Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 119. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte zunächst um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Wagner, Leddin, von Knoeringen, Eickhoff, Loibl, für drei Tage den Abgeordneten Ruhnke, Neuburger Reitzner. Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach Frau Dr. Ilk, und zwar für zehn Tage wegen Krankheit.
Widersnruch gegen dieses Urlaubsgesuch erfolgt nicht. Der Urlaub ist damit genehmigt.
Entschuldigt sind ferner die Abgeordneten Freitag, Dr. Dresbach, Jacobs, Juncker, Richter ({0}), Kunze, Dr. Henle, Gockeln, Dr. Seelos, Parzinger, Volkholz, Dr. Wenzel, Dr. Pferdmenges, Görlinger, Eichler, Dr. Bucerius und Böhm.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Aufgabe, zweier Toten zu gedenken.
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Am 16. Februar ist der Erste Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herr Dr. Hans Böckler, aus diesem Leben abgerufen worden. Ich habe namens des Deutschen Bundestages an der Trauerfeier teilgenommen und habe dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Familie des Verstorbenen das Beileid des Deutschen Bundestages zum Ausdruck gebracht.
Meine Damen und Herren, es bedarf in diesem Kreise keines besonderen Hinweises auf die Bedeutung, die Hans Böckler für das Leben der deutschen Gewerkschaften und des deutschen Volkes gewonnen hat. Ich empfinde es als ein besonderes Zusammentreffen, daß er abgerufen wurde in der Woche, in der der Entwurf des Gesetzes über das Mitbestimmungsrecht in diesem Hause in erster Lesung behandelt worden ist. Wir alle gedenken dieses Menschen und dieses Führers der deutschen Gewerkschaftsbewegung in Trauer. Ich wünsche der deutschen Gewerkschaftsbewegung, daß ihr immer wieder Männer von gleicher Uneigennützigkeit, Arbeitsfreude, Lauterkeit der Gesinnung und gleichem Verantwortungsbewußtsein für die deutsche Arbeiterschaft und für das ganze deutsche Volk geschenkt werden.
Ich habe weiter der Tatsache zu gedenken, meine Damen und Herren, daß wieder einmal ein Abgeordneter dieses Hauses, der Abgeordnete Karl Rüdiger, durch einen Autounfall tödlich verunglückt und aus unserem Kreise geschieden ist. Sie kennen den Herrn Kollegen Rüdiger aus seiner Tätigkeit in der Fraktion der Freien Demokratischen Partei, im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im Ausschuß für Verkehrswesen. Herr Abgeordneter Rüdiger ist 1896 geboren. Er hat den väterlichen Hof in Oxhausen in Hessen bewirtschaftet und, nachdem er ihn nach 1933 verloren hat, das Gut Mühlenhof übernommen, das er bis zu seinem Tode bewirtschaftet hat. Er hat auch früher bereits eine vielseitige politische Tätigkeit, darunter im Kreisausschuß in Kassel ausgeübt. Er war Mitglied des Vorstandes der Freien Demokratischen Partei. Wir gedenken seiner und seiner Familie mit Dank für die Arbeit, die er in unserem Kreise geleistet hat.
Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren des verstorbenen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Hans Böckler, und des Herrn Abgeordneten Rüdiger von Ihren Plätzen erhoben. Ich stelle das fest und danke Ihnen.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({1}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Ermittlungen über noch nicht heimgekehrte deutsche Kriegsgefangene ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier.
b) Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Wehner, Dr. Pfleiderer, Dr. von Merkatz und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sammlung von Nachrichten über Kriegsgefangene, festgehaltene oder verschleppte Zivilpersonen und Vermißte ({3}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Dr. Gerstenmaier ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Hohe Haus und die Bundesregierung haben sich, seitdem sie nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland die Verantwortung für das Geschick der Nation übernommen haben, in fortgesetzten Bemühungen dafür eingesetzt, daß die deutschen Kriegsgefangenen und darüber hinaus andere gewaltsam festgehaltene Deutsche im Ausland in ihre Heimat zurückgeführt werden. Es liegen Ihnen heute ein Antrag des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und ein Initiativgesetzentwurf vor. Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, zur Begründung dieser beiden Ihnen vorliegenden Anträge auf folgendes hinzuweisen:
Die Regierungen Großbritanniens, der Vereinigten Staaten und Frankreichs haben am 14. Juli 1950 eine Protestnote an die Regierung der Sowjetunion gerichtet. Die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Australiens haben darüber hinaus über ihre Delegationen bei den Vereinten Nationen den Antrag eingebracht, erstens darauf hinzuwirken, daß die noch immer festgehaltenen deutschen und japanischen Kriegsgefangenen beschleunigt in ihre Heimat entlassen werden, und zweitens eine internationale Kommission zu bestellen, die in den bisherigen Gewahrsamsländern Kontrollen bzw. Nachforschungen über die erfolgte Entlassung dieser Gefangenen anstellen soll. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat auf diese Anträge hin am 14. Dezember 1950 beschlossen, erstens:
alle Regierungen, unter deren Kontrolle sich noch Kriegsgefangene befinden, aufzufordern, gemäß den anerkannten Maßstäben des internationalen Verhaltens und den internationalen Abkommen und Abmachungen vorzugehen, die es zur Forderung erheben, daß bei Einstellung der aktiven Feindseligkeiten alle Gefangenen in kürzester Frist uneingeschränkt die Möglichkeit zur Rückkehr in die Heimat erhalten sollten. Zu diesem Zweck müssen bis zum 30. April 1951 veröffentlicht und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt werden:
a) die Namen der noch zurückgehaltenen' Kriegsgefangenen, die Gründe für ihre fortgesetzte Haft und die Orte, an denen sie in Haft gehalten werden;
b) die Namen der Kriegsgefangenen, die unter ihrer Kontrolle gestorben sind, sowie Zeitpunkt und Ursache des Todes und in jedem Falle Art und Ort des Begräbnisses.
Die Entschließung der Generalversammlung der Vereinten Nationen fordert weiter die Bestellung eines ad-hoc-Ausschusses, der die Kriegsgefangenen
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frage - ich zitiere - „rein menschlich und zu allen betroffenen Regierungen annehmbaren Bedingungen regeln" soll. Schließlich hat die Generalversammlung festgestellt, daß dieser ad-hoc-Ausschuß nach dem 30. April 1951 zusammentreten soll, um die eingegangenen Auskünfte der betroffenen Regierungen „zu prüfen und zu werten". Falls diese Antworten unzureichend seien, solle die Generalversammlung folgendes tun. Sie ersucht dann den Ausschuß, die betreffenden Regierungen oder Behörden um lückenlose Auskünfte über diese Kriegsgefangenen zu bitten; sie ersucht den Ausschuß, „allen Regierungen und Behörden, die dies wünschen, bei den Vorbereitungen und Erleichterungen für die Heimkehr dieser Kriegsgefangenen behilflich zu sein"; sie ermächtigt diesen Ausschuß, „die guten Dienste jeder sachlich befähigten und unparteiischen Persönlichkeit oder Organisation in Anspruch zu nehmen, welche seiner Auffassung nach die Rückkehr solcher Gefangenen in die Heimat fördern oder über ihren Verbleib Auskunft erteilen könnte"; sie ersucht schließlich alle in Frage kommenden Regierungen und Behörden dringend „um volle Zusammenarbeit mit dem Ausschuß, um Erteilung aller erforderlichen Auskünfte und das Recht der Einreise in die betreffenden Länder und Gebiete, in denen sich diese Kriegsgefangenen in Haft befinden"; und sie ersucht den Generalsekretär, „dem Ausschuß das für die erfolgreiche Durchführung seiner Aufgaben erforderliche Personal usw. zur Verfügung zu stellen."
Meine Damen und Herren, dieser Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen bildet den Hintergrund, auf dem die vorliegenden Anträge verstanden werden möchten. Diese Anträge fordern den größten erreichbaren deutschen Beitrag für die positive Lösung der dem ad-hocAusschuß der Vereinten Nationen zur friedlichen Lösung der Kriegsgefangenenfrage gestellten Aufgabe. Dazu ist nach der Überzeugung des Ausschusses folgendes unerläßlich: erstens die straffe Zusammenfassung aller mit Kriegsgefangenenfragen befaßten Dienststellen und Behörden des Bundes. Deshalb ist hier der Vorschlag gemacht worden, die Rechtsabteilung der Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten mit allen Vollmachten und Mitteln auszustatten, die erforderlich sind, um eine wirksame Zusammenarbeit und einen maximalen Erfolg zu garantieren. Zweitens soll eine Gesamtaufstellung in vier umfassenden Kategorien angefertigt werden. Die vier Kategorien sind hier niedergelegt. Sie umfassen die Kriegsgefangenen und die verurteilten Kriegsgefangenen; sie umfassen die festgehaltenen und die verurteilten Zivilpersonen; sie umfassen die verschleppten Zivilpersonen; sie umfassen schließlich die Wehrmachtvermißten und vermißten Zivilpersonen. Wir sind der Meinung, daß diese Kategorien im wesentlichen die Kreise umfassen, denen unsere Fürsorge und unsere Bemühungen sowohl von deutscher wie von internationaler Seite gelten müssen.
