Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 124. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub für zwei Tage den Abgeordneten Wagner, Nickl, Hilbert und Rümmele erteilt. Entschuldigt fehlt der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Entsprechend der Übung des Hauses werden die übrigen amtlichen Mitteilungen ohne Verlesung ins stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung am 2. März 1951 beschlossen hat, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden;
Gesetz über die Aufhebung des § 29 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände;
Gesetz über die Vermittlung der Annahme an Kindes Statt;
Gesetz über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung;
Anleihegesetz von 1950;
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer
des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes;
Gesetz über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen;
Gesetz zur Sammlung von Nachrichten über
Kriegsgefangene, festgehaltene oder verschleppte Zivilpersonen und Vermißte.
Er hat weiter mitgeteilt, daß er in der Sitzung am 2. März 1951 beschlossen hat, gegen das Gesetz über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen einen Einspruch nicht einzulegen, wenn bis zum Ablauf der Einspruchsfrist in Nr. 4 der Drucksache Nr. 1973 der Satz 3 des § 5 Abs. 1 gestrichen wird und der Bundestag dieser Berichtigung beitritt. Das Schreiben des Präsidenten des Deutschen Bundesrates wird als Drucksache Nr. 2010 verteilt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 3. März 1951 die Anfrage Nr. 155 der Fraktion des Zentrums betreffend Gewerkschaft Elwerath - Drucksache Nr. 1809 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2009 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 6. März 1951 die Anfrage Nr. 162 der Abgeordneten Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Vergünstigung für die im Ring der politischen Jugend zusammengeschlossenen parteilichen Jugendgruppen - Drucksache Nr. 1943 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2012 vervielfältigt.
Ich bitte Sie, davon Kenntnis zu nehmen und damit einverstanden zu sein, daß gemäß einer interfraktionellen Vereinbarung der Punkt 4 der Tagesordnung: zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtstellung der in den ersten Deutschen Bundestag gewählten Angehörigen des öffentlichen Dienstes - Nrn. 720, 1153 der Drucksachen -, heute abgesetzt wird.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({0}) über den Entwurf eines Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen ({1}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Oellers. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Oellers ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in seiner 122. Plenarsitzung am 1. März 1951 den Antrag des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes betreffend den Entwurf eines Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen entsprechend der Drucksache Nr. 1973 angenommen. Dem Vermittlungsausschuß ist aber bedauerlicherweise bei der Redaktion dieses Antrags ein Versehen unterlaufen, indem eine Bestimmung stehengeblieben ist, die eigentlich nicht mehr hätte bestehen bleiben dürfen.
Es handelt sich um folgendes: Als wir das in Rede stehende Gesetz in der 107. Plenarsitzung vom 14. 12. 1950 verabschiedeten, belasteten wir im Gesetz die Länder mit den Ausgleichsforderungen, die die Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen zur Durchführung der Rentenzahlungen benötigen. Dagegen hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat Ihnen dann vorgeschlagen, statt dessen die Haftung des Bundes für die Ausgleichsforderungen zu statuieren. Das Hohe Haus ist diesem Antrag auch gefolgt, aber leider ist in dem Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses in der Drucksache Nr. 1973 zu Ziffer 4 bei der Behandlung des § 5 Abs. 1 der letzte Satz stehen geblieben. In diesem Satz heißt es:
Auf die Rentenausgleichsforderungen sind §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 1 der Dreiundzwanzigsten Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz sinngemäß anzuwenden.
({3})
Diese Bestimmungen haben aber nur einen Sinn für die Länderausgleichsforderungen gemäß der seinerzeitigen Währungsreform, haben aber natürlich auf die vom Bund auszugebenden Ausgleichsforderungen keine Beziehung. Dementsprechend hat auch der . Bundesrat, wie aus der Drucksache Nr. 2010 ersichtlich ist, Einspruch angekündigt, falls dieses Versehen nicht rektifiziert wird.
Meine Berichterstattung gilt also der Richtigstellung dieses Versehens. Der Vermittlungsausschuß hat sich mit der Frage befaßt und schlägt Ihnen vor, folgenden Antrag anzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der vom Bundestag in seiner 122. Sitzung vom
1. März 1951 gefaßte Beschluß betreffend
Entwurf eines Gesetzes über Leistungen aus
vor der Währungsreform eingegangenen
Renten- und Pensionsversicherungen Nr. 1973 der Drucksachen wird dahin berichtigt:
In Nr. 4 wird Satz 3 des § 5 Absatz 1 gestrichen. Damit würde auch der angekündigte Einspruch des Bundesrats seiner eigenen Darlegung nach hinfällig werden. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrage des Vermittlungsausschusses zu entsprechen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Meine Damen und Herren! Dieser Vorgang ist erstmalig im Bundestag. Wir haben aber gemeint, daß es nicht zweckmäßig sei, ein solch offenbares Versehen so zu berichtigen, wie wir es sonst mit Druckfehlern getan haben. Ich glaube, daß das Verfahren, das vom Vermittlungsausschuß vorgeschlagen wird, nämlich in einem weiteren Beschluß auf Antrag des Vermittlungsausschusses diese Berichtigung vorzunehmen, das gebotene Verfahren ist. Ich nehme an, daß Erklärungen zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses nicht abgegeben werden sollen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 2011, in Ziffer 4 des Beschlusses des Bundestages vom 1. März 1951 den Satz 3 des § 5 Abs. 1 zu streichen. Der Satz hat den Wortlaut:
Auf die Rentenausgleichsforderungen sind §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 1 der Dreiundzwanzigsten Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz sinngemäß anzuwenden.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Es ging mir eben eine Wortmeldung zu Punkt 3 der Tagesordnung zu. Wir haben uns im Ältestenrat darüber verständigt, daß Wortmeldungen grundsätzlich erst angenommen werden, wenn der betreffende Punkt der Tagesordnung aufgerufen wird, weil wir nicht Gefahr laufen wollen, daß an Sitzungstagen schon nachts um 12 Uhr Wortmeldungen eingehen.
({0})
Ich bitte freundlichst, sich an diese Abrede zu halten.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes ({1}).
Darf ich annehmen, daß der Deutsche Bundesrat sich auf die schriftliche Begründung bezieht? -Das ist der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Überweisung an den Ausschuß ohne Aussprache vorzunehmen. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. ({2})
- Das Haus ist damit einverstanden - bis auf den Herrn Staatssekretär des Bundesjustizministeriums. Der Herr Staatssekretär schlägt vor, den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend sein zu lassen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu beteiligen. Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Herr Abgeordneter Naegel ist anderer Meinung?
({3})
- Also, meine Damen und Herren, bei diesem „Konflikt" muß ich abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend ist, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist entsprechend erfolgt. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist beteiligt. Ich hoffe, daß das keine sachliche Schwierigkeit haben wird.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene ({5}) ({6}).
({7})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Pfender. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Besprechungszeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. - Bitte, Herr Abgeordneter, wollen Sie freundlichst das Wort nehmen.
Pfender ({8}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Auf Grund einer Verordnung der Bundesregierung sollten im Jahre 1950 aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein insgesamt 300 000 Heimatvertriebene im wesentlichen in die Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Baden, Rheinland-Pfalz und WürttembergHohenzollern umgesiedelt werden. Bis Jahresende waren rund 250 000 umgesiedelt. Das Bundesministerium für Vertriebene hofft, den Rest von 50 000 bis zum 1. Mai dieses Jahres zur Umsiedlung zu bringen. Die hierzu notwendigen Wohnungsbauten sind in den Aufnahmeländern in Angriff genommen und dürften bis zu diesem Zeitpunkt bezugsfertig sein.
Der Bundestag hat sich im letzten Jahre wiederholt mit der Frage der Umsiedlung der Heimatvertriebenen beschäftigt. Er hat im Sommer letzten Jahres den Beschluß gefaßt, daß außer den 300 000 für das Jahr 1950 vorgesehenen Umzusiedelnden weitere 600 000 Heimatvertriebene aus
({9})
den bereits genannten Abgabeländern umgesiedelt werden sollen. Dem Ausschuß für Vertriebene lag der vom Plenum des Bundestags überwiesene Initiativgesetzentwurf Drucksache Nr. 1618 als federführendem Ausschuß zur Beratung vor. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung haben sich ebenfalls mit diesem Initiativgesetzentwurf beschäftigt. Bei den Beratungen konnte ein vom Bundesministerium für Vertriebene ausgearbeiteter Entwurf einer Verordnung zur Umsiedlung mit als Arbeitsunterlage benützt werden.
Der SPD-Entwurf sah vor, daß im Jahre 1951 insgesamt 300 000 Heimatvertriebene umzusiedeln sind, und zwar aus Schleswig-Holstein 150 000, aus Niedersachsen 100 000 und aus Bayern 50 000. Der Ausschuß hielt es für zweckmäßig, vorzuschlagen, daß aus Niedersachsen anstatt 100 000 nur 85 000 und aus Bayern anstatt 50 000 65 000 umzusiedeln sind. Gleichzeitig wurde es für zweckmäßig erachtet, daß vorerst, und zwar bis zum 30. September 1951, nur 200 000 umzusiedeln sind: aus Schleswig-Holstein 100 000, aus Niedersachsen 60 000 und aus Bayern 40 000. Die Umsiedlung der restlichen 100 000 soll in der Zeit nach dem 1. September erfolgen; die Bundesregierung soll ermächtigt werden, diese Umsiedlung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats nach den Grundsätzen dieses Gesetzes zu regeln.
Die vorerst umzusiedelnden 200 000 werden wie folgt auf die Länder aufgeteilt: Baden 16 000, Bremen 2000, Hamburg 5000, Hessen 5000, Nordrhein-Westfalen 115 000, Rheinland-Pfalz 18 000, Württemberg-Baden 25 000 und WürttembergHohenzollern 14 000. Die Länder Bremen und Hamburg können die Aufnahme der ihnen zugeteilten Umzusiedelnden bevorzugt im Wege der Familienumsiedlung durchführen. Die Aufteilung dieser 200 000 auf die übrigen Länder erfolgte im wesentlichen nach einem Gutachten des Instituts für Raumforschung.
Die Umsiedlung der Heimatvertriebenen hat unter Berücksichtigung ihrer soziologischen und berufsmäßigen Struktur zu erfolgen. Hierbei ist auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Aufnahmeländer nach Möglichkeit Rücksicht zu nehmen. Die Umsiedlung ist nach wie vor auf dem Wege der Freiwilligkeit vorzunehmen. Allerdings ist gleichzeitig bestimmt, daß unter den Umzusiedelnden 10 % Renten-, Pensions- und Fürsorgeempfänger mit ihren im Haushalt oder in Lebensgemeinschaft befindlichen Angehörigen sein müssen. wobei die Gruppe der Fürsorgeempfänger dem Anteil der heimatvertriebenen Fürsorgeempfänger an der Gesamtzahl der Fürsorgeempfänger entsprechen muß. Durch diese Bestimmung soll erreicht werden, daß an die Aufnahmeländer nicht nur arbeitsfähige Menschen abgegeben werden und die Arbeitsunfähigen und Alten den Abgabeländern verbleiben.
Die Umsiedlung ist in zweifacher Weise vorzunehmen: Entweder in einem behördlich gelenkten Umsiedlungsverfahren oder als Umsiedlung ohne behördliche Lenkung. Es ist aber gleichzeitig bestimmt, daß die Aufnahmeländer einen bestimmten Prozentsatz im behördlich gelenkten Umsiedlungsverfahren aufzunehmen haben, und zwar Baden von 16 000 12 000, Hessen von 5000 1000, Nordrhein-Westfalen von 115 000 75 000, Rheinland-Pfalz von 18 000 13 000, Württemberg-Baden von 25 000 16 000 und Württemberg-Hohenzollern
von 14 000 11 000. Sollte im ungelenkten Verfahren eine größere Zahl umgesiedelt werden, als sich aus den eben genannten Zahlen ergibt, so kann diese Mehrzahl auf die Gesamtzahl der Aufzunehmenden nicht angerechnet werden. Genaue Bestimmungen darüber, wer als Umsiedler gilt, der ohne gelenktes Verfahren übernommen wird, sind festgelegt.
Die Kosten der Umsiedlung einschließlich der notwendigen Verwaltungsaufwendungen hat der Bund zu tragen. Der Bundesregierung wird die Berechtigung gegeben, hinsichtlich der gebietsmäßigen Verteilung der Heimatvertriebenen auf die Aufnahmeländer und hinsichtlich der zeitlichen Übernahme durch diese Länder Einzelweisungen zu erteilen. Das gleiche Recht ist ihr gegeben bezüglich der gleichmäßigen Erfassung des vorhandenen Wohnraums und zur Durchführung der erforderlichen Maßnahmen auf dem Gebiete des Wohnungsbaues zum Zwecke der wohnlichen Unterbringung der umgesiedelten Heimatvertriebenen in den Aufnahmeländern.
Im Ausschuß für Vertriebenenfragen, insbesondere aber im Wohnungsbauausschuß, war man sich darüber klar, daß es in erster Linie darum geht, die Umzusiedelnden da anzusetzen, wo ihnen Arbeit gegeben werden kann. Aber gerade in diesen Orten ist Wohnraum nicht vorhanden, während an Orten, in denen noch Wohnraum vorhanden ist, die Arbeitsplätze fehlen oder so weit entfernt sind, daß sie nicht oder nur schwer erreicht werden können. Es werden somit Wohnungen bei den Arbeitsplätzen geschaffen werden müssen. Für diesen Zweck stehen bis jetzt rund 175 Millionen DM zur Verfügung, und zwar 50 Millionen DM aus Bundeshaushaltsmitteln, 50 Millionen DM aus Mitteln der Soforthilfe und 45 Millionen DM aus Umstellungsgrundschulden. Weitere 30 bis 35 Millionen DM werden aus den Soforthilfemitteln der Länder der französischen Zone erwartet. Für 300 000 Umsiedler werden aber 75 000 Wohnungen benötigt. Diese erfordern, unter Zugrundelegung von 5700 bis 6000 DM nachrangiger Gelder für jede Wohnung, rund 400 Millionen DM. Es wäre also notwendig, daß seitens des Bundesfinanzministers aus Haushaltsmitteln für Umsiedlungszwecke rund 225 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, wobei allerdings noch offenbleibt, ob und inwieweit es den Aufnahmeländern möglich sein wird, die fehlenden erstrangigen Gelder in Höhe von 300 bis 400 Millionen DM zu beschaffen. Der Wohnungsbauausschuß hat dementsprechend vorgeschlagen, in § 7 des Gesetzes einen Abs. 2 folgenden Wortlauts aufzunehmen:
Um den Ländern ihre Aufnahmeverpflichtung zu erleichtern, werden für die Schaffung des für die Unterbringung der Umsiedler erforderlichen neuen Wohnraums Bundeshaushaltsmittel zusätzlich zur Verfügung gestellt, soweit die nachstellige Finanzierung nicht aus anderen öffentlichen Mitteln gedeckt werden kann.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat vorgeschlagen, in dem Gesetzentwurf die Rückführung der Evakuierten zu berücksichtigen; und zwar soll deren Anteil mindestens 10 % betragen. Der Ausschuß für Vertriebene war einstimmig der Auffassung, daß diesem Wunsch aus folgenden Gründen nicht stattgegeben werden kann. Erstens handelt es sich bei diesem Gesetzentwurf ausschließlich um eine Umsiedlung von Heimatvertriebenen. Zweitens hat die Umsiedlung
({10})
neben Nordrhein-Westfalen überwiegend in die Länder der französischen Zone, nach Hessen und Württemberg-Baden zu erfolgen. Aber aus diesen Ländern dürften sich in den Abgabeländern kaum Evakuierte aufhalten. Die Evakuierten wollen in ihr Heimatland zurück und - mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburg - nicht etwa in die aufnehmenden Länder umgesiedelt werden. Der Ausschuß hält es für erforderlich, daß die Umsiedlung der Evakuierten außerhalb dieses Gesetzes, entweder durch Vereinbarung der beteiligten Länder untereinander oder durch ein besonderes Gesetz, geregelt wird.
Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat einstimmig beschlossen, dem Hohen Hause den in der Drucksache Nr. 1987 niedergelegten Gesetzentwurf zur Annahme zu empfehlen, und bittet das Hohe Haus, den Gesetzentwurf in der vom Ausschuß beschlossenen Fassung einstimmig anzunehmen.
({11})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich wiederholt in langatmigen Debatten mit der Frage der Umsiedlung beschäftigt, und es ist beschämend, daß man die Aufnahmeländer durch ein Gesetz zwingen muß, ihre Pflicht im Rahmen einer uns allen auferlegten Schicksalsgemeinschaft zu erfüllen. Es wäre Pflicht des Bundesrates, der legitimen Körperschaft der Länderinteressen, die Aufnahmeländer zu belehren, daß es so nicht weitergeht. Hier scheint der Bundesrat den Mut zu verlieren, während er sich in anderen die Heimatvertriebenen betreffenden Fragen, der des Lastenausgleichs und auch der des Unterbringungsgesetzes, gegen die Interessen der Heimatvertriebenen gestellt hat.
Das, was man Umsiedlung nennen will, und das, was nicht nur die Aufnahmeländer, sondern auch die anscheinend unfähige und kopflose Bürokratie in den Abgabeländern sich geleistet haben, ist ein Skandal erster Sorte und ein frevelhaftes Spiel mit dem Schicksal dieser armen Menschen, die ihre letzte Hoffnung in die Umsiedlung gesetzt haben, um in Gebiete zu kommen, wo sie bessere Wohnungen, Arbeit und Brot finden. Die Heimatvertriebenen melden sich zur Umsiedlung, lösen ihre Arbeitsverhältnisse und kündigen ihre Wohnungen. Man nennt ihnen bereits den Tag der Abreise, sie stehen mit ihrem eingepackten Hausrat reisebereit, und plötzlich wird der Abtransport abgeblasen. In einem Falle stand bereits der Eisenbahnzug auf dem Bahnhof bereit.
In den Aufnahmeländern ist es nicht besser. Die avisierten Transporte kommen an; die Leute müssen oft tagelang in den Waggons zubringen, um dann auswaggoniert in ein Massenlager eingewiesen zu werden, in dem sie monatelang verbleiben. Ich habe selbst in einigen Fällen vergebens gebeten, weitere Transporte nicht zu expedieren, solange sich noch die Heimatvertriebenen der früheren Transporte im Lager befänden. Es wäre in solchen Fällen - das ist unsere Überzeugung - fast besser, die Leute in ihren jetzigen Heimatländern zu belassen, als daß man sie in eine so unangenehme Situation bringt.
