aktiviert werden, und wir haben die Absicht, den Preisüberwachungsstellen besondere Richtlinien in Form von Kalkulationsnormen und gegebenenfalls sogar von Richtpreisen zu einer besseren Erfüllung ihres Amtes an die Hand zu geben.
({46})
Ich möchte mit aller Deutlichkeit hier sagen, daß die Zeit der Steuersünder und Preissünder zu Ende gehen muß.
({47})
Die Bundesregierung ist entschlossen, mit aller Härte und mit aller Schärfe einzugreifen.
({48})
Eine Steuerhinterziehung ist kein Gentlemanvergehen, sondern ein Verbrechen am deutschen Volk und gehört entsprechend geahndet.
({49})
Wir haben deshalb die Absicht, sowohl die Preisüberwachung als auch die Steuerüberwachung energisch in Angriff zu nehmen.
({50})
Meine Damen und Herren, ich verstehe Sie nicht!
({0})
Meine Damen und Herren! Es ist weiter wichtig und gerade für eine erfolgreiche Preispolitik in dem aufgezeichneten Sinne notwendig, daß mit geld- und kreditpolitischen Maßnahmen die Möglichkeit der Hortung und spekulativer Rohstoffverfügungen genommen wird.
({0})
Wir treten also für eine Verschärfung der Kreditpolitik ein, um auch von dieser Seite aus Mißbräuchen übermäßiger Lagerhaltung entgegenzuwirken.
({1})
Mit dieser Politik tendenziell sinkender Preise
({2})
ist des weiteren - -
Meine Damen und
Herren, der Herr Minister ist kaum zu verstehen!
({0})
Meine Herren, ich hoffe, Sie haben nachher bessere Argumente, wenn Sie sprechen!
({0})
Mit dieser Preispolitik ist nicht zu vereinbaren die allzu bequeme und weitverbreitete Maßnahme der heute noch vorhandenen Absatzfinanzierung. Es muß also verhindert werden, daß im gleichen Zuge,
({1})
in dem wir eine Konsumbeschränkung für notwendig halten, nicht durch Absatzfinanzierung indirekt eine Konsumausweitung vorgenommen wird. Um in der Frage der Hortungen, der Abdämmung der Spekulation wirksamer operieren zu können, sind bereits in einer ganzen Reihe von Industriezweigen für knappe Rohstoffe Meldepflichten in bezug auf die Produktion, die Lagerhaltung und den Absatz auferlegt worden.
({2})
Was nun mit der Politik stabiler Preise das Problem noch notwendiger Subventionen anlangt, so sind wir vor allem auch aus Gründen der Haushaltpolitik gezwungen, diese Mittel so knapp wie möglich zu halten, aber eben doch so ausreichend, um die Politik stabiler Preise erfolgreich durchführen zu können.
({3})
Wir werden also Verfahren zu entwickeln haben, die sicherstellen, daß nicht die Volksschichten mit relativ hohen Einkommen aus einer allgemeinen Subventionierung indirekt auch noch Nutzen ziehen, sondern die vorhandenen schmalen und begrenzten Mittel dazu verwenden, um den wirklich bedürftigen Schichten unseres Volkes die Lebenshaltung zu gewährleisten.
({4})
Diese für die Subventionen notwendigen Mittel sollen nach meinem Dafürhalten durch die Einführung spezifischer Luxussteuern gewonnen werden, weiter durch eine Erhöhung der Wettsteuer und durch eine Reklamesteuer, außerdem durch eine relativ hohe Abgabe auf Neubauten oder Investitionen von kostspieligen Restaurants, Luxusgaststätten, Bars, Kabaretts, Lichtspieltheatern und dergleichen mehr.
({5})
Ich werde des weiteren Maßnahmen einleiten, um in der deutschen Wirtschaft die Vertragstreue wieder in den Vordergrund zu rücken und ihr wieder bessere und allgemeinere Anwendung zu sichern.
({6})
Zu der Frage der Investitionen und der Mittelbeschaffung für die Investitionen ist zu sagen, daß dieses Problem indirekt mit der Frage der Kaufkraftabschöpfung zusammenhängt. Ich habe das bei der Erwähnung des Sparmarkengedankens bereits zur Sprache gebracht. Selbstverständlich muß die Politik im ganzen dahin gehen, vor allem wieder ein höheres Maß von organischer und f rei-williger Kapitalbildung in die Wege zu leiten. Ich bin überzeugt, daß gerade die energisch zu verfolgende Politik stabiler Preise
({7})
die beste Voraussetzung zur Weckung des Spargedankens sein wird. Die Bundesregierung ist im Augenblick mit der Prüfung der Frage beschäftigt, ob der Abschöpfung von Kaufkraft und ihrer Hinlenkung auf die Investitionen nicht auch noch andere Maßnahmen zur Seite gestellt werden können. So wird zum Beispiel der Vorschlag erwogen, 20 % der gesetzlich zulässigen Abschreibungen von den Verbrauchsgütersektoren zur Bindung in den Grundstoffindustrien umzuleiten. Es wird dabei sorgfältig zu prüfen sein, daß mit einer solchen
Maßnahme dann nicht auch solche Exportindustrien behindert werden, deren weiterer Ausbau und Rationalisierung zum Zwecke weiterer Leistungssteigerung und höherer Wettbewerbsfähigkeit gerade umgekehrt unsere Aufgabe sein muß.
Es wird weiter noch der Plan erwogen und geprüft, inwieweit die vorhandenen privaten Sozialfonds und mögliche andere Vermögensstocks zu einem Teil auch für Zwecke der Investition in der Grundstoffindustrie Anwendung finden können.
({8})
Meine Damen und Herren! Es bedeutet keinen Erfolg - um das vor der Diskussion gleich sicherzustellen -, vom Konsum Kaufkraft abzuziehen und dann etwa über Subventionen wieder in den Kreislauf zurückzugeben, sondern es kommt darauf an, eine echte produktive Umschaltung in dem Sinne vorzunehmen, daß die vom Konsum abgezogene Kaufkraft - und gerade die vom erhöhten Konsum abgezogene Kaufkraft - durch die Transformierung in der Kapitalgüterindustrie dann erst wieder in Gestalt von produktiven Löhnen in den Konsum zurückfließt.
({9})
Es sind weiter Maßnahmen in Richtung einer Wiederherstellung einer geordneten Kapitalmarkt- und Zinspolitik geplant, denn das ist die Voraussetzung, um neu sich bildendes Kapital freiwillig an den Kapitalmarkt heranzuführen. Es wäre hier z. B. an die Bindung von Versicherungsgeldern zu denken, die heute in weitem Umfange vagabundierende Kaufkraft bedeuten, weil es eine gesicherte Wertpapieranlage noch nicht gibt und weil ein fünfprozentiger Pfandbrief mit seinem hohen Disagio nicht den Notwendigkeiten einer organischen Kapitalmarkt- und Zinspolitik gerecht wird. Zu diesem Zweck und um neben der straffen, aber in individuellerer Weise zu gestaltenden Kreditpolitik auch zu einem Eingriff auf dem Versicherungssektor schreiten zu können, scheint es mir notwendig, die Banken- und Versicherungsaufsicht möglichst schnell wieder zu aktivieren und gegebenenfalls bis zu der Verabschiedung eines solchen Gesetzes mit kommissarischer Tätigkeit auf diesem Gebiet zu operieren.
Was endlich den Außenhandel anlangt, so hat die Bundesregierung gestern eine Kabinettsvorlage angenommen, die eine steuerliche Begünstigung des Exports, sowohl in Richtung einer Erhöhung der Umsatzsteuerrückvergütung als auch der Gewährung von Rücklagen und Freibeträgen im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, zum Gegenstand hat. Sie werden sich in Kürze damit zu befassen haben.
Des weiteren habe ich jetzt Pläne zu entwickeln - und diese werden auch in Kürze dem Kabinett zugeleitet werden -, um zur Sicherung und Steigerung des Exports Prioritäten der Rohstoffzuweisungen zu schaffen.
({10})
Es soll damit vor allen Dingen der deutsche Beitrag zu einem demokratischen Defence-Programm belebt und sichergestellt werden, und zum anderen soll darüber hinaus der gesamte deutsche Export, wie er zur Sicherstellung unserer Ernährung und Beschäftigung und zum Ausgleich unserer Zahlungsbilanz notwendig ist, daraus auch den notwendigen Vorteil genießen und in Vorsprung kom({11})
men. Die Bank deutscher Länder hat bereits Maßnahmen eingeleitet und immer weiter vervollkommnet, um eine wirksame Devisenkontrolle durchführen zu können.
Des weiteren wird von meinem Ministerium ein Plan ausgearbeitet, um den Möglichkeiten einer Kapitalflucht vor allen Dingen durch eine schärfere Preiskontrolle im Außenhandel begegnen zu können.
({12})
Diese Möglichkeit ist uns heute in zweifacher Hinsicht in leichterem Maße gegeben, einmal durch die Steuerung der Importe, die notwendig geworden ist, und außerdem durch die Zuweisung von Prioritäten für den Export. Mit beiden Maßnahmen soll eine Preiskontrolle und damit indirekt eine Kontrolle gegen Kapitalflucht durchgeführt werden. Auch hier wird mit aller Strenge vorgegangen werden müssen.
Schließlich beabsichtigt die Bundesregierung, sich dem Transferable Sterling Account Area anzuschließen, um damit die Möglichkeit zu gewinnen, innerhalb dieses Blocks von Ländern zu einer größeren handelspolitischen Aktivität zu kommen.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen hier ein ganzes Bündel von Maßnahmen vorgetragen, die selbstverständlich nur in ihrer Einheit, Gesamtheit und Zusammengehörigkeit begriffen werden können.
({13})
- Das war nicht die Leichenrede der freien Wirtschaft, sondern das waren die notwendigen Maßnahmen, die uns aus dem politischen Geschehen sinnvoll erscheinen oder auch, wenn Sie so wollen, aufgezwungen werden.
({14})
Aber wir sind einsichtig genug und sind weniger starr als Sie, um auch diese Wendungen zu vollziehen.
({15})
Wir haben allen Grund, das System der Marktwirtschaft, soweit es nur überhaupt von außen her durchführbar erscheint, unter allen Umständen weiter aufrechtzuerhalten.
({16})
Ich möchte heute mit besonderem Nachdruck das Gewicht auf den Begriff „soziale Marktwirtschaft" legen.
({17})
- Sie rühren mich nicht im geringsten. Wo der Markt heute von außen her durch politische Maßnahmen und Einflüsse beengt wird, - schön, da nehmen wir das hin. Aber wir wollen dann, wenn unser Programm sich „soziale Marktwirtschaft" nennt, heute das besondere Gewicht und den Schwerpunkt auf den Begriff „sozial" legen, ob Sie es glauben, ob Sie es wollen oder nicht.
({18})
Vor allen Dingen soll das deutsche Volk über aller Kritik wissen, daß eine klare Konzeption wirtschaftspolitischer Art vorliegt
({19})
und daß die Bundesregierung bereit ist, vor dem deutschen Volk die Verantwortung für diese Maßnahmen zu tragen. Ich wiederhole noch einmal: Ich bin mir bewußt, daß in erster Linie ich die Verantwortung für die Wirtschaftspolitik des Bundes im Rahmen der Gesamtpolitik der Bundesregierung zu übernehmen habe. Ich werde deshalb auch noch in diesem Monat der Regierung das Wettbewerbsgesetz im Sinne des Kartellgesetzes vorlegen,
({20})
weil ich glaube, daß die Belebung des Wettbewerbs unabdingbarer Bestandteil unserer marktwirtschaftlichen Politik bleibt und daß wir vor allen Dingen heute mehr als je dafür sorgen müssen, daß die private Initiative und der Wille zur Leistungssteigerung und zu vermehrter Leistung lebendig bleiben.
({21})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie über das, was sich seit Korea nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt vollzogen hat, frohlocken und wenn Sie darüber frohlocken, daß die Bundesregierung - ({22})
- Sie tun es indirekt.
({23}) Denn Ihre Freude - ({24})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!
Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich Sie nicht verdächtigen wollte
({0})
in dem Sinne, daß Sie Freude an Korea und seiner Entwicklung haben.
({1})
- Nein, meine Herren, ich sage: Ihr Frohlocken
um die Störungen innerhalb der Marktwirtschaft.
({2})
- Das müssen Sie sich auch überlegen. Denn diese Störungen spiegeln sich auf dem düsteren und tragischen Hintergrund des Korea-Konfliktes ab.
({3})
Wenn die Marktwirtschaft in einigen Sektoren
heute in Bedrängnis gerät und wenn die von mir
als lebensnotwendig erkannten Maßnahmen durchgeführt werden, dann ist das für uns alle und für
das deutsche Volk kein Grund zum Frohlocken.
Dem deutschen Volk würde es besser gehen, wenn
unsere marktwirtschaftliche Politik ohne Korea unverändert hätte durchgeführt werden können.
({4})
Ich wiederhole noch einmal: Es handelt sich bei den zu ergreifenden notwendigen Maßnahmen und bei den ganzen wirtschaftlichen Erscheinungen der Gegenwart nicht um ein deutsches Problem im eigentlichen Sinne, sondern es handelt sich um ein europäisches Problem
({5})
mit allen gleichen Zeichen in dieser Welt. Es handelt sich um die Krise und um die Rettung der Demokratie.
({6})
({7})
Wenn ich sage: ich bin mir bewußt, daß das deutsche Volk Klarheit über unsere Wirtschaftspolitik haben und Sicherheit über die Klarheit einer Konzeption gewinnen will, dann ist das die beste Voraussetzung dafür, daß unser deutsches Volk wieder zu einer festen, ruhigen Haltung kommt und daß es die Zuversicht und das Vertrauen gewinnt, daß wir nicht in das Chaos kommen, das Sie jeden Tag voraussehen und voraussagen, sondern daß wir sehr wohl in der Lage sind, die Probleme zu meistern.
({8})
Wenn wir dem deutschen Volke schon die Notwendigkeit, Opfer zu bringen, vor Augen führen und wenn wir ihm Opfer zumuten müssen, dann soll das deutsche Volk daraus aber nicht in eine Stimmung der Verzweiflung kommen, sondern es soll umgekehrt daraus den Mut und die Kraft schöpfen und deshalb auch zu den Anstrengungen fähig sein, die notwendig sind, um das unabdingbare Opfer der Konsumeinschränkungen durch vermehrte und verbesserte Leistungen so weit als möglich wettmachen zu können.
Ich bekenne mich also zu dem Erfordernis einer straffen Führung unserer Wirtschaftspolitik.
({9})
Ich sagte vorhin schon: ich werde von nun an dem Kabinett die Maßnahmen - und aus dem Gang der Entwicklung der Verhandlungen heraus möglicherweise auch noch weitere - zur Entscheidung in einem Fluß vorgetragen. Die Verantwortungen sind klar gezogen. Ich weiß genau, daß das deutsche Volk den Wirtschaftsminister für die Wirtschaftspolitik verantwortlich macht,
({10})
und deshalb habe ich auch nicht die Absicht, etwas von dieser Verantwortung abzugeben. Ich will sie tragen.
({11})
Aber das bedeutet dann auch, daß es notwendig war, diese meine Konzeption hier vorzutragen. Ich werde alles tun, um dem deutschen Volk zur Gewißheit zu bringen, daß der verantwortliche Wirtschaftsminister eine klare wirtschaftspolitische Konzeption besitzt
({12})
und daß es ihm auch nicht an dem Mut und an der Energie mangelt, diese Konzeption in die Tat umzusetzen.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nölting.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen es - namentlich nach dieser Rede - sehr, daß uns die zweite Lesung des Etats des Wirtschaftsministeriums Gelegenheit bietet, über die einzelnen Etatspositionen hinaus unsere Auffassung über die wirtschaftliche Gesamtsituation zu entwickeln. Denn die Wirtschaftspolitik steht heute im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Ich glaube aber, daß diese leidenschaftliche Anteilnahme und Interessiertheit bestimmt kein Ruhmeskapitel für den Herrn Bundeskanzler und seinen Wirtschaftsminister bedeutet.
({0})
Wir hatten heute wohl alle gehofft, daß man von der Regierungsbank ein wirklich zielweisendes Wort zu hören bekommen würde; denn bei den breitesten Volksmassen hat sich ein Gefühl der Erbitterung und der Sorge festgefressen,
({1})
daß die Regierung die Dinge nicht mehr in ihrer Hand hat und daß sie sie schleifen läßt.
Ich glaube, meine Damen und Herren, es war ein zu hochgegriffenes Wort, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Rede als eine Programmrede bezeichnete.
({2})
In Wirklichkeit war sie eine gestammelte Entschuldigungsrede,
({3})
eine Rede, meine Damen und Herren,
({4})
die sehr viel interessante und in diesem Munde ungewohnte Vokabeln enthielt;
({5})
denn wenn wir hören von „Repressalien", die vom Liberalisierungsstop drohen - jetzt muß ich leider wirklich ablesen -, wenn wir hören von „notleidenden Grundindustrien", wenn wir hören von „Kaufkraftumlenkung", von einer „straffen Führung der Wirtschaftspolitik", von „Prioritäten in der Rohstoffzuteilung", die uns noch vor kurzem abgelehnt wurden - ja, meine Damen und Herren, dann ist das doch alles eine fortlaufende, ich will nicht sagen, Sünde gegen das Blut, aber eine Sünde gegen den Geist,
({6})
aus dem heraus bisher hier Wirtschaftspolitik getrieben wurde.
({7}) Herr Professor Erhard, was Sie heute auf dieses Podium brachten, das war die Mumie Ihrer Marktwirtschaft.
({8})
Wenn Sie in den Spiegel schauen, möchte ich Sie fragen: Erkennen Sie sich selbst dann eigentlich noch wieder?
({9})
Wir aber haben die Ratlosigkeit eines Liberalisten erkannt, der sich gründlich festgefahren hat. Ich glaube, diese Ihre Rede wird alarmierend im ganzen Lande wirken, und die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter werden es vielleicht mit besonderem Interesse vernehmen, daß sie angeblich erst durch Ihre Wirtschaftspolitik wieder zum „Sinn für Arbeit" erzogen worden sind, ein Wort, das Sie sich hätten schenken sollen.
Aber, meine Damen und Herren, dennoch vielleicht war diese Rede gut; denn Sie wissen ja: was bisher in die Öffentlichkeit gedrungen war, war ein unübersichtliches Gewirr von Plänen, von Gutachten, von Projekten, von Pronunziamentos, verhüllten Andeutungen und von Dementis am laufenden Band. Wir wissen, wer alles in der letzten Zeit Wirtschaftsprogramme fixiert und niedergelegt hat: Umsatzsteuerpläne, generelle Preiserhöhungen - man nennt das heute „Preisanhebung" -, Zwangssparideen, Markenklebeprojekte, Marktspaltungsforderungen, Zwangsanleihen auf Kohle, Einfuhrstop bei gleichzeitiger Exportförde({10})
rung, - das alles wirbelt wie unlustige Schneeflocken in letzter Zeit bunt durcheinander.
({11})
Die Direktionslosigkeit, mit der man sich festgefahren hat, ist so groß, daß wir gestern aus den Zeitungen entnehmen mußten: Vertreter der Hohen Amerikanischen Kommission sind beim Bundeskanzler vorstellig geworden, um auf die Notwendigkeit eines zielbewußten Kurses in der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hinzuweisen.
({12})
Sie haben Stabilisierungsmaßnahmen, sie haben die Errichtung von Ein- und Ausfuhrkontrollen, sie haben zweckbestimmte Verwendung der Rohstoffe und Halbwaren in diesem Memorandum als das Gebot der Stunde bezeichnet. Gewiß für die Bundesregierung eine blamable Rüge, meine Damen und Herren.
({13})
Schon bei der Diskussion um das Arbeitsbeschaffungsprogramm - jenes Arbeitsbeschaffungsprogrammes, das dann später zusammenschrumpelte zu einem Wirtschaftsförderungsprogramm, um dann als Engpaßprogramm auf Eis gelegt zu werden - haben wir wiederholt auf die ungeklärten Zuständigkeiten hingewiesen; denn einmal war es ja der Herr Arbeitsminister, einmal der Herr Wirtschaftsminister, der verantwortlich zeichnete.
Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben in der heutigen Rede etwas verdächtig oft betont, daß Sie die für die Wirtschaftspolitik allein zuständige Instanz seien.
({14})
So etwas legt immer den Verdacht nahe, daß sich neben Ihnen noch irgendeine Nebenregierung etabliert hat.
({15})
Es wäre sehr interessant zu erfahren, wie eigentlich die Kompetenzenabgrenzung mit jenem Hof-Wirtschaftsminister ist, den sich der Herr Bundeskanzler in aller Heimlichkeit zulegte. Sehen Sie, wie die Zuständigkeiten durcheinander gehen! Sie propagierten heute ein Exportförderungsprogramm, betonten Exportnotwendigkeiten, aber noch im Sommer des vergangenen Jahres wies der Herr Bundesfinanzminister Schäffer darauf hin, daß eine steuerliche Exportförderung überflüssig sei, da ja der Export ohnehin so erfreulich anlaufe. Im Topfe des Außenhandels rühren gegenwärtig die Professoren Erhard und Niklas im trauten Verein mit dem Herrn Vizekanzler Blücher als nicht immer gar sehr einträchtige Köche herum.
({16})
- Ach nein, in diesem Topf rühre ich nicht mit. - Die Zuständigkeit im Kreditbereich, die der Herr Wirtschaftsminister nach unserem Dafürhalten mit Recht für sich reklamiert, liegt beim Finanzminister. Ich glaube, meine Damen und Herren, dadurch, daß sich nun der Herr Bundeskanzler noch einen besonderen privaten Wirtschaftsminister beigesellt hat, sind wir nicht gerade der Notwendigkeit, zu einer Vereinheitlichung der ganzen Wirtschaftskonzeption zu kommen, nähergerückt. Bei solchem Arrangement sind dafür nur höchst geringe Chancen vorhanden.
Ich möchte mich im weiteren Verlauf meiner Rede gern an die Disposition halten, die der Herr Bundeswirtschaftsminister seinen Ausführungen zugrunde legte. Horcht man in die Diskussion des Mannes der Straße, so geht es neben der Arbeitlosigkeit - von der der Herr Bundeswirtschaftsminister bezeichnenderweise wiederum überhaupt nicht sprach,
({17})
denn eine Arbeitslosigkeit von 1,5 oder 1,6 Millionen, wird inzwischen regierungsseitig fast schon als konstante Größe empfunden -, ich sage: sieht man von dieser Arbeitslosigkeit ab, so geht es bei diesen Diskussionen in der Tat heute in erster Linie um die Frage der Preise. Damit ist das am meisten brennende Thema angeschlagen. Sicher spielt beim Auftrieb der Preise der durch Rüstungskonjunktur bedingte aufwärtsweisende Preistrend auf dem Weltmarkt eine nicht zu leugnende Rolle, und Sie sollen uns nicht später wieder sagen, das wir das übersehen. Auch wir werden nicht verlangen,' daß man sich gegen diesen Preisanstieg völlig abschirmt und daß man die Preise auf ein bestimmtes kalendermäßiges Datum hin einfach einfrieren läßt. Aber ich glaube, zwei Dinge sind zu sagen. Erstens: man hätte mehr Vorsorge treffen können, damit uns der Anprall des Preisanstiegs nun nicht mit seiner ganzen Wucht trifft, damit uns nun nicht alle Ziegelsteine auf den Kopf fallen, wie es jetzt leider tatsächlich der Fall ist. Zweitens: Man sollte keinen blauen Dunst produzieren, indem man jetzt schon wieder von bevorstehenden Preiseinbrüchen im Frühjahr oder im Sommer orakelt. Denn die Teuerungswelle in den Weltrohstoffen beginnt erst gerade jetzt unsere Fertigfabrikation zu erreichen und wird in ihrer ganzen Breitenwirkung etwa um August oder September hervortreten.