Schließlich möchte der Ausschuß alles tun und die Zustimmung dieses Hauses dafür erbitten, daß die rasche und erschöpfende Zusammenarbeit mit den freien Organisationen, mit den Behörden und Privatpersonen, die von deutscher Seite zu der Lösung des Problems irgendeinen Beitrag zu leisten vermögen, erfolgt und daß sie wirkungsvoll erfolgt. Deshalb hat sich der Ausschuß entschlossen, Ihnen nicht nur den von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands unter der Drucksache Nr. 1823 eingebrachten Antrag in der Fassung des Ausschusses - Drucksache Nr. 1931 - zur Annahme zu empfehlen, sondern er hat nach sorgsamer Beratung auch dem Wunsch Ausdruck gegeben, daß dem Hohen Hause ein Initiativgesetzentwurf vorgelegt werden soll, der alles enthält, was heute noch von deutscher Seite geschehen kann, um mit einem Gesetz diese Aufgabe, soweit sie in deutscher Hand ist, zu fördern.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich sagen, daß dieser Initiativgesetzentwurf nicht irgendeinem Mißtrauen' oder einem Vorbehalt gegenüber der höchst verdienstvollen seitherigen Arbeit der freien Organisationen entsprungen ist, daß dieser Gesetzentwurf auch nicht der Meinung entsprungen ist, daß die Mitarbeit des deutschen Volkes an dieser Aufgabe unzureichend wäre. Dieser Gesetzentwurf ist Ihnen heute vielmehr als eine Willensäußerung der Nation vorgelegt. Wir möchten, daß in dieser Frage jede willkürliche Hemmung, worin sie auch immer bestehen könnte, ausgeschaltet wird und daß unter Ausschaltung jeder willkürlichen Hemmung mit einem hohen Maß von Energie und Zusammenarbeit die Kriegsgefangenen- und die Verschlepptenfrage einer endgültigen Lösung zugeführt wird.
Meine Damen und Herren, in unserer Hand liegt bei dieser definitiven Lösung vielleicht nicht viel. Aber alles, was in unserer Hand ist, das Wenige, was wir zu tun vermögen, soll und muß geschehen, und es muß mit Dringlichkeit geschehen. Ich glaube, wir alle stimmen darin überein, daß es sich hier nicht um Sachen sondern um Menschen handelt, die, wo sie auch immer sein mögen, der Solidarität, ja der Liebe der Nation innesein sollen.
Deshalb, meine Damen und Herren, empfiehlt Ihnen der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten erstens die Annahme des Ihnen vorliegenden Antrages der Fraktion der SPD. Drucksache Nr. 1823, in der Gestalt des Ausschußbeschlusses Drucksache Nr. 1931 und zweitens die unverzügliche Verabschiedung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 1932.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache über den Antrag des Ausschusses Nr. 1931 der Drucksachen und die Besprechung in der ersten Beratung des Gesetzentwurfes Nr. 1932 der Drucksachen.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister für Vertriebene.
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- Nicht so gehässig sein, Herr Renner!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Sozialdemokratischen Partei wird von mir begrüßt, weil er die Möglichkeit gibt, über den augenblicklichen Stand der Arbeiten über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen, Zivilverschleppten und vermißten Wehrmachtsangehörigen einen Überblick zu geben.
Am Beginn dieser Arbeit stand die staatliche Registrierung der Kriegsgefangenen und Vermißten im März 1950. In den Jahren vor dem Bestehen der Bundesregierung hatten die Verbände der freien Wohlfahrtspflege und andere Organisationen bereits ein erhebliches Material über die Kriegsge({0})
fangenschaft in den einzelnen Gewahrsamsstaaten zusammengetragen. Ferner hatte das Deutsche Friedensbüro im Auftrage des Länderrats des amerikanischen Besatzungsgebietes wertvollste Vorarbeit geleistet. Den beteiligten Organisationen gebührt besonderer Dank für diese eingehenden und wertvollen Arbeiten.
Es gilt nun, die Ergebnisse der staatlichen Registrierung vom März 1950 mit den bereits von anderer Seite geleisteten Arbeiten in Zusammenhang zu bringen, um ein möglichst vollständiges Gesamtbild über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen, Zivilinternierten und Vermißten des letzten Krieges zu erhalten. Unter der Federführung des Bundesministers für Vertriebene wurden diese Arbeiten nach dem Abschluß der Registrierung alsbald in Angriff genommen. Sie waren zunächst für die allgemeine Dokumentation des Schicksals der Kriegsgefangenen und Vermißten gedacht. Sie mußten jedoch unter besonderen Gesichtspunkten weitergeführt werden, als die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Australiens beantragten, die Frage der Kriegsgefangenen auf die Tagesordnung der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu setzen. Tatsächlich hat dann auch die Vollversammlung der UN am 14. Dezember 1950 Maßnahmen für die friedliche Lösung des Kriegsgefangenenproblems beschlossen. Alle Regierungen, unter deren Kontrolle sich noch zurückgehaltene Kriegsgefangene befinden, haben diese namentlich bis zum 30. April 1951 dem Generalsekretär der UN mitzuteilen. Ferner sind mitzuteilen die Namen der unter der Kontrolle der Regierungen verstorbenen Kriegsgefangenen. Alle Gewahrsamsländer sind also aufgefordert, Rechenschaft über das Problem der Kriegsgefangenen abzulegen.
Ich darf bei dieser Gelegenheit nicht versäumen, den Regierungen der USA, Großbritanniens und Australiens den herzlichsten Dank für ihre umfassenden Bemühungen um die Klärung des furchtbaren Schicksals der deutschen Kriegsgefangenen und dabei zugleich die Hoffnung auszusprechen, daß der
beschrittene Weg erfolgreich enden möge.
Die Arbeiten wurden nunmehr darauf ausgerichtet, für die Verhandlungen vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen die notwendigen Unterlagen bereitzustellen und darüber hinaus für die zu erwartende Untersuchungskommission der Vereinten Nationen beweiskräftiges Material bis zum 30. April dieses Jahres zu schaffen, das über das Ausmaß der Zurückhaltung der Kriegsgefangenen und die Zahl der vermißten Wehrmachtangehörigen Aufschluß gibt. Es war von Anfang an klar, daß das Ergebnis aller Bemühungen nicht vollkommen befriedigend sein kann, weil in der sowjetischen Besatzungszone keine Nachforschungsmöglichkeiten bestanden und eine ähnliche Arbeit dort nicht durchgeführt wird. Daher wird ein Teil der Kriegsgefangenen und Vermißten, die in der sowjetischen Besatzungszone beheimatet sind, trotz aller Bemühungen nicht erfaßt werden können. In dem besonderen Arbeitsprogramm der beteiligten Ressorts der Bundesregierung und der Verbände der freien Wohlfahrtspflege, die auf dem Gebiete des Suchdienstes und der Kriegsgefangenenbetreuung tätig sind, wurde die Durchführung der Arbeiten technisch und zeitlich festgelegt. Über den derzeitigen Stand der Arbeiten ist den Mitgliedern des Ausschusses für das Besatzungsstatut und für auswärtige Angelegenheiten ein detaillierter Bericht zugeleitet worden. Ich kann mich daher hier auf kurze Ausführungen beschränken.
Erstens. Die Namen derjenigen Kriegsgefangenen, die selbst aus der Kriegsgefangenschaft Nachricht gegeben haben oder über die ein Dritter bekundet hat, daß er sie lebend in Kriegsgefangenschaft gesehen hat, oder über die auf irgendeine andere Weise eine zuverlässige Nachricht vorliegt, daß sie sich noch lebend in Kriegsgefangenschaft befinden, sind in einer Kartei zusammengefaßt worden. Diese Kartei erstreckt sich auf die Kriegsgefangenen aller Gewahrsamsstaaten. Die Kartei ist noch nicht vollendet, da noch Unterlagen bearbeitet werden müssen, die erst vor kurzem zur Verfügung gestellt werden konnten. Über diejenigen Kriegsgefangenen, von denen bekannt ist, daß sie zu einer Strafe verurteilt worden sind, ist eine besondere Kartei im Entstehen begriffen, die sich auf die über diese Kriegsgefangenen vorhandenen Akten und Berichte gründet. Die Kriegsgefangenenkartei ist nach Gewahrsamsbereichen geordnet und wird durch Hollerith-Maschinen verarbeitet. Hierdurch wird erreicht, daß in kürzester Frist Listen über diesen Personenkreis erstellt werden, die sich auf beweiskräftige Unterlagen stützen. HeimkehrerDoppelmeldungen und inzwischen bekanntgewordene Sterbefälle sind selbstverständlich aus der Kartei ausgeschieden.