In der letzten Zeit versuchen die Aufnahmeländer, sich dadurch, daß sie alle möglichen Schwierigkeiten machen, ihren Verpflichtungen zu entziehen.
Sie erklären, die Umsiedlung nur dann fortsetzen zu wollen, wenn ihnen für die Bereitstellung von Wohnungen die zugesagte Vollfinanzierung gesichert werde. Nach dem Umsiedlungsprogramm stehen, wie sie von dem Berichterstatter gehört haben, für das Jahr 1951 für diese Zwecke 400 Millionen DM auf dem Papier zur Verfügung, die von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden müssen. Bis jetzt sind 145 Millionen DM greifbar.
Das von den Regierungen vorgesehene Umsiedlungsprogramm sollte am 1. April anlaufen. Bis zur Stunde - also drei Wochen vor diesem Termin - existiert noch kein Plan über den mit der Umsiedlung verbundenen Wohnungsbau; es ist auch nicht mehr im Ernst damit zu rechnen, so daß das ganze Umsiedlungsprojekt in dem vorgesehenen Rahmen scheitern wird.
So stehen die Dinge. Nach den Erfahrungen der früheren Umsiedlungsaktionen verlangen wir weiter, daß die Kommissionen der Aufnahmeländer angewiesen werden, nicht nur arbeitsfähige Umsiedler, sondern auch mindestens 50 % Umsiedler, die nicht handwerklichen oder landwirtschaftlichen Berufen angehören, sondern auch Angehörige geistiger Berufe und solche, die arbeitsunfähig sind, aufzunehmen. Es handelt sich doch um eine Umsiedlung im weitesten Sinne, nicht um eine Bereitstellung von irgendwelchen Arbeitskulis. Denn letzten Endes ist das Umsiedlungsproblem nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein soziales Problem, eine deutsche Frage erster Ordnung. Es ist seit langem allgemein bekannt, daß sich der weitaus größte Teil der Arbeitslosigkeit im Bundesgebiet seit der Währungsreform auf die ausgesprochenen Flüchtlingsaufnahmeländer konzentriert und damit ein strukturelles Gepräge angenommen hat. Dieser strukturelle Charakter zeigt sich in noch größerer Deutlichkeit bei der Dauerarbeitslosigkeit. Im allgemeinen kann man feststellen, daß diese Dauerarbeitslosigkeit in erster Linie ein Sonderproblem der Flüchtlingsabgabeländer ist, auf die fast 80 % aller Arbeitslosen entfallen.
Aber noch eines muß gesagt werden. Wir wehren uns dagegen, daß aus der Umsiedlungsaktion wiederum politisches Kapital geschlagen wird. Schon bei der letzten Debatte in diesem Hohen Hause kam es - meinerseits ungewollt - zwischen mir und dem damaligen Vorsitzenden der Bayernpartei, Dr. Baumgartner, zu einer sehr scharfen Auseinandersetzung, die durch eine unangebrachte Äußerung Dr. Baumgartners die kleine Koalition in Bayern zerschlagen hat. Nun hat dieser Tage der Vizepräsident des Bayerischen Landtages, der bekannte Herr Fischbacher, die Umsiedlung von mindestens 750 000 Heimatvertriebenen aus Bayern verlangt, also das Zehnfache von dem, was die Gesetzesvorlage vorsieht. Wir haben schon damals erklärt und müssen es auch heute erklären, daß es den Antragstellern nicht darum geht, die Menschen besser unterzubringen, ihnen ein besseres Schicksal zuteil werden zu lassen, als sie es bis jetzt gehabt haben, sondern ganz einfach darum, sie loszuwerden. Wenn der Herr Fischbacher erklärt, die Bayernpartei sei bereit, 1,2 Millionen Sudetendeutschen, die gleichen Stammes sind, das Heimatrecht zu geben - Schlesier und alle anderen Heimatvertriebenen müßten heraus -, dann verstehen wir ganz genau, was damit gemeint ist: Man will die Heimatvertriebenen landsmannschaftlich gegeneinander ausspielen. Als Sudetendeutscher erkläre ich, daß wir ein solches Angebot der Bayernpartei aus Gründen der Schicksalsgemeinschaft mit allen Ver({0})
triebenen auf das entschiedenste ablehnen und als unwürdig betrachten.
({1})
Wir werden dem Entwurf des Gesetzes zur Umsiedlung zustimmen. Wir appellieren vor allem an den Bundesrat, die Aufnahmeländer anzuweisen, für eine humane Durchführung der Umsiedlung zu sorgen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 13. Dezember vorigen Jahres hat das Hohe Haus in einer dreistündigen Generalaussprache das Problem der Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den drei Abgabeländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erschöpfend behandelt. Ich glaube, daß es, nachdem wir heute in der zweiten Lesung stehen, wahrhaftig nicht notwendig ist, nun noch einmal eine Grundsatzaussprache über die Dringlichkeit des Problems herbeizuführen.
({0})
Alle gesammelten Erfahrungen und aufgetretenen Unebenheiten des nicht erfüllten Solls der vorjährigen Umsiedlungsaktion wurden bei der Ausschußarbeit weitestgehend verwertet und berücksichtigt. Selbst hinsichtlich der Höchstzahl der Umzusiedelnden wurde zwischen dem Gesetzentwurf, der 300 000 Personen vorsieht, und der Verordnung der Regierung, die nur von 200 000 spricht, in den Ausschußberatungen eine tragbare Synthese gefunden. Die größte Schwierigkeit bereitet aber nach wie vor die Wohnraumbeschaffung in jenen Gegenden, in denen nach menschlicher Voraussicht auch Arbeitsplätze für die Umzusiedelnden geschaffen werden können.
Meine politischen Freunde werden dem Gesetzentwurf, wie er nach den Ausschußberatungen vorliegt, in der zweiten und dritten Lesung zustimmen. Wir haben jedoch zwei Anliegen dem Hohen Hause vor Abschluß der zweiten Lesung vorzutragen.
Das erste Anliegen geht dahin, in der Fassung des Gesetzentwurfes die heimatvertriebenen Spätheimkehrer bei der Umsiedlung besonders zu berücksichtigen. Zweitens sind wir der Meinung, daß das Problem der Rücksiedlung der Evakuierten noch einer Besprechung bedarf.
Am Donnerstag voriger Woche behandelten wir hier im Plenum eine Interpellation betreffend die Spätheimkehrer. Für diesen Personenkreis wurde als Problem Nr. 1 mit Recht die Beschaffung eines Arbeitsplatzes und eine menschenwürdige Unterbringung bezeichnet. Die gut und fürsorglich gemeinten Bedingungen, die das Heimkehrergesetz aufstellt, können aber in den übervölkerten und industriearmen Gebieten Niedersachsens und Schleswig-Hosteins nicht restlos erfüllt werden. Nach dem Spätheimkehrergesetz darf dem Spätheimkehrer ein ehemals innegehabter Arbeitsplatz nicht vorenthalten werden. Ferner ist bestimmt, daß der Spätheimkehrer bei der Zuweisung von Arbeitsplätzen vom Arbeitsamt bevorzugt zu behandeln ist. Die erste Bestimmung kommt für heimatvertriebene Spätheimkehrer überhaupt nicht in Betracht, und die zweite Forderung kann deshalb nicht erfüllt werden, weil die Zahl der Arbeitsplätze zu klein ist. Auch die Bestimmung, daß dem Spätheimkehrer bevorzugt Wohnraum zuzuweisen
sei, nützt in den überfüllten Ländern nichts, weil eben die Wohnraumdecke zu kurz ist. Trotz dieser wirtschaftlichen Notlage sind die meisten heimatvertriebenen Spätheimkehrer in diese Gebiete gekommen. Nach wochenlangem Warten in den Durchgangslagern und nach Einschaltung des Suchdienstes fanden sie ihre Familien in diesen Gebieten. Ohne die strukturelle wirtschaftliche Eigenart dieser rein landwirtschaftlichen, also industriearmen Gebiete zu kennen, haben sie, wie nicht anders zu erwarten ist, ihre Entlassung zu ihren Familien in diese Gebiete beantragt. Die Bemühungen der Arbeitsämter, ihnen Arbeitsplätze zu beschaffen, sind bis auf wenige Ausnahmen gescheitert, so daß dieses Bemühen bis heute im allgemeinen ein vergebliches Beginnen geblieben ist.
Zur Illustration möchte ich Ihnen einige Zahlen nennen. Bei den drei Arbeitsämtern des an und für sich kleinen Regierungsbezirks Stade im nördlichen Niedersachsen sind über 2800 arbeitslose Spätheimkehrer gemeldet. Beim Arbeitsamt Stade allein beträgt die Zahl der arbeitslos gemeldeten Spätheimkehrer über 1000 bei insgesamt 23 000 Arbeitslosen in diesem Arbeitsamtsbezirk. Die Zahl der Arbeitslosen beträgt im Land Niedersachsen im Durchschnitt 18 %, ist also fast doppelt so hoch wie die Durchschnittsziffer im Bundesgebiet. Im Arbeitsamtsbezirk Stade beträgt der Durchschnitt der Arbeitslosenzahl 23 % aller Erwerbstätigen und liegt also noch um 5 % über dem Landesdurchschnitt von Niedersachsen.
Zur teilweisen Behebung dieses Notstandes beantragen wir zu § 4 a die Hinzufügung eines zweiten Absatzes. Unseren ursprünglichen Antrag auf Umdruck Nr. 95 ziehen wir zugunsten eines interfraktionellen Antrags zurück, der dem Sinne nach das gleiche will, aber konkreter zum Ausdruck bringt, wer Spätheimkehrer ist. Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag, der folgenden Wortlaut hat, anzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der § 4 a in dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1987 wird in der vorgelegten Fassung Abs. 1. Dem § 4 a wird ein neuer Abs. 2 mit folgender Fassung eingefügt:
({1}) Heimatvertriebene Heimkehrer, die nach § 9 des Heimkehrergesetzes vom 19. Juni 1950 ({2}) bevorzugt in freie Arbeitsstellen zu vermitteln sind, haben auch Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Umsiedlung.
Das war unser erstes Anliegen, während das zweite die Evakuierten betrifft. Daß dieses Problem in den Ausschußberatungen über das Umsiedlungsgesetz einer eingehenden Prüfung unterzogen wurde, haben Sie bereits aus den Ausführungen des Berichterstatters gehört. Der Ausschuß für innere Verwaltung wollte, daß in die Gesamtzahl der nach diesem Gesetz Umzusiedelnden eine Quote von 10 % Evakuierter aufgenommen wird. Wir haben volles Verständnis für das dringende Verlangen der Evakuierten, in ihre alte Heimat zurückzukehren, aber der bestehende Wohnraummangel hat dieses Verlangen bis heute nicht Wirklichkeit werden lassen. Trotz unseres zum Ausdruck gebrachten Verständnisses für die Wünsche der Evakuierten bitten wir Sie, dem Verlangen des Ausschusses für innere Verwaltung nicht zuzustimmen; denn es handelt sich hier um zwei wesentlich verschieden gelagerte Probleme, und wir möchten diese an und für sich dringende Aktion nicht mit dem Umsiedlungsgesetz ver({3})
knüpft sehen. In den meisten Fällen der Umsiedlung von Evakuierten geht es darum, daß Maßnahmen innerhalb des eigenen Landes zu treffen sind. Nur in den angrenzenden Gebieten der Hansestädte und im westlichen Niedersachsen - zum Teil auch in Bayern - wird diese Aktion die Landesgrenzen überschneiden.
Wir vertreten den Standpunkt, daß bei der Bereitstellung von Bundesmitteln für den sozialen Wohnungsbau zweckgebundene Beträge für die Brennpunkte aufgewandt werden müssen, die vordringlich für die Rücksiedlung von Evakuierten in Frage kommen, um dadurch den entsprechenden Wohnraum zu beschaffen, so daß auch für die Evakuierten die Rückführung in die zerstörten Großstädte ermöglicht wird. Durch eine solche Maßnahme wäre auch auf dem Wohnungsmarkt eine wesentliche Erleichterung für die angrenzenden Gebiete der Hansestädte und der stark belegten Abgabeländer zu erreichen.
Diese grundsätzliche Feststellung der für die Evakuierten erforderlichen Hilfsmaßnahmen soll eine Voranmeldung für zeitgerecht einzubringende Anträge meiner politischen Freunde sein. In der Angelegenheit der Umsiedlung der heimatvertriebenen Spätheimkehrer bitte ich Sie nunmehr, dem interfraktionellen Antrag Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
({4})
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß das Haus mit meiner Praxis einverstanden ist, die allgemeine Besprechung diesmal zu der zweiten Beratung vorzunehmen, da wir die zweite und die dritte Beratung ja unmittelbar aufeinander folgen lassen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Priebe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es begrüßt, daß die von uns am 13. Dezember eingebrachte Gesetzesvorlage von dem Vertriebenenausschuß in verhältnismäßig kurzer Zeit bearbeitet worden ist. Wir bedauern jedoch, daß gewisse Änderungen, die wir nicht ohne Bedenken zur Kenntnis nehmen können, vorgenommen worden sind. Die Abgeordneten des Landes Niedersachsen - und ich glaube, nicht nur, die Abgeordneten meiner Fraktion - werden nicht ohne weiteres damit einverstanden sein, daß die Abgabezahl für Niedersachsen von 100 000 auf 85 000 herabgesetzt und dafür die Abgabezahl Bayerns von 50 000 auf 65 000 erhöht wird. Trotz aller Bedenken wollen wir jedoch davon absehen, einen Änderungsantrag zu stellen, weil wir angesichts der ungeheuren Vertriebenennot glauben, es nicht verantworten zu können, daß die Verabschiedung dieses Gesetzes irgendwie gefährdet oder hinausgezögert wird.
Ebenso kamen uns Bedenken, als wir feststellen mußten, daß der Vertriebenenausschuß statt der in § 1 des Gesetzentwurfs genannten Zahl von 300 000 in seinem § 1 a die Zahl von 200 000 Heimatvertriebenen angegeben hat, die vorerst bis zum 30. September 1951 umgesiedelt werden sollen, und daß er dann in § 1 c von weiteren 100 000 spricht. Nach den bisher gemachten Erfahrungen - wir denken daran, daß im Jahre 1950 von 300 000, die umgesiedelt werden sollten, tatsächlich nur etwa 250 000 zur Umsiedlung kamen - fürchten wir, daß im Vertriebenenministerium allzu große Neigung bestehen könnte, sich mit der Zahl von 200 000 auch
für 1951 zu begnügen. Da man uns jedoch erklärt hat, daß mit den Ländern bereits gewisse Vereinbarungen getroffen seien, und da man annimmt, daß man durch die Regelung, wie sie der Entwurf des Vertriebenenausschusses vorsieht, weniger Schwierigkeiten haben wird, erklären wir uns auch mit dieser Abänderung einverstanden. Wir hoffen jedoch, daß die erweiterten Machtbefugnisse, die das Gesetz der Bundesregierung, dem Herrn Bundesvertriebenenminister, gibt, tatsächlich auch restlos ausgenützt werden. Es darf nicht vorkommen, daß an uns Abgeordnete der Vertriebenenländer immer wieder die unzufriedenen, verbitterten Vertriebenen herantreten und meinen, in Bonn warte man darauf, daß der bekannte Zahn der Zeit auch dieses Vertriebenenproblem lösen würde.
Wir meinen aber, daß nicht allein die Machtbefugnisse, die das Gesetz gibt, anzuwenden sind, sondern wir meinen, dass es auch zweckmäßig ware, wenn das Ministerium oder die Regierung versuchte, in den Aufnahmeländern in geschickter Form die psychologischen Voraussetzungen zu schaften, damit der Aufnahme von Heimatvertriebenen nicht allzu große Schwierigkeiten entgegengestellt werden. Ich glaube nicht, daß ein Appell an die Einsicht und an das Mitgefuhl der Bewohner dieser Lander vollkommen vergeblich ware.
Von meinem Vorredner wurde vorhin schon von den Evakuierten gesprochen. Wir haben in § 1 unseres Entwurfes vorgesehen, daß die Lander Hamburg und Bremen als Aufnahmeländer nicht in Betracht kommen sollen. lier Entwurf des Vertriebenenausschusses hat unsere Anregung nicht akzeptiert. Trotz alledem meinen wir, daß man das Problem der Rückführung der Evakuierten nicht ohne weiteres mit dem der Seßhaftmachung der Heimatvertriebenen zu verknupfen brauchte. Der Evakuierte hat seine Heimat nicht in demselben Sinne verloren wie der Heimatvertriebene. Er steht mit seiner Heimat noch in irgendeiner Verbindung oder er lebt gar noch in ihr. seine Rückführung ist insbesondere eine Frage der Wohnraumbeschaffung. Der Heimatvertriebene dagegen hat nicht nur Heimat und Heim verloren, sondern ist in dem wilden Durcheinander von 1945 irgendwohin verschlagen worden, wo er nicht Fuß fassen kann, weil er nicht seßhaft werden kann, weil er erwerbslos bleibt und weil er in Elends- oder Massenquartieren hausen muß. Deshalb sind wir durchaus einverstanden, daß man in diesem Gesetz, wie es der § 1 vorsieht, nur die Heimatvertriebenen berücksichtigt. Andererseits erkennen wir die berechtigten Forderungen der Evakuierten an. Wir erkennen auch das berechtigte Interesse der Städte Hamburg, Bremen, Köln und der vielen anderen zerbombten Städte an, die ihre Evakuierten wieder in ihre Mauern aufnehmen möchten.
Aus diesem Grunde stellen wir folgenden Antrag: Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, baldigst einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der, zur beschleunigten Rückführung Evakuierter die Schaffung des erforderlichen Wohnraums in den zerbombten Städten regelt.
Wir bitten das Hohe Haus, diesem Antrag zuzustimmen.
Vorhin ist der Antrag erwähnt worden, der die besondere Berücksichtigung der heimatvertriebenen Spätheimkehrer verlangt. Es ist selbstverständlich, daß wir diesen Antrag aufs wärmste unterstützen. Auch wir meinen, daß man hier die Möglichkeit
({0})
wahrnehmen sollte, gerade an den Spätheimkehrern etwas gutzumachen.