Gewiß gibt es Korea. Das wissen wir auch, Herr Minister Erhard. Aber man soll Korea nicht als Alibi und Wandschirm für eigenes Versagen benutzen.
({18})
Der Weltmarkt erklärt nicht den ganzen Umfang des heutigen Preisphänomens. Der Preisanstieg bei uns ist vielmehr zum großen Teil eine Folge der Disproportionalitäten, Engpässe und der strukturellen Verzerrungen in unserer Wirtschaft, nicht zuletzt eine Folge der aus Steuerbegünstigungen gespeisten Selbstfinanzierung und der dadurch verursachten Kaufwelle und schließlich das Resultat der sich überstürzenden und sich so häufig widersprechenden Erklärungen der Bundesregierung und ihrer einzelnen Minister, die ja eine allgemeine Unsicherheit und Käuferpanik geradezu zwangsläufig heraufführen mußten.
({19})
Wenn der Herr Bundeskanzler davon spricht, die Steigerung der landwirtschaftlichen Erlöse um eine Milliarde sei notwendig, wenn der Niederbreisiger Kreis von einer allgemeinen Anhebung des Preis-und Lohnniveaus spricht, wenn Herr Schäffer Umsatzsteuererhöhungen verkündet, wenn Herr Blücher von Zwangssparen, wenn Herr Professor Erhard von Sparmarkenkleben usw. spricht - und man spricht bei uns ja lange, bevor gehandelt wird, weil man angesichts der überall vorhandenen Engpässe den Engpaß mangelnder Ideen für sich selber so gern durch originelle Einfälle durchbricht und sich damit an die Tate spielt -,
({20})
dann, verehrte Anwesende, muß zwangsläufig ein Run auf die Warenmärkte entstehen. Hernach beschimpft man dann nach bewährtem Vorbild den Verbraucher, den man zuvor durch dieses vielstimmige Gerede in Nervosität gehetzt hat.
({21})
({22})
Die Preispolitik ist eine Funktion der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Wir haben niemals dem Köhlerglauben angehangen, daß man diesem Problem nur mit Polizei- und Preisvorschriften beikommen könne. Da müßte schon das ganze Instrumentarium moderner Wirtschaftslenkung eingesetzt werden, um dem Übel an der Wurzel zu begegnen.
Dennoch können wir nach dem Dafürhalten meiner Freunde in der gegenwärtigen Situation auf konkrete und schnell wirksame Stützmaßnahmen nicht verzichten. Wir müssen zu einer Verhinderung von Knappheitsgewinnen durch verschärfte Anwendung des Wirtschaftsstrafrechts und durch Ausschöpfung aller Möglichkeiten bis zum Berufsverbot und bis zur Betriebsschließung kommen,
({23})
wobei sich die Anklage gegen den ganzen Personenkreis richten müßte, der sich in der Kette der Preistreiberei und Verteuerung schuldig gemacht hat, vom Erzeuger über alle Zwischenhandelsstufen hinweg .bis zum letzten Einzelhändler. Wir brauchen eine wirksame Preiskontrolle, wir brauchen den Erlaß von Richtpreisen. Aber, Herr Bundeswirtschaftsminister, wie lange ist es eigentlich her, daß Sie mit Triumphatorengeste hier verkündet haben: „Ich werde die ganzen unteren Preisbehörden zum Teufel jagen",
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die Sie heute so dringend brauchen? Wir fordern eine Überprüfung und Niedrighaltung der übersetzten Handelsspannen - das ist unser altes Anliegen -, eine Beibehaltung der Subventionierung für einige Massenlebensmittel, da man zur Stunde das Stützgebälk einfach nicht wegschlagen kann, und eine rigorose Erfassung hinterzogener Steuern, die doch heute als zusätzlicher Konsum auf den Warenmärkten herumzigeunern. Wenigstens aber wäre zu fordern, daß die Bundesregierung - weitgehend selber unfähig, ihren gesetzlichen Vorschriften Respekt zu erzwingen - nicht, wie es bei der Frage der Getreidepreise geschah, selbst gegen bestehende Gesetze verstößt
({25})
und sich damit um allen Kredit bringt.
Die falsche Preispolitik, für uns beginnend mit der überhasteten Beiseiteräumung aller Preisregulierung im Sommer 1948, ist es auch gewesen, die uns in den zweiten Notstand gebracht hat, dessen Folgen wir heute zu tragen haben, in jene Bezirke von Engpässen, die sich als Bremse für den weiteren Produktionsanstieg auswirken. Sie sind dadurch entstanden - und deshalb handelt es sich nicht um strukturelle Verzerrung, sondern um wirtschaftspolitische Fehlleitung, Herr Minister Erhard -, daß man in den konsumnahen Industrien und in der Geschäftswelt die Preise schießen und sprossen ließ, während im Sektor der Grundstoffindustrien und der Energieerzeugung sowie des Verkehrs und der Mieten Preisgebundenheit blieb.
Ich weiß nicht, Herr Minister, wie ich Ihre andeutenden Worte von heute verstehen soll. Aber ich könnte mir denken, daß Sie als ein unentwegter liberaler Gralshüter auch das vielleicht als einen Schönheitsfehler empfinden und daß Sie auch hier die Preisbindung über Bord werfen möchten. Wir möchten warnen! Dieser Sprung in das kalte Wasser der Marktwirtschaft würde zu einem fröhlichen Plätschern im Stahlbad anziehender Preise werden.
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Er würde Lohnanpassungen im ganzen Bereich der
Wirtschaft und der Fürsorge nach sich ziehen, und die Inflation stünde vor den Toren.
Einigkeit besteht darüber, daß die Engpässe aufgesprengt werden müssen. Es ist interessant, daß jetzt endlich auch die Regierung begreift, daß auf diesem Gebiet schwere Unterlassungssünden begangen sind.
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Wir haben schon vor zwei Jahren auf die Engpässe hingewiesen, insbesondere auf das Kohleproblem, das man in Bonn zwei Jahre völlig aus den Augen verloren hatte, weil man sich auf eine bevorstehende Kohlenschwemme einstellte.
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- Wollen Sie es nicht glauben? Sie, Herr Professor Erhard, haben noch am 8. November 1950 vor dem Industrie- und Handelstag in Köln erklärt, eine Kohleverknappung sei nicht zu befürchten.
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Im übrigen: schieben Sie auch da wieder nicht alles auf die Ruhrbehörde ab, wobei ich nur darauf hinweisen möchte: Wir sind es schließlich nicht gewesen, die der Ruhrbehörde zugestimmt haben,
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die uns jetzt die Kohle abzwackt.
Wie aber will man nun an die Stellen, deren Kapitalausstattung allzu dürftig geblieben ist, das Kapital heranbringen? Man sage uns nicht: es ist kein Kapital vorhanden. In manchen Zweigen der Wirtschaft wird das Wort „verdienen" gestern und heute groß geschrieben. Die Investitionsrate ist enorm. Die Nettoinvestitionen haben nach Ihren eigenen Feststellungen im letzten Jahre allein 15 bis 16 Milliarden DM ausgemacht. Freilich blieb die Kapitalbildung eine höchst exklusive Angelegenheit, an der der kleine Einkommensträger wegen der Wucherpreise und der schröpfenden Verbrauchssteuern nicht beteiligt war.
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Die Investitionen haben sich so vollzogen - bei
Ihnen, Herr Minister, fehlte jeder Hinweis darauf
daß das weniger Dringliche vor dem Dringlichen erstellt wurde. Weil Sie mir nicht glauben, darf ich mich hier auf die Kronzeugenschaft von Herrn Direktor Abs, Direktor der Kreditanstalt für Wiederaufbau, berufen, der darauf hingewiesen hat, daß man Investitionen durchgeführt habe, die bei vernünftigem Wirtschaftsaufbau in die Jahre 1954 und 1955 gehört hätten, während im Grundsektor der Wirtschaft Investitionen unterblieben seien, die man in den Jahren 1946/47 hätte vornehmen sollen. Das nennen wir Fehlinvestitionen, wohlgemerkt, nicht absolute Fehlinvestitionen - später werden wir auch das einmal gebrauchen können -, aber proportional und zeitlich falsch angesetzte Investitionen.
Nun erhebt sich nämlich das erste Stockwerk unserer Wirtschaft, in das ich die Konsumgüterindustrien, die Absatz- und Vertriebsorganisation und ihren Anhang verweise, auf zu schmalbrüstig dimensioniertem und verkümmert gebliebenem Fundament. In diesem Fundament sind beheimatet die Grundindustrien, die Energieerzeugung, der Verkehr, der Wohnungsbau usw. Diese Verzerrung der Produktionskapazitäten und -proportionen wirkt sich heute höchst nachteilig aus. Wir stoßen deshalb mit dem Kopf an eine Decke, die unsere Bewegungsfreiheit hemmt.
Dem Kapital- und Kreditstrom muß also eine andere Richtungstendenz gegeben werden. Das er({32})
kennen auch Sie an. Aber die Frage ist: wie macht man das, was schlägt die Bundesregierung vor? Sie schlägt erstens Steuern vor, Steuern, die man dann natürlich nicht für konsumtive Haushaltszwecke verwenden dürfte. Aber, meine Damen und Herren, ehe man uns mit neuen Steuern kommt, soll man uns sagen, was man gegen die Steuerhinterziehungen zu unternehmen gedenkt, die sich nach Schäffers Wort auf 3 Milliarden DM belaufen,
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und gegen die Kapitalflucht, die auf 600 bis 800 Millionen DM geschätzt wird.
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Im übrigen: wenn schon bei der kleinen Steuerreform gemäß § 7 a des Einkommensteuergesetzes Geld frei wurde, warum hat man dann dieses Geld nicht zielbewußt dem Kapitalmarkt zugeführt? Dann hätte man nämlich jene Manövriermasse in der Hand gehabt, nach der man heute so sehnlich ruft.
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Die zweite Forderung in Ihrem Lager ist die: Investitionsbildung aus der Lohntüte, indem man die Preise heraufsetzt oder heraufredet, denn beides geschieht heute. Wir werden uns dazu nicht hergeben. Denn wir wissen, die Massen leben nicht mehr am Rande, sie leben vielfach unterhalb des Existenzminimums. Es kommt eine Drosselung des Massenverbrauchs für uns nicht in Frage. Wir wissen durchaus, daß uns Korea manchen Zwang zufügt. Aber wenn wir schon arm sein müssen, dann wollen wir auf anständige Weise gemeinsam arm sein.
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Daran hat es bei Ihrer „sozialen Marktpolitik" bis heute gefehlt.
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Der dritte Vorschlag, der heute zum Glück nicht aufgeführt wurde, ist das Zwangssparen. Wir wissen, jedes Zwangssparen erschlägt den freiwilligen Sparakt. Außerdem weckt die Volkswagensparaktion unangenehme, aber noch höchst frische Erinnerungen.
Dafür tragen Sie nun, sehr geehrter Herr Bundesminister, Ihren Lieblingsplan vor, jene Babybonds, die übrigens praktisch auch auf ein Zwangssparen hinauslaufen. Wir wundern uns auf der einen Seite, wie Sie, der Sie doch als Ritter St. Georg ausgezogen sind, um das Ungetüm der Bürokratie zu erlegen, heute bereit sind, einen solchen Organisationsapparat zu erstellen, der für diese Zwecke notwendig wäre.
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Wir fragen Sie zweitens: Wo es so viel Steuerunehrlichkeit im Lande gibt, glauben Sie, daß die Klebeehrlichkeit so viel größer sein würde als die Steuerehrlichkeit?
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Wir fragen drittens: Wäre das mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn Sie nicht sehr breit streuen und dann auch den Massenbedarf einbeziehen wollen? Wir fragen viertens: Steckt nicht in Ihrem Babybondsplan ein logischer Widerspruch? Denn man will doch, um aus der Zahlungsbilanzklemme herauszukommen, überflüssige Einfuhren zurückdämmen. Aber die Hervorlockung von Investitionskapital gemäß Ihrem Plan setzt gerade voraus, daß möglichst viele nicht lebensnotwendige Dinge gekauft und konsumiert werden. Und so verstopfen Sie sich selber die Quellader, aus der dieser Investitionsstrom rinnen soll.
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Ich sagte, wir lehnen diese vier Vorschläge ab.
Uns ist nur interessant dabei, mit welcher Emphase man plötzlich heute das Hohelied der Sparsamkeit singt, wie man übereinstimmend erklärt, Verbrauchseinschränkung sei das Gebot der Stunde. Wettert Herr Vizekanzler Blücher doch gegen den „törichten Konsum", und Sie haben in Frankfurt davon gesprochen, daß wir den Riemen enger schnallen müßten. Einverstanden, Herr Bundeswirtschaftsminister! Aber wer soll eigentlich mit gutem Beispiele vorangehen?
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Der Sparsamkeitsappell der Minister erreicht nicht
die Schichten, die hier eigentlich gemeint sind. Ich
sagte schön: Die Massen leben heute unterhalb des
Existenzminimums. Sparen kann aber nur der,
der nicht von der Hand in den Mund leben muß,
im grausamsten und buchstäblichsten Sinne des
Wortes. Anregen zur Sparsamkeit kann nur ein
solches Wirtschaftsprogramm, das Vertrauen in die
künftige Entwicklung einflößt. An ihm aber fehlt
es trotz der herrschenden Programminflation, auch
nach der Rede, die Sie uns heute gehalten haben.
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Man wettert gegen die Kaufpsychose, man beschimpft den kleinen Verbraucher. Aber, meine Damen und Herren, diese Kaufpsychose stammt doch nur daher, daß die Bevölkerung sich schutzlos den Preissteigerungen ausgeliefert sieht.
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Wird im Rahmen des Möglichen jede Bedarfsdeckung heute vorweggenommen, so doch nur deshalb, weil Abwarten Selbstmord bedeutet. Aber wie soll der Arbeiter sich groß eindecken, der sich mit etwas Öl und etwas Margarine im allgemeinen schon vollkommen verausgabt hat?
Und noch einmal die Frage, Herr Bundeswirtschaftsminister: Halten denn eigentlich jene Wirtschaftskreise Disziplin, bei denen Sie so gerne verkehren und bei denen Ihnen soviel Beifall bisher geklatscht worden ist?
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Aber damit Sie uns nicht sagen: ia, das war nur wieder negative Kritik. möchte ich dem Hause nun gern unsere Vorschläge entwickeln. Unerläßliche Voraussetzung - das haben wir immer betont - für eine genügende Kapitalbefruchtung der Engpaßbereiche ist die Bseitigung aller eine. unerwünschte Selbstfinanzierüng förderden Steuervergünstigungen. wozu viel zu lange Zeit der § 7 a die Handhabe geboten hat. Hoffentlich knmmen wir bald zu einem Zustand, wo das wenigstens besetigt ist.
Wir sagen als zweites: Notwendig ist eine zielbewußte Lenkung der sich bei Sparkassen, Versicherungen und anderen Kreditinstituten ansammelnden Kauitalien.
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Wir sagen als drittes: Wir fordern eine Investitionsanleihe aus Gewinnen und aufgebauschten Abschreibungen und Rückstellungen in jenen Wirtschaftszweigen, deren weiterer Ausbau zur Zeit überflüssig oder überhaupt unerwünscht erscheint. Sehen Sie, meine Damen und Herren, wenn jeder beliebig investieren und seinen Produktionsapparat nach eigenem Gusto vergrößern kann, dann braucht ja auch dieser Mann für die
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Vergrößerung künftig mehr Kohle, mehr Stahl, mehr Strom, mehr Gas, - alles Dinge, die wir nicht genügend haben. Schon deshalb kann eine beliebige Produktions- und Kapazitätserweiterung nicht jedem zugestanden werden, ohne daß zumindest ein Bruchteil der Investitionen in jene Bezirke abgeführt wird, wo die Engpässe bestehen. Die so anfallenden Gelder wollen wir in einem Sonderfonds ansammeln, aus dem alsdann eine gesteuerte Kapitallenkung erfolgt zum Zwecke des Einsatzes in den Engpaßbereichen. Es soll also keine weitere Selbstfinanzierung unwichtiger volkswirtschaftlicher Industrien erfolgen, ohne daß sie empfindlich steuerlich belastet wird.
Als weitere Maßnahme die Überverbrauchssteuer, die zusätzlich zu der Einkommensteuer hinzutreten und den Überkonsum, d. h. den nicht lebensnotwendigen Verbrauch der Träger hoher Einkommen erfassen soll, mit dem man der Sparleistung ausgewichen ist; also, meine Damen und Herren, um es ganz deutlich zu sagen, eine Zusatzsteuer auf hohe, nicht gesparte Einkommen; eine sozial gestaffelte direkte Verbrauchssteuer, die einer unsozialen generellen Erhöhung der Umsatzsteuer bestimmt vorzuziehen ist und die auch bestimmt viel wirksamer ist als die bloße Luxussteuer. Von dieser Steuer kann man sich insoweit befreien, als man von seinem mehrverbrauchssteuerpflichtigen Einkommen Kapital für die Engpaßindustrien durch Erwerb von Anleihen, von Aktien oder in anderen Sparformen zur Verfügung stellt. Der Zweck dieser Steuer ist also sowohl finanzpolitisch wie gleichzeitig auch konsum- und kapitallenkend, und ich glaube, das ist außerordentlich wichtig.
Und nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Diese Engpässe bilden sich immer mehr zu Bremsen und Flaschenhälsen für unseren Export aus. Unsere Ausfuhrziffern - das ist j a das Betrübliche - hinken hinter unseren Einfuhrziffern hinterdrein, und noch mit jedem Monat hat die Auslandsverschuldung zugenommen. Das gilt auch für den Monat Februar, für den die Zahlen heute veröffentlicht wurden.
Liberalisierung, meine Damen und Herren, ist
an sich ein guter Gedanke, nur ein Gedanke, der
ebenfalls nicht zeitlos gedacht werden kann. Natürlich ist eine hohe Ausfuhr, wenn sie sich erreichen
läßt, auch uns lieber als eine gesenkte Einfuhr;
man soll uns nicht mit solchen Selbstverständlichkeiten und Lappalien kommen. Wir behaupten
aber: Auch auf der Schiene der Liberalisierung
kann man nicht ohne Fahrplan fahren. Ihre Ausgangsvorstellung, Herr Professor Erhard, war: Man
muß nur den anderen tüchtig etwas abkaufen, dann
werden sie uns selbst auch schon entsprechende
Warenbezüge abnehmen! Dabei gab es aber leider
die bekannten Ladehemmungen, und nun türmt
sich vor uns ein bedrohliches Schuldengebirge in
die Höhe. Wir haben unbedacht und voreilig Vorleistungen erbracht, die zu keiner Zug-um ZugReaktion bei den anderen Partnern geführt haben.
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Das sozialdemokratische Arbeitsbeschaffungsprogramm vom Jahre 1950 enthielt den Satz:
Die Liberalisierung des Außenhandels ist an
die Bedingung der Gegenseitigkeit zu knüpfen,
({48})
sie ist durch eine Regulierung der Einfuhr zu begrenzen, soweit die neugeschaffene Nachfrage zu einer nicht auf die Dauer auszugleichenden Passivierung der Handelsbilanz führt.
Wären wir diesem Satz gefolgt, und wäre man nicht Ihrem sehr starken, in diesem Falle höchst persönlichen Ehrgeiz nachgelaufen, Herr Bundeswirtschaftsminister, würde uns allen heute wohler sein.
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Uns als dem schwächsten Glied in der Kette der europäischen Wirtschaftsvölker kommt hier keine Spitzenführung zu; wir können nicht den forschen Schrittmacher markieren. , Der Begriff des Mitläufers ist doch sonst bei uns so populär, meine verehrten Damen und Herren!
({50})
Bananen und kalifornische Früchte, Datteln und Feigen, Zitronen, Apfelsinen und Pampelmusen, weiße und blaue Trauben aus Bulgarien, Hummer, Kaviar und Lippenstifte in allen Ehren. Aber es hat sich hier ein leichtfertiger Dilettantismus, es hat sich eine bedenkliche Großmannssucht ausgetobt, und man hat alle unsere Warnungen in den Wind geschlagen.
({51})
Wir haben uns mehr Luxus gegönnt, als man sich bei einem Produktionsindex von 117, gerechnet auf das Bezugsjahr 1936, leisten kann, wenn man nicht zum Bankrotteur werden will.
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Wir konnten es uns nicht leisten, daß man unsere Äpfel und Birnen verfaulen ließ, daß das Frühgemüse hier im Bonner Vorgebirge untergegraben werden mußte. Es fehlte, Herr Professor Erhard, eben an der richtigen Abstimmung in bezug auf das Tempo und in bezug auf den Umfang; es fehlte an der Abstimmung auf ein strikt an Gegenleistungen gebundenes Tempo.
Was Sie jetzt als Importsog beschimpfen - übrigens eine Zwischenfrage: wenn es zutrifft, daß die Preise im Ausland so viel stärker gestiegen sind als bei uns, woher kommt dann eigentlich immer noch dieser Importsog? -; dann müßte doch das umgekehrte Gefälle herrschen! -,
({53})
ich sage: was man jetzt als Importsog beschimpft, ist ja nichts als die Folge unserer planlosen Außenhandelspolitik, die uns um unsere Kreditwürdigkeit, leider aber weitgehend auch um unsern guten Ruf in der Welt gebracht hat. Wie lange haben Sie auf den Regierungsbänken England verhöhnt!
({54})
Wie haben Sie sich lustig gemacht über jene Austerity, die heute von Ihnen als stolzes Ideal gepriesen wird!
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Drüben ist man durch die Mauser hindurch, die wir noch vor uns haben, verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister!
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Drüben hat man sich gesundgehungert, während man sich bei uns durch den Luxuskonsum einer dünnen Oberschicht - wenn der Herr Präsident das Wort verzeiht - kaputt gefressen hat.
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Und es war bestimmt kein Ideal sozialer Marktwirtschaft, das damit erreicht wurde: übersteigerter, raffinierter Konsum und Gaumengenuß schmaler Bevölkerungsschichten auf der einen Seite, parallel gehend mit auswegloser Not auf der andern Seite.
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({59})
Verehrte Damen und Herren! Ich weiß, die Kreditlinie, die man uns einräumte, ist sehr, ist zu schmal bemessen. Aber wäre es dann nicht gerade doppelt notwendig gewesen, mit besonderer Sorgfalt zu planen, wenn ab Mai der Sonderkredit zurückgezahlt werden muß?
({60})
Herr Professor Erhard, Sie haben in Lüdenscheid gesagt: der Nölting soll wissen, es steht alles auf einem Sonderkonto bereit. Heute haben Sie sich aber darüber ausgeschwiegen. Jedenfalls wird damit die letzte Manövrier- und Manipulationsmasse auf außenwirtschaftlichem Gebiet verbraucht sein, und die Länderzentralbank hatte recht, als sie gestern schrieb: dann müssen hierfür unsere letzten Devisenreserven verpfändet werden.
({61})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind die Nöte, das sind die Wundstellen und das sind zugleich die Anklagepunkte, die wir in den Mittelpunkt unserer Rede rücken: die Teuerung, die Arbeitslosigkeit, die Engpässe und die heillose Auslandsverschuldung.
Ich habe mit Absicht keine „akademische Rede" gehalten. Ich habe mit konkreter Gegenständlichkeit gesprochen. Und doch, glaube ich, waren meine Ausführungen mehr als nur Einzelheiten. Man braucht nur dem Entstehungsgrund und dem Quell nachzuforschen, dann stößt man überall auf die Unmöglichkeit der ganzen Konzeption einer Wirtschaftspolitik, die immer mehr in dogmatischer Erstarrung in den luftleeren Raum gerät und der der Boden längst unter den Füßen weggezogen ist.
Sie, die Sie so gerne das Wort ,.marktkonform" hören, Sie sind nicht mehr zeitkonform.
({62})
Wir haben uns gefreut - und ich möchte unsere Genugtuung darüber bekunden -, daß Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, heute nicht wieder auf die Ebene der „Zwangswirtschaft" ausgewichen sind.