Zweitens. Die in dem Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten unter Punkt 2 Buchstaben c und d genannten festgehaltenen und verurteilten Zivilpersonen sowie verschleppten Zivilpersonen sind bisher gemeinsam behandelt worden. Das Ausmaß der Verschleppung von Zivilpersonen aus den von sowjetischen Truppen besetzten Gebieten ist zur Zeit noch nicht in vollem Umfange bekannt. Es wird durch Befragung der aus diesen Gebieten ausgesiedelten Deutschen und der inzwischen zurückgekehrten verschleppten Zivilpersonen festzustellen sein, ob über das Ausmaß der Verschleppung ein vollständiges Bild zu gewinnen ist. Die Arbeiten auf diesem Gebiete sind im Gange; sie sind noch nicht so weit fortgeschritten wie die Arbeiten auf dem Gebiete der Kriegsgefangenen, weil sie erst später in Angriff genommen werden konnten. Es war ursprünglich nicht vorauszusehen, daß auch dieser Personenkreis in den Bereich der Verhandlungen der Vereinten Nationen aufgenommen werden würde. Neben den Feststellungen darüber, welche Zivilpersonen verschleppt worden sind, sind Unterlagen darüber zu beschaffen, welche Zivilpersonen heute noch nachweisbar außerhalb der vier Besatzungszonen in Internierungslagern, Arbeitslagern und Gefängnissen festgehalten werden. Bei dieser Gelegenheit ist zugleich die Feststellung darüber zu treffen, ob die Festhaltung auf Grund eines Gerichtsurteils erfolgt ist oder nicht. Dies gilt insbesondere für Polen und die Tschechoslowakei. Darüber darf jedoch nicht vergessen werden, daß auch in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien Deutsche in Zwangsarbeit oder auf Grund von Urteilen in Gewahrsam gehalten werden, die früher in diesen Gebieten ansässig gewesen sind. Es wird mit allen Mitteln versucht werden, in kürzester Zeit über die Zahl und die Lager der betroffenen Personengruppen eine Übersicht zu erhalten und eine Aufstellung der Namen zu machen, die unter diesen Personenkreis fallen. Zu diesem Zwecke muß das zur Zeit an etwa 17 verschiedenen Stellen angefallene Material zusammengeführt und ausgewertet werden. Die Vorbereitungen für diese Arbeiten können jetzt als abgeschlossen gelten.
Drittens. Die Namen der vermißten Wehrmachtangehörigen sind durch die staatliche Registrierung
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im März 1950 bekanntgeworden. Sie sind in einer Kartei zusammengefaßt, die noch aus anderen Unterlagen ergänzt und bereinigt wird. Aus dieser Kartei sind Listen der früheren Wehrmachteinheiten erstellt, die den Heimkehrern der betreffenden Einheiten vorgelegt werden, um Aufklärung über das Schicksal eines Teils der Vermißten zu erhalten. Insgesamt wurden 90 000 verschiedene Listen gefertigt, die bereits zum größten Teil über die Landesnachforschungsdienste an die Heimkehrer herangebracht worden sind.
Viertens. Die Kartei der vermißten Zivilpersonen, die ebenfalls durch die Registrierung im März 1950 entstanden ist, wird zur Zeit durch die Organe des Suchdienstes geprüft und bereinigt, weil der Suchdienst für einen Teil dieser Personen bereits Unterlagen über ihren Verbleib besitzt. Diese Frage steht in Zusammenhang mit der Frage der verschleppten Zivilpersonen und kann daher auch nur in Zusammenhang damit weiterbearbeitet werden.
Zur Ergänzung der bereits dargelegten Arbeiten sind Übersichten über die Lager, Gefängnisse und Strafgebiete erstellt worden, in denen sich Kriegsgefangene und Zivilisten nach . den letzten Nachrichten befinden. Eine Übersicht über derartige Lager ist den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses zugeleitet worden.
Ich kann erklären, daß auf dem Gebiete der Kriegsgefangenen und Wehrmachtvermißten die Unterlagen bis zum 30. April 1951 in beweiskräftiger Form zur Verfügung stehen werden. Auf dem Gebiete der festgehaltenen und verurteilten Zivilpersonen sowie der verschleppten und vermißten Zivilpersonen wird es möglich sein, bis zu diesem Termin ein umfangreiches Material vorzulegen. Es bedarf jedoch noch weiterer, intensiver Arbeit, um ein einigermaßen vollständiges Bild über diese Personengruppen zu gewinnen. Für den völligen Abschluß dieser Arbeiten kann heute ein Termin aber noch nicht genannt werden.
Die für die Gesamtheit der Arbeiten notwendigen Geldmittel werden von der Bundesregierung zur Verfügung gestellt. Die Arbeiten werden in ständiger engster Verbindung mit den auf diesem Gebiete tätigen Organisationen durchgeführt, weil nur durch eine völlige Koordinierung der Arbeiten befriedigende Ergebnisse erzielt werden können.
Die Bundesregierung begrüßt auch den Initiativ-antrag. Er gibt uns die Möglichkeit, nunmehr die Nachrichten unter Umständen unter gesetzlicher Aufforderung heranzubringen. Nun hat der Herr Bundesminister der Justiz zu dem Gesetz einige kleine Änderungen der Fassung vorgeschlagen. Ich bitte daher, den Initiativantrag zum Gesetz noch einmal dem Rechtsausschuß vorzulegen. Dieses Gesetz ist nicht derart eilig, daß die Überweisung an den Ausschuß nicht erfolgen könnte.
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten folgt in wesentlichen Punkten dem von meiner Fraktion gestellten Antrag. Ich kann mich deshalb auf einige Bemerkungen beschränken. Als wir unseren Antrag stellten, waren wir uns wohl der Tatsache bewußt, daß von den Ministerien und Behörden, die mit Kriegsgefangenenangelegenheiten befaßt sind, sowie von zahlreichen freien Verbänden eine Menge oft sehr mühseliger Arbeit geleistet worden ist und geleistet wird. Wir waren uns aber auch der Tatsache bewußt, daß selbst die Summe dieser Arbeiten noch nicht ausreichen würde, um die Aufgabe zu lösen, die uns mit der Entschließung der Vollversammlung der Vereinten Nationen gestellt worden ist. Es ist eine Aufgabe, die uns Möglichkeiten gibt und mit der eine Reihe sehr ernster Pflichten verbunden ist. Hier wurde schon auf die Resolution der UNO hingewiesen. Ich möchte auf den Punkt 4 der Resolution hinweisen, in dem sich gerade für die deutsche Seite eine wesentliche Möglichkeit verbirgt. In diesem Punkt 4 werden alle Regierungen dringend ersucht, besonders auf der Grundlage der zu liefernden Unterlagen die größtmöglichen Anstrengungen zu vollbringen, um Kriegsgefangene ausfindig zu machen, deren Abwesenheit gemeldet worden ist und die sich auf ihren Gebieten befinden könnten.
Ich muß es mir versagen, ausführlicher darauf einzugehen, welche Möglichkeiten sich aus diesem Punkt 4 für uns ergeben. Aber ich darf wohl voraussetzen, daß Sie mit mir einverstanden sind, wenn ich sage: Daraus ergibt sich für uns die Notwendigkeit, eine Dokumentation, die so umfangreich wie möglich sein muß, mit Namen und Sachangaben über Kriegsgefangene vorzulegen, über deren Verbleib wir wissen, die aber noch nicht zurückgekehrt sind, sowie über Kriegsgefangene und Vermißte, über deren Verbleib wir nichts wissen, von denen wir aber irgendwann irgendwelche Lebenszeichen erhalten haben. Das bedeutet aber, daß wir nach Möglichkeit bis zu der am 30. April ablaufenden Frist eine nach Ländern gegliederte Übersicht über diese vier Kategorien, die in dem Antrag des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten aufgeführt worden sind, liefern müssen.