Zusammenfassend möchte ich das Hohe Haus bitten, von irgendwelchen Abänderungsanträgen, die geeignet sind, die Verabschiedung des Gesetzes hinauszuzögern und eine Rückverweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß herbeizuführen, abzusehen. Das Elend in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und in Bayern zwingt uns, so rasch wie möglich die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Bundesregierung, daß der Herr Vertriebenenminister, mit der Umsiedlung tatsächlich fortfahren kann. Ich glaube, wir sollten angesichts dieser Tatsachen alle Länderinteressen, alle Bedenken, die wir wegen irgendwelcher Unzulänglichkeiten des Entwurfs haben könnten, unter allen Umständen zurückstellen. Meine Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen.
({1})
Herr Abgeordneter Priebe, Sie haben mir einen Antrag übergeben, den Sie zum Unterschied von gestern nicht mit „Entschließung" bezeichnet haben. Darf ich fragen: soll es sich um eine Entschließung oder um einen selbständigen Antrag handeln, der zwar in einem sachlichen, aber nicht in einem geschäftsordnungsmäßigen Zusammenhang mit dieser Frage steht?
Wir betrachten das als Antrag im Zusammenhang mit dem § 1 des Gesetzes.
Ja, es ist kein Abänderungsantrag zu § 1. Wir befinden uns in der zweiten und dritten Beratung eines Gesetzentwurfes. Entweder reichen Sie mir einen Abänderungsantrag oder einen Entschließungsantrag her. Wenn es ein selbständiger Antrag ist, dann werde ich ihn so behandeln, wie ich selbständige Anträge behandle, indem ich ihn dem Ältestenrat vorlege.
Herr Präsident, machen wir ihn zur Entschließung!
Ich werde also mit Ihrem Einverständnis „Entschließung" über den Antrag schreiben.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Zawadil.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind immerhin vier Jahre vergangen, bis die Initiative zur Schaffung von Maßnahmen zur Beseitigung der einseitigen Verlagerung und Verteilung der Heimatvertriebenen im Bundesgebiet ergriffen wurde. Die Regierungsverordnung vom 29. November 1949 zielte darauf ab, aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein 300 000 Vertriebene nach den unterbelegten Ländern umzusiedeln, und zwar bis zum 31. Dezember 1950. Wir wissen, daß bis heute - das hat schon mein verehrter Vorredner erwähnt - von den 300 000 'für die Umsiedlung Vorgesehenen nur rund 250 000 umgesiedelt wurden, wobei noch bei einigen tausend die Streitfrage besteht, ob sie als Umsiedler im Sinne der Verordnung angesehen werden oder ob sie als freiwillige Umsiedler oder Umwanderer betrachtet werden sollen. Nachdem die Grundsätze, nach denen dieses Problem gelöst werden soll, schon in der Debatte bei der ersten Lesung ausführlich behandelt worden sind, kann ich darauf verzichten, möchte aber auf einige Besonderheiten hinweisen, die im Zuge der bisherigen Behandlung
der Regierungsverordnung aufgetaucht sind. Denn
aus eben diesen Erfahrungen haben sich gewisse
Formulierungen des vorliegenden Gesetzes ergeben.
Die Aufnahmeländer fordern hohe Geldsummen zur Erstellung von Wohnraum für die Heimatvertriebenen. Sie machen also die Durchführung der Umsiedlung von der Erstellung von Wohnraum abhängig. Zur Frage des Wohnraums in den Aufnahmeländern möchte ich den Vertretern der Aufnahmeländer sagen: Wohnraumnot ist ein sehr relativer Begriff! Das, was man in Bayern, in Niedersachsen und Schleswig-Holstein unter Wohnraumnot versteht, steht in gar keinem Verhältnis zu dem, was man hierorts darunter versteht.
({0})
Eine z. B. in Nordrhein-Westfalen unter den Begriff Wohnraumnot fallende Wohnung könnte bei uns in Bayern, wenn ich mich etwas kraß ausdrücken darf, als Palast bezeichnet werden. Ich glaube, man hat in den Aufnahmeländern noch nicht erlebt, daß man, wie es noch heute in den überfüllten Ländern der Fall ist, zu dem Mittel der Zwangseinquartierungen greifen muß, die unter polizeilicher Aufsicht vor sich gehen.
Die bisherige Umsiedlung ist unter mancherlei fragwürdigen Begleiterscheinungen vor sich gegangen, in Bayern z. B. bestehen heute noch rund 300 Lager. Ich denke weiter an die Taktik der Kommissionen, die nur Arbeitsfähige, Ledige und bestimmte Fachgruppen auswählten. Die Auswirkung solcher Auslese für die Abgabeländer ist, daß dort zum großen Teil Fürsorgeempfänger, Rentner oder Kinderreiche zurückbleiben. Die Zahl der Fälle, daß Umsiedler in dem Aufnahmeland in Lager eingewiesen werden, ist nicht gering und schreckt nur ab; vielleicht soll die Lagereinweisung sogar dazu dienen, abzuschrecken. Dagegen sind bereits Versuche feststellbar, daß sich Aufnahmeländer durch Unterhändler um die Verlagerung ganzer Flüchtlingsbetriebe bemühen. Wir haben in Oberfranken Fälle festzustellen - und da wird mir vielleicht mein Kollege Herrmann von der SPD recht geben können -, daß Glasindustrien der Gablonzer schon im Begriff sind, mit Sack und Pack nach Württemberg umzusiedeln, und zwar außerhalb der Umsiedlungsquote. Das heißt praktisch, daß dort, wo man sich in Bayern bemüht hat, Zentren zu schaffen - leider Gottes sind es zwei, eines in Kaufbeuren und das andere im Fichtelgebirge - und langsam wieder organische Wirtschaftseinheiten entstehen zu lassen, man diese Wirtschaftseinheiten jetzt wieder zerreißt. Das ist eine Maßnahme, die unfruchtbar ist.
({1})
Der bisherige Verlauf der Umsiedlung läßt die
immer häufiger auftretende Meinung verstehen,
der man immer wieder begegnet, nämlich daß mit
der Summe von Umsiedlungskosten plus Transportkosten plus Gelder für Wohnungsbau plus Kredite
für neue Industrien, verteilt auf die bisher überfüllten Abgabeländer, diese wahrscheinlich die
Möglichkeit hätten, die Probleme der wirtschaftlichen und sozialen Eingliederung der Heimtvertriebenen selbst zu lösen. Ich kann nicht prüfen,
inwieweit diese Auffassungen richtig sind, aber
man könnte diesen Auffassungen beinahe nähertreten, um so mehr als die Länder Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bereits die weitaus
größten Erfahrungen in der Lösung des Problems
der Heimatvertriebenen erworben haben. Leider
müssen wir auf Grund der bisherigen Erfahrungen
mit der Umsiedlung feststellen, daß sich selten ein
({2})
als Partikularismus überspitzter Föderalismus für das Gesamtinteresse der Bundesrepublik so nachteilig und für die gesunde Entwicklung so hemmend ausgewirkt hat wie bei der innerdeutschen Umsiedlung.
({3}) Föderalistischem Eigensinn und partikularistischer Engstirnigkeit ist energisch Einhalt zu gebieten, wo es um gesamtdeutsche Interessen geht. Zentrale Probleme sind nur durch zentrale Maßnahmen zu lösen!
Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist der letzte Versuch, er bietet die letzte Möglichkeit, der Umsiedlung, die bisher so lendenlahm verlaufen ist, neuen Antrieb und, durch bisherige Erfahrungen vermehrt, neue Impulse zu verleihen. Meine Freunde und ich begrüßen den Gesetzentwurf. Als Angehöriger Bayerns bedaure ich zwar, im Gegensatz zu meinem Vorredner von der SPD, daß die ursprünglich in der ersten Verordnung vorgesehene Abgabequote in Höhe von 75 000 Umsiedlern aus Bayern nicht eingehalten wurde. Wenn man Bayern und Niedersachsen in wirtschaftlicher und soziologischer Hinsicht vergleicht, so ist festzustellen, daß der Prozentsatz der Heimatvertriebenen in Niedersachsen wohl höher ist, aber ich glaube, daß die wirtschaftlichen Möglichkeiten in Niedersachsen etwas günstiger als in Bayern sind. Wir erkennen jedoch an, daß die augenblickliche Aufschlüsselung durchgeführt werden kann und auch ihre Berechtigung hat.
Wir möchten insbesondere auf § 1 b der Vorlage hinweisen, wonach auch Pensions- und Rentenempfänger in entsprechendem Verhältnis Berücksichtigung finden sollen. In diesem Zusammenhange sei gesagt, daß es vielleicht förderlich gewesen wäre, von Anfang an so vorzugehen, daß die Summe aller Fürsorgelasten auf eine Bundesinstitution übertragen und von dort auf alle Länder entsprechend deren Prozentsatz an Fürsorgeempfängern anteilmäßig umgelegt wird. Dann hätte sich manches Aufnahmeland bisher nicht so geweigert, Renten- und Fürsorgeempfänger mit aufzunehmen. Eine solche Maßnahme wäre schon längst fällig gewesen, kann sich aber als Nachdruck für eine korrekte Durchführung des Gesetzes immer noch auswirken.
Wir halten auch die §§ 4 a und 4 b für sehr wichtig und fruchtbar. Grundsätzlich möchten wir sagen, daß das Evakuiertenproblem nicht mit dem Umsiedlungsproblem verquickt werden kann. Dagegen erkennen wir an, daß das Evakuiertenproblem in einem Gesetz bearbeitet und gelöst werden müßte. Meine Freunde und ich schließen uns der vorliegenden Gesetzesfassung entsprechend den Beschlüssen des Ausschusses für Heimatvertriebene an und werden für das Gesetz stimmen. Ebenso bejahen wir, wie es bereits interfraktionell zum Ausdruck gekommen ist, den Abänderungsantrag der CDU.
Für die weitere Behandlung dieses außerordentlich wichtigen Gesetzes aber möchten wir der Vorlage den Wunsch mit auf den Weg geben, der Bundesrat möge sich bei seiner Entscheidung vom Gesamtinteresse leiten lassen und nicht erneut die Rolle einer Gegenregierung gegenüber dem Bundestag spielen, wozu er schließlich nicht einmal im föderativen Grundgesetz ausersehen ist.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Parteifreunde und ich vermögen - erlauben Sie mir, Herr Kollege Tichi, daß ich das zu Beginn meiner Ausführungen sage - nicht einzusehen, welchen praktischen Nutzen für das Problem, das hier zur Debatte steht, polemische Ausführungen der Art haben sollen, wie sie hier von Ihrer Seite aus gemacht worden sind. Wir wollen kein politisches Kapital aus dem Heimatvertriebenen- und Flüchtlingsproblem schlagen.
({0})
Es handelt sich bei uns nicht darum, die Heimatvertriebenen „loshaben" zu wollen. Uns geht es um die Sache , uns geht es wirklich hierbei um den Menschen, sowohl um den Einheimischen bei uns als auch um den Heimatvertriebenen und den Flüchtling und schließlich auch um die Besserstellung des Loses der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge. Das wissen wir alle, daß Bayern heute einfach dieses Problem zu lösen nicht mehr imstande ist.
Im übrigen, Herr Kollege Tichi, warum immer
die alten Ladenhüter von Dr. Fischbacher usw.
auftischen? Sprechen Sie doch mit uns selbst. Ich
glaube, Sie werden bei uns Menschen finden, die
ein aufgeschlossenes Ohr für diese Dinge haben.
Auf dieser Ebene kann man besser verhandeln und
auch zu einem Ergebnis kommen. Es war im
übrigen, als am 24. Januar 1951 im Bayerischen
Landtag die Interpellation der Bayernpartei über
das Umsiedlungsproblem, über die Heimatvertriebenenfrage auf der Tagesordnung stand, eine
weitgehende Übereinstimmung in der Auffassung
der Interpellanten meiner Partei und des BHEStaatssekretärs Prof. Dr. Oberländer festzustellen!
({1})
Die Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein hat schon zu wiederholten Malen dieses Hohe Haus beschäftigt, und ich kann und muß es mir ersparen, im einzelnen darauf einzugehen. Ich kann auf die Protokolle der Plenarsitzungen vom 23. März, 4. Mai und 13. Dezember 1950 verweisen.
Grundsätzlich möchte ich aber klar und eindeutig folgendes aussprechen. Nachdem die Bundesregierung schon am 29. November 1949 eine Rechtsverordnung über die Umsiedlung der Heimatvertriebenen aus Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein erlassen hatte und nachdem der Bundestag am 4. Mai des vergangenen Jahres fast einstimmig einer Umsiedlung von 600 000 Heimatvertriebenen zugestimmt hatte, die mit tunlichster Beschleunigung durchgeführt werden sollte, fragen wir uns heute - und, ich glaube, mit Recht -: Was ist denn in der Zwischenzeit nun wirklich geschehen und was ist in der Zwischenzeit in der Tat durchgeführt worden? Da lautet die Antwort und kann nur lauten, daß wir, nachdem wir eineinhalb Jahre gewartet haben, heute nur ein denkbar mageres Ergebnis zu verzeichnen haben, das sich für Bayern noch besonders mager darstellt, weil wir prozentual bis heute bei der Abgabe von Heimatvertriebenen an letzter Stelle gestanden haben, dabei aber den größten Prozentsatz an erwerbstätigen Heimatvertriebenen abgegeben haben, was schließlich auch bei der Betrachtung des ganzen Problems eine Rolle spielen dürfte.
Herr Minister Lukaschek hat im Vorjahr schon erklärt - und die Regierung hat eine diesbezügliche Verordnung erlassen -, daß 1950 statt der
({2})
ursprünglich vorgesehenen Zahl von 600 000 nur 300 000 Flüchtlinge umgesiedelt werden könnten. Aber nicht einmal diese Zahl ist erreicht worden. Der Herr Minister hat die, schleppende Durchführung der Aktion u. a. damit zu begründen versucht, daß die sogenannten Aufnahmeländer erheblichen Widerstand gegen das ihnen auferlegte Soll leisteten. Sieht so - die Ausführungen des Herrn Kollegen Zawadil möchte ich nur begrüßen - der Föderalismus in Wirklichkeit aus? Was wäre geschehen, wenn 1945/46 auch Bayern einen solchen Widerstand geleistet hätte? Wie war es denn damals? Ich erinnere mich noch sehr gut, mit welchen Schwierigkeiten ich damals als Landrat in meinem nahe an der Grenze gelegenen Landkreis zu kämpfen gehabt habe, wo die Flüchtlinge zu Hunderten und Tausenden hereingeströmt sind, wo jede Woche Transporte mit 400 und 600 Flüchtlingen gekommen sind, die eine Nacht, vielleicht auch zwei Nächte, im Lager bleiben durften und dann in zwei oder drei Tagen in die Gemeinden hinausgebracht und dort untergebracht werden mußten. Da gab es keinen Widerstand, da gab es kein Nein, und da gab es auch keine Klagelieder à la Kater Hidigeigei, die die Steine hätten erweichen können.
({3})
Wir mußten mit diesem Problem einfach fertig werden.
Nun stehen wir also wieder am Anfang. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir über dieses Problem hier im Bundestag, ich möchte sagen, fast gerungen haben, stehen wir vor einem neuen Gesetzentwurf, der für das Jahr 1951 wiederum eine Gesamtumsiedlung von 300 000 Heimatvertriebenen vorsieht, wobei auf SchleswigHolstein 150 000, auf Niedersachsen 85 000 und auf Bayern entgegen der ursprünglichen Fassung - die Ausschußfassung stellt eine Verbesserung gegenüber der ursprünglichen Fassung dar - statt 50 000 65 000 fallen. Diese Zahl ist wirklich bei unserer Anzahl von fast 2 Millionen Heimatvertriebenen in Bayern viel, viel zu gering. Sie entspricht bei weitem nicht dem zu behebenden Notstand Bayerns. Doch wir wollen darüber heute nicht weiter rechten und uns zunächst mit dieser Zahl abfinden. Aber wir verlangen, daß wenigstens damit raschestens einmal Ernst gemacht wird. Wir sind ja so bescheiden geworden.
({4})
Im übrigen darf man nicht nur die relativen Zahlen ins Auge fassen, sondern muß auch an die absoluten Zahlen denken. Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, daß Bayern bei einer Stammbevölkerung von etwa 8 Millionen nahezu 2 Millionen Heimatvertriebene und Flüchtlinge beherbergt, wobei die Zahl der DPs und Evakuierten - das Problem ist heute auch schon angeschnitten worden - noch nebenher läuft.
Schließlich noch ein kurzer Hinweis auf die Familienzusammenführung. Der neue Gesetzentwurf sieht für Bayern 65 000 Umzusiedelnde vor. Demgegenüber möchte ich darauf hinweisen, daß uns die Familienzusammenführung des vergangenen Jahres nahezu 40- bis 45 000 Neuzugänge gebracht hat. Was bleibt dann praktisch noch von diesen 65 000? Kaum ein nennenswerter Bruchteil all dessen, was wir bis jetzt verlangt haben und was wir mit Fug und Recht verlangen können. Das praktische Ergebnis ist also fast gleich null.
Wenn meine politischen Freunde und ich trotz aller schwerwiegenden Bedenken dem Entwurf in
der jetzt vorliegenden Fassung zustimmen, so deswegen, weil wir die Erwartung hegen, daß damit nun wenigstens endlich einmal Ernst gemacht wird. Wir möchten aber heute schon betonen, daß es dabei nicht bleiben kann, und wir möchten Herrn Minister Lukaschek und die gesamte Bundesregierung auffordern, alles zu tun, um dieses Problem für Bayern so zu lösen, wie wir es nicht nur von unserem eigenen Interesse aus, sondern vom Standpunkt der Gerechtigkeit und vom Standpunkt des im Grundgesetz verankerten Föderalismus aus wirklich fordern können.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf sieht die Umsiedlung von 300 000 Heimatvertriebenen vor. Als für diese unglücklichen Menschen damals der große Treck aus dem Osten begann, verließen sie wehen Herzens ihre alte, liebe Heimat. Der Glaube, im Westen eine neue Heimat zu finden, nicht mehr dem Zugriff der Soldaten und der Polen ausgesetzt zu sein, gab all diesen Menschen, die Strapazen, Not und Entbehrung hinter sich hatten, neue Hoffnung auf bessere Tage und ließ viele manches vergessen. Diese Hoffnungen wurden in den meisten Fällen bitter enttäuscht.
