Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 122. Sitzung des Deutschen Bundestags. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Wirths, Wittmann, Brandt, Dr. Suhr, Frau Schroeder ({0}), Dr. Reif, Dr. Blank, Görlinger, von Knoeringen und Wagner, die beiden letzteren zugleich auch für die gestrige Sitzung.
Zur heutigen Tagesordnung darf ich auf folgendes hinweisen:
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß Punkt 4 der heutigen Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Vermittlungsausschusses über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft ({0}), abgesetzt und in der nächsten Woche - am kommenden Mittwoch - auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Weiterhin ist vorgeschlagen, den von der gestrigen Tagesordnung abgesetzten Punkt: erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft - Nr. 1969 der Drucksachen in der Neufassung, die Ihnen inzwischen zugegangen ist - als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.
Vom Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist mir vorgeschlagen worden, den Mündlichen Bericht dieses Ausschusses über Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann, Drucksache Nr. 1992, der Ihnen ebenfalls vorliegt, auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit diesen Änderungen der Tagesordnung einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich weise weiter darauf hin, daß der Vorsitzende des 26. Ausschusses bekanntzugeben bittet: Die für Freitag, den 2. März, vorgesehene Sitzung des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen fällt wegen wichtiger Fraktionssitzungen aus und wird auf Donnerstag, den 8. März, verlegt.
Schließlich weise ich darauf hin, daß die sonstigen amtlichen Mitteilungen, wie üblich, ohne Verlesung ins Protokoll aufgenommen werden.
Ich rufe auf den neuen Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft ({1}).
Ist diese Drucksache verteilt worden?
({2})
- Da im Ältestenrat vereinbart war, daß dieser Gesetzentwurf ohne Aussprache an den zuständigen Ausschuß verwiesen werden soll, können wir es wohl riskieren, ihn begründen zu lassen, ohne daß die Drucksache im Augenblick vorliegt. Ich nehme an, daß die Drucksache sofort verteilt wird.
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker das Wort.
Dr. Preusker ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Auch ohne daß Ihnen die Neufassung der Drucksache Nr. 1969 im Augenblick bereits vorliegt, kann das Haus beschließen, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, da in diesem Ausschuß doch noch eine Reihe von Punkten geklärt werden muß. Der Gesetzentwurf soll der Verhinderung eines völlig ungeregelten Zustandes auf dem Treibstoffgebiet nach dem 31. März 1951 dienen, der eintreten würde, wenn nicht gewisse Bestimmungen dieses Entwurfes Gesetz werden.
Wir haben in dem Sicherungs- und Überleitungsgesetz nur die Möglichkeit, Regelungen bis zum Bereich der gewerblichen Wirtschaft zu treffen, nicht aber Maßnahmen bis zum Endverbraucher, wie es auf dem Gebiet der Treibstoffversorgung leider nach wie vor erforderlich ist. Diese Regelung bedarf im übrigen der größten Eile. Dieses Gesetz müßte daher alsbald in zweiter und dritter Lesung beraten und noch so rechtzeitig verabschiedet werden, daß der Bundesrat die Möglichkeit hat, sich noch vor den Osterferien mit dem Gesetz zu befassen.
Im übrigen soll dieses Gesetz der Ausführung der wiederholt von der Bundesregierung abgegebenen Erklärungen, nämlich der Beseitigung des bisherigen Zentralbüros für Mineralöl GmbH. und auch der Preisbindungen auf dem Gebiet der Treibstoffe dienen. Ich darf das Hohe Haus also bitten, zu beschließen, den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1969 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.
Es war vorgesehen, daß eine Aussprache nicht stattfinden soll. Damit würde die erste Beratung beendet sein. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß diese Vorlage ohne Aussprache an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen wird. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist der eingeschobene Punkt 1 erledigt.
({0})
Ich rufe auf Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Spätheimkehrer ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Zur Begründung der Interpellation hat Herr Abgeordneter Pohle das Wort.
Pohle ({2}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Leute hielten heute große Reden, und wenn sie dann im Parlament sitzen, wären sie vollgefressen und würden die vergessen, die sie hineingewählt hätten. - So zu lesen in der Heimkehrerzeitung „Hinter Stacheldraht", Sondernummer Weihnachten 1950.
Einem Heimkehrer würde ich ohne Gewissens. bisse eine derartige Entgleisung verzeihen; denn ein Mann, der jahrelang die Segnungen russischer Kriegsgefangenschaft auskosten mußte, hat es schwer, sich von der Verbitterung, die diese Jahre in ihm angehäuft haben, wieder zu befreien. Er braucht dazu unser Verständnis und unsere Hilfe. Der diese Worte aussprach war jedoch kein Heimkehrer, sondern ein Mitglied dieses Hohen Hauses,
({3})
- der Bundestagsabgeordnete Alfred Loritz!
({4})
Als ich diese Sätze las, habe ich mich für Herrn Loritz geschämt.
({5})
Ich neige dazu, zu empfehlen,
({6})
daß Abgeordnete, die ein Übermaß an Gallenproduktion aufzuweisen haben, doch lieber einen Arzt aufsuchen, und diese Galligkeit nicht in einem Kreis von Menschen abreagieren sollten,
({7})
die körperlich und seelisch schwer zu leiden hatten und es sowieso schon schwer genug haben, aus dem durchwanderten Irrgarten der Vernunft nun in Freiheit Anschluß an das zivile Leben zu gewinnen.
Wenn Herr Abgeordneter Loritz dann auf dieser Kundgebung in München, die nach dem Bericht unter dem Protektorat des Herrn Bundesarbeitsministers Anton Storch stand,
({8})
weiter behauptete, daß bei Beratungen über das Heimkehrergesetz oft nur bis zu hundert Abgeordnete anwesend waren,
({9})
dann bitte ich um eine Erklärung dafür, wie es
möglich ist, daß in der 58. Sitzung des Bundestages in der zweiten Lesung dieses Gesetzes zu
einem Antrag auf namentliche Abstimmung 155 JaStimmen und 157-Nein-Stimmen abgegeben werden konnten. Nach Adam Riese waren also 312 Abgeordnete anwesend. Ich weiß nicht, wenn wir an den Eingängen zum Sitzungssaal Zeit-Stempeluhren aufstellen würden, ob Herr Abgeordneter Loritz auf seiner Kontrollkarte den Plenum-Sitzrekord aufzuweisen haben würde.
({10})
Ich habe diese persönlichen Feststellungen meiner Begründung zur Interpellation Nr. 1788 der SPDFraktion vorausgeschickt, weil ich diese geistigen Vergiftungsversuche an Heimkehrern ablehne und sie für eine Schädigung des Ansehens dieses Hohen Hauses und eine Unterminierung des demokratischen Staatsgefüges halte.
({11})
Wenn es in diesem Hause einen Abgeordneten geben sollte, der am Heimkehrer-Schicksal desinteressiert sein sollte, dann gehört er wahrlich nicht in den Bundestag und sollte sich freiwillig schleunigst empfehlen.
({12})
Meine politischen Freunde wollen nun wahrhaftig auch mit dieser Interpellation keinen propagandistischen Wind machen; denn es steht auch für uns fest, daß in der zwölfjährigen Kostprobe des tausendjährigen Reiches sowie in den Nachkriegsmaßnahmen einzelner Siegernationen so viel körperliches, seelisches und materielles Unrecht angehäuft worden ist, wie von unserer Generation bei allen Anstrengungen allein nicht mehr gutgemacht werden kann.
Das Heimkehrergesetz ist wirklich nicht als ein Vollkommenheitsprodukt der Gesetzgebung zu bezeichnen; aber immerhin haben sich drei Ausschüsse emsig und intensiv um seine Verbesserung bemüht, und der Kritik aus Heimkehrerkreisen darf ich noch einmal die Feststellung entgegensetzen, daß der Bundestag mit diesem Heimkehrergesetz kein Wiedergutmachungsgesetz, sondern ein Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer beschlossen hat. Dennoch bleibt festzustellen, daß die Durchführung des Gesetzes in einer ganzen Reihe von Fällen enttäuscht hat, nicht allein wegen seiner in Heimkehrerkreisen gerügten inhaltlichen Unzulänglichkeit, sondern mehr in der Unzulänglichkeit seiner unterschiedlichen Durchführung.
Diese Interpellation kommt geschäftsordnungsmäßig verspätet zur Beratung, weil das Bundesarbeitsministerium erst noch auf den Eingang der Berichte verschiedener Länderregierungen zur Beantwortung dieser Interpellation warten mußte. Hier liegt meiner Ansicht nach schon ein grundsätzlicher Fehler vor. Das Bundesarbeitsministerium sollte sich nicht erst durch eine Interpellation gedrängt fühlen, von den Länderregierungen über die Arbeitslosigkeit bzw. die Unterbringung eines Personenkreises von nahezu einer Million Bericht anzufordern, sondern es sollte sich diesen Bericht sowieso monatlich erstatten lassen, damit die Bundesregierung rechtzeitig Abwehr- und Aufbaumaßnahmen treffen kann, wenn sie nach den Berichten der Länderregierungen bzw. der Landesarbeitsämter erkennen muß, daß in Heimkehrerkreisen die Arbeitslosigkeit in einem Maße grassiert, das nach der menschlichen Besonderheit und dem furchtbaren Erlebnis der Heimkehrer zu einer staatspolitischen Belastung führt, der man nicht allein mit der Resignation begegnen kann, als sei nun einmal die Arbeitslosigkeit eine unabwendbare Schicksalsfügung.
({13})
Das Gesetz ist am 19. Juni 1950 im Bundesgesetzblatt verkündet worden. Die Verordnung zur Durchführung des Gesetzes wurde am 15. Juli 1950 veröffentlicht. In der Verordnung wird in § 7 gesagt: Heimkehrer, die vor der Verkündung dieser Verordnung entlassen wurden, müssen den Antrag spätestens drei Monate nach der Verkündung usw. beim Arbeitsamt einreichen. Ich persönlich habe mich gefreut, daß das Ministerium meiner im Aus({14})
schuß gegebenen Anregung gefolgt ist, ein Merkblatt für Heimkehrer über Arbeitsvermittlung und Berufsfürsorge herauszugeben. Ich war nur über das Tempo etwas erschrocken, in dem das geschehen ist. Dem Heimkehrer wird in diesem Merkblatt gesagt, daß er, wenn er vor dem 15. Juli 1950 entlassen worden ist, den Antrag bis zum 15. Oktober 1950 stellen muß. Was fängt der arme Heimkehrer aber mit dieser an und für sich richtigen Belehrung an, wenn sie erst drei Tage vor dem Schlußtermin bei seinem zuständigen Arbeitsamt am Sitz des Landesarbeitsamtes eingeht?
({15})
Ein Glückspilz unter den Heimkehrern, wenn 'er noch rechtzeitig dieses Merkblatt erhalten hat! In der Zwischenzeit hat jedoch jedes Arbeitsamt bzw. Landesarbeitsamt seine Sonderauskünfte erteilt, teils irrig, teils richtig; und es war beschämend für die Sachbearbeiter, welche den Heimkehrer beraten hatten, nun nach Eingang des Merkblattes zu erklären: Wir waren zu großzügig, weil es ja so von allen Fraktionen des Bundestages gewünscht worden war; doch nach den neuesten Anweisungen müssen wir kleinlicher sein. Dadurch, daß das Bundesarbeitsministerium den Länderregierungen nicht rechtzeitig und nicht klar genug seinen Standpunkt zur Auslegung strittiger Punkte in dem Gesetz bzw. in der Durchführungsverordnung mitteilte, ist ein unerträgliches Durcheinander in der Auslegung des Gesetzes in den Ländern entstanden. Vielleicht nimmt einmal der Herr Bundesarbeitsminister die Fachzeitschrift für Theorie und Praxis' der Arbeitsverwaltung „Das Arbeitsamt", Heft 12, vom 15. Dezember 1950 zur Hand. Es heißt dort u. a.:
Es ist sehr unpopulär, einem Heimkehrerehepaar mit Kind klarzumachen, daß ein Unterhaltsbedarf mit 130 DM festgesetzt wurde und
daß für den Verdienst der Ehefrau nur ein
Freibetrag von 20 DM belassen wird. Die
Praxis hat gezeigt, daß bei Zugrundelegung
dieser Sätze gerade verantwortungsbewußte
Heimkehrer auf eine Förderung überhaupt
verzichten mußten und die Chance, die
das Gesetz ihnen bieten wollte, überhaupt
nicht akzeptieren konnten.
Meine Damen und Herren, das Problem Nr. 1 beim Heimkehrer ist das Problem der Arbeit bzw. der Umschulung oder Berufsausbildung mit dem Ziel, einen Arbeitsplatz ausfüllen zu können. Deshalb fragen wir in den ersten vier Punkten der Interpellation, wieviel noch arbeitslos sind, weil die Arbeit der Heilfaktor für den Heimkehrer ist, den er am allerwenigsten entbehren kann.
Der Punkt 5 der Interpellation ersucht die Bundesregierung um Auskunft über die Erfahrungen,
die gesammelt werden konnten, über Schwierigkeiten, die bei der Inanspruchnahme des alten Arbeitsplatzes sehr zahlreich in Erscheinung getreten
sind. Wenn eine der Bundesregierung unterstellte
Behörde einem Heimkehrer, der sich zum Dienstantritt meldet, erklärt, ihn zwar einstellen zu
wollen, aber einige Gehaltsgruppen tiefer, als er
vor seiner Einberufung eingestuft war, und dann
dem Heimkehrer auf seine Weigerung ganz kaltschnäuzig erklärt: Gut, dann die alte Gruppe, aber
sofortige Kündigung, - dann, meine Damen und
Herren, kennzeichne ich dieses Verhalten einer Verwaltungsstelle nur nicht mit dem einzig richtigen
Wort, um den Herrn Präsidenten dieses Hohen
Hauses nicht in die Verlegenheit zu setzen, mir
meinen ersten Parlamentsordnungsruf zu erteilen.
({16})
Es liegt mir fern, den zuständigen Herrn Bundesminister mit der Verantwortung für diesen Vorfall, der nicht vereinzelt dasteht, zu belasten. Er gibt mir jedoch den Mut, die Herren der Bundesregierung aufzufordern, einen frischen Heimkehrerwind auch durch die Amtsstuben der ihnen untergeordneten Verwaltungen durch einen „Großzügigkeitserlaß in Heimkehrerfragen" wehen zu lassen, der ja an und für sich nur ein Rechtserlaß wäre.
({17})
Der Appell, von dem in Punkt 6 der Interpellation die Rede ist, verlangt von der Bundesregierung die Aufrüttelung des Gewissens der Öffentlichkeit, der Unterbringung von Heimkehrern mehr Verständnis und mehr Bereitwilligkeit entgegenzubringen.
Wenn von dem Herrn Bundesarbeitsminister die Frage 7 über die bisher beantragten und bewilligten Ausbildungsbeihilfen beantwortet worden ist, so wird er nach Kenntnis der Sachlage sicherlich dem Hohen Hause auch einen wertvollen positiven Beitrag zur Frage 8 vorlegen können, was in der Fortführung der Ausbildungs- bzw. Beruf sumschulungsaktion seitens der Bundesregierung geplant wird. Dabei hoffe ich, daß niemand, weder auf der Regierungsbank noch in den Reihen der Regierungsparteien, vor dem so oft mißbrauchten Worte „Planung" erschrickt.
Mit der Schlußfrage Nr. 9 wünschen wir von dieser Stelle aus eine klare Antwort von der Bundesregierung zu erhalten, damit man in der Öffentlichkeit weiß, was hier wahrhaftig los ist, was Spreu und Weizen ist oder ob die ganze Angelegenheit nur aus der Spreu einer Pressenotiz besteht, die dann aber sehr viel Unheil im Bundesgebiet angerichtet hat und nur zur weiteren Verwirrung und zur Gründung von Interessengemeinschaften geführt hat.
Meine Damen und Herren! Von der positiv zukunftsträchtigen Beantwortung dieser Interpellation durch die Bundesregierung wird es abhängen, welche Schritte meine Fraktion in diesem Hohen Hause in der Heimkehrerfrage unterlassen kann bzw. welche Maßnahmen sie ergreifen muß, um das Anliegen der Heimkehrer wegen des Arbeitsplatzes nachhaltiger zum Tragen zu bringen. Wir sind uns dabei bewußt, eine große Mehrheit in diesem Hause für alle möglichen durchführbaren und finanziell tragbaren positiven Ergänzungsmaßnahmen zum Heimkehrergesetz zu finden, da es in diesem Parlament sehr viele Mitglieder gibt, die wahrheitsgemäß gestehen müssen: das Kriegsgefangenenschicksal hätte auch uns treffen können, und als Heimkehrer möchten wir dann auch die Gewißheit haben, daß der Bundestag alle Möglichkeiten ausschöpft, um uns Hilfestellung beim Erwerb eines Arbeitsplatzes oder in der Erreichung eines Berufszieles zu geben. Und jeder Erfolg des Bundestags in der Erreichung dieser Ziele ist eine Hoffnung für den Heimkehrer, daß auch für den letzten unter ihnen alle parlamentarischen und alle Verwaltungsstellen, welche die Beschlüsse der gesetzgebenden Körperschaft durchzuführen haben, bestrebt sind, ihm das finstere Schweigen des Verzweifelten zu nehmen und sich als Mensch unter-Menschen zu fühlen.
({18})
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich über das Temperament gefreut, mit dem die Dinge hier vorgetragen worden sind. Wenn Sie sich an die Bundesregierung wenden, sollten Sie aber auch immer vorher prüfen, wem die Durchführung dieses Gesetzes obliegt.
({0})
Sie obliegt den zuständigen Länderministern und den Landesarbeitsämtern, auf die wir von der Bundesregierung aus keinen direkten Einfluß ausüben können.
({1})
Es ist hier gesagt worden, daß bei irgendeiner Behörde oder bei irgendeiner Stelle der Versuch gemacht worden ist, einen Spätheimkehrer besonders schlecht zu behandeln. Dabei hätte man aber auch ausführen sollen, ob es sich um eine Bundesbehörde oder um eine Landesbehörde handelt,
({2})
und wenn es sich um eine Landesbehörde handelt, dann sollte man diese Frage in den entsprechenden Parlamenten vortragen.
({3})
In Beantwortung Ihrer Interpellation möchte ich Ihnen aber folgendes sagen. Bei den Fragen, die Sie unter den Nummern 1, 2, 3 und 4 vorgetragen haben, handelt es sich um die Auswirkung von statistischem Unterlagenmaterial. Bis zum Ende des Jahres 1949 sind besondere statistische Erhebungen über die Heimkehrer nicht vorgenommen worden. Erst vom Jahre 1949 an haben wir die statistischen Unterlagen zusammentragen lassen. Jetzt haben wir über die zuständigen Ministerien an die Landesarbeitsämter eine Sonderbefragung und Erhebung ergehen lassen, um einmal festzustellen, was auf diesem Gebiet nun tatsächlich an schwerwiegenden Belastungen für uns vorhanden ist. Im Jahre 1948 sind insgesamt 506 373 Kriegsgefangene zurückgekehrt. Davon sind heute noch 13 734 arbeitslos. Die Zahl der entlassenen Kriegsgefangenen im Jahre 1949 beträgt 320 342. Davon sind heute noch 23 464 arbeitslos. Die Zahl der entlassenen Kriegsgefangenen aus dem Jahre 1950 beträgt bedauerlicherweise nur 50 028. Von ihnen sind zur Zeit noch 9254 arbeitslos. Die Gesamtzahl der arbeitslosen Kriegsgefangenen betrug im Juni 1950 66 000, davon waren rund 1800 weibliche, im Juli 59 000, davon 1900 weibliche, im August 53 000, im September 39 000, im Oktober 46 000, im November 45 000, im Dezember 47 000, und im Januar 1951 war die Zahl der arbeitslosen Kriegsgefangenen ungefähr dieselbe.
Dann wird gefragt, ob die Eingliederung der Kriegsgefangenen in die früheren Arbeitsplätze besondere Schwierigkeiten macht. Das ist, Gott sei Dank, zu verneinen. Im allgemeinen bekommen wir aus den Ländern die Mitteilungen, daß diejenigen, die ein Anrecht auf einen alten Arbeitsplatz geltend machen können, in den Regelfällen auch zu ihrem Recht kommen.
Ferner wird hier ein Appell an die Öffentlichkeit angeregt. Ich darf Ihnen sagen, daß sich mein Ministerium mehrfach nicht allein an die öffentlichen Behörden, sondern auch an die Arbeitgeberorganisationen gewandt hat, um eine größere Anzahl von Heimkehrern beschleunigt ins Arbeitsverhältnis zu bringen. Ich glaube, daß der noch an sich günstige Stand, den wir erzielen konnten, hauptsächlich darauf zurückzuführen ist. Wir arbeiten allerdings auch nach wie vor dahin, daß die
Spätheimkehrer möglichst in der öffentlichen Verwaltung untergebracht werden können.
Weiter wird gefragt, wieviele von den Heimkehrern Ausbildungsbeihilfen beantragt haben. Die Zahl derjenigen, die Ausbildungsbeihilfe beantragt haben, beträgt 35 489. Dazu kommen noch einmal 305, die pädagogische Hochschulen besuchen möchten, 761 sonstige Hochschüler und 1579 Lehrlinge und Anlernlinge. Bisher sind von diesen Anträgen ungefähr 11 000 genehmigt, ungefähr 4000 abgelehnt worden, und unerledigt liegen zur Zeit noch 20 000 Anträge vor.
Zu der Frage, ob wir für die Berufsausbildung der Heimkehrer in Zukunft etwas tun wollen, ist zu sagen: wir haben für das Jahr 1950 im Etat insgesamt 16,8 Millionen DM für diesen Zweck eingesetzt. Für das Jahr 1951 sind 30 Millionen DM vorgesehen worden.
Dann wird die Frage gestellt, was an den Gerüchten wahr ist, wonach günstig verlaufene Verhandlungen über den Transfer von Gebührnissen früherer Kriegsgefangener 'in den USA geführt worden sind. Ich muß Ihnen nach den neuesten Meldungen leider sagen, daß die Vereinigten Staaten uns ganz eindeutig erklärt haben, für einen derartigen Transfer von Gebührnissen früherer Kriegsgefangener sei zur Zeit bei ihnen keine Grundlage gegeben, so daß wir also mit derartigen Zahlungen an uns in absehbarer Zeit nicht rechnen können.
({4})
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Wird eine Besprechung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Verbesserung von Versicherungs- und Fürsorgeleistungen ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Auskunft über Maßnahmen für die Sozial- und Rentenversicherung ({1});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Sanierung der Rentenversicherungsträger und Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung der Interpellation und der Anträge je 10 Minuten und für die Aussprache 120 Minuten Redezeit vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Wer wird die Interpellation begründen?
({3})
- Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Frau Korspeter ({4}), Interpellantin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die sozialdemokratische Fraktion hatte am 29. Juli vorigen Jahres den Antrag in der Drucksache Nr. 1271 eingereicht, der eine Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenfürsorge, der Körperbeschädigten- und Hinterbliebenenfürsorge, der Soforthilfe und der öffentlichen Fürsorge an das veränderte Preisgefüge forderte. Dieser Antrag kam bedauerlicherweise erst am 13. Oktober auf die Tagesordnung, und er erlebte ein Schicksal, das von keinem der betroffenen Rentner verstanden wurde und ein
({5})
großes Maß von Verbitterung auslöste. Obgleich alle Parteien sich während der Debatte über diesen Antrag dazu bekannten, daß angesichts der elenden Lage der Renten- und Unterstützungsempfänger Abhilfe dringend geboten sei, obgleich auch der Herr Arbeitsminister erklärte, daß die Bezüge, die wir den Rentnern geben und geben könnten, nicht ausreichend seien, wurde dieser Antrag der SPD-Fraktion gegen unsere Stimmen der Regierung lediglich als Material überwiesen. Die Mehrheit des Hauses hielt es also noch nicht einmal für notwendig, trotz aller Versicherungen, die Notlage dieser Menschen zu sehen, den Antrag dem zuständigen Ausschuß mit dem Auftrag zu überweisen, wirklich ernsthafte Überlegungen anzustellen, wie diesem Personenkreis zu helfen sei. Das war eine mehr als unverständliche Maßnahme.
({6})
Man nannte damals in der Öffentlichkeit diesen Tag - es war ein Freitag - den „schwarzen Freitag des Bonner Parlaments",
({7})
und vielleicht erinnern sich auch alle diejenigen, die an der Sozialpolitik interessiert sind, daran, daß die Behandlung dieses Antrages mit der Verabschiedung des Gesetzes über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zusammenfiel.
Unsere Befürchtungen, was mit einem Antrag geschehen würde, der der Regierung als Material überwiesen wird, haben sich vollauf bestätigt.
({8})
Wohl hat das Parlament inzwischen das Bundesversorgungsgesetz verabschiedet, und mit den Unterhaltshilfen beschäftigt sich jetzt der Lastenausgleichsausschuß. Darüber hinaus ist dem Bundesrat ein Gesetzentwurf über die Erhöhung der Arbeitslosenfürsorge- und Arbeitslosenversicherungssätze zugeleitet worden, der wirklich sehr lange hat auf sich warten lassen und über den in den Beratungen im Ausschuß noch viel zu reden sein wird. Aber von Maßnahmen der Regierung zur Erhöhung der Renten der Sozialversicherung und der Fürsorgesätze hat man bisher überhaupt noch nichts gehört, und die Bundesregierung hat durch ihr zögerndes Verhalten diese Menschen angesichts der Preisentwicklung nicht nur unter das Existenzminimum absinken lassen; nein, sie hat ihnen praktisch sogar jede Existenzmöglichkeit genommen.
({9})
Fünf Monate hat die Bundesregierung Zeit gehabt. Fünf Monate hat ihr dieser Antrag als Material vorgelegen, - für sie vielleicht eine kurze Spanne Zeit, aber für die Rentner mit ihren kärglichen Renten eine lange Zeit bitterster Sorge.
({10})
Hätte man nicht eigentlich von der Bundesregierung, wenn sie Wert darauf legt, daß unser soziales Gefüge in Ordnung kommt, verlangen dürfen, daß sie von sich aus früh genug die Entwicklung hätte beobachten müssen und daß sie Maßnahmen hätte ergreifen müssen, um diesem Elend zu begegnen? Statt dessen ist bislang von konkreten Vorschlägen überhaupt noch nichts bekanntgeworden, so daß sich selbst die Deutsche Partei veranlaßt gesehen hat, die Regierung zu fragen, welche Maßnahmen sie vorbereitet hat, um die Renten an das veränderte Preisgefüge anzupassen, und daß weiterhin die Fraktion der CDU/CSU einen Antrag vorgelegt hat, die Renten um 25 % zu erhöhen.
({11})
Meine Herren und Damen, es scheint nunmehr ein edler Wettstreit zwischen den Regierungsparteien ausgebrochen zu sein,
({12}) nachdem man es vor fünf Monaten nicht für nötig befunden hat, unsern Antrag überhaupt zu beraten.
({13}) Selbstverständlich begrüßen wir diese Anträge. Wir begrüßen sie deshalb, weil wir hoffen, nun gemeinsam mit den Regierungsparteien den Kampf um die Erhöhung der Renten aufnehmen zu können, wenn ich auch sagen muß, daß die Erkenntnis von der Notwendigkeit der Erhöhung der Renten bei ihnen ein bißchen spät gekommen ist.
({14})
Aber sehen Sie, uns beunruhigt nur eines dabei: Was sagt Ihr Finanzminister dazu?
({15})
Damals, als wir unsern Antrag einbrachten, hatte er keine 280 Millionen zur Verfügung, und heute soll und muß er für die Durchführung Ihres Antrages nach den „Ruhr-Nachrichten", in denen Herr Kollege Arndgen und Herr Kollege Degener als Initiatoren dieses Antrages so freundlich abgebildet sind, eine Milliarde D-Mark zur Verfügung stellen.
({16})
Fürchten Sie nicht, daß Sie damit bei den Rentnern Hoffnungen erwecken, die zu realisieren Ihr Finanzminister nicht bereit ist,
({17})
noch dazu, da ja bekanntgeworden ist, daß der Finanzminister wohl allerlei andere Pläne für das Haushaltsjahr 1951 vorbereitet hat, daß er aber, obwohl ihm unser Antrag als Material vorlag, gar nicht daran gedacht hat, Gelder für die Erhöhung der Renten einzusetzen!?
({18})
Fürchten Sie nicht, daß es Ihnen mit Ihrem Antrag auch wieder so geht wie bei der Abstimmung über die Subventionen zur Stützung des Brotgetreidepreises, bei dem Sie damals ja diesen unglaublichen Purzelbaum geschlagen haben?!