({63})
Aber ich glaube, Sie hatten dafür Ihre guten Gründe.
({64})
Denn uns kann man sie nicht mehr andichten: aber bei Ihnen rückt sie in gefährliche Verwandtschaftsnähe.
({65}) Zwangswirtschaft ist, stelle ich noch einmal fest, verkrüppelte Notstandswirtschaft, niemals wünschenswert, aber leider zu gewissen Zeiten notwendig. Zwangswirtschaft ist die Ergänzung einer freien Wirtschaft, Ihrer freien Wirtschaft,
({66})
da, wo sie nicht mehr weiter kann.
({67})
Deswegen fürchten wir. daß uns bald eine Neuauflage bevorsteht. Dieser Bundeswirtschaftsminister. der einstmals ruhmredig auszog. sie zu bekämpfen. ist nun bald so weit gekommen. daß er bei ihr landet. Bei den Kundenlisten im Kohlenhandel für die Hausbrandversorgung buchstabieren und stottern Sie bereits an dem Wort „Zwangswirtschaft" herum.
({68})
Und die Stromabschaltungen und die Einschränkungen des Zugverkehrs sowie die heute angekündigte straffe Lenkung des Schrotts und ähnliche Maßnahmen,- sind das nicht alles Symptome einer marktwirtschaftlichen Ratlosigkeit, der nur Zwangswirtschaft als letzter Ausweg bleibt?
({69})
Damit, Herr Bundeswirtschaftsminister, schließt sich der Kreis. Damit ist die Bahn durchmessen, die zu durchlaufen Ihnen bestimmt war. Seien Sie überzeugt: w i r werden das verhaßte Wort Zwangswirtschaft bestimmt nicht zuerst sprechen; über unsere Lippen wird es nicht kommen, denn wir wollen keiner neuen Dolchstoßlegende Starthilfe leisten.
. ({70})
Die Sozialdemokratie gibt sich nicht gemeinsam mit diesem Kabinett zu einer Pokerpartie der Brotkarte und der Zwangswirtschaft her!
({71})
In einer wirklich funktionierenden Demokratie hätte dieser Wirtschaftsminister nach dem, was er uns heute über die von ihm und unter ihm herbeigeführte Situation auseinandersetzte, längst die Konsequenz seines Rücktritts gezogen.
({72})
Aber, meine Damen und Herren, er denkt offenbar nicht daran. Er spricht heute von Planung, - er, der uns neulich noch höhnisch sagte: ein bißchen Planwirtschaft gibt es genau so wenig wie ein bißchen Schwangerschaft.
({73})
Deshalb glauben wir: es wird auch immer nur ein
bißchen Erhard bei dieser Planung vorhanden sein.
({74})
Auf der Pressekonferenz hat unlängst ein neugieriger Journalist Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, gefragt, ob Sie zurückzutreten gedächten. Sie haben ihm lächelnd geantwortet: „Sehe ich etwa so aus?" - Begreifen Sie nicht, daß die deutsche Wirtschaft so aussieht,
({75})
daß eine solche Konsequenz dringend geboten erscheint?
({76})
Meine Damen und Herren, wenn diese Konsequenz durch den zuständigen Minister offenbar nicht gezogen wird, dann muß sie ihm vom Parlament nahegelegt werden, nahegelegt werden in einer Weise, deren peinliche Deutlichkeit uns die vorliegende Situation bedauerlicherweise aufzwingt. So habe ich im Namen meiner politischen Freunde folgenden Antrag der SPD zu überreichen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Das Amtsgehalt des Bundesministers für Wirtschaft wird gestrichen.
({77})
Meine Damen und Herren, ehe ich weiter das Wort erteile,
({0})
bitte ich, mir zu gestatten, Ihnen einen Vorschlag zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung des Punktes 12 der Tagesordnung
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Mühlenfeld und Fraktion der DP betreffend Vorlage eines Bundesrundfunkgesetzes ({1})
({2})
zu machen. Dazu möchte der Herr Bundesinnenminister selbst sprechen. Er kann aber von 8 Uhr abends ab nicht mehr anwesend sein und hat mich gebeten, hier anzuregen, diesen Punkt zu vertagen. Die antragstellende Fraktion ist damit einverstanden. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich den Punkt absetze?
({3})
- Ich danke Ihnen.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Semler.
({4})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Öffentlichkeit wie in der Presse der letzten Wochen und Monate schien eine Unruhe über die Frage obzuwalten, welche Maßnahmen die Bundesregierung angesichts der unleugbar schwierigen allgemeinen Situation zu treffen bereit sein würde. Mein hochverehrter Herr Vorredner hat in seinen Ausführungen der Bundesregierung den Vorwurf gemacht, daß sie nicht in der Lage gewesen sei, diesem Hause wie der Öffentlichkeit ein der Zeit entsprechendes Programm vorzulegen. Zum anderen hat er gerügt, daß im Bundeskanzleramt - wie er es nannte - ein Miniatur-Wirtschaftsministerium im Entstehen sei. Hierzu möchte ich im Namen meiner Freunde ausdrücklich feststellen, daß wir volles Verständnis dafür haben, daß die Bundesregierung angesichts der überaus schwierigen Lage sich nicht nur beraten, sondern gut und vielseitig beraten läßt. Aber ebenso sind wir der Meinung, daß diesem Hohen Hause gegenüber für die Führung der Wirtschaftspolitik einzig und allein der Wirtschaftsminister verantwortlich ist.
({0})
Wenn uns nun heute anläßlich der Beratung des Haushalts dieses Ministeriums der zuständige Minister seine Gedanken über die Maßnahmen dargelegt hat, die der Steuerung der gegenwärtigen Schwierigkeiten dienen sollen, dann begrüßt meine Fraktion diese Tatsache, zumal meine Freunde in den von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister entwickelten Gedankengängen durchaus fruchtbare Grundlagen für eine Behebung der Schwierigkeiten sehen. Ein Wirtschaftsprogramm im eigentlichen Sinne hat uns der Herr Bundeswirtschaftsminister allerdings nicht vorgetragen.
({1})
Mein verehrter Herr Vorredner hat diese Tatsache gerügt. Er hat dann am Schluß seiner Ausführungen diesem Hause eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet. Aber, meine Damen und Herren, auch diese Vorschläge, die ohne Zweifel wert sind, daß wir sie prüfen, sind kein Wirtschaftsprogramm.
({2})
- Sehr verehrter Herr Professor, ich glaube, weder Sie noch ich noch der amtierende Bundeswirtschaftsminister wird die Notwendigkeit bejahen wollen, grundstürzende Entscheidungen in der Form eines völlig neuen Wirtschaftsprogramms heute zu empfehlen in einer Lane, in der es darauf ankommt, mit behutsamer Hand diejenigen chirurgischen und möglicherweise auch operativen Maßnahmen zu treffen, die den Gesundheitszustand, soweit er nicht besteht, wiederherstellen. Daher glauben wir nicht, daß ein umfassendes Wirtschaftsprogramm der Sachlage gerecht wird. Aber was wir erwartet haben und was wir erhoffen, ist eine Folge sinnvoll durchdachter Maßnahmen, mit denen man der Schwierigkeiten auf den verschiedenen auch von uns klar erkannten Gebieten Herr werden kann.
Bei den Schwierigkeiten, die heute bestehen, sollte man allerdings nicht die ganze Schuld einem System zuschieben, das von einem Teil dieses Hohen Hauses nicht anerkannt wird. Denn schließlich und endlich kann dieses System der Marktwirtschaft in den vergangenen Jahren gewisse Ergebnisse aufweisen, die man nicht wegleugnen kann.
({3})
Wo Licht ist, meine Herren, ist auch Schatten; und auch in der Marktwirtschaft gibt es Schatten. Aber wenn man die Schatten scheut, dann muß man auf das Licht auch verzichten.
({4})
Meine Freunde jedenfalls waren nicht bereit, auf das Licht zu verzichten. Meine Freunde haben die Politik des Bundeswirtschaftsministers insbesondere seit der Währungsumstellung aus einem ganz bestimmten Grunde gestützt und gehalten. Während der Reichsmarkzeit und der ersten Ansätze einer wiedergewonnenen deutschen Wirtschaftsverwaltung, wie wir sie damals in Frankfurt hatten, gab es in der Tat nur eine einzige Aufgabe. Sie hat mein Vorgänger Agartz begonnen, und auch mir blieb damals gar nichts anderes übrig, als sie weiter fortzuführen: in den Grundindustrien zunächst keinmal die elementarsten Fundament-arbeiten zu leisten. Wir konnten ja an gar nichts anderes denken, und ich bitte die Damen und Herren, sich noch einmal die Zeiten der Jahre 1946 und 1947 mit ihren unmöglichen Produktionsbedingungen und Wirtschaftsbeschränkungen zu erinnern.
({5})
Aber als dann die Währungsumstellung eine Erweiterung unserer Aktivität erlaubte, da war doch das Ziel der Wirtschaftspolitik die Ausweitung unserer Leistung nach jeder Richtung hin und insbesondere für den Außenhandel die Schaffung der Grundlagen für die Sicherung unserer Lebenshaltung. Sie mögen das eine oder andere kritisieren. Gewiß, die Marktwirtschaft in dieser Form hat, wie gesagt, auch ihre schwachen Seiten. Aber die Tatsachen und' Zahlen, die in den vergangenen zwei Jahren mit dieser Marktwirtschaft herbeigeführt sind, diese Leistungssteigerung unserer gesamten Industrie, diese Ausweitung unseres Außenhandels, sind mit eben dieser Marktwirtschaft erzielt, und der Beweis ist nicht erbracht, daß dieses Ziel auf anderem Wege besser erreicht worden wäre.
({6}) Infolgedessen kann gar keine Rede davon sein, daß meine Freunde etwa in besserer Erkenntnis sich heute von diesen Grundsätzen abwenden
({7}) und nunmehr neuen, ihnen nicht geläufigen Grundsätzen einer Planwirtschaft zuwenden.
Wenn wir den Mut haben - und diesen Mut hat der Herr Bundeswirtschaftsminister heute bewiesen -, ganz offen diejenigen Maßnahmen anzukündigen, die zu einem erheblichen Teil auf planwirtschaftlichem Gebiet liegen, wenn wir diesen Mut haben und damit auch nach draußen vor das Volk treten, dann tun wir das in dem Be({8})
wußtsein, daß diese Maßnahmen dazu helfen sollen, Schwierigkeiten zu überwinden, die sicher nicht durch die Prinzipien der bisherigen Regierungspolitik herbeigeführt sind, sondern die insbesondere auf zwei Faktoren beruhen. Der eine Faktor ist die Korea-Krise, von der nun schon so oft gesprochen worden ist. Aber der andere Faktor wird viel zu wenig beachtet. Auch ohne Korea, meine Damen und Herren, wäre das Jahr 1952 und damit das Ende des Marshall-Plans näher gerückt. Ich habe mir die Mühe gemacht, noch vor kurzem einmal die Berichte der damaligen amerikanischen Militärregierung aus den Jahren 1946 und 1947 durchzusehen. Meine Herren, was damals in einer Prognose für einen deutschen Außenhandel in den kommenden Jahren bereits als Optimum bezeichnet ist, das haben wir seit langem weit hinter uns gelassen,
({9})
und weil dem so ist, darum dürfen wir durchaus vertrauend an unseren Grundsätzen festhalten. Allerdings haben wir wohl nicht erwartet - es wäre ein sträflicher Optimismus gewesen, das anzunehmen -, daß wir bis zum Jahre 1952 bereits in der Lage sein würden, auf dem gesamten Gebiet des Außenhandels eine ausgeglichene Bilanz vorzulegen. Ich möchte nicht so phantastisch sein, zu glauben, daß wir ohne Korea-Krise dieses Ziel erreicht hätten. Aber ich glaube eines: daß, wenn die Politik ohne diese außerordentlich erheblichen Störungen von außen stetig fortgeführt worden wäre, wir uns in der Tat im Jahre 1952 einer Situation gegenüber gesehen hätten, die uns ein Operieren dann allerdings sehr leicht gemacht hätte. Das ist nun nicht möglich, und wir haben daraus ebenso wie aus den Folgen von Korea die Konsequenzen zu ziehen.
({10})
- Es ist nicht zu spät, verehrter Herr Zwischenrufer! Es ist nicht zu spät; denn wenn wir vorher, bevor Korea kam, einschränkende Maßnahmen getroffen hätten, dann hätten wir diesen Zug der Entwicklung unterbrochen, der uns auf der einen Seite zu dieser erheblichen Leistungssteigerung, zum andern zu dieser außerordentlich gestärkten Außenhandelslage gebracht hätte. Allerdings, beides wäre nach meiner Überzeugung in den vergangenen zwei Jahren nicht zu machen gewesen, und auch da, verehrter Herr Professor, haben Sie die Antwort noch nicht gegeben.
Ich glaube, wir sind vielleicht in dem Punkt einig: Wir konnten in den letzten zwei Jahren nicht sowohl die Güterindustrien auf den heutigen Stand führen und gleichzeitig das sehr erstrebenswerte und notwendige Ziel der entsprechenden Steigerung der Basisindustrien erreichen. Das war nicht möglich, und das müssen Sie, glaube ich, auch zugeben. Wenn das richtig ist, meine Damen und Herren, dann war es die politische Entscheidung, welche der beiden Seiten man den Vorzug geben wollte. Der Bundeswirtschaftsminister hat in seiner Politik dieser zwei Jahre der Entwicklung des gesamten Industrievolumens den Vorzug gegeben. Er konnte es so lange, als die Kapazität der Basisindustrien in etwa ausreichte, um die Umsätze der übrigen Industrie zu tragen. Erst seit Mitte vorigen Jahres ist dann dieser Engpaß in der Tat aufs äußerste evident geworden. Auch wir hätten es vielleicht begrüßt, wenn bestimmte Maßnahmen schon früher eingeleitet worden wären; denn es wäre vielleicht möglich gewesen, die angespannte Lage, in der wir uns heute speziell auf dem Gebiet des Außenhandels und der Außenzahlungsbilanz befinden, zu mildern. Aber, meine Damen und Herren, diese Maßnahmen waren ja wiederum nicht einseitig von uns zu treffen. So sollte man die Kritik nicht ansetzen, daß man hier dem verantwortlichen Minister die Schuld zuschiebt oder gar als Anklagevertreter auftritt, wo wir doch wissen, daß wir auf dem Gebiet des Außenzahlungswesens in unseren Entscheidungen in gar keiner Weise frei sind, daß wir vertragliche Bindungen haben und daß jede Initiative ihre Zeit braucht, bis sie sich voll entwickeln kann. Insoweit ist allerdings die augenblickliche angespannte Lage Anlaß auch für die anderen Länder der Europäischen Zahlungsunion, nachzudenken, wie sie mit uns gemeinsam die Lösung finden. Wir dürfen uns, glaube ich, die Hoffnung machen, daß wir aus den beiderseitigen Interessen heraus eine Lösung finden werden.
Hier sollten wir nicht zu pessimistisch sein. Bei allen Schwierigkeiten der Lage, die auch wir klar sehen, ist es doch so, daß wir mit energischen Maßnahmen, die wir jetzt treffen werden, immerhin im Laufe eines halben Jahres oder bis zum Ende dieses Jahres diese Schwierigkeiten im Außenzahlungswesen überwunden haben werden. Hier allerdings wird der Erfolg nur dann möglich sein, wenn zwei Elemente von der Regierung mit Erfolg angepackt und mit absolut eiserner Energie verfolgt werden: die Elemente, die leider notwendig sind, um einerseits vorübergehend eine Importeinschränkung durchzuführen und andererseits den Export nicht nur zu halten, sondern weiterhin zu steigern.
Zu diesem Zwecke sind meine Freunde der Ansicht, daß wir dem Bundeswirtschaftsminister diejenigen Vollmachten und Ermächtigungen geben sollten, die über das von uns kürzlich beschlossene Gesetz hinausgehen, soweit es sich um die Förderung des Exports, um die Beseitigung der Engpässe und die Förderung der Grundindustrien, um den Schiffsbau und den sozialen Wohnungsbau handelt, und wir gehen so weit, daß wir von der Regierung Vorlagen erbitten, damit in der verfassungsmäßig zulässigen Form Bewirtschaftungsanordnungen vom Bundeswirtschaftsminister getroffen werden können,
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die nicht nur Negativlisten umfassen, die nicht nur Prioritäten ermöglichen, sondern dort, wo es notwendig ist, auch Positives einleiten können. Mögen Sie sich über uns mokieren, meine Damen und Herren, und sagen, die Einsicht komme uns reichlich spät, wir werden nicht zögern, den Bundeswirtschaftsminister mit allen Mitteln, die uns geeignet erscheinen, zu unterstützen, um die momentanen Schwierigkeiten und die augenblickliche Krise zu überwinden.
({12})
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, die Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers, die er über die künftige Preispolitik der Regierung gesprochen hat, ernster zu nehmen, als es teilweise hier in diesem Hause geschehen ist. Ich darf Ihnen sagen, daß wir im Gegensatz zu Überlegungen, die in 'der letzten Zeit hinsichtlich der Preisentzerrung und der Herstellung einer Preisstabilität gepflogen wurden, heute im Kreise meiner politischen Freunde einhellig der Meinung sind, daß die Preisstabilisierung ausschließlich mit der Wirkung nach unten durchgeführt werden darf, und wir erwarten von der Bundesregierung Vorschläge mit
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den schärfsten Maßnahmen und Mitteln, damit dieses Ziel erreicht wird. Ich glaube nicht, Herr Professor, daß es möglich ist, lediglich mit einem Preisgesetz oder einem Preisstop dieser Schwierigkeiten Herr zu werden.
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Es mag sein, daß ein Preisstop einmal eine Wirkung haben kann, ich will es nicht bestreiten; aber ich halte es für denkbar und vor allen Dingen für notwendig, durch ein sorgsam zusammengestelltes Bukett wirksamer Maßnahmen
({15})
preislich einen Druck auf die Wirtschaft und diejenigen Teile der Unternehmerschaft auszuüben, die der Situation, wie sie heute besteht, offenbar noch nicht ganz gewahr geworden sind. Das heißt, auch auf dem Gebiet der Geld- und Kreditpolitik werden wir härtere Maßnahmen benötigen, als sie bisher getroffen worden sind. Denn wenn diese Politik einen Erfolg haben soll, dann hat sie zur Voraussetzung, daß alle Vorratsläger bis auf das letzte entbehrliche Kilo dem Konsum zur Verfügung gestellt werden. Sie hat zur Voraussetzung, daß der Einzelhandel laufend von der Industrie beliefert wird, hat zur Voraussetzung, daß der bekannte Marktdruck herbeigeführt wird, ohne den auf die Dauer die Preisstabilisierung nach unten nicht möglich ist.
Hier allerdings, meine Damen und Herren, geht mein Appell an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, die äußerste Energie und die schärfste Strenge walten zu lassen. Hier sollte es keine Schonung geben. Hier sollte dieses Hohe Haus im Wirtschaftsstrafrecht diejenigen Bestimmungen schaffen, die den Behörden gestatten, wirklich ) nachdrücklich vorzugehen, wenn es einmal notwendig ist. Wenn wir das tun und in dieser Richtung mit unserer Politik Erfolg haben werden - und ich glaube daran, daß man mit dieser Politik Erfolg haben kann -, dann ergibt sich von selbst die Notwendigkeit, daß wir unter dem betonten Gesichtspunkt der sozialen Fürsorge vor allen Dingen für die wirtschaftlich schwachen Schichten unseres Volkes eine Lebenshaltung stabilisieren, die mit dem Einkommen wenigstens einigermaßen in Einklang steht. Hier erwarten wir von der Bundesregierung, daß sie uns diejenigen Vorschläge macht, die angesichts der begrenzten, für Subventionen zur Verfügung stehenden Beträge den höchsten effektiven Einsatz dieser Subventionen unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der schwachen Bevölkerungsteile bewirken können.
({16})
Wenn die Bundesregierung in dieser Richtung die notwendige Energie und Tatkraft aufbringt, dann kann sie mit diesen Mitteln in der Preispolitik sehr wesentlich dazu beitragen, daß der Spartrieb der Bevölkerung wieder wächst. Sicherlich wäre es erwünscht, der Bevölkerung auch Titel zur Anlage ihrer Ersparnisse zu geben, die irgendwie wertbeständig sind. Aber, meine Damen und Herren, der wertbeständigste Titel für ein Ersparnis ist ein gleichbleibendes, stabiles Preisniveau. Diese Überzeugung muß die Bevölkerung wiedergewinnen, soweit sie sie heute verloren hat. Diesem Ziel und allein diesem Ziel muß die Politik der Bundesregierung auf diesem Gebiete dienen. Dann allerdings, wenn es gelingt, die heutige Psychose der Käuferschaft am Markt einzudämmen und die Bevölkerung wieder langsam zum Sparen hinzuführen - und sie wird dahin gehen, wenn es gelingt, das Preisniveau zu halten und wieder abzusenken -, dann ist bereits ein Teil der Probleme, die uns Sorgen machen, gelöst.
Ich stimme dem bei, daß hinsichtlich der Ersparnisse, die sich bei den Sparkassen und Versicherungen und anderen großen Geldsammelstellen befinden, selbstverständlich im Interesse der notwendigen Investitionen gehandelt werden muß. Hier liegt ein Element für die Bereitstellung von Kapital, um die dringenden Investitionsbedürfnisse zu befriedigen. Das hindert nicht, daß wir uns - ob wir wollen oder nicht - mit der Frage befassen müssen, wie wir darüber hinaus die derzeitige Kaufneigung unserer Bevölkerung eindämmen. Es spielen zwei Gesichtspunkte hinein; einmal der Gesichtspunkt, daß es notwendig ist, aus dem Sozialprodukt heraus eben einen großen und nennenswerten Anteil für die Investitionen in den Basisindustrien, im Export, in der Schiffahrt und in der Energie zu schaffen. Weiter ist es aber unerläßlich, daß wir unserer Bevölkerung - und wenn es sein muß, mit brutaler Offenheit - die Situation klarlegen, daß eben in dieser Übergangszeit, bis wir den Ausgleich unserer Außenhandelsbilanz erreicht haben, sparsame, vielleicht sogar sparsamste Lebenshaltung notwendig ist. Die Bundesregierung sollte sich nicht scheuen, dieses ganz offen als eine unerläßliche Notwendigkeit auszusprechen. Der Bundeswirtschaftsminister hat dies heute getan. Er hat uns heute in großen Zügen sein Programm vorgelegt. Er hat uns versprochen, daß wir in allernächster Zeit in Teilvorlagen dieses Programm hier zur Beratung in unserem Kreis finden werden. Unsere Fraktion wird dieses Programm unterstützen, soweit es den Zielen dient, die ich soeben entwickelt habe. Wir werden dieses Programm zusammen mit dem Bundeswirtschaftsminister in der Richtung entwickeln, daß es geeignet ist, die Schwierigkeiten der kommenden Monate zu überwinden, aber auf der anderen Seite allen sozialen Bedürfnissen Rechnung trägt.
({17})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Wir haben uns heute mit einer wirklich ernsten Materie auseinanderzusetzen, und ich muß es bedauern, daß in den Ausführungen des Herrn Professors Nölting doch so manchmal nicht die saubere Trennung der Ursachen und Wirkungen der Korea-Entwicklung und der inneren Geschehnisse erfolgte,
({0})
so daß manch einer draußen - ohne die Zusammenhänge übersehen zu können - unter Umständen das Gefühl haben mußte - nehmen Sie mir das bitte nicht übel, Herr Professor Nölting -, als ob etwa der Bundeswirtschaftsminister Korea überfallen habe gerade zu dem Zweck, um hier die Preise hochzutreiben, die Güter zu verknappen und die Zahlungsbilanzkrise auszulösen.