Die Schwierigkeiten, die sich der Zusammenstellung einer solchen Übersicht entgegenstellen, sind graß. Ich will nur am Rande erwähnen, daß wir durch die Begleiterscheinungen des totalen Krieges über viele Unterlagen, die man in anderen Ländern unter normalen Umständen leichter hat, nicht mehr verfügen. Wir sind in dieser Beziehung sogar schlechter gestellt als z. B. Japan, das, wie wir uns bei der Tagung der Vollversammlung der Vereinten Nationen überzeugen konnten, auf Grund der anderen Stellung, die dieses Land seit Beendigung der Feindseligkeiten eingenommen hat, viel übersichtlichere 'Unterlagen besitzt. Wir müssen vor allen Dingen auch damit rechnen, daß Kriegsgefangene in der Zeit seit dem Kriege die Gewahrsamsländer gewechselt haben und daß das betreffende Gewahrsamsland bisher noch keine Auskunft darüber gibt, wem es die Kriegsgefangenen überstellt hat. Es gibt also eine Reihe von Problemen zusätzlicher Art.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß es ein Verdienst wäre, wenn z. B. die britische und die amerikanische Regierung uns, den deutschen Stellen, endlich die Übersicht über diejenigen geben würden, die nach Beendigung der Feindseligkeiten anderen Gewahrsamsländern übergeben worden sind oder die unmittelbar bei Beendigung der Feindseligkeiten, nachdem sie sich ergeben hatten, an andere überstellt wurden.
Ferner müssen wir mit der Schwierigkeit rechnen, die sich daraus ergibt, daß Kriegsgefangene inzwischen ihren Status geändert haben. Für uns sind sie nach wie vor Kriegsgefangene, aber für die Gewahrsamsländer sind sie es nicht mehr. Durch diesen Schleier, durch dieses Dunkel müssen wir
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hindurchzudringen versuchen. Sie sind Kriegsgefangene gewesen, sind aber inzwischen zum Teil „freie Zivilarbeiter" geworden, zum Teil sind sie Strafgefangene. Es gibt auch Kriegsgefangene, die in irgendwelche Legionen oder andere Verbände übergeführt worden sind. Es ist daher notwendig, das Punkt für Punkt und, soweit wir können, Person für Person zu untersuchen. Die Möglichkeit dazu haben wir durch die Resolution der UNO. Aber damit haben wir auch die schwere Pflicht, in dieser sehr kurzen Zeit zusammenzutragen und aufzurechnen, was aufgerechnet werden kann, weil die Gefangenen und Verschleppten selbst wie auch ihre Angehörigen einen Anspruch darauf haben, daß keiner ausgelassen oder vergessen wird. Die Zahl derer, die von uns aus nicht zu ermitteln sind, wird sowieso groß genug sein. Aber wir müssen alles tun, damit das, was wir ermitteln können, auch wirklich bis zum letzten ermittelt wird.
Wir haben nun in unserem Antrag den Vorschlag gemacht, die Regierung möge dazu einen Arbeitsstab bilden; ein etwas ungewöhnlicher Begriff für die Apparatur der Regierung. Damit meinten wir, es sollten außergewöhnliche Maßnahmen ergriffen werden, um die außergewöhnlichen Möglichkeiten, die sich in dieser Frist für uns ergeben, auch wirklich zu nutzen, denn nur mit außergewöhnlichen Anstrengungen werden wir dieser Aufgabe gerecht werden. Wir glaubten auch - und das war ein wesentlicher Grund für unseren Antrag, den ich deshalb hier auch noch einmal anführen möchte -, es sei notwendig, durch entsprechende Maßnahmen der Regierung alle, die etwas tun können, zur Mitarbeit aufzurufen, damit keine Zeit verloren geht, zu einer gemeinsamen Anstrengung gerade jetzt in dieser Zeit. Wir waren uns wohl der Unsumme von Arbeit bewußt, die die einzelnen Stellen bisher geleistet haben. Aber, meine Damen und Herren, das genügt nicht, selbst wenn wir diese Arbeit jetzt in etwas beschleunigtem Tempo weiterführen, um das zu tun, was noch zu tun bleibt.
Aber es sollte in dieser Zeit auch Klarheit über die finanziellen Folgerungen geschaffen werden, die zu ziehen notwendig sind. Es sollten nicht durch die verschiedenen Zuständigkeitsbereiche derjenigen Ministerien, die sich mit diesen Fragen beschäftigen - es ist ja eine ganze Reihe von Ministerien, die mit Kriegsgefangenenfragen befaßt sind; uns wäre es lieber, es wäre nur eines, aber es sind nun eben mehrere, und daran kann und soll zur Zeit auch nichts geändert werden -, Versäumnisse möglich werden, die etwa daraus herrühren, daß man sagt, nicht diese, sondern die andere Stelle sei dafür zuständig oder für Berlin sei keines der Ministerien, weder das Innenministerium noch das Vertriebenenministerium zuständig. Dort fällt Material an, das nur mangelhaft oder gar nicht bearbeitet werden kann. All das bedauern wir. Wir wollten durch unseren Antrag erreichen, daß eine Atmosphäre geschaffen wird, in welcher diese Instanzenschwierigkeiten in wirklicher Gemeinsamkeit und gegenseitiger Unterstützung überwunden werden können. Wir hätten es dankbar begrüßt, wenn uns die Regierung dafür z. B. eine Persönlichkeit benannt und gesagt hätte, für diese Arbeit und für diese Zeit sei diese Persönlichkeit verantwortlich. Nun, es ist ein anderer Weg gewählt worden. Wir haben gegen diesen Weg nichts einzuwenden. Es ist eine Stelle zur Koordinierung aller Anstrengungen geschaffen worden. Wir wünschen nur, daß der Sinn dieses unseres Antrages, erhöhte Anstrengungen zu machen, damit kein Land ausgelassen wird und damit eine wirklich objektive und gründliche Übersicht geschaffen wird, auch während dieser Arbeit lebendig bleibt.
Es gibt einen Punkt in unserem Antrag, der allerdings hier nicht weiter berücksichtigt worden ist, von dem wir aber hoffen, daß er dazu gehört: das ist die Information der Öffentlichkeit durch eine Stelle, die dieser Zentrale zugehört und die die Öffentlichkeit mit sachkundigem Material über das, was wirklich ist, auf dem laufenden hält. Wir wollen es vor allen Dingen der Öffentlichkeit in Deutschland und auch der internationalen Öffentlichkeit ersparen, mit widersprechenden Zahlen versorgt zu werden.
Besondere Sorgfalt und besondere Anstrengungen erfordert das Material über die verschleppten Zivilpersonen. Wir sollten das auch unter dem Gesichtspunkt mit besonderer Aufmerksamkeit betreiben, daß wir zwar jetzt bei dieser Aktion der Vereinten Nationen die verschleppten Zivilpersonen sozusagen nur am Rande mit hineinnehmen. Aber vielleicht schaffen wir, wenn wir genügend Unterlagen für die Kommission bieten können, die Möglichkeit, daß in absehbarer Zeit das Problem der verschleppten Zivilpersonen - darunter sind auch sehr viele Frauen - einmal ganz besonders angegriffen und an und für sich einer Lösung entgegengeführt wird. Das wäre eine Aufgabe, die, wenn sie jetzt begonnen werden könnte, nützlich wäre und die Voraussetzungen für den nächsten Schritt schaffen könnte.
Das war, meine Damen und Herren, der Sinn unseres Antrages und unseres Vorschlages. Ich sage noch einmal: in wesentlichen Punkten ist der Antrag des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten dem gefolgt. Wir wollten an dieser Stelle und bei dieser Gelegenheit nur noch einmal zum Ausdruck bringen, daß es uns darauf ankommt, daß jeder in diesem Hause und daß auch die ganze Öffentlichkeit und alle beteiligten Stellen begreifen, daß es sich diesmal um eine außergewöhnliche Anstrengung handelt und daß wir uns dessen bewußt sein sollten.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! Die Gründe, die zu dem vorliegenden Antrag der sozialdemokratischen Fraktion geführt haben, sind für die Öffentlichkeit zweifellos von größtem Interesse. Als die Herren Dr. Gerstenmaier und Wehner nach Lake Success zu den Vereinten Nationen fuhren, waren sie zweifellos mit dem Zahlenmaterial über Kriegsgefangene und Vermißte ausgestattet, deren Schicksal in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit eine so große Rolle gespielt hat, und glaubten mit der Zahl von etwa 11/2 Millionen bei den Herren in Lake Success entsprechenden Eindruck machen zu können. Tatsache ist, daß man diesen Zahlen, die dort die Herren vorgebracht haben, mit dem allergrößten Mißtrauen begegnete. Ich glaube, mit diesen Zahlen - ich will aus der Vergangenheit nur einige erwähnen - von 114 000 Kriegsgefangenen, 1,6 Millionen Kriegsgefangenen und Vermißten, 400 000 Kriegsgefangenen in der Sowjetunion, und der letzten Zahl mit 69 000 -, mit diesem Zahlenspiel ist in der Öffentlichkeit und insbesondere in unserer Bevölkerung sehr viel Schindluder getrieben worden ausschließ4544 Deutscher Bundestag - 110. Sitzung. Borin, Mittwoch, den 21. Februar 1951
(Müller [Frankfurt»
lich zu dem Zweck, die von bestimmten westlichen Kreisen gewünschte Propaganda gegen die Sowjetunion und gegen den Osten durchzuführen.