({19})
Sie haben uns schon sehr häufig Agitationsanträge vorgeworfen.
({20})
Aber ich frage mich bei diesem Antrag, was man davon zu halten hat.
({21})
Ich weiß: wir haben Wahlen in Niedersachsen, und was tut man nicht alles, wenn Wahlen in Aussicht stehen!
({22})
Meine Herren und Damen, wenn wir allerdings helfen wollen, dann sollten wir schnell helfen.
({23})
Schon damals, als wir unsern Antrag eingebracht haben, wäre es notwendig gewesen, schnell zu helfen, um dem Elend unter den Rentnern durch Zulagen zu den Renten zu begegnen und ihre Lebenshaltung, die unter die Hungergrenze herabgedrückt ist, zu verbessern. Seit der Behandlung unseres Antrages haben sich die Verhältnisse aber
({24})
weiterhin entscheidend verschlechtert. Die Lebenshaltungskosten, besonders die Preise der Güter des starren Lebensbedarfs, auf die sich diese Personenkreise in erster Linie beschränken müssen, sind in bestürzender Weise angestiegen. Ich habe gerade am Wochenende, als ich in meinem Wahlkreis war, wieder Gelegenheit gehabt, festzustellen, daß in einer Reihe von Orten am Sonnabend Preissteigerungen bei Lebensmitteln vorgenommen wurden, zum Beispiel bei Brot und Teigwaren. Das Konsumbrot war nicht zu haben, angeblich weil das entsprechende Mehl nicht vorhanden ist. Darüber hinaus fehlte die billige Margarine, so daß dieser Personenkreis darauf angewiesen war, die teureren Lebensmittel zu kaufen.
Um uns eine richtige Vorstellung von der Dürftigkeit der Lebenshaltung dieses Personenkreises zu machen, erscheint es noch einmal nötig, diese Rentensätze und Fürsorgesätze zu nennen; es sind gewiß erschütternde Zahlen angesichts unseres heutigen Preisniveaus. Die Durchschnittsrenten aus der Invalidenversicherung betragen 63 DM und aus der Angestelltenversicherung 90 DM, Wohlfahrtsunterstützungsempfänger haben nach den Richtsätzen mit 45 DM für den Haushaltungsvorstand, 25 DM für die Ehefrau und 20 DM für jedes Kind - plus Mietzuschläge - auszukommen. Bei diesen Sätzen ist schon seit langem keine Existenzmöglichkeit mehr gegeben. Wenn wir dann noch an die Auswirkung der Erhöhung der Kohlen- und Stahlpreise und an die Mineralölsteuer denken, weiterhin an die Steuerpläne des Herrn Finanzministers, die immer darauf hinauslaufen, die Lasten auf die Schultern der breiten Massen abzuwälzen, wenn wir weiterhin an das wirtschaftspolitische Programm der Regierung und des Niederbreisiger Kreises denken, so fragt man sich wahrhaftig mit großer Sorge: Was soll denn daraus noch werden? Auf die Rentner und Unterstützungsempfänger müssen diese Pläne in einer Weise alarmierend und beunruhigend wirken, daß sie das Gefühl haben, dieser Situation völlig hilflos gegenüberzustehen.
Da hört man von der Heraufsetzung der Zucker-und Brotpreise, von der Korrektur der Milchpreise, von einer Erhöhung der Altbaumieten, von der Beseitigung der Subventionen, - alles Maßnahmen, die sich ganz besonders für diese Personenkreise verhängnisvoll auswirken. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, einschneidende Maßnahmen zur Konsumeinschränkung vornehmen zu wollen. Ich glaube, daß man bei diesem Personenkreis nicht an eine Konsumeinschränkung denken kann, weil das nämlich den nackten Hunger bedeuten würde. Mit Worten, mit der Anerkennung ihrer Notlage, so wie es damals geschah, ist den Rentnern nicht gedient.
Leider haben wir es schon allzuoft erlebt und bei der Behandlung unseres damaligen Antrags hat es sich wieder bestätigt, daß die Regierung mehr als zurückhaltend ist, wenn es sich um die wirtschaftlich Schwachen handelt, daß sie aber völlig bedenkenlos ist,
({25})
wenn es sich um die Pflege kapitalistischer Erfordernisse handelt.
({26})
Die Rentner warten darauf - und ihr Blick ist heute nach Bonn gerichtet -, daß wir alle Anstrengungen machen, um ihnen wirklich zu helfen. Es ist schmählich für uns, daß wir es nicht schaffen
können, unseren Alten und Invaliden einen einigermaßen erträglichen Lebensabend zu ermöglichen. Wie sollen diese Menschen überhaupt in ein gutes Verhältnis zur Demokratie kommen, wenn dieser demokratische Staat es nicht fertig bringt,
({27})
ihnen nach ihrem langen arbeitsreichen Leben
einen wirklich sicheren Lebensabend zu bieten.
Ihr ganzes Leben lang haben sie durch ihre Beitragszahlung ein immerwährendes Opfer gebracht.
({28})
Darüber hinaus haben sie versucht, von ihren gewiß nicht hohen Löhnen und Gehältern etwas zu ersparen, um mit diesen zurückgelegten Notgroschen ihre Rente strecken zu können, eben in der Hoffnung, ihren Lebensabend ohne Not und Elend beschließen zu können.
Sie sehen sich alle um diese Hoffnung betrogen, und es ist vielfach schon so weit gekommen, daß sie sich als eine Last gegenüber der Gemeinschaft fühlen. Es ist gewiß eine schlechte Visitenkarte für ein Volk, daß es die in Ehren alt Gewordenen der Not und dem Elend preisgibt und nicht das Letzte tut, um ihnen zu helfen. Man spricht sehr gern und sehr häufig davon, wir lebten alle in einem Boot und wir hätten alle dieses Boot gemeinsam zu schützen und zu verteidigen. Man spricht immer ganz besonders gern davon oder überhaupt nur dann davon, wenn Hinweise auf eine Notlage gemacht werden und wenn man dazu Forderungen stellt.
({29}) Wäre es nicht viel richtiger, erst einmal daran zu denken und auch dazu bereit zu sein, das Leben in diesem Boot für alle lebenswert zu machen und nicht, wie es jetzt geschieht, einen großen Teil unseres Volkes hilflos einer Situation auszusetzen, der die Betroffenen nicht begegnen können!?
Wir haben in unserer Interpellation zwei Fragen gestellt. Wir wünschen erstens zu hören: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um eine den Verhältnissen gerecht werdende Verbesserung der Leistungen auf allen in Betracht kommenden Gebieten durchzuführen? Wir wollen in der Hauptsache hören, was die Bundesregierung unternommen hat, um die Renten aus der Sozialversicherung zu erhöhen, was sie getan hat, um die Länder zu veranlassen, eine Erhöhung der Fürsorgerichtsätze vorzunehmen. Darüber hinaus möchten wir wissen, wann diese Maßnahmen in Kraft treten sollen. Meine Herren und Damen, wir wollen hoffen, daß wir heute eine positive und konkrete Stellungnahme der Regierung erhalten, weil es menschlich und auch staatspolitisch nicht mehr zu verantworten wäre, wenn die Leistungen für diese Personengruppen nicht bald ein menschenwürdiges Dasein garantieren würden.
({30})
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir zunächst die Begründung der Anträge der Fraktion der Deutschen Partei und der Fraktion der CDU/CSU hören und daß dann die Beantwortung der Interpellation erfolgt.
Zur Begründung d es Antrags Drucksache Nr. 1948 hat die Abgeordnete Frau Kalinke das Wort.
Frau Kalinke ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn man zu einem so ernsten Thema Stellung nimmt, dann sollte man den einmütigen Willen aller Fraktionen des Hauses, dieses sehr ernsthafte sozialpolitische Problem einer Lösung entgegenzuführen, nicht mit derart polemischen und parteipolitischen Ausführungen beeinträchtigen, wie das hier geschehen ist.
({1})
Ich glaube, der Herr Richter wird als Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses auch nicht wollen, daß diese Frage, die ihm sicher genau so am Herzen liegt wie allen anderen sozial verantwortlich Denkenden,
({2}) zum Gegenstand der Parteipolitik gemacht wird.
({3}) Das „Mehr" oder „Weniger" mögen Sie vor Ihrem Gewissen verantworten,
({4})
das Ihnen auch die Grenze zwischen Polemik und echter Verantwortung zeigen wird.
({5})
Ich möchte nicht weiter auf die Ausführungen der Vorrednerin eingehen,
({6})
sondern nunmehr den Antrag meiner Fraktion begründen.
Hinsichtlich der Ziffer 1 unseres Antrags möchte ich vorausschicken: meine Fraktion hat mit Anerkennung und Freude festgestellt, daß die Regierung unter Berücksichtigung des Sozialetats und ihrer großen sozialen Verpflichtungen in dem Bundesversorgungsgesetz, in den beabsichtigten Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitslosenversicherungs- und -fürsorgesätze und in dem vorgelegten Entwurf zur Neuordnung der knappschaftlichen Rentenversicherung durchaus Anstrengungen gemacht hat. Daß für die große Masse der Rentenempfänger aus der Sozialversicherung in allen ihren Sparten die augenblickliche Rente nicht ausreichend ist, ist allgemein bekannt.
({7})
Schon die im Jahre 1949 von der Verwaltung für Arbeit des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zusammengestellten Zahlen, also die Statistiken haben gezeigt, daß die damals vor der Verabschiedung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes zur Auszahlung kommenden Durchschnittsrenten weitgehend entwertet waren. Ich kann mich, da Frau Korspeter auf die Frage der Durchschnittsrenten schon ausführlich eingegangen ist, auf die Feststellung beschränken, daß auch die Durchschnittsrenten in der Invaliden- und Angestelltenversicherung heute durchaus nicht ausreichend sind, um einem Rentner zu ermöglichen, bei dem derzeitigen Preisniveau ohne Beanspruchung des Wohlfahrtsamtes oder der Verwandtenhilfe auszukommen.
({8})
Es ist für uns - Ihr „also" erübrigt sich vollkommen ({9}) selbstverständlich, daß eine Anpassung der Rente an das gestiegene Preisniveau notwendig ist.
({10}) Wir haben uns nur zu überlegen, in welcher Form diese notwendige Anpassung erfolgen soll.
({11})
Über 800/o aller Witwen in der sozialen Rentenversicherung erhalten nur die Mindestrente. Wir haben damals beim Sozialversicherungsanpassungsgesetz der pauschalen Erhöhung der Renten nicht zugestimmt, obwohl wir immer wieder betont haben, daß die Erhöhung der Mindestrente dringend erforderlich war; aber wir möchten, daß bei der Korrektur, bei der notwendigen Erhöhung der Renten wieder ein echtes Gefühl für die Versicherungsgerechtigkeit und für die Versicherungswahrheit Platz greift.
({12})
Wir wünschen deshalb, daß nicht pauschale Rentenerhöhungen stattfinden, die demjenigen einen Vorteil verschaffen, der glaubt, sich nicht anstrengen zu müssen, um für die Wechselfälle des Lebens selber vorzusorgen.
({13}) Wir möchten, daß derjenige belohnt wird, der aus eigener Kraft durch Beitragsleistung sich ein möglichst hohes Maß an Sicherstellung schafft.
Ich kann in wenigen Worten sagen, daß die Indexzahlen, 'die heute verbreitet sind, in keiner Weise für die Rentner angewandt werden können und daß die Kaufkraft der Sozialrenten um mehr als die Hälfte geringer geworden ist. Für die Vertriebenen und Ausgebombten ist es, soweit sie Rentner sind, unmöglich, jemals wieder in den Besitz einer Wohnung oder der nötigsten Bekleidungsstücke zu kommen. Die Wohlfahrtssätze und die Soforthilfesätze liegen teilweise über den Durchschnittsrenten.
Hier möchte ich nun auch ein sehr ernstes Wort zur künftigen Gestaltung der Sozialpolitik sagen. Meiner Fraktion schwebt vor, daß derjenige, der aus eigener Kraft, der nach dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe, nach dem Prinzip der Versicherung Beitragsleistungen aufbringt, anders gestellt wird als der, der von der Versorgung des Staates geschützt wird. Wir haben die Lösung des Problems nach dem Sozialversicherungsanpassungsgesetz als nicht ausreichend empfunden und freuen uns, daß die von uns damals vertretene Auffassung heute Allgemeinerkenntnis ist. Die Länderhaushalte, die sehr wesentlich mit Fürsorgeausgaben belastet sind, werden durch die Erhöhung der Renten erheblich entlastet.
Ich komme zum zweiten Punkt unseres Antrags. Meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Vermögensverluste der deutschen Sozialversicherung, die insgesamt 12 Milliarden, in der Rentenversicherung allein 9 Milliarden - und wenn man den Währungsverfall von 1923 berücksichtigt, sogar 15 Milliarden, in der Rentenversicherung 12 Milliarden - betragen, von Staats wegen ersetzt oder zumindest teilweise in Ordnung gebracht werden müssen. Die Währungsgesetzgebung, die den Rentenversicherungsträgern eine Umstellung 1 zu 1 vorgeschrieben hat, hat versäumt, den Sozialversicherungsträgern eine entsprechende Vorrangstellung in der Behandlung ihrer Vermögensreserven zu geben. Der Staat ist ohnehin zur Zahlung von Zuschüssen verpflichtet. Die Verpflichtung zu dieser Garantie ergibt sich aus der Reichsversicherungsordnung und dem Angestelltenversicherungsgesetz. Wir sind der Auffassung, daß auch die wesentlichen Mehrkosten, die der Rentenversicherung durch die Austreibung so
({14})
vieler Menschen und durch Kriegsfolgelasten entstanden sind, nicht auf die Schultern der Sozialversicherten allein gelegt werden können, indem man erhöhte Beiträge von ihnen verlangt.
Schließlich darf ich noch sagen: Wir hoffen, daß der Herr Arbeitsminister uns ausführlich zu der Frage der endlichen Übernahme des Vermögens der Sozialversicherungsträger auf die Bundesregierung antworten wird. Wir glauben, daß die Zurückgabe dieses Vermögens an die Bundesregierung maßgeblich dazu beitragen wird, die Angestelltenversicherung sicherzustellen.
({15})
- Und was die Selbstverwaltung angeht, Herr Kollege Richter, so werden die Vertreter in der Selbstverwaltung dafür Sorge tragen, daß nicht die Wünsche Ihrer Freunde in Berlin erfüllt werden, die noch in diesen Tagen an den Oberstleutnant Sleeman, den Stabschef der alliierten Kommandantur, geschrieben haben. Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, dann verlese ich zwei Sätze:
Der Magistrat Berlin vertritt die Auffassung,
daß diese Treuhandverwaltung vom Land
Berlin übernommen werden muß. Er vertritt
weiter die Auffassung, daß grundsätzliche
Entscheidungen über die Verwendung der in
Treuhandvermögen vorhandenen Werte ihm - dem Magistrat obliegen.
Ich bin mit Ihnen einig, Herr Kollege Richter, daß diese grundsätzlichen Entscheidungen nur den Versicherten in ihrer Selbstverwaltung obliegen.
({16})
Die Deutsche Partei hat den Antrag heute aus dem Bewußtsein der sozialen Verantwortung gestellt;
({17})
und wenn Frau Korspeter diese soziale Verantwortung bezweifelt, so bedarf das keiner Erklärung bei den Menschen, die das wahre Gesicht politischer Parteien und ihrer Vertreter zu beurteilen in der Lage sind.
({18})
Zur Begründung des Antrages der Fraktion der CDU/CSU Drucksache Nr. 1971 hat das Wort Herr Abgeordneter Arndgen.
Arndgen ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin der Auffassung, daß ein Teil des Temperaments und ein Teil der Aufregung, die meine Kollegin Frau Korspeter in diesem Hause gezeigt hat,
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in d i e Länder hätte hineinverlegt werden müssen, in denen Menschen ihrer Auffassung, Menschen ihrer Parteirichtung für eine ganze Reihe der Dinge, die hier kritisiert wurden, verantwortlich sind.
({2})
- Meine sehr verehrten Freunde, in Ihrer Interpellation ist die öffentliche Fürsorge angesprochen,
({3})
und Frau Korspeter hat hier von den Richtsätzen der Fürsorge geredet.
({4})
Das ist nicht Angelegenheit des Bundes, hier haben die Länder die Zuständigkeiten.
({5})
Von einer Aufregung und von einem Temperament, wie Sie es hier gezeigt haben, ist in den Ländern, in denen Sie die Verantwortung haben, bisher noch nichts zu verspüren gewesen.
({6})
Herr Abgeordneter Müller, mir scheint die Bezeichnung „Quatsch" für die Ausführungen eines anderen Abgeordneten nicht im Rahmen der parlamentarischen Übung zu liegen.
({0})
Arndgen ({1}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Soweit aber die Fragen, die uns hier im Bundestag interessieren, in Ihrer Interpellation angeschnitten und soweit sie auch in unserem Antrag angesprochen sind, bin ich - und ich glaube auch Sie mit mir - der Meinung, daß ernste Überlegungen erst dann angestellt werden konnen, wenn man ein Fundament hat. Sie - besonders diejenigen Freunde aus Ihrer Fraktion, die dem Soziaipolitischen Ausschuß angehoren - wissen genau so gut wie ich, daß zunachst einmal eine versicherungsmathematische Bilanz gezogen werden mußte, um eine Grundlage zu bekommen, von der aus man die Dinge so gestalten kann, wie es notwendig ist. Man kann auch in der Sozialversicherung nicht im luftleeren Raum taktieren.
({2})
Wenn uns nun - wenigstens den Mitgliedern des Sozialpolitischen Ausschusses - vor kurzem die Bundesregierung diese versicherungsmathematische Bilanz vorlegen konnte, dann darf man hinzufügen, daß das ein Ergebnis einer Arbeit gewesen ist, die nicht in fünf Monaten zu erledigen ist.
({3})
Da wir nun diese Unterlagen in der Hand haben, konnten wir an Hand derselben dem Hohen Haus einen Antrag unterbreiten, der substantiiert ist, mit dem man was anfangen kann,
({4})
der nicht aus propagandistischen Gründen hier in das Plenum hineingeworfen wird.
({5})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was will unser Antrag? - Durch den § 23 des Militärregierungsgesetzes zur Neuordnung des Geldwesens war die Rentenversicherung verpflichtet, die Renten 1 zu 1 umzustellen, obwohl ihr durch das gleiche Gesetz die Deckungsgrundlagen weggenommen wurden. Durch diese Geldumstellung ist die Rentenversicherung nicht in der Lage, auf die Dauer auch nur die Renten zu zahlen, die nach dem jetzigen Recht gewährt werden müssen. Tatsächlich ist der Zustand so, daß die durch die Beitragsleistung für die kommenden Anwartschaften ein({6})
kommenden Mittel benutzt werden, um Rentenansprüche zu befriedigen, die in den hinter uns liegenden Jahren erworben wurden. Ein solcher Zustand ist auf die Dauer nicht haltbar. Es muß dafür gesorgt werden, daß in irgendeiner Form die Deckungsvermögen, die die Rentenversicherungen aufgespeichert hatten, die etwa 12 Milliarden Mark ausmachten, wenigstens in ihrem Zinsendienst wieder zum Aufleben gebracht werden. Wenn das nicht der Fall ist, dann können wir, obwohl die Invalidenversicherung in den letzten vier Monaten noch mit einem Überschuß von 124 Millionen Mark und die Angestelltenversicherung von etwa 40 Millionen Mark rechnen konnten, den Zeitpunkt genau ausrechnen, in dem die Rentenversicherung nicht mehr leistungsfähig ist. Es muß daher nach Mitteln und Wegen gesucht werden, um wenigstens den Zinsendienst für die verlorenen Vermögen wieder flüssig zu machen.
Zu dem Antrag auf Erhöhung der Renten brauche ich kein Wort zu sagen. Ich kann mich zum Teil dem anschließen, was Frau Korspeter und Frau Kalinke hier ausgeführt haben. Wir sind aber mit konkreten Vorschlägen gekommen, ohne demagogisch zu werden, Frau Korspeter!
({7})
Weiter sind wir der Auffassung, daß die Rentenleistung künftig wieder stärker an die Beitragsleistung gebunden werden muß. Durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz sind die Rentenerhöhungen für alle Stufen und Klassen pauschal durchgeführt worden, wodurch die Rentenhöhe nicht mehr bis ins letzte der Ausdruck der Beitragsleistung ist. Um den Versicherungscharakter der Rentenversicherung aufrechtzuerhalten und um die Verantwortung, für sich selbst - auch für die alten Tage - zu sorgen, in jedem zu wecken, müssen nach unserer Auffassung die Renten in ihrer Höhe stärker an die tatsächliche Beitragsleistung gebunden werden.
Weiter verfolgt unser Antrag den Zweck, die Härten zu beseitigen, die mit dem § 1274 der Reichsversicherungsordnung verbunden sind. Es ist Ihnen bekannt, daß, wenn eine Rente aus der Unfallversicherung und eine Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung zusammenfallen, die Rente aus der Invaliden- oder Angestelltenversicherung zur Hälfte ruhen muß. Hier ist eine Härte und auch eine Ungerechtigkeit zu verzeichnen, weil eben für diese Rentenversicherung Beiträge geleistet wurden. Wir sind der Meinung, daß diese Härte und diese Ungerechtigkeit beseitigt werden muß.
Meine verehrten Damen und Herren, es ist vorhin von Frau Korspeter darauf verwiesen worden, daß die Durchführung der Vorschläge unseres Antrages etwa eine Milliarde Mark kosten würde. Das kann schon sein. Denn wenn ich von einem Vermögen von etwa 12 Milliarden Mark die Zinsen rechne, so sind das bei 31/2% Zinsen rund 400 Millionen Mark. Wenn man berücksichtigt, daß die augenblicklichen Leistungen der Invalidenversicherung jährlich rund 2,2 Milliarden Mark, die der Angestelltenversicherung rund 900 Millionen Mark, die der Knappschaftsversicherung rund 600 Millionen Mark und die der Unfallversicherung rund 500 Millionen Mark betragen, und hierzu im Durchschnitt 25 % nimmt, ergibt das einen weiteren Betrag von etwa 700 bis 800 Millionen Mark. Der gesamte Antrag hätte also ungefähr 1 Milliarde
Mark mehr an Aufwendungen finanzieller Art für die Rentenversicherung zur Folge.
({8})
Darüber werden wir reden! Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren, keinen Antrag in die Luft hinein gestellt. Wir haben auch Dekkungsvorschläge gemacht. Beispielsweise haben wir an eine Giralsteuer gedacht. Bei dieser Steuer muß alles ernsthaft erwogen werden, damit sie nicht eine allzu große Belastung mit sich bringt. Wir zahlen eine Umsatzsteuer für den Warenumsatz. Warum soll nicht auch in irgendeiner Form eine Steuer für den Geldumsatz über die Girokonten gezahlt werden, die nicht auf die Konteninhaber abgewälzt werden kann? Wenn es darum geht, nicht" nur diese Leistungen, sondern auch die Steuern für die Aufbringung dieser Leistungen zu beschließen, dann wird sich zeigen, wer verantwortungsbewußt für die Ärmsten der Armen - wie Frau Korspeter sagte - ist oder nicht. Dann wird auch die SPD-Fraktion zeigen müssen, ob sie neben großen Reden, die sie hier hält,
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sich auch dann für die Ärmsten der Armen verantwortlich fühlt, wenn es gilt, die notwendigen Steuern zu beschließen.
({10})
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Arbeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegenden Interpellationen sprechen eine der gefährlichsten Situationen unserer Zeit an. Leider ist in der Interpellation der Sozialdemokratischen Partei kein Unterschied gemacht worden zwischen Leistungen, die sich der einzelne auf Grund einer Beitragsleistung persönlich erworben hat, und den Leistungen aus dem öffentlichen Haushalt.
({0})
Wenn irgendeine Gruppe von Menschen in einen Notstand gerät, muß man ihr letzten Endes über den Wohlfahrtsetat helfen; und der Wohlfahrtsetat ist nun einmal bei den Ländern. Sie müssen sich doch darüber klar sein, daß den Ländern auch alle direkten Steuern zufließen. Sie fordern hier den Ausgleich immer wieder vom Bund und wissen ganz genau, daß dem Bund nur die indirekten Steuern zufließen. Wenn man die Dinge durch erhöhte Steuereinnahmen auf der Bundesebene ausgleichen will, muß man den Mut aufbringen, die indirekten Steuern wesentlich zu erhöhen. Da bin ich allerdings der Meinung, daß Sie sich, wenn derartige Gesetzentwürfe vor Ihnen liegen, wahrscheinlich nicht allzusehr dafür begeistern können.
Wir haben nun in der Zwischenzeit versucht, einige Probleme herauszugreifen, um sie grundsätzlich zu regeln. Das war einmal das Versorgungsgesetz für die Kriegsbeschädigten. Sie haben jetzt die Gesetzentwürfe für die Arbeitslosenversicherung und für die Arbeitslosenfürsorge vorliegen. Ich habe schon vor einigen Monaten einmal die sozialpolitisch besonders interessierten Abgeordneten dieses Hohen Hauses sowohl von den Regierungsparteien als auch von der Opposition zu
({1})
mir gebeten, um ihnen einen Überblick über die tatsächliche Situation in unseren Rentenversicherungsträgern zu geben. Ich glaube, Sie alle, die sich diese Dinge einmal genau angesehen haben, werden vor der Größe des von uns zu lösenden Problems erschrocken sein. Da muß man die Frage aufwerfen -und muß sie auch ganz konsequent beantworten-, ob man in der Zukunft in unserem Wirtschaftsleben die Sicherstellung der arbeitenden Menschen durch eine Versicherung, in der Versicherungsleistungen und Versicherungsbeitrag aufeinander abgestellt sein müssen, regeln will oder ob man an eine allgemeine Volksfürsorge denken und damit dem einzelnen Rechtsansprüche aus seiner persönlichen Beitragsleistung nur noch teilweise zuteil werden lassen will.
Vorhin sind Zahlen über die Größenverhältnisse genannt worden, die wir vor uns haben. Täuschen wir uns nicht! Die Zahlen sind wahrscheinlich noch zu gering angenommen. Wenn ich die Leistungen aus der Sozialversicherung um 25% erhöhe, dann sind das ungefähr 900 Millionen DM. Darüber hinaus brauche ich aus dem öffentlichen Haushalt 340 Millionen DM für die Fremdrenten. Also die Beträge sind viel größer, als sie seither genannt worden sind. Ich kämpfe seit Wochen mit dem Herrn Bundesfinanzminister darum, daß . er mir für den neuen Etat die Mittel zur Verfügung stellt, um diese Dinge in ihrer Grundsätzlichkeit regeln zu können. Denn hier hilft es nichts mehr, daß wir wieder irgendwo ein kleines Pflästerchen daraufsetzen; vielmehr muß eine grundsätzliche Neudurcharbeitung dieser Versorgungsinstitutionen erfolgen.
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.Ta, dann müssen sie eben durch die Wohlfahrtsämter der Länder so lange noch zusätzlich betreut werden; daran kommen wir nicht vorbei, Herr Kollege Richter.
Praktisch ist die Sache so, wie sie Herr Arndgen vorhin vollständig richtig dargelegt hat. Sie werden in diesem Hohen Hause in sehr kurzer Zeit vor der Frage stehen, für die Sanierung der Sozialversicherung Bundesmittel in Höhe von ungefähr einer Milliarde DM bewilligen zu müssen. Darüber müssen Sie sich klar sein. Wenn wir uns in unserem heutigen Wirtschaftsleben die Dinge etwas genauer ansehen, finden wir, daß diejenigen Menschen, die sich durch die Beitragszahlung Rechtsansprüche erworben haben, in ihre Versicherungsträger allerlei Dinge hineingepackt bekommen haben, die in die Wohlfahrt und nicht in die Versicherungsträger gehören.
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Erste Voraussetzung für den Neuaufbau einer Sozialversicherung ist, daß man eine endgültige Bilanz aufstellen kann. Da komme ich zu der Frage, die von Frau Kalinke angeschnitten worden ist, zu der treuhänderischen Verwaltung der in Berlin stillgelegten Versicherungsträger. Nun frage ich Sie, auch den Herrn Kollegen Richter, in aller Offenheit: Wer muß diese Vermögen verwalten können? Doch wahrscheinlich derjenige, der die Leistungen aus den stillgelegten Versicherungsträgern zu tragen hat.
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Es handelt sich also absolut nicht darum, daß man
in Berlin an die Stelle von Herrn Uhlmann vielleicht den Herrn Maier setzt. Es handelt sich vielmehr darum, daß man die vorhandene Wertsubstanz dem Versicherungsträger gibt, der heute die Leistungen erfüllt.