({1})
Ich möchte doch wirklich meinen, daß wir uns hier bemühen müssen, vor dem deutschen Volk diese Fragen mit dem notwendigen Ernst und der notwendigen Sachlichkeit zu behandeln,
({2})
und daß wir zunächst einmal vollkommen klar zum
Ausdruck bringen müssen, daß es sich hier nicht
nur um ein deutsches Problem handelt, sondern um
({3})
ein Problem, dem sich die gesamte westliche Welt gegenwärtig gegenübersieht. Auch das von Ihnen verschiedentlich zitierte England hat sich genau so mit diesen Problemen abzumühen. Es hat seit der Entwicklung der Korea-Krise eine Preissteigerung um bereits 62 % erlebt.
({4})
Es hat dort Herunterrationierungen bis auf eine Fleischration von 30 Pfennig gegeben. Keine Engländerin kann sich mehr Nylonstrümpfe kaufen. In England gibt es genau so Kohleknappheiten und alle Schwierigkeiten, wie sie bei uns auch aufgetreten sind.
({5})
Wir wollen doch nicht in den Fehler verfallen, immer nur schwarz und nur weiß zu malen, sondern wir wollen die Dinge einmal so analysieren, wie sie sind, um daraus auch die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen.
({6})
Da ist auch von meinem Vorredner schon mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen worden: wenn das deutsche Volk vergleicht, wie die Verhältnisse vor der Währungsreform und nach der Währungsreform ausgesehen haben, dann kann es nicht leugnen, daß außerordentliche Erfolge erzielt worden sind.
({7})
Wenn wir allein im Jahre 1950, um nur einmal ein Faktum herauszugreifen, unsere Produktion um 25 % erstmals auf ein Niveau von 111 % von 1936 haben steigern können und damit gegenüber 1948 eine Verdoppelung unseres gesamten Sozialprodukts erfolgt ist, wenn wir im Jahre 1950 im Rahmen dieses gesamten Produktionsprogramms, das abgewickelt wurde, eine Rekordleistung durch die Schaffung von über 350 000 Wohnungen vollbracht haben,
({8})
wenn weiterhin in diesem Jahre 1950, in einem einzigen Jahr, die deutsche Ausfuhr fast verdoppelt wurde und von 1,1 auf 2 Milliarden Dollar erhöht werden konnte und auf der andern Seite dadurch die Möglichkeit gegeben war, trotz einer abnehmenden ERP-Hilfe die Einfuhr noch von 2,2 Milliarden auf 2,7 Milliarden Dollar zu steigern und dabei noch den Außenhandelssaldo um 400 Millionen Dollar zu verbessern, und wenn dies alles mit einer merklichen Steigerung der Zahl der dauernd Beschäftigten um 600 000 auf 14,2 Millionen Menschen verbunden war, wenn dabei noch - auch trotz Korea und der bisher eingetretenen Rückwirkungen auf dem Preisgebiet - eine Erhöhung des Realeinkommens und der Realkaufkraft um 11 % eingetreten ist, so glaube ich, daß sich dieser Erfolg, den die deutsche Wirtschaft im Zeichen der sozialen Marktwirtschaft im Jahre 1950 erzielt hat, in der ganzen Welt sehen lassen kann.
({9})
Wenn Sie sich einen Teil der Schwierigkeiten, die aufgetreten sind, näher betrachten, dann stellen Sie fest, daß diese Schwierigkeiten gerade aus dieser erfolgreichen Entwicklung heraus entstanden. Das gilt in erster Linie für unsere Zahlungsbilanzkrise.
({10})
Denn hier ist es so, daß sich gerade in dem Maße, in dem sich unsere Ausfuhr steigert und damit die Möglichkeiten für eine erhöhte Einfuhr geschaffen werden, ständig die Höhe der Außenstände vermehren muß, die das deutsche Volk von der ganzen
Welt zu fordern hat, weil nämlich unsere Ausfuhr durchschnittlich erst nach 3, 4 oder 5 Monaten bezahlt wird, während wir auf der andern Seite unsere Einfuhr sofort zu begleichen haben.
({11})
- Früher war aber das Volumen entschieden kleiner, und wenn das Volumen, was wir hoffen, noch größer wird, dann werden seltsamerweise unsere Schwierigkeiten gerade deshalb so lange wachsen müssen, wie die eine Tatsache fortbesteht, die nicht wir zu vertreten haben, daß uns nämlich der Zugang zu den Rembourskrediten, die wir früher in der Welt erhalten haben, verschlossen bleibt.
({12})
Wir haben in den letzten Monatsdurchschnitten einen normalen Ausfuhrumsatz von 250 Millionen Dollar, von über 1 Milliarde D-Mark erzielt; das heißt, daß eine durchschnittliche Drei- oder Viermonats-Außenhandelssumme von zusammengerechnet etwa 700 Millionen Dollar draußen steht und daß das, was man uns bei der Europäischen Zahlungsunion als Rembourskreditersatz gewährt hat - diese Quote von 320 plus noch einmal 120 gleich 440 Millionen Dollar -, eben um rund 300 Millionen Dollar zu kurz ist.
Wenn wir draußen nicht das Verständnis finden können, daß die Kreditgewährung an uns etwa der Kreditgewährung entspricht, die das deutsche Volk mit seiner Ausfuhr-Vorleistung an die Welt zu leisten hat, dann müssen wir jetzt überlegen, wie wir aus dieser uns versagten gleichen Kreditierung die richtigen Folgerungen ziehen.
Es ist auch schließlich so, daß die Schwierigkeiten, die z. B. bei der Kohle aufgetreten sind, nicht auf eine Verringerung der Kohlenförderung zurückgehen. Diese Kohlenförderung ist im Gegenteil auch im Jahre 1950 nochmals um über 7 % auf 110 Millionen Tonnen gestiegen. Aber infolge der ganz erheblichen Beschleunigung des wirtschaftlichen Umlaufs seit der Koreakrise ist die übrige Produktion eben viel schneller gestiegen, um über 40 °/o, und daraus ergab sich die Schere, die es nun zu überwinden gilt.
Wenn Sie ferner auf einem andern Gebiet, das von Ihnen erwähnt wurde - auf dem Gebiet der mangelhaften Kapitalbildung -, in einer Situation, in der nun einmal die ganze Welt Furcht vor einem neuen Kriege hat, trotz allen Zuredens, trotz Ermahnungen, trotz noch so reizvoller Maßnahmen nicht das Vertrauen herstellen können, daß es mit Sicherheit gelingen wird, einen katastrophalen Ausgang dieser weltpolitischen Spannungen zu vermeiden, dann müssen Sie eben auch hier überlegen, ob es andere Wege gibt, um zur Sicherstellung der notwendigen Investitionen zu kommen.
Zu Beginn dieser Überlegungen möchte ich das eine einmal ganz klar sagen. Es ist schon immer eine verhängnisvolle deutsche Eigenschaft gewesen, daß man, sobald irgendwo geringe oder größere Schwierigkeiten auftauchten, aus denen zunächst einmal kein Ausweg zu sein schien, sofort geneigt war, von einem Extrem ins andere zu fallen.
({13})
Es ist seit Monaten - ich möchte das hier einmal warnend sagen - in unsere Bevölkerung eine Art von Stimmung buchstäblich hineingetragen worden, als sei eine solche ausweglose Situation gegeben, während das in Wirklichkeit überhaupt nicht zutrifft.
({14})
({15})
Allerdings muß ich auch der Bundesregierung einiges mit aller Deutlichkeit sagen. Wir haben uns - im Namen unserer Fraktion darf ich das hier aussprechen - bereits seit Monaten gewünscht, daß die Bundesregierung mehr Mut und Schnelligkeit in der Aufklärung des deutschen Volkes und dann vor allem im Handeln bewiesen hätte. Denn von einem sind wir fest überzeugt: vieles von dem, was jetzt hier und dort an völlig unnötiger Katastrophenstimmung entstanden ist, wäre überhaupt nie entstanden, wenn man sich ganz offen vor das deutsche Volk hingestellt und gesagt hätte: „So und so liegen die Dinge, es ist nichts, was uns irgendwie zu ernsten Konsequenzen zwingt. Es wird sowohl von uns, der Regierung, als auch von der Bevölkerung unter allen Umständen verlangt, daß die Nerven behalten werden".
({16})
Wir haben heute endlich vom Herrn Bundeswirtschaftsminister eine Reihe von Maßnahmen vorgetragen bekommen, von denen wir nur wünschen können, daß sie so schnell wie möglich durchgeführt werden, um draußen sichtbar werden zu lassen, daß eben nichts „schleift", wie es von Herrn Professor Nölting gesagt wurde, sondern daß bei uns mit Energie daran gegangen wird, die Engpässe und Schwierigkeiten zu überwinden.
({17})
Das, was nach unserer Ansicht im Mittelpunkt steht, sind nicht, wie Professor Nölting sagte, die Preise, die Gott sei Dank bei uns bisher von allen Ländern der westlichen Welt bei weitem am wenigsten gestiegen sind, sondern das ist die Ausweitung der Produktion und des Außenhandels, der Ausfuhr und der Einfuhr. Denn nur wenn diese beiden Gebiete an der Spitze stehen, sind wir auch mit Sicherheit in der Lage, der Preisentwicklung Herr zu werden.
({18})
Daher gehen unsere Forderungen dahin, daß die Engpaß-Programme, von . denen heute hier gesprochen wurde, bei der Kohle, bei der Energiewirtschaft, beim Schiffbau, bei der Eisen- und Stahlindustrie und in der Exportindustrie unter allen Umständen durchgezogen und daß die Mittel für ihre Finanzierung beschafft und bereitgestellt werden; wie, darauf will ich noch zurückkommen.
In demselben Zusammenhang möchte ich aber sagen, daß es nach unserer Überzeugung nicht allein damit getan ist, nun die Mittel für den Ausbau neuer Schächte bereitzustellen, sondern daß auch gleichlaufend an den Bau der Bergarbeiterwohnungen gedacht werden muß und daß die Mittel auch dafür mit derselben Gleichrangigkeit bereitzustellen sind. Hier haben wir eine besondere Forderung an die Bundesregierung. Im Rahmen des gegenwärtigen Steuerprogramms zur Deckung zusätzlicher Staatsausgaben ist auch daran gedacht, die Beträge für die Förderung des sozialen Wohnungsbaues nach § 7 c auf '7000 Mark zu beschränken. Wir möchten die. Bundesregierung bitten, für den Bergarbeiter-Wohnungsbau eine Ausnahme zu machen und hier die Grenze erst bei 10 000 Mark zu ziehen.
Zum zweiten: Bei der Frage, die unmittelbar hinter der Sicherung der Engpaßinvestitionen zur Bereitstellung von mehr Kohle rangiert, bei der Exportförderung, haben wir ebenfalls eine zusätzliche Forderung zu der Erklärung des Herrn Bundeswirtschaftsministers: daß das Bundeskabinett die Vorlage über die steuerliche Begünstigung der Exporteure, die es endlich verabschiedet hat, uns - den Koalitionsparteien - übergibt, damit wir sie als interfraktionellen Antrag im Bundestag sofort voranziehen können und so der langwierige Weg oder Umweg über den Bundesrat umgangen werden kann.
({19})
Ich möchte noch etwas zu den Fragen der Prioritäten, zu den Fragen der Rohstoffkontrollen, die hier angeschnitten worden sind, sagen. Es wurde gesagt: Ja, der Kreis beginnt sich zu schließen; er geht wieder in die Zwangswirtschaft hinein! Nein, meine Damen und Herren, das tut er nicht, weil vorweg die beiden Maßnahmen - die der Förderung und Ausweitung der Produktion und der Ausfuhr - stehen, damit in Deutschland die Warenversorgung gegenüber dem gegenwärtigen Umfang - der Gott sei Dank immer noch ausreichend gewesen ist - nicht gemindert, sondern mit allen Mitteln gehalten und hoffentlich sehr schnell auch erweitert werden wird.
({20})
Wir haben es doch immerhin - und ich glaube, das ist in der Geschichte der sogenannten Zwangswirtschaft der Vergangenheit ein noch nie dagewesener Vorgang - fertiggebracht, daß eine Ware, die im vorigen Jahr infolge großer Hortungskäufe einmal von den Märkten vorübergehend verschwand - der Zucker -, nach kurzer Zeit infolge der weiteren Produktions- und Außenhandelsbelebungsmaßnahmen wieder da war, auch gegenwärtig noch da ist und auch weiterhin da sein wird.
({21})
Wir möchten diese Kontrollen deshalb einmal in den Zusammenhang stellen, in dem sie gesehen werden müssen. Wenn die ganze westliche Welt gegenwärtig Anstrengungen macht, um den Frieden zu erhalten,
({22})
den' Frieden, der für unser Volk ganz besonders wichtig ist, und in diesem Rahmen sich Beschränkungen auferlegt, daß z. B. Kupfer nicht mehr für Teekessel
({23}) verwandt werden darf, dann kann diese westliche Welt auch von Deutschland erwarten, daß es seinerseits genau die gleiche Selbstbeschränkung im Verbrauch solcher knappen Stoffe auf sich nimmt. Wenn Sie irgendein Verwendungsverbot aus diesen übergeordneten Gesichtspunkten aussprechen oder eine Exportpriorität auferlegen, dann bleibt das immer noch eine absolut marktkonforme Maßnahme und sogar eine zeitkonforme Maßnahme.
({24})
Lassen Sie mich als dritte Forderung nun etwas zur Frage der Sicherstellung der Finanzierung der Investitionen sagen, die im Rahmen des Engpaß-programmes nach unserer Überzeugung das A und O der gesamten wirtschaftspolitischen Soforthandlungen der Bundesregierung zu bilden haben. Ich sagte bereits vorhin: es gibt keine Möglichkeit, mit noch so großzügigen Anreizen - seien sie auf dem Zinsgebiet, seien es alle möglichen anderen Versprechungen - zum freiwilligen Sparen zu kommen, solange die Furcht vor dem Kriege die Welt erfüllt. Man kann das nicht; also gibt es dann grundsätzlich nur noch zwei Möglichkeiten: entweder Sie erheben Steuern, oder Sie führen
({25})
das Zwangssparen ein. Steuern zu erheben, um damit Milliarden-Investitionen durchzuführen, Steuern, die dann nicht nur einen kleinen Kreis treffen können, sondern die dann - weil es im wesentlichen indirekte Steuern sein werden - auch die breite Masse treffen müssen, ist erstens immer der am wenigsten soziale Weg; aber es ist zum zweiten auch der Weg, den wir deswegen ablehnen, weil wir nicht einzusehen vermögen, daß die Opfer, die der einzelne jetzt zu bringen hat, um dafür zu sorgen, daß mehr Kohle, mehr Eisen, mehr Schiffe produziert werden können, nicht ihm selbst in Form des Sparguthabens, der Beteiligung oder des Anleihebesitzes zugute kommen sollen, sondern statt dessen dem anonymen Staat. Wir werden deshalb jede Form der Investitionsfinanzierung erst als die allerletzte in Betracht ziehen, die nicht versucht, den Sparer oder den, dem ein Opfer auferlegt wird, selbst zum Inhaber der Forderungen gegenüber den Kohlengesellschaften, den Schiffsbauunternehmen oder den Energiegewinnungsgesellschaften werden zu lassen.
Es ist vorhin von Herrn Professor Nölting im
Rahmen seiner Vorschläge zu diesem Punkt eine
Überverbrauchssteuer, zusätzlich zur Einkommensteuer der hohen Einkommen, angeregt worden,
die nur bezahlt werden soll, soweit die Betreffenden nicht freiwillig sparen. Gleichzeitig hat
Professor Nölting das Zwangssparen restlos abgelehnt. Ja, ich frage Sie: Wenn jemand die Pistole
auf die Brust gesetzt bekommt: entweder mußt du
das als Steuer abführen, oder du mußt es sparen -,
kann man denn so etwas anders als „Zwangssparen" bezeichnen? Das ist doch das Zwangssparen in der absolutesten und krassesten Form!
({26})
- Ob Sie Zwangssparen bei diesem oder bei jenem machen, deswegen bleibt es immer Zwangssparen!
({27})
- Sie scheinen sehr seltsame Vorstellungen von der Zusammensetzung des deutschen Volkseinkommens zu haben. Gott sei Dank haben wir allein über 14,2 Millionen Menschen in gewerblicher Beschäftigung, die nämlich überwiegend die Träger unserer Arbeit und auch unseres Arbeitseinkommens in Deutschland sind, nämlich von 52 Milliarden DM allein aus Lohn und Gehalt.
({28})
Es ist heute sehr viel über die immer noch vorhandene Not und von dem geringen Lebensstandard unserer deutschen Bevölkerung gesagt worden. Daß diese Not und dieser geringe Lebensstandard nach einem so totalen Zusammenbruch nicht binnen Nullkommanichts beseitigt werden konnten, darüber ist hier in diesem Hause schon oft genug gesprochen worden. Aber wir können doch wohl das eine feststellen, daß sich z. B., um nur eine Zahl zu nennen, gegenüber 1949 der durchschnittliche Fleischkonsum pro Kopf der Bevölkerung von 27 kg auf 43 kg gehoben hat, und Sie können mir doch bestimmt nicht weismachen, daß, sagen wir mal, ein paar Millionäre nun täglich mehrere Tonnen Fleisch gegessen hätten!
({29})
Ich möchte Ihnen deshalb zu der Überverbrauchssteuer sagen: weil sie ebenfalls nur ein generelles Zwangssparen ist,
({30}) würden wir, nachdem der Plan eingehend geprüft worden ist - und wir möchten meinen, daß der Plan auch durchführbar sein wird -, den Vorzug dem Aufbausparplan geben, wie er von Professor Erhard entwickelt wurde; denn er bedeutet nicht in dieser Weise ein Zwangssparen. Ob jemand, sagen wir, einen Kühlschrank kaufen will oder nicht, das bleibt letzthin seiner eigenen Entscheidung überlassen. Er braucht ihn ja nicht zu kaufen. Wenn aber jemand durchaus einen Kühlschrank haben will, dann kann man ihm nach unserer Überzeugung auch erstens das Verständnis und zweitens auch das Opfer zumuten, daß er dann 10 oder 15 % dafür spart, daß neue Arbeitsplätze im Kohlenbergbau, in der Energiegewinnung geschaffen werden, die allein die Grundlage auch dafür sind, daß er für eine weitere Zeit seinen bisherigen Lebensstandard haben kann und daß das ganze deutsche Volk nicht gezwungen wird, seinen Lebensstandard in einer gefährlichen Weise zu verringern.
Wir sehen in diesem von Professor Erhard vorgeschlagenen Aufbausparsystem auch eine Art von „Austerity", eine Art von Selbstbeschränkung, aber nicht in der Weise, daß sie zum Normalverbraucher und zum Minimum des Lebensstandards führt, sondern daß sie ermöglicht, den Lebensstandard der Gesamtheit zu halten und zu erweitern.
({31})
Es ist wahrscheinlich - darin gebe ich dem Redner der Opposition recht - mit dem Erhardplan allein nicht zu schaffen, die Gelder aufzubringen, die notwendig sind, um dieses große Investitionsprogramm zu finanzieren; denn wir wollen nicht, daß dieser Plan eine solche Ausweitung erfährt, daß er etwa auf Gegenstände des täglichen Bedarfs der breiten Bevölkerung oder etwa auf Nahrungsmittel des täglichen Bedarfs ausgedehnt werden muß. Es muß also schon noch etwas mehr hinzukommen. Wenn der Bundeswirtschaftsminister den Plan, der auch von Professor Nölting vorgebracht wurde, den Plan der Investitionsanleihen aus den Abschreibungen der verarbeitenden Industrie noch zusätzlich prüft, so sind wir auch damit einverstanden, wenn wir allerdings auch davon überzeugt sind, daß selbst das noch nicht ausreicht.
Aber wir sind davon überzeugt, daß die zielbewußte und entschlossene Durchführung des gesamten Programms, das vorgetragen worden ist, und die zielbewußte Konzentration auf die wichtigsten Punkte tatsächlich dafür sorgen wird, daß wir bei einer knappen Kreditpolitik zu einer Stabilität der Preise kommen werden, damit zu einer Wiederherstellung des Vertrauens und zu einer Wiederbelebung auch der freiwilligen Spartätigkeit, die bereits in der ersten Hälfte des Jahres 1950 so außerordentlich erfolgreich eingesetzt hatte.
Ich darf zum Schluß noch das eine sagen: Es ist nicht so leicht, unpopuläre Maßnahmen und Opfer der Bevölkerung vorzuschlagen, wie etwa einfach kritiklos der Bevölkerung nach dem Munde zu reden. Aber das eine ist sicher: Größe hat es in der Politik und in der Geschichte für ein Parlament und für eine Regierung nur dann gegeben, wenn sie bereit waren, auch das Unpopuläre und das Einsame zu tun, wenn es zum Besten des Volkes notwendig war.
({32})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich heute die lange Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard hörte, mußte ich an ein bekanntes Gedicht denken:
Und hat er beendet den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er die Hoffnung auf. Der Herr Professor Erhard nämlich: am Grabe seiner Wirtschaftspolitik, am Grabe einer Theorie, die uns auf volkswirtschaftlichem Gebiet Unheil gebracht hat wie noch kaum eine Theorie in diesem Lande!
({0})
Jedes Wort ist heute überflüssig, mit dem man
versuchen wollte, das Fiasko der Erhardschen Liberalisierungspolitik noch irgendwie zu bemänteln!
({1})
Diese Politik ist zusammengebrochen; sie ist an ihrer Inkonsequenz zusammengebrochen. Warum inkonsequent? Wenn man für Liberalisierung eintritt, dann mußte man unter allen Umstanden gleiche Chancen für jeden Zweig der gewerblichen und industriellen Wirtschaft schaffen. Wenn man das nicht konnte - sei es aus innen-, sei es aus außenpolitischen Gründen -, dann durfte man eben nicht in den Liberalisierungswahn verfallen.
Zweitens. Wenn man schon Wirtschaftsminister ist und uns vorträgt, Korea sei an allem schuld, dann mußte man in dem Moment, als die Koreakrise zum Ausbruch kam, Vorsorgemaßnahmen ergreifen. Daran hat es gefehlt. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat es noch im August 1950, zwei und drei Monate nach dem Ausbruch der Koreakrise zugelassen, daß Hunderttausende von Tonnen deutscher Kohle freihandig ins Ausland verkauft wurden.
({2})
Sie werden mir vielleicht jetzt zurufen: ja, im Inlande war damals keine Absatzmöglichkeit dafür. Nun, dann mußte die Regierung es eben so machen wie der kluge Joseph aus dem Alten Testament.
({3})
Dieses Beispiel ist Ihnen, meine Herren von der CDU, ja sicher geläufig.
({4})
Man mußte hier, und zwar unter Einsatz verhältnismäßig geringer Kreditmittel, einen Vorrat an Kohle anlegen, mit dem die Bundesregierung manövrieren konnte. Man durfte diese Kohle nicht zu einem spottbilligen Preis ins Ausland, in die Schweiz und überallhin verkaufen lassen, wo sie die Industrie unterstützt, die unser Konkurrent im Kampf auf dem Weltmarkt ist.
Wenn man schon sagt, der Koreakrieg sei das Warnungszeichen und die große Zäsur gewesen, dann mußte damals schon die Umstellung im liberalistischen Denken Professor Erhards Platz greifen. Wenn man Korea als Warnungszeichen ansieht, dann mußte man ebenfalls auf den internationalen Warenmärkten Rohstoffe aufkaufen, wenigstens die billigsten wie Zucker, Margarinerohstoffe und so fort, um einen entsprechenden Vorrat nicht bloß für wenige Monate zu schaffen - wie es Herr Professor Niklas uns neulich gesagt hat -, sondern auf längere Zeit hinaus!
Im übrigen sage ich Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, eines: Man soll nicht immer in Korea den Sündenbock für alles Versagen auf seiten dieser Regierungsbank suchen. Diese Ausrede ist heute leider sehr billig geworden.