({0})
Herr Abgeordneter! Ich weise den Ausdruck, daß „ein Zahlenspiel" in dieser Frage getrieben wurde und diese Erörterungen den Zweck einer Propaganda haben, als dieser Sache unwürdig zurück.
({0})
Ich glaube, die Zahlen sprechen ihre eigene Sprache.
({0})
Die zurückgekehrten Herren sind nun auf Grund der kalten Dusche, die sie drüben bekommen haben, gezwungen, Maßnahmen einzuleiten, um diesen Zahlen wenigstens etwas Glaubwürdigkeit verleihen zu können. Herr Wehner gab in der Sitzung des Parteivorstandes der Sozialdemokratischen Partei einen Bericht über die Verhandlungen in Lake Success, und mußte darin zugeben, daß das bisher benutzte deutsche Unterlagenmaterial für eine ordnungsgemäße Aufstellung nicht ausreicht. Er sah sich zu dem Eingeständnis, gezwungen: Wir brauchen eine gründlich überprüfte Liste aller noch nicht heimgekehrten Kriegsgefangenen, zu der auch die Unterlagen der Wehrmachtsauskunftsstelle und anderes noch nicht ausgewertetes Material heranzuziehen sind.
({1})
Herr Wehner mußte also jetzt zugeben, daß das
von uns gegen die Hetze der Bonner Regierung
immer wieder geltend gemachte Argument richtig-
ist, wonach das gesamte Karteimaterial der Wehrmachtsauskunftsstelle, in dem sich die erforderlichen Unterlagen befinden, überhaupt noch nicht
ausgewertet ist. Es ist also richtig, wenn von uns
immer wieder darauf hingwiesen wurde, daß man
dieses Material nicht ausgewertet hat, um Hunderttausende deutscher Familien in Angst und Sorge
um ihre Angehörigen zu lassen, statt ihnen wahrheitsgemäß die in diesem Material in zahllosen
Fällen vorhandenen Todesnachrichten zuzuleiten.
({2})
Ich glaube, eine Beweisführung, die wahrscheinlich auch für Sie nicht verdächtig ist - über die Zahlen, die insbesondere von der sowjetischen Seite angegeben worden sind -, dürfte darin liegen, daß der Herr Pfarrer Merten in einer Besprechung am 16. Februar 1949, an der auch mein Fraktionskollege Walter Fisch teilgenommen hat, erklärte, die von der Sowjetunion angegebenen Zahlen seien nach seiner Auffassung absolut richtig. Auch seine weiteren Hinweise, insbesondere darauf, daß im Zuge der großen Schlachten, zumal seit dem Rückzug und seit Stalingrad, Hunderttausende umgekommen sind, sollten hier beachtet werden. Also das sind die Zahlen, mit denen man operiert.
Aber ich glaube, ich kann Ihnen einen Hinweis für Nachforschungen geben. Meine Damen und Herren! Besuchen Sie doch einmal die Massengräber der amerikanischen Kriegsgefangenenlager auf deutschem Boden, in Bad Kreuznach, in Bretzenheim, in Ingelheim, in Heidesheim und Fürstenfeldbruck! Ich nenne Ihnen nur einige wenige! Dort sind Tausende von Kreuzen, auf denen keine Namen vorhanden sind, das sind Vermißte, die in diesen amerikanischen Kriegsgefangenenlagern umgekommen sind. Da sind Tausende, die unter diese Vermißten -fallen. Herr Wehner hat heute sicher nicht freiwillig etwas im Zusammenhang mit der Frage der Kriegsgefangenen und damit auch der Vermißten eingestanden, als er erklärte: Wir brauchen auch Unterlagen dafür, wo die Kriegsgefangenen hingekommen sind, die von den Arnerikanern und Engländern nach anderen Staaten und Nationen überstellt worden sind.
Ja, meine Damen und Herren, fragen wir hier lieber einmal nach: Was ist mit den früheren Kriegsgefangenen in England, in Ägypten, in Frankreich, in Indonesien, in Belgien und Holland usw. geworden?
({3}) Tausende und aber Tausende, Hunderttausende, die dort eingesetzt worden sind! Wo bleiben die Unterlagen dafür? Was geschieht mit den Angehörigen jener Vermißten?
({4})
Ich glaube also, der Grund, der zu diesem Antrage geführt hat, liegt in der Tatsache, daß man dem Zahlenspiel nicht glaubt. Der Antrag, der von den Herren Dr. Gerstenmaier, Wehner usw. eingebracht' worden ist, bezweckt nichts anderes als den Versuch, solche Unterlagen zu beschaffen. Aber im Rahmen der allgemeinen Propaganda und des Druckes, der ausgeübt wird, werden solche Unterlagen nicht erarbeitet werden können, ganz abgesehen von der entscheidenden Tatsache, daß dann die Stellen,
({5})
die die unter Druck und zur Propaganda zusammengestellten Zahlen zur Auswertung bringen, das nur in der Linie tun werden, die Herr Dr. Adenauer und seine amerikanischen Hintermänner haben möchten,
({6})
nämlich zum Zwecke der Propaganda und Hetze zu einem neuen Krieg.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Höfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben eben die Stimme des bösen Gewissens gehört.
({0})
- In dieser Sache nehmen wir von Ihnen nichts an, auch wenn Sie es mit Stentorstimme in die Welt rufen. Sie haben kein Recht, über Bretzenheim und diese Dinge zu sprechen, solange Sie nicht das getan haben, was wir Ihnen so oft empfohlen haben: Auf mit Ihren Lagern, heraus mit Ihren Listen, heraus mit Ihren Zahlen!
({1})
Sie sind an dem Tod von Millionen unserer deutschen Brüder schuld!
({2})
({3})
- Alle Ihre Dialektik, lieber Herr Renner, hilft nicht darüber hinweg, daß Sie hier für eine böse Sache einstehen.
({4})
- Wir bleiben bei diesen Dingen sehr ruhig; denn wir haben ein gutes Gewissen.
({5})
- Sie wissen ganz genau, daß der Fall, den wir Ihnen vorwerfen, durchaus klar ist.
({6})
Herr Abgeordneter Höfler, ich empfehle Ihnen, ins Mikrofon zu sprechen; es dient der besseren Verständigung.
Ich werde mich damit nicht weiter auseinandersetzen.
({0})
Es liegt mir am Herzen, in diesem Augenblick nur folgendes zu sagen. Wir haben mit dem Antrag und mit dem Gesetzentwurf den Weg der Sachlichkeit beschritten.
({1})
Wir wollen endlich einmal Klarheit darüber haben, wo unsere Menschen geblieben sind, und zwar nicht nur in Sowjetrußland, sondern auch in den anderen Ländern: Wir möchten die Grundlagen schaffen, um klares Material beizubringen; das tun wir und nichts anderes.
({2})
Es liegt Anlaß vor, allen denen zu danken, die uns die Möglichkeit verschaffen wollen, mit unserem Material an die Tische der UNO zu kommen. Es ist einfach unerträglich, daß fünf 1 Jahre nach dem Zusammenbruch noch immer das Schicksal von Hunderttausenden von deutschen Menschen ungeklärt bleibt.
({3})
- Das ist eine alte Platte!
({4})
Im Gegensatz zu der Meinung des Herrn Ministers Lukaschek sind wir der Ansicht, daß der Gesetzentwurf nicht mehr in den Rechtsausschuß gehen soll; es hat doch etwas größere Eile damit, und ich glaube, er ist so beschaffen, daß wir ihn hier ohne jede Schwierigkeit über die Bühne bringen sollten.
Meine Damen und Herren, in diesem Augenblick obliegt mir noch etwas anderes. Aus Anlaß eines gewissen Falles, der gegenwärtig in aller Mund ist, ist es notwendig, auch über diese Dinge ein Wort zum deutschen Volk zu sprechen. Es ist durch Böswillige und Unwissende die Meinung verbreitet worden, die Bundesregierung, die einzelnen Ministerien und der Bundestag hätten es daran fehlen lassen, das Schicksal unserer gefangenen Brüder und Schwestern, das wir beklagen, aufzuklären.
({5})
Es sind Dinge behauptet worden, die sich vor dem
Forum die Vernunft und vor dem Forum der Wahrhaftigkeit einfach nicht halten lassen. Das deutsche
Volk hat nicht erst seit heute die Gewißheit
darüber, daß Bundesregierung und Bundestag alles
zur Aufhellung der Geschicke der Kriegsgefangenen
getan und es tatsächlich an nichts haben mangeln
lassen. Es ist in den letzten Jahren eine namhafte
Zahl von Brüdern und Schwestern aus der Gefangenschaft zurückgekehrt. Das hat man bis jetzt nicht gewußt, weil dazu geschwiegen worden ist; aber es ist notwendig, das einmal zu sagen,
({6})
damit im Volk die nötige Aufklärung geschaffen und einige Beruhigung hineingebracht werden kann.