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Ich habe bereits Ende November in Berlin mit dem Herrn Oberbürgermeister Dr. Reuter und mit dem Sozialsenator Fleischmann über die Dinge gesprochen. Sie waren damals hundertprozentig mit mir darüber einig, daß die treuhänderische Verwaltung dieser Vermögenssubstanzen, die gar nicht klein sind, in die Hände der Deutschen übergehen soll, und zwar in die Hände der Bundesregierung, die mit dem Senat in Berlin - damals nannte man es Magistrat -- nun eine gemeinschaftliche Verwaltung aufstellen sollte. Damals bestand völlige Einigkeit. Dann ist quergeschossen worden. Von wem, will ich gar nicht sagen. Vielleicht wissen es einige der Damen und Herren, die hier im Hause sitzen.
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Der versprochene Brief, den Herr Dr. Reuter mir für die Hohen Kommissare zugesagt hat, ist dann nicht abgesandt worden. Ich habe fünf- oder sechsmal in Berlin bei Herrn Fleischmann angerufen; er sagte mir: der Brief wird fertiggestellt, es sollen nur zwei kleine Änderungen daran vorgenommen werden. - Nichts ist geschehen!
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Am letzten Tag, an dem der alte Magistrat in Berlin tätig war, hat er einen Brief an die Berliner Besatzungsmächte gerichtet, in dem er ersucht, die Treuhandverwaltung der Sozialversicherungsvermögen nicht an die Bundesregierung, sondern an den Magistrat in Berlin zu geben.
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Meine Damen und Herren! Wir wollen uns über diese Dinge gar nicht allzusehr streiten. Ich war im vergangenen Monat in Berlin und habe, da Herr Oberbürgermeister Dr. Reuter nicht anwesend war, mit seinem Stellvertreter, Herrn Dr. Schreiber, gesprochen, und ich habe auch mit Herrn Fleischmann Verhandlungen geführt, und die Herren sind der Meinung, daß das, was im Dezember versäumt worden ist, eben jetzt auf dem schleunigsten Wege nachgeholt wird.
Wir haben ein Schreiben der Hohen Kommissare vorliegen, in dem uns gesagt wird, daß, wenn zwischen der Bundesregierung und dem Senat in Berlin eine Verständigung über die Verwaltung der Vermögen erzielt wird, uns mit Wirkung vom 1. April dieses Jahres die treuhänderische Verwaltung übergeben wird. Das ist meines Erachtens etwas ganz Entscheidendes, und ich möchte Ihnen sagen: Zur Zeit wird ja von der Bundesregierung auf Grund der Verhältnisse, die wir durch die internationale Lage bekommen haben. ein allgemeines Wirtschafts- und Sozialprogramm durchberaten, und ich bin der Überzeugung, daß wir zur Neuordnung und zur finanziellen Sicherung unserer Sozialversicherungsträger im Rahmen dieses Einheitsprogramms die Dinge so weit in Ord-rung bringen können, daß unsere Sozialrentner. die auch ich als die Ärmsten der Armen zur Zeit in Deutschland bezeichne, zu ihrem Recht kommen, damit Menschen, die im guten Glauben in ihre Versicherungsträger ihre Beiträge eingezahlt haben, auch durch diese Versicherungsträger jetzt in ihrem Alter so unterhalten werden, daß sie von einem menschlichen Leben sprechen können.
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Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß die Besprechung der Interpellation vom Hause gewünscht und daß sie mit der Besprechung der beiden Anträge verbunden wird.
Zunächst hat sich Herr Abgeordneter Willenberg zum Wort gemeldet. Im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 120 Minuten, Herr Abgeordneter, 10 Minuten!
Meine Damen und Herren! Die staatspolitische Aufgabe unserer Sozialversicherung wird immer sein: die Sicherung des schaffenden Volkes gegen die wirtschaftlichen Folgen der unvermeidbaren Wechselfälle des Lebens wie Krankheit, Unfall, Alter, Invalidität, Berufsunfähigkeit oder Tod, die gesundheitliche Betreuung des schaffenden Volkes und seiner Angehörigen durch vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen und nicht zuletzt die Erhaltung des inneren, des sozialen Friedens.
Nun hat uns der Krieg mit all seinen Folgen sicherlich vor ungeheuer schwierige Aufgaben auf diesen Gebieten gestellt. Durch die Wirtschaftspolitik, die die Regierung nun schon seit Jahren treibt, sind nicht nur die Löhne und Gehälter außerordentlich in Bewegung geraten; in gleichem Maße sind auch die Pensions- und Rentenversicherungen ins Rutschen gekommen, und wir stehen vor Aufgaben, wie wir sie in der Vergangenheit kaum gehabt haben.
Es ist vorhin schon gesagt worden, daß die Durchschnittsrenten in der Invalidenversicherung um 60 Mark und in der Angestelltenversicherung um 94 Mark liegen; die Witwenrenten betragen in der Invalidenversicherung 37 Mark und in .der Angestelltenversicherung 53 Mark. Die Wohlfahrtssätze in manchen Gemeinden sind oft höher als die Bezüge der Bezugsberechtigten in der Rentenversicherung. Die Witwe eines früheren Mitgliedes dieses Hohen Hauses erhält an Witwenrente aus der Angestelltenversicherung monatlich 42,20 Mark, mit ihren Kindern erhält sie insgesamt 162 Mark. Nach Abzug der Wohnungskosten verbleiben dieser Familie pro Kopf und Tag 67 Pfennige.
Ein Unfallrentner schreibt mir, daß er für seine zwölfköpfige Familie monatlich eine Rente von 160 Mark erhalte. So entfallen auf diese zwölfköpfige Familie pro Kopf und Tag nur 45 Pfennige zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten. Das sind Zustände, die auf die Dauer unhaltbar sind und die dringendst der Änderung bedürfen.
In der Arbeitslosenunterstützung und der Arbeitslosenfürsorge liegen die Verhältnisse nicht besser.
Nun hören all die Bezugsberechtigten, daß wir vor einer neuen Preiswelle stehen, daß die Mieten in den Altwohnungen um 20 °/o erhöht werden sollen. Dabei wohnen gerade diejenigen, die Renten bekommen, zum allergrößten Teil in den Altwohnungen, und diese Rentner stehen nun vor der Frage: Wie sollen wir denn überhaupt noch unser Leben fristen? Wir verstehen nicht, daß man Maßnahmen auf diesem Gebiete ergreift, es aber unterläßt, zu gleicher Zeit die Renten und Pensionen in ausreichendem Maße zu erhöhen.
Wir sind auch der Auffassung, daß durch die Erhöhung der Löhne und Gehälter die Beitragseinnahmen in den Rentenversicherungen größer wurden und daß diese erhöhten Einnahmen auch für die Versicherten zur Auszahlung kommen müssen. Wir haben z. B. im Bergbau ungefähr 25 bis 30
Millionen Mark und noch mehr an Beitragsmehreinnahmen. Wenn wir die Renten im Bergbau auf 80 bis 90 °/o des Tariflohns bringen würden, den der Bezugsberechtigte zuletzt erhalten hat, brauchten wir, um diesen Fortschritt zu erzielen, nur 15 bis 16 Millionen Mark. Aber die Bundesregierung macht es sich sehr einfach. Wir haben etwa 30 Millionen Mark Mehreinnahmen, aber diese 30 Millionen Mark, die wir in der Knappschaft haben, kürzt uns die Bundesregierung, so daß wir nicht in der Lage sind, den Verhältnissen gerecht zu werden. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß bei der kommenden Regelung in der Sozialversicherung die Bundesregierung die Renten und Pensionen jeweils dem Lohn- und Gehaltseinkommen anpaßt damit wir nicht immer wieder vor der Notwendigkeit stehen, die Dinge erneut behandeln zu müssen.
Zum Schluß darf ich noch eine bescheidene Bitte an den Herrn Bundesarbeitsminister richten. Draußen im Lande sind noch viele Rentenstreitverfahren anhängig bzw. es liegen sehr viele Urteile vor, die noch in die Revisionsinstanz gehen sollen. Bis heute ist das noch nicht geschehen. Wir wünschen dringend, daß diese Arbeiten vorangetrieben werden, damit wir bald eine Revisionsinstanz bekommen und diese Rentenstreitverfahren endgültig zur Erledigung gebracht werden können.
Das Wort hat der Abgeordnete Freidhof.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es gibt kaum einen Abgeordneten in diesem Hause, der, wenn er in seinen Wahlkreis hinausgeht und Versammlungen abhält, nicht von Rentenempfängern angesprochen wird, die ihn über die unhaltbare Lage, über die Not und über das Elend, die in diesen Kreisen herrschen, unterrichten. Es dürfte auch die allgemeine Auffassung dieses Hauses sein, daß die Rentenempfänger unter den gegenwärtigen ungünstigen Wirtschaftsverhältnissen am schwersten zu leiden haben. Es scheint mir daher eine nationale Verpflichtung und ein Gebot der Stunde zu sein, Menschen, die 30, 40, 50 Jahre oder noch länger im Wirtschaftsleben ihre Pflicht und Schuldigkeit getan haben, wenigstens eine solche Rente zu gewähren, daß ihr Lebensabend einigermaßen gesichert ist. Ich sage ausdrücklich „einigermaßen gesichert". Ich weiß, daß nicht alle Wünsche. jedes einzelnen erfüllt werden können. Ich bin aber der Meinung, daß, bevor jetzt andere Gruppen an die Reihe kommen, zunächst und an erster Stelle die Rentenempfänger berücksichtigt werden müssen. Ihnen zu helfen, scheint mir am dringendsten notwendig zu sein.
Es ist heute von den einzelnen Rednern wiederholt auf die Höhe der Durchschnittsrenten in der Invaliden- und Angestelltenversicherung hingewiesen worden. Ich will die Zahlen nicht wiederholen, sondern nur feststellen, daß diese Renten dem Rentenempfänger in keiner Weise das Leben noch lebenswert machen, sondern daß man hier nur von Hungerrenten reden kann, die zum Leben zuwenig und zum Sterben zuviel sind und die angesichts der ständig steigenden Preise für Lebensmittel und sonstige Bedarfsgegenstände bei den Sozialrentnern eine immer schwierigere Situation herbeiführen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat deshalb seit langer Zeit, bereits im Frankfurter Wirtschaftsrat, die Initiative ergriffen, um zu erreichen, daß die Rentenbezüge erhöht werden. Es ist ihrer Initia({0})
tive zu verdanken gewesen, daß eine Mindestrente festgesetzt wurde, und es ist ihrer Initiative zu verdanken gewesen, daß die Witwe eines Mannes, der in der Invalidenversicherung versichert war, ohne Rücksicht auf ihr Alter und ihre Erwerbsfähigkeit ebenfalls eine Rente erhält wie die Beamtenwitwe und die Witwe eines in der Angestelltenversicherung versichert gewesenen Mannes. Wir haben im vorigen Jahr einen Antrag eingebracht, mit dem wir erreichen wollten, daß der Grundbetrag in der Invalidenversicherung von 156 Mark auf die Höhe des Grundbetrages in der Angestelltenversicherung, nämlich auf 444 Mark heraufgesetzt wird. Umgekehrt haben wir dann weiter beantragt, daß die Steigerungsbeträge aus der Angestelltenversicherung, die nur 0, 7 % ausmachen, auf den Stand der Steigerungsbeträge in der Invalidenversicherung, d. h. auf 1,2 %, heraufgesetzt werden.
Frau Abgeordnete Kalinke und auch Herr Arbeitsminister Storch haben vorhin darauf hingewiesen, daß diejenigen, die aus eigener Kraft und durch eigene Beiträge für ihr Alter etwas tun, besonders belohnt werden sollen. Um Ihnen einmal vor Augen zu führen, wie die Steigerungsbeträge sich in der Angestelltenversicherung auswirken, will ich Ihnen ein Beispiel nennen. Ich zahle monatlich 55 Mark Angestelltenversicherung, das sind 660 Mark im Jahr. Dafür erhalte ich einen Steigerungsbetrag von 0,7 %, das macht im Jahr 4,62 Mark aus. Daß das ein unmöglicher Zustand ist, der auf die Dauer nicht aufrechterhalten werden kann, dürfte wohl allgemein anerkannt werden. Wir haben damals diesen Antrag eingereicht, und es wäre möglich gewesen, eine Verbesserung der Renten durchzuführen, wenn die Mehrheit des Hauses unserem Antrag gefolgt wäre. Das ist da-3) mals nicht der Fall gewesen. Der Antrag ist lediglich der Regierung als Material überwiesen worden; geschehen ist auf dem Gebiet bis zum heutigen Tage nichts.
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In dem Antrag Nr. 1948 fragt Frau Abgeordnete Kalinke, welche Maßnahmen die Bundesregierung vorbereitet hat, um die Renten in der Sozialversicherung dem veränderten Lohn- und Preisgefüge anzupassen. Ich glaube, es wäre längst Zeit gewesen, den Standpunkt, den wir vertreten haben, einzunehmen, und nicht zu warten, bis eine Situation entsteht, in der der Hungerriemen bei den Rentenempfängern so weit angezogen werden muß, daß bei einem großen Teil Selbstmordgedanken auftreten. Ich hoffe deshalb, auf allen Seiten dieses Hauses ist jetzt die Erkenntnis vorhanden, daß möglichst rasch eine Erhöhung der Renten für alle Rentenempfänger durchgeführt werden muß.
Wir wissen auch, daß sich die Rententräger in einer außerordentlich schwierigen Situation befinden. Vorhin ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Verluste in der Rentenversorgung durch Inflation, durch Währungsumstellung und durch Zerstörung der Häuser, die mit Hypotheken aus der Rentenversicherung beliehen waren, den Betrag von etwa 12 Milliarden Mark ausmachen. Der Herr Bundesarbeitsminister Storch hat vorhin darauf hingewiesen, daß dem Bund nur indirekte Steuern zur Verfügung stünden, um einen Ausgleich in der allgemeinen Rentenversorgung, d. h. um die Substanzherstellung durchzuführen. Das beruht auf einem Irrtum. Der Bund kann Einkommensteueranteile von den Ländern für sich in Anspruch nehmen, und es dürfte möglich sein, daß der Bund einen Teil der Einkommensteuer zur Wiederherstellung der Substanz der Rentenversicherung in Anspruch nimmt. Wir wissen auch, daß das deutsche Volk unter seiner Überalterung sehr schwer zu leiden hat und daß die Zugänge zur Rentenversicherung und damit die Beitragseinnahmen in Zukunft infolge der Mindergeburten der letzten Zeit wahrscheinlich abnehmen werden.
Man hat aber auch der Rentenversicherung gewaltige Kriegsfolgelasten aufgebürdet, die nach unserer Auffassung nicht in die Rentenversorgung hineingehören, indem man die Flüchtlinge und einen Teil vorzeitig zu Rentnern gewordene Kriegsopfer der Rentenversicherung überantwortet hat, während es nach unserer Auffassung Aufgabe des Bundes ist, die absoluten Kriegsfolgelasten, um die es sich hier handelt, durch den Bund und nicht durch die Sozialversicherung tragen zu lassen. Nach unseren Feststellungen leistet der Bund gegenwärtig 800 Millionen DM an Zuschüssen zur Sozialversichërung.
Der Herr Abgeordnete Arndgen, der selbst lange Zeit Arbeitsminister in einem Land gewesen ist, hat den Appell an uns gerichtet, wir sollten verantwortungsbewußt sein und die notwendigen Steuern bewilligen, die es ermöglichen, die Renten zu zahlen. Herr Abgeordneter Arndgen! Ich kann Ihnen versichern: Wir sind bereit, die notwendigen Steuern mitzubeschließen. Aber diese Steuern werden anders aussehen als diejenigen, die die Regierungsmehrheit durchführen will.
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Ich weiß nicht, ob Herr Arbeitsminister Storch noch auf demselben Standpunkt steht wie am 20. Juli 1950, als er dem Verband der Deutschen Rentenversicherungsträger mitteilte - ich zitiere wörtlich-:
Ich werde mit allen Kräften dafür eintreten, daß die Träger der Sozialversicherung im Rahmen des Lastenausgleichs eine Entschädigung für ihre Verluste durch die Währungsreform und durch die unmittelbaren Kriegseinwirkungen erhalten.
Selbst wenn der Herr Arbeitsminister noch denselben Standpunkt einnähme, würde er bei seinem Ministerkollegen Schäffer wahrscheinlich auf sehr schweren Widerstand stoßen. Mir scheint es notwendig zu sein, daß der Bundestag möglichst rasch einen Ausgleich schafft, um die Währungsverluste bei der Rentenversicherung durch ein Bundesgesetz festzustellen und zu regeln. Nur so wird es nach unserer Auffassung möglich sein, die Sozialversicherung wieder auf eine gesunde Grundlage zu stellen. Das scheint mir um so notwendiger zu sein, als die Privatversicherung seit dem 1. 1. 1949 jährlich rund 87 Millionen DM aus Bundesmitteln an Zinsen erhält für die ihr zugeteilten Kriegsausgleichsforderungen. Was dem einen recht ist, muß auch dem andern billig sein.
Nun hat die CDU/CSU in einem Antrag Drucksache Nr. 1971 verlangt, daß die Regierung möglichst rasch einen Gesetzentwurf vorlegt, durch den eine 25% ige Erhöhung der Renten durchgeführt werden soll. Es ist etwas eigenartig, wenn man die Daten der einzelnen Anträge verfolgt. Am 13. Februar 1951 hat die sozialdemokratische Fraktion eine Interpellation eingereicht, in der sie fragt, was auf dem Gebiet geschehen ist. Am 17. Februar hat die Deutsche Partei einen Antrag eingebracht,
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worin sie eine Erhöhung der Renten fordert, und einige Tage später, am 22. Februar, hat dann die CDU/CSU den Antrag eingebracht, von dem ich spreche. Nachdem alle Fraktionen damit einverstanden sind, die Renten jetzt zu erhöhen, sind wir einmütig der Überzeugung, daß die Dinge möglichst rasch erledigt werden sollen, um den Ärmsten der Armen zu ihren Renten zu verhelfen. Ich bin auch der Überzeugung, wenn die sozialdemokratische Fraktion den Antrag, den die CDU eingereicht hat, jetzt im Bundestag eingebracht hätte, dann würde Herr Abgeordneter Arndgen wahrscheinlich erklärt haben, bei diesem Antrag handle es sich um einen Agitationsantrag der Sozialdemokratie. Ich hoffe, es handelt sich bei der CDU nicht um einen Agitationsantrag, sondern daß sie bereit ist, gemeinsam mit uns die Rentenerhöhung möglichst bald durchzuführen. Nach unserer Überzeugung wird es sehr lange dauern, bis der Antrag der CDU endgültig verabschiedet ist. Bis dahin können aber die, Renten nicht auf dem jetzigen niedrigen Stand bleiben, sondern sie müssen erhöht werden. Es muß also möglichst rasch etwas geschehen.
Ich möchte deshalb im Namen der sozialdemokratischen Fraktion folgenden Antrag dem Herrn Präsidenten des Hauses übergeben und bitte um Annahme. Ich beantrage gleichzeitig, daß die Abstimmung über diesen Antrag heute erfolgen soll. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag sofort einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die aus der Sozialversicherung ({4}) zu gewährenden Renten sowie Witwen- und Waisengelder ab 1. April 1951 um 25°/o erhöht werden.
Da die Sozialversicherungsträger insbesondere infolge der Vermögensverluste von 1923 und 1948 nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln die durch die Erhöhung entstehenden Mehrkosten zu tragen, sind dieselben vom Bund zur Verfügung zu stellen.
Im Interesse der Rentenempfänger und einer beschleunigten Durchführung der Erhöhung der Renten bitte ich, die Abstimmung heute vorzunehmen, und ersuche das Hohe Haus, diesem Antrage zuzustimmen.
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Herr Abgeordneter, darf ich die Frage stellen: Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, daß es sich um einen Antrag handelt, der als Finanzvorlage anzusehen ist und einer Deckungsvorlage bedarf?
({0})
- Ich habe keine Antwort auf die Frage bekommen. Wollen Sie einen Deckungsvorschlag machen? Darf ich Ihnen den Antrag zu dem Zweck einen Augenblick zurückgeben? Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht verwunderlich, daß die Frau Kollegin Kalinke die Politik der Bundesregierung verteidigt. Frau Kollegin Kalinke ist zweifelsohne eine außerordentlich gute Kennerin der gesamten Sozialversicherungsprobleme, da sie darin groß geworden ist und darin arbeitet. Weil ich sie auf diesem Gebiete schätze, deshalb kann ich es nicht verstehen, daß sie sich zu einer Formulierung hinreißen läßt, die sinngemäß folgendermaßen lautet, daß die Bundesregierung ja eigentlich schon einige Anstrengungen gemacht habe, um den Verhältnissen auf dem Gebiete der gesamten Sozialversicherung gerecht zu werden.
Ich glaube, daß die Frage doch nicht so einfach ist und daß das, was die Bundesregierung auf diesem Gebiete getan hat, in seiner Wirkung tatsächlich nicht überzeugend oder gar überwältigend ist. Wenn Sie darauf anspielen, daß beispielsweise das Gesetz zur Änderung. des Gesetzes über die Arbeitslosenversicherung in der kommenden Woche hier im Bundestag vielleicht verabschiedet werden soll, dann muß ich sagen: man kann wirklich nicht behaupten, daß die Bundesregierung und in diesem Falle der Bundesarbeitsminister ein besonders starkes soziales Verständnis an den Tag gelegt hat; denn sonst wäre es eine Unmöglichkeit gewesen, den Erwerbslosen eine zehnprozentige Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze und der Arbeitslosenfürsorgesätze anzubieten. Deswegen bin ich außerordentlich skeptisch und mißtrauisch gegenüber dem, was der Herr Bundesarbeitsminister zuletzt erklärte, daß nämlich die Bundesregierung zur Zeit dabei sei, ein Wirtschafts- und Sozialprogramm auszuarbeiten, über das im Bundestag gesprochen werden muß. Ich hätte sehr gern gehört, daß der Herr Bundesarbeitsminister wenigstens in etwa die Grundzüge dieses Wirtschafts-und Sozialprogramms angedeutet hätte, damit man erfährt, auf welcher Grundlage und mit welcher Zielsetzung diese Dinge durchgeführt werden sollen. Aber es ist doch unbestritten, daß die entscheidenden Sozialpolitiker in Deutschland sich seit 1945 darüber Gedanken gemacht haben, wie man die Sozialversicherung auf eine gesunde Grundlage stellen könne. Bezeichnenderweise kristallisierte sich immer wieder ein Vorschlag heraus, zu dem bis jetzt in dieser Debatte noch nicht gesprochen worden ist, nämlich den Weg einer Umänderung organisatorischer Art zu wählen, die natürlich ganz zwangsläufig auch den sozialen Inhalt der Sozialversicherung entscheidend beeinflussen und ändern würde. Deswegen muß die Frage auch einmal von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet werden. Man sollte doch nicht vergessen, daß bereits vor über einem Jahre hier der Antrag meiner Fraktion angenommen wurde, die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag möglichst bald Vorschläge zur Reform der Sozialversicherung vorzulegen.
Sie werden mir zugeben, daß in den letzten 60 Jahren in der Sozialversicherung nichts geändert worden ist; Sie geben mir sicher auch zu, daß bei den einzelnen Novellen im alten Reichstag gerade zu dieser Frage monatelang diskutiert wurde, ohne daß irgendein entscheidendes Ergebnis dabei herausgekommen ist. Sie müssen mir zugeben, daß sowohl der alte Reichstag wie auch jetzt der Bundestag in der Frage der Mittelbewilligung für andere Zwecke, sagen wir einmal für Zwecke der Kriegsvorbereitungen oder der Rüstung, bereit gewesen sind, die notwendigen Mittel sofort zur Verfügung zu stellen. Es spricht doch Bände, wenn der Herr Bundesarbeitsminister hier erklären muß, daß er gegenwärtig bei dem Herrn Bundesfinanzminister darum ringt, die notwendigen Mittel zu erhalten, die in seinem Etat für die Sozialversicherung eingesetzt werden sollen, während derselbe Herr Bundesfinanzminister dem Herrn Innenminister
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gegenüber sofort bereit war, im Wege der Vorwegbewilligung die notwendigen Millionen für die von ihm gewünschte Polizei zur Verfügung zu stellen. Die Frage soll man sehen und die Dinge auch von diesem Gesichtspunkt aus bewerten.
Ich gehe mit der von Frau Kollegin Kalinke in ihrem Antrag Drucksache Nr. 1948 aufgestellten Forderung einig, daß irgendwie die Frage der Kapitaldeckung der Sozialversicherung einmal geklärt werden muß. Ich bin aber nicht der Meinung, daß das nur eine rein fiskalische Angelegenheit ist, sondern ich bin vielmehr der Auffassung, daß gerade dieses Parlament und sein Ausschuß für Sozialpolitik alle Veranlassung haben, einmal zu untersuchen, ob nicht auf dem Wege bestimmter Reformen auch hier in der Sozialversicherung eine gewisse Gesundung erreicht werden und ob nicht auch hier etwas getan werden kann, über dessen Grundsätze beispielsweise die Gewerkschaften - sowohl die früheren christlichen als auch die freien Gewerkschaften - immer wieder diskutiert haben.
Ich glaube auch, daß der Antrag der CDU, der von einer Gesetzesvorlage spricht, doch nicht so leicht zu nehmen ist, wie es der Kollege Arndgen hier hingestellt hat. Gewiß, Kollege Arndgen, Sie haben recht, eine Milliarde DM ist notwendig, um allein die Zinsen als Rücklage für die Sozialversicherung wieder hereinzubekommen. Wenn Sie mir gestatten, verlese ich dazu einige Zahlen, Zahlen allerdings, die mir nur für den Bereich meines Landes zur Verfügung stehen. Sehen wir uns einmal die Krankenversicherung an. Allein bei der Krankenversicherung, d. h. den allgemeinen Ortskrankenkassen, stehen an unberücksichtigten Forderungen bisher noch zirka 11 Millionen DM aus; sie haben also den Anspruch auf 11 Millionen DM aufrechtzuerhalten. Wenn wir weiter sehen, daß allein die kleine Landesversicherungsanstalt Württemberg - und man soll dann einmal die Auswirkungen für das gesamte Bundesgebiet überlegen - vor 1933 ein Vermögen von über 54 Millionen Mark hatte und nach 1945 buchmäßig ein Vermögen von 332 Millionen Mark, daß aber davon allein 276 Millionen Mark in Reichsschatzanleihen angelegt waren, dann zeigt sich, daß der Sozialversicherung aber auch restlos alle Rücklagen abgehen, die sie zu ihrer Gesundung haben muß.
Hinzukommt, daß bei der vorbeugenden Heilfürsorge, die wir hierbei nicht vergessen dürfen, die Erholungsheime eine entscheidende Rolle spielen. Die Frage der Erholungsheime muß mit in diesen Plan einbezogen werden. Für diese Heime, die von der Sozialversicherung bisher unter den größten Opfern unterhalten worden sind, erhält sie vom Staat auch' nicht einen Pfennig Zuschuß, auch nicht von den Ländern.
Diese Fragen soll man sehen, und ich bin deshalb der Meinung, daß das Bundesarbeitsministerium endlich einmal die Lösung der Frage des, sagen wir, optimalen Lastenausgleichs in der Sozialversicherung auf der Bundesebene anstreben soll durch Reformvorschläge, über die wir hier in diesem Kreise eingehend diskutieren können. Ich bin der Auffassung, daß das Bundesarbeitsministerium und die gesamte Bundesregierung diese sozialen Probleme endlich einmal mit derselben Schnelligkeit lösen sollte, mit der die Bundesregierung bereit ist, die Probleme in Angriff zu nehmen, deren Lösung sich nicht im Interesse des deutschen Volkes, sondern zum Schaden des deutschen Volkes auswirkt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wenn meine Partei zu dieser Frage keinen besonderen Antrag eingebracht hat, so bedeutet das nicht, daß sie die Bedeutung dieser Frage verkennt. Die Notlage der Rentner ist uns ebenso bekannt wie Ihnen, und wir halten dieses Problem für das erste, das wir im Bundestag zu lösen haben. In dem zuständigen Ausschuß werden wir an dieser Frage konkret mitarbeiten.
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- Trotzdem will ich mich in den Streit der Damen
nicht einmischen. Ich verletze aber wohl meine
Pflichten als Kavalier nicht, wenn ich feststelle, daß
Frau Korspeter sicher die temperamentvollere
Rede gehalten hat, während Frau Kalinke doch
wohl die positiveren Argumente vorgebracht hat.