({5})
Ich möchte in der kurzen Redezeit, die Sie uns zugebilligt haben,
({6})
in etwa diese Maske dem Herrn Bundeswirtschaftsminister vom Gesicht nehmen. Es ist nämlich nicht wahr, daß nur die Koreakrise an allem schuld ist. Ich kann Ihnen schwarz auf weiß beweisen, daß für die wichtigsten Lebensmittel usw. in Italien zur Zeit eine rückläufige Preistendenz zu bemerken ist.
({7})
- Oder glauben Sie das nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU?
({8})
- Nein? Also, liebe Frau Collega, dann empfehle ich Ihnen, die „Neue Zeitung", die sich doch immer so sehr auch für die CDU einsetzt, vom 7. März 1951, Nr. 56, im Wirtschaftsteil zu lesen. wo es heißt: „Preisstabilisierung in Italien. Rückläufige Tendenzen auf dem Lebensmittelmarkt in Italien." Also bitte sehr! Die Nummer steht jederzeit zu Ihrer Verfügung,
({9})
Schauen Sie: de Gasperi scheint eine etwas klügere Wirtschaftspolitik gemacht zu haben und machen zu lassen als sein ihm weltanschaulich so nahestehender Kollege in Deutschland.
({10})
Nun noch eins! Wenn man schon sagt: wir haben Knappheit an den wichtigsten Lebensmitteln, dann ist es geradezu ein Wahnsinn, zuzulassen, daß gegenwärtig Schweinefleisch nach den Vereinigten Staaten geliefert wird, nicht aus der amerikanischen Zone, sondern aus der englischen Zone.
({11})
- Das glauben Sie auch nicht? Lesen Sie die Hamburger Freie Presse! Sie steht Ihnen doch so nahe, meine Damen und Herren von der CDU. Lesen Sie die Nummer 10./11. März 1951! Dort finden Sie einen Bericht aus Neumünster:
24 Großschlächtereien in Schleswig-Holstein und Hamburg haben jetzt mit amerikanischen Importeuren Verträge über die Lieferung von Schweinefleisch in Dosen abgeschlossen. Die USA sind außerdem an der Einfuhr von Karbonaden, Schweinenacken usw. interessiert. Der Umfang der Liefervereinbarungen ist noch nicht endgültig bekannt, wird aber demnächst bekanntgegeben.
Wollen Sie sich das einmal ansehen! Es handelt sich um die Nummer vom 10./11. März 1951.
({12})
Ich erzähle Ihnen also keineswegs olle Kamellen, Herr Zwischenrufer.
Oder wollen Sie sich noch etwas anderes ansehen? Wollen Sie sich eine Notiz aus der „Tat" ansehen, deren bürgerlicher Charakter Ihnen allen wohl bekannt ist, eine Notiz aus der „Tat" Nr. 67 vom 10. März 1951, wo es wörtlich heißt:
Deutsche Butter für die Schweiz! Wie dem Südkurier in Konstanz berichtet wird. hat der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten angekündigt, die westdeutsche Bundesrepublik
({13})
werde demnächst Butter in die Schweiz exportieren. In der Schweiz sei Butter knapp, während in Deutschland der Butterverbrauch stark zurückgehe.
({14})
- Ja, da nützen alle Ihre Zwischenrufe nichts mehr. Alle diese Nachrichten, die ich noch erweitern könnte, stammen aus besten Quellen. Ich habe nur die notwendige Redezeit nicht, sonst würden Sie keine Zwischenrufe mehr machen, Herr Kollege! Denn eines geht klipp und klar daraus hervor, daß unsere Wirtschaftspolitik ein Tohuwabohu darstellt,
({15})
daß sie jeder großen Richtlinie entbehrt. Wir haben die Folgen davon zu tragen.
Und wie wird heute die Wirtschaftspolitik dieser Regierung im Auslande beurteilt? Warum sagen Sie dem Volke nicht die Wahrheit darüber? Warum verschweigen Sie dem Volke, daß man uns bereits nahegelegt hat, die D-Mark abzuwerten?
({16})
Darf ich Ihnen aus einer Schweizer Zeitung den betreffenden Passus vorlesen? Es ist die Nr. 67 der „Tat" vom 10. März 1951. Da heißt es:
Die englische Delegation bei der Europäischen Zahlungsunion hat inoffiziell den Vorschlag gemacht, die deutsche D-Mark auf einen realistischen Kurs abzuwerten und die Kreditspanne dem anzugleichen.
So sieht es aus! So weit hat uns die Wirtschaftspolitik der Regierung Adenauer-Erhard gebracht.
({17})
- Es war damals ein sehr guter Vorschlag von uns an den Herrn Landwirtschaftsminister, diese Preise dadurch zu stabilisieren, daß rechtzeitig Importe hereingelassen wurden. Das durfte allerdings nicht so geschehen, daß man heute das Importventil aufdreht, es morgen zudreht, übermorgen wieder aufdreht und dann wieder zudreht. Man mußte vielmehr einen vernünftigen Wirtschaftsplan haben, nicht einen Plan im Sinne des Sozialismus, sondern einen Plan, wie ihn früher in guten Zeiten jeder Wirtschaftsminister in seiner Schublade haben mußte, damit er nicht nach einigen Monaten vom Parlament davongejagt wurde.
({18})
Wir haben heute von dem Herrn Wirtschaftsminister gehört, wie er der Wirtschaftskatastrophe noch steuern will. Er will eine Steuer für Neuerrichtung von Kabaretts und Luxusgaststätten einführen. Das ist ein bißchen spät, nachdem die diversen Saftladen alle schon gebaut sind.
({19})
Er will weiter eine Reklamesteuer einführen. Er darf sich nicht wundern, wenn bei der ganzen Sache so gut wie nichts an Steuererträgen herauskommt, sondern nur einige Hundert neue Beamte bei den Finanzämtern angestellt werden müssen, vielleicht Kontrolleure für die neu zu errichtenden Kabaretts. Das wird ein sehr angenehmer Beruf für diese Beamten sein.
Der eigentliche Nukleus der Ausführungen des Herrn Wirtschaftsministers ist das Zwangssparen. Bei dieser Sache wird nichts herauskommen; das können wir Ihnen heute schon voraussagen.
({20}) Wir werden hier nur eines erreichen: eine Komplizierung der ganzen Wirtschaft, eine Entlassung von Tausenden von Arbeitern von Industrien, die aufrechtzuerhalten wir schon im Interesse unseres Exports alle . Veranlassung haben. Siehe Offenbacher Lederwarenindustrie usw.! Sie werden die Steuererträgnisse hieraus nicht bekommen, die man sich erwartet. Wir werden nur eine weitgehende Verärgerung der ganzen Bevölkerung bekommen. Wir müssen die Summen, die eingespart werden müssen, ganz anders hereinzubringen versuchen, nämlich an der Quelle, bei den Industrien, die heute durch die Exportkonjunktur gigantische Gewinne gemacht haben und diese Gewinne zum großen Teil nicht versteuern, sondern unversteuert in das Ausland verschieben. Es ist sehr interessant, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister wenigstens ein bißchen in dieser Richtung angetönt hat, die Kapitalflucht möglichst zu verhindern. Es freut mich, wenn unser Einwurf vom letzten Mal, als ich Ihnen bewiesen habe, daß im vergangenen Steuerjahr auf diese Weise 3 Milliarden DM über die Grenze spazierengegangen sind, bei dem Herrn Wirtschaftsminister in etwa Früchte getragen haben sollte. Ich sage ihm aber eines: es ist sehr spät; wir fürchten, es ist mit der Einschaltung eines solchen Bremshebels schon zu spät geworden! Hier sind kostbare Monate vertan worden. Die Folge davon wird sein, daß wiederum die breiten Schichten der Bevölkerung die Zeche zu bezahlen haben. Wir haben dieses Zwangssparen schon einmal irgendwo gehört ... Es ist damals nichts daraus geworden. Sage man doch gleich: neue Steuern! Ein jeder weiß doch, daß er nichts mehr zurückbekommen wird. Ersparen Sie doch einigen Gerichten, dann neue Volkswagenprozesse vor ihren Schranken sich abwickeln zu sehen! Es kommt so wenig dabei heraus wie bei dem Volkswagensparen usw.; das kann ich Ihnen sagen! Bei dem Defizit in Ihrem Haushaltsplan werden Sie die Summen, die Sie hier zwangsweise als Anleihe aufgenommen haben, nie mehr zurückzahlen können.
({21})
- Über die positive Seite habe ich Ihnen schon so oft gesprochen.
({22})
Erstens müssen die Riesenexportgewinne steuerlich herangezogen werden. Zweitens muß eine Bewirtschaftung erfolgen - ob man das „von leichter
Hand" nennt oder anders, ist eine Geschmacksangelegenheit -, eine Bewirtschaftung, die nicht
etwa, wie das jetzt geschieht, bei den allerwichtigsten Industrierohstoffen schematisch gleiche
Mengen dem Fabrikanten, der irgendwelche überflüssigen Dinge herstellt, und dem anderen Fabrikanten zuteilt, der wichtigste Exportwaren fabriziert, sondern die vor allem für die exportintensiven Industrien Kohle usw. im nötigen Umfange
zuweist. Das ist heute leider noch nicht der Fall.
({23})
- Nein, noch nicht, Herr Kollege, sondern es wird, wenn wir von Kohle mal sprechen, die Kohle schematisch aufgeteilt, auf die Industriegruppe Steine und Erden soviel, auf die Gruppe Papier soviel,
({24})
auf die Gruppe Keramik soviel, und innerhalb der Gruppe teilen die betreffenden Industriellen dann die Kohlenmenge unter sich frei auf. Die Folge davon ist, daß diejenigen, die im Vorstand dieser Industriegruppen sitzen, sehr oft besser wegkommen. Jedenfalls wird kein Unterschied gemacht zwischen den exportintensiven Fabriken und denen, die nicht für den Export arbeiten, der uns heute so lebensnotwendig ist.
({25})
- Diesen von Ihnen sogenannten „Blödsinn", Herr Kollege, können Sie jederzeit in der Denkschrift des Bundeswirtschaftsministeriums auch lesen, wo genau aufgeschlüsselt ist, wie hier die Kohle den einzelnen Industriegruppen zugeteilt wird. Ihre Zwischenrufe zeigen mir mit erschreckender Klarheit eines:
({26})
daß Sie diese Dinge gar nicht kennen. daß Sie nichts anderes sind als Leute, die blindlings mit Ja stimmen, wenn es sich darum dreht, ein Vertrauensvotum für den Herrn Professor Erhard oder einen anderen Minister abzugeben!
({27})
Diese Dinge aber haben Sie sich anscheinend noch gar nicht mal selbst angesehen. Daher Ihr Zwischenruf.
Meine Damen und Herren!
({28})
Die Redezeit ist leider bald abgelaufen.
({29})
Auch das ist so 'ne schöne Einrichtung von den ) Mehrheitsparteien, die Redezeit nach Fraktionsstärken zu bemessen.
({30})
Aber ich möchte rekapitulieren. Die Wirtschaftspolitik Professor Erhards hat Schiffbruch erlitten, und zwar deswegen vor allem, weil er zwar Liberalisierung sagte, dabei aber nicht konsequent verfahren ist. Und wenn er uns immer weiszumachen versucht, wir hätten Ananas und all solche Dinge einführen müssen, um deutsche Waren dafür exportieren zu können, so trifft das für eine ganze Anzahl von Staaten überhaupt nicht zu. Die Ananaseinfuhr aus den Vereinigten Staaten war vollkommen überflüssig und vieles andere dazu. Deswegen haben uns die Amerikaner keine Tonne Ware mehr abgenommen! Etwas anderes ist es mit Brasilien. Da wissen wir, daß wir dorthin nur liefern können, wenn wir den Brasilianern Kaffee abnehmen.
({31})
Aber bei Hunderten von Erzeugnissen, die unsere Devisenbilanz aufs schwerste belasten und daran schuld sind, daß wir heute auf dem Trockenen sitzen und daß uns vom Ausland bereits eine DMark-Abwertung nahegelegt wird, bei Hunderten von solchen Importwaren ist keine Rede von Kompensationsgeschäften gewesen.
({32})
Hier hat man den großen reichen Mann gespielt, wie ein Vorredner ganz richtig heute schon sagte. Hier hat man den Jackele machen wollen, der vorangeht mit der Liberalisierung, ohne zu bedenken, daß wir heute ein schwaches und armes Volk geworden sind, das jeden Pfennig zweimal umdrehen muß, bevor es ihn zu Käufen im Ausland von minder lebenswichtigen Waren verwendet. An all dem ist schuld vor allem
({33}) der Herr Bundeswirtschaftsminister.
({34})
Und er war ja großzügig genug, heute die volle Verantwortung für diese fehlerhafte Wirtschaftspolitik zu übernehmen.
Wir sind deshalb nicht in der Lage, dem Haushalt des Wirtschaftsministeriums zuzustimmen. Wir glauben, daß sowohl die Idee wie die Organisation bei ihm in gleicher Weise fehlerhaft war, und wir können hier nur durch eine Ablehnung des Etats des Wirtschaftsministeriums Herrn Professor Erhard sagen, was die WAV-Fraktion und ihre Wähler über diesen verfehlten Wirtschaftskurs denken!
({35})
Meine Damen und Herren, für den Rest der Redezeit der FDP-Fraktion hatte sich Herr Abgeordneter Freudenberg gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Ich will nicht mit dem Temperament des Herrn Vorredners versuchen,
({0})
in die Diskussion einzugreifen, sondern ich will mich bemühen, sie nach diesen deklamatorischen Erklärungen auf den großen Ernst zurückzuführen, der die Debatte bis dahin beherrscht hat. Ich glaube, es ist von Herrn Semler das sehr richtige Wort geprägt worden: Wir müssen sehr behutsam in die Dinge eingreifen, die wir nun zu bewältigen haben. Das „behutsam" bedeutet, insbesondere darauf zu achten, nun nicht von einem Extrem in das andere zu fallen.
Ich möchte die Regierung mit allem Ernst auf die Notwendigkeit hinweisen, ganz besonders darauf zu achten, nicht mit einer zu engen und mit einer zu gradlinigen Kreditpolitik nun auf dem Konsumgütersektor zu zerschlagen, was wir auf anderen Sektoren gewinnen wollen. Ich habe eine große Sorge, und, meine Damen und Herren, ich glaube, ich bin berechtigt, darauf hinzuweisen, denn ich war ja wohl einer von denen, die beizeiten immer gewarnt halben, die Dinge nicht nur von heute auf morgen, sondern möglichst auf einige Monate voraus zu sehen. Ich will damit sagen: Ich fürchte, daß wir in wenigen Monaten, wenn wir nun das Steuer zu einseitig umschlagen, in der Konsumgüterindustrie sehr wohl vor Problemen stehen können, die dann wieder ganz andere Fragen, nämlich die der Arbeitslosigkeit und als Folge von Verknappungen Preisbewegungen auslösen können.
Aber, meine Damen und Herren, nicht nur deswegen habe ich mich noch zum Wort gemeldet, sondern ich möchte auch noch davor warnen, daß die Regierung oder der Herr Bundeswirtschaftsminister allzu einseitig glaubt, daß wir in Deutschland unsere Situation nur mit dem Export zwingen und überwinden können. Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind richtig beraten, wenn wir uns über den ganzen Ernst unserer Lage und über die Schwierigkeiten, in die wir hineingekommen sind, klar werden; vielleicht haben sie den Ursprung doch auch darin, daß wir mit allzugroßen Hoffnungen nur das eine Ziel - die Ex({1})
portsteigerung - gesehen haben. Ich fürchte, daß wir bei allem Bemühen um den Export - und die Leistungen der Exportwirtschaft in der Vergangenheit sind mit Recht unterstrichen worden - mit dem Export allein die Lücke, die wir zu schließen haben, nicht werden schließen können. Ich bin auch vorsichtig genug, anzunehmen, daß wir nur mit den Maßnahmen des Engerschnallens und Kürzertretens der Lage nicht Herr werden können. Deswegen möchte ich, gerade von meiner Sicht aus, die Regierung mit allem Ernst darauf hinweisen, daß wir,, wenn wir wirklich in absehbarer Zeit ins Freie vorstoßen können, dann den anderen großen Sektor der Produktion in Deutschland nicht vergessen dürfen: die Landwirtschaft.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich habe die Furcht, daß wir - und da spreche ich insbesondere auch zu Ihnen, meine Herren der Linken - in einer feindlichen Einstellung oder vielleicht richtiger gesagt - „feindlich" ist zu hart - in einer zu kritischen Einstellung gegenüber der Landwirtschaft vergessen, daß gerade die Landwirtschaft einen sehr wesentlichen, vielleicht sogar den entscheidenden Beitrag zu leisten hat,
({3})
wenn die Lücke geschlossen werden soll, die wir von der Industrie aus allein niemals werden schließen können.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich mich nun noch in den Streit um die Vorschläge einschalten, einen Streit, der darüber ausgebrochen ist, in welcher Form wir der Grundstoffindustrie die Mittel zur Verfügung stellen sollen, die - dar über scheint ja Einmütigkeit auf allen Bänken dieses Hauses zu herrschen - der Grundstoffindustrie nunmehr zur Verfügung gestellt werden müssen, allerdings - und das sage ich mit vollem Ernst - einer Grundstoffindustrie, zu der dann das Volk auch das Vertrauen hat, daß sie in ihrer Führung endlich wieder gesund wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe mir überlegt, ob es nicht zweckmäßig wäre, den Gedanken der langfristigen Finanzierung der Grundstoffindustrie zu verbinden mit dem Gedanken der Stärkung unserer Träger der Rentenversicherung. Ich bin überzeugt, daß wir um dieses Problem früher oder später unter gar keinen Umständen herumkommen. Wenn ich an den Vorschlägen des Herrn Wirtschaftsministers Erhard, vor allem hinsichtlich des Kreditsparens, einen Zweifel hege, so ist es der, daß wir dadurch gerade die Güter, mit denen wir nun wirklich sehr sparsam umgehen müssen, die Güter des Imports zu wenig treffen. Wir wissen doch, daß die Schwierigkeiten, in die wir geraten sind, zum Teil darin bestehen. daß wir als eines der wenigen europäischen Länder. ja beinahe als das einzige durch die Ungunst der Entwicklung praktisch zollfrei in diesem liberalisierten europäischen Raum drinstehen. Es wird noch Monate dauern, bis wir diese Lücke werden schließen können. Ich glaube deswegen, wir sollten uns darüber Gedanken machen, ob es nicht zweckmäßig wäre, unseren Import mit einer Einfuhrlizenz von etwa 10°/o zu belegen und diese Mittel im Betrage von monatlich etwa 100 Millionen DM den Rentenversicherungsträgern zur Verfügung zu stellen mit der Maßgabe, daß diese die Gelder bei der Wiederaufbaubank langfristig anlegen, damit die Wiederaufbaubank sie an die Grundstoffindustrie weiterleiten kann, dahin, wo es notwendig ist, langfristige Kredite zu gewähren.
Meine Damen und Herren, wenn wir diesen Gedanken in aller Konsequenz durchdenken - ich sehe das Schlußzeichen -, dann werden wir vielleicht verschiedene Lösungen, um die wir doch nicht herumkommen, auf einmal finden bzw. einen entscheidenden Schritt auf dem Wege zur Lösung tun. In diesem Sinne bitte ich Sie, die Gedanken, die ich zum Schluß vorgetragen habe, zu verstehen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es heute mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und nicht, wie sich aus der einen oder andern Rede ergeben mochte, mit den Leistungen des deutschen Volkes auf wirtschaftlichem Gebiete zu tun. Es kann doch nicht richtig sein, was hier einer der Vorredner sagte: ein Beweis für die Richtigkeit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sei die Tatsache, daß es uns nach der Währungsreform besser ginge. Die Währungsreform ist bekanntlich nicht von deutschen Stellen, sondern von den Militärregierungen gemacht worden. Womit wir uns beschäftigen können, sind die Dinge, die die Bundesregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet getan oder unterlassen hat.
Es ist hier auf die Zahl der Beschäftigten hingewiesen worden. Man muß aber zum Vergleich wissen, daß England, das ungefähr gleich groß ist, 23,5 Millionen Beschäftigte hat, eine Zahl, die die unsrige von rund 15 Millionen ganz erheblich übersteigt. Man muß weiter wissen, daß wir noch eine Riesenzahl von Arbeitslosen haben und gar keine Möglichkeit sehen, das erforderliche Kapital aufzubringen, um den in den nächsten Jahren ins Erwerbsleben eintretenden Personen Arbeitsplätze zu sichern. Hier wären wirtschaftspolitisch notwendige Maßnahmen zu ergreifen. Die Bundesregierung hat sich bisher auf diesem Gebiet nicht einschalten wollen; sie hat erklärt, daß auf dem Wege der Selbstfinanzierung das Kapital von selbst dahin flösse, wo sich die Arbeitsplätze am besten bildeten. Der Bundeswirtschaftsminister hat früher nicht von Kaffee, Kabaretts und ähnlichen Dingen gesprochen, die er heute mit einer Sondersteuer belegen will. Aber immerhin: ist ' es denn nicht ganz klar geworden, daß durch die Selbstfinanzierung eine Ausweitung der deutschen Wirtschaft - jedenfalls teilweise - an den Stellen erfolgt ist, die wir mit den Grundstoffen nicht beliefern können, so daß die Investitionen in diesen Industrien sinnlos geworden sind? Es sind dort zwar Verdienste angelegt worden; aber 'die Investitionen können einfach nicht ausgenutzt werden, weil zu einer solchen Ausnutzung der Investitionen die erforderlichen Grund- und Rohstoffe fehlen. Gerade das Fehlen einer Steuerung der Investitionen nach einem gewissen Plan ist die große Unterlassungssünde, die wir dem Bundeswirtschaftsminister vorwerfen.
Einer der Vorredner sagte weiter, die Realkaufkraft habe sich um 11 % erhöht. Das stimmt ja nur für die Industriearbeiterschaft, und es stimmt - und das ist das Entscheidende - auch nur für die Vergangenheit; denn in dieser Statistik sind die Preissteigerungen der letzten Wochen und Tage
({0})
nicht einbegriffen. Heute hat man in Bonn den Brotpreis ganz erheblich erhöht. Dieselbe Meldung bekommen wir aus Duisburg, wo der Brotpreis von 0,88 auf 1,02 DM erhöht worden ist. Diese Preiserhöhungen sind durchgeführt worden, ohne daß die Regierung auf Grund des bestehenden Preisgesetzes eingeschritten ist. Sie kann auch nicht sagen, sie selber könne doch nicht einschreiten, weil das Sache der Länderregierungen sei. Das ist nicht durchschlagend; denn die Bundesregierung hätte in diesen Dingen die Länderregierungen anweisen müssen, gegen die Verteuerung des Brotes sofort einzuschreiten und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Aber nichts dergleichen geschieht, und das ist die wirtschaftspolitische Unterlassung der Bundesregierung und des Wirtschaftsministeriums, die wir uns hier vor Augen führen müssen.