({7})
Wir stimmen also dem Antrag zu und bitten darum, daß der Gesetzentwurf angenommen wird.
({8})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Müller hat vorhin ausgeführt, Herr Merten habe sich dahin geäußert, daß die Zahlen, die die Sowjetregierung angegeben habe, richtig seien. Herr Merten hat niemals eine solche Äußerung getan.
({0})
Ich darf dazu nur sagen: Herr Merten hat von Anfang an diese großen Vorbereitungsarbeiten getan. Er würde sich selbst desavouieren, wenn er so etwas gesagt hätte. Ich habe also hier die Pflicht und Ehre, mich vor diesen wirklich arbeitsamen Mann zu stellen.
({1})
Und dann bitte ich doch noch das eine zu bedenken, daß das Schicksal dieser Menschen, der Kriegsgefangenen und der Vermißten, zu erschütternd ist, als daß man damit irgendwelche Propaganda verbinden dürfte.
({2})
Meine Damen und Herren, ich habe eine große Zahl von Wortmeldungen. Ich muß in einer gewissen Reihenfolge verfahren, - auch wenn Herr Dr. Gerstenmaier sich meldet.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bildung eines Arbeitsstabes, wie sie die SPD in ihrem uns vorliegenden Antrag vorschlägt, ist richtig und äußerst wichtig, um, soweit nur immer möglich, in die Frage der Kriegsgefangenen und Verschleppten Licht und Klärung zu bringen. Das liegt aber trotz größter Bemühungen nur zum geringeren Teil an uns Deutschen. Wenn Stalin auf seinem Standpunkt verharrt, indem er erklärt, die Heimschaffung der Gefangenen sei längst abgeschlossen, und wenn es richtig ist - wie die United Press berichtet -, daß das Internationale Rote Kreuz den Vereinten Nationen am 11. Dezember 1950 mitgeteilt hat, Stalin habe erklärt, er werde sich jedem Versuch der UNO widersetzen, sich mit Kriegsgefangenenfragen zu beschäftigen,
({0})
({1})
da dies nicht zum Aufgabenkreis der Vereinten Nationen gehöre,
({2})
dann müßte man in bezug auf die Klärung unserer Kriegsgefangenensituation ja eigentlich recht betrübt in die Zukunft sehen.
Die Zentrumsfraktion schlägt nun noch einen vielleicht gangbaren Weg vor, daß nämlich unsere Regierung die Frage der deutschen Kriegsgefangenen durch die Hohen Kommissare auf der Viererkonferenz im Auftrage der Bundesregierung direkt an Stalin herantragen läßt, indem ihm die Forderungen, die hier im Antrage der SPD unter a) bis d) enthalten sind, als Fragen vorgelegt werden, selbst wenn der russische Kommissar diese nicht gern hören würde. Rußland hat die Genfer Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen mit unterschrieben. Verweigert Rußland jetzt die Auskunft über die ihm gestellten Fragen, dann wüßte die ganze Weltöffentlichkeit, was hinter diesem Schweigen steckt, und Rußland wäre als Vertragsbrecher der Genfer Konvention gebrandmarkt.
({3})
Das Komitee des Internationalen Roten Kreuzes hat erklärt, daß seine unparteiischen Kommissionen die sogenannten Suchaktionen nach den Kriegsgefangenen, Zivilisten und Lägern Rußlands ohne Einwilligung der UNO-Staaten nicht intensiv durchführen könnten; so berichtet an Indien und Irak. Hier liegt die zweite Sache, die vielleicht durch die Regierung an die Hohe Kommission zur Besprechung auf der Viererkonferenz herangetragen werden könnte, um sobald wie möglich zur Aktivierung der Suchaktion des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes beizutragen, indem die schnelle Zustimmung der UNO-Staaten erreicht wird.
Die Zentrumsfraktion bittet die Regierung, diesen beiden Vorschlägen ihr ganz besonderes Interesse zu schenken und baldigst Besprechungen mit den Hohen Kommissaren darüber einzuleiten.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lag absolut kein Grund für den Sprecher der Kommunistischen Partei vor, sich irgendwie durch die Anträge in den Drucksachen Nrn. 1823, 1931 und 1932 getroffen zu fühlen; denn die Ermittlung ist in keinem dieser Anträge etwa lediglich auf die Farbenbrüder der Kommunisten beschränkt, sondern die Ermittlung ist eine generelle nach Osten, Westen, Norden und Süden. Ich muß daher auch im Namen meiner Fraktion um so mehr bedauern, daß durch die sowohl sachlich wie auch formell unmöglichen Ausführungen des kommunistischen Sprechers in diese tiefernste Angelegenheit hier ein Mißton kommt, der den Herrn Präsidenten zum Eingreifen veranlaßt hat und der dieses Hauses unwürdig ist.
({0})
Der Antragsteller Herr Kollege Wehner hat mit einem Aufruf und Anruf zur Mitarbeit geschlossen. Meine Damen und Herren, ich möchte diesen Aufruf und Anruf hier speziell noch an die Kommunistische Partei richten. Wenn sie eine kommunistische Partei Deutschlands ist, dann kann sie ihrem Volk und sich selbst den größten Dienst dadurch erweisen, daß sie in der Sowjetunion und bei allen Stellen im Osten erreicht, daß eine namentliche Liste der noch in der Sowjetunion festgehaltenen Deutschen übergeben werden kann.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich höre den Zwischenruf: Und der Ermordeten! Es wird leider nicht möglich sein, eine Liste der vielen hunderttausend Toten aus der Sowjetunion zu bekommen, weil man dort ja bis in die späten Jahre des Krieges keine Totenlisten geführt hat, weil man die ehemaligen Wehrmachtgräber einebnete und weil die Sowjetunion auch bei den eigenen Leuten absolut nicht jene Art der Totenverehrung und der Achtung vor dem Menschen zum Ausdruck bringt, die bei uns eine Selbstverständlichkeit ist. Also Totenlisten werden wir aus jenem Paradies der Arbeiter und Bauern nie erreichen können. Daher an Sie, Herr Kollege Renner, und an die Fraktion - soweit sie noch eine ist - die Bitte: Sorgen Sie dafür, daß wir in das Problem und auch in das Zahlenmaterial, das ja nach allen Seiten hin unklar ist, jene Helligkeit bekommen, zu der Sie kraft Ihrer Beziehungen gerade am meisten beitragen können.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Meine Damen und Herren! Die mir hier unterstellten Äußerungen in einem Bericht, den ich im Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei gemacht haben soll, sind grob sinnentstellend. Ich möchte das ausdrücklich feststellen. Ich möchte weiter feststellen, daß es bei dem Antrag und bei unserer ganzen Diskussion sowie bei der großen Arbeit, die zu leisten ist, nicht um oder gegen ein Land geht, sondern daß es sich darum handelt, die Kriegsgefangenenfrage wegen der Kriegsgefangenen selbst endlich zu einer Klärung zu bringen.
({0})
Wir weigern uns, in irgendeiner Form ein Land zu bevorzugen oder zu benachteiligen. Wir wünschen eine allgemeine Kriegsgefangenenbilanz gegenüber jedem einzelnen Land, das Deutsche in Gewahrsam gehabt hat oder noch hat!
({1})
Ich möchte betonen, es geht uns um jeden einzelnen. Wir operieren nicht mit irgendwelchen globalen Zahlen. Wir wollen um jeden einzelnen ringen, und - das muß hier gesagt werden - ich habe die Hoffnung, daß, nachdem in den Diskussionen in Lake Success mit großer Sorgfalt darum gerungen wurde, ein wirkliches Bild über den Stand der Frage zu bekommen, es nach einer gewissen Zeit auch möglich sein wird, auf der Grundlage der Dokumentation, die zu schaffen hauptsächlich unsere Aufgabe sein wird, zu einer Nachprüfung von Urteilen zu kommen, die man gegen Kriegsgefangene ausgesprochen hat, zum Teil zu Zeiten, in denen es zum guten Ton gehörte, harte Urteile über sie zu verhängen. Es gibt in der Resolution Ansatzpunkte dafür, und wir sollten bedenken, daß es - so wesentlich das sein kann, was auf der Viererkonferenz und bei anderer Gelegenheit einem Partner gesagt werden kann - hier um etwas mehr geht. Es geht sozusagen um unsere abschließende Dokumentation, auf der wir dann fußen können, wenn notwendig, in einem weiteren
({2})
jahrelangen Kampf um das Recht der Gefangenen, ihrer Angehörigen und des deutschen Volkes. ({3})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Meine Damen und Herren! Wir begrüßen den Antrag des Ausschusses wie auch den Gesetzentwurf zum Thema der Kriegsgefangenen außerordentlich und wünschen, daß die umfangreichen Ermittlungen möglichst schnell abgeschlossen werden können.