({1})
Zur Sache möchte ich mich auf die folgende Stellungnahme zu den Anträgen, die hier vorgelegt worden sind, beschränken. Zu der Neugestaltung der Rentenversicherung, die wir für dringend notwendig halten, werden wir verschiedene konkrete Vorschläge vorlegen, die wir auch im Ausschuß mit positiven Unterlagen belegen werden. Die Erhöhung, die Aufwertung der Renten um einen Satz von etwa 25 % halten wir im Prinzip für notwendig und richtig. Wir werden auch daran mitarbeiten und ebenso an der Wiedereinführung der Ruhensvorschriften, die in dem Antrag der CDU gefordert ist.
Zu dem nicht minder wichtigen Punkt der Finanzierung muß ich aber feststellen, daß dazu in dem Antrag der CDU nur sehr bedingt brauchbare Vorschläge gemacht worden sind, während von der SPD überhaupt keine Deckungsvorschläge vorliegen.
({2})
Aber ich bin der Ansicht, daß die Deckung des Bedarfs an Mitteln über das reine Versicherungsprinzip hinaus Sache des Bundes und nicht der Sozialversicherungsträger ist. Die Sozialversicherungsträger haben diese Mittel nur insoweit aufzubringen, als es sich um eine echte Versicherung handelt; was darüber hinausgeht, muß aus Bundesmitteln gedeckt werden. In unserem Ausschuß - oder den Ausschüssen - wird wahrscheinlich an einem Kampf mit dem Finanzminister nicht vorbeizukommen sein. Wir werden also positiv und konkret an der Lösung dieser Frage im Ausschuß mitarbeiten, und wir beantragen, die Anträge der beiden Regierungsparteien an den Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte über dieses sehr wichtige Thema ist durch die Art und Weise, in der Frau Kollegin Korspeter ihre Interpellation zu begründen für richtig befunden hat, in ein Geleise geraten, das der sehr ernsten und guten Sache nach meinem Dafürhalten nicht dient.
({0})
Wir sollten uns doch alle miteinander befleißigen, die Dinge lediglich rein sachlich, ohne dieses agitatorische Beiwerk, dessen man sich hier bedient hat, zu behandeln.
({1})
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Es ist uns hier von der linken Seite des Hauses in Zwischenrufen und auch bei den Ausführungen mehr als einmal unterstellt worden, unser Antrag sei aus agitatorischen Überlegungen geboren, und Frau Korspeter hat sogar gesagt: „Wahrscheinlich mit einem Auge auf den bevorstehenden Wahlkampf in Niedersachsen!"
({3}) Wenn man darauf die Antwort geben wollte, dann könnte man der Frau Kollegin Korspeter, glaube ich, nur mit gutem Grunde bescheinigen, daß sie heute hier im Plenum ihre erste Wahlrede für den niedersächsischen Landtag gehalten hat.
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Ich möchte mich damit nicht weiter beschäftigen.
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Aber der Kollege Freidhof hat eigentlich mit der ähnlichen Tendenz hier die zeitliche Aneinanderreihung der Anträge aufgeführt, um damit deutlich zu machen, daß der Antrag der CDU dem Datum nach der jüngste sei. Ich darf hier vor dem Hause einmal mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir ganz bewußt davon Abstand genommen haben, unseren Antrag in so allgemeinen Formulierungen zu halten, wie wir sie ja in den vergangenen Monaten schon so und so oft erlebt haben. Deshalb haben wir uns sehr ernste Gedanken darüber gemacht, und unsere Überlegungen über die Art und Weise, wie wir diesen, ich darf wohl sagen, konstruktiven Antrag formulieren sollten, gehen noch erheblich bis hinter das Datum zurück, an dem etwa der Antrag der SPD geboren wurde. Wir haben sehr eingehende Besprechungen darüber geführt und sind dann zu diesem Entschluß gekommen.
Ich möchte glauben, daß sich mit diesem Antrag in der Tat auch für die Regierung etwas machen läßt. Wenn darauf hingewiesen wurde, wie wohl der Herr Finanzminister sich zu den notwendigen Zugeständnissen bequemen möchte, so, glaube ich, darf man es als ein Verdienst des Herrn Bundesarbeitsministers bezeichnen, daß er gerade die Frage der Wiedergutmachung oder der Aufbringung der notwendigen Mittel für eine wirklich ausreichende Rentenerhöhung seit geraumer Zeit mit dem Herrn Bundesfinanzminister besprochen hat. Auch aus den Unterhaltungen, die einige meiner Freunde und ich mit dem Herrn Bundesfinanzminister gehabt haben, glaube ich, den Schluß ziehen zu dürfen, daß Herr Finanzminister Schäffer für die Erfordernisse und Notwendigkeiten, die es hier in der Erfüllung dieser Anträge zu garantieren gilt, sehr wohl aufgeschlossen ist.
Meine Damen und Herren! Ich will zu den sachlichen Ausführungen, die der Kollege Arndgen und der Herr Bundesarbeitsminister gemacht haben, keine neuen Einzelheiten mehr hinzufügen. Ich will mich auch nicht mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Kohl beschäftigen, der uns hier wieder einmal das Rezept der Einheitsversicherung der Ostzone als das alleinige Heilmittel angeboten hat. Ich glaube, wir haben hier - was meine Freunde angeht - schon oft genug zum Ausdruck gebracht, daß wir über die Art und Weise, wie diese Experimente dort drüben im Osten und auch in Berlin bisher exerziert worden sind, ausreichend belehrt worden sind,
({6})
daß wir gar nicht daran denken, etwa den Gelüsten der kommunistischen oder vielleicht auch anderer Richtungen hier in diesem Saal zu folgen
oder auch nur Weichenstellungen zuzulassen, die in die Linie einer solchen Einheitsversicherung führen.
({7})
Zu dem Punkt 4 des Antrags der Deutschen Partei, der sich mit der treuhänderischen Verwaltung der Vermögen der Sozialversicherungsträger in Berlin beschäftigt, muß ich ein Wort sagen. Herr Minister Storch hat dazu schon gewisse Aufklärungen gegeben. Mir ist bekannt, daß in der Zwischenzeit im Bundesarbeitsministerium auch bereits Besprechungen mit einem Kreis der an dieser Frage Interessierten und Beteiligten - mit Gewerkschaften, Arbeitgebern und Trägern der Sozialversicherung - stattgefunden haben, wobei man sich darüber unterhalten hat, wie etwa ein solcher hier vorgeschlagener Verwaltungs- oder Treuhänderusschuß zusammengesetzt sein müsse und wie er auszusehen habe. Das, was mir über den Verlauf dieser Besprechungen zu Ohren gekommen ist, gibt mir das Recht, hier auszusprechen, daß wir erwarten müssen, daß man bei der Zusammen' Setzung eines so gearteten Ausschusses, wie immer man ihn auch nennen mag, insbesondere und vor allen Dingen diejenigen in erster Linie zum Zuge zur Mitsprache und zum Mitentscheidungsrecht kommen läßt, deren Vermögen dort in Berlin eingefroren oder blockiert sind.
({8})
Nach meinem Dafürhalten haben diese Sozialversicherungsträger - und zwar hier wieder in einer gewissen Stufenfolge -, deren Vermögen drüben eingefroren sind, schließlich auch ein stärkeres Recht, in diesem Ausschuß zu Wort zu kommen, als etwa solche Sozialversicherungsträger, die daran etwa gar nicht oder kaum beteiligt sind.
({9})
Ich möchte das hier als nachdrücklichen Wunsch meiner politischen Freunde dem Herrn Bundesarbeitsminister vortragen und ihn bitten, bei den weiteren Erörterungen dieser Frage darauf die gebührende Rücksicht zu nehmen.
Meine Damen und Herren, der Kollege Freidhof hat mit der Begründung, daß die Verwirklichung des von uns gestellten Antrages zu lange Zeit beanspruchen würde, einen neuen Antrag einge bracht, von dem er glaubt, daß damit den Rentnern auf schnellere Art und Weise zu ihren erhöhten Bezügen verholfen würde. Ich will auf die Frage der Deckung, die hier angesprochen worden ist, nicht eingehen; dazu haben die Vertreter der SPD sicher noch einiges zu sagen. Aber, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, glauben Sie denn, daß der von Ihnen eingereichte Antrag etwa einfach mit einer Handbewegung verwirklicht werden könnte? Sie müssen ebenso wie die Regierung und wir auch darüber sehr ernste Überlegungen anstellen, wie das überhaupt zu schaffen ist.
Verzeihen Sie, wenn ich dabei noch einmal auf die Darlegungen der Frau Korspeter zurückkomme. Es muß hier mit allem Nachdruck, glaube ich, noch einmal unterstrichen werden, was die Regierungsparteien in der damaligen Sitzung veranlaßt hat, den Antrag der SPD der Regierung lediglich als Material zu überweisen. Ich durfte schon damals als Sprecher meiner Freunde ausführen, daß zunächst einmal die Ergebnisse der versicherungsmathematischen Bilanz abgewartet werden müssen. Das war der Grund, und weil aus den so gewonnenen Erkenntnissen die Schlußfolgerungen zu ziehen waren,
({10})
deshalb haben wir gesagt, daß die Regierung bei ihren Überlegungen und ihren Beratungen gleichzeitig diesen Antrag heranziehen soll.
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- Es hilft nichts, wenn Sie das hier immer damit abtun wollen, daß Sie sagen: Dann können die Rentner weiter hungern. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß wir nur dann der uns obliegenden Verantwortung gemäß verfahren, wenn wir der Frage der Wiederherstellung einer echten Versicherungsgrundlage für unsere Rentenversicherung mit der Gründlichkeit und in der Tat auch mit dem Verantwortungsbewußtsein zu Leibe gehen, das wir den Millionen der betroffenen Menschen schuldig sind. Ich glaube auch sagen zu dürfen: Wenn wir jetzt Ihren Antrag annehmen würden, würden genau so noch Wochen darüber vergehen, bis wir hier in zweiter und dritter Lesung darüber befinden würden.
Ich mache dem Hause einen anderen Vorschlag. Wir sind der Meinung, daß unser Antrag, der ja an sich neben der Herausstellung des grundsätzlichen Verlangens nur gewisse Prinzipien aufstellt, die bei der Verwirklichung berücksichtigt werden müßten, gar keiner weiteren Erörterung im Sozialpolitischen Ausschuß bedarf, so daß er vom Hohen Hause so angenommen werden kann, wie er vorliegt. Es wird in erster Linie Sache der Regierung sein, die konkreten Schlußfolgerungen aus diesen Grundsätzen zu ziehen. Unsere Aufgabe, meine Damen und Herren, und, wenn Sie wollen, auch die besondere Aufgabe des Sozialpolitischen Ausschusses wird es dann sein müssen, der Regierung dabei die notwendige Hilfsstellung zu geben und, wenn erforderlich, mit Nachdruck zu bohren und immer wieder zu bohren, damit nun, nachdem die Dinge soweit vorgetrieben sind, nicht nochmals Wochen oder Monate darüber ins Land gehen. Weil wir der Meinung sind, daß unser Antrag der Regierung eine entsprechende Grundlage oder jedenfalls Richtlinien an die Hand gibt, möchte ich beantragen, den von der Fraktion der SPD gestellten zusätzlichen Antrag abzulehnen,
({12})
dagegen den Antrag der CDU/CSU nicht erst an den Ausschuß zu überweisen, sondern unter Ablehnung des von Herrn Dr. Atzenroth gestellten Antrages hier im Plenum anzunehmen und ihn damit als Beschluß des Bundestages der Regierung zur beschleunigten Bearbeitung zuzuleiten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nicht in die Auseinandersetzung über das Thema einmischen, auf welcher Seite in diesem Zusammenhang mehr und auf welcher weniger Agitation beabsichtigt ist. Ich glaube, das ist im Verhältnis zur Gesamtfrage, die hier zur Debatte steht, gar nicht so wichtig. Ich habe nur die Absicht, einige Bemerkungen zum Thema der Deckungsvorschläge zu machen. Mir scheint, daß wir da, um es einmal auf schwäbisch zu sagen, nebeneinander feilhaben. Die Anträge der CDU bezüglich der Deckung sind ja so vage, daß man von Deckungsvorschlägen schon nicht mehr reden kann.
({0})
Denn wenn Sie sagen:
Zur dauernden Deckung der Rentenerhöhungen sollen die erforderlichen Mittel vom Bund aus neuen Steuerquellen, z. B. durch Einführung einer Giral-Steuer bereitgestellt werden,
dann muß ich erklären, daß Sie der Bundesregierung da eine so große Spannweite für die Auswahl der Mittel lassen, daß es einige Zeit dauern wird, bis das richtige Mittel gefunden worden ist. Also wenn es sich um Deckungsvorschläge im echten Sinne handeln sollte, würde ich, Herr Kollege Arndgen, das nicht als einen Deckungsvorschlag im Sinne des § 48 a der Geschäftsordnung betrachten.
({1})
Auf der andern Seite ist der Deckungsvorschlag im SPD-Antrag etwas konkreter. Er entspricht nämlich den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Finanzvorlagen für einen kommenden Haushaltsplan - und darum handelt es sich ja ({2})
eingebracht werden müssen. Ich habe nicht die Absicht, dem Herrn Präsidenten hier eine Belehrung zu erteilen. Er hat durchaus recht gehabt, als er darauf hinwies, daß es sich um eine Finanzvorlage handelt. Aber ich darf darauf aufmerksam machen, daß es im Antrag der SPD ausdrücklich heißt, daß die Renten - als Sammelbegriff - ab 1. April 1951 um 25°/n erhöht werden sollen, und daß die Notlage der Rentner eine Erhöhung der Renten ab 1. April 1951 geboten erscheinen läßt, scheint mir gar nicht strittig zu sein. Die Notlage besteht ja nicht erst von diesem Termin an, sondern schon viel länger, und eine Abhilfe wäre schon lange notwendig gewesen. Gerade aber weil der Termin so gewählt worden ist, daß er mit dem Beginn des neuen Haushaltsjahres zusammenfällt, ist es gar nicht notwendig, einen Deckungsvorschlag in dem Sinne zu machen, daß man sagt, woher die Mittel kommen sollen, sondern es genügt nach den allgemeinen Grundsätzen, die in dieser Frage bisher angewendet worden sind, daß der Antrag sagt: Die Mittel sind im ordentlichen Haushalt 1951 zu veranschlagen. Das haben wir bisher stets, wenn es sich um das kommende Haushaltsjahr, das heißt um einen noch nicht bestehenden Haushalt handelt, so gehandhabt, und ich habe eine entsprechende Abänderung des sozialdemokratischen Antrags hier vorzulegen. Ich werde den korrigierten Antrag dem Herrn Präsidenten übergeben und bitte, diesen sozialdemokratischen Antrag anzunehmen.
Der Vorschlag des Herrn Kollegen Horn, den CDU-Antrag ohne Ausschußberatung zu verabschieden und den SPD-Antrag abzulehnen, bedeutet ja in der Sache gar nichts anderes, als daß die Bundesregierung sich mit den Problemen noch sehr lange Zeit beschäftigen kann und daß den Rentnern nicht geholfen wird.
({3})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es nach all den Erörterungen, die stattgefunden haben, doch nötig wird, daß wir über die Frage des § 48 a der Geschäftsordnung einmal einige Doktorarbeiten anfertigen lassen.
({0})
Ich darf den Herren Universitätsprofessoren unter uns den Vorschlag machen, vielleicht einmal in die Erwägung dieser Frage einzutreten.
({1})
Ich stelle fest, daß der Herr Abgeordnete Schoettle den Antrag abgeändert hat. Es heißt jetzt: „sind dieselben" - nämlich diese Mehrkosten - „im ordentlichen Bundeshaushalt 1951 zu veranschlagen".
Gestatten Sie, daß ich einen Hinweis gebe, Herr Kollege Schoettle. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die Abgeordneten, die damals den § 48 a formuliert haben, der Auffassung gewesen sind, daß allein der Hinweis auf den neuen Haushaltsplan bereits eine hinreichende Deckungsvorlage ist. Denn im Abs. 2 des § 48 a der Geschäftsordnung ({2})
- Herr Kollege Schoettle, es ist mir immer ein besonderer Genuß, mich mit Ihnen über die Geschäftsordnung und den Haushaltsplan zu unterhalten, und ich möchte Ihnen auch einen Satz dazu sagen, wenn Sie gestatten -,
({3})
im Abs. 2 des § 48 a der Geschäftsordnung heißt es: „Finanzvorlagen sind alle Vorlagen der Bundesregierung ... , die geeignet sind, für die Gegenwart oder die Zukunft auf die öffentlichen Finanzen einzuwirken, also namentlich solche, die den Haushalt ... über alle diese Gegenstände betreffen." Es scheint mir keineswegs abwegig zu sein, daraus die Folgerung zu ziehen, daß der Hinweis auf den Haushalt allein noch nicht ausreicht, sondern daß auch die Erhöhung von haushaltsplanmäßigen Ausgaben eine Deckungsvorlage erforderlich macht. Ich möchte weiterhin die Frage im Hinblick auf den Antrag der CDU/CSU aufwerfen - ich habe mir das natürlich auch überlegt -, ob der Antrag eine hinreichende Deckungsvorlage ist oder ob ich sie nicht im Einvernehmen mit dem Ältestenrat zunächst dem Haushaltsausschuß überweisen müßte. Es scheint mir die Frage aufzutauchen, ob ein Ersuchen an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, für den ganz bestimmte Richtlinien, und zwar nicht als Muß-, sondern als Soll-Bestimmungen vorgesehen sind, schon unter § 48 a fällt oder ob nicht erst die Vorlage der Bundesregierung, die daraufhin ergeht und deren Inhalt nicht im einzelnen und auch nicht finanziell abschließend festgelegt ist, eine solche Finanzvorlage darstellt. Ich wollte das gesagt haben, meine Damen und Herren, ohne hier eine weitere Erörterung aufzunehmen. Wir sind uns nach meiner Überzeugung über die praktische Handhabung der jetzt vorliegenden Frage einig.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde sowohl von Frau Kalinke zur Begründung des Antrags der Deutschen Partei wie auch zuletzt von Herrn Kollegen Horn die Frage des Treuhänderausschusses in Berlin aufgeworfen. Ich möchte mit aller Deutlichkeit hierzu sagen, daß die SPD-Fraktion schon jahrelang die Verwaltung der Vermögenswerte der alten Versicherungsträger durch einen von der Militärregierung eingesetzten Treuhänder für verfehlt angesehen und immer wieder die Forderung aufgestellt hat, daß dieser Treuhänder durch die Versicherungsträger bzw. durch die Organe der Selbstverwaltung dieser Versicherungsträger abgelöst werden sollte. Die Sozialdemokratie und auch die Gewerkschaften waren es, die vor Jahren dem Gedanken, den von der Militärregierung eingesetzten Treuhänder durch einen Treuhänderausschuß abzulösen, zugestimmt haben.
Dabei war die Frage, wie der Treuhänderausschuß zusammengesetzt werden sollte, nicht entscheidend. Es ist unsere Auffassung, daß die Bundesregierung mit den Vermögenswerten der Sozialversicherungsträger nichts zu tun hat, sondern daß die Sozialversicherungsträger in der Selbstverwaltung ihre eigenen Vermögenswerte zu wahren und zu betreuen haben.
Nun zu den vorliegenden Anträgen. Die CDU/ CSU-Fraktion bringt in Ziffer 2 ihres Antrages klar zum Ausdruck, daß die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Durchschnitt um 25 vom Hundert erhöht werden sollen. Gleichzeitig soll die Rentenhöhe stärker als bisher von der Anzahl und der Höhe der entrichteten Beiträge abhängig gemacht werden. Sie sehen aus der Formulierung dieses Antrags, daß jeder einzelne Rentenfall neu berechnet werden müßte, daß für jeden einzelnen Rentenfall eine eminente Verwaltungsarbeit erforderlich wäre. Selbst wenn dieses Gesetz von der Bundesregierung nach all den dazugehörenden Formalitäten über Bundesrat usw. bald an den Bundestag überwiesen würde, würde es noch lange dauern, bis die Rentenversicherungsträger mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Apparat überhaupt in der Lage wären, dieses komplizierte Gesetz durchzuführen. Kompliziert muß es ja werden. Wenn die Erhöhung durchschnittlich 25 % betragen soll, wird sie für den einzelnen Fall verschieden sein, verschieden, wie es hier heißt, nach der Höhe der entrichteten Beiträge. Die Rentenversicherungsträger müssen dann jeden einzelnen Rentenfall, jede Witwenrente und jede Waisenrente gesondert nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen behandeln.
So lange sollen die Rentner, die Witwen und Waisen - anders geht es doch nicht, meine Damen und Herren - warten, bis die jetzigen Renten erhöht werden. Die Mindestrenten betragen pro Monat 50 DM für den Rentner, 40 DM für die Witwe, 30 DM für die Waise. Wir wissen aus den Berechnungen des Arbeitsministeriums, daß die Mindestrente in der Invalidenversicherung im Durchschnitt bei ungefähr 62 DM liegt. Ein Mann, der jahrzehntelang als Facharbeiter gearbeitet und jahrzehntelang seine Beiträge geleistet hat, bekommt ganze 62 oder 63 DM an Rente. Wenn ich den Durchschnitt zugrunde lege, sind das also pro Tag zwei Mark, mit denen er leben soll. Meine Damen und Herren, machen Sie sich bitte einmal darüber Gedanken, wie ein Rentner dieses Kunststück fertigbringen kann. Wenn sie den alten verdienten Facharbeiter nicht zwingen wollen, zum Wohlfahrtsamt zu gehen und zusätzlich die Fürsorge in Anspruch zu nehmen - der Bundesarbeitsminister ist leider nicht mehr da, der mir dies auf einen Zwischenruf geantwortet hat -, um überhaupt das Notwendigste zum Leben, zum nackten Leben beschaffen zu können, dann müssen Sie hier etwas tun. Die Ansicht des Herrn Bundesarbeitsministers teilen meine Fraktion und ich nicht. Daß man den alten, verdienten Arbeiter. der jahrzehntelang ehrlich und treu dem Staat und der Gesellschaft gedient hat, zum Wohlfahrtsamt schickt, das machen wir nicht mit.
Das sind unsere Erwägungen. Wir denken weiter an die Tatsache, daß man es im Juli vergangenen Jahres in diesem Hause seitens der Regierungsparteien für richtig befunden hat, den Antrag der SPD der Regierung als Material zu überweisen. Man hat es damals abgelehnt, unseren Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zur sachlichen Beratung
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zu überweisen, damit dieser dem Hause die Sache zur Beschlußfassung vorlegt. Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, das haben Sie damals abgelehnt. Deswegen kommt unsere Interpellation; denn seit Juli vorigen Jahres ist trotz weiterer Preissteigerungen, wie allgemein anerkannt wurde, für die Ärmsten der Armen von der Bundesregierung noch nichts zur Hilfe getan worden.
Nun kommt hier die Deutsche Partei mit einem Antrag, und gleichzeitig glaubt auch die CDU/CSU, sie müsse einen wohldurchdachten, detaillierten Antrag, wie es gesagt wurde, einreichen. Schön, die 25 % sind nicht viel, aber sie sind wenigstens etwas. Die 25 % stehen aber nur auf dem Papier, wenn sie den Antrag der CDU/CSU der Regierung überweisen, ohne einen Termin festzulegen, von dem ab den Rentnern die Erhöhung gegeben wird.
Meine Damen und Herren, wenn Sie wirklich die Not lindern und Hilfe leisten wollen, dann können Sie es nicht anders machen, als daß sie für j e de Rente, für jedes Witwen- und Waisengeld eine Erhöhung um 25 % vornehmen. Wenn Sie helfen wollen, können Sie nicht so verfahren, wie es in dem CDU/CSU-Antrag empfohlen wird; denn danach müßte jeder einzelne Fall von den hunderttausend Fällen von Renten und Witwen- und Waisengeldern berechnet werden. Dann würde es nicht nur Weihnachten dieses Jahres, sondern dann würde es nächstes Jahr, wer weiß wann, werden. Unser Antrag sagt dagegen einfach und schlicht, daß an alle Empfänger zu ihren Renten, an alle Witwen und Waisen zu ihren Witwen- und Waisengeldern eine Erhöhung von 25 % gewährt werden soll. Was 25 % Zuschlag zu den Beträgen, die jetzt die Post zahlt, ausmachen, kann jeder Postbeamte selber ausrechnen, und schon zum nächsten Monat kann die Post die 25 % den in Not Befindlichen auszahlen.
Ich bitte Sie also dringend, im Interesse der Ärmsten der Armen, wie sie auch der Bundesarbeitsminister genannt hat, unserem Antrag zuzustimmen, damit ab 1. April dieses Jahres den Rentnern, Witwen und Waisen auch wirklich geholfen wird.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
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Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Leider hat die Debatte so wenig neue Argumente und so wenig konstruktive Gedanken zur Lösung des Problems der Sanierung und Reform gebracht, daß ich Sie namens meiner Fraktion bitten möchte, dem CDU-Antrag, der sich mit unserem Antrag weitgehend deckt und den wir bejahen, noch einige Gedanken hinzufügen zu dürfen.
Wir bejahen die Ausführungen des Herrn Arbeitsministers; aber ich möchte namens meiner Fraktion erklären, daß es für uns eine Fragestellung „ob Versicherung oder Volksfürsorge" nicht mehr gibt. Für uns ist genau so wie für unsere Koalitionspartner - und ich habe die Ausführungen meines Kollegen Horn mit Freuden gehört -klar, daß der Gedanke einer umfassenden Staatsfürsorge nicht nur durch deutsche Experimente, sondern auch durch die für uns sehr interessanten Beispiele Englands, Frankreichs und nicht zuletzt des Ursprungslandes dieser Dinge, nämlich Rußlands, ad absurdum geführt ist.
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Was nun die Ausführungen im einzelnen anlangt, so möchte ich mir ersparen, darauf einzugehen. Ich möchte nur dem Herrn Kollegen Freidhof antworten, daß die Fraktion der Deutschen Partei bereits 1949 den Antrag, der die Nr. 35 trägt, auf Überprüfung des Sozialversicherungs-Anpassungsgegesetzes gestellt hat. Wir sind der Auffassung, daß nunmehr, nachdem die mathematischen Bilanzen da sind, der Zeitpunkt gekommen ist, nicht etwa, wie es sich Herr Richter so einfach vorstellt, pauschal eine Erhöhung vorzunehmen, sondern gleichzeitig die Revision der Gesetzgebung durchzuführen, die notwendig geworden ist, weil elf verschiedene Ländergesetze die Sozialversicherungsgesetzgebung beeinflußt haben.
Zu Punkt 1 des Antrages der CDU möchte ich noch hinzufügen, daß es für den Herrn Arbeitsminister wichtig sein wird, sich zu überlegen, ob bei der Frage der Vermögensverluste der Sozialversicherung, wobei auch die CDU, wenn ich recht verstanden habe, nicht nur die Rentenversicherung gemeint hat, nicht auch überprüft werden sollte, wieweit die Vermögensverluste der Krankenversicherung davon betroffen sind. Der Herr Kollege Kohl hat schon darauf hingewiesen, daß allein die Ortskrankenkassen einen ganz wesentlichen Vermögensverlust gehabt haben. Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß in der sozialen Krankenversicherung sehr verschiedene Kassenarten bestehen, von denen die einen laut Reichsversicherungsordnung eine Garantie besitzen, während für die anderen eine solche Garantie nicht besteht. Meine Fraktion ist nicht der Meinung, daß die Krankenversicherung einen Staatszuschuß bekommen soll, sie erwartet aber eine Anerkennung der Vermögensverluste mit Rücksicht auf die Verpflichtung zu vermehrten Leistungen, die der Krankenversicherung aufgetragen worden sind. Ich brauche nur weniges aufzuzählen: Kriegseinwirkungen, Krankheitshäufigkeit, steigende Zahl der Rentner, steigende Zahl der Krankenhausfälle durch Wohnungsnot, der Nachkriegshunger mit seinen schweren Folgen für den Gesundheitszustand des deutschen Volkes und nicht zuletzt das Problem unserer Ärzte, dessen Lösung ebenfalls nicht allein auf dem Rücken der Sozialversicherten ausgetragen werden kann.
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In der Krankenversicherung sind einzelne Kassenarten unter § 23 des Umstellungsgesetzes gefallen, während sie auf Grund ihrer Konstruktion, nämlich der Tatsache, daß sie nach dem Recht der Vertragsversicherung noch unter Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes fallen, unter § 24 des Umstellungsgesetzes hätten fallen müssen. Wir hoffen, daß der Herr Arbeitsminister diese Dinge sehr sorgfältig prüft, und wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß dann das Unsere dazu tun.