Und wie ist es mit der übrigen Bevölkerung? Es ist sicher richtig, daß fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung in den letzten Jahren seit der Währungsreform keine Steigerung der Realkaufkraft erlebt hat, sondern nach wie vor auf einem ganz kümmerlichen Niveau leben muß. Denken Sie an Beamte, die bei einem Einkommensindex von 100 einem Preisindex von 151 gegenüberstehen, d. h. ein Drittel ihrer Kaufkraft eingebüßt haben. Das gleiche gilt ja für die Rentenempfänger, das gleiche gilt für die Unterstützungsempfänger und für die Festbesoldeten usw. usw. Gerade dieser Teil des deutschen Volkes hat von der Währungsreform nichts gehabt, sondern hat nach der Währungsreform sehen müssen, wie ein anderer Teil des deutschen Volkes sich sehr viel hat zugute tun können. Da ist eine Statistik außerordentlich aufschlußreich. Die Zahl der abhängigen Arbeiter, Angestellten und Beamten zusammen betrug im Jahre 1950 14,3 Millionen; die Zahl der Selbständigen war 3,71 Millionen. Die 14,3 Millionen Abhängigen haben insgesamt 43 Milliarden Einkommen gehabt; aber - man höre! - die 3,71 Millionen Selbständigen hatten 29 Milliarden Einkommen. Das beweist doch ganz eindeutig, daß wir eine Einkommensschichtung gehabt haben, die - bezogen auf 1936 - bei den Lohnarbeitern möglicherweise eine Gleichstellung ergibt; aber zweifellos haben die Verhältnisse das Einkommen der sogenannten Selbständigen ganz erheblich steigen lassen, und bei den Rentenempfängern und den Berufsgruppen, die nicht im aktiven Erwerbsleben stehen, haben diese Verhältnisse eine erhebliche Unterversorgung, einen erheblichen Unterkonsum nach sich gezogen. Das ist eine Folge der Wirtschaftspolitik der Regierung. Hier hätte sie eingreifen müssen. Hier hätte sie die Möglichkeit gehabt, durch Rückverteilung des verdienten Einkommens eine sozial gerechte Ordnung herbeizuführen und nicht nur einem Teil die Möglichkeit zu lassen, so ziemlich ohne Beschränkungen die Investierung anzulegen, aber auch einen privaten Aufwand zu pflegen, der nicht nur in Deutschland, sondern weit darüber hinaus in der ganzen Welt Anstoß erregt. Die Bundesregierung hätte nicht zulassen dürfen. daß fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung - wenn man die Frauen, Kinder und sonstigen Familienangehörigen dazu rechnet - ein Leben fristen muß, dessen Niveau weit unter dem von 1936 liegt, nämlich nur zwei Drittel 'des damaligen Lebensstandardes erreicht. Diese fehlende Einkommensrückverteilung durch eine gerecht wirkende Wirtschaftspolitik ist eine Tatsache, der gegenüber es gering wiegt, ,daß sich bei der Industriearbeiterschaft im November eine Reallohnsteigerung von 11 % ausrechnen läßt.
Es wurde dann darauf hingewiesen, daß die Phasenverschiebung bei der deutschen Ausfuhr schuld daran sei, daß die Zahlungskrise eingetreten sei. Aber, meine Damen und Herren. dazu ist zu sagen: wir führen ja nicht zum ersten Mal in diesem Jahr aus. Praktiker der Ausfuhrwirtschaft wissen etwas von der Phasenverschiebung, wissen etwas von Remboursen. Ich kann mir allerdings vorstellen, daß diese Dinge in theoretischen volkswirtschaftlichen Lehrbüchern zu 'kurz kommen und daß deshalb eine Wirtschaftspolitik, die von der Theorie und von Theoretikern gemacht wird, diese praktischen Dinge, die sich durch Jahrzehnte eingespielt haben, vergessen hat. Deswegen ist der Einwand, bei der Phasenverschiebung handle es sich sozusagen um eine höhere Gewalt, gegen die man nicht hätte ankommen können, völlig verfehlt.
Wir wußten, daß mit steigender Ausfuhr Kapital steigend in die Ausfuhr hineingesteckt wurde, und hätten 'deshalb schon bei den Verhandlungen in Paris eine größere Kreditlinie durchdrücken müssen oder hätten sonst dem Protokoll nicht beitreten dürfen und hätten nicht à tout prix diesem Liberalisierungsabkommen in Paris unsere Unterstützung geben dürfen.
Dann ist darauf hingewiesen worden, daß sich ja in Deutschland der Fleischkonsum erhöht hätte. Sicherlich hat sich der Fleischkonsum im Vergleich zum vorigen Jahr, im Vergleich zum Jahre 1950, erhöht. Aber, meine Damen und Herren, hat er denn damit den Friedensstand erreicht? Darauf käme es doch an! Da sind die Zahlen folgendermaßen. Der Fleischkonsum hat im Verhältnis zum Frieden 58 % erreicht, der Eierkonsum 68 %, Fett 71 %, Milch 78 %, Zucker 87 % des Vorkriegsverbrauchs. Ich glaube, wenn man diese Zahlen kennt, dann wird man sich nicht so stolz hinstellen und sagen: wir haben ja im letzten Jahre mehr Fleisch verbraucht als im vorletzten Jahre. Wir sind noch lange nicht da, wo uns diese aus dem Zusammenhang gerissenen Zahlen ein Bild des Optimismus vortäuschen können, ein Bild des Optimismus, das wirklich nicht gerechtfertigt ist und das Herr Kollege Freudenberg ja auch in seiner vorsichtigen Art leicht zu korrigieren versucht hat.
Dann ist darauf hingewiesen worden, die Deutschen ließen sich leicht in irgendeine Katastrophenstimmung hineinbringen. Nichts ist falscher als das. Wir wollen uns nur nicht vom blühenden Optimismus des einen Tages, der uns propagandistisch von einer Versammlung, von einer Messeeröffnung, von einem Arbeitgeberverein her entgegenschallt, zum andern Tage dahin drängen lassen, daß es nun heißt: es müssen riesige Steuern erhoben werden; es müssen Zwangsinvestitionsanleihen erhoben werden, und ein Programm ist umfangreicher als das andere; ein Programm belastet mehr als das andere den Massenkonsum, ein Programm wird mehr noch als 'das andere einen Schock für die deutsche Wirtschaft mit sich bringen, wenn die Programme in dieser gehäuften Fülle durchgeführt werden, wie sie uns in der pessimistischen Schau, die sich der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard auf einmal zugelegt hat, angepriesen werden. Wir sind deshalb der Ansicht, daß man nicht an einem Tage in blühendem Optimismus und am anderen Tage in schwärzestem Pessimismus machen sollte.
Wenn die Leistungen des deutschen Volkes im letzten Jahre sich so gesteigert haben, daß beispielsweise 350 000 Wohnungen gebaut worden
({1})
sind, - warum sind sie denn gebaut worden? Sie sind doch deshalb gebaut worden, weil sich deutsche Tüchtigkeit und deutscher Fleiß vereint haben und kräftig an den Stiel gespuckt worden ist und auf die Art und Weise etwas fertig geworden ist. Aber das ist doch nicht der Erfolg einer - gar nicht vorhandenen - Wirtschaftspolitik der Regierung. Unsere Bundesregierung hat doch immer erklärt, sie lehne es ab, in das Marktgeschehen einzugreifen, und ein Nichteingreifen in den Markt kann doch nicht Leistungen und Erfolge hervorgebracht haben; diese sind in Wirklichkeit der Tüchtigkeit unseres wirtschaftenden und schwer arbeitenden deutschen Volkes zuzuschreiben.
Ich glaube deshalb: dadurch, daß man nur einige mit dem Wirtschaftsministerium überhaupt nicht in 'Beziehung stehende Fakten aus dem Zusammenhang herausreißt und hier vorträgt, kann man das Wirtschaftsministerium nicht verteidigen.
Heute steht zur Debatte, ob das Wirtschaftsministerium und sein Leiter richtig gearbeitet haben, ob sie zeitig gearbeitet haben und ob wir der Ansicht sind, daß dieser Wirtschaftsminister noch länger sein Amt versehen kann, oder ob es besser wäre, daß er, das Scheitern seiner Politik einsehend, sein Amt einem tüchtigen und würdigeren Nachfolger zur Verfügung stellt. Nur 'diese Frage ist heute akut, und diese Frage muß beantwortet . werden. Daß die Frage nicht in formeller Weise gestellt werden kann, ist eine Folge der unglücklichen Konstruktion unseres Grundgesetzes,
({2})
die uns leider nur dann erlaubt, einen Minister auf Grund eines konstruktiven Mißtrauensvotums in die Wüste zu schicken, wenn tatsächlich das ganze 1 Kabinett das Vertrauen des Hauses verloren hat. Aber - wie die Dinge auch sind - um so mehr müßte der betreffende Ressortminister seine eigene Verantwortung fühlen, um so mehr müßte der betreffende Ressortminister fühlen, ob er sein jetziges Handeln mit seinen Worten von vor kurzem in Übereinstimmung 'bringen kann. Man sagt: ein Mann - ein Wort! Wenn ein Mann ein Wort gesprochen hat und es hinterher nicht einlösen kann, dann soll er zu seinem Wort stehen und sagen: es geht nicht anders, meinetwegen weil die Verhältnisse mächtiger waren. Aber er soll zu seinen Worten stehen und dann seine Demission von sich aus einreichen. Daß dem Wirtschaftsminister seine Wirtschaftspolitik schon ganz aus der Hand geglitten ist, das beweist doch am allerdeutlichsten die Fülle der Kommissionen, die in der letzten Zeit tätig gewesen sind. Ich habe mir acht verschiedene Kommissionsberichte, die im Rahmen der Bundesregierung erstattet worden sind, gemerkt: das sind der interministerielle Ausschuß, der zunächst tätig war, dann der Wissenschaftliche Beirat, dann der Gutachterausschuß beim Kanzler, dann der Niederbreisiger Kreis, dann das Gutachten des Zentralbankrats, das 'Gutachten des ERP-Ministeriums und jetzt zum Schluß der Koordinierungsausschuß. Es ist doch ein grenzenloses Durcheinander, was sich mit dieser Organisationsfülle dartut.
Daß dieses Durcheinander effektiv ist, ergibt sich aus einem anderen Gesichtspunkt. Die Wirtschaftspolitik wird - das haben wir gesehen - in erster Linie durch die Finanzpolitik gemacht. Daß hier der Bundesfinanzminister ein ganz entscheidendes Wort in der Wirtschaftspolitik mitspricht, ist wohl unbestritten. Daß dieses entscheidende Wort des
Bundesfinanzministers in der Wirtschaftspolitik aber nicht mit seinem federführenden Kollegen vom Wirtschaftsministerium abgestimmt worden ist, ist ebenso klar; denn sonst wäre es ja nicht möglich gewesen, daß der Bundesfinanzminister beim Bundesrat eine Sonderumsatzsteuer beantragt - die Drucksache ist uns sogar schon vorgelegt - und der Bundeswirtschaftsminister uns heute mit dem Plan der Baby-Bonds beglückt hat. Welcher Plan ist denn nun der Plan der Bundesregierung? Nach Art. 65 des Grundgesetzes ist der Bundeskanzler derjenige, der die Richtlinien der Politik bestimmt.
({3})
Es ist möglich, daß er jetzt nach Übernahme des Außenministeriums nicht mehr in der Lage ist, die Richtlinien der Politik so zu bestimmen, wie es sein müßte.
({4}) Ich will es dahingestellt sein lassen. Aber eins ist doch sicher richtig: daß es nicht möglich ist, daß eine einheitliche Regierung durch den Bundesfinanzminister - Unterschrift: die Bundesregierung - uns eine Sonderumsatzsteuer zur Deckung des Kapitalbedarfs vorlegt und das Bundeswirtschaftsministerium - wieder Unterschrift: die Bundesregierung - uns heute einen Plan über Baby-Bonds unterbreitet. Einer von diesen beiden Plänen muß nicht abgestimmt sein. Zuständig wäre der Bundeswirtschaftsminister; aber er macht sich anscheinend nichts daraus, wenn von seinen Kompetenzen etwas in andere Hände übergeht,
({5})
sonst hätte man uns die Sonderumsatzsteuer nicht vorlegen können. - Daß die Sonderumsatzsteuer zurückgezogen ist, davon ist mir nichts bekannt. Die Sonderumsatzsteuervorlage liegt jedenfalls als Eingang beim Bundesrat in unseren Fächern.
({6})
- Ich habe es bekommen.
Eine weitere Frage. Der Zuständigkeitsstreit zwischen Finanzministerium und Wirtschaftsministerium nimmt teilweise ganz drollige Formen an. Da ist jetzt in dem neuen Einkommensteuergesetz das sogenannte Organprivileg wieder eingeführt worden, d. h. ein Großkonzern, der eine Handelsgesellschaft hat und an diese seine eigenen Waren verkauft, braucht keine Umsatzsteuer zu zahlen. Der Wirtschaftsminister ist gefragt worden, ob er das denn billige. Seine Antwort war, das könne er nicht sagen, er wisse nichts davon! Auf den Vorhalt, das sei in seinem Hause, in seinem Referat doch abgemacht worden; es sei doch toll, daß man jetzt bei dieser erhöhten Umsatzsteuer von 4 % die Großindustrie und die Großkonzerne so einseitig begünstige und die selbständige Wirtschaft zwei- und mehrmal Umsatzsteuer zahlen lasse, die man den Großkonzernen nunmehr auf Grund dieses Schachtelprivilegs erlassen wolle, hat der Bundeswirtschaftsminister erklären müssen, davon wisse er gar nichts; das sei zwar in seinem Hause geschehen, aber er wisse nichts davon.
({7})
Ein weiteres Beispiel dieser Art, das beweist, daß hier nicht alles beim rechten ist und daß dem Wirtschaftsminister die Zügel aus der Hand geglitten sind! Wir haben im Bundestag einstimmig beschlossen, daß die Tabaksteuer gesenkt werden solle. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dann die Antwort bearbeitet, die dem Finanzausschuß
({8})
zugegangen ist und die die Unterschrift des Vizekanzlers trägt. Darin ist dem Bundestag bzw. dem Finanzausschuß mitgeteilt worden, die Ermäßigung der Tabaksteuer komme nicht in Frage. Jetzt hören wir, daß das gleiche Bundeswirtschaftsministerium den Antrag gestellt hat, aus dringenden handelspolitischen Gründen die Tabaksteuersenkung durchzuführen, das gleiche Bundeswirtschaftsministerum, das die gleiche Angelegenheit vor kurzem federführend abschlägig beschieden hat.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat uns immer wieder versprochen, wir sollten nun endlich das Monopolmißbrauchsgesetz bekommen. Das wäre ja tatsächlich eine Angelegenheit, die dem deutschen Volk wohl zeigen würde, daß es dem Bundeswirtschaftsministerium wenigstens mit der theoretischen Konzeption seiner sogenannten sozialen Marktwirtschaft ernst sein würde. Wir haben bis heute das Monopolmißbrauchsgesetz noch nicht vorgelegt bekommen, obwohl wir durch Interpellation und Anträge die Vorlage wiederholt erbeten haben. Heute hören wir, daß ein Wettbewerbsgesetz vorgelegt werden soll. Soweit ich weiß, hat das Wettbewerbsgesetz mit dem Monopolmißbrauchsgesetz - jedenfalls in der früheren Fassung - nichts zu tun. Wir werden also auch noch weiter auf die Vorlage dieses Gesetzes warten.
Das Exportförderungsprogramm ist vom Bundeswirtschaftsministerium im Oktober, glaube ich, im wesentlichen ausgearbeitet gewesen. Daß die Exportförderung in erster Linie eine Angelegenheit des Wirtschaftsministers ist, ist wohl unbestreitbar. Trotzdem hat es bis heute gedauert, daß die ersten Vorlagen in dieser so außerordentlich dringlichen Angelegenheit an uns herangekommen sind. In der gesamten Wirtschaft ist durch diese Säumigkeit, die wohl auf Einflüsse anderer Ministerien zurückzuführen ist, eine außerordentliche Verzögerung in den Exporten entstanden, und diese Verzögerung in der gesamten Exportwirtschaft hat uns die große Devisenkalamität eingetragen, die wir sicher hätten verhindern können, wenn das Exportförderungsprogramm rechtzeitig durchgeführt worden wäre. Wer weiß, daß gerade das Exportgeschäft sehr häufig ein Stoßgeschäft ist, daß eine einmal vorhandene Konjunktur mitgenommen werden muß und daß die Welle der Exportaufträge vielleicht - man weiß es nicht sicher - schon wieder abzuebben beginnt, der wird mir recht geben, wenn ich sage, daß die Verzögerung dieses Exportförderungsprogramms einen unwiederbringlichen großen Verlust für die Exportwirtschaft mit sich gebracht hat. Es kommt ja hinzu, daß der Export, den wir heute haben und der so sehr gelobt wird, einer eingehenden Überprüfung nicht so ganz standhält. Der Anteil der Fertigwaren am Export ist immer noch um 20 % geringer als in der Vorkriegszeit. Das mag im letzten Monat anders gewesen sein; aber nach der letzten mir erreichbaren Statistik war er noch um 20 % geringer als vor dem Kriege. Außerdem sind im Export neuerdings in erheblichem Maße Agrarerzeugnisse enthalten, Exporte, die wir keineswegs als überaus günstig zu bezeichnen haben. Die Dinge liegen also so, daß dieses Versäumnis des Bundeswirtschaftsministeriums eine erhebliche Benachteiligung der deutschen Wirtschaft zur Folge gehabt hat.
({9})
- Es ist ja so, daß die Redezeit hier nach dem Gewicht der Redner zugemessen wird. 10 Redner wiegen weniger als 140 Redner, und unserer kleinen Fraktion von 10 Abgeordneten wird die
Redezeit dementsprechend kürzer zugemessen. Es kommt also nicht darauf an, ob jemand irgend etwas zu sagen hat, sondern darauf, wieviel er zusammen mit seinen Fraktionskollegen wiegt.
({10})
Gegen diese Methode
({11})
kann ich mich nicht wehren. Ich weiß aber, daß in anderen Parlamenten diese merkwürdige Art der Zumessung der Redezeit nicht üblich ist.
({12})
Ich will zum Schluß kommen. Ich habe leider nur einen kleinen Teil des Materials vortragen können, das ich gern vorgetragen hätte. Ich glaube, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister sich einmal ehrlich seine eigenen Reden, wie er sie so oft gehalten hat, durchliest und die Maßnahmen, die er jetzt ergreifen soll, mit diesen seinen eigenen Reden vergleicht, dann sollte er nach dem Wort „ein Mann - ein Wort" jetzt seinen Posten zur Verfügung stellen und einem anderen Nachfolger den Platz frei machen.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle wurden in den letzten Monaten zahlreiche amtliche Prognosen über die Gesundung der westdeutschen Wirtschaft entwickelt. Mir scheint, alle diese Prognosen waren nichts anderes als Trugbilder, um die Masse unseres Volkes über eine Wirtschaftspolitik hinwegzutäuschen, die einzig und allein der Remilitarisierung dient.
({0})
Professor Erhard hat seine Wirtschaftspolitik, getreu der Regierungspolitik Adenauers, ganz den Gesetzen der amerikanischen Weltherrschaftspolitik untergeordnet. Seine anfänglichen optimistischen Prognosen über den Sieg der Marktwirtschaft sind wie Seifenblasen zerplatzt. Übriggeblieben ist die Kommandowirtschaft, die im zivilen Sektor Mangel erzeugt und die die ganze wirtschaftliche Kraft auf den Sektor der Rüstungswirtschaft, der sogenannten Investitionsindustrien konzentriert.
({1})
Wer die Remilitarisierung will, der muß Erhardsche Wirtschaftspolitik durchführen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es kein Wunder, daß ernsthafte Krisenerscheinungen sich in der westdeutschen Wirtschaft bemerkbar machen.
({2})
Die zunehmende Zerrüttung der nationalen Wirtschaft ist die Folge der von Adenauer und Erhard unter dem Kommando des Petersberges betriebenen Wirtschaftspolitik.
({3})
Eine angesehene westdeutsche Zeitung, die „Stuttgarter Zeitung" vom 24. Februar 1951, untersucht in ihrem Leitartikel, der die bezeichnende Überschrift „Wetterzeichen" trägt, die Ursachen der Zerrüttung der westdeutschen Wirtschaft. Die westdeutsche bürgerliche Zeitung stellt die Frage: Was ist geschehen, daß sich der wirtschaftliche Himmel über Westdeutschland so sehr verdunkeln konnte? Darauf gibt die Zeitung folgende Antwort:
({4})
Man kann die deutschen Schwierigkeiten vielleicht in drei Begriffen zusammenfassen: Korea, Kohle und Konsum.
Die Zeitung gibt dazu folgende Tatsachen - ich greife nur einige Beispiele heraus -:
Die Tatsache, daß angesichts der Rüstungspreise seit Korea viele Exportkontrakte zu den alten Preisen erfüllt werden mußten, hat zur Folge, daß sich die Preissteigerung im Export des vierten Quartals 1950 nur mit 10 Millionen Dollar zu unseren Gunsten, durch die Verteuerung der Einfuhr aber um 400 Millionen Dollar zu unseren Ungunsten ausgewirkt hat. ({5})
Zur Kohlesituation wird in dieser Zeitung gesagt, daß noch immer ein Viertel der geförderten deutschen Kohle exportiert werden muß; und zwar zu Preisen, die knapp die Hälfte der gegenwärtigen Weltmarktnotierungen ausmachen. Diese Feststellung in einer bürgerlichen Zeitung wird erst dann deutlich, wenn wir auf der anderen Seite sehen, daß amerikanische Kohle, für die wir den vollen Dollarpreis zu zahlen haben, in das Kohleland Westdeutschland importiert wird.
({6})
Während die deutschen Fabriken die verteuerte amerikanische Kohle aufnehmen müssen, fließt die Ruhrkohle zum Unterweltmarktpreis in die Rüstungsstätten Westeuropas zwecks Herstellung von Panzern, Bomben und Granaten, die dazu bestimmt sind, eines Tages unsere deutsche Heimat zu zerstören.
({7})
Der amerikanische Politiker Taft hat das Programm der Verwüstung der westdeutschen Produktionsstätten im Zuge eines amerikanischen Schießkrieges erst vor einiger Zeit zynisch zugegeben. Seine Forderung lautete: Im Falle eines Krieges
({8})
und eines eventuellen Rückzuges wird die westdeutsche Industrie zerstört werden müssen. Professor Erhard nannte dies „Verteidigung der Demokratie". Wenn Sie für diese amerikanische Politik das notwendige Anschauungsmaterial benötigen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Blicken Sie nach Korea!
Was nun den Konsum angeht, so stellt die von
mir bereits zitierte bürgerliche Zeitung fest, daß
die Mühlen für Weizen statt 350 DM je Tonne
410 DM bezahlen. Dies hat zur Folge, daß beispielsweise im Ruhrgebiet der Preis für Weizenimportschrot-Brot von 80 auf 90 Pfennig und der
Preis für Roggenmischbrot von 88 Pfennig auf
1,02 DM anstieg. Professor Erhard allerdings
spricht heute, angesichts dieser bitteren Tatsachen,
die den Massenkonsum der Werktätigen belasten,
von „stabilen Preisen". Ich stelle die Frage: Kann
man einen solchen Generalangriff auf den Konsum
der werktätigen Massen zugunsten der Investitionen in der Rüstungswirtschaft allein mit ansteigenden Preisen auf dem Weltmarkt entschuldigen?
({9})
Professor Erhard hat faktisch heute zugegeben, daß die Grundursache dieser Politik in der Remilitarisierung zu suchen ist. Jeder vernünftige Mensch in Westdeutschland weiß, daß bei einer richtigen
Orientierung der westdeutschen Wirtschaftspolitik
genügend Möglichkeiten offenstehen, auf der
Grundlage der Friedenswirtschaft und der
Orientierung auf die gewaltigen östlichen Märkte
bei Nichtausschaltung der Märkte des Westens
derartigen Preisentwicklungen entgegenzuwirken.
({10})
Westdeutschland kann sich nur dann aus den Schlingen des Marshall-Plans befreien, um sich beispielsweise in der Versorgung mit Brotgetreide auf den Weltmärkten aus den Fesseln des Weltweizenrates herauszulösen, um sich von den Schwankungen der Rüstungspreise im Sektor der amerikanischen Kriegswirtschaft zu befreien, wenn die westdeutsche Wirtschaft die notwendige Freiheit im Außenhandel hat und sich freimacht von jeder Diskriminierung des Auslandes, von der Professor Erhard heute sprach.
Diese Erkenntnis wird sich unschwer auch im Kabinett Dr. Adenauers durchsetzen können.
({11})
Das zeigen einige Äußerungen der Kabinettsmitglieder in den letzten Tagen. Am 11. März 1951 sprach Vizekanzler Blücher in Essen und betonte die Notwendigkeit weiterer Einschränkungen auf allen Gebieten. Er erklärte:
Nur wenn wir uns auf das Notwendigste beschränken, kommen wir durch.