Nun stehen wiederum 300 000 Menschen vor einer neuen Umsiedlung. Neue Hoffnungen werden wach. Werden diese neuen Hoffnungen noch einmal eine Enttäuschung werden? Dies zu verhindern, muß die Aufgabe des Bundes und der Länder sein. Es muß verhütet werden, daß die Umsiedler nochmals in Elendsquartiere und Massenwohnungen kommen. Für diese Menschen muß eine gute und gesunde Wohnung bereitgestellt werden. Es muß dafür gesorgt werden, daß die jugendlichen Heimatvertriebenen, die bisher in einem Lehrverhältnis stehen, bei dem Wohnungswechsel in ihrem Berufe verbleiben und ihr Lehrverhältnis fortsetzen können.
({0})
Ebenso muß für jene Jugendlichen, denen durch Freistellen eine höhere Schulbildung ermöglicht wurde, diese Möglichkeit für die Zukunft erhalten bleiben.
Ich darf ferner darauf hinweisen, daß diejenigen Heimatvertriebenen, die sich konfessionell gebunden fühlen und jetzt umgesiedelt werden, tunlichst in Gemeinden untergebracht werden sollten, in denen sie ihre kirchlichen Verpflichtungen erfüllen können. Desgleichen sollten alle in ihrem neuen Wirkungskreis nach Möglichkeit wieder ihrem früher ausgeübten bzw. erlernten Beruf zugeführt werden. Die Ostern zur Entlassung kommenden Jugendlichen müssen, damit sie nicht auf der Straße liegen bleiben, in einer Lehrstelle oder in einem sonstigen Erwerbsverhältnis untergebracht werden, damit das Elend nicht noch vergrößert wird. Die Unsicherheit der Heimatvertriebenen war in der Vergangenheit schon groß genug. Bund und Länder haben daher alle Veranlassung, alles zu tun, damit diese schwergeprüften Menschen nicht noch einmal enttäuscht werden.
Namens meiner politischen Freunde erkläre ich, daß wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobaben. - Ich darf bitten, diesem Redner etwas größere Aufmerksamkeit zu schenken.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 1618 ist auf Beschluß dieses Hohen Hauses seinerzeit dem Ausschuß für Heimatvertriebene als federführend überwiesen worden. Er ist aber gleichzeitig auch im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung beraten worden. Ich habe zwar nicht diesen Ausschuß hier zu vertreten, aber die dort gemachten Ausführungen decken sich, wenigstens zum größten Teil, mit unserer Auffassung.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für Heimatvertriebene hat in § 1 des Gesetzentwurfs eine Änderung hinsichtlich der Abnahmequoten vorgenommen. Wie wir hörten, ist diese Änderung erfolgt auf Grund des Urteils eines dafür in Frage kommenden Instituts. Dieses Institut hat aber - so muß doch zugegeben werden - die Belastung des Landes Niedersachsen durch die Evakuierten der Städte Hamburg und Bremen nicht berücksichtigt. Wir können aber nicht verkennen, daß nicht nur die Heimatvertriebenen, sondern auch in gleicher Weise die Evakuierten der Großstädte die Übervölkerung dieses Gebiets verursachen. Die Übervölkerung dieser zum größten Teil rein agrarischen Gebiete hat dazu geführt, daß wir heute, wenn von einer sozialen Not oder Berufsnot der Jugend gesprochen wird, diese nicht in der Großstadt, sondern auf dem Lande zu suchen haben. Darum sind wir der Meinung, daß auf Grund dieser Tatsache die alte Fassung des § 1 wiederhergestellt werden müßte.
Dabei sind wir der Auffassung, daß eine Entlastung - gleichgültig, in welcher Weise sie auf wohnungsmarkt- oder arbeitsmarktpolitischem Gebiet erfolgt - den Einheimischen wie den Vertriebenen und Evakuierten in gleicher Weise zugute kommt.
Es war interessant, zu erfahren, daß dieses Gesetz erst dann wirksam werden könne, wenn die Mittel für den Wohnungsbau vom Bund für die aufnehmenden Länder und Großstädte vorweg zur Verfügung gestellt würden. Ich bin durchaus der Meinung und habe das auch auf kommunalpolitischer Ebene immer vertreten, daß aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Mittel für den Wohnungsbau in erster Linie dort angesetzt werden sollten, wo die Leute nachher auch Arbeit finden können. Aber ich meine, das kann uns doch, wenn wir die Folgen des Krieges auf alle Schultern gleichmäßig verteilen wollen und sollen, um nicht einzelne Gebiete zusammenbrechen zu lassen, nicht von der Verpflichtung entbinden, auch hinsichtlich der Wohnungen - das ist hier schon einmal zum Ausdruck gekommen - in der gleichen Weise so dicht zusammenzurücken, wie das in Niedersachsen, in Holstein und sicher auch in Teilen Bayerns nun schon fünf Jahre der Fall ist. Es ist vielleicht interessant, wenn ich Ihnen sage, daß Gemeinden in der Nähe von Hamburg ihren Willen, aus ihrem Kreisverband auszuscheiden und sich Hamburg anzuschließen, damit begründen, daß in Hamburg die Wohnungsverhältnisse außerordentlich viel günstiger seien. Etwas Ähnliches habe ich auch in den Landgebieten in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Sommer in einer Reihe von Fällen beobachten können.
Ich bin darum der Meinung, daß eine Umsiedlung der Vertriebenen und der Evakuierten im gleichen
Zuge erfolgen und die alte Fassung des § 1 wiederhergestellt werden muß. Als Folge davon muß die Vorlage nach dem § 1 a Abs. 2 eine Änderung hinsichtlich der Zahlen erfahren, da ich meine, daß Hamburg und Bremen ihre Evakuierten nun endlich einmal wiederaufnehmen müssen, um die schwer betroffenen Landkreise und Gemeinden der Umgegend zu entlasten. Wenn der gute Wille, wenn überhaupt der Wille vorhanden ist, so dicht zusammenzurücken, wie wir das schon fünf Jahre hindurch getan haben, dann, glaube ich, besteht dazu durchaus die Möglichkeit. Unsere benachbarten Großstädte haben doch Raum, wenn es sich darum handelt, Institutionen oder Betriebe auf zunehmen, die nachher Steuern zahlen. Wir begrüßen es auch - wenn ich das abschließend, bevor ich meinen Antrag dem Herrn Präsidenten übergebe, noch sagen darf -, daß auf Grund dieser Vorlage endlich der bisherige Zustand abgeändert werden soll, der dadurch gekennzeichnet ist, daß nur arbeitsfähige und steuerfähige Leute in den Aufnahmeländern aufgenommen werden und Niedersachsen, Holstein und Bayern das Krankenhaus und das Wohlfahrtsinstitut des ganzen Bundes darstellen. Die Kriegsfolgelasten müssen, wenn es überhaupt möglich sein soll, sie zu tragen, gleichmäßig auf alle Schultern verteilt und das Wort von der Solidarität muß darum in die Tat umgesetzt werden. Ich stelle dazu nun noch den Antrag - das ergibt sich daraus -, auch den § 5 in seiner alten Fassung wiederherzustellen.
({0})
Als nächster Redner hat der Abgeordnete Müller ({0}) das Wort.
Meine Damen und Herren! Daß die überlasteten Länder entlastet werden müssen, darüber besteht wohl in diesem Hause keine Meinungsverschiedenheit. Darüber brauchen wir also nicht zu sprechen.
({0})
Entscheidend scheint mir vielmehr die Frage zu sein - und das hat nach meiner Auffassung sowohl im Ausschuß als auch in der bisherigen Debatte im Plenum nicht die genügende Berücksichtigung gefunden -, daß die Umsiedlung so erfolgt, daß die Umgesiedelten auch in wirklich bessere Verhältnisse kommen.
({1})
Ich glaube, drüben in der Deutschen Demokratischen Republik ist die Frage bereits gelöst.
({2})
- Vielleicht überzeugen Sie sich einmal selbst, wie es eine große Anzahl von Leuten bereits getan haben! - Mir scheint also der Sinn der Debatte und der weiteren Aufgabenstellung, die in der Erfüllung dieses Gesetzes liegen, darin zu bestehen, dafür Sorge zu tragen, daß die in die Aufnahmeländer Umzusiedelnden auch wirklich Arbeit und Wohnraum bekommen.
({3})
Ich glaube, die Diskussion, die wir z. B. in der Sitzung des Ausschusses vom 19. Januar gehabt haben, war nicht nur von mir, sondern auch von Kollegen anderer Fraktionen dadurch bestimmt, dafür Sorge zu tragen, daß den Aufnahmeländern erstens die Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden und daß zum zweiten die
({4})
Umzusiedelnden auch wirklich Arbeitsplätze und damit Lohn und Brot erhalten.
({5})
- Jawohl, das wollen Sie, aber Sie haben dafür noch nicht die genügende Vorsorge getroffen.
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Ich glaube, der Herr Kollege Tichi hat vollkommen recht gehabt, als er schilderte, daß damit, daß Umsiedler verladen, aber wieder ausgeladen werden mußten, ein Zustand geschaffen worden sei, der für die Umsiedler untragbar sei.
Ich weise in diesem Zusammenhang gerade auf die Notwendigkeiten der Aufnahmeländer hin und beziehe mich auf eine Denkschrift, die das Flüchtlingsamt der hessischen Regierung in seinem „Hessen-Plan" herausgebracht hat, wo sich die hessische Regierung im Rahmen einer innergebietlichen Umsiedlung mit der Frage der Umsiedlung von etwa 100 000 Menschen in Hessen selbst beschäftigt. Sie kommt in diesem Zusammenhang zu folgenden Feststellungen:
Gerade die Städte mit der größten Wohnraumzerstörung haben die stärkste Anziehungskraft für arbeitsuchende Flüchtlinge. Die Wohnraumzerstörungen des Luftkrieges, Belegungen durch die Besatzungsmacht, Brennpunktcharakter usw. haben jedoch bewirkt, daß der Flüchtlingsanteil der- meisten hessischen Städte wesentlich unter dem Landesdurchschnitt geblieben ist. Dieser Umstand bedeutet eine fühlbare Benachteiligung der Vertriebenen, besonders jener, die aus Städten oder aus Gebieten mit vorwiegend gewerblicher Wirtschaft stammen.
Die Statistik kommt dann zu dem Ergebnis, daß
der Anteil der arbeitslosen Flüchtlinge in Hessen im
Durchschnitt 27,3 % beträgt. Selbst um diese innergebietliche Umsiedlung vornehmen zu können, wird
die Forderung erhoben, rund 25 000 Wohnungseinheiten zu bauen.
Der Herr Berichterstatter hat darauf hingewiesen, daß allein noch 400 Millionen DM fehlen, um die notwendige Wohnungszahl im Rahmen des vorliegenden Plans zur Durchführung zu bringen. Wir haben in der vergangenen Woche gehört, daß in diesem Jahre etwa 350 Millionen DM weniger zur Verfügung stehen werden. Wir sind der Meinung, daß dies nunmehr die entscheidende Aufgabe ist. In § 4 des Gesetzes wird gesagt, daß die Aufnahmeländer verpflichtet sind, die Umsiedler wohnraummäßig entsprechend den allgemeinen Wohnverhältnissen der einheimischen Bevölkerung unterzubringen und um ihre beschleunigte arbeitsmäßige Eingliederung bemüht zu sein.
Wir haben in dem Umdruck Nr. 96 einen Zusatzantrag gestellt, der verhindern soll, daß unter den Umsiedlern, die aus Bayern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen nach anderen Ländern kommen, dadurch Enttäuschung hervorgerufen wird, daß sie einfach in den Zug verladen werden - vielleicht aus einer Wohnbaracke in Schleswig-Holstein, wo sie zusammengepfercht waren - und nun etwa in die neuerbaute Kegelbahn in Garmisch-Partenkirchen, die mit 400 000 DM für die Amerikaner gebaut worden ist, oder aber in den Tanzsaal eines Gasthauses im Schwarzwald verlegt werden sollen.
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Wir wollen erreichen, daß sich die Umsiedler vorher über die Wohnraum- und Arbeitsverhältnisse
in den Aufnahmeländern informieren, damit sie
dann entscheiden können, ob nach dem Prinzip der Freiwilligkeit - und das ist der entscheidende Gesichtspunkt, der in diesem Gesetz zum Ausdruck gekommen ist und unter allen Umständen gewahrt werden muß - eine solche Umsiedlung erfolgen kann.
Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetz wird das Umsiedlerproblem nicht grundlegend gelöst.
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Es ist nur ein Mittel, um eine Entlastung
({9})
der überbelegten Länder herbeizuführen. Die grundlegende Lösung des Umsiedlerproblems
({10})
- damit beantworte ich Ihren Zwischenruf - kann nur so erreicht werden, wie ich einem Zwischenrufer bereits anfangs geantwortet habe.
({11})
Wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz, dem wir unsere Zustimmung geben werden, so durchgeführt werden muß, daß den Umsiedlern in Wirklichkeit unter den gegebenen Verhältnissen geholfen wird, daß diese Umsiedlung nicht den bisherigen Zustand aufrechterhält, sondern zu einer Besserung der Verhältnisse führt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Paschek.
({0})
- Das gilt sehr allgemein, Herr Abgeordneter Pohle.
Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie auch noch kurz in Anspruch nehme, um mir zuzuhören, dann will ich nur die Erklärung abgeben, daß wir uns in der Fraktion
({0})
für das Gesetz ausgesprochen haben und für das Gesetz stimmen werden.
({1}) - WAV!
({2})
Wenn hier einzelne Herren gegen das Gesetz oder gegen so manches gesprochen haben, wie z. B. der Herr Kollege Fink erwähnte, daß der Staatssekretär Oberländer in Bayern sich nicht für die Umsiedlung ausgesprochen habe, dann muß ich schon sagen, daß alle Zeitungen in Bayern erklärten, daß er eine Umsiedlung von 90 000 verlangte. Wenn ein Vergleich mit den Jahren 1945/46 gezogen wurde, dann, glaube ich, müssen wir erkennen, daß es sich damals nicht um eine Umsiedlung gehandelt hat, sondern um eine Vertreibung. Wenn Landräte imstande waren, dort diese große Zahl in ihre Landkreise hereinzunehmen, dann nicht, weil alles so vorbereitet war; sondern in jedem Wohnraum, der nur bestand, in jeder Dachkammer und in jedem Gasthaussaal wurden die Heimatvertriebenen untergebracht. Heute handelt es sich aber um eine normale Umsiedlung wo uns, möchte ich sagen,
({3})
nicht die Zahl maßgebend sein darf, sondern das, was allgemein erklärt wurde: der Arbeitsplatz und der Wohnraum. Ob jetzt in diesen sechs, acht oder zehn Monaten 300 000 oder 350 000 umgesiedelt werden können, mag nicht das Maßgebende sein. Entscheidend ist der geschaffene Arbeitsplatz, aber auch der Wohnraum für die Heimatvertriebenen, eine Siedlerstelle für die vertriebenen Bauern in ihrem neuen Wohnort.
({4})
Das Wort hat für die drei letzten Minuten der CDU-Redezeit Herr Abgeordneter Strauß. - Ich bitte, nicht mit dem roten Licht in Konflikt zu kommen.
({0})
Es hält bei uns, was es verspricht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Müller von der KPD wird nicht erwarten, daß wir seine Äußerungen auf diesem Gebiet ernst nehmen, bevor er nicht gemeinsam mit uns die einzig mögliche grundsätzliche Lösung anerkennt, nämlich die Rückkehr der Heimatvertriebenen in ihre angestammte Heimat.
({0})
Die Forderung. auf diese Rückkehr in die angestammte Heimat, die wir erheben, hat gar nichts mit unserem grundsätzlichen Willen und unserer grundsätzlichen Bereitschaft zu tun, in unserer Lage in der Bundesrepublik das Menschenmögliche zur Lösung dieses Problems zu tun, solange diese Forderung nicht durchgesetzt werden kann. Solange Sie aber, Herr Kollege Müller, dieser Forderung nicht zustimmen, können wir Ihre Rede als nichts anderes betrachten denn als eine Bewährungsrede - ich glaube es ist die dritte - zur völligen Rehabilitierung, die ziemlich schwerfällt.
({1})
Wir sollten uns hier - und da darf ich an eine vorhergegangene Bemerkung anschließen - nicht allzusehr über die Quoten unterhalten. Wir haben auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen wenig Vertrauen, daß dieses Gesetz geeignet sein wird, die Wünsche der überbelegten Länder - es handelt sich nicht nur um Wünsche, sondern um dringende soziale Notwendigkeiten - zu erfüllen. Man kann vielleicht sagen, es ist ein letzter Versuch, um auf diesem Wege zu einer vernünftigen Lösung im Rahmen des Möglichen überhaupt zu kommen. Wir haben nicht den Wunsch, daß sich die Umsiedlung jetzt in einer ungeordneten Weise vollzieht, aber wir müssen als Vertreter der überbelegten Länder nach wie vor darauf bestehen, daß zunächst die Gleichheit der Quote in allen Ländern in absehbarer Zeit erreicht wird. Wenn mit Vernunft und Gerechtigkeit vorgegangen wird, dann muß diese Quote später entsprechend der Arbeitskapazität und der Finanzkraft dieser Länder sogar verschieden gehalten werden. Man wird auch auf die Dauer nicht darum herumkommen, gegenüber denjenigen Ländern, die nicht bereit sind, im Rahmen ihrer Arbeitskapazität und Finanzkraft eine genügende Zahl von Heimatvertriebenen aufzunehmen, die nötigen finanziellen Schlußfolgerungen zu ziehen.
Wenn ich dem Kollegen Fink noch etwas erwidern darf, so möchte ich sagen, daß mir bei seiner Rede ein Stein vom Herzen gefallen ist. Es war zwar nicht gut von Ihnen, Kollege Fink, daß Sie in Ihrer Rede den Kater Hidigeigei erwähnt haben, denn wir vermuten nicht mit Unrecht, daß mit dem Kater Hidigeigei unser Fraktionskollege gemeint ist.
({2})
Es ist aber für einen Finken nicht gut, mit einem Kater anzubinden.
({3})
Wenn das überhaupt für einen Vogel möglich ist, dann muß er mindestens die Ausmaße eines Straußes haben.
({4})
Ich sagte eben schon - ich komme zum Schluß, Herr Präsident -, daß mir bei Ihrer Rede ein Stein vom Herzen gefallen ist, denn wenn Ihre Rede nunmehr die Verbindung zwischen Theorie und Praxis Ihrer Partei in Bayern darstellt, dann werden wir in Zukunft viel friedlicher leben, dann wird keiner mehr im Wahlkampf gegen den Lastenausgleich reden, dann wird man draußen die einzelnen Auswüchse in der Durchführung des Soforthilfegesetzes nicht mehr dazu benutzen, um daraus politisches Kapital zu schlagen.