Wir freuen uns über den Punkt 2 des Antrages der CDU und hoffen, daß gleichzeitig die Fehler der zweiten Aufbauverordnung, nämlich hinsichtlich der Steigerungssätze in der Angestelltenversicherung, die nur 0,% gegenüber 1,2 % in der Invalidenversicherung betragen, endlich beseitigt werden. Wir bejahen auch die Beseitigung der Rechtsvorschriften, die seit 1911 bestehen und unbedingt überprüft werden müssen. Im Zusammenhang mit der Überprüfung des § 1279 der Reichsversicherungsordnung und des § 40 des Angestell({2})
tenversicherungsgesetzes und auch im Zusammenhang mit den §§ 1274 und 1275 der RVO sind wir aber der Meinung, daß noch weitere Dinge richtiggestellt werden müssen, die damit in ursächlichem Zusammenhang stehen. Selbstverständlich ist es notwendig, daß eine volle Anrechnung überall da eintritt, wo eine doppelte Beitragsleistung erfolgt ist. Ich denke an die vielen Beispiele von Witwen, die im Kriege berufstätig waren und sich dann weiterversichert haben, um zu ihrer kleinen Rente, die sie aus der Hinterbliebenenversicherung erhalten, eine zusätzliche Rente zu gewinnen. Diese Witwen bekommen heute nur eine Rente und werden für ihren Sparsinn und für ihren Vorsorgewillen geradezu vom Staat bestraft.
Ein altes Anliegen der weiblichen Angestellten, dessen Verwirklichung der Verband der weiblichen Angestellten schon vor dem Kriege gefordert hat, ist auch heute wieder hoch aktuell. Es ist bekannt, daß die §§ 46, 1 und 47, 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes die Frage der „Erstattung der Beiträge beim Tode eines Versicherten" oder „bei der Heirat einer Versicherten" sehr unterschiedlich angewandt werden. Der § 46, 1 ist in der britischen Zone durch die Sozialversicherungsdirektive 13 suspendiert, in der amerikanischen Zone ebenfalls. Er gilt aber noch für Rheinland-Pfalz und Südbaden. Dasselbe gilt für den § 47, 1 - „Erstattung der Beiträge bei Eheschließungen" -, der auch nur noch in zwei Ländern der französischen Zone gültig ist. Hier teilt meine Fraktion die Meinung des Verbandes der weiblichen Angestellten, die gleichzeitig die ledigen Männer und alle diejenigen betrifft, die durch die Folgen des Krieges trotz großer Unterhaltsverpflichtungen heute nicht in den Genuß des Ergebnisses ihrer Beitragszahlung für die Sicherstellung ihrer hinterbliebenen Angehörigen kommen. Wir werden also in den Ausschußberatungen erneut die notwendige Forderung aufgreifen, aus der Beitragsleistung neben der Witwen- und Witwerrente auch die Hinterbliebenenrente zu gewähren. Wir sind der Meinung, daß die Frage der Beitragsehrlichkeit und der Beitragsgerechtigkeit auch zu einer Gerechtigkeit in der Leistung führen muß, die schon nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung für Arbeiterinnen und Angestellte weiblichen Geschlechts nicht anders aussehen kann als für Versicherte männlichen Geschlechts. Auch insofern werden wir die Frage der Gleichberechtigung in der Sozialversicherung in die Gesetzes-Praxis bringen und werden in dem Gespräch um die Verwirklichung dieser Gleichberechtigung in der Praxis wirksam mitarbeiten.
Schließlich darf ich noch zu der Deckungsvorlage der CDU sagen, daß meine Fraktion gewisse Bedenken gegen die Verteuerung des bargeldlosen Verkehrs hat, die sich aus einer Giralsteuer ergeben würde, daß sie aber trotz dieser Bedenken der Vorlage zustimmen wird. Meine Fraktion glaubt, daß das Arbeitsministerium und mit ihm die Bundesregierung alles tun wird, um die Bedenken der Sozialdemokratischen Partei, die nicht aus demagogischen Gründen, aber im Interesse der notleidenden Rentner auch unsere Bedenken sind, zu zerstreuen und sehr bald eine ausreichende und gute Regierungsvorlage zur Lösung dieses ernsten sozialen Problems einzubringen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Degener.
Meine Damen und Herren, darf ich um etwas mehr Ruhe bitten. Es ist sehr schwer für die Redner, durchzudringen, auch wenn sie eine verhältnismäßig kräftige Stimmen haben.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Ich habe die Absicht, nur auf einige
wenige Sätze einzugehen, die der Herr Kollege
Richter hier gesprochen hat. Ich möchte Herrn
Richter einmal die Frage vorlegen, ob er glaubt
und mit seiner Fraktion der Meinung ist, mit der
Interpellation Drucksache Nr. 1937 - in deren
erstem Teil von dem Schicksal des SPD-Antrages
vom Juli vorigen Jahres gesprochen und in der
dann die Regierung gefragt wird, was sie zu tun
gedenkt und wann ihre Maßnahmen in Kraft treten
sollen -, für die Rentner wirksamer und rascher
zu einem Ergebnis zu kommen als wir, die wir mit
unserem Antrag eine Gesetzesvorlage wünschen
und für diese Gesetzesvorlage der Regierung schon
ganz bestimmte Richtlinien mit auf den Weg geben.
({0})
- Nein, deshalb nicht! Es ist ganz unbestreitbar, daß der Antrag der CDU/CSU zu einem schnelleren Ergebnis führen muß. Wenn Sie, Herr Kollege Richter, sagen, daß die Ziffer 2 unseres Antrages zu einer besonderen Verzögerung führen muß, dann darf ich wiederholen, was Herr Kollege Horn bereits sagte, daß wir an dieser Formulierung wochenlang gearbeitet haben. Wir haben in diesen wochenlangen Beratungen geprüft, ob es und welche Wege es gibt, um die Rentenerhöhung so rasch wie möglich - ohne daß man jede Versicherungsakte in die Hand nehmen muß - zu regeln. Solche Wege gibt es. Weil wir eingesehen haben, daß es solche Wege ,gibt, haben wir uns nicht bereitgefunden, durch eine Pauschalerhöhung all die Ungerechtigkeiten, die aus Fehlmaßnahmen in der Vergangenheit entstanden sind, nun auch noch für die Zukunft aufrechtzuerhalten.
Wenn Sie, Herr Richter, sagen, daß gerade der Versicherte einen besonderen Anspruch hat, der als Facharbeiter jahrzehntelang Beiträge an die Versicherung gezahlt hat, dann möchte ich Sie darauf hinweisen, daß dieser durch die Ziffer 2 unseres Antrages besonders geschützt werden soll.
({1})
Wir wollen nicht denen wieder eine gleich hohe Rentenerhöhung zubilligen, die vielleicht zwei Monate über die vorgeschriebene Wartezeit hinaus gezahlt haben, ja, deren Anwartschaften vielleicht schon seit Jahren verlorengegangen waren, und die bis zum 1. Oktober - ich glaube - des letzten oder vorletzten Jahres die Möglichkeit hatten, durch einen einzigen Beitrag ihre alte Anwartschaft wieder aufleben zu lassen. All diesen Leuten nun eine gleichbleibende Erhöhung ihrer Rente zuzubilligen, wäre eine Ungerechtigkeit gegen den Facharbeiter, der jahrzehntelang gezahlt hat. Sie, Herr Kollege Richter, sollten mit uns darin einig gehen, daß wir allen Anlaß haben, dem gesunden Versicherungsprinzip entsprechend die Rentenhöhe nach der Beitragsleistung zu bestimmen. Von diesem Grundsatz gehen wir aus.
Im übrigen möchte ich zu unserem Deckungsvorschlag folgendes sagen. In unserem Antrag richten wir an die Bundesregierung das Verlangen, dem Bundestag einen Gesetzentwurf zu unterbreiten. Der Hinweis in unserem Deckungsvorschlag auf die Giralsteuer zeigt nur einen Weg, auf welche Art man sich eine solche Deckung denken könnte. Ich
({2})
darf Ihnen sagen, Herr Kollege Richter, wir haben dem Herrn Bundesfinanzminister auch noch eine andere Steuer vorgeschlagen, haben es aber nur nicht für nötig gehalten, sie in unseren Antrag hineinzusch reiben.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag meines Kollegen Horn entsprechend unseren Antrag heute anzunehmen, damit die Regierung mit ihrer Vorlage so schnell wie möglich an das Hohe Haus herantreten kann.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion ist der Meinung, daß eine reichlich lange Frist vergangen ist, ehe sich die Regierung entschlossen hat, in dieser Angelegenheit wirklich etwas zu unternehmen. Erst jetzt haben wir den Pressenotizen entnommen, daß mit einem Regierungsentwurf zu rechnen ist.
Wir möchten uns aber, nachdem wir den Gang ler heutigen Verhandlungen überdacht haben, da-air aussprechen, den Antrag der CDU/CSU anzunehmen und ihn nicht erst an einen Ausschuß zu verweisen. Wir können uns dagegen nicht entschließen, den Antrag der SPD anzunehmen, und zwar einzig aus dem Grunde, weil wir die Regierung auf eine generelle Erhöhung nicht festlegen möchten. Wir sind vielmehr der Meinung, daß eine Differenzierung im einzelnen sich als zweckmäßig erweisen wird. Bei unserer Stellungnahme hat uns der Hinweis auf eine bestimmte Steuer, auf die Giralsteuer, in dem CDU/CSU-Antrag gehemmt. Wir haben nicht die Absicht, uns in diesem Zusammenhang für eine Giralsteuer auszusprechen. Aber das ist durch die Worte überholt, die eben Herr Kollege Degener gesprochen hat. Wir werden also für den Antrag der CDU/CSU stimmen.
Ich darf das so verstehen, Herr Abgeordneter Wellhausen, daß der Antrag von Herrn Abgeordneten Atzenroth auf Ausschußüberweisung zurückgezogen wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ott, als zur Zeit letzter auf der Rednerliste.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich haben am 30. Januar 1951 den Antrag gestellt:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die Bundesregierung wird ersucht, den Betrag für Renten und Arbeitslosenfürsorgeunterstützung, der durch die Verteuerung auf allen Gebieten unter das Lebensniveau gesunken ist, zu erhöhen.
2. Von der Bundesregierung sind drastische Sparmaßnahmen zugunsten der um das nackte Leben ringenden Unterstützungsempfänger durchzuführen.
Die Bundesregierung wird gebeten, mit den Besatzungsmächten über eine Herabsetzung der Besatzungskosten zum Ausgleich für die entstehenden erhöhten Renten- und Unterstützungsausgaben zu verhandeln.
Wir haben auf eine Begründung dieses Antrages
verzichtet, weil wir angenommen haben und noch
annehmen, daß allen Mitgliedern dieses Hohen
Hauses die Lage der um das nackte Leben ringenden Unterstützungsempfänger und Rentner bekannt ist, und weil lange Debatten die Angelegenheit nur noch mehr verzetteln würden.
Wir sind der Anschauung, daß es in diesen Fragen einen Kompromiß geben kann und muß. Sehr sympathisch ist uns der Zeitpunkt des 1. April 1951, den die SPD angegeben hat. Besonders angenehm ist uns der Punkt 2 des Antrages der CDU/CSU, wonach die Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen im Durchschnitt um 25 v. H. erhöht werden sollen. Ich glaube, daß die Menschen, die wirklich um das nackte Leben zu ringen und zu kämpfen haben, nicht mehr wer weiß wie lange warten können, bis diese Dinge in den Ausschüssen usw. behandelt werden. Wir bitten vielmehr die Bundesregierung, recht bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem diese Frage praktisch in Angriff genommen wird und durch den diesen Ärmsten der Armen geholfen wird.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache zu der Interpellation und zu den gestellten Anträgen.
Erstens liegt der Antrag der Fraktion der Deutsehen Partei auf Drucksache Nr. 1948 vor. -Meine Damen und Herren, ich wäre dankbar, wenn in diesem Augenblick die Unterhaltung etwas eingeschränkt würde. Wir können uns dann besser über das verständigen, was jetzt geschehen soll. - Zweitens liegt der Antrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache Nr. 1971 vor, drittens der während der Beratungen gestellte Antrag der Fraktion der SPD betreffend die Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung.
({0})
Ich muß entscheiden, welcher Antrag der weitestgehende ist. Es ist ohne Frage, daß der Antrag der Fraktion der SPD, der eine bindende Weisung an die Bundesregierung enthält, einen bestimmten Gesetzentwurf vorzulegen, der weitestgehende ist. Ich brauche diesen Antrag wohl nicht noch einmal zu verlesen. Oder wird es gewünscht?
({1})
- Ich verlese also für die Damen und Herren, die durch anderweitige Arbeiten zeitweise verhindert waren, an der Besprechung teilzunehmen,
({2})
den Antrag noch einmal:
Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag sofort einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die aus der Sozialversicherung ({3}) zu gewährenden Renten sowie Witwen- und Waisengelder ab 1. April 1951 um 25 % erhöht werden. Da die Sozialversicherungsträger insbesondere infolge der Vermögensverluste von 1923 und 1948 nicht in der Lage sind, aus eigenen Mitteln die durch die Erhöhung entstehenden Mehrkosten zu tragen, sind dieselben im ordentlichen Bundeshaushalt 1951 zu veranschlagen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD, den ich soeben verlesen habe, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag der SPD ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU auf Drucksache Nr. 1971. Ich bitte die
({4})
I Damen und Herren, die dem Antrag der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist zweifellos mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Darf ich annehmen, daß der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei sich damit erledigt hat?
({5})
- Der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei hat sich damit erledigt. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung abgeschlossen.
({6})
- Frau Abgeordnete Kalinke bittet zu diesem Punkt noch um das Wort.
({7})
Ich bitte einen Augenblick um Aufmerksamkeit!
Soweit sich der Antrag der CDU mit dem unserer Partei deckt, sind wir selbstverständlich einverstanden.
({0})
Hinsichtlich des Vermögens der Sozialversicherungsträger bitten wir aber, über den Antrag noch abzustimmen und ihn anzunehmen.
({1})
Ich verstehe das dahin, daß der Antrag der Deutschen Partei auf Drucksache Nr. 1948 bis auf die Ziffer 3 als erledigt angesehen wird.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag
der Deutschen Partei - mit Ausnahme der Ziffern
1 und 2, die sich erledigt haben - zuzustimmen
wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um
die Gegenprobe. - Der Antrag ist ebenfalls angenommen. Damit ist dieser Punkt erledigt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({1}) über den Entwurf eines Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten-und Pensionsrentenversicherungen ({2}).
Berichterstatter ist Herr Senator Dr. Klein. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat verlangt, das am 14. Dezember 1950 vom Bundestag verabschiedete Gesetz über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen völlig zu beseitigen, da erhebliche finanzpolitische und verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Gesetz bestünden. Er hat deshalb den Vermittlungsausschuß angerufen. Der Vermittlungsausschuß hat geglaubt, die verfassungsrechtlichen und finanzpolitischen Bedenken des Bundesrates durch die Vorlage des Ihnen vorliegenden Vermittlungsvorschlages zu beseitigen, und hat vorgeschlagen, das Gesetz in einer veränderten Fassung zu erhalten.
Dem Hohen Haus sind die Vorgänge, die zu dem Initiativgesetzentwurf des Bundestags geführt haben, hinreichend bekannt, so daß ich mich auf die Darstellung der wesentlichsten Punkte beschränken kann.
Die Währungsgesetzgebung . hat keine Klarheit über die Ansprüche derjenigen Versicherten geschaffen, die vor der Währungsreform private Renten- und Pensionsversicherungen abgeschlossen haben.
Die Rechtsprechung hat ebenfalls keine einheit- lichen Grundsätze aufstellen können. Urteile, die die Anerkennung von einer Reichsmark gleich einer D-Mark feststellten, wechselten mit Urteilen, die bei Vorliegen gleicher Pensionsverträge die Ansprüche im Verhältnis von zehn Reichsmark gleich einer D-Mark reduzierten, und erst die 47. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz hat diese Ansprüche einheitlich im Verhältnis von zehn Reichsmark zu einer D-Mark umgestellt. Hierzu hat allerdings die Hohe Alliierte Bankenkommission auf Wunsch des Bundestagsausschusses für Geld und Kredit die Erklärung abgegeben, daß diese 47. Durchführungsverordnung lediglich eine Klarstellung verfolge. Sie solle jedoch einer von deutscher Seite etwa für notwendig erachteten Änderung der Umstellung der Ansprüche aus privaten Renten- und Pensionsversicherungen nicht vorgreifen.
Eine solche Änderung stellt der Gesetzentwurf dar, um den es sich hier handelt. Bekanntlich sollen nach dem Gesetzentwurf die ersten 70 Mark der Versichertenrente voll aufgewertet werden, und die darüber hinausschießenden 30 Mark sollen zur Hälfte aufgewertet werden, während darüber hinausgehende Pensions- und Rentenversicherungsbezüge im Verhältnis von 10 : 1 umgewertet werden sollen.
Es handelt sich bei diesen Ansprüchen in erheblichem Maße um betriebliche Pensionskassen. Während alle Pensionsforderungen gegen die Betriebe selbst im Verhältnis von 1 : 1 in der Währungsgesetzgebung umgestellt worden sind, wurden die Betriebspensionskassen einfach übersehen. Bliebe es bei der 47. Durchführungsverordnung, dann hätte ein Anspruchsberechtigter mit einer monatlichen Forderung von 200 Reichsmark gegen eine Betriebspensionskasse monatlich künftig nur noch 20 Mark zu erwarten, während ein anderer Anspruchsberechtigter, der seine Pensionsforderungen gegen den Betrieb selbst stellen kann, in Zukunft den vollen Betrag in Deutscher Mark erhält.
Die sich daraus ergebenden Währungsungerechtigkeiten haben den Vermittlungsausschuß zu der Überzeugung gebracht, daß der materielle Inhalt des Initiativgesetzentwurfes des Bundestages nicht geändert werden solle. Dies war der Ausgangspunkt der Arbeit des Vermittlungsausschusses: Erhaltung des materiellen Gesetzesinhaltes unter genauer Beachtung des Grundgesetzes.
Der Bundesrat bestreitet die verfassungsmäßige Zulässigkeit des Gesetzes in der früheren Form. Um die eben genannten Leistungen von 70 Mark in voller Höhe, 30 Mark in halber Höhe und darüber hinausgehend 10 % des Versicherungsbetrages sicherzustellen, sind Ausgleichsforderungen in Höhe von 1,2 Milliarden Mark erforderlich. § 5 des Initiativgesetzentwurfes bestimmt, daß in Höhe dieses Betrages, um den sich die Prämienreserve am Tage des Beginnes der Rentenleistung erhöht, den Versicherungsunternehmen Rentenausgleichsforderungen gegen die Länder zugeteilt werden.
Der Herr Justizminister hat bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, die dahin gehen, daß der Bund nicht zu Lasten der Länder derartige Gesetze erlassen könne; das verstoße gegen den Grundsatz des Art. 109 des Grundgesetzes, nach dem Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig zu sein haben. Die Bundesregierung hat sich diesem Gutachten angeschlossen. Der Bundesrat seinerseits
({0})
hat ebenfalls diese finanziellen Bestimmungen im Auge gehabt, als er die Verfassungsrechtlichkeit des Gesetzes in Zweifel zog.
Der Vermittlungsausschuß ist im Ergebnis zu der Überzeugung gekommen, daß die verfassungsrechtlichen Bedenken außerordentlich schwerwiegend sind und es nicht statthaft sein könne, Gesetze mit solcher finanzieller Tragweite für die Länder zu beschließen. Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung in Währungsangelegenheiten; das besagt Art. 73, Ziffer 4. In diesem Falle hat die 47. Durchführungsverordnung ausdrücklich festgestellt, daß der Bund hier auch tätig werden kann. Es ist nur folgerichtig, daß der Bund für die finanziellen Auswirkungen der Währungsgesetzgebung, die er selbst bestimmt, auch allein verantwortlich ist. Aus diesem Grunde hat der Vermittlungausschuß geglaubt, Ihnen in dem vorliegenden Vermittlungsvorschlag zu diesem Gesetz empfehlen zu sollen, daß dem Versicherungsunternehmen Ausgleichsforderungen gegen den Bund zugeteilt werden.
Was die finanziellen Auswirkungen betrifft, so glaubt der Vermittlungsausschuß, daß die mit der Durchführung des Gesetzes - mit den vorangegangenen Beschlüssen des Bundestages - entstehenden Aufwendungen, besonders eine Zinslast von etwa 35 Millionen Mark, entsprechend den Grundsätzen einer gerechten Währungsgesetzgebung getragen werden müssen.
Der Vermittlungsausschuß hat auch berücksichtigt, daß ein großer Teil dieser Aufwendungen heute bereits in Form von Fürsorgeaufwendungen aufgebracht wird. Die Versicherten, die mit den ihnen jetzt zufließenden 10 % der Pensionen und Renten nicht leben können, bedürfen in vielen Fällen der öffentlichen Fürsorge. Wenn sie jetzt Pensionen in der vorgeschlagenen Höhe erhalten, wird eine Entlastung der öffentlichen Fürsorgehaushalte eintreten.
Der Vermittlungsausschuß hat aber in seinem Vorschlage auch empfohlen, den Beginn der Pensionszahlung, der ursprünglich auf den 1. Juli 1950 festgesetzt war, nunmehr auf den 1. April 1951 festzusetzen. Diese Änderung schützt den Herrn Bundesfinanzminister davor, am Schluß dieses Etatsjahres etwa noch mit einer nachträglichen größeren Ausgabe rechnen zu müssen. Die notwendigen 35 Millionen jährlich werden erst den kommenden Bundeshaushalt belasten. Der Herr Vertreter des Bundesfinanzministers hat angekündigt, daß sich diese Last infolge der Inanspruchnahme von Teilen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die den Ländern zustehen, seitens des Bundes letzten Endes wieder auf die Länder verlagern werde; er werde gemäß Art. 113 des Grundgesetzes die Zustimmung von der Sicherstellung der Dekkung abhängig machen.
Die Verzögerung des Inkrafttretens dieses Gesetzes ist bedauerlich, aber unvermeidlich, wenn man den Boden der unumstrittenen Verfassungsmäßigkeit nicht verlassen will. Es würde dem Haushaltsausschuß des Bundestages und dem Hohen Hause selbst obliegen, Mittel und Wege zu finden, um die privaten Renten- und Pensionsversicherten möglichst bald in den Genuß derjenigen Renten- und Pensionsbeträge zu bringen, die bei Abwägung aller Umstände nach der Währungsumstellung angemessen erscheinen.
Ich darf zum Schluß empfehlen, den Vorschlag des Vermittlungsausschusses, wie er in der Drucksache Nr. 1973 niedergelegt ist, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, bei Anträgen des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 des Grundgesetzes findet eine Debatte nicht statt; es kann nur das Wort zu Erklärungen erteilt werden.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe für das Bundesfinanzministerium nur eine kurze Erklärung abzugeben. Die Bundesregierung hat zu dem Beschluß des Vermittlungsausschusses noch nicht Stellung nehmen können. Der Bundesrat wird, soviel ich weiß, in seiner morgigen Plenarsitzung beschließen. Die Bundesregierung wird dann Stellung nehmen, sobald der Beschluß des Bundesrates vorliegt. Ich nehme an, es wird dann in Anwendung des Art. 113 des Grundgesetzes einer Deckungsvorlage bedürfen. Die Bundesregierung wird also gegebenenfalls den gesetzgebenden Körperschaften eine entsprechende Deckungsvorlage unterbreiten.
Das Wort zu weiteren Erklärungen wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen.
({0})
Punkt 4 der Tagesordnung ist abgesetzt.
Bevor ich nun Punkt 5 aufrufe, möchte ich empfehlen, daß wir zunächst den in die Tagesordnung eingeschobenen
Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({1}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann ({2})
behandeln.
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrage des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität habe ich hier folgenden Bericht zu erstatten:
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hatte am 28. Februar 1951 Gelegenheit, eine Darstellung des Bundesministeriums der Justiz über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Abgeordneten Reimann in der Angelegenheit Abgeordneter Kurt Müller entgegenzunehmen. Danach steht fest, daß die Einstellung des Ermittlungsverfahrens erfolgt ist, nachdem der Abgeordnete Reimann es verstanden hat, sich durch wiederholten Wohnungswechsel und Unterbindung der Zustellung von Vorladungen und eines Vorführungsbefehls der richterlichen Vernehmung mit Erfolg dauernd zu entziehen. Hiergegen erhebt der Ausschuß begründete Einwendungen und vertritt die Auffassung, daß das Ermittlungsverfahren weiterzuführen ist.
Der Ausschuß ist ferner der Auffassung, daß der vom Deutschen Bundestag in seiner 80. Sitzung am 27. Juli 1950 gefaßte Beschluß, die Immunität des Abgeordneten Reimann aufzuheben, auch bei Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens wirksam ist.
({4})
Daher stellt der Ausschuß folgenden Antrag: Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag stellt fest, daß er durch die zwangsweise Behinderung des Abgeordneten Kurt Müller an der Ausübung seines Mandats in seinen Rechten verletzt ist. Der Bundestag verlangt die Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens gegen den Abgeordneten Reimann. Die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann wird bestätigt und festgestellt, daß alle strafprozessualen Maßnahmen einschließlich der Verhaftung ergriffen werden können.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, für diesen Gegenstand ist bisher eine Redezeit nicht vorgesehen worden. Darf ich Ihnen eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorschlagen?
({0})
- Wir wollen hier nicht lange aushandeln, sondern wollen in der Sache fortfahren.
({1})
- Dann darf ich die Zustimmung des Hauses feststellen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren! Das, was sich hier abspielt, ist so ungeheuerlich und in der Geschichte des deutschen Parlamentarismus so einmalig,
({0})
daß es notwendig ist, die gesamte Öffentlichkeit über die Hintergründe dieses Verfahrens eingehendst aufzuklären.
({1})
Wir verstehen, meine Damen und Herren, daß es Ihnen nicht angenehm ist, daß eine Behörde wie die Oberstaatsanwaltschaft in Hannover, die die Untersuchung und Ermittlung lange genug geführt hat, zur Einstellung des Verfahrens gekommen ist. Der Tatbestand ist folgender:
Die Frau Hede Fischer, die Geliebte des Agenten Müller - ({2})
- Sie wundern sich über den Ausdruck; vielleicht überprüft sich aber der eine oder andere selbst einmal über die Gängigkeit des Ausdrucks. - Die Frau Hede Fischer hat drei Monate gebraucht, bis sie eine Anzeige erstattete. Vielleicht kann Herr Abgeordneter Ritzel, der in dieser ganzen Angelegenheit ein besonderer Fanfarenbläser ist, einige Auskunft darüber erteilen, warum es so lange gedauert hat, bis Frau Fischer Anzeige erstattete, und wer sich alles darum bemüht hat, die Frau Fischer zu dieser Anzeige zu bewegen.
({3})
Die Oberstaatsanwaltschaft stellte dann nach dreitägigen Vernehmungen der Frau Fischer fest, daß deren Angaben so fragwürdig sind, daß darauf keine Ermittlung und keine Anzeige aufgebaut werden konnte.
({4})
Die Glaubwürdigkeit zweier weiterer Zeugen, die zunächst Angaben gemacht haben, wurde bei der weiteren Vernehmung durch die Oberstaatsanwaltschaft ebenfalls auf das allerschwerste erschüttert.
Meine Damen und Herren!
({5})
Hier zeigt sich also die Tatsache,
({6})
daß die Vorgänge, die zur Anklageerhebung gegen Max Reimann führten,
({7})
auf einem ausgesprochen politischen Gebiet liegen.
({8})
- Stellen Sie sich ruhig schützend vor den Agenten Müller; das ist Ihre Angelegenheit.
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, den Fortgang der Verhandlungen und die Erledigung dieser Angelegenheit nicht unnötig aufzuhalten.
In den Ermittlungen ist weiter festgestellt worden, daß dieser Agent Müller nicht verschleppt worden ist,
({0})
sondern freiwillig, d. h. in Erledigung seines Auftrags nach der Deutschen Demokratischen Republik gegangen ist.
({1})
Damit ist alles hinfällig geworden, was hier zu dem Vorgehen gegen Max Reimann führte.
Aber ich glaube, meine Damen und Herren, und darüber ist sich auch Herr Abgeordneter Ritzel wohl im klaren, daß an dem Vorgehen gegen Max Reimann nicht nur deutsche, sondern auch ausländische Stellen interessiert sind.
({2})
Man will Max Reimann, den großen Deutschen, treffen und mundtot machen.
({3})
Meine Damen und Herren! Man will in Max Reimann die Deutschen treffen, die nicht so würdelos sind, daß sie den Begriff
({4})
von Nationalbewußtsein und Nationalwürde endgültig vergessen haben und sich vor den Herren des Dollarimperialismus beugen.
({5}) Das Vorgehen gegen Max Reimann wendet sich gegen alle Deutschen, die den Kampf um den Frieden und die deutsche Einheit führen.