Der Tenor seiner Rede war, Beschränkungen der eigenen Lebensweise sind von nun an unumgänglich notwendig.
Der sonst immer so optimistische Wirtschaftsminister sprach am gleichen Sonntag in Frankfurt am Main und sagte dort mit anderen Worten dasselbe, indem er aussprach:
Die Bevölkerung der Bundesrepublik muß freiwillig einsehen, daß im Interesse der Erhaltung der politischen Freiheit der Riemen enger geschnallt werden muß.
Die Finanz- und Außenhandelssituation nannte Professor Erhard in Frankfurt kritisch. Die notwendigen Begleitworte zu diesen Alarmrufen gab meiner Meinung nach der amerikanische Sprecher bei der Eröffnung der Frankfurter Messe, als er unmißverständlich an die Adresse der Bundesregierung erklärte, entweder mache die Bundesrepublik die Wirtschaftspolitik der Amerikaner, d. h. die Kriegspolitik der Amerikaner mit, oder die notwendigen Kredite würden gesperrt.
({12})
Meine Damen und Herren, hier muß man die Dinge endlich einmal beim richtigen Namen nennen!
({13})
Unser Volk weiß, daß diese Alarmrufe maßgeblicher Politiker des Bonner Kabinetts das ganze Ergebnis der Remilitarisierung und der Erfüllungswirtschaft in Westdeutschland aufzeigen. Auf die Parole „den Riemen enger schnallen" fällt heute in Westdeutschland, Herr Wirtschaftsprofessor, keiner mehr herein. Die Deutschen aller Schichten wissen, daß die Verwirklichung dieser Losung, den Riemen enger zu schnallen, nichts anderes bedeutet, als daß Hunderttausende junger Männer unseres Volkes das Koppel umschnallen sollen.
({14})
In den Vorschlägen des Niederbreisiger Arbeitskreises für das Sofortprogramm der Bundesregie({15})
rung ist unter I von der Schaffung der kosten- und preismäßigen sowie lohnpolitischen Voraussetzungen für eine Intensivierung der heimischen Landwirtschaft die Rede. Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß gerade die westdeutsche Landwirtschaft unter den Auswirkungen der Remilitarisierung besonders schwer zu leiden hat.
({16})
Durch diese Politik, die im Rahmen des Marshall-Planes aufgezwungen wurde, erfolgt eine Zerstörung der westdeutschen Landwirtschaft, insbesondere der bäuerlichen kleinen und mittleren Betriebe.
({17})
- Warum regen Sie sich so auf? Hören Sie doch einmal zu, was Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik in Westdeutschland angerichtet haben!
({18})
Die kleinen Bauern wurden ein Opfer der amerikanischen Importeure, die sich in Westdeutschland einen großen und ständigen Absatzmarkt für die landwirtschaftliche Überproduktion der USA geschaffen haben.
({19})
Es war die Liberalisierung,
({20})
die diesen amerikanischen Kapitalisten Tür und Tor geöffnet hat. Darüber hinaus werden täglich Hunderte von Bauern in Westdeutschland von Grund und Hof vertrieben,
({21})
weil neue Rollbahnen für amerikanische Bomber und entsprechend der Anregung von Dr. Schumacher und Dr. Adenauer Truppenübungsplätze angelegt werden.
({22})
Die Ursache für die gegenwärtige Wirtschaftskrise in Westdeutschland ist somit einzig und allein in der Politik der Remilitarisierung Dr. Adenauers zu suchen.
({23})
Dieser Remilitarisierung dient auch die künstlich hochgetriebene Arbeitslosigkeit. Die Massen der Arbeitslosen sollen billige Objekte für die vorgesehenen Söldnerformationen sein. Zu gleicher Zeit aber sollen sie den Angriff auf die Löhne der arbeitenden Massen in Westdeutschland im Zuge der Maßnahmen, die Professor Erhard hier begründet hat, erleichtern.
({24})
Eine andere Folge der Remilitarisierung ist die weitgehende Einstellung des Wohnungsbaues zugunsten des Baus von Kasernen; der Errichtung von Flugplätzen und Befestigungsanlagen im Bereich des ehemaligen Westwalles.
({25}) Parallel mit der Drosselung des Wohnungsbaues wird im Zuge der Wirtschaftspolitik Adenauers und Erhards die Beschlagnahme von Wohnungen und die Räumung von Kasernen, die von den Umsiedlern bewohnt sind, von Tag zu Tag weitergeführt.
({26})
Ich erinnere an Ulm, wo Tausende von Umsiedlern,
Besitzer von Flüchtlingsbetrieben, die angeblich
bei der Rechten immer auf besondere Sympathien stoßen, voller Verzweiflung einer solchen Massenaustreibung aus ihren Wohnungen und Betrieben entgegensehen.
({27})
Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß diese Folgen einer dem Kriege dienenden' Wirtschaftspolitik auf den Widerstand aller Patrioten in Westdeutschland stoßen werden.
({28})
Nicht anders verhält es sich mit der Steuerpolitik der Bonner Regierung.
({29})
Sie dient einzig und allein der Finanzierung der Kriegswirtschaft und aller Maßnahmen, die mit der Remilitarisierung zusammenhängen.
({30})
Die Skala reicht vom Zwangssparen bis zum Raub der Sozialversicherungsgelder.
({31})
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an den
Entwurf der Sonderumsatzsteuer für Süßwaren,
wodurch besonders die Kinder unseres Volkes im
Interesse der Remilitarisierung betroffen werden.
({32})
Angesichts dieser Steuerpolitik, die eine Begleiterscheinung der Remilitarisierung ist, kracht es auch in solchen Gebäuden, die bisher als Festungen der Wirtschaftspolitik Professor Erhards angesehen werden konnten.
({33})
Ich denke dabei an die Industrie- und Handelskammern in Westdeutschland. In allen Mitteilungen der Industrie- und Handelskammern kann man heute sehr besorgniserregende Feststellungen über die katastrophalen Auswirkungen der Remilitarisierung auf die Wirtschaft und die Finanzen lesen. In Nr. 3 der Mitteilungen der Industrie- und Handelskammer in Offenbach am Main von 1951 heißt es zum Steuerbukett für das Jahr 1951: „Was bleibt denn außer Sand, Wasser und Luft noch steuerfrei?"
({34})
Es kracht also, meine Damen und Herren, in den stärksten Festungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
Ich will ferner darauf aufmerksam machen, daß gerade im Offenbacher Raum einige Fabrikanten den tieferen Sinn der Erhardschen und Adenauerschen Wirtschaftspolitik längst erkannt haben.
({35})
Als beispielsweise kürzlich einige Fabrikanten den Auftrag erhielten, Ausrüstungsgegenstände aus Leder für militärische Zwecke herzustellen, haben sie dies in richtiger Erkenntnis abgelehnt. Diese Ablehnung war ein Akt der wirtschaftlichen Vernunft.
({36})
Wenn dieses Beispiel Schule macht, dann erspart sich die deutsche Industrie, ersparen sich die Kapitalisten ihr Korea.
({37})
({38})
Die Vorschläge der Sozialdemokratischen Partei, die gestern veröffentlicht wurden, sind ebenfalls keineswegs geeignet, eine Besserung der wirtschaftlichen Situation herbeizuführen. Es gibt im Grunde genommen keine prinzipiellen Gegensätze zwischen Erhard und Nölting.
({39})
Es gibt im Grunde genommen ein einziges Wirtschaftsprogramm, d. h. die Verwirklichung der Remilitarisierung. Wenn man - das möchte ich den sozialdemokratischen Arbeitern und Wählern sagen - den Kurs der Remilitarisierung, wie es der SPD-Parteivorstand rücksichtslos tut, mitmacht, dann müssen auch alle Maßnahmen scheitern, die auf den Krieg orientierte Wirtschaft zu reformieren. Es ist eine Illusion, zu glauben, daß man die Remilitarisierung vorbereiten und durchführen und zur gleichen Zeit eine Art Sozialkapital des Volkes anlegen kann. Heute regiert die Losung: Kanonen statt Butter. Diese Politik muß mit den Millionenbeträgen aus den Taschen der Werktätigen, der Mittelständler und der Fabrikanten, aus den Steuern und aus der Senkung der Reallöhne finanziert werden.
Wir Kommunisten sind der Meinung, daß bei Fortführung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik unser Volk unausweichlich einer Katastrophe entgegengeht. Wir schlagen darum unserem Volke vor, die Verständigungsangebote des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik und der Volkskammer anzunehmen, um im Konstituierenden Rat alle Fragen einer friedlichen deutschen Wirtschaft im Geiste der Verständigung zu lösen.
({40})
Im Konstituierenden Rat kann über die Abschaffung der Zonen- und Sektorengrenzen und über die Herstellung des freien Personen- und Warenverkehrs in ganz Deutschland Übereinstimmung gefunden, es können Maßnahmen zur Sicherung der Rechtseinheit, besonders im Hinblick auf die Patente und Warenzeichen, auf die Wertpapiere und andere Warentitel getroffen werden. Schließlich können Maßnahmen vereinbart werden zur Erweiterung des deutschen Binnenhandels, zur Aufhebung der Beschränkungen und zur Entwicklung des Außenhandels, insbesondere zur gemeinsamen Kontrolle des Exports und Imports sowie zur Schaffung eines einheitlichen Zollsystems. Verständigung kann auch erreicht werden über die einheitliche Benutzung aller Verkehrsmittel und über alle Maßnahmen zur Herstellung der Einheit auf finanziellem Gebiet. Das gleiche gilt für alle Maßnahmen zur Sicherung der Erhaltung der Arbeitsplätze der Werktätigen in einer Wirtschaft, die einzig und allein dem Frieden dient.
({41})
Meine Damen und Herren! Hier haben Sie ein Wirtschaftsprogramm, das den Erfordernissen unseres Volkes genügt; hier haben Sie die Losung und die Forderungen, die verwirklicht werden müssen, um unser deutsches Volk vor einer Katastrophe als Folge der Remilitarisierung zu bewahren.
({42})
Zu diesen Forderungen hat Dr. Adenauer nein gesagt. Diesem Nein schloß sich Dr. Schumacher an. Das deutsche Volk verlangt aber eine gesunde Wirtschaft, die dem Frieden und der Wohlfahrt unseres Volkes dient, und fordert darum: Fort mit
Adenauer, der der Zerstörer der westdeutschen Wirtschaft ist.
({43})
Wir lehnen den Etat des Wirtschaftsministeriums aus Gründen der Vernunft und aus Gründen der Verhinderung einer Katastrophe durch die Remilitarisierung für unser Volk ab.
({44})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Phase des wirtschaftlichen Wiederaufbaus in der Bundesrepublik scheint zu Ende gegangen zu sein. In die stellenweise treibhausmäßig aufgeblühte Wirtschaft ist der brüske Einbruch der rauhen Luft des plötzlich umgestürzten Weltmarktes erfolgt. Der jähe Paukenschlag des Importstopps hat in einer die Bevölkerung erschreckenden Weise die totale Veränderung der Verhältnisse signalisiert. Die seit den letzten Monaten drohende Gefährdung, ja der drohende Zusammenbruch der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik war ein höchst beunruhigendes Anzeichen der ins Gleiten geratenen Lage. Als die Schweiz es am 9. Februar ablehnte, der Erweiterung der Liberalisierung von 60 auf 75 vom Hundert zuzustimmen, war klar, daß die Wirkungen des umgestürzten Weltmarktes auch die gefestigten Volkswirtschaften erfaßt hatten. Als der Zentralbankrat in seiner Sitzung am 15. und 16. Februar feststellte, daß seine Mittel, um mit kreditpolitischen Maßnahmen indirekt den Einfuhrsog abzustoppen, nunmehr erschöpft seien, weil weder eine erneute Erhöhung des Diskontsatzes noch die Erhöhung der Mindestreserven die Entwicklung noch ernstlich aufhalten könnte, so daß er, der Rat, beschlossen habe, die Bundesregierung zu bitten, die Verantwortung für die kommenden Entschlüsse in vollem Maße zu tragen, da wurde der ganze alarmierende Ernst der Situation sichtbar.
Schroffe und vorwurfsvolle Stimmen aus den Ländern des Westens und von der Hohen Kommission dringen an unsere Ohren. Die Londoner „Financial Times" bezeichnet Deutschland als das Sorgenkind der EZU. Sie unterstellt der Politik der Bundesrepublik in einer an Verdächtigung grenzenden Weise unlautere Beweggründe. Sie sagt, die deutschen Behörden hätten im Laufe der letzten Phase der Devisenkrise eine seltsame Leichtfertigkeit an den Tag gelegt. Der Vorstand der EZU könne mit Recht darauf hinweisen, daß es heute keine Europäische Zahlungsunion mehr gäbe, wenn die anderen Mitgliedsländer der Organisation sich ebenso verhalten hätten wie Deutschland. Und sie fährt weiter fort:
Deutschlands Nachbarn müssen die Rechnung
bezahlen, wenn etwas schief geht, sei es auch
nur, weil die politischen und strategischen
Pläne der westlichen Alliierten ein stabiles und
wirtschaftlich gesundes Deutschland erfordern.
Wie immer in solchen Zeiten geht es dann um die
Prinzipien der Wirtschaftsordnung selbst, und es
häufen sich die Vorschläge der Wundertäter. These
steht gegen Antithese. Programme wachsen wie die
Pilze aus dem Boden: das Niederbreisiger Programm, ein britischer Wirtschaftsplan für Deutschland, ein Wirtschaftsplan des Senators Schiller, der
({0})
dem Wirtschaftsausschuß des Bundesrates angehört, und so fort. Wie immer sucht man in solchen Zeiten den Sündenbock. Die Geschichte der Menschheit ist ebensosehr die Geschichte der menschlichen Irrtümer und Fehlschläge wie die Geschichte der menschlichen Versuche, die Schuld und Verantwortung einseitig auf den in die Wüste zu jagenden Bock zu wälzen, dem man das Schuldbündel auf den Rücken bindet.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat eindringlich in die Ohren seiner „politischen Freunde" von der Linken dieses Hohen Hauses gesprochen. Er heischte werbend Verständnis. Das Echo war mißtönend. Wir begreifen das, weil der Rufer und der Angerufene auf verschiedenen Ufern stehen. Auch die Bayernpartei als Anhängerin des Grundgedankens des Privateigentums, einer ihre soziale Verantwortung fühlenden Privatwirtschaft und der Rentabilität dieser Privatwirtschaft als Motor und Grundlage der Wohlfahrt der Bevölkerung, hat oder glaubt Anlaß zu Vorhalten zu haben. Es sind Fehler, auch grundlegende Fehler, auf die ich noch zu sprechen kommen werde, gemacht worden. In verderblicher Weise wurden längst fällige Entscheidungen allzu lange verzögert, und es ist nicht gelungen, das soziale Gefüge in Ordnung zu halten, d. h. das Sozialprodukt in einer Weise zu verteilen, daß nicht die Massen das bittere Gefühl haben müssen, sie hätten nach einer Art Prädestinationslehre ewig zu den Enterbten und Verdammten dieser Erde zu zählen. Gewiß, wir haben diese Beanstandungen zu machen, und andere dazu. Aber wir halten es für nicht angemessen und für nicht seriös und gerecht, nach Schwarz-Weiß-Manier zu urteilen. Wir erachten es für nicht angängig, den ein en verantwortlich zu machen für das, was vor uns liegt. Mit anderen Worten: wir bemühen uns, die zweifellos großen Leistungen der Wirtschaftspolitik, für die der Bundeswirtschaftsminister verantwortlich zeichnet, auch anzuerkennen, gerade, weil wir uns durch diese Anerkennung andererseits Recht und Freiheit auch einer objektiven Kritik wahren. Wir möchten durchaus streng zwischen den Maßnahmen der verantwortlichen Stellen, der Politik der Besatzungsmächte und den Ausstrahlungen der veränderten weltpolitischen Lage unterscheiden. Kein Politiker und kein Staatsmann, auch von ' den stärksten Geistesgaben, der größten Tatkraft, den umfassendsten Erfahrungen und den lautersten Absichten, wäre imstande gewesen, die Realität der Umstürzung der Weltverhältnisse aus der Welt zu schaffen.
({1})
Die Fehler der alliierten und der deutschen Stellen dürfen nicht verschwiegen werden. Die Besatzungsmacht hält das Besatzungsrecht über jede vernünftige und gebührliche Zeitdauer hinaus aufrecht. Sie lastet der deutschen Wirtschaft in einem wachsenden Maße Kosten auf, die von ihr nicht mehr getragen werden können. Die Ruhrkontrolle wird aufrechterhalten. Die unsoziale Währungsumstellung ist durch die Besatzungsmacht, nicht durch deutsche verantwortliche Instanzen erfolgt, wie ein Redner in der Debatte bereits festgestellt hat. Vor allem aber werden die Produktionsbeschränkungen und Produktionsverbote immer noch nicht beseitigt oder wesentlich abgebaut. Noch vor wenigen Tagen gelang es der französischen Politik, die amerikanische Absicht, wonach sieben Produktionsbeschränkungen beseitigt und zwei Produktionsverbote aufgehoben werden sollten, zu vereiteln und zu durchkreuzen! Die Alliierten, d. h. die Westmächte, soweit sie der EZU angehören, haben die ihnen gegenüber der deutschen großen Vorleistung der Liberalisierung obliegende Verpflichtung, in gleicher Weise zu liberalisieren, nicht erfüllt und nicht eingehalten. Zwar wurde von seiten der Teilnehmer der EZU immer wieder beteuert, daß auch sie ihrerseits liberalisieren; die Ausführung dieser angeblichen Absicht ist aber immer wieder durch interne Verwaltungsanordnungen verhindert worden. Man hat zum Teil sogar die Ursprungserzeugnisse unserer Kontrolle entziehen können, so daß entgegen den Bestimmungen des EZU-Abkommens auch Waren, die nicht in den Ländern der Teilnehmer der EZU erzeugt oder hergestellt worden sind, im Transit aus anderen Ursprungsländern auf Liberalisierung, nach Deutschland eingeschleust wurden, wodurch die deutsche Zahlungsbitanz in einer verhängnisvollen Weise beeinträchtigt worden ist. Wir haben auch einen zu geringen Anfangskredit der EZU bekommen: 320 Millionen Dollar. Darüber sind ja auch von Seiten der Bundesregierung in den letzten Tagen Aufschlüsse gegeben worden. Nach wie vor fordert man von uns eine zu hohe Kohlenexportquote, und man enthält uns ja auch die Gegenwerte, die unsere Zahlungsbilanz in wohltätigster Weise hätten beeinflussen können, nämlich die deutschen Auslandsguthaben, bis heute vor.
Auch auf deutscher Seite sind Fehler gemacht worden. Wesentliche Ursachen unserer heutigen Situation sind zweifellos die Aufrechterhaltung wesentlicher Reste von Zwangsbewirtschaftung, vor allem auch im Althausbesitz, der einen unentbehrlichen und bedeutenden Motor und Faktor im Wirtschaftsleben darstellt und bedeutet, und die Teilung der deutschen Wirtschaft in zwei selbständige, sich gegenüberstehende Sektoren, in preisfreie und preisgestoppte Wirtschaftsgebiete. Es ist unmöglich, daß in einer Wirtschaft auf die Dauer einander entgegengesetzte Systeme aufrechterhalten werden können.
Wie schädlich das war, hat sich bei der stürmisch einsetzenden Hausse der Weltmarktpreise erwiesen, der gegenüber die deutsche Wirtschaft durch die Liberalisierung ungeschützt dastand. Die Folge war beispielsweise in der Getreidewirtschaft der spontane Durchbruch der Getreidepreise in der Richtung zu den Weltmarktpreisen.
Weiterhin war die deutsche Wirtschaftspolitik in einer zu weitgehenden Weise auf die auswärtigen Gelder eingestellt. Diese stehen uns in der bisherigen Weise nicht mehr zur Verfügung, sei es, daß sich die amerikanische Politik wegen der Inanspruchnahme ihrer eigenen Mittel durch die Aufrüstung oder aber infolge des politischen und psychologischen Widerstandes der amerikanischen Steuerzahler nicht mehr in der Lage sieht, die Zuwendungen in dem bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten, sei es, daß sie nicht mehr will, zornig enttäuscht darüber, daß der Deutsche nicht freiwillig als Jagdhund auf die Jagd gehen, sondern sich höchstens auf die Jagd tragen lassen will. Auch das Schwanken der deutschen Wirtschaftspolitik, ob der Schwerpunkt und das Schwergewicht auf die Verbrauchsgüterindustrie und -erzeugung oder auf die Produktionsgüter-Erzeugung gelegt werden soll, hat die Beständigkeit, Festigkeit und Zielsicherheit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen beeinträchtigt.
Vor allem aber ist für unsere heutige. Situation die zu weit gegangene deutsche gutmütige Geneigtheit zur Liberalisierung verantwortlich zu machen. Noch auf der Ratstagung der OEEC am
({2})
26. Oktober 1950 in Paris hat der deutsche Vertreter zwar auf den Widerspruch der alliierten Politik hingewiesen, der darin liege, daß sie einerseits von uns Investitionsprogramme und eine expansive Kreditpolitik fordere, damit wir die Arbeitslosen in Arbeit bringen, und daß wir andererseits durch restriktive Kreditmaßnahmen die davon ausgehenden Rückwirkungen auf die Zahlungsbilanz beschränken sollten. Aber er hat gleichzeitig hinzugefügt: Wir sind bereit, aus innerster Überzeugung an der heute vor uns stehenden Aufgabe der Erhöhung der Liberalisierung bis auf 75 % mitzuarbeiten. Diese Erklärung ist noch in einem Zeitpunkt erfolgt, in dem die katastrophale Abwärtsentwicklung der deutschen Zahlungsbilanz bereits in Erscheinung getreten war.
Außerdem darf ich noch auf die Unausgeglichenheit der Maßnahmen in der Regulierung der Einfuhren hinweisen. Die Bank deutscher Länder hat bekanntlich schon einmal, nämlich im Herbst 1949, Bardepots zur vollen Deckung der beantragten Einfuhrbewilligungen eingeführt. Sie ist dann davon abgekommen, weil schließlich ein Betrag von nicht weniger als einer Milliarde in diesen Bardepots bei dem Zentralbanksystem unproduktiv gebunden, sozusagen sterilisiert war. Gleichwohl hat sie in neuerer Zeit, als die Bedrohung der Entwicklung der Zahlungsbilanz sichtbar wurde, auf dieses mechanische Mittel der Bardepots zurückgegriffen. Sie hat sich dann allerdings mit 50 % begnügt und diese 50 % später auf 25 % ermäßigt. Das sind zweifellos Schwankungen, die wir schwer verstanden haben.
Vor allem aber ist eine gewisse Zweigleisigkeit in der Wirtschaftspolitik zu bemerken gewesen. Die Bank deutscher Länder hat oft andere Auffassungen vertreten als die Bundesregierung, und innerhalb der Bundesregierung bestanden nicht selten wesentliche Verschiedenheiten zwischen den Auffassungen der Politik des Wirtschafts-, des Land-wirtschafts- und des Finanzministers. Die drei waren, statt eine heilige Dreieinigkeit zu bilden, gar manchmal eine unheilige Dreifaltigkeit. Das war tief bedauerlich, weil dadurch die Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Maßnahmen gehemmt war.
Wir möchten von unserem Standpunkt aus fordern, daß in Zukunft versucht wird, die Zweiteilung der deutschen Wirtschaft, die von mir erwähnt worden ist, abzubauen. Wir wollen vor allem auch die Beseitigung der Gegensätze in den Grundauffassungen der Politik der beteiligten verantwortlichen Stellen im Schoße der Bundesregierung. Es wird die Aufgabe sein, den schmalen Grat zwischen der Inflation und der Deflation einzuhalten. Der Inflationsdruck lastet seit Jahrzehnten auf den modernen Wirtschaften; er ist permanent geworden. Die Inflation - es besteht eine größere Gefahr, daß Inflation, als daß Deflation eintritt - ist immer wieder das Mittel der Enteignung gerade der kleinen Leute, und sie ist eine Schrittmacherin der Gesinnung zum Kollektivismus, in dem man sich bergen und sichern will vor der Gefahr einer inflatorischen Entwicklung. Die Deflation andererseits ist die Ursache einer weitgehenden Arbeitslosigkeit. Es wird also das Kunststück zu machen sein, daß die Wirtschaftspolitik zwischen diesen beiden Extremen hindurchkommt.