Gestatten Sie mir drei Hinweise. Der Redner der KPD, zu dessen Äußerungen ich sonst nichts bemerken möchte, hat einen Punkt berührt, zu dem ich aus eigener Anschauung etwas ausführen möchte.
({1})
- Ja, ich war dabei.
({2})
Es sind 1945 Tausende von deutschen Soldaten, vor allen Dingen im Südraum, von den Amerikanern an die Russen überstellt worden. Diese Kriegsgefangenen, die in amerikanischem Gewahrsam waren, wurden damals listenmäßig erfaßt. Ich kenne eine ganze Reihe von Fällen, in denen solche überstellten Gefangenen, die heute leben könnten, in Rußland später umgekommen sind. Es bedurfte umfangreicher Ermittlungen, dies festzustellen. Diese amerikanischen Listen müßten noch da sein, und es wäre sehr verdienstvoll, wenn nach dieser Richtung einmal auf den Petersberg gedrückt würde.
In Frankreich soll sich dem Vernehmen nach eine wesentlich größere Zahl von Deutschen in Gefangenschaft befinden, als dies allgemein publiziert wird. Man spricht hier von 850. Das Bundesministerium der Justiz hat sich außerordentliche Mühe gegeben, durch seine Rechtsschutzabteilung die Dinge in Frankreich aufzuhellen. Ich weiß aber nicht, wieweit diese Ermittlungen bis zum Ende vordringen konnten. Auch hier wäre nachzufragen.
Noch ein Drittes. Der Kollege Wahl hat, wie ich der Presse entnommen habe, vor einigen Tagen auf einer Tagung in Baden erklärt, - Er winkt ab; es stimmt offenbar nicht. Ich werde also diesen Punkt nicht aufgreifen.
Meine Damen und Herren, dies ist unsere Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf, den wir möglichst schnell verabschiedet sehen wollen.
Der Abgeordnete Renner wünscht einen Auszug aus einem Protokoll bekanntzugeben. Ich gebe ihm dazu das Wort.
({0})
- Die Redezeit Ihrer Fraktion ist erschöpft. Es ist schon ein Entgegenkommen, wenn ich darüber hinausgehe. Ich nehme an, daß das Haus in dieser Frage nicht so kleinlich ist, daß es Ihnen nicht einige Minuten geben wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen meiner Fraktion bei den vielfachen Diskussionen um das Problem des Verbleibens der deutschen Kriegsgefangenen mehrfach hier ausgesprochen, daß wir der Auffassung sind, daß es der Sache der Kriegsgefangenen und der
Sache ihrer Angehörigen allein dienlich ist, wenn das Problem aus der Atmosphäre der Hetze
({0})
und des Hasses herausgehoben und auf die Ebene einer sachlichen, sauberen Diskussion mit dem Ziele der Klärung gebracht wird.
({1}) - Lassen Sie mich aussprechen, meine Herren; es geht Ihnen doch hoffentlich um das Problem!
({2})
- Sie haben j a von uns eine Erklärung verlangt. Darf ich Ihnen die geben? Dann, bitte, unterbrechen Sie mich nicht.
Niemand kann bestreiten, daß die hier in der Öffentlichkeit genannten Zahlen ungeheuerlich differieren. In der Diskussion am 29. März vorigen Jahres wurde hier von über drei Millionen noch in sowjetischer Gefangenschaft befindlicher Deutscher gesprochen. Zu derselben Zeit hat der Vertreter der Regierung bekanntgegeben, das Ergebnis der damals durchgeführten staatlichen Suchaktion in ganz Westdeutschland habe ergeben, daß alles in allem genommen einschließlich der verurteilten Kriegsgefangenen 69 000 Kriegsgefangene noch als vermißt registriert worden sind. 69 000!
({3})
Wir haben im Dezember des vorhergehenden Jahres 1949 durch das zuständige Bundesministerium eine Aufstellung bekommen, aus der hervorgeht, daß die Regierungen der westdeutschen Länder die Zahl der noch fehlenden Kriegsgefangenen am 30. September 1949 auf 89 000 geschätzt haben.
({4})
Nun zu meiner Erklärung! Es ist hier von dem Herrn Minister - sicher ohne Rücksprache mit dem Herrn Mertens - behauptet worden, daß die Angaben, die mein Kollege Müller gemacht hat, nicht stimmten. Selbst ein Minister sollte mindestens daran denken, daß, wenn zwei Zeugen genannt werden, es sehr unratsam ist, die Aussagen dieser zwei Männer zu bestreiten, zumal wenn man vorher den Mann, auf den man sich berufen hat, gar nicht gesprochen hat. Aber derselbe Herr Mertens hat, als er im Dienst bei der Bundesregierung war, hier im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen am 15. März 1950 gesagt - ich zitiere das Protokoll -:
Er teilte weiter mit, daß nach Schätzung seines Ministeriums für dieses Gesetz
- das Gesetz zur Versorgung der Familienangehörigen von Kriegsgefangenen und Internierten - noch 150 000 nicht zurückgekehrte Kriegsgefangene in Frage kommen, wovon 75 000 als verheiratet zu betrachten seien.
Das sind amtliche Zahlen!
Und nun ein Wort zur Sache.
({5})
Herr Abgeordneter Renner, darf ich bitten, zum Schluß zu kommen.
Wie kann man von uns Kommunisten verlangen, daß wir einer Anregung von Ihrer Seite stattgeben, von der wir von vornherein überzeugt sein müssen, daß es Ihnen nicht auf die sachliche Feststellung des Tatbestandes ankommt?
({0})
({1})
Wie können Sie das von uns verlangen, wenn hier Bemerkungen fallen, daß' wir Kommunisten, wir deutschen Kommunisten, die wir in der Zeit, als Sie Sieg Heil geschrien haben, in den KZ's gesessen haben,
({2})
verantwortlich seien für den Tod von Hunderttausenden von deutschen Kriegsgefangenen? Wenn man mit diesem Ton an das Problem herangeht, dann betreibt man eine Hetze.
({3})
Ich erkläre im Namen meiner Fraktion: Wir sind von der Richtigkeit der von der Regierung der Sowjetunion genannten Zahl der noch im Gebiet der Sowjetunion befindlichen Kriegsgefangenen absolut überzeugt.
({4})
- Herr Strauß, Sie sollten sich auch bemühen, Ihre bayerische Überheblichkeit in einer ein bißchen konzilianteren Form hier zum Ausdruck zu bringen.
({5})
Herr Abgeordneter Renner, Sie wollen natürlich nicht die Bayern insgesamt beleidigen?
Nein, nur ihn.
({0})
Sie haben mich gefragt, was wir dazu beitragen könnten, das Problem dieser noch in der Sowjetunion zurückgebliebenen Kriegsgefangenen aufzuklären. Wir sind bereit, an die Frage heranzugehen, die für uns geklärt ist.
({1})
Wir sind bereit, diese Frage mit sauberen deutschen Menschen und nicht mit Agenten zu behandeln.
({2})
- Herr Strauß, ich muß noch einmal Sie persönlich apostrophieren. Es scheint sogar für einen
Bayern keine Grenze für die Dummheit zu geben.
({3})
Herr Abgeordneter Renner, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ich käme zum Schluß, wenn Sie dafür sorgen würden, daß hier nicht solche unqualifizierten Zwischenrufe fallen.
Es liegt j a vor uns ein Angebot der Regierung der DDR und der Volkskammer zu einem gesamtdeutschen Gespräch. Bitte, stellen Sie auf das Programm Ihrer Fragestellung auch die Frage der nach Ihrer Auffassung in der Sowjetunion noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen! Gehen Sie doch einmal ehrlich an das Problem heran,
({0})
nicht vom Boden der Hetze aus. Sie sagen doch, es sei ein gesamtdeutsches Problem.
({1})
Wir werden dann zu dem Ergebnis kommen, zu dem wir kommen müssen im Interesse der Angehörigen der Gefallenen, die Sie durch Ihre Politik der Verhetzung seit Jahren in dem Zustand des Wartens und des Zweifelns halten. Das ist ein
konkretes Angebot. Bitte, bejahen Sie also die Einladung der Volkskammer!
Das Wort hat der Abgeordnete Wartner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen - das darf ich auch im Namen meiner Fraktion sagen - die Anträge Drucksachen Nr. 1823, 1931 und 1932, die augenblicklich zur Beratung stehen. Wir stehen diesen Anträgen in aller Objektivität gegenüber. Wir wollen auch nicht um ein Zahlenspiel streiten, darum, wieviel sich heute noch draußen in den verschiedenen Ländern in Gefangenschaft befinden. Ich wollte nur, daß die Kriegsgefangenen draußen, ganz gleich wo sie heute sind, hören könnten, daß man ihrer im Deutschen Bundestag gedenkt. Es würde ihnen ganz bestimmt ein großer Trost sein, und sie würden nicht fragen, von welchen Parteien diese Anträge ausgegangen sind, sondern sie würden zutiefst beeindruckt sein, wenn sie sähen, daß wenigstens in dieser Frage jede Meinungsverschiedenheit ausscheidet. Wieviel Tausende von Vätern und Müttern, wieviel Tausende von Kindern würden, wenn sie am Lautsprecher mithören könnten, lauschen, wie in diesem Augenblick, in dieser, ich möchte sagen feierlichen Stunde hier gesprochen wird. Sie würden es uns alle auch danken, wenn sie sähen, wie wir wenigstens in dieser einen Frage jeden Streit unter uns vermeiden wollen.
Ich selbst fühle mit, weil auch ich noch einen habe, der seit 1943 zu den Vermißten zählt, und Sie dürfen mir glauben, daß ich, der ich hier stehe, leidenschaftlos dieser Aussprache zugehört habe und daß ich auch keinem, der das Wort genommen, irgendeinen Vorwurf machen möchte, ganz gleich, ob wir Bayern sind oder ob wir in einer anderen Ecke unseres Vaterlandes unser Zuhause haben. In einem wollen wir eins sein, nämlich darin, daß es doch möglich sein möchte, viele der heute Vermißten noch ausfindig zu machen, und wir hoffen, daß sie glücklich in ihre Heimat zu ihren Angehörigen zurückkehren können.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei beabsichtigt nicht, über diesen Punkt der Tagesordnung zu debattieren. Ich habe daher nur eine kurze Erklärung abzugeben. Die Fraktion der Deutschen Partei ist der Auffassung, daß wir unsere Pflichten als Abgeordnete gröblich verletzen würden, wenn wir nicht für jeden Deutschen, der sich in fremdem Gewahrsam befindet, mit allen Möglichkeiten eintreten wollten. Dazu brauchen wir die hier heute besprochene genaue Bilanz. Die Maßnahmen, diese Bilanz zu erbringen, sind in dem Antrag des Ausschusses und in der Gesetzesvorlage gegeben. Wir bitten das Hohe Haus, möglichst heute noch über diesen Gesetzesvorschlag zu beschließen.
({0})
Als letzter Redner hat Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir persönlich - ich habe keine Gelegenheit gehabt, darüber mit
({0})
meiner Fraktion zu sprechen - folgendes Wort an die kommunistische Fraktion dieses Hauses erlauben. Herr Kollege Renner, ich glaube, es ist von Ihrer Seite, vielleicht auch von anderer Seite, bei dieser Diskussion nicht genau beachtet worden, daß wir mit diesen Anträgen in ein neues Stadium der Diskussion dieser Frage auf internationaler Ebene eintreten.
({1})
- Herr Renner, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen auch einmal etwas sage, ich höre Sie ja hier immer. Ich meine, daß mit dem Beschluß der Generalversammlung der Vereinten Nationen, der bis zu diesem Tag jedenfalls die Sowjetunion und eine Reihe anderer Oststaaten angehören, ein neues Stadium der internationalen Diskussion dieser Frage eingeléitet ist, auf das wir uns einzustellen willens sind. In der Entschließung der Vereinten Nationen ist kein Wort der Diskriminierung irgendwelcher Art gegen den einen oder den anderen Staat gesagt. Das Wort Rußland kommt überhaupt nicht in der Entschließung der Vereinten Nationen vor.
({2})
- Aber Herr Renner, wie wäre es - das ist nun meine praktische Aufforderung -, wenn sich die kommunistische Fraktion dieses Hauses dafür stark machen würde, daß Moskau auf einen, wie ich meine vernünftigen Vorschlag eingehen würde, der so aussieht: Laßt uns doch durch eine internationale neutrale Kommission an Ort und Stelle in allen Ländern feststellen, wer nun recht hat! Sehen Sie, Ihre Kollegen aus Moskau haben in Lake Success alles, was ihnen von amerikanischer, englischer und französischer Seite vorgehalten wurde, einfach blank zurückgegeben und haben genau dasselbe den Franzosen und Engländern vorgehalten. Ich kann also hier nur sagen: Laßt uns durch eine internationale neutrale Kommission an Ort und Stelle feststellen, wer recht hat! Herr Renner, ich verstehe nicht, warum Sie sich das Leben hier schwer machen, indem Sie einem so vernünftigen Vorschlag nicht zustimmen. Wie leicht hätten Sie es, wenn Sie hier sagen würden: Wohlan, der Vorschlag scheint uns vernünftig. Wenn Moskau recht hätte, würden auf diese Weise doch alle Anklagen gegen Sowjetrußland ihres Gehalts entledigt und von einer neutralen Kommission als sinnlos erwiesen werden. Für die unbehinderte Wirksamkeit einer solchen Kommission sollten Sie, Herr Renner, sich mit Ihren Fraktionskollegen einmal stark machen bei Ihren Bundesgenossen da drüben!
({3})
- Aber Sie führen sieh hier so auf!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung über den Antrag des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten - Drucksache Nr. 1931 -. Ich schließe weiterhin die Besprechung der ersten Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerstenmaier, Wehner, Dr. Pfleiderer, Dr. von Merkatz und Genossen auf Drucksache Nr. 1932.
Ich eröffne die
zweite Beratung.
Ich rufe auf zur Einzelbesprechung die §§ 1, - 2, 3 - und 4 des Gesetzes. Zu den hierzu vorliegenden Abänderungsanträgen bitte ich Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antragsteller und ihre Fraktionen machen den Vorschlag, in § 1 nicht zu lesen:
Wer Kenntnis von dem Verbleib eines Kriegsgefangenen, einer festgehaltenen oder verschleppten Zivilperson oder eines Vermißten hat, ist verpflichtet, dem Bundesminister für Vertriebene usw., sondern hier zu lesen:
ist verpflichtet, dem Bundeskanzleramt, der von ihm bestimmten Bundesbehörde oder der jeweiligen obersten Landesbehörde für das Flüchtlingswesen
usw. Das ist ein Abänderungsvorschlag zu § 1. - Darf ich mir erlauben, auch den Änderungsvorschlag zu § 2 gleich mit vorzutragen?
Bitte, ich habe alles aufgerufen.
Bei § 2 möchten wir Ihnen folgende Abänderung vorschlagen. Der erste Satz des Paragraphen lautet:
Wer im Besitz von Unterlagen ist, die Angaben über den Verbleib von Kriegsgefangenen, festgehaltenen oder verschleppten Zivilpersonen oder Vermißten enthalten, ist zur Auskunft über diese Unterlagen verpflichtet.
Hier soll es heißen:
ist den in § 1 bestimmten Dienststellen zur Auskunft über diese Unterlagen verpflichtet. Dann soll der Paragraph weiter lauten:
Auf Verlangen ist ihnen Einsicht in die Unterlagen zu gewähren.
Schließlich soll der Schlußsatz des § 3 dahingehend geändert werden, daß die Verfolgung nicht nur auf Antrag des Bundesministers für Vertriebene eintreten soll; es soll vielmehr heißen:
Die Verfolgung tritt nur auf Antrag der auskunftsberechtigten Dienststelle ein.
Das wäre alles.
Weitere Wortmeldungen zur zweiten Beratung liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, damit Klarheit besteht, stelle ich noch einmal zusammen. Es ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier für die Antragsteller beantragt worden, in § 1 an Stelle der Worte: „Dem Bundesminister für Vertriebene" zu sagen: „Dem Bundeskanzleramt, der von ihm bestimmten Bundesbehörde". Dann heißt es weiter: „oder der jeweiligen obersten Landesbehörde". Im § 2 ist in der vierten Zeile hinter dem Wort „enthalten" zu sagen: „ist den in § 1 bestimmten Dienststellen zur Auskunft über diese Unterlagen verpflichtet" statt „ist zur Auskunft über diese Unterlagen verpflichtet". Und dann soll es weitergehen:
„Auf Verlangen ist ihnen Einsicht in die Unterlagen zu gewähren." ({0})
.In § 3 soll es an Stelle der Worte „des Bundesministers für Vertriebene" heißen: „auf Antrag der auskunftberechtigten Dienststellen".
({1})
({2})
- Meine Damen und Herren, ich bin hier keine Korrekturstelle für Anträge. Soll es „einer" oder „der" heißen?
({3})
- Damit sind alle umfaßt. Ich glaube, daß da kein Zweifel