({6})
Das Vorgehen gegen Max Reimann geschieht auch im Auftrag und im Interesse ausländischer Stellen, denen die Zerreißung Deutschlands ein unerläßlicher Bestandteil für ihre Kriegspolitik bildet.
({7})
Der Bundestag würde sich seiner einfachsten demokratischen Rechte berauben, wenn er diesem Antrag zustimmen würde.
({8})
Sie werden diese Bewegung nicht aufhalten können.
({9})
Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen.
Wir wissen, daß der Kampf um den Frieden und um die Freiheit Deutschlands unter der Führung von Max Reimann siegreich geführt werden wird.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Angelegenheit läßt sich auch etwas weniger stürmisch erledigen. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
({0})
Meine Damen und Herren! Auch ich bin der Auffassung, das Haus sollte mit meinem Vorredner etwas Mitleid haben;
({0})
denn er hat hier doch um seinen Kopf geredet. ({1})
Er weiß doch genau: Wenn er diesen Auftrag hier nicht in dieser Weise erfüllt, dann blüht ihm in wenigen Tagen oder Wochen genau dasselbe Schicksal wie seinem Namensvetter.
({2})
Ich glaube, diese Situation sollte bei den Darlegungen, die wir eben gehört haben, gewürdigt werden.
({3})
Ich habe mich auch, Herr Präsident, wegen einer anderen Angelegenheit zum Wort gemeldet. Der Vorredner hat, wenn ich richtig gehört habe, mindestens zweimal von dem Agenten Müller gesprochen.
({4})
Der verschwundene Kurt Müller ist immer noch Mitglied des Deutschen Bundestages.
({5})
Es ist nicht angängig, daß ein Redner ein Mitglied dieses Hohen Hauses von dieser Stelle aus als Agenten bezeichnet.
({6})
Dabei darf ich auf etwas Weiteres aufmerksam machen: Wir haben hier von der KPD in den letzten Wochen wiederholt das Wort „Agent" gehört. Es ist zweimal ausgesprochen worden, ohne eine Namensnennung, aber doch so, daß derjenige, der aufmerksam zuhörte, ganz genau wußte, um wen es sich handelte. In diesem Falle bin ich allerdings der Meinung, daß sich das Hohe Haus ein solches Verhalten nicht gefallen lassen kann.
({7})
Ich bitte deshalb den Herrn Präsidenten, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.
({8})
Meine Damen und Herren! Infolge der geräuschvollen Kundgebungen des Hauses war es überhaupt nur sehr schwer möglich, den Redner hier oben zu verstehen. Ich habe allerdings einmal das Wort „Agent" in diesem Zusammenhang gehört, und ich bin auch der Auffassung, daß solange nicht der Beweis erbracht ist, daß ein Abgeordneter Agenten-Eigenschaft hat,
({0}) die Aufstellung einer solchen erniedrigenden Beschuldigung nicht der Ordnung des Hauses entspricht. Ich rufe daher den Abgeordneten Oskar Müller [Frankfurt] wegen dieser Äußerung zur Ordnung.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wahrhaftig keine Freude, sich in dieser Angelegenheit mit den Herren von der KPD herumschlagen zu müssen.
({0})
Die Bemerkungen, die ich jetzt mache, mache ich nicht in meiner Eigenschaft als Berichterstatter des Ausschusses, sondern als Angehöriger meiner Fraktion, den der Herr Abgeordnete Oskar Müller so liebenswürdigerweise als Fanfarenbläser in dieser Angelegenheit bezeichnet hat.
Ich befürchte sehr, Herr Kollege Oskar Müller, daß der Ton, der Ihnen da in den Hals gekommen ist, auf dem übermorgen beginnenden Parteitag der Kommunistischen Partei in München
({1})
nichts helfen wird. Sie werden sehr gut daran tun, Herr Kollege Oskar Müller, wenn Sie nach dem Beispiel Ihres Namensvetters und ehemaligen Fraktionskollegen sehr darauf achten, daß Sie nicht mit bekannten und unbekannten Chauffeuren fahren.
({2})
Ich möchte die Beispiele noch gern fortsetzen; aber ich verzichte darauf, weil ich mir keinen Ordnungsruf des Herrn Präsidenten zuziehen will.
Herr Kollege Oskar Müller hat hier behauptet, der Herr Staatsanwalt habe lange genug Untersuchungen geführt. Zur Steuer der Wahrheit darf ich dem Hohen Hause mitteilen, daß diese Untersuchungen u. a. darin bestanden, daß mit Postzustellungen und mit Vorführungsbefehlen vergeblich, immer wieder vergeblich und bis heute vergeblich der Versuch gemacht worden ist, den Mann, der angeblich eine so saubere Weste hat, zu einer Vernehmung, zu einer bescheidenen Vernehmung vor den Staatsanwalt oder den untersuchenden Richter zu bringen.
({3})
Herr Max Reimann hat sicher sehr gut gewußt, aus welchem Grunde er sich jeder Verantwortung und jeder Vernehmung durch feige Flucht entzogen hat.
({4})
Wenn Sie außerdem die Frau, die vielleicht nicht
standesamtlich getraute Gattin des Herrn Kurt
Müller - nicht zu verwechseln mit Oskar Müller
- hier mit Schmutz bewerfen, so ist das eine Angelegenheit des Geschmacks.
({5})
- Mir ist es auch neu gewesen, Herr Kollege Strauß. - Immerhin darf ich Ihnen eines versichern: Wenn hier der Eindruck erweckt werden soll, als ob Herr Max Reimann ein unschuldig verfolgter Mann sei, dann muß gesagt werden, daß, solange noch irgendwie Wert auf die Wahrung rechtsstaatlicher Begriffe gelegt wird, angesichts
({6})
der Tatsache der behaupteten Entführung eines Mitgliedes des Deutschen Bundestages jeder anständige Mensch die moralische Verpflichtung hat, seinen Beitrag zur Aufklärung eines so ungeheuerlichen Vorwurfs zu leisten.
({7})
Meine Damen und Herren! Solange der Abgeordnete Max Reimann sich durch feige Flucht sogar einer einfachen Vernehmung entzieht, so lange ist er in dieser Frage sein eigener großer Belastungszeuge.
({8})
Ich würde mich für Herrn Reimann freuen, wenn er endlich den Mut fände, zu dem zu stehen, was er auszusagen hat, und wenn sich die kommunistische Fraktion, der anzugehören Sie heute noch das mehr als zweifelhafte Vergnügen haben, Herr Oskar Müller,
({9})
dazu entschließen wollte, dafür zu sorgen, daß im Bereiche der Bundesrepublik in einem freien Gericht vor freien Richtern der Mann vernommen werden kann, nämlich Kurt Müller, den Sie möglichst spurlos verschwunden sein lassen wollen.
Ihnen selbst rufe ich nur das eine zu, was einmal ein preußischer Polizeipräsident,
({10})
der Herr von Jagow, gerufen hat, und das gilt für Sie und Ihre Zukunft: „Ich warne Neugierige!", Herr Oskar Müller!
({11})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen.
({0})
- Gegen zwei Stimmen.
({1})
Ich rufe nunmehr auf Punkt 5 der Tagesordnung: Einspruch des Deutschen Bundesrates gegen den Entwurf eines Preisgesetzes ({2}).
Meine Damen und Herren! In der gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes ist in § 9 vorgesehen:
Ein Änderungsvorschlag des Ausschusses ist alsbald auf die Tagesordnung des Bundestages zu setzen. Ein vom Ausschuß bestimmtes Mitglied berichtet im Bundestag.
Der Bundestag stimmt nur über den Änderungsvorschlag ab. Zu dem Vorschlag können vor der Abstimmung Erklärungen abgegeben werden. Ein anderer Antrag zur Sache ist nicht zulässig.
Ich glaube, daß wir diese Bestimmung auch auf den hier vorliegenden Einspruch gegen den Entwurf eines Preisgesetzes anwenden müssen. Unter diesen Umständen kommen wir ohne Aussprache zur Abstimmung. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung den Gesetzentwurf mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln abgelehnt. Infolgedessen kann ihn der Bundestag nur mit einer Zweidrittelmehrheit überstimmen. Um die Auszählung in diesem Falle zu ermöglichen, gibt es kein anderes Verfahren als den Hammelsprung.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihre Zählposten an den Türen einzunehmen. Ich bitte diejenigen Abgeordneten, die dem Einspruch des Bundesrates zustimmen, durch die Ja-Tür zu kommen, und diejenigen, die den Einspruch des Bundesrates ablehnen, durch die Nein-Tür.
({3})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, die Türen zu öffnen.
({4})
Ich bitte, die Türen wieder zu schließen. Die Abstimmung ist beendet.
Meine Damen und Herren! Ich möchte das Ergebnis der Abstimmung bekanntgeben. Mit Ja haben 110 Abgeordnete gestimmt, mit Nein 200 Abgeordnete. Damit ist die Zweidrittelmehrheit nicht erreicht. Es ist aber auch nicht die Mindestzahl erreicht; denn eine Überstimmung eines Einspruchs ist nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes nur mit einer Mehrheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundestages möglich. Auch diese Mehrheit der Mitglieder des Bundestages ist nicht erreicht worden. Infolgedessen ist dem Einspruch des Bundesrates zunächst stattgegeben.
({5})
- Herr Abgeordneter Schröder zur Geschäftsordnung! - Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Platz zu nehmen. Die Sitzplätze sind dazu da, daß sie benutzt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem das Hohe Haus den Einspruch des Bundesrats nicht mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit überstimmt hat, bitte ich das Hohe Haus zuzustimmen, daß die Beratung des inzwischen verteilten Antrags Drucksache Nr. 1993 auf die Tagesordnung gesetzt wird.
Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 1993 ist verteilt. Er verfolgt den Zweck, die durch den Einspruch des Bundesrats entstandene Lücke vorläufig zu schließen, soweit ich die Absicht der Herren Antragsteller verstehe. Wenn nicht widersprochen wird, sind wir in der Lage, im Zusammenhang mit dem Punkt 5 der Tagesordnung in die Beratung einzutreten. Ich frage also zunächst, ob widersprochen wird?
({0})
- Meine Damen und Herren, nachdem Widerspruch erhoben worden ist, bin ich leider nicht in der Lage, die Angelegenheit weiter behandeln zu lassen.
({1})
- Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 6 der Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsiahr 1950 ({2}); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({3}).
Ich rufe dazu zunächst auf
Einzelplan XIV - Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau ({4}).
({5})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Dr.-Ing. Decker ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf keine der Sonderschöpfungen an Bundesministerien, die den Rahmen der klassischen -Ministerien so reichlich erweitert haben, sieht die Bevölkerung mit so großen Erwartungen wie auf das Wohnungsbauministerium.
In der Organisation des Wohnungsbauministeriums sind seit dem Vorjahr keine wesentlichen Änderungen vor sich gegangen. Das Verhältnis von ein Drittel Beamten zu zwei Dritteln Angestellten im Personalstand ist geblieben. Lediglich auf bei vorjährigen Etatberatungen geäußerte Wünsche hin wurde das Sonderreferat gebildet. Diesem Sonderreferat obliegt die Koordinierung der Bauaufgaben im Bundesgebiet, die Mitwirkung beim Wonnungsbau für Besatzungsverdrängte und vor allem auch die Betreuung des Wohnungsbaues für Bundesbedienstete im gesamten Bundesgebiet. Hierbei ist zur Zeit der Brennpunkt der Raum Bonn. Deshalb befindet sich beim Sonderreferat eine Unterabteilung, benannt „Amt Bundeszone", der diese letzteren Aufgaben zugewiesen sind. Das „Amt Bundeszone" ist eine nachgeordnete Stelle des Ministeriums. Es ist mit dem eigentlichen Sonderreferat durch die in einer Person vereinigte gemeinsame Leitung verbunden.
Die enge Koppelung infolge des durch die Ausweitung des Arbeitsgebietes erforderlichen Einsatzes von Sachbearbeitern bei Aufgaben beider Dienststellen erzielte zwar Personalersparnis, aber es ergeben sich durch sie verwaltungstechnische Schwierigkeiten. Die Bearbeitung gleicher Aufgaben unterscheidet sich dann bei den Dienststellen nur noch in der Form des Briefkopfes. Der Sachbearbeiter im Sonderreferat erhält aber Ministerialzulage; der aus dem Amt Bundeszone dagegen nicht. Im Haushaltsausschuß wurde deshalb darauf hingewiesen, daß bis zur nächsten Haushaltsberatung angestrebt werden solle, daß entweder eine Eingliederung des Amtes Bundeszone in das Bundesministerium oder eine klarere Abgrenzung der zu erledigenden Aufgaben zwischen dem Sonderreferat und dem Amt Bundeszone erfolge.
Die vom 10. Ausschuß vorgeschlagenen Änderungen im Haushaltsplan des Wohnungsbauministeriums gehen aus der Drucksache Nr. 1915 hervor. Der Ordentliche Haushalt schließt mit einem Zuschuß von 410 403100 DM ab, der Außerordentliche Etat mit 2,7 Millionen DM, so daß das Ministerium insgesamt einen Zuschußbedarf von 413 103 100 DM hat. Der ausschlaggebende Posten im Ordentlichen Etat sind die Mittel zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues, die in Tit. 33 mit 365 800 000 DM eingesetzt sind, und der dazugehörige Tit. 34 mit 34 200 000 DM, der den Wohnungsbau für Verwaltungsangehörige des Bundes im gesamten Bundesgebiet umfaßt.
Im Außerordentlichen Etat befindet sich unter dem Titel „Bau von Wohnungen für Angehörige ausländischer Missionen" ein Ansatz von 2,7 Millionen. Der Haushaltsausschuß hat mit Rücksicht auf die unterschiedliche Behandlung der deutschen Auslandsvertretungen beschlossen, im Text hinzuzufügen:
Für diejenigen Staaten, bei denen Unterbringungsschwierigkeiten für das Personal der deutschen Vertretungen bestehen, sollen die Mittel nur verwandt werden, wenn Gegenseitigkeit gewährt wird.
Der Haushaltsausschuß bittet das Hohe Haus, den Einzelplan XIV mit den aus der Zusammenstellung auf Drucksache Nr. 1915 ersichtlichen Änderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Für die Aussprache zu Punkt 6 a hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, den Etat des Wohnungsbauministeriums im einzelnen zu behandeln. Der Herr Berichterstatter hat schon hervorgehoben, daß ein Unterschied zwischen dem vorigen und dem jetzigen Etat kaum besteht. Ich richte deshalb meine und, wenn ich bitten darf, Ihre Aufmerksamkeit auf die Aussichten, Möglichkeiten und Grenzen des Wohnungsbauprogramms für das Jahr 1951. Dabei möchte ich in erster Linie hervorheben, daß wir unsere große Genugtuung über die Leistungen des Wohnungsbaues im vergangenen Jahr auszusprechen genötigt sind. Der Bundestag sowohl wie die Regierung Dr. Adenauer und das Wohnungsbauministerium können auf ihre Leistungen im Wohnungsbau 1950 stolz sein. In Verfolg des Wohnungsbaugeizes von 1950 sind 350 000 Wohnungen h gestellt worden oder in der Herstellung Diese Zahl erhält ihre Bedeutung erst, wenn wir sie mit den Friedenszahlen vergleichen. In der Vorkriegszeit wurden ungefähr 200 000 Wohnungen jährlich hergestellt. Es ist also festzustellen, daß dieses Friedenswohnungsbauprogramm im vergangenen Jahr mit über 50 % übertroffen worden ist. Wir wollen mit der Anerkennung für diese Tatsache nicht sparen. Es wird im deutschen Volk heute mehr oder weniger alles kritisiert, was vom Bundestag ausgeht. Ich bedaure dies um so mehr, als es die Pflicht jedes gerecht empfindenden Menschen ist, seine Anerkennung für eine Leistung auszusprechen, die wirklich eine Anerkennung verdient, und die Leistungen des Wohnungsbaues im vergangenen Jahr verdienen unsere Anerkennung in vollstem Maße. Wir können stolz sein auf das, was wir im vergangenen Jahr auf diesem Gebiet vollbracht haben.
Was nun die Möglichkeiten und Grenzen des
Wohnungsbauprojekts für das Jahr 1951 angeht,
so ist eine Reihe von Anregungen zu geben und
eine Reihe von Schwierigkeiten und Engpässen zu
behandeln, die das ganze Wohnungsbauprogramm
mehr oder weniger gefährden könnten. Gestatten
Sie mir, daß ich auf einige Gesichtspunkte aufmerksam mache. Eine vollständige Erörterung dieser Angelegenheit ist mir deshalb nicht möglich,
weil ich keine Zeit dazu habe. Wir von der Deutschen Volkspartei stehen auf dem Standpunkt, ({0})
- Entschuldigen Sie diesen Ausdruck! Wir von der
Deutschen Partei stehen auf dem Standpunkt, ({1})
- Meine Damen und Herren, ich freue mich innerlich, daß Sie sich freuen, wenn ich mal einen Lapsus linguae mache.
({2})
({3})
Vielleicht passiert das auch noch anderen Leuten hier im Hause.
({4})
- Ja, habe ich schon! - Wir von der Deutschen Partei sehen also im Individuum und in der Familie die Grundlage der Staatsgestaltung und des Wirtschaftslebens. Daher das Bestreben, auch das Privateigentum auf dem Gebiet des Wohnungsbaues zu stärken und zu fördern. Wir richten unsere Aufmerksamkeit deshalb in erster Linie auf alle die Mittel, die den privaten Wohnungsbau irgendwie zu fördern in der Lage sind.
Hier scheint uns vor allen Dingen die Tätigkeit der Bausparkassen ins Gewicht zu fallen. Wir möchten al es tun, um den privaten Wohnungsbau zu förder und möchten deshalb auch die Bausparkassen b sonders unterstützt wissen. Wir bitten die Regierung, das auf der ganzen Linie zu tun. Unter diesem Gesichtspunkt ist zu erwähnen, daß auch die Steuerfreiheit, die § 7 c des Einkommensteuergesetzes für Anlagen im Wohnungsbau gewährt, unbedingt aufrechterhalten werden muß. Daneben wollen wir natürlich die übrigen Möglichkeiten der Anlegung von Sparkapital in keiner Weise hemmen und sind deshalb für die Beibehaltung auch der Steuervergünstigungen, die den Kaufenden beim Wertpapierankauf gewährt werden sollen.
Bei aller Unterstützung des Wohnungsbaues Lund wir wollen den Wohnungsbau nach jeder Richtung hin fördern - gilt es doch, die Erhaltung unserer Währung im Auge zu behalten, und uns scheint es, als ob wir gerade an der Grenze des Erlaubten sind mit der Anwendung der Mittel für den Wohnungsbau, die unsere Währung irgendwie berühren könnten. Wir heben also mit allem Nachdruck hervor: alle Maßnahmen, die auf dem Gebiete der Förderung des Wohnungsbaues zu treffen sind, miissen ihre Grenze haben in der Rücksicht auf die Erhaltung unserer Währung. Die Festigkeit und Beständigkeit unserer Währung muß das höchste Ziel unserer gesamten wirtschaftlichen Arbeit sein.
Was nun die einzelnen Engpässe und Schwierigkeiten im Wohnungsbauprogramm von heute anbetrifft, so liegen sie in erster Linie in der Beschaffung der ersten Hypothek. Wir wissen, daß die ersten Hypotheken - wie es gegenwärtig der Fall ist, wie es auch nach dem Wohnungsbauprogramm vom vorigen Jahre der Fall war - aus privaten Mitteln herzufließen haben. Wir wissen, daß es sehr schwierig ist, für die Durchführung des neuen Wohnungsbauprogramms diese privaten Mittel flüssig zu machen. Hier sind einige Aussichten vorhanden, Möglichkeiten zu finden, die Beschaffung der ersten Hypothek zu erleichtern. Ich füge hier an, daß die Refinanzierung durch die Bank deutscher Länder von großer Bedeutung ist. Wer eine Hypothek oder sonstige Darlehen für den Wohnungsbau flüssig gemacht hat, der konnte unter Umständen seine Zuflucht zu der Bank deutscher Länder nehmen, die diese Beträge refinanzierte. Aber sie mußten, wie die Bank deutscher Länder ausdrücklich festgestellt hat, innerhalb einer Jahresfrist zurückgezahlt werden. Wir möchten die Regierung bitten, darauf hinzuwirken, daß die Bank deutscher Länder die Rückzahlungsfrist für die Refinanzierungsmittel unter Umständen über ein Jahr hinaus verlängert. Vielleicht werden auf diese Weise private Mittel für die erste Hypothek in einem gewissen Umfang flüssig.
Es wird weiter zu überlegen sein, ob wir nicht die Lebensversicherungen in größerem Maße für die Heranschaffung der ersten Hypotheken geneigt machen. Ich bitte die Regierung, auch in dieser Richtung tätig zu sein und dafür zu sorgen, daß die Lebensversicherungen für die erste Hypothek herangezogen werden.
Ferner ist zu überlegen, ob nicht in gewissem Umfang öffentliche Mittel, die ja sonst erst für die zweite Hypothek in Frage kommen, unter Umständen auch für die erste Hypothek in Anspruch genommen werden. Vielleicht gelingt es dem Herrn Bundeswohnungsbauminister, auf diesem Gebiet eine Möglichkeit zu schaffen.
Die zweite. Hypothek wird aus öffentlichen Mitteln gegeben, und wir müssen uns deshalb zunächst einmal über den Gesamtumfang der öffentlichen Mittel zu orientieren versuchen. Soviel ich von zuständiger Stelle erfahren habe, sind bis jetzt 1250 Millionen an öffentlichen Mitteln für die Beschaffung der zweiten Hypothek vorhanden, und zwar 300 Millionen aus Bundeshaushaltsmitteln, 350 Millionen aus Rückflüssen aus Umstellungsgrundschulden; 300 Millionen werden vom Hauptamt für Soforthilfe beschafft, 300 Millionen aus Haushaltsmitteln der Länder. Im vergangenen Jahre hatten wir 1,6 Milliarden zur Verfügung, also immerhin noch 350 Millionen mehr als in diesem Jahre. Wenn also das diesjährige Bauprogramm nicht gegenüber dem vorjährigen abfallen soll, müssen diese 350 Millionen auch noch aufgebracht werden. Vielleicht ist es möglich, hierfür aus dem Hauchalt des Bundes noch Mittel flüssig zu machen. Ob das möglich ist, wird die weitere Beratung im Haushaltsausschuß ergeben. Immerhin könnte man sich denken, daß größere Ersparnisse an anderen Stellen im Bundeshaushalt es ermöglichen, vielleicht 200 Millionen für den Wohnungsbau flüssig zu machen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Einen Augenblick noch! Ein paar Minuten!
Nein, nicht ein paar Minuten; das ist nicht möglich. Wenn wir das überall gelten lassen würden, dann würden es bald eine ganze Mengen von Minuten sein.
Dann bitte ich, ein paar Sätze sagen zu dürfen.
Nein, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Ich bin weiter der Meinung, daß sich die Regierung bemühen müßte, auch aus den Länderhaushalten noch irgendwelche Zuflüsse zu bekommen.
Es ist dann weiter notwendig, darauf aufmerksam zu machen, -
Herr Abgeordneter, es ist unmöglich, daß Sie jetzt noch einen neuen Abschnitt beginnen. Ich muß Sie bitten, der Redezeitbegrenzung Rechnung zu tragen.
Es tut mir leid, ich hätte noch ein paar wichtige Gedanken vorzutragen gehabt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Dr. Leuchtgens hat mit Anerkennung für das Wohnungsbauministerium nicht gekargt. Wenn wir uns noch an sein Auftreten bei den Haushaltsdebatten im letzten Jahr an dieser Stelle erinnern, dann müssen wir ihm dieses Kompliment wirklich von ganzem Herzen auch jetzt zuteil werden lassen.
({0})
Welch ein Wandel, der sich vollzogen hat, wenn jemand von dem Oppositionssplitter aufsteigt auf einen der Regierungsbalken! Es hat sich da doch eine erfreuliche Wandlung vollzogen.
({1})
- Ich bin jederzeit dem Alter gegenüber höflich; aber die Erinnerung an die Haushaltsdebatten ist noch so furchtbar in mir, daß ich diesen Stoßseufzer der Erleichterung doch einmal ausstoßen darf.
Nun wollen wir uns mit dem Wohnungsbauministerium und seiner Einrichtung beschäftigen. Es ist das erste Ministerium, für das wir hier, nachdem die etwas turbulente Aufbauperiode abgeschlossen ist, für ein ganzes Jahr den Plan vorgelegt bekommen. Noch keines der anderen echten großen Ministerien hat eigentlich diese seine Feuerprobe vor dem Bundestag bestanden. Es wird daher gut sein, wenn wir uns mit der Einrichtung der Ministerien und den allgemeinen Problemen, die sich daraus ergeben, heute etwas ausführlicher beschäftigen.
Ich darf in diesem Zusammenhang einige Anträge ankündigen, die meine politischen Freunde aber erst zur dritten Lesung einbringen werden, und zwar deshalb, weil sie sich nicht ausschließlich auf das Wohnungsbauministerium, sondern auf alle Ministerien erstrecken und weil wir glauben, daß wir dem Hause viel Zeit ersparen, wenn wir diese Dinge nicht bei jedem einzelnen Ministerium immer wieder von neuem über die Bühne gehen lassen, sondern bei der dritten Lesung im Zusammenhang eine echte politische Entscheidung zu den Fragen herbeiführen, in denen wir vielleicht nicht ganz einer Meinung sein werden.
Es wird sich bei diesen Anträgen etwa um folgende handeln. Wir werden zum Tit. 24 bei allen Ministerien einheitlich eine Herabsetzung um 50 % fordern, weil wir der Meinung sind, daß man in einer Zeit, in der die Regierung dem Volke Sparsamkeit predigt, in einer Zeit, in der von Verbrauchseinschränkung und Selbstbescheidung gesprochen wird, damit an der Spitze beginnen und deshalb der Repräsentationsaufwand nicht unbedingt in dem bisherigen Umfang von 20 000 DM für jeden Minister und sogar von 30 000 DM für den Verkehrsminister aufrechterhalten werden muß. Dieser Antrag wird sich dann natürlich auch auf das Wohnungsbauministerium erstrecken.
Der zweite Antrag, der durch eine Reihe von Erfahrungen, die wir im Haushaltsausschuß gemacht haben, veranlaßt ist, wird dahin gehen, daß wir es begrüßen würden, wenn dem Bundestag eine Übersicht über alle aus dem Titel Sachverständigengutachten geleisteten Zahlungen vorgelegt würde. Das Haus wird mit großem Interesse feststellen, in welcher Weise diese Beträge verausgabt worden sind und wie die Gutachten im einzelnen beschaffen sind, die aus diesem Posten bezahlt wurden. Wir werden dazu noch etwas Weiteres wünschen, um zu verhindern, daß sehr unerwünschte Aufwendungen aus diesen Posten für Dinge gemacht werden, die bei dem vorhandenen Regierungsapparat eigentlich mit eigenen Kräftèn bewältigt werden könnten. Wir werden nämlich wünschen, daß die Verausgabung dieses Titels dann, wenn die Zahlung im Einzelfall 3000 DM übersteigt, an die Genehmigung des Haushaltsausschusses geknüpft wird.
Wir haben im Haushaltsausschuß weiter ein Problem angeschnitten, das im Zusammenhang mit der dritten Lesung gleichfalls einmal im Plenum ausführlicher erörtert werden muß. Wir werden wünschen, daß die erst neulich im Bundesgesetzblatt wieder veröffentlichten Bestimmungen über die Abführungspflicht von Einnahmen derjenigen Beamten, die im Nebenamt Aufsichtsratssitze innehaben, wirklich genau durchgeführt werden. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren und haben begründeten Anlaß dazu, daß wesentlich mehr leitende Beamte der verschiedensten Bundesministerien Aufsichtsräten angehören und Einnahmen aus diesen Aufsichtsratsposten beziehen, die den Vorschriften widersprechend nicht im Haushaltsplan nachgewiesen sind. Wir werden diesem Kapitel sehr große Aufmerksamkeit zuwenden müssen, zumal es doch so zu sein scheint, daß an manchen Stellen auf diese Weise aus den von den Beamten vereinnahmten Beträgen sogar gewisse Fonds gebildet werden, aus denen Personen bezahlt werden, die eine Tätigkeit ausüben, von der der Bundestag nichts weiß, und die im Haushaltsplan an keiner Stelle erscheinen.
({2})
Das verstößt gegen den Grundsatz der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit. Das Haus wird sicher in voller Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesfinanzminister Wert darauf legen, daß diese Dinge abgestellt werden. Wenn man das nicht gleich von Anfang an tut, reißen Mißbräuche ein, die auf die Dauer unerfreulich sein können.