Die Inflation wird auch, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister ausgeführt hat, durch Abschöpfung eines etwaigen Überhanges der Kaufkraft zu vermeiden sein. Ein solcher Überhang besteht aber nicht dort, wo die kleinen Leute bereits heute den Riemen enger schnallen müssen, sondern er besteht in anderen Schichten und anderen Kreisen. Den Überhang einer Kaufkraft kann man abschöpfen entweder durch Steuern - das ist das für den Bürger unsympathischste, bei einem zu scharfen Steuerdruck aber auch das fragwürdigste Mittel - oder durch Erhöhung der Preise, d. h. vor allem durch Angleichung der Preise an den Weltmarkt, und drittens durch echtes Sparen. Echtes Sparen bedeutet Konsumverzicht, bedeutet Verlangsamung des Umlaufs des Geldes. Heute stehen wir einer rasant verstärkten und erhöhten Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes gegenüber, einer geradezu überstürzten Hast der Flucht in den Konsum und in die Sachwerte.
Wenn nun der Herr Bundesfinanzminister die Hoffnung hat, daß durch die Beseitigung der Steuerbegünstigung der nicht entnommenen Gewinne die zur Selbstfinanzierung benutzten Mittel - Kapitalerträge - frei würden und damit für den Wiederaufbau dem Kapitalmarkt zur Verfügung stünden, so befürchte ich, daß eine solche Hoffnung unter den heutigen Umständen vage ist. Denn es handelt sich ja nicht nur darum, diese Mittel freizusetzen, sondern auch darum, diese Mittel auf den Kapitalmarkt zu lenken. Die Voraussetzung bildet aber das Vertrauen. Es ist eine materialistische Wirtschaftsauffassung, zu glauben, daß Wirtschaft nur Erzeugung und Verbrauch, nur Zins, Kredit und Kapital, Technik und Organisation sei. Wirtschaft ist nicht zuletzt Vertrauen. Ihr Element, ihre Grundlage ist also psychologischer Natur. Dieses Vertrauen ist in einer wesentlichen Weise durch die weltpolitischen Vorgänge, aber auch durch die Unterlassung einer angemessenen Aufwertung der Altsparguthaben erschüttert. Wir haben es gerade vom Standpunkt nicht des Lastenausgleichs, sondern der Wiederherstellung des Kapitalmarktes außerordentlich bedauert, daß die Bundesregierung und die Bank deutscher Länder sich nicht dazu entschließen konnten, eine rechtzeitige angemessene Lösung des Altsparerproblems und der Aufwertung der Altsparerguthaben ins Auge zu fassen. Ich bin der Meinung, daß es kaum möglich sein wird, mit Hilfe der sogenannten Sparmarken die Wirkung eines echten und umfassenderen Sparens zu erzielen. Sparmarken stellen auf den Gebieten, wo sie eingeführt werden, lediglich ein sogenanntes fakultatives Zwangssparen dar. Dieses Zwangssparen wird die Folge haben, daß auf den betroffenen Wirtschaftsgebieten Einschränkungen der Produktion stattfinden.
({3})
Diese Anschraubung des Inlandsmarktes, wie der Herr Bundeswirtschaftsminister sich vor dem Nürnberger Bund ausgedrückt hat, halte ich für höchst zweifelhaft. Wichtig ist, daß die Einfuhren neu reguliert werden.
({4})
Herr Abgeordneter Dr. Etzel, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Wir wollen weiterhin, daß bei der künftigen Regelung das Geld- und Währungswesen entpolitisiert wird und daß die Unabhängigkeit der Zentralbank gewährleistet wird. Vor allem aber wünschen wir auch eine stärkere Berücksichtigung der mittelständischen
({0})
Wirtschaft bei der Kohlen-, Rohstoff- und Kreditversorgung. Wir wünschen eine besondere Rücksichtnahme auf die bestehende Verkehrsferne der rohstoff- und revierarmen Länder und eine Berücksichtigung des Gefälles, das zwischen den einzelnen Ländern im Bundesgebiet besteht.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister - und damit komme ich zum Schluß - hat ein etwa 13 Punkte umfassendes Programm angekündigt. Es schien so, ob er Grundsätze, die er früher angebetet hat, heute verbrennen wollte. Ich bin nicht dieser Auffassung. Er hat selbst betont, daß er an dem Grundsatz einer aktiven Wirtschaftpolitik und an dem Grundgedanken der sozialen Marktwirtschaft festhalte. Wir haben das begrüßt. Aber wir sind der Auffassung, daß eine echte Sanierung der Wirtschaft Deutschlands nur möglich ist, wenn die deutsche Politik es zustande bringt, den ihr seitens der Besatzungsmächte auferlegten und noch zugedachten ungeheuren Belastungen erfolgreich entgegenzuwirken.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Günther.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Heren! Meine Kollegen aus dem Handwerkerstand und meine Kollegen, die dem Handwerkerstand nahestehen, bedauern es, daß der Haushaltsausschuß keine Mittel eingesetzt hat, um das Handwerksreferat anders herauszustellen und aus dem Referat eine Abteilung zu machen. Wir bedauern das um so mehr, als der Herr Bundeswirtschaftsminister uns eine entsprechende Zusage gegeben und das Anliegen auch unterstützt hat, aber
die Vertreter des Ministeriums sich gegen eine Änderung des Handwerksreferats im Bundeswirtschaftministerium ausgesprochen haben, wie aus dem mündlichen Bericht zu entnehmen ist. Weil ich weiß, daß wir heute in dem Haushaltsplan 1950/51 sowieso keine Änderungen vornehmen können, möchte ich an den Herrn Bundeswirtschaftsminister die Bitte richten, auch ohne haushaltsmäßige Mittel - denn die Mehrkosten fallen nicht ins Gewicht - und ohne Inanspruchnahme des Haushaltsausschusses dieses Handwerksreferat als Abteilung herauszustellen. Sollte das nicht möglich sein, möchte ich an die einzelnen Fraktionen die Bitte richten, sich bei der Behandlung des Haushaltsplans 1951/52 wärmstens dafür einzusetzen, daß den berechtigten Wünschen des Handwerks Rechnung getragen wird.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Aussprache schließen.
Ich mache auf folgendes aufmerksam: Bei der Abstimmung handelt es sich um die Ziffern 7a, 7b und 7c der Tagesordnung, also um den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums, den mündlichen Bericht mit dem Beschlußentwurf des Haushaltsausschusses betreffend Staatssekretariat für Handwerk und den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses betreffend Vergebung der Aufträge des Bundes.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums. Dazu liegen zwei Abänderungsanträge vor, einmal der Abänderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 100 und weiter ein während der Beratungen gestellter Antrag der Fraktion der SPD, der das Ziel hat, das Amtsgehalt des Bundesministers für Wirtschaft zu streichen. Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 100 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erstere war die Mehrheit; damit ist der Abänderungsantrag angenommen.
Wir haben weiter über den Antrag der Fraktion der SPD abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({0})
- Ich begreife nicht ganz, warum soviel Unruhe entsteht; wir sind doch in der Abstimmung.
({1})
- Wozu wollen Sie das Wort?
({2}) an den Haushaltsausschuß zurückzuverweisen!)
- Der Antrag ist ja noch gar nicht zur Abstimmung gestellt; ich stelle ihn nachher zur Abstimmung. Sie beantragen also die Zurückverweisung dieses Antrags. Ich nehme das zur Kenntnis und werde darüber abstimmen lassen, wenn wir an diesem Punkt sind.
Wir haben zunächst über Drucksache Nr. 1910 und den darin enthaltenen Beschlußentwurf des Ausschusses abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Ausschußantrag ist angenommen. Damit ist der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums in zweiter Lesung verabschiedet.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 2039. Hierzu hat Herr Dr. Bertram die Zurückverweisung beantragt.
({3})
- Ja, wir sind in der Abstimmung.
({4})
- Herr Dr. Bertram hat vorhin erklärt, daß er Zurückverweisung beantragt. Ich habe das zur Kenntnis genommen. Der Antrag ist ordnungsmäßig gestellt, und es muß darüber abgestimmt werden. Aber ich kann nicht mehr das Wort zur Begründung geben.
({5})
- Das ist nicht mehr möglich. Das war vorhin in der Debatte möglich. Ich kann jetzt nur abstimmen lassen.
Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Zurückverweisung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag auf Zurückverweisung ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über den Antrag auf Drucksache Nr. 2039 ab. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag des Ausschusses sind, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
({6})
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2040. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 8 -der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({7}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Grundstücksverkehr ({8}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Keuning.
Keuning ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der lebhaften Debatte, die alle Gegensätze aufgezeigt hat, die überhaupt in diesem Hause vorhanden sind, habe ich nun einen Antrag zu begründen, der das hier und dort noch Gemeinsame in diesem Hause anspricht. Die Drucksache Nr. 127, die den Antrag der FDP betreffend Grundstücksverkehr enthält, wurde am 10. November 1949 dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend und dem Ausschuß für Bau- und Bodenrecht zur Mitbearbeitung überwiesen. Bereits in der ersten Beratung im Ausschuß stellte sich heraus, daß bei der Ordnung der Materie ungeheure Schwierigkeiten auftreten würden. Der Ausschuß selber trat nicht in eine materielle Behandlung des Themas ein. Es wurden vielmehr Referentenbesprechungen in den betreffenden Ministerien angeregt. Diese Referentenbesprechungen fanden statt. In einem langen Zeitraum wurden die in den verschiedenen Ländern gültigen Gesetze zusammengetragen. Ende vorigen Jahres legte das Justizministerium eine Zusammenstellung der heute noch gültigen Beschränkungen im Grundstücksverkehr vor, und zwar nach dem Stand vom 1. Oktober 1950, eine sehr umfangreiche Darstellung. Nach den Äußerungen des Vertreters des Bundesjustizministeriums ist die Meinung vorherrschend, momentan sei eine einheitliche Regelung der hier angesprochenen Materie nicht möglich. Jede einzelne Verordnung, jeder einzelne Erlaß ist nur im Zusammenhang mit dem Gesetz zu sehen, und es ist anzustreben, daß die Zuständigkeiten auf möglichst schnellem Wege wenigstens vereinheitlicht werden.
In dem Bericht werden zehn große Sachgebiete aufgezeigt, die sich mit dem Grundstücksverkehr beschäftigen. Als Beispiel möchte ich die Vorschriften über das städtische Siedlungs- und Wohnungswesen herausheben. Neben dem Kontrollratsgesetz Nr. 45, das sich allgemein mit dem Grundstücksverkehr beschäftigt, sind auf diesem Gebiet heute noch gültig das Wohnsiedlungsgesetz vom Jahre 1933, das Reichsheimstättengesetz vom 19. Mai 1920 und das Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungswesens vom 5. September 1949. Außerdem wurde in neun Bundesländern nach 1945 das Vorkaufsrecht der Gemeinden in entsprechenden Gesetzen nochmals geregelt. Ich glaube, dieses kleine Beispiel zeigt schon, welche Fülle von Vorschriften hier besteht, so daß eine einheitliche Regelung nur sehr schwer möglich ist.
Die antragsteilende Fraktion erklärte, mit der Zusammenstellung des Bundesjustizministeriums ihr Antragsziel im wesentlichen als erreicht anzusehen. Somit kam im Ausschuß ein einstimmiger
Beschluß zustande, der in Drucksache Nr. 1991 niedergelegt ist. Der mitbeschäftigte Ausschuß für Bau- und Bodenrecht schloß sich diesem einstimmigen Beschluß ebenfalls einstimmig an und forderte in Abs. 2 der Drucksache Nr. 1991, die Bundesregierung möge dem Bundestag über das Veranlaßte in gewissen Abständen Bericht erstatten. Ich habe im Auftrag des Ausschusses zu bitten, dem vorliegenden Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, für die nachfolgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Der Antrag, über den der Ausschuß jetzt beschlossen hat, stammt aus dem Herbst 1949. Es fällt mir aber nicht ein, deshalb den Ausschußmitgliedern vorzuwerfen, sie hätten ihrerseits absichtlich die Arbeit daran verschleppt. Der Antrag verfolgt den Zweck: einmal soll das Material gesichtet werden, das sich auf die Genehmigungen im Grundstückswesen, bei Grundstücksverkäufen, -verpachtungen usw. bezieht, und anschließend sollen die Konsequenzen gezogen werden, die zu ziehen notwendig ist, um die Dinge zu regeln.
Ich will Ihnen einmal an einem Beispiel, wie es jeder Notar und jedes Grundbuchamt täglich ein paar Mal erlebt, schildern, wie die Dinge in Wirklichkeit verlaufen. Nehmen Sie an, in einer kleinen Stadt hat ein Landwirt ein Anwesen. Er will einen Bauplatz, ein Stück Land oder einen Garten dazu an eines seiner Kinder übergeben. Das vollzieht sich folgendermaßen: Wenn er den Vertrag glücklich gemacht hat, dann muß dieser Vertrag, wenn in der betreffenden Gemeinde das Wohnsiedlungsgesetz von 1933 gilt, erst dem Landrat zur Genehmigung vorgelegt werden. Wenn die Genehmigung erteilt ist, bekommt er sie nicht gleich ausgehändigt, sondern er erhält zunächst einen Brief, worin er aufgefordert wird, soundso viel Gebühren zu bezahlen. Wenn er die Gebühren bezahlt hat, wird ihm die Genehmigung ausgehändigt. Dann geht die Geschichte an die Preisstoppbehörde weiter, obwohl - weil Schenkung - kein Preisstopp in Frage kommen kann. Beim Kauf ginge sie mit Recht dahin. Die Preisstoppbehörde arbeitet einige Wochen daran. Oft sind die Preisstoppbehörden mit Leuten besetzt, die von der Gegend keine Ahnung haben und gar nicht wissen, wie die Preise in der Vergangenheit dort gewesen sind. Es gibt dann die größten Komplikationen.
Eine weitere Genehmigung, die nötig ist: Nehmen Sie an, der Betreffende, der das Anwesen oder das Grundstück seinem Sohn übergibt, hat sich vor fünfzehn Jahren mal in Entschuldungsverfahren befunden. Dann muß das Entschuldungsamt noch seinen Segen dazu geben. Das dauert wieder drei oder vier Wochen. Außerdem muß er nach einem Gesetzgebungswerk, das seinen Ursprung in der Nazizeit hat, nämlich nach dem verbesserten Erb-hofrecht, das an sich offiziell aufgehoben, aber durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 meiner Ansicht nach noch verschlimmert ist - verschlimmert im Sinne der vice-versa-Betreuung der Nazimethoden -, nun die Genehmigung entweder des Kreislandwirts oder des Bauerngerichts einholen. Sie werden sagen, es ist sehr gut, daß die Bauern dabei noch mitsprechen. Ich will Ihnen sagen, daß in dem Gesetz steht, man könne von vornherein
4832 Deutscher Bundestag - Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. März 1951
({0})
darauf verzichten, daß das Bauerngericht die Bauern als Beisitzer überhaupt herholt; der Vorsitzende kann dann allein entscheiden, und das, was der angebliche Vorzug dieses Bauerngerichts sein soll, ist ins Gegenteil verkehrt. Im übrigen: Warum muß überhaupt ein Mensch den anderen in Deutschland betreuen? Es ist seit der Nazizeit Mode geworden, daß eine Hälfte des deutschen Volkes immer die andere Hälfte betreuen muß.
Kommen nun, wie der Herr Berichterstatter erwähnte, noch die landesgesetzlichen Aufbaugesetze hinzu und die landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen zum Kontrollratsgesetz Nr. 45, dann müssen noch alle möglichen sonstigen Genehmigungen eingeholt werden. Z. B. muß der Verzicht auf das Vorkaufsrecht der Gemeinde eingeholt werden, wenn schon ein sogenannter Baugebietsplan, also ein erweiterter Fluchtlinienplan in der Gemeinde besteht. Bitte, rechnen Sie sich jetzt einmal zusammen, wieviel Zeit bei Innehaltung dieser Fristen vergeht, bis alle diese Genehmigungen erteilt sind. Es sind Zeiträume von zwischen drei bis acht Monaten, was Ihnen jeder Notar und jedes Grundbuchamt bestätigen kann.
Und nun - das wird den Herrn Wohnungsbauminister interessieren - ist die Frage zu stellen: Müssen diese Genehmigungen alle sein, müssen all diese Verzögerungen sein, bis der Betreffende zu seinem Bauplatz kommt, und müssen bei der Geschichte all diese überflüssigen Gebühren entstehen, oder lassen sich die Dinge nicht einfacher machen?
Ziel meines Antrags war, gerade im Hinblick auf die Bauplatzbeschaffung, aber auch sonst zur Entlastung des Grundbuchverkehrs einmal. eine Sichtung des gesetzgeberischen Materials herbeizuführen. Das Ganze ist ein großer Wirrwarr von Paragraphen. Wenn Paragraphen glücklich machen könnten, meine Damen und Herren. dann müßte auf diesem Gebiet des Grundstücksverkehrs Deutschland das glücklichste Land der Welt sein. Die Wirklichkeit aber hat gezeigt, daß Monat um Monat vergeht, bis ein Eigentümer nur als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden kann. Das Ganze ist ein Irrgarten von gesetzlichen Vorschriften. Wenn ein Irrgarten verwachsen und verwildert ist, muß man ihn herunterbrennen, und wenn dann Platz geschaffen ist, muß etwas Gescheites, Neues, Übersichtliches, Einfaches und Klares darauf erstellt werden.
Das war das Ziel meines Antrages. Meine Worte sollten nur einmal die Aufmerksamkeit all derjenigen Stellen, die mit der Durchführung zu tun haben, insbesondere die des Justizministeriums und Wohnungsbauministeriums, auf diese vielen Überflüssigkeiten und auf die Notwendigkeit lenken, hier Ordnung zu schaffen und diese Dinge zu beseitigen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Zentrum begrüßt den Antrag der FDP. Die Zahl der Beispiele, die Herr Dr. Becker soeben genannt hat, ließe sich noch um ein Erkleckliches ergänzen. Ich kenne aus meiner eigenen Praxis Fälle, deren Abwicklung von Dezember bis Juni gedauert hat. Dabei war das städtischer Besitz. Man muß sich aber einmal überlegen, welche Verluste den Leuten dadurch entstehen, und daran denken, daß auch der sehr mangelhafte Wiederaufbau der Stadtkerne zum Teil darauf zurückzuführen ist, daß solche behördlichen Hemmungen bestehen.
Damit komme ich auf einen wesentlichen Punkt, der mir in dieser Formulierung unklar erscheint; er bedarf der Interpretation. Es heißt hier: „Maßnahmen zu treffen, um die zahlreichen Beschränkungen und ebenfalls das Genehmigungswesen usw. zu beseitigen". Beschränkungen! Es erhebt sich die Frage: sind damit nur Beschränkungen bezüglich des Eigentumswechsels gemeint oder auch Beschränkungen bezüglich des Eigentumsgebrauches? Ich möchte vor allem auf das Letztere hinweisen. Es ist erforderlich, daß auch das in eine einheitliche Norm gebracht wird. Ich erinnere bloß an den - inzwischen muß man schon sagen - groben Unfug der ewigen Bausperren. Sechs Jahre nach dem Kriege sind die Stadtplanungen noch nicht fertig geworden, ganze Stadtviertel können dadurch nicht wieder aufgebaut werden, abgesehen von den Verlusten, die die Eigentümer dabei haben. Es steht zu befürchten, daß auf diese Art und Weise die Leute stillschweigend bankrott werden und die Städte sich das so gewonnene Eigentum einverleiben.
Manche Gemeinden benutzen diese Genehmigungsmöglichkeit auch zur Erlangung privater Vorteile. Es sind Fälle vorgekommen, daß eine Stadtgemeinde eine Erledigung verweigert hat, weil sie selber das Grundstück kaufen wollte, obwohl nichts anderes vorlag. Ich bin der Ansicht, daß die Wohnsiedlungsgenehmigung im großen und ganzen gar nicht einmal notwendig ist, denn es ist vollständig gleichgültig, wer Eigentümer eines unter das Wohnsiedlungsgesetz fallenden Grundstückes ist.
Eine einfache Maßnahme, um eine Beschleunigung zu erzielen, ist die, von der Präklusivfrist Gebrauch zu machen, und ich möchte vorschlagen, das in der Beratung zu prüfen. Es ist eine sehr einfache Sache, wenn in dem Gesetz drinsteht: Ist die Genehmigung bis da und da hin nicht erfolgt, gilt sie als erteilt. Auf diese Art und Weise kann man den Behörden etwas Beine machen, und das scheint wirklich notwendig zu sein. Bei einer Überprüfung der Beschränkungen könnte man auch einmal dem noch aus der Nazizeit stammenden Grundgedanken zu Leibe rücken. Ich erinnere nur daran, daß in einem Paragraphen des Wohnsiedlungsgesetzes - ich glaube, es ist § 12 - noch die unentgeltliche Enteignung vorgesehen ist, die gegen unser heutiges Grundgesetz verstößt.
Bei dieser Gelegenheit muß ich noch auf einen Übelstand hinweisen, da hier einmal Gelegenheit ist, das zu sagen. Der Umstand, daß die Gemeinden nach demokratischer Selbstverwaltungsform regiert werden, schützt nicht gegen Übergriffe, insbesondere nicht gegen Ungerechtigkeiten, da auch eine demokratische Mehrheit sich erfahrungsgemäß oft ungerecht gebärdet. Manche Gemeinden benutzen die ihnen zustehenden Möglichkeiten im Sinne einer Bedrückung ihrer Bürger, die nicht mehr in die Zeit paßt. Sie benutzen vielfach die Möglichkeit von Bauverboten einzig und allein zu dem Zweck, die Leute mürbe und zum Verkauf willig zu machen. Ich kann Ihnen aus Westfalen eine Reihe von Städten nennen, die ihre Bauplanung lediglich deswegen nicht zu Ende bringen, weil die Baubehörden ganz einfach bestimmte Absichten mit den Grundstücken haben und die Leute erst bankrott gemacht werden müssen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag Drucksache Nr. 1991 zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Es ist mir der Vorschlag gemacht worden, im Hinblick auf die vorgerückte Zeit mit dem soeben erledigten Punkt der Tagesordnung die heutige Sitzung zu schließen und die noch ausstehenden Punkte auf die morgige Tagesordnung zu setzen. - Da sich kein Widerspruch erhebt, glaube ich annehmen zu dürfen, daß das Haus zustimmt. Ich darf dann aber bitten, die Drucksachen, die für die zurückgestellten Punkte in Frage kommen, morgen wieder mitzubringen,
da eine neue Verteilung nicht möglich ist.
Ich bin ferner gebeten worden, darauf aufmerksam zu machen, daß die Drucksachen zu den Punkten 3, 4 und 5 der heutigen Tagesordnung, d. h. die
Drucksachen Nrn. 2030, 2037 und 2038, zu der Sitzung am Freitag wieder mitgebracht werden müssen.
Weiter bin ich gebeten worden, noch folgendes bekanntzugeben. Diejenigen Damen und Herren, die sich in den Fraktionen in die Mitgliederliste der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft eingetragen haben, und diejenigen Abgeordneten, die Interesse an dieser Gesellschaft nehmen, möchten unmittelbar nach Schluß dieser Plenarsitzung zur Konstituierung der Gesellschaft im Bundesratssaal zusammenkommen.
Damit ist unsere Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die nächste, die 127. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 15. März, 13 Uhr 30 ein.
Die 126. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.