({5})
Sorgen Sie dafür,
({6})
- Herr Kollege Seelos, Sie glauben doch nicht etwa, daß Sie mich hier aus der Ruhe bringen können; ich möchte Sie nur festnageln -, sorgen Sie dafür, daß das, was hier vom Kollegen Fink mit unserer vollen Billigung - lassen Sie sich das Kompliment doch gefallen - gesagt worden ist, zu Hause zur Praxis wird.
({7})
Meine Damen und Herren, ich habe keine Veranlassung, gegen das Wort „bayerisches Theater" einzuschreiten, da es ein Bayer ausgesprochen hat.
({0})
Damit sind die Wortmeldungen für die zweite Beratung erschöpft. Wir kommen zur Einzelberatung und Abstimmung. Ich darf annehmen, daß im wesentlichen zu den einzelnen Paragraphen das Wort nicht mehr genommen werden soll.
Ich rufe zunächst § 1 auf. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei folgenden Wortlauts vor:
Die Vorlage des § 1 Abs. 1 soll wiederhergestellt werden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Mit einer überwältigenden Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung der Drucksache Nr. 1987. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine Stimme, wie ich im Augenblick sehe, angenommen.
Ich rufe auf § 1 a. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu § 1 a liegt gleichfalls ein Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei vor.
({1})
- Es bleibt mir nichts anderes übrig, Herr Kollege Ewers, als bei den einzelnen Paragraphen über die Abänderungsanträge abstimmen zu lassen.
({2})
({3})
- Nachdem der Antrag zu § 1 Abs. 1 abgelehnt ist, wird der übrige Antrag zurückgezogen.
Ich komme zur Abstimmung über § 1 a in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 1 b, - 1 c, - 1 d, - 1 e, -1 f, - 1 g. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den Paragraphen in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Ich rufe auf § 2, - § 3, - § 4. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Angenommen.
Zu § 4 a liegt der interfraktionelle Antrag vor, dem Paragraphen einen zweiten Absatz mit folgender Fassung hinzuzufügen:
Heimatvertriebene Heimkehrer, die nach § 9
des Heimkehrergesetzes vom 19. Juni 1950
- Angabe der Stelle im Bundesgesetzblatt - bevorzugt in freie Arbeitsstellen zu vermitteln sind, haben auch Anspruch auf bevorzugte Berücksichtigung bei der Umsiedlung.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Ergänzungsantrag zu § 4 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist angenommen.
Ich lasse über den § 4 a in seiner Gesamtheit abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Angenommen.
Ich rufe auf § 4 b. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Angenommen.
Zu § 4 c liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der KPD vor, Umdruck Nr. 96. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zu § 4 c zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen drei Stimmen der anwesenden Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 4 e in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Angenommen.
Ich rufe auf § 4 d. - Die §§ 5 und 6 entfallen. -§ 6 a, - § 7, - § 8, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen und Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über das Gesetz, und zwar über die §§ 1 bis 8, Einleitung und Überschrift in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist ohne Enthaltungen einstimmig angenommen.
Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD vor:
Die Bundesregierung wird ersucht, baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der zur beschleunigten Rückführung der Evakuierten die Schaffung des erforderlichen Wohnraums in den zerbombten Städten regelt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß sich die Mitglieder des Ausschusses für Grenzlandfragen um 15 Uhr - das war vor einigen Minuten - zu einer kurzen Sitzung in Zimmer 12, Südflügel, einfinden möchten.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Oellers, Schröter und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundeshilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}).
({7})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Gülich. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf nach der Berichterstattung ohne Aussprache zu behandeln. Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Dr. Gülich ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich in zwei Sitzungen sehr eingehend mit der Finanzlage SchleswigHolsteins befaßt. Dabei hat er nicht nur den Vertreter des Landesministers für Finanzen, sondern vor allem auch die Beauftragten des Bundesfinanzministers gehört. Schon im vorigen Jahre ist mit Zustimmung des Landesfinanzministers eine Studienkommission mehrere Male in Kiel gewesen, und seit einigen Wochen ist der Vizepräsident des Bundesrechnungshofes, Dr. Haaser, fast ausschließlich in Kiel, zwar nicht offiziell nach Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes, aber so gut wie -, im Einvernehmen mit dem Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein. Ich sage das deswegen, um Ihnen, meine Damen und Herren, klarzumachen, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen sich nicht auf die Erklärungen der Vertreter Schleswig-Holsteins beschränkt hat.
Ich mache zunächst einige Bemerkungen zur Haushaltslage. Wie bereits bei der Einbringung des Gesetzes dargelegt wurde, beträgt der Fehlbetrag im Haushalt des laufenden Jahres nach Eingang von rund 110 Millionen DM aus dem horizontalen Finanzausgleich noch 70 Millionen DM, die bis zum 31. März vorhanden sein müssen. Der Ausschuß hat geprüft, ob im Landeshaushalt noch Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen gegeben sind, und hat sich davon überzeugt, daß das nicht der Fall ist. Sämtliche Gemeindesteuern liegen in SchleswigHolstein weit über dem Durchschnitt der anderen Länder. Die Rückstände an Landes- und Bundessteuern bewegen sich in Schleswig-Holstein ganz an der unteren Grenze und liegen weit unter dem
({9})
Durchschnitt der anderen Länder; ein Zeichen dafür, daß die Steuererhebung und Steuererfassung in Schleswig-Holstein sehr ernsthaft durchgeführt wird. Möglichkeiten zur Erhöhung der Einnahmen sind nicht mehr vorhanden.
Der Ausschuß hat weiter geprüft, ob auf der Ausgabenseite Einsparungen vorgenommen werden können, und sich davon überzeugt, daß alle Möglichkeiten auch hier bereits erschöpft sind. Ich darf ein paar Einzelangaben dazu machen, wobei ich aus der Fülle das Wichtigste herausgreife: Die Ausgaben im Landeshaushalt werden ja nicht zuletzt durch die große Zahl der Heimatvertriebenen hervorgerufen, die eine größere Verwaltung erfordert. Denken Sie allein daran, daß bei den Schulkindern eine wesentlich größere Vermehrung eingetreten ist als im Durchschnitt der Bevölkerung, so daß wir in unseren ländlichen Schulen überall mindestens eine Verdopplung, häufig eine Verdreifachung, manchmal eine Vervierfachung der Kinderzahl haben, was natürlich eine besonders große Zahl von Lehrern bedingt. Das sind mittelbare Kriegsfolgelasten, die sich in einem Lande, das so überfüllt ist wie Schleswig-Holstein, besonders unangenehm auswirken.
Mit Interesse hat der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen davon Kenntnis genommen, welche Einschränkungen auf dem Gebiet des Beamten- und Besoldungsrechtes in Schleswig-Holstein durchgeführt worden sind. Schleswig-Holstein kennt nicht wie andere Länder Staatssekretäre, sondern hat in jedem Ministerium einen leitenden Beamten, einen Landesdirektor, mit der Höchstbesoldung nach Gruppe B 7 a. Schleswig-Holstein kennt keine
Ministerialdirektoren und keine Ministerialräte, sondern die Abteilungsleiter der Ministerien sind Oberregierungsräte oder Regierungsdirektoren. Die Eingruppierung sowohl der leitenden wie der höheren Beamten und der Beamten des gehobenen Dienstes ist in Schleswig-Holstein durchweg niedriger als in anderen Ländern. Ministerialzulagen werden nicht gewährt. Die Sätze für Beschäftigungsvergütungen und Trennungsentschädigungen werden nur in Höhe von 50 % der früheren Reichssätze gewährt. Die Bezugsdauer für die Trennungsentschädigung ist begrenzt, Zahlung über 12 Monate hinaus nur in besonders dringlichen Fällen zulässig. Schleswig-Holstein hatte im Jahre 1948 noch 2 Millionen DM für Trennungsentschädigungen zu zahlen; jetzt sind es nur noch 600 000 DM. Beihilfen in Geburts-, Krankheits- und Todesfällen werden nur in Höhe von 50 % der früheren Reichssätze gewährt. Die Pauschalvergütungen nach dem Umzugskostengesetz werden nur in Höhe von 80 % gezahlt. Das Übergangsgeld für Angestellte nach § 16 TO A wird nur in Höhe von 80 % gewährt. Die Polizeibeamtenbesoldung ist ebenso wie die Besoldung der Berufsfeuerwehren neu geregelt worden. Die Unterhaltszuschüsse für Beamte im Vorbereitungsdienst werden nur noch bis zur Höhe der früheren Reichssätze gewährt. Schulbeihilfen für Erziehung der Kinder der Bediensteten außerhalb des Elternhauses werden nicht gegeben. Auch außerordentliche Zuschüsse zum Wohnungsgeldzuschuß werden nicht mehr gezahlt. Gehaltsvorschüsse werden nur in Höhe eines Monatsgehalts an verdrängte und ausgebombte Bedienstete, in Krankheits- und in Todesfällen und zur Beschaffung von Hausrat gewährt. Darlehen zur Beschaffung von Hausrat werden in Schleswig-Holstein nicht gegeben.
Sogar im Versorgungsrecht werden Einschränkungen gemacht: die Änderung der Ruhegehaltskala - statt 35 bis 80 % jetzt 25 bis 75 % -, die Beschränkung des Witwengeldbezugs nach dem
Lebensalter der Witwe und der Dauer der Ehe, die Herabsetzung des Wartegeldes auf 75 %, die Aufhebung des § 70 des Deutschen Beamtengesetzes: Versetzung in den Ruhestand auf Antrag nach dem 62. Lebensjahre.
Diese allein aus fiskalischen Gründen erfolgte Schlechterstellung der Beamten in stellenplanmäßiger, besoldungsrechtlicher und fürsorgerischer Hinsicht gegenüber dem Bund und gegenüber den Ländern ist auf die Dauer nicht vertretbar und führt schließlich zur Abwanderung der besten Kräfte. Seit 1947 sind die Stellenverminderungen planmäßig erfolgt. Die Zahl der vom 1. April 1947 bis 1. April 1949 im öffentlichen Dienst eingesparten Stellen beträgt 2056.
Die sächlichen Ausgaben sind seit dem Jahre 1948 in jedem Jahr planmäßig herabgesetzt worden und im Jahre 1950 noch einmal bei den Titeln 13 ({10}), 14 ({11}) und 16 ({12}) in Höhe von 5 % der Haushaltsansätze, bei den Titeln 11 ({13}), 12 ({14}), 18 ({15}) erneut um 10 % gekürzt worden. Die Bauunterhaltungsmittel sind auf 1,5 % des Friedensbauwertes herabgesetzt worden. Unbedingt nötig wären 2 %. Aber die Summe von 450 000 DM ist nicht aufzubringen.
Der Finanzausschuß hat alle diese Zahlen sorgfältig geprüft. Wie ich schon bei der Einbringung des Gesetzentwurfes gesagt habe, ist der Haushalt 1950 auf der Ausgabenseite um 64 Millionen gedrosselt worden. Für den Haushalt 1951 sind weitere Drosselungen vorgesehen, z. B. sind für Wirtschaftsförderung statt 24 Millionen nur 3 Millionen in Ansatz gebracht, was sich allerdings sehr bald in einer Minderung des Bundessteueraufkommens auswirken wird. Hier läge also eine Notwendigkeit für den Bund vor, einzugreifen. Ebenso liegen die Dinge auf dem Gebiet des Straßenbaues, der Wasserwirtschaft und des Siedlungswesens.
Ich will Sie nicht mit weiteren Einzelheiten behelligen. Ich habe diese Dinge hier vorgetragen, um Ihnen einen Einblick in das zu geben, was in diesem armen Lande tatsächlich geleistet worden ist, und um Ihnen zu zeigen, daß Einsparungen bis an die Grenze des Erträglichen gemacht worden sind. Diese ganzen Feststellungen sind von den Beauftragten des Herrn Bundesfinanzministers und vom Vizepräsidenten des Bundesrechnungshofes getroffen worden. Es ist klar, daß Schleswig-Holstein mit Finanzzuweisungen nicht endgültig geholfen werden kann, sondern daß mit Umsiedlung, Investierung und den Mitteln, die hier schon erörtert worden sind, geholfen werden muß.
Auch die Kassenlage ist sehr eingehend geprüft worden. Die Zahlen über die Kassenlage will ich Ihnen natürlich nicht geben. Praktisch sind die Kassen fast immer leer, und die Landeshauptkasse muß sich von einem Zahlungstermin bis zum anderen durchzwängen. Der Ausschuß hat aber mit Besorgnis zur Kenntnis genommen, in wie hohem Grade jetzt z. B. Handwerkerrechnungen in Schleswig-Holstein nicht mehr bezahlt werden können, weil einfach die Kassenmittel nicht ausreichen. Der Herr Bundesfinanzminister hat grundsätzlich für die Lage Schleswig-Holsteins Verständnis gezeigt; aber den Schwierigkeiten der Kassenlage ist von seinen Beamten wohl nicht immer Rechnung getragen worden. Z. B. sind im Augenblick 5 Millionen Mark nötig, um vor dem
({16})
31. März die Mittel für die Auslösung der Pächter
- im wesentlichen für das Überinventar - zu bekommen. Wird diese Summe nicht in den nächsten Tagen überwiesen, weichen die Pächter nicht, wird also die Siedlung auf den in Aussicht genommenen Höfen um ein ganzes Jahr hinausgeschoben. Man sieht, wie dringlich diese Fragen gelöst werden müssen.
Der Ausschuß ist also zu dem Ergebnis gekommen, und zwar einstimmig, daß Schleswig-Holstein geholfen werden muß. Es war nur noch die Frage, wie dem Lande geholfen werden sollte und ob der Gesetzentwurf Aussicht hat, angenommen zu werden. Wir zweifelten nicht daran, daß er im Bundestag angenommen wird. Aber das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates, und daß der Bundesrat diesem Gesetz nicht zustimmen würde, war allen Beteiligten klar. Der Ausschuß mußte sich deshalb überlegen, welche Form er dem Gesetz geben konnte, damit es der Zustimmung des Bundesrates nicht bedarf.
Infolgedessen legt der Ausschuß Ihnen Änderungsvorschläge vor. Er macht aus dem Gesetz über eine Bundeshilfe ein reines Kreditgesetz, welches jetzt heißt „Entwurf eines Gesetzes über eine Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein". Zu diesem Kreditgesetz ist die Zustimmung des Bundesrates nicht erforderlich. Daher entfallen die beiden ersten Paragraphen, und es heißt in § 3:
Der Bund gewährt dem Lande SchleswigHolstein zur Aufrechterhaltung seiner Zahlungsfähigkeit bis zum Vollzug des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1951 einen Kredit in Höhe von 70 Millionen DM.
Gestern habe ich nun mit Bestürzung festgestellt
ich darf das vielleicht jetzt sagen, Herr
Präsident; ich habe zwei kleine Anträge einzubringen -, daß das Wort „unverzinslichen" fehlt.
Tm Ausschuß war beschlossen worden, daß es sich
- wie es in der Vorlage steht - um einen unverzinslichen Kredit handeln soll. Ich stelle deshalb namens des Ausschusses den Antrag, vor „Kredit" das Wort „unverzinslichen" einzufügen.
In § 3 a heißt es:
Das Land Schleswig-Holstein ist verpflichtet, den Kredit aus den Mitteln zurückzuzahlen, die ihm auf Grund des Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern im Rechnungsjahr 1951 zufließen.
Der Finanzausschuß des Bundesrates hat sich heute vormittag mit der Drucksache Nr. 2000 befaßt. Mir ist die persönliche Information zugegangen, daß der Bundesrat, wenn das Gesetz in dieser Form beschlossen werden sollte, den Vermittlunwsausschuß anrufen werde; die Anrufung des Vermittlungsausschusses solle jedoch nicht erfolgen, wenn in § 3 a bei den Worten „den Kredit aus den Mitteln zurückzuzahlen" das Wort „insbesondere" eingefügt werde, so daß es also heißen würde: ,,den Kredit insbesondere aus den Mitteln zurückzuzahlen", welche aus dem Finanzausgleich 1P51 erwartet werden. Der Finanzausschuß des Bundesrates befürchtet sonach, daß in der jetzigen Fassung des § 3 a eine Präjudizierung des künftigen Finanzausgleichs liege. Ich trage keine Bedenken, das Wort „insbesondere" hier einzufügen, und erhebe die Einfügung des Wortes „insbesondere" zum Antrag.
Damit bin ich am Schluß meiner Ausführungen. Ich habe gestern mit Interesse gesehen - ich muß mir noch eine kleine persönliche Anmerkung gestatten -, daß diese Drucksache die Nummer 2000 trägt. Bei der Hochachtung, welche die Menschen vor dem dekadischen Zahlensystem haben, erinnerte ich mich, daß bei der Einbringung der Drucksache Nr. 1500 der Herr Bundesfinanzminister ebenfalls seine Referenz vor der großen runden Zahl machte und auf die Drucksache Nr. 1000, die berühmte „Katastrophendenkschrift", hinwies. Er glaubte damals, daß wegen ihrer Nummer die beiden Drucksachen 1000 und 1500 der besonderen Aufmerksamkeit des Hauses sicher seien. Ich bin der 'Meinung, daß auch die Drucksache Nr. 2000 Ihre besondere Aufmerksamkeit und Ihre ungeteilte Zustimmung finden wird.
Bei der Einbringung des Haushaltsgesetzes unterbrach der verehrte Herr Präsident den Minister und meinte, daß das nicht nur Zufall sei, sondern daß das Schicksal etwas gestaltet worden sei. Ich weiß nicht, Herr Präsident, ob auch bei der Nummerngebung für die Drucksache Nr. 2000 das Schicksal gestaltet worden ist; ich glaube, daß es vielmehr einem reinen Zufall zu verdanken ist, aber immerhin wird die Nummer die Wirkung haben, daß ihr besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Der Herr Minister Schäffer sagte dann, er freue sich, wenn die Menschen das Schicksal rechtzeitig ahnen und ihm den Weg bereiten. Wir können also mit Interesse erwarten, was uns die Drucksache Nr. 2500 bringt - vielleicht den Bundeshaushalt 1951? - oder was dann die Drucksache Nr. 3000 sein wird. Ich möchte nur hoffen, daß uns die Drucksache Nr. 3000 der Notwendigkeit enthebt, vor der wir bei der Drucksache Nr. 2000 stehen, wieder vor den Bundestag hinzutreten und für Schleswig-Holstein zu sprechen.
Dieses Gesetz hilft nur bis zum 31. März, am nächsten Tag, mit dem 1. April, beginnt ein neues Rechnungsjahr mit der alten Not. Möge die Drucksache Nr. 3000 einen wesentlichen Fortschritt und
- es tut mir leid, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht da ist -, vielleicht eine leichte Modifizierung des Föderalismus im Sinne einer zentralen Bundesfinanzverwaltung bringen!
({17})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und kann ihm nur bestätigen, daß dieses Mal dem Schicksal nicht hilfreich unter die Arme gegriffen wurde. Ich kann das allerdings für die Drucksachen Nrn. 2500 und 3000 nicht zusagen.
({0})
Meine Damen und Herren, nach dem Vorschlag des Ältestenrats sollte eine Aussprache nicht stattfinden. Ich rufe im Rahmen der zweiten Beratung den § 3 auf unter Berücksichtigung der vom Ausschuß vorgeschlagenen Abänderung, daß in der viertletzten Zeile vor dem Wort „Kredit" das Wort ,,unverzinslichen" stehen soll. Ich bitte die Damen und Herren, die unter dieser Voraussetzung dem § 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Soweit ich sehe, ist § 3 gegen eine Stimme, die des Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen, angenommen.
({1})
- Das war nur Verzug? Also mit Ihrer Stimme, Herr Abgeordneter!
Ich rufe § 3 a auf und bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen - auch wieder
({2})
unter dem Vorbehalt der Änderung, die der Herr Berichterstatter für den Ausschuß vorgeschlagen hat, daß in der zweiten Zeile hinter dem Wort „Kredit" das Wort „insbesondere" stehen soll - zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe § 5 sowie Einleitung und Überschrift auf und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Auch das ist angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 3, -3 a, - 5, - Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Sie sind angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über eine Bundeshilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Soweit ich sehe: einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals ({4}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch in diesem Falle vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Schulze-Pellengahr, das Wort zu nehmen.
Schulze-Pellengahr ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals, der wichtigsten künstlichen Wasserstraße des Bundesgebiets, befaßt sich der Antrag der SPD Drucksache Nr. 1329. Der Ausschuß für Verkehrswesen, dem dieser Antrag überwiesen wurde, hielt die Angelegenheit für so wichtig, daß er eine Besichtigung des Dortmund-Ems-Kanals vornahm. Der Kanal wurde bekanntlich vor rund 50 Jahren für Schiffe mit 67 Meter Länge, 8,20 Meter Breite und mit einem Tiefgang von 2 Metern gebaut; die Ladefähigkeit der Schiffe war 600 bis 720 t. Für den Verkehr war eine Kapazität von 4,5 Millionen t im Jahr vorgesehen, sie stieg aber bereits vor dem zweiten Weltkrieg an der Schleuse Münster auf rund 10 Millionen t.
In den 30er Jahren wurde der Dortmund-EmsKanal verbreitert und ein Ausbau für Schiffe mit 1500 t in Angriff genommen. Dabei ist die Südstrecke vor dem Kriege in weitem Maße fertiggestellt worden; Krümmungen wurden beseitigt, Erbreiterungen und Vertiefungen vorgenommen. Die Strecke kann praktisch bis Rheine, Bergeshövede mit Schiffen bis zu 1500 t befahren werden. Die Nordstrecke von Rheine, Bergeshövede bis Papenburg befindet sich noch im Urzustand. Das hat zur Folge, daß auf dieser Strecke nur Schiffe mit 600 bis 720 t fahren können. Die Nordstrecke von Bergeshövede bis Emden muß also jetzt ausgebaut werden, zumal auch der Kanal auf dieser Strecke dem Verfall weitgehend ausgesetzt ist und infolge Fehlens von Reparaturen befürchtet werden muß, daß eines guten Tages der Verkehr auf dem Kanal zum Erliegen kommt.
Dem Verkehrsausschuß sind bei der Besichtigung vier Projekte vorgelegt worden. Im ersten Projekt ist vorgesehen, daß nur eine Sicherstellung des Kanals in seiner bisherigen Form stattfinden und der Kanal in seiner Kapazität erhalten bleiben sollte. Dieses Projekt schließt in sich einen Neubau von einzelnen Bauwerken, so von vier Wehren, sowie einen Neubau von sieben Schleusen und von Staustufen. Es kostet im ganzen 45 Millionen DM.
Das zweite Projekt sieht den Ausbau des Kanals unter Beibehaltung der bisherigen Linienführung für Regelfahrzeuge von 67 m Länge, 8,20 m Breite, jedoch mit einer Tragfähigkeit von 1000 t und 2,5 m Tiefgang vor. Dieses Projekt würde 75 Millionen DM kosten, weil gewisse Erbreiterungen und Vertiefungen stattfinden müssen.
Das dritte Projekt sieht ebenfalls einen Ausbau des Kanals in seiner bisherigen Linienführung vor, aber für Schiffe mit 1350 t, d. h. für Schiffe von 9,2 m Breite und 2,5 m Tiefgang. Das würde 160 Millionen DM kosten.
Das vierte Projekt, das Projekt, das ursprünglich in den dreißiger Jahren vorgesehen war, bedingt eine völlig neue Linienführung auf der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals, den Ausbau eines vollkommen neuen Kanals, würde es allerdings gestatten, daß 1500-t-Schiffe auf dem ganzen Kanal von Emden bis Dortmund verkehren. Es erfordert einen Kostenaufwand von 400 Millionen DM. Für dieses Projekt sind schon in den dreißiger Jahren 40 Millionen RM für Grundstücksankauf usw. verpulvert worden. Aber das fällt oben im Emsland, in dem wunderschönen Land, nicht weiter auf; da sind die Bauplätze nicht so teuer wie an der Königsallee in Düsseldorf und an der Hohen Straße in Köln.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuß für Verkehrswesen empfiehlt Ihnen, das zweite Projekt zu verwirklichen, das in seiner Auswirkung gestattet, daß Schiffe von 1000 t auf der ganzen Linie verkehren. Dieses Projekt bewirkt, daß die jetzt schon verkehrenden 1000-t-Schiffe restlos ausgenutzt werden können und daß durch die Ausnützung der Kapazität die Flotte um 200 000 t reicher wird. Es ermöglicht ferner, daß die Schnelligkeit der Schiffe erhöht wird, so daß z. B. die Fahrt von Emden bis Dortmund um einen Tag verkürzt werden kann.
Wie gesagt, die Gefahr ist groß, daß der Dortmund-Ems-Kanal eines guten Tages durch den Ausfall eines Bauwerkes zum Erliegen kommt. Infolgedessen muß sofort und gründlich gehandelt werden, und das ganze Projekt muß in möglichst kurzer Zeit fertiggestellt werden. Unter Zugrundelegung einer Bauzeit von fünf Jahren wird vom Ausschuß für Verkehrswesen als erster Teilbetrag eine Summe von 13,5 Millionen DM beantragt. Es wird beantragt, daß diese 13,5 Millionen DM im ordentlichen Etat des Haushaltsjahres 1950/51 zur Verfügung gestellt werden. Leider stehen diese 13,5 Millionen DM im außerordentlichen Etat. Der Ausschuß für Verkehrswesen hält aber das ganze Problem für so wichtig, daß unbedingt schon in allerkürzester Zeit an die Verwirklichung des Projektes herangegangen werden muß, um diese wichtigste künstliche Wasserstraße des Bundesgebietes in ihrer vollen Lebensfähigkeit zu erhalten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Nach dem Vorschlag des Ältestenrates sollte eine Aussprache nicht stattfinden. Mir ist im übrigen ein Änderungsantrag zugegangen. Die Herren Antragsteller des Änderungsantrages verzichten auf eine mündliche Begründung. Der Antrag der Abgeordneten Schmücker, Kühling, Eckstein und Dannemann hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen:
Dem Antrag des 27. Ausschusses Drucksache Nr. 1830 ist folgender dritter Absatz hinzuzufügen:
Bei der Durchführung ist weitestgehend auf wasserwirtschaftliche Belange der Landwirtschaft Rücksicht zu nehmen.
Ich glaube, daß es einer besonderen Debatte nicht bedarf. ({0})
Meine Damen und Herren, ich lasse zunächst über den Abänderungs- bzw. Ergänzungsantrag der Abgeordneten Schmücker und Genossen abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Angenommen.
Ich komme unter Berücksichtigung dieser Abänderung zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1830. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, der jetzt also drei Absätze umfaßt, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Antrages der Fraktion des
Zentrums betreffend Neugliederung des
Bundesgebietes ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Bertram.
Dr. Bertram ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Anlaß dieses Antrages war die Beratung des Gesetzes über den Finanzausgleich. Bei der Beratung des Gesetzes über den Finanzausgleich innerhalb der deutschen Bundesländer hat sich herausgestellt, daß die finanzielle Schwäche einzelner deutscher Bundesländer noch viel weiter fortgeschritten war, als wir es angenommen hatten. Der Art. 29 des Grundgesetzes hat zum Ziele, leistungsfähige Länder zu schaffen:
({3}) Das Bundesgebiet ist unter Berücksichtigung der landsmannschaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges durch Bundesgesetz neu zu gliedern. Die Neugliederung soll Länder schaffen, die nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.
So hat es seinerzeit der Parlamentarische Rat im
Grundgesetz verankert.
Die Neuordnung des Bundesgebietes sollte zunächst durch die Vereinbarung der Länder erfolgen. Daß das damals nicht zustande gekommen ist, ist verständlich; denn es fehlte über den Ländern noch eine übergeordnete Bundesinstanz. Wenn daher später die Hohen Kommissare zwar die Billigung des Grundgesetzes ausgesprochen, aber in ihrem Billigungsschreiben erklärt haben, sie seien nicht damit einverstanden. daß Art. 29 des Grundgesetzes zur Anwendung komme, so ist das eine
Stellungnahme, die damals vielleicht verständlich gewesen ist, die uns aber jetzt als dauernde und endgültige Stellungnahme der Hohen Kommissare wahrscheinlich nicht mehr entgegentreten kann. Art. 29 des Grundgesetzes ist an sich in Kraft. Seine Anwendung ist nur durch dieses Billigungsschreiben der Hohen Kommissare einstweilen nicht möglich. Nachdem durch die Revision des Besatzungsstatutes der Deutschen Bundesrepublik weitgehende neue Rechte zugewiesen worden sind, sollte man annehmen, daß die Nichtaufhebung dieser Einschränkung tatsächlich nur ein Vergessen bedeutet, aber nicht eine grundsätzliche Konzeption der Hohen Kommissare. Dies um so weniger, als sie seinerzeit vor Inkrafttreten des Grundgesetzes mit einer Neugliederung des gesamten deutschen Raumes einverstanden gewesen waren. Wenn wir deshalb mit unserem Antrage die Bundesregierung bitten, eine entsprechende Entscheidung der Hohen Kommissare herbeizuführen, so glauben wir nicht, daß wir in dieser Beziehung auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen werden.
Es kommt hinzu, daß gerade die Neugliederung des Staatsgebietes doch eines der Grundrechte eines souveränen Staates ist, das sich nur nach innen auswirkt und deshalb irgenwelche außenpolitischen Bedenken nicht auszulösen braucht. Wenn Art. 25 des Grundgesetzes sogar deutsche Rechtsnormen dem Völkerrecht unterordnet, dann besteht für die innere Neuordnung die Konsequenz, daß' wir die Notwendigkeiten des Ganzen über irgendwelche Zufälligkeiten bei der Einzelgliederung zu stellen haben.
Die Bedenken, die von mancher Seite gegen die deutschen Fähigkeiten, den deutschen Raum neu zu gliedern, geäußert worden sind und die vor allem im Zusammenhang mit der Erörterung über das Südwest-Problem aufgetaucht sind, teile ich nicht. Art. 29 des Grundgesetzes hat nämlich ein sehr vereinfachtes Verfahren geschaffen: die Möglichkeit, durch einfaches Bundesgesetz eine Neugliederung vorzunehmen. Es ist doch anzunehmen, daß eine derartige Neugliederung in Form eines einfachen Bundesgesetzes hier eine Mehrheit finden wird. Wir müssen die Frist von drei Jahren beachten, die im Art. 29 des Grundgesetzes ausgesprochen ist. Die Vorbereitungen für die Neugliederung werden gewiß noch einige Zeit dauern, so daß wir gar nicht früh genug mit den Vorarbeiten anfangen können.
Nun hat man eingewandt, daß die Neugliederung des gesamten deutschen Raumes kein so entscheidendes und vordringliches Problem darstelle, daß wir ausgerechnet jetzt, in einer Zeit der außenpolitischen Hochspannung und der äußersten wirtschaftspolitischen Erschwernisse damit anzufangen hätten. Gerade der letzte Gesichtspunkt sollte uns veranlassen, mit aller Energie und mit aller Beschleunigung an die Neugliederung heranzugehen. Die Verwaltungsreform der Länder ist doch ein Problem, das uns unerhört stark auf den Nägeln brennt. Die Ausgaben, die für eine unzweckmäßige Verwaltung und für einen unzweckmäßigen Verwaltungsaufbau gemacht werden müssen - man denke allein an die Vielzahl von Ministerien, die bei einem Zusammenlegen der Länder verschwinden könnten -, sollten berücksichtigt werden. Die Sparsamkeitsgesichtspunkte sollten gerade in dem gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem große Anforderungen an unseren Bundesstaat gestellt werden, als dringende Notwendigkeit anerkannt werden.
Es kommt hinzu, daß ein wahrer Föderalismus auch nur in Ländern möglich ist, die ein kräftiges
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Eigenleben leben können. Wie kann aber ein Land zu einem kräftigen Eigenleben überhaupt emporwachsen, wenn es tatsächlich, wie wir es eben bei Schleswig-Holstein erlebt haben, in jedem Gesetz wieder um Hilfe des Bundes oder um Hilfe der anderen Länder oder bei allen Verwaltungsmaßnahmen um Berücksichtigung bitten muß. In diesen Fällen kann sich ein gesundes staatliches Eigenleben überhaupt nicht entwickeln. Wir laufen Gefahr, daß durch die Existenz solcher sogenannter Länder der Föderalismus als solcher und daß der wahre und gute Gedanke des Föderalismus durch die Übertreibungen, die in diesen Länderfiguren entstehen, in dem deutschen Volksbewußtsein tatsächlich weitgehend in Mißkredit gerät.
Für die Lösung zentraler Aufgaben, wie sie uns jetzt in Wirtschaft, in Verkehr, in Wohnungsbau, in Lastenausgleich, bei der Regelung der Frage der Arbeitslosen usw. entgegentreten, sind ebenfalls gesunde, starke Selbstverwaltungskörper, gesunde, starke Länder die unumgängliche Voraussetzung. Ich glaube deshalb, daß wir im Augenblick überhaupt gar kein wichtigeres und produktiveres Problem haben, um unnütze Kosten zu sparen, unnütze Reibungen zu verhindern und eine Stärkung des Staatsbewußtseins zu erreichen, als gerade das Problem der Neugliederung des gesamten deutschen Raumes.
Um zu diesem Ziel zu gelangen, bezweckt unser Antrag, das formelle Hindernis, das in dem Billigungsschreiben der Hohen 'Kommissare noch enthalten ist, zu beseitigen. Ich bitte Sie deshalb, unserem Antrage zuzustimmen.
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Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bettgenhäuser im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl dem zur Beratung stehenden Antrag eine überwältigende Mehrheit sicher ist, gestatten Sie mir doch namens der sozialdemokratischen Fraktion einige Bemerkungen. Wir sind enttäuscht, daß dieser Antrag überhaupt noch gestellt werden mußte. Wir hatten erwartet, daß zumindest bei der Revision des Besatzungsstatuts die Suspendierung des Art. 29 des Grundgesetzes aufgehoben worden wäre. Man muß sich schon ein wenig Gewalt antun, wenn man überhaupt die starke Einflußnahme der Besatzungsmächte auf diesem Gebiet noch begreifen will. Wir haben zwar manchen Unsinn aus der Situation und der Atmosphäre der Überwindung des Dritten Reiches und des Zusammenbruchs erlebt und zu erklären versucht. Aber was man hier den Deutschen in den Jahren 1946 und 1947 als Muster für eine neue staatliche Ordnung und einen neuen staatlichen Aufbau aufgepfropft hat, wird als der unerforschliche Ratschluß und Wille der Besatzungsmächte in die Geschichte eingehen. Die Vielzahl der Länder und vor allen Dingen die nicht lebensfähigen Gebilde mit der Unzahl der Minister und der damit verbundenen unnötigen Verwaltungsapparatur haben alles andere als den gewollten Zweck ausgelöst, nämlich den Deutschen die Demokratie schmackhaft zu machen. Es wird sehr oft, auch von diesem Platze aus, die Volksmeinung und der Wille des Volkes strapaziert. Wir haben uns in den vergangenen Jahren abgestrampelt und versucht, den Deutschen Demokratie, Bundesstaat, Parlamentarismus vorzudemonstrieren; und es war eines der Hauptziele der Besatzungsmächte, in
Deutschland die Demokratisierung zu fördern und durchzusetzen. Aber was man mit dem Unfug der Ländergestaltung angerichtet hat, kann kaum noch wiedergutgemacht werden. Die Kostspieligkeit, die Umständlichkeit, der unnötige Regierungs- und Verwaltungsaufwand haben niemand überzeugen können, daß dies notwendigerweise zu einer echten demokratischen Ordnung gehören muß. Im Gegenteil, weite Schichten des deutschen Volkes, insbesondere die jungen Menschen wurden abgestoßen. Hinzu kommt, daß auf der andern Seite dieselbe Konstruktion auch bei den Besatzungsmächten mit all ihren Überflüssigkeiten und Unzulänglichkeiten zu finden ist.
Es gibt deshalb auf diesem Gebiete ein echtes Anliegen des gesamten Volkes, nämlich Beseitigung dieses unmöglichen Zustandes. Es sind doch wahrhaftig keine machtpolitischen, strategischen oder gar militaristischen Überlegungen, wenn das Volk eine Flurbereinigung im Innern verlangt. Es sind einfache und nüchterne Erkenntnisse der Zweckmäßigkeit, der Billigkeit und der Sparsamkeit, die eine vernünftige Regelung verlangen. Wir können uns einfach den Luxus eines ausländischen Biedermeierkostüms nicht mehr erlauben. Wir sind vielmehr gezwungen, uns einen echten, strapazierfähigen deutschen Maßanzug zuzulegen. Das Haus, in dem wir leben und in dem wir wirken, das wir nicht so gebaut hätten, wenn wir es hätten tun können, muß möglichst in allen Stufen gleichmäßig wohnlich eingerichtet sein. Wir wollen endlich aus den Notunterkünften von damals heraus. Im Augenblick ist zwar noch nicht die Zeit, konkrete Vorschläge darüber zu machen, wie wir uns letzlich die Neugliederung denken. Aber was immer auch für Gründe und Argumente bei der Neuordnung benutzt werden sollten, ob historische Gegebenheiten oder soziale Vorstellungen, ob wirtschaftliche oder landsmannschaftliche Überlegungen, ob kulturelle Bande oder eigensüchtige Interessen - auch das soll es geben - berücksichtigt werden sollen, einen Grundsatz sollten wir als den Kardinalsatz im Hinblick auf unsere staatlichen Notwendigkeiten über alles stellen: Länder zu schaffen, die erstens groß genug sind und die zweitens auch wirtschaftlich in der Lage sind, einen ersten Ausgleich bei der Bedarfsdeckung im eigenen Gebiet durchzuführen. Wir sollten auch nichts tun, was den federzeitigen Beitritt der ostdeutschen Länder erschweren könnte.
Nun wissen wir auch - und die Gerechtigkeit gebietet, daß man es ausspricht -, daß im Jahre 1948 die Ministerpräsidenten die Gelegenheit hatten, eine den Deutschen genehme Neugliederung vorzunehmen. Auch ihr Entschluß, darauf zu verzichten, wird nicht als ein Ruhmesblatt in die Nachkriegsgeschichte eingehen. Aber noch weniger rühmlich sind die Methoden, mit denen man seit geraumer Zeit versucht, die Schaffung des Südweststaates gegen die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung in diesem Raum und gegen die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes zu verhindern. Doch auch über diese Kreise werden wir hinwegkommen; denn die Realitäten und Tatsachen sind stärker.
Ich hoffe, daß der Antrag möglichst einstimmig angenommen wird und daß die Besatzungsmächte nun bald ihre Einwände zurückstellen. Zu einem Zeitpunkt, in dem man Europa neu ordnen und den Verhältnissen anpassen will, in dem die Deutschen ebenfalls zur Mitarbeit aufgerufen sind, sollte man diese wirklich große Aufgabe nicht damit belasten, daß es den Deutschen nicht einmal gestattet wird,
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im eigenen Haus Ordnung zu schaffen. Wir wünschen und hoffen deshalb, daß wir bald an diese Arbeit herangehen können.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Mehs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der CDU/CSU möchte ich dem Inhalt des Antrages Drucksache Nr. 1966 des Zentrums voll beipflichten und ihn mit Nachdruck unterstützen. Allerdings enthält er insofern einen kleinen Schönheitsfehler, als in Zeile 2 die Worte „und Artikel 118" hinzugefügt sind. Der Art. 118 des Grundgesetzes beschäftigt sich eigentlich nicht mit der Gesamtneugliederung, sondern nur mit der Neugliederung im Südwestraum. Zweitens ist dieser Art. 118 von den Hohen Kommissaren nicht gehemmt.
Infolgedessen hat meine Fraktion einen Abänderungsantrag vorbereitet, den ich hiermit vorzulesen die Ehre habe. Es heißt da:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Hohen Kommissaren alle Schritte zu unternehmen, um die alsbaldige Anwendung des Artikel 29 des Grundgesetzes betreffend die Neugliederung des Bundesgebietes zu erreichen.
Über den Inhalt des Art. 29 möchte ich jetzt weiter nichts sagen und auch nichts über die Anwendung des Art. 118. Sie wissen, daß diese Dinge zur Zeit in dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung behandelt werden.
Aber wir begrüßen um so mehr den Antrag der Zentrumspartei, weil dadurch wirklich die ganze Angelegenheit auf eine höhere Ebene gehoben wird und weil sie zu gleicher Zeit im Zuge der Wiedergewinnung der deutschen Souveränität liegt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Zunächst liegt der Antrag des Zentrums auf Drucksache Nr. 1966 vor, dazu der Antrag der Herren Abgeordneten Mehs und Genossen:
Die Bundesregierung wird ersucht, bei den Hohen Kommissaren alle Schritte zu unternehmen, um die alsbaldige Anwendung des Artikel 29 des Grundgesetzes betreffend die Neugliederung des Bundesgebietes zu erreichen.
Dieser Antrag ist ein Abänderungsantrag. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
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- Das war mir bisher nicht mitgeteilt worden. Im übrigen ist der Abänderungsantrag angenommen worden; damit ist der Hauptantrag erledigt. Der Punkt der Tagesordnung ist ebenfalls erledigt.
Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung auf, Punkt 8:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Sicherungsmaßnahmen für den sozialen Wohnungsbau 1951 ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Erler!
Eder ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer in den letzten Wochen in der praktischen Bauwirtschaft draußen in den Städten und auf dem Lande gestanden ist, dem ist es gerade bei der Durchführung der Wohnungsbauprogramme für den sozialen Wohnungsbau klar geworden, daß wir für das Jahr 1951 - ich habe Sie bereits bei der Haushaltsdebatte des Wohnungsbauministeriums darauf hingewiesen - sehr ernsten Gefahren für den sozialen Wohnungsbau entgegengehen. Im vergangenen Jahr war die Hauptschwierigkeit die, daß wir noch keinerlei Klarheit über die Finanzierung des Wohnungsbauprogramms 1950 hatten. In dem Zeitpunkt, in dem jetzt der Bund bereits für das Jahr 1951 die Finanzierung für die erste Zeit gesichert hat, haben wir im vergangenen Jahr noch keinerlei Voraussicht darüber gehabt, in welchem Umfang der Bund in die Wohnungsbaufinanzierung einsteigt.
Das ist in diesem Jahr nicht die große Frage, um die es geht. Dieses Jahr geht es um ganz andere Probleme. Es geht darum, daß wir von der technischen Seite, von der Leistungsfähigkeit der Baustoffproduktion her ernsten Gefahren entgegengehen, die wir gemeinsam überwinden müssen. Es gibt eine ganze Reihe von Engpässen, auf die die Fachleute seit geraumer Zeit hinweisen und bei denen wir jetzt mit lediglich behelfsmäßigen Mitteln von einem Tag auf den anderen nicht mehr durchkommen. Der Wohnungsbau befindet sich in einer Krise, aus der er nur herauskommen kann, wenn wir seine zentrale Bedeutung in der ganzen Wirtschaftspolitik erkennen. Ein System der Aushilfen nützt nichts mehr. Es wird notwendig sein, daß die Bundesregierung jetzt das tut, was auch auf vielen anderen Gebieten sich als immer notwendiger erweist, nämlich alle wirtschaftspolitischen Fragen einmal im Zusammenhang anzupacken. Der Wohnungsbau ist nur ein Teilproblem. Er ist aber ein so entscheidendes, daß er bei der Beurteilung der wirtschaftspolitischen Fragen von heute eben unbedingt in den Mittelpunkt gestellt werden muß.
Man mag uns nicht sagen, wie es etwa bei der Preisdebatte hier der Fall gewesen ist, daß auch die Durchführung des Wohnungsbaugesetzes weitgehend Sache der Länder sei, um infolgedessen, wenn etwas nicht funktioniert, die Länder mit der Verantwortung dafür zu belasten. Genau so wenig wie die Länder einen Staatsanwalt auf den Staatsbürger loslassen können - und sei er ein noch so großer Sünder -, wenn der Staatsanwalt keine Gesetze hat, ach denen er handeln kann, genau so wenig können die Länder jetzt und heute in den Fragen der Beschaffung der Materialien für den Wohnungsbau etwas tun, wenn wir die entscheidenden Voraussetzungen bei der Produktion nicht wiederherstellen. Nur der Bund kann eingreifen, nur der Bund kann helfen, und zwar durch eine aktive Wirtschaftspolitik, indem man die Dinge nicht treiben und gleiten läßt, wie es ,in den letzten Wochen und Monaten schlimmer als je der Fall gewesen ist.
Darf ich Sie auf einige Engpässe aufmerksam machen! Bei allen Bauelementen, die auf der Buntmetallgrundlage beruhen, besteht heute ein sehr ernster Engpaß. Sie sind kaum noch aufzutreiben oder nur zu phantastischen Preisen, und so manches Bauvorhaben kann nicht fertiggestellt werden, weil es an diesen Buntmetallen und den
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daraus hergestellten Dingen fehlt. Woran das liegt, wissen wir. Die Verantwortung dafür trägt in Deutschland niemand. Das ist die Folge der Entwicklung, die sich auf dem Weltmarkt durch die zugespitzte militärische Situation in Korea herausgestellt hat. Aber wir werden dieser Dinge nur Herr, wenn wir das, was wir an Buntmetallen noch auftreiben können, dann nicht in die Hortungskanäle versickern lassen, wenn wir dafür sorgen, daß die wesentlichen Dinge daraus hergestellt werden, wenn wir also - mit einem Wort - dafür sorgen, daß das wenige, was uns an solchen Mitteln noch zur Verfügung steht, sinnvoll verwendet, d. h. den volkswirtschaftlich dringendsten Aufgaben zugeführt wird und nicht dorthin geht, wo der höchste Gewinn damit erzielt werden kann.
Einen zweiten Engpaß bilden all die Dinge, für deren Herstellung die Baustoffindustrie Kohle benötigt. Ich darf Sie nur an die Ziegel erinnern, ich darf erinnern an die stark kohlegebundenen Baustoffe wie den Zement, und ich darf an eine ganze Reihe vorfabrizierter Bauelemente erinnern, die alle mit Kohle hergestellt werden. Die Baustoffwirtschaft in Deutschland ist seit Wochen in einer sehr ernsten Kohlenklemme. Sie erhält seit Monaten nur ein Drittel der Kohlenmengen, die sie zur vollen Ausnutzung ihrer Kapazität braucht. Ich will Ihnen als Beispiel die Lieferfristen für Baueisen nennen. Wir sind heute bereits bei Lieferfristen von 12 bis 20 Monaten angelangt.
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Für Bleche, auch für Bleche, die wir in der Bauwirtschaft brauchen, betragen die Lieferfristen 24 Monate.
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Für Dachziegel wird eine Lieferfrist von 12 Monaten gefordert.
Die Zahlen der Baustoffproduktion sprechen für sich selbst. Ich werde Ihnen einige wenige Zahlen vortragen. Die Zementproduktion ging vom Oktober 1950 bis Januar 1951 von 1 189 000 t zurück auf 599 000 t, das ist die knappe Hälfte. Die Produktion an Mauerziegeln ging im gleichen Zeitraum von 454 Millionen Stück zurück auf 248 Millionen Stück; das ist wieder nur die. gute Hälfte. Die Produktion an gebranntem Kalk sank von 505 000 t im Oktober auf 331 000 t im Dezember 1050.
Die wesentliche Ursache ist die Unterversorgung der Produktionsstätten dieser Dinge mit Kohle. Das Entscheidende ist also, daß wir uns darüber im klaren sind, wie wir - auch darauf habe ich seinerzeit schon hingewiesen - uns jetzt bei der Verteilung der uns übriggebliebenen Kohlenmenge entzchließen, ob wir gewillt sind, dem Wohnungsbauprogramm, insbesondere dem sozialen Wohnungsbauprogramm, die Priorität zuzubilligen, die ihm in unserer gesamten Volkswirtschaft gebührt.
Ein anderer Engpaß liegt bei Holz vor. Die Holzpreise sind stark angestiegen; darüber werde ich noch einige Worte sagen. Aber es ist nicht nur die Versorgung zu überteuerten Preisen, auch die uns zur Verfügung stehende Menge bereitet uns ernste Sorgen. Die Abholzung unserer Wälder setzt der Versorgung der Bauwirtschaft mit Holz sehr natürliche Grenzen. Es wird also darauf ankommen, alle holzsparenden Bauweisen stärker zu entwickeln, als das bisher der Fall ist.
Der Wohnungsbau ist in die gesamte Dynamik einer lebendigen Volkswirtschaft eingefügt, er kann nicht isoliert betrachtet werden, das wissen wir auch. Aber in allen großen Industrieländern hat man seit über 25 Jahren, seit der Zeit nach dem ersten Weltkriege, erkannt, daß der Wohnungsbau einen besonderen, eigenständigen Bereich darstellt, an dem eben nicht mit den sonst üblichen wirtschaftlichen Dogmen herumkuriert werden kann, ganz gleich, auf welchem Gebiet hier ein Dogma walten mag. Ob es das reine Planungsdogma in dem einen Land, ob es das reine Marktwirtschaftsdogma in dem andern Land sein mag, für den Wohnungsbau gelten in allen Industrieländern eben andere Gesetze, weil man erkannt hat, daß der Bau von Wohnungen genau wie das Brot auf dem Tische des kleinen Mannes eine politische Frage ist, und zwar durchweg in allen modernen Kulturstaaten. Deutschland darf darin keine Ausnahme machen.
Was wollen wir nun tun? Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen einen Antrag vorgelegt, in dem wir einmal versucht haben, eine Art Sofortprogramm zu skizzieren, damit wir der drängendsten Sorgen einigermaßen Herr werden. Wir fordern
a) sofort Maßnahmen und Anordnungen zu treffen, daß
1. die Baustoffindustrie bevorzugt gefördert und sie insbesondere mit Kohlen und Rohstoffen so versorgt wird, daß sie ihre Produktionskapazität voll ausnutzen kann.
Daß die Produktionskapazität nicht ausgenutzt ist und daß das im wesentlichen eine Frage des Kohlenmangels ist, habe ich Ihnen schon dargelegt. Wir meinen aber, daß es sich dabei nicht um einen einmaligen Akt handeln darf, sondern daß es entscheidend darauf ankommt, alle wirtschaftspolitischen Mittel einzusetzen, um einen kontinuierlichen Produktionsfluß der Baustoffindustrie herzustellen. Ein einmaliger Stoß nutzt nichts, sondern wir müssen die Programme so aufeinander abstimmen, daß wir für die gesamte Bautätigkeit, die sich j a über das ganze Jahr hin erstreckt, die Baustoffe immer da und in ausreichender Menge zur Verfügung haben, wo wir sie brauchen. Dazu gehört heute nun einmal in erster Linie die Versorgung mit Kohle. Dabei wollen wir Ihnen besonders in Erinnerung bringen, daß die für die Baustoffindustrie monatlich erforderliche Kohlenmenge insgesamt die Förderung von eineinhalb Tagen umfaßt. Das ist viel. Aber bei der Schlüsselstellung, die dem Wohnungsbau in Deutschland heute zukommt, glaube ich, sollten wir alle uns dieses Opfer auferlegen. Wir gehen sonst ohne Vorräte an Baustoffen in die neue Bausaison hinein. Wenn wir nicht rasch energische Lenkungs- und Steuerungsmaßnahmen für die Versorgung der Baustoffindustrie mit Rohstoffen und Kohle ergreifen, besteht die Gefahr, daß die Bausaison in diesem Jahr gar nicht erst anläuft.
An zweiter Stelle fordern wir Maßnahmen, die für den sozialen Wohnungsbau alle notwendigen Baustoffe, Bau- und Einrichtungsteile in Höhe des Bedarfs für 1951 zur Verfügung stellen, damit der kontinuierliche Fortgang der Bauarbeiten gewährleistet ist. Es hat keinen Sinn, ein Bauvorhaben zu beginnen und dann damit rechnen zu müssen, daß die Baustoffe heute und morgen zur Verfügung stehen, daß es aber dann, wenn man schließlich bis an das Dach gekommen ist, etwa an den Dachziegeln fehlt. Es wird alles darauf abgestellt werden müssen, dafür zu sorgen, daß der kontinuierliche Gang - darauf lege ich besonderen Wert - des Baues an der Baustelle gesichert bleibt und daß es hier eben gerade beim sozialen Woh({6})
nungsbau, keine Schwierigkeiten in der Versorgung mit Baustoffen gibt.
An dritter Stelle haben wir die Aufmerksamkeit auf die Preise gerichtet. Wir wünschen, daß die Preise für alle im Wohnungsbau benötigten Baustoffe und anderen Güter gebunden werden und jegliche Spekulation ausgeschlossen wird. Es handelt sich hierbei mit Ausnahme der Buntmetalle um Erzeugnisse unserer eigenen Wirtschaft. Es ist nicht einzusehen, warum wir die von der allgemeinen Preisentwicklung auf dem Weltmarkt abhängig machen sollen, wenn wir diese Dinge gar nicht draußen kaufen. Darf ich Ihnen das Ausmaß der Preissteigerungen, das wirklich den Wohnungsbau im ganzen bedroht, an einigen Beispielen vor Augen führen. Die Preise für einige Baustoffe sind in der Zeit vom 21. Dezember 1950 bis zum 21. Januar 1951, also nur in einem einzigen Monat, bei Zement um 12,7 % gestiegen, bei Kalk um 10,8 %, bei Schnittholz um 6,6 %, für Mauersteine um 1,8 % und für Dachziegel um 1,9 %. Sie können Baustoffe herausgreifen, welche Sie wollen, Sie kommen insgesamt immer wieder zu der gleichen Beobachtung, daß bei allen Baustoffen in einem Monat eine Preissteigerung eingesetzt hat, die natürlich von den Bauenden in ihren Gedanken in die Zukunft hineinprojiziert wird, so daß heute schon eine wesentliche Lähmung der Bauprogramme eingetreten ist. Eine ganze Reihe von Bauvorhaben des Wohnungsbaues sind nicht begonnen worden, weil die rasante Preisentwicklung dazu geführt hat, daß alle Finanzierungsberechnungen über den Haufen geworfen worden sind. Man wagt eben unter diesen Umständen nicht, den Bau zu beginnen. Wir werden uns also entschließen müssen, die Preise auf diesem Gebiet in die Hand zu bekommen. Der Staat selbst gibt auf dem Holzmarkt ein böses Beispiel. Er selber ist Großverkäufer und erhöht die Preise, obwohl er sich mit marktkonformen Mitteln, nämlich in seiner Eigenschaft als Verkäufer, durchsetzen könnte.
Wir wünschen weiter ein zeitliches Abstimmen aller Bauprogramme aufeinander, damit nicht wie bisher die einzelnen Bauträger ohne eine echte Verbindung miteinander ihre Programme gestalten und damit wir hier die Preise und die Inanspruchnahme der Bauwirtschaft aufeinander abstimmen können. Das Nähere finden Sie in Punkt 4 unseres Antrags.
Ganz besondere Aufmerksamkeit bitten wir dem Punkte b) unseres Antrages zu widmen, wonach die Bundesregierung sofort Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren führen soll mit dem Ziel, auch die Bauvorhaben der Besatzungsmächte mit unseren Bauprogrammen abzustimmen, denn dort sieht es besonders böse aus. Wir müssen die Hohen Kommissare darüber unterrichten, daß der Wohnungsbau ein Teil der deutschen Sicherheit ist. Es hat keinen Sinn, wenn wildgewordene Intendanten an irgendwelchen Stellen der Bundesrepublik für Bauvorhaben, deren Wert noch höchst zweifelhaft ist und die noch lange nicht mit uns abgesprochen sind, sich Baustoffmengen reservieren, die in gar keinem Verhältnis zu den echten Notwendigkeiten stehen und uns damit die Kapazitäten stehlen, die Lager irgendwo füllen, die Baustoffe verkommen lassen und andererseits die Preise in die Höhe jagen.
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Wir hoffen und wünschen, daß die Bundesregierung bis zu einem Termin, den wir ihr setzen, dem Hause ein Gesamtprogramm für die Lösung all dieser Fragen vorlegen kann. Wir befürchten, daß mit marktwirtschaftlichen Mitteln allein man hier keine Lösung wird finden können. Dann muß man den Mut haben, eben zu weitergehenden Schritten zu kommen, um den Wohnungsbau zu retten. Scheitert der Wohnungsbau 1951 - darüber dürften wir uns doch alle einig sein -, dann sind alle Anstrengungen für die innere und äußere Sicherheit der Bundesrepublik vergeblich. Das Schlüsselproblem für die wirtschaftliche und soziale Gesundung der Bundesrepublik und damit für die Abwehr der inneren und äußeren Gefahren ist und bleibt - das haben wir seinerzeit bei den Gesetzesberatungen dargelegt - der soziale Wohnungsbau,
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und ihn zu retten soll unser Antrag dienen.
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Für die nachfolgende Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Huth.
Herr Präsident! Meine Damen' und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung vom 28. März 1950 das Erste Wohnungsbaugesetz einstimmig verabschiedet. Diese Tatsache kennzeichnet am dringlichsten die gegenwärtige Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt; denn einzig und allein das Wissen um die katastrophalen Verhaltnisse auf dem Wohnungsmarkt hat diese Einheit geschaffen. Wenn wir nun mit dem Ergebnis der Bautätigkeit im sozialen und im steuerbegünstigten Wohnungsbau im vergangenen Jahr zufrieden sein dürfen, so fehlt uns aber für dieses Jahr noch der Silberstreifen am Horizont, der uns befriedigt aufatmen ließe. Ja, meine Damen und Herren, ohne schwarzzumalen müssen wir im gegenwärtigen Augenblick feststellen, daß sich statt des Silberstreifens dunkle Wolken am Horizont abzeichnen. Im zuständigen Wohnungsbauausschuß haben wir schon seit Monaten über dieses Problem gegrübelt.
Heute liegt uns in der Drucksache Nr. 1970 ein Antrag der SPD vor, in dem sich in den einzelnen Punkten die Probleme abzeichnen, die das Kernstück oder besser gesagt die Voraussetzungen bilden, die zuvor von der Regierung zu erfüllen sind, um das Jahr 1951 im sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau erfolgreich zu bestehen. Als tiefste Ursache der Schwierigkeiten wurde eben bereits Korea genannt. Dieses Wort Korea haben wir schon oft gehört. Mit ihm benennen wir das Geschwür an unserem Volkskörper, das uns auch auf diesem Sektor ungeheure Schmerzen bereitet.
Wir unterstützen den Antrag der SPD, weil es selbst unser tiefstes Anliegen ist, daß hier Wandel geschaffen wird. Die Bauwirtschaft ist der Schlüssel zur Gesamtindustrie. Es ist hier dringend erforderlich, daß Wiederaufbau- und Wirtschaftsministerium mehr Hand in Hand arbeiten. Mit einer Erfüllung von nur etwa 50 % der Anforderungen z. B. auf dem Eisensektor können wir unter keinen Umständen den Erfordernissen auf dem Bausektor im Jahre 1951 Rechnung tragen. Hier muß dringend ab sofort Wandel geschaffen werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß die Baustoffindustrie den gestellten Anforderungen voll und ganz nachkommen kann; und sie kann diesen Anforderungen nur nachkommen, wenn ihr die genügende Kohlen({0})
menge zur Verfügung gestellt worden ist, wie das schon mein Vorredner ausgeführt hat; denn die Baustoffindustrie hat in diesem Jahr nicht nur das Programm auf dem Sektor des sozialen Wohnungsbaus, sondern darüber hinaus noch ein weiteres Programm zu erfüllen, das auch wieder durch Korea ausgelöst wurde, und zwar müssen die Kasernenverdrängten neue Wohnungen bekommen. Hierfür ist der Betrag von einer Milliarde DM bereits überschritten, was ein bedeutendes Mehr an Baustoffen erfordert hat. Die Alliierten selbst erstellen unzählige militärische Bauten, deren Kosten allerdings durch die Haushalte der Besatzungsmächte bezahlt werden, die aber andererseits unsere Baustoffindustrie wesentlich belasten.
Das allererste Erfordernis, um diese Mehrproduktion zu erzielen, ist also, wie gesagt, Kohle, Kohle und nochmals Kohle. Wie sieht es nun auf diesem Gebiet aus? Während der tatsächliche Kohlenverbrauch der Steine- und Erden-Industrie im letzten Quartal des vergangenen Jahres 1 325 509 t betrug, wurden die genannten Richtmengen des ersten Vierteljahres nur mit 727 400 t festgesetzt, so daß sich ein Fehlbetrag von 598 109 t ergibt, der sich dadurch noch erhöht, daß die Richtmengen teilweise nur in Bruchteilen ausgeliefert werden. Diese unzureichende Belieferung mit Kohle hat schon im gegenwärtigen Stadium dazu geführt, daß die Baustoffindustrie nicht in der Lage ist, die aus jahreszeitlichen Gründen relativ geringen laufenden Bedarfsmengen zu liefern, während sie normalerweise in diesen Monaten auf Lager arbeitete, um dann in der Hauptsaison den erforderlichen Spitzenbedarf so wie erforderlich decken zu können. Vorräte an Baustoffen sind aber heute so gut wie gar nicht vorhanden.
Infolge der ungenügenden Kohlenzuteilung könnte also der Bedarf für den sozialen Wohnungsbau im Jahre 1951 gar nicht gedeckt werden, wenn das Bauvolumen lediglich die Höhe von 1950 erreichen würde. Da aber, wie eben schon ausgeführt, eine wesentliche Erhöhung des Bauvolumens für das Jahr 1951 durch die Bauten für die Kasernenverdrängten, durch die militärischen Bauten, für die wir auch die Baustoffe zu liefern haben, eingetreten ist, ist ein Mehr von rund 380 000 t erforderlich, und zwar gegenüber der bereits angeführten Fehlmenge von 598 109 t.
Meine Damen und Herren, es dürfte uns allen klar sein, daß es so, unter diesen Verhältnissen, nicht weitergehen kann. Da allerdings nicht wir allein über die Kohle bestimmen, ist hier einzig und allein dadurch Wandel zu schaffen, daß die Ruhrbehörde ein Einsehen hat. Wenn eben verlangt wurde, der Bund solle helfen, so darf ich dazu sagen: es erscheint mir dringend erforderlich, daß unsere Regierung erst einmal diesbezüglich mit der Ruhrbehörde über die Freigabe weiterer Kohlenmengen verhandelt; denn sonst sind wir nicht in der Lage, den erweiterten Baustoffansprüchen nachzukommen.
Soll die deutsche Bevölkerung da zurückstehen, sollen wir weiterhin die deutsche Bevölkerung in den Bunkern belassen und die durch die bewilligte Kohle erzeugten Baustoffe für militärische Bauzwecke verwenden? - Meine Damen und Herren, für'uns ist im Augenblick das wichtigste der soziale und steuerbegünstigte Wohnungsbau, und er soll auch für uns die Aufgabe Nummer eins bleiben.
Wenn nun zu a) 4. und b) in dem Antrage gefordert wird, daß
alle Wohnungsbauten des Bundes, auch diejenigen für Besatzungsangehörige, Besatzungsverdrängte, verschleppte Personen, sowie die Bauten für weitere Besatzungszwecke durch das Bundesministerium für Wohnungsbau so aufeinander abgestimmt werden, daß der Wohnungsbau und das Preisgefüge auf dem Baumarkt nicht beeinträchtigt werden,
und daß diesbezüglich mit den Hohen Kommissaren Verhandlungen aufzunehmen sind, so darf ich feststellen, meine Damen und Herren, daß in den darin gekennzeichneten Dingen schwere Hemmnisse für den Wohnungsbau für unser deutsches Volk liegen. Es ist ein Hemmnis in zweifacher Hinsicht, einmal in der übergroßen Zahl von Bauten für Besatzungsangehörige, zum andern in den Kosten der Besatzungsbauten, die ein Vielfaches derer der Wohnungseinheiten des sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbaues betragen. Hierüber ist am 15. . Dezember durch den Vorsitzenden des Wohnungsbauausschusses ausführlich berichtet worden. Er hat damals ausgeführt, daß für eine dreiräumige Wohnung für die deutsche Familie zirka 10 000 DM verausgabt werden müssen, während für einen Unteroffizier mit Familie 46 000 DM, für einen Offizier mit Familie 71 000 DM und für einen Stabsoffizier mit Familie 172 000 DM verausgabt werden müssen.
Wer je Gelegenheit hatte, sich in den Ländern umzuschauen, aus denen unsere jetzigen Sicherheitstruppen kommen, und die Wohnverhältnisse dort zu studieren, der wird mir zugeben müssen, daß unsere normalen Wohnungen, d. h. die, die auch jetzt im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt werden, im Vergleich zu dem Wohnraum der breiten Masse z. B. in den Ländern Belgien und Frankreich und selbst auch zum Wohnraum in England einen Luxus darstellen. Was aber in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiete gefordert und ausgeführt worden ist, ist ein nicht mehr zu vertretender Luxus. Es dürfte nunmehr für die Sicherheitstruppen gut sein, in einen bescheideneren Rahmen zurückgeführt zu werden, damit sie sich dem heimatlichen Milieu nicht zu sehr entfremden.
Unsere bisherigen Anwürfe nach dieser Seite hin sind ungehört verhallt. Wenn man uns als Partner gewinnen will, wenn man sogar unseren aktiven Beitrag wünscht, dann ist es erforderlich, auf der Gegenseite auf dem Gebiet der Wohnansprüche eine Gleichheit herbeizuführen, d. h. daß man seine Wünsche dem angleicht, was den Deutschen kraft Gesetzes zugestanden wird. Es dürfte für den Deutschen Bundestag an der Zeit sein, von sich aus abzulehnen, daß für Ausländer, wer immer es auch sein mag, aus deutschen Mitteln größere Räume erstellt werden, als es durch das Erste Wohnungsbaugesetz festgelegt worden ist.
Diese Richtlinien möchten wir der Regierung mit auf den Weg geben. Bei ihren Verhandlungen mit der Hohen Kommission ist es dringend erforderlich, auch auf mancherlei Widerwärtigkeiten hinzuweisen. Es geht nicht an, daß bei der inter-alliierten Kommission die Bauvorhaben einmal von irgendeinem Polizeimajor, ein andermal von einem Pionieroberst und dann wieder von diesem oder jenem Beamten ausgeführt werden. Hier muß dringend eine zentrale und straffere Lenkung gefordert werden. Der interministerielle Ausschuß sollte das ebenfalls auf die hier im Antrag der SPD aufgestellten Forderungen abstimmen. Wir begrüßen die Forderung, daß uns das Wiederaufbauministerium zum 1. April einen Bericht geben soll, denn die deutsche Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf,
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von uns darüber unterrichtet zu werden, was auf diesem Gebiet geschieht. Wir begrüßen diesen Antrag, unterstützen ihn und fordern, daß er außer der Regierung auch dem Ausschuß für Wohnungsbau zugeleitet wird.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD berührt eine Reihe der für den Wohnungsbau wichtigsten Punkte. Er berührt nicht alle, wie wir wissen. Da ich annehme, daß der Antrag dem Ausschuß zur Beratung überwiesen wird, darf ich nur ganz kurz erwidern und anführen, was bisher geschehen ist.
Seitdem die Kohlenverknappung eingetreten ist, habe ich darauf gedrängt, daß die Kohlenzuteilungen an die Baustoffindustrie etwa in der Höhe der Zuteilungen des letzten Vierteljahres des letzten Jahres erfolgen. Das ist bisher nicht gelungen. An Stelle von etwa eineinhalb Millionen t sind etwa 750 000 t Kohle oder Steinkohlenwert zugeteilt worden. Auf meine dringende Bitte hin ist die Zuteilung für dieses Vierteljahr vom Herrn Wirtschaftsminister dankenswerterweise nochmals um 75 000 t erhöht worden. Da mir - wie allen Sachverständigen - diese Menge nicht genügend erscheint, ist heute von meinem Ministerium eine Vorlage an das Bundeskabinett gemacht worden, in der wir fordern, bei der Zuteilung von Kohle an die Industrie der Steine und Erden, an die Zement- und Ziegelindustrie usw. einen ganz andern Maßstab anzulegen und die volle Zuteilung zu erwirken.
Zum zweiten Punkt. Herr Erler hat den Antrag begründet und dabei darauf hingewiesen, daß die Wohnungswirtschaft zwar seit dem letzten Krieg immer eine Sonderstellung einnimmt, daß sie aber aus dem Verband der Gesamtwirtschaft nicht herausgelöst werden kann. Das Bundeskabinett bereitet - nicht nur auf diesem Gebiet - eine Reihe von Maßnahmen vor, die lenkend auf die Gütererzeugung und auf den Güterstrom einwirken sollen, damit die Güter dahin kommen, wohin sie gehören. Ich werde dafür sorgen, daß der Verkehr mit Baustoffen diesen Bestimmungen unterliegen wird. Man wird u. a. auch Verwendungsverbote und Bauverbote erlassen müssen, um für die wichtigsten Vorhaben, vor allem für den sozialen Wohnungsbau, Baustoffe zu haben.
Bei Punkt 3 kann ich mit den Antragstellern nicht übereinstimmen. Wir sind uns einig in dem Gedanken, daß die Preise eingefangen werden müssen. Von einer Bindung der Preise, wie wir sie früher hatten, verspreche ich mir aber nichts. Sie werden bei den erhöhten Preisen gewisse Momente, die sich etwa beim Zement in der Höhe der Sackpreise wegen der stark gestiegenen Zellulosepreise auswirken, nicht wegbekommen. Soweit sich Lohnerhöhungen in den Preisen ausdrücken, werden sie auch diese nicht ausschalten können. Heute sind aber viele Preise - das ist örtlich außerordentlich verschieden - weit über das begründete Maß hinaus gestiegen. Darauf wird voraussichtlich ein Rückschlag erfolgen, weil die Aufträge für Hochbauten gar nicht so groß sein werden, wie man in manchen Kreisen glaubt. Hier wird auch die Krediteinschränkung wesentlich dazu beitragen, daß Vorräte, die jetzt zurückgehalten werden, auf den Markt kommen.
Mein ernstes Anliegen wird es auch sein, mit den Ländern zu einer verständigen Regelung der Holzpreise zu kommen. Aber hier ist die Möglichkeit einer Einflußnahme des Bundesministers gegenüber den Länderfinanzministern sehr gering, deren Interesse wegen der Länderfinanzen bei den Holzpreisen in anderer Richtung geht als das von mir vertretene Interesse.
Zum vierten Punkt darf ich mitteilen, daß die Bundesregierung bei den Hohen Kommissaren darum gebeten hat, einem bei der Bundesregierung zusammengetretenen Ausschuß, der einen Überblick über die großen Bauvorhaben gewonnen hat, und deren Koordinierung einleitet, einen entsprechenden Ausschuß der Besatzungsmächte entgegenzusetzen, um die Bauvorhaben zeitlich und räumlich aufeinander abzustimmen. Wir haben auch den Wunsch gehabt, daß die Besatzungsbauten nicht in eigener Regie der Besatzungsmächte, sondern als Auftragsbauten durch deutsche Stellen ausgeführt werden. Leider haben wir damit bisher keinen Erfolg gehabt; dieses Verlangen ist abgelehnt worden. Aber - damit komme ich zu Ziffer 4b - wir werden diese Frage sehr nachdrücklich weiterverfolgen; denn sonst werden nicht nur unsere eigenen Bauvorhaben, der soziale Wohnungsbau, sondern auch die Durchführung der Besatzungsbauten in kurzer Zeit gefährdet sein.
Zu Ziffer 4c des Antrags. Meine Damen und Herren, ich bitte dringend, den Wohnungsbauminister nicht auf einen bestimmten Termin festzulegen, weil ein großer Teil der hier angeschnittenen Fragen mit den gesamtwirtschaftlichen Fragen in Zusammenhang steht, die in kurzer Zeit entschieden werden müssen. Ich bitte aber, mir zu glauben, daß es mein vitales Interesse als Verantwortlicher für den Wohnungsbau ist, diese Fragen so bald wie möglich zu entscheiden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie statt eines bestimmten Termins etwa die Worte „alsbald" oder „sofort" oder „in möglichst kurzer Zeit" verwenden würden. Ich möchte nicht in die Schwierigkeit kommen, einen Termin, den das Hohe Haus gesetzt hat, nicht einhalten zu können. Daß wir hier sehr rasch handeln müssen, darüber besteht zwischen der Bundesregierung oder dem Wohnungsbauministerium und dem Hohen Hause keine Meinungsverschiedenheit.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Von Herrn Abgeordneten Huth ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen gestellt worden. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist damit angenommen.
Ich habe noch einige Bekanntmachungen zu verlesen.
Die Parlamentarische Sektion der Europäischen Parlamentarischen Union veranstaltet ihre Sitzung nicht heute, sondern am Dienstag.
Vom Ausschuß für Arbeit wird mitgeteilt, daß die gemeinsame Sitzung des Ausschusses für Arbeit und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik am Montag, dem 12. März 1951, 17 Uhr, im Bundeshaus stattfindet.
Damit sind wir am Ende unserer Tagesordnung angelangt.
Ich berufe die nächste, die 125. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Freitag, den 9. März, 10 Uhr. Die 124. Sitzung ist damit geschlossen.