Wir werden weiter wünschen, daß die Besetzung der leitenden Stellen der Ministerien an die beratenen Organisations- und Stellenpläne gebunden wird - nur der leitenden Stellen, nicht der andern -, damit nicht den Wünschen der parlamentarischen Körperschaften widersprechend eine Stelle von einem Gebiet auf ein anderes, für das sie nicht ursprünglich gedacht worden ist, umgelegt werden kann.
Als letztes werden wir schließlich fordern, daß keine neue Dienststelle geschaffen werden kann, die man aus allgemeinen Verfügungsmitteln bezahlt. Wenn man neue Dienststellen und Behörden einrichtet, müssen sie ordnungsmäßig etatisiert und dürfen nicht aus Verfügungsmitteln bestritten werden. Ich brauche hier nicht deutlicher zu werden. Die Dienststellen, um die es sich hier handelt, sind allen Mitgliedern des Hauses bekannt. Ihre Tätigkeit mag noch so sinnvoll und nützlich sein - das bestreiten wir nicht -; aber dann müssen sie im ordentlichen . Haushaltsplan veranschlagt und vom Parlament auch bewilligt werden.
Zur Organisation des Wohnungsbauministeriums selbst möchte ich nicht viel sagen. Der Herr Berichterstatter hat alles Wesentliche dazu ausgeführt, was im Haushaltsausschuß an Anregungen gegeben und an Kritik in diesen verhältnismäßig geringfügigen Punkten geübt worden ist. Das Wohnungsbauministerium ist kein klassisches Ministerium. Es ist so ein Stück Wildwachs in unserer Verwaltungsorganisation. Der Herr Minister hat
({3})
mit beneidenswertem Talent etwas improvisieren müssen. Das erklärt, daß die Organisation an manchen Stellen noch nicht so abgeschliffen und aufeinander abgestimmt ist, wie das bei Ministerien mit einer langen Tradition im Laufe der Jahrzehnte wächst. Um so größer wird seine Pflicht sein, darauf zu achten, daß sich keine unerwünschten Kompetenzüberschneidungen ergeben und der Aufbau stets sauber und klar ist und die Zuständigkeiten klar abgegrenzt sind.
Hier haben auch wir von unserer Partei ganz besonders den Wunsch, daß die Stellung des sogenannten Amtes Bundeszone geklärt wird. Wenn es eben ministerielle Aufgaben wahrnimmt, wie es tatsächlich der Fall ist, dann ist es in das Ministerium einzubauen und kann nicht als Bundesoberbehörde sein Dasein fristen; oder aber man darf ihm nur diejenigen Aufgaben anvertrauen, die. tatsächlich einer Bundesoberbehörde zukommen, und muß die anderen Stellen herauslösen und in das Ministerium hineinnehmen.
Die Frage der Verwendung der Mittel, über die das Ministerium nicht für sich selbst, sondern für den Wohnungsbau verfügt, muß uns allen hier ganz besonders am Herzen liegen. Wir haben im Haushaltsausschuß verschiedentlich erlebt, daß Versuche unternommen worden sind - und denen haben sich der Haushaltsausschuß und auch der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen mit aller Entschiedenheit widersetzt -, die Mittel des sozialen Wohnungsbaues für andere Zwecke anzuknabbern. Der Herr Kollege Lücke nickt mir hier erfreut zu. Es ist die Meinung, die unser Ausschuß einhellig vertreten hat, und ich möchte das hier von der Tribüne dieses Hauses aus noch einmal ausdrücklich sagen: Es gibt eine ganze Reihe von zweifellos dringenden Aufgaben, zu denen wir ohne weiteres auch die ländliche Siedlung zählen. Aber wenn wir diese finanzieren müssen, dann müssen wir nach Wegen suchen, um sie an der gebührenden Stelle im Haushaltsplan unterzubringen, und dürfen nicht den Wohnungsbautopf damit belasten. Das ist eine der Investitionsaufgaben Nummer eins. Hier investieren wir nämlich nicht in Fabriken und nicht in Verkehrsanlagen, sondern wir investieren in Menschen, in ihrer Arbeitsfähigkeit und ihrer Arbeitskraft. Deswegen wollen wir keinen Pfennig von diesen Mitteln für andere Zwecke, so wichtig sie auch sein mögen, abzweigen. Dann muß man das ehrlich machen und muß eben an einer anderen Stelle des Planes die Mittel ausweisen, die für den anderen Zweck gebraucht werden.
Der Wohnungsbau in Deutschland steht - das weiß jeder - vor einer ernsten Krise, wenn man nicht sogar sagen kann in einer ernsten Krise. Die Auswirkungen der verschiedensten Engpässe setzen ein. Die Baustoffwirtschaft hat infolge der mangelhaften Kohlenversorgung große Schwierigkeiten, die Baustoffe in dem benötigten Ausmaße herzustellen. Mit diesem Problem wird der Wohnungsbauminister allein nicht fertig. Das ist selbstverständlich. Aber er wird der Wächter im Kabinett sein müssen, der mit dafür zu sorgen hat, daß bei der allgemein einzuschlagenden wirtschaftspolitischen Linie die Investitionen so gesteuert werden, daß die Baustoffwirtschaft, die Bauwirtschaft im ganzen und auch die Kohlenversorgung, die man dazu braucht, nicht übersehen werden gegenüber den dringenden Aufgaben auf anderen Gebieten. Wir wünschen dem Wohnungsbau die unbedingt erforderliche Priorität auf diesem Gebiet zu erhalten.
({4})
Selbst für den Bergbau ist das wichtig; denn auch seine Leistungen werden nicht allein durch technische Investitionen steigen, sondern auch dadurch, daß man den Bergarbeiterwohnungsbau in geeigneter Weise fördert, so daß auch der Bergbau selbst sich wieder eine Investition nützlicher Art zuführt.
Die zweite ernste Frage, vor der der Wohnungsbau heute steht, betrifft die Preisentwicklung. Die Preise sind nicht nur auf dem Gebiete der Baustoffe, sondern auch sonst in den letzten Wochen stärker als im vergangenen Jahre ins Schwimmen gekommen. Das wirft alle Berechnungen über die Finanzierungsgrundlagen des Wohnungsbaues glatt über den Haufen. Hinzu kommt die Unsicherheit, die sich auf dem Gebiete des Kapitalmarkts bemerkbar macht. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, daß nicht nur der Wohnungswirtschaftliche Beirat beim Wohnungsbauministerium, daß nicht nur eine Reihe von anderen Sachkennern, sondern sogar neuerdings auch eine Reihe von wirtschaftspolitischen Sachverständigen der Bundesregierung ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht haben, daß man von einer Zinserhöhung in einer Zeit steigender Preise keinen Anreiz für die Sparkapitalbildung erwarten kann.
({5})
Deswegen müssen wir endlich einmal mit diesem Gerede über den Kapitalzins aufhören. Wir müssen hier eine gewisse Sicherheit herstellen, damit die Leute wissen, woran sie sind. Ich glaube, es würde die falsche Entwicklung sein, von der Seite der Kapitalzinserhöhung her allgemein eine neue Welle zu den ohnehin vorhandenen Triebkräften in Richtung Preissteigerung und damit Auslösung inflationistischer Tendenzen in Gang bringen; nicht nur, weil das wirtschaftspolitisch falsch wäre, sondern weil es jetzt gerade unser Sorgenkind Nummer eins, nämlich den Wohnungsbau, sehr ernstlich gefährden würde.
Daß man sich im Wohnungsbauministerium und auch sonst gewiß darüber Gedanken macht, wie man denn nun den Kapitalmarkt trotzdem fördern kann, wie man z. B. die Pfandbriefe, deren Aufkommen gerade für die Finanzierung des Wohnungsbaues mit bestimmt ist, mit einer Art dinglicher Sicherheit ausstatten kann, damit der Sparer weiß: ich habe kein Geldpapier, sondern ich habe einen Sachwert in Händen -, das ist klar, und es sind sehr verdienstvolle Erwägungen. Wir würden uns freuen, wenn wir hier möglichst schnell zu greifbaren Ergebnissen kommen könnten. Aber das Entscheidende werden nicht diese Anreize sein, das Entscheidende werden auch keine Steuervorteile sein, sondern das Entscheidende wird sein, daß wir durch geeignete wirtschaftspolitische Mittel der Tendenz, die augenblicklich alle Preise nach oben jagt, endlich einmal Herr werden.
({6})
Denn solange die Preise uns davonlaufen, ist alles andere, ist jede andere Berechnung in den Sand geschrieben. Das müssen wir uns einmal sehr deutlich klarmachen.
({7})
Immerhin gibt es auch im Rahmen der jetzt bestehenden Möglichkeiten noch so manches, was nicht voll ausgeschöpft worden ist. Ich darf an die Baukostenkonferenz erinnern. Wir haben im Bundestag in einer Entschließung zum Wohnungsbau({8})
gesetz dem Wohnungsbauminister mit auf den Weg gegeben, daß es seine Aufgabe ist, die großen öffentlichen Bauträger in Stadt und Land so zusammenzufassen, daß man nicht von der öffentlichen Nachfrage her, die allein einen großen Teil des ganzen Bauvolumens ausmacht, sich noch gegenseitig Konkurrenz macht und damit die Preise in die Höhe jagt. Wir können uns des Eindrucks nicht ganz erwehren, daß zwar gelegentlich einige Konferenzen stattgefunden haben, daß aber die Durchsetzung der Ergebnisse dieser Konferenzen bis in die Baupraxis, in die letzte Gemeinde hinaus, in der auch noch aus öffentlichen Mitteln gebaut wird, stark zu wünschen übrig läßt. Wir würden uns freuen, wenn hier in energischerer Weise als bisher wenigstens der Versuch unternommen würde, die allgemeine Preissteigerungswelle vom Wohnungsbau so fernzuhalten, wie das unter den obwaltenden wirtschaftspolitischen Umständen nur möglich ist.
Hinzu kommt die Notwendigkeit, das gesamte öffentliche Bauvolumen einschließlich des allmählich wachsenden Volumens derjenigen Bauten, die im Auftrage und für Rechnung der Besatzungsmächte durchgeführt werden, in einer Hand zusammenzufassen und etwas aufeinander abzustimmen, damit nicht der eine Bauträger dem anderen die Kapazitäten, die Baustoffe und das Kapital aus den Händen reißt und sich nicht unerwünschte Auswirkungen auf die Baupreise im ganzen ergeben. Wir werden Gelegenheit haben, zu diesen beiden Problemen im Bundestag ausführlich Stellung zu nehmen, wenn der Ihnen vorliegende Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu diesen Fragen hier im Hause behandelt wird. Wir würden uns freuen, wenn sich aus der gemeinsamen Beratung im Hause und in den Ausschüssen wieder eine allgemeine einheitliche Linie ergibt, die es uns gestattet, der jetzt auf den Wohnungsbau einstürmenden Schwierigkeiten einigermaßen anständig Herr zu werden. Es wird keine verlorene Zeit sein, die wir im Hause an die Erarbeitung dieser Dinge wenden werden.
Die nächste große Schwierigkeit, der der Wohnungsbau heute gegenübersteht, ist die Beschaffung von Bauland. Es liegen darüber bereits mehrere Regierungsentwürfe vor. Ich will die Frage im einzelnen jetzt gar nicht erörtern. Ich möchte an alle damit befaßten Stellen nur den dringenden Wunsch richten, daß etwas auf das Tempo gedrückt wird,
({9})
damit nicht nur im Bundesrat und bei der Bundesregierung, sondern auch bei uns allen hier Klarheit darüber besteht, daß unabhängig von der Finanzierung und unabhängig von den Baustoffen und der Baukapazität auf alle Fälle doch erst einmal der Baugrund gesichert sein muß,
({10})
auf dem man zu Bedingungen rechtlicher und finanzieller Art bauen kann, die es gestatten, darauf preiswerte und - auch für die Zukunft - solide Häuser zu errichten.
Beim Wohnungsbauministerium gibt es den Wohnungswirtschaftlichen Beirat. Er hat bestimmt eine ganze Reihe verdienstvoller Arbeiten geleistet. Wir würden uns nur darüber freuen, wenn man diese Arbeiten als ein Ganzes werten und wenn nicht ein jeder sich nur diejenigen Punkte herauspicken und in die Praxis umzusetzen versuchen würde, die ihm gerade gefallen. Der Wohnungswirtschaftliche Beirat hat z. B. in einer Sache
Stellung genommen, die uns gar nicht gefällt, nämlich in der Frage der Mietpreiserhöhung. Er hat aber in einer anderen Frage ebenso klar Stellung genommen, in der offenbar doch erhebliche Kräfte in der Regierung sich anders verhalten, als es der Wohnungswirtschaftliche Beirat will. Das ist die Frage der Kapitalzinserhöhung, die vom Wohnungswirtschaftlichen Beirat nicht nur aus Gründen der Wohnungswirtschaft, sondern aus Gründen der Volkswirtschaft schlechthin als unerträglich und falsch abgelehnt wird.
Zur Frage der Mietpreiserhöhung gestatten Sie mir wenige Worte. Es ist zweifellos richtig, daß jetzt das durch die Zufälle der verschiedenen Bauperioden zustande gekommene Mietniveau eine ganze Reihe von offenbaren Ungerechtigkeiten und Verzerrungen enthält, über deren Bereinigung man sich zu gegebener Zeit einmal unterhalten kann. Aber was wir auf keinen Fall gutheißen, ist, daß in der jetzigen Situation, in der uns alles davonläuft., nun von der Seite der Mietpreissteigerung her erneut idle Lohn-Preis-Spirale in Be-Bewegung gesetzt wird.
({11})
Die Lebenshaltung der breiten Massen der zur Miete wohnenden Bevölkerung ist in Anbetracht der Preisentwicklung der letzten Monate und Wochen wirklich nicht dazu angetan, ohne Lohnkompensationen eine Mietpreiserhöhung einfach aufzufangen. Dazu reicht das Einkommen der breiten Bevölkerungsschichten jetzt nicht aus. Wenn Sie infolgedessen jetzt an die Mietpreiserhöhung denken, dann bedeutet das, daß Sie damit zwangsläufig eine neue Welle der Lohnerhöhungen auslösen. Dann bedeutet das, daß wir noch weiter in den Abgrund hineinkommen, dem zu entgehen wir uns alle doch bemühen müssen.
({12})
- Die Mietpreiserhöhung ist schon im Gange, höre ich.
({13})
- Die Lohnerhöhungswelle, die bisher im Gange ist, ist durch die allgemeine Steigerung der Lebenshaltungskosten in den letzten zwei Jahren verschuldet worden. Das ist aber keine Lohnerhöhungswelle, die durch die noch zu erwartende Mietpreissteigerung ausgelöst worden ist.
({14})
Darüber wird man zu gegebener Zeit noch ein Wort zu reden haben.
Die Vorschläge zur Mietpreiserhöhung gehen sehr stark auseinander. Die merkwürdigerweise radikalsten und für die breiten Massen der Bevölkerung unsozialsten Vorschläge hat der Niederbreisiger Arbeitskreis der Koalitionsparteien entwickelt. Er sieht eine dreißigprozentige Mietpreiserhöhung für die Uraltbauten vor.
({15})
- Das Dokument ist doch in unserer Hand, meine Herren.
({16})
- Nein, die 200/o, Herr Kollege Lücke, stammen wieder aus dem Gutachten des Wohnungswirtschaftlichen Beirats.
({17})
({18})
15 % sind für den Altbesitz, den Sie so nennen - das ist der mittlere und neueste Neuhausbesitz -, vorgesehen, weiter eine Erhöhung auf 1,50 DM als Richtsatz für die Mieten des sozialen Wohnungsbaus. Demgegenüber rechnen die Sachverständigen der Bundesregierung selber nur mit einer Mietkorrektur ausschließlich für die Altbauten in Höhe von 5 bis 10 %. Ich will Ihnen diese verschiedenen Projekte nur einmal vortragen, damit Sie sich darüber im klaren sind, welch weitschichtiges Problem damit angerührt wird.
Ich will Ihnen gleichfalls sagen, daß wir es als außerordentlich befremdend empfunden haben, daß in einer Zeit, in der allen Ernstes Vorschläge gemacht worden sind, die Bundes- und Ländermittel für den sozialen Wohnungsbau um eine Milliarde DM zu verringern, andererseits eine Rechnung aufgemacht wird, die per Saldo den öffentlichen Körperschaften die Finanzierung eines Sicherheitsbeitrages in Höhe von 4,8 bis 5 Milliarden DM gestattet. Der Wohnungsbau ist eine Aufwendung für unsere Sicherheit, und zwar wahrscheinlich die beste Aufwendung, die wir für unsere innere und äußere Sicherheit machen können.
({19})
Die Beseitigung der sozialen Krisenherde, das Herausholen der Heimatvertriebenen aus den Lagern, in denen sie noch wohnen, machen unser Volk unempfänglich gegen irgendwelche östlichen Sirenenklänge. Infolgedessen ist das eine sehr wichtige Investition, die für meinen Geschmack für unsere politische Zukunft wichtiger ist als die Ausrüstung von ein paar Panzerdivisionen.
Ich möchte mich noch kurz zu einem Vorschlag äußern, der augenblicklich ebenfalls die Runde macht und den der Herr Bundeswohnungsbauminister selber mit propagiert hat. Das ist der Bau von Schlichtwohnungen. Es ist ein schlichtes Wort für ein schlechtes Programm. Wir werden uns mit diesem Programm nicht abfinden können. Selbstverständlich kann man sich darüber unterhalten, wie man mit den vorhandenen Mitteln ein Maximum an anständigen Wohnungen herstellt und wie man es erreicht, daß irgendwelcher überflüssige Luxus auch auf dem Gebiete des Wohnungsbaus in der jetzigen Notzeit unterbunden wird. Es gibt jedoch bestimmte Mindestforderungen, von denen wir nicht abweichen können. Warum? Eine schlechte Wohnung ist eine teure Wohnung, weil wir in sehr kurzer Zeit gezwungen sein werden, eine bessere an ihre Stelle zu setzen. Damit schaffen wir Elendsquartiere. In einer schlimmen Notzeit, in den Jahren 1918 und 1919, ist das preußische Wohnungsgesetz entstanden. Darin stand eine ganze Reihe technischer Dinge. Diese haben von damals ab für alle Zeiten bis heute in Preußen das Mietskasernenunwesen mit den Hinterhöfen verschwinden lassen. Darin stand z. B., daß jede Wohnung mindestens von zwei Seiten her Zugang zum Außenlicht haben muß, und ähnliche Dinge. Darin wurden die Toiletten auf dem Flur unten und ähnliches beseitigt. Alle diese Dinge werden wir im Auge behalten müssen. Wir wollen keine Luxuswohnungen bauen. Aber das, was wir bauen, muß dauerhaft sein und muß imstande sein, unseren Familien nicht nur für heute, sondern auch für morgen und übermorgen und für lange Jahre eine Heimstatt zu bieten.
Ich glaube, so sollten wir an dieses Problem herangehen. Dann wird uns manches sehr verdächtig vorkommen, was heute als Schlichtwohnung propagiert wird, weil es eben keine Dauerlösung, sondern ein Provisorium ist. Leider Gottes ist mitunter - ich hoffe, daß es nicht für den Bundessitz gilt - nichts beständiger als das Provisorium. Deshalb wollen wir doch lieber alle gemeinsam gegen die schlechten Provisorien und, gerade auf dem Gebiete des Wohnungsbaus, für das gute Beständige kämpfen.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, in der zweiten Lesung zum Etat des Wohnungsbauministeriums das Wort zu ergreifen. Ich muß es aber doch tun, um einen Irrtum richtigzustellen, dem der Kollege Erler offenbar trotz der inzwischen in den Zeitungen erfolgten Klarstellungen erlegen ist. Herr Kollege Erler hat nämlich die Punktation der Diskussionsunterlagen vom Oktober vorigen Jahres mit den Vorschlägen verwechselt, die schließlich das Ergebnis der monatelangen Diskussion waren. Dasselbe ist auf eine uns nach wie vor unerklärliche Weise offenbar der Presse passiert, die irgendwie an ein Exemplar dieser Punktation der Diskussionsunterlagen herangekommen ist. Ich möchte das noch einmal ausdrücklich klarstellen.
In den Vorschlägen, die der Niederbreisiger Kreis schließlich erarbeitet hat, wird in der Fortführung des Wohnungsbaus einer der Schwerpunkte der 'künftigen deutschen Aufgaben gesehen - und zwar mit mindestens demselben gewünschten Erfolg von 350 000 Wohnungen, den wir gewissermaßen als Weltrekord im Jahre 1950 erreicht haben. Man hat sich dabei natürlich darüber Gedanken gemacht, wie man diese Aufgabe unter den gewachsenen Schwierigkeiten bewältigen kann. Man hat feststellen müssen, daß, da viele zusätzliche Ausgaben an den Bundes- und die Länderhaushalte herangetreten sind, die Finanzierungsdecke zu kurz wird und daß infolge der seit der Korea-Krise von den Weltmärkten auf uns hereingebrochenen Preissteigerungen sich auch bei den Baukosten manche Steigerung nicht hat vermeiden lassen. Man hat das Thema mit erörtert, ob eventuell von seiten der Mieter noch ein Beitrag zur Finanzierung des Wohnungsbaus und der Überwindung der Wohnungsknappheit zu gewinnen ist.
Ich darf Ihnen sagen, daß wir uns hinsichtlich der Möglichkeiten auf diesem Gebiet ganz dem Gutachten des Wohnungswirtschaftlichen Beirates angeschlossen haben, und daß das, was von 30% und 15% in der ursprünglichen Diskussionspunktation stand, längst überholt ist. Es steht also auch nur der Satz von 20% für die Altmieten zur Debatte. Darüber hinaus ist noch erörtert worden, ob diese zweckgebundene Finanzierungshilfe für die Wohnbautätigkeit noch hälftig als Sparleistung einmal des Vermieters und zum anderen des Mieters genommen werden könnte.
Alle diese Dinge sind im Augenblick nichts weiter als Vorschläge. Es muß welter sachlich erörtert werden, ob sie tatsächlich geeignet sind, wesentlich zur Schließung der Finanzierungslücke beizutragen, und ob die soziale Lage gestattet, gegenwärtig eine solche Maßnahme zu ergreifen. Bei den Altmieten etwa handelt es sich doch um den einzigen Sektor, auf dem durch die unterschiedlichen Maßnahmen
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der Vergangenheit ein relativ sehr niedriges Niveau und vielleicht im Einzelfall gar nicht notwendigerweise so niedriges Niveau vorhanden ist. Es ist weiter auch der Vorschlag erörtert worden, mit der Förderung des Wohnungsbaues gleichzeitig die Deckungsgrundlagen für die Sozialversicherung mit herstellen zu helfen, indem die Mittel, die der Bund und die Länder für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen, direkt an die Sozialversicherungsträger gegeben werden sollen, die sie ihrerseits zweckgebunden dem Wohnungsbau zur Verfügung stellen, um hiermit auch ein berechtigtes Anliegen der Sozialversicherten mit zu erfüllen.
Wir haben diese Dinge - ich glaube das sagen zu dürfen, Herr Kollege Erler - allesamt mit genau dem gleichen Ernst erörtert, mit dem wir vor einem Jahr gemeinsam im Wohnungsbauausschuß die Frage überlegt haben: Wie kommen wir zu einer wirklich ins Gewicht fallenden Verringerung der Wohnungsnot? Ich freue mich heute noch darüber, daß es uns gelungen ist, dieses Gesetz als erstes großes Sozialgesetz nicht nur im Bundestag einstimmig zu verabschieden, sondern daß es uns auch gelungen war, vorher mit dem Wohnungsbauausschuß des Bundesrates die Differenzen auszuräumen; daß wir also dann nicht hinterher Vermittlungsausschuß, Ablehnung, Einspruch usw. zu exerzieren hatten, wie wir es jetzt mehrfach exerziert haben.
Ich möchte zu weiteren grundsätzlichen Fragen des Wohnungsbaues in der dritten Lesung sprechen. Aber das eine, glaube ich, doch noch sagen zu müssen. Die Errichtung des Wohnungsbauministeriums war eine Forderung unserer Fraktion. Wir haben diese Forderung bis zum heutigen Tage nicht bereut, und die Leistungen, die dieses Ministerium im vergangenen Jahre vor dem deutschen Volke in schwierigster Zeit geschaffen hat, können sich nicht nur in Deutschland, sondern können sich in der ganzen Welt sehen lassen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Albers.
Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, zur zweiten Lesung des Haushaltsplanes für den Wohnungsbau das Wort zu nehmen. Die Ausführungen des Herrn Kollegen Erler zwingen mich aber, auch die Meinung meiner Fraktion in diesem Augenblick dem Hohen Hause zur Kenntnis zu bringen.
Wir sind mit Herrn Kollegen Erler der Auffassung, daß sich das Bauvolumen und auch die Leistungen im Jahre 1950/51 sehen lassen können. Wir sind aber auch mit den gesamten Parteien der Meinung, daß hier nicht allein das Ministerium diese großen Leistungen für das Jahr 1950/51 aufzuweisen hat, sondern daß das gesamte deutsche Volk das Seine dazu beigetragen hat, um hier ein Beispiel zu setzen für das, was dem deutschen Volke, wenn es einig ist, zu schaffen möglich ist.
Meine Damen und Herren! Wir haben seitens der CDU/CSU-Fraktion im Laufe des letzten Jahres auch bei der Beratung des ersten Wohnungsbaugesetzes unsere besten Kräfte mit zur Verfügung gestellt, und wenn der Herr Kollege Lücke am Schlusse der Beratung über das erste Wohnungsbaugesetz feststellen konnte, daß im deutschen
Volke durch die einmütige Verabschiedung des Wohnungsbaugesetzes im Bundestag doch der gute Wille aller verantwortlichen Parteien gezeigt wurde, durfte er wohl auch im Namen des ganzen Bundestages zum deutschen Volke sprechen, und was wir voriges Jahr angefangen haben, wollen wir fortsetzen. Ich mache schon jetzt darauf aufmerksam, daß die CDU/CSU-Fraktion nicht willens ist, vor aufkommenden Schwierigkeiten, mögen sie liegen, wo sie wollen, zu kapitulieren.
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Wir denken nicht daran, es uns zum Beispiel in der Frage der Kapitalnot oder der Beschaffung der ersten Hypotheken damit leicht zu machen, daß wir jetzt hier die Forderung auf Bau von Schlicht- und Einfachwohnungen aufnehmen. Wir geben Primitivlösungen dieser Art nicht unsere Zustimmung, und wir werden nicht dafür zu haben sein, daß wir mit Kleinstwohnungen, Primitivbauten und Einfachstwohnungen jetzt dieses Problem Nr. 1 in Deutschland im Laufe der nächsten Jahre zu lösen versuchen. Wir wollen eine echte Lösung, und diese echte Lösung liegt .darin, .daß auch die aufgewandten Kapitalien echt verwandt werden und auch für das deutsche Volk eine dauerhafte und gute Anlage sind.
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Meine verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhange hat Herr Kollege Erler die verschiedensten Probleme angepackt. Ich will im einzelnen nicht darauf eingehen; wir behalten uns vor, bei der dritten Lesung zu den einzelnen Problemen noch Stellung zu nehmen. Ein Problem aber hat Herr Kollege Erler nicht angepackt, und darauf möchte ich doch noch einmal verweisen.
Wir müssen feststellen, daß man in fast jeder zerstörten Stadt mit dem Wohnungsbau immer weiter nach außen in die unbebauten Gebiete geht und daß die Stadtkerne zum Teil zerstört liegen bleiben.
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Die großen kommunalen Vorleistungen, die in den Straßen liegen, bleiben ungenutzt, und die Anlagen verkommen mehr und mehr.
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Die Kosten für Neuerschließungen bei Wohnungs-und Siedlungsbauten für städtische Wohnungen machen im Durchschnitt 1500 bis 2000 DM pro Wohnung aus. Aus dieser Tatsache ist erklärlich, welche Einsparungsmöglichkeiten in dieser Hinsicht vorhanden sind, wenn das Bauen in die schon erschlossenen Gebiete gelenkt wird. Ich weiß, welche Schwierigkeiten hier vor uns stehen. Das Bauen in Trümmergebieten ist mit der Überwindung erheblicher rechtlicher Schwierigkeiten verbunden. Wir wissen, daß ein Mittel zur Behebung dieser rechtlichen Schwierigkeiten die Verabschiedung des Baulandbeschaffungsgesetzes ist. Aber selbst wenn ,das Baulandbeschaffungsgesetz jetzt schon Gesetzeskraft hätte, könnte beim Aufstellen von Bauprogrammen in zerstörten Stadtgebieten noch nicht großzügig verfahren werden, weil die Wiederaufbaupläne der Städte zum großen Teil noch nicht fertiggestellt sind.
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Man kann sich oft des Eindrucks nicht erwehren, unsere Städteplaner seien noch nicht zu der Erkenntnis gekommen, daß wir ein armes Volk geworden sind und daß aus allgemeinpolitischen
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Gründen schnell und ordentlich gebaut werden muß.
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Es kommt nicht darauf an, daß man Liebhabereien nachgeht,
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sondern darauf, daß man die Stadtkerne aufbaut mit den Mitteln und Möglichkeiten, über die wir noch verfügen. Ich denke nicht daran., einen auch mir bekannten großen Städteplaner für die Vorlage des letzten Plans für den Aufbau einer großen zerstörten Stadt in der Nähe von Bonn noch mehrere Jahre zu konzedieren. Jede Städteplanung ist eine rein akademische Arbeit,
({8})
wenn sie nicht von der sicheren Erkenntnis ausgeht, daß sie sich mit den den Gemeinden im Laufe des kommenden Jahrzehnts zur Verfügung stehenden Kapitalmitteln durchführen lassen muß.
Meine verehrten Damen und Herren! Ich sagte eben schon, daß wir u s für die dritte Lesung vorbehalten, zu den einzelnen Problemen, die hier schon erörtert wurden, eingehend Stellung zu nehmen. Aber ich möchte in diesem Augenblick noch einmal ganz klar herausstellen . - Kollege Erler hat es schon angedeutet -, was uns veranlaßt hat, die letzten Entscheidungen bei diesem wichtigen Problem zu treffen. Das Baujahr 1951 wird schwerer als das Jahr 1950. Der Wohnungsbau wird sicherlich auch von der Sicherheitsfrage irgendwie mit-beeinflußt. Ich habe mehr als einmal in diesem Hause davon sprechen hören, daß es keine innere und äußere Sicherheit gibt, wenn nicht das Sozialprogramm Nr. 1 -der Wohnungsbau - durchgeführt wird. Wir stehen nicht vor der Frage, ob wir Bauten für die Sicherheit errichten sollen oder ob wir Wohnungen erstellen sollen, die 15 Millionen Menschen in Westdeutschland, die schon fast ein halbes Jahrzehnt in menschenunwürdigen Verhältnissen leben, verlangen können. Ich möchte so sagen: Wir haben auf unsere Sicherheit zu sehen, aber innere und äußere Sicherheit bilden eine Einheit. Für die Sicherung gegen die Bedrohung unserer Freiheit muß der Grund gelegt sein durch Maßnahmen, die unserer eigenen politischen Entscheidung entstammen. Diese eigene politische Entscheidung sehen wir vorzugsweise darin, daß wir den Willen und die Kraft haben, das auch für das Jahr 1951 gesteckte Ziel, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues mindestens 300 000 Wohnungen zu bauen, zu erreichen. Wenn wir das schaffen, haben wir unserem Volke und der Freiheit den besten Dienst erwiesen.
({9})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es liegt eine Verabredung im Ältestenrat vor, daß die grundsätzliche Aussprache über die Haushalte der Bundesministerien erst bei der dritten Lesung erfolgen soll; jedenfalls bin ich so unterrichtet worden. Ich werde mich deswegen auf einige Stichworte aus der Debatte beschränken; die Feuerprobe habe ich also erst in der dritten Lesung zu bestehen.
Ich bin Herrn Abgeordneten Albers dankbar für seinen Hinweis darauf, daß der Wohnungsbau des Jahres 1950/51 eine gemeinsame Leistung der
Nation darstellt. Aber ich möchte auch betonen, daß es sich um eine gemeinsame Leistung aller Parteien des Bundestages handelt, sowohl im Plenum wie insbesondere im Wohnungsbauausschuß, in dem sehr hart, aber in wirklicher Gemeinschaft gearbeitet wird. Wenn ich mir selber ein Verdienst zuschreibe, so ist es vielleicht das, diese Leistung der Nation nicht wesentlich gehindert zu haben.
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- Man soll bescheiden sein!
({1})
Ich bin für viele Anregungen, wie sie in der Debatte die Kollegen Leuchtgens und Preusker gegeben haben, sehr dankbar, kann ihnen aber im einzelnen jetzt nicht nachgehen. Die grundsätzlichen Fragen, die Herr Kollege Erler hinsichtlich der gesamten Haushaltsgebarung angeschnitten hat, Fragen, die gar nicht mein Haus allein betreffen, werden ja wohl an anderer Stelle und zu anderem Zeitpunkt erörtert werden.
Vielleicht darf ich aber eine kurze Bemerkung zu dem Titel „Sachverständige" machen. Ich habe bewußt den Beamtenstab meines Hauses sehr klein gehalten unter der Voraussetzung, daß ich manche Frage an Sachverständige hinausgeben kann. Im übrigen liegt dem Wohnungsbauausschuß - und ich glaube, auch dem Haushaltsausschuß - schon eine Liste darüber vor, wer mit welchem Auftrag betraut war und welche Summe er dafür bekommen hat.
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- Danke schön!
Das Amt Bundeszone ist mir zugewachsen. Ich habe hier eine Erbschaft übernommen, die ich so redlich wie möglich verwalte. Ich habe auch aus der Debatte nicht den Eindruck gewonnen, daß Beanstandungen gegen das Amt Bundeszone vorliegen. Die hier gegebene Anregung, daß das Ministerium wohl richtigerweise das Amt mit den Restaufgaben, die es hat, übernehmen wird, werde ich sehr gern aufnehmen.
Es ist dann die Frage der Baukonferenzen angeschnitten worden. Ich muß zugeben, daß diese Zusammenfassung der öffentlichen Auftraggeber des Baues etwas langsam in Gang gekommen ist. Auf der Bundesebene funktioniert sie recht gut. Aber auch auf der Länderebene kommt die Sache jetzt in Gang. Ich bitte den Bundestag, nicht zu übersehen, daß ich keinerlei Weisungsrecht habe, sondern in diesen Fragen nur mit Überredung, durch den immer wiederholten Hinweis arbeiten kann, daß diese Dinge wirklich zweckmäßig und verständig sind.
Das Gesetz über Baulandbeschaffung ist von den Kollegen Erler und Albers als sehr wichtig bezeichnet worden. Es ist gar kein Zweifel, daß der Wiederaufbau der alten Städte von dem Enteignungsrecht abhängig ist, das in die Hand der Planung kommen muß. Das Gesetz, das auf eine Anregung des Bundestags zurückgeht, hat sich in der Vorbehandlung, auch in der Behandlung im Bundesrat als ungewöhnlich schwierig erwiesen. In der nächsten oder übernächsten Sitzung wird es aber vom Bundesrat verabschiedet und dann dem Bundestag in der neugewonnenen Fassung vorgelegt werden.
({3})
Der Wohnungswirtschaftliche Beirat, den ich bei meinem Ministerium geschaffen habe, unterscheidet sich von anderen Beiräten vielleicht dadurch, daß er nicht nur die Wissenschaft zu Wort kommen läßt, sondern daß er auch die Praxis, d. h. anerkannte Praktiker des Wohnungswesens, einbezogen hat. Ich glaube, das hat sich bei den paar Gutachten, die bisher erstellt worden sind, bewährt. Zur Arbeitsweise des Beirats darf ich sagen, daß er nur bestimmte Fragen, die ihm vom Bundesminister für Wohnungsbau gestellt werden, zu beantworten oder dazu Stellung zu nehmen hat.
Nun ein außerordentlich beliebtes Thema: die Schlichtwohnung. Meine Damen und Herren, die Schlichtwohnung habe ich nicht erfunden; den Ausdruck habe ich nie gebraucht. Es handelt sich für mich um etwas ganz anderes. Die amtliche Sprachregelung spricht von Aufbauwohnungen; das trifft den Sinn viel richtiger. Es handelt sich doch darum, wie wir, ohne an den Standard des sozialen Wohnungsbaus zu rühren - wir wollen im Gegenteil den Standard des sozialen Wohnungsbaus für immer festlegen -, unter zeitlich und örtlich bedingten Notlagen zu Lösungen kommen, die uns für die Zukunft keinen Weg verbauen. Ich bin mit den Kollegen Albers und Erler vollkommen einverstanden: Wir sind viel zu arm, um uns mit Provisorien und mit Bruch abgeben zu können. Aber ich darf die Kollegen Albers und Erler vielleicht bitten, sich in Duisburg, in Bremen oder in Frankfurt Lösungen anzusehen, bei denen man zum Teil ganz neue Wege beschritten hat. Es lohnt, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Ich glaube, Sie werden mir dann zustimmen, daß wir alle mit den Lösungen, die jetzt versucht werden und der Initiative der Städte und namentlich der Länder zu verdanken sind, einverstanden sein können.
({4})
- Nein, nein, Primitivwohnungen sind es sicher nicht; ich bin selbst sehr dagegen.
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- Ich habe es nicht erfunden; ich weiß nicht, wer es mir angehängt hat.
Eine Frage, die mehrfach berührt wurde, ist die Mieterhöhung für Altwohnungen, eventuell auch für die Wohnungen, die zwischen den Kriegen erstellt worden sind. Diese Frage wird zur Zeit von meinem Ressort und zwischen den Bundesressorts geprüft. Sie wird Ihnen nur in einem sehr großen Rahmen vorgelegt werden, in dem die Ausführungen der Kollegen Erler und Albers sicher weitgehend Berücksichtigung finden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1915 zugrunde. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses für den Einzelplan XIV zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Ausschußantrag angenommen.
Wir kommen zu Punkt 6 b:
Einzelplan XVII - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates ({0}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Frühwald.
Frühwald ({1}), Berichterstatter: Der Haushaltsausschuß hat in seiner 97. Sitzung am 8. Februar 1951 den Einzelplan XVII - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates - beraten. Das Ergebnis der Beratung liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 1918 vor.
Der Herr Bundesminister Hellwege gab zunächst einen Überblick über den Aufbau und die Aufgaben seines Ministeriums. Anschließend erklärte Herr Abgeordneter Erler, daß die SPD dem vorliegenden Haushalt aus den bekannten Gründen ihre Zustimmung nicht erteilen kann.
Bei der Beratung über den Organisations- und Stellenplan kam es zu einer längeren Debatte über die Frage „parlamentarischer Staatssekretär". Herr Bundesminister Hellwege erklärte, daß, wie allgemein bekannt, die Stelle des Staatssekretärs nicht besetzt ist und die Geschäfte von Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz ehrenamtlich geführt werden. Die allgemeine Auffassung des Ausschusses war, daß die derzeitige Regelung unerwünscht ist. Er ersucht daher die Bundesregierung, baldmöglichst die rechtliche Stellung eines Abgeordneten, wie sie hier gegeben ist, klarzustellen.
Das Bundesministerium hat nur koordinierende Aufgaben und wurde im laufenden Etatsjahr erst ausgebaut. Die Zahl der Beamten hat sich von acht im Jahre 1949 auf 16 im Etatsjahr 1950 erhöht. Eine A-1-,b-Stelle wurde in eine A-1-a-Stelle gehoben. Neu sind folgende Stellen: Eine Stelle A 2 b, zwei Stellen A 2 c 2, eine Stelle A 3 b, zwei Stellen A 4 b 1, eine Stelle A 4 c 2, eine Stelle A 4 e. Die Schaffung der gehobenen Stellen des mittleren Dienstes war notwendig, um dem Ministerium einen Unterbau zu geben. Die Stellen für Angestellte haben sich von 19 auf 18 vermindert.
Anträge des Herrn Abgeordneten Erler, die neu geschaffenen Stellen zu streichen, wurden abgelehnt, desgleichen ein Antrag Erler auf Streichung der Stelle des Referenten beim Staatssekretär. Es wurde beschlossen, bei der Zentralabteilung hinter dem Wort „Leiter" die Bezeichnung „Ministerialrat" - die Stelle ist zur Zeit nicht besetzt - zu streichen und dafür einzusetzen „wird zur Zeit vom persönlichen Referenten des Ministers wahrgenommen".
Der Ausschuß tritt dann in die Beratung des vorliegenden Einzelplanes ein. Die Einnahmen werden von 8500 DM auf 1300 DM herabgesetzt. Bei den Ausgaben wird durch Herabsetzung der einzelnen Titel, zum größten Teil auf Vorschlag des Haushaltsreferenten des Ministeriums, eine Kürzung von insgesamt 38 100 DM vorgenommen. Die näheren Einzelheiten sind aus der Vorlage - Nr. 1918 der Drucksachen - ersichtlich.
Eine längere Aussprache ergab sich zu Tit. 20, „Kosten für Sachverständige", mit einem Ansatz von 6000 DM in der Regierungsvorlage. Die Aussprache dauerte hier so lange wie zu allen übrigen Titeln insgesamt. Herr Abgeordneter Erler kritisierte die Ausweitung der Sachverständigengutachten im allgemeinen und bei diesem Einzelplan im besonderen. Bei den hier vorliegenden speziellen verfassungsrechtlichen Fragen sei auch das Justizministerium und das Innenministerium für gutachtliche Stellungnahmen heranzuziehen. Er kritisierte insbesondere eine Aufstellung noch vorhandener Aufträge an Sachverständige in Fragen, für die nach seiner Auffassung das Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates
({2})
nicht zuständig sei. Der Ansatz wurde durch einstimmigen Beschluß von 6000 DM auf 3000 DM gekürzt.
Die einmaligen Ausgaben unter Kapitel E 11 Tit. 1 bis 4 mit. einem Ansatz von insgesamt 9000 DM wurden genehmigt.
Der Ausschuß beantragt, dem Einzelplan XVII - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats - für das Rechnungsjahr 1950 mit den aus der Drucksache Nr. 1918 ersichtlichen Änderungen von Einzelpositionen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zur Aussprache. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bärsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits in den vorjährigen Haushaltsberatungen unsere Meinung über dieses Ministerium sehr klar und sehr eindeutig zum Ausdruck gebracht und haben festgestellt, daß wir das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrates für überflüssig halten. Damals sah sich der Herr Kollege Dr. Seelos von der Bayernpartei veranlaßt, den Zwischenruf zu machen: „Unterschätzen Sie die Bedeutung dieses Ministeriums nicht!" - Nun, wir haben heute die Möglichkeit, auf ein vergangenes Jahr Tätigkeit oder auch Untätigkeit des Ministeriums zurückzublicken.
({0})
Ich glaube kaum, daß ich auf ernsthaften Widerspruch in diesem Hause stoße, wenn ich feststelle, daß sich die Befürchtung des Herrn Kollegen Dr. Seelos in der Tat nicht bestätigt hat. Ich habe mir die Mühe gemacht - und es war meine schwere Aufgabe -, die Tätigkeit des Ministeriums aufzuspüren.
({1})
Ich habe zu diesem Zweck die Bundestagsprotokolle des gesamten letzten Jahres durchgeblättert und festgestellt, daß dieses Ministerium oder der Herr Bundesminister nicht ein einziges Mal hier in Erscheinung getreten ist.
({2})
Ich glaube, selbst wir Sozialdemokraten hätten, als wir im vorigen Jahre die Prophezeiung machten, daß dieses Ministerium wohl nur ein einziges Mal im Jahre, nämlich zu den Haushaltsberatungen, in Erscheinung treten würde, nicht geglaubt, daß der Herr Bundesminister mit dieser Prophezeiung so blutig Ernst machen würde.
({3})
Man muß sich in der Tat einmal die Frage vorlegen: worin besteht überhaupt und eigentlich die Tätigkeit dieses Ministeriums?
({4})
Es hat offensichtlich keine administrativen Aufgaben, tritt aber auch nicht legislativ in Erscheinung. Ich habe dann, um dem Ministerium die
größtmögliche Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, zusätzlich die Protokolle des Bundesrats durchgesehen und dabei festgestellt, daß dort im Bundesrat im letzten Jahre einschließlich der zwei Monate dieses Jahres der Herr Minister ganze drei Mal das Wort ergriffen hat. Dabei hat er einmal festgestellt, daß er dem Herrn Bundeskanzler die Wünsche der Ländervertreter überbringen will, und das andere Mal , überbrachte er umgekehrt den Ländern eine Botschaft des Herrn Bundeskanzlers.
({5})
Wir haben auch im Haushaltsausschuß den Herrn Minister etwas näher befragt, worin denn die Tätigkeit seines Ministeriums bestehe und womit er insbesondere die beantragte Vermehrung der Stellen begründen wolle. Daraufhin hat der Herr Minister auf die außerordentlich starke Beschäftigung seiner Referenten hingewiesen,
({6})
die fast alle Ausschußsitzungen besuchen müßten, um ihm darüber zu berichten.
({7})
Er hat weiter gesagt, daß seine Tätigkeit auch sehr wesentlich darin bestehe, die Stellungnahme der Länder zu den gesetzgeberischen Absichten der Bundesregierung zu erforschen.
({8})
Dazu möchte ich meinen, daß man die Meinungsforschung, wie sie hier von seiten des Herrn Bundesministers getrieben wird, doch mit etwas zuviel Aufwand betreibt, wenn man zu diesem Zwecke ein eigenes Bundesministerium einrichtet.
({9})
Ich habe mir dann verzweifelt überlegt, wie nun eigentlich die Funktion des Herrn Bundesministers einigermaßen klar und eindeutig gekennzeichnet werden könnte, und bin schließlich zu der Überzeugung gelangt, daß man ihn am ehesten als eine Art Botschafter der Bundesregierung für die Länder ansprechen kann. Wir wollen es dem Herrn Bundeskanzler gewiß nicht verübeln, wenn er glaubt, eines solchen Botschafters zu bedürfen. Aber der Herr Bundeskanzler sollte dann vielleicht von einer alten traditionellen Institution Gebrauch machen und diesen Minister als einen Minister ohne Portefeuille in sein Kabinett nehmen. Er sollte aber unter keinen Umständen zu diesem Zweck ein 'eigenes Ministerium weiterbestehen lassen. Denn wenn man auch einerseits die Untätigkeit des Ministeriums beklagt, so hat sie vielleicht auf der andern Seite .insofern einen Vorteil, als das Ministerium jetzt noch beseitigt werden kann, ohne daß es nennenswerte Spuren seiner Tätigkeit in der Geschichte hinterläßt.
({10})
Das besonders Bedauerliche, worauf wir bereits im vorigen Jahre hingewiesen haben, ist nun darin zu erblicken, daß gerade dieses Ministerium eine Stellenvermehrung um 1000/0 der Planstellen fordert.
({11})
Ich glaube, der Herr Bundeskanzler sollte bereit
sein; seinen Irrtum 'einzusehen und zu korrigieren,
und zwar ganz besonders deshalb, weil er ja ge({12})
rade in den letzten Monaten sehr hohe Preise für politische Irrtümer hat zahlen müssen.
({13})
Der Bundeskanzler hat damals in seiner Regierungserklärung dem Ministerium die Aufgabe zugewiesen, daß es für die Wahrung der engen Verbindung mit dem Bundesrat Sorge tragen solle. In der Errichtung dieses Ministeriums solle der ernste Wille der Bundesregierung erblickt werden, den föderativen Charakter des Grundgesetzes sicherzustellen.
({14})
Wenn wir unter dem Gesichtspunkt der damaligen Proklamation die jetzige tatsächliche Wirksamkeit und Tätigkeit des Ministeriums überprüfen, dann scheint uns doch damals der Mund etwas .zu voll genommen worden zu sein. Es ist kaum anzunehmen, daß die wirklichen großen Probleme und die daraus resultierenden Aufgaben, die die föderalistische Staatsidee der Bundesregierung stellt, durch solche organisatorisch-technische Maßnahmen gelöst werden können. Man kann solche politische Probleme nicht mit organisatorisch-technischen Kunstgriffen lösen wollen, wie es mit diesem Ministerium als einem künstlichen Gelenk zwischen den verfassungsrechtlichen Institutionen geschehen sollte. Ich glaube, daß die außerordentlichen Belastungen der föderalistischen Staatsidee unseres Grundgesetzes doch wesentlich tieferer Natur sind. Diese Krisis des Föderalismus liegt einmal begründet in dem mangelnden Vertrauen der Länder zur Politik der Bundesregierung. Wir haben dieses mangelnde Vertrauen in den Auseinandersetzungen der Bundesregierung mit den Ländern in der Frage 'der inneren Sicherheit kennengelernt, wo es der Bundesregierung nicht gelang, die Länder auf einen tragbaren Nenner zu bringen. Wir haben schließlich gerade in den allerletzten Tagen einen sehr eklatanten Beweis für dieses mangelnde Vertrauen der Länder in die Politik der Bundesregierung durch den württembergisch-badischen Ministerpräsidenten Maier erhalten, der kein Sozialdemokrat, sondern ein Angehöriger der Freien Demokraten ist.
({15})
Zum andern, glaube ich, liegen diese Spannungen auch darin . begründet, daß die Bundesregierung nur zu häufig und zu gern ihre Politik auf dem Rücken der Länder macht. Man ist sich offenbar hier in Bonn nicht immer bewußt, daß das, was hier geschieht oder auch verabsäumt wird, letzten Endes von. den Ländern ausgetragen werden muß. Das hat sich damals in der Zuckerkrise, das hat sich Ende vorigen Jahres - und zum Teil heute noch bestehend - in der Kohlenkrise gezeigt, wo die Fehler einer allzu dogmatischen Wirtschaftspolitik letzten Endes den Ländern die großen Schwierigkeiten gemacht haben.
Wir glauben also, daß das Bekenntnis des Herrn Bundeskanzlers zum Föderalismus zu anderen, einschneidenderen und grundlegenderen politischen Maßnahmen zwingt als zur Organisation dieses Ministeriums, und würden der Meinung sein, daß der Herr Bundeskanzler gut beraten wäre, wenn er jetzt noch - es scheint noch Zeit zu sein - diesen überflüssigen ministeriellen Apparat auflöste. Ich habe Ihnen deshalb namens meiner Fraktion den Antrag vorzulegen, den Haushalt des Ministeriums insgesamt abzulehnen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat den Antrag seiner Partei angekündigt, den Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates, den wir heute beraten, abzulehnen. Ich möchte erklären, daß meine Fraktion sich nicht in der Lage sieht, diesem Antrag zuzustimmen. Die Gründe, die der Herr Vorredner für seinen Antrag angeführt hat, können wir nicht teilen. Es waren sehr gute und wohlüberlegte Gründe, die seinerzeit dazu geführt haben, dieses Ministerium zu schaffen. Das Wesen und der Kern des Grundgesetzes, das für uns maßgebend und bestimmend ist, ist der Föderalismus, d. h. die Achtung und der Respekt vor dem Andersartigen. Das Grundgesetz lehnt einen starren Zentralismus ab und fordert von uns die Achtung und Respektierung der Länder. Das Ministerium, über dessen Haushalt wir heute beraten, hat die besondere Aufgabe, eine gute Verbindung, ein. gutes Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern herzustellen. Der Bundesminister für die Angelegenheiten des Bundesrats soll ein guter und ehrlicher Makler zwischen Bund und Ländern sein. Wir glauben, daß er in der Erfüllung dieser Aufgabe im letzten Jahr uns allen einen wesentlichen Dienst .geleistet hat.
({0})
Wir wünschen, daß der Minister für die Angelegenheiten des Bundesrats diesen Dienst fortsetzt, und er wird bei der Erfüllung dieser Dienstaufgabe unsere Unterstützung haben.
({1})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung der zweiten Beratung.
({0})
- Ich verstehe Ihren Zwischenruf nicht, Herr Abgeordneter Heiland.
({1})
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses in Drucksache Nr. 1918, den Einzelplan XVII mit den Änderungen, die aus der Drucksache ersichtlich sind, anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 c der Tagesordnung:
Einzelplan XX - Haushalt des Bundesrecnnungshofes ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Redezeit von 40 Minuten vor.
Ich bitte den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling, das Wort zu nehmen.
Dr. Wuermeling ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe Ihnen über die Vorschläge des Haushaltsausschusses zum Haushaltsplan Nr. XX, Bundesrechnungshof, kurz Bericht zu erstatten.
Der Bundesrechnungshof ist eine Behörde, die in der Öffentlichkeit im allgemeinen sehr geringem Interesse begegnet, die aber doch für . die Verwaltung und das Parlament nicht nur durch ihre Tätigkeit als unabhängige Kontroll- und Prüfungsbehörde, sondern auch durch ihre Sachverständigengutachteneine bedeutsame, ja in einem demokratischen Staat geradezu unentbehrliche Funktion erfüllt. Es scheint mir nicht meine Aufgabe zu sein, jetzt den Aufgabenkreis des Bundesrechnungshofes des näheren zu umreißen. Aber wir haben uns im Haushaltsausschuß erneut davon überzeugt, daß der Aufgabenkreis des Rechnungshofes so umfangreich ist, daß ein erheblicher Personalbestand nicht entbehrt werden kann, ein Personalbestand, der nicht nur wesentlich größer ist als der des Rechnungshofes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, sondern auch den des früheren Rechnungshofes des Deutschen Reiches-1932- wesentlich übersteigt. Dieses Personal wird notwendig infolge zahlreicher neuer Aufgaben, die der Bundesrechnungshof durch die Gestaltung der Dinge im letzten Haushaltsjahr übernommen hat. Insgesamt handelt es sich um 321 Stellen, die wir zu bewilligen vorschlagen, und zwar Stellen für 215 Beamte, 20 beamtete Hilfskräfte, 53 Angestellte und 33 Arbeiter. Der Bundesrat hatte den Vorschlag gemacht. 19 Beamtenstellen zu streichen. Der Haushaltsausschuß konnte diesem Vorschlag nicht folgen, weil nach genauer Beratung des Geschäftsverteilungsplanes die von der Bundesregierung vorgeschlagene Zahl von Beamten für unbedingt erforderlich gehalten werden mußte. Es wurde lediglich entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats eine Angestelltenstelle nach TOA I, die neu geschaffen werden sollte, im Einvernehmen mit der Bundesregierung gestrichen.
Im übrigen, meine Damen und Herren, hat der Ausschuß an den Ziffern, die in dem vorgelegten Haushaltsplan enthalten waren, eine Anzahl von Änderungen vorgenommen, die im wesentlichen dadurch bedingt waren, daß wir im Hinblick auf den bereits weitgehend erfolgten Ablauf des Haushaltsjahres den Bedarf klarer übersehen konnten. Insgesamt ist eine Zuschußminderung von 261 900 DM zu verzeichnen, so daß der Zuschuß der Finanzverwaltung jetzt statt 4 101 500 DM nur noch 3 839 600 DM beträgt. Die Position, bei der die wesentlichste Kürzung hat erfolgen können, sind die Trennungsentschädigungen, die um mehr als 200 000 DM herabgesetzt werden konnten.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß ich damit das Wesentliche aus den Beratungen des Haushaltsausschusses dargelegt habe. Ich möchte Ihnen abschließend vorschlagen, den Haushaltsplan des Bundesrechnungshofes mit den Ziffern der Drucksache Nr. 1919 zu genehmigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Ich sehe keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung der zweiten Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 1919. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses entsprechend den Haushalt des Bundesrechnungshofes mit den Änderungen, die aus der Drucksache hervorgehen, annehmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Der Bundesrechnungshof erfreut sich allgemeinen Vertrauens.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0})
- ich versuche im Augenblick, den Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Mende, zu sehen; es gelingt mir nicht, ich höre aber, er ist unterwegs; ich werde also weitersprechen betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Strauß gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 17. Januar 1951 ({1}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Mende, der in diesem Augenblick den Saal betreten hat. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Mende ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität lag ein Schreiben des Herrn Bundesjustizministers vom 17. Januar 1951 vor des Inhalts, über die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Franz Joseph Strauß zu befinden.
Nach einem Bericht des Herrn Oberstaatsanwalts in Bonn hat der Bundestagsabgeordnete Otto Arnholz Strafanzeige gegen den Abgeordneten Strauß wegen übler Nachrede gestellt. Abgeordneter Strauß hatte in Erwiderung scharfer Angriffe des Abgeordneten Arnholz gegen den Herrn Bundeskanzler und den früheren Herrn Bundestagspräsidenten in einer Braunschweiger Versammlung in noch schärferer Form gegen den Abgeordneten Arnholz Stellung genommen und dabei nach der Auffassung des Herrn Oberstaatsanwalts möglicherweise den Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 und § 186 StGB verwirklicht.
Der Ausschuß beschloß einstimmig, die Aufhebung der Immunität abzulehnen, da es sich im vorliegenden Falle um eine Beleidigung politischen Charakters handelt, bei der das Haus grundsätzlich ablehnt, die Strafverfolgung freizugeben. Ich darf Sie im Namen des Ausschusses bitten, in diesem Sinne zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache.' - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1951. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dem Antrag ist einstimmig stattgegeben.
Meine 'Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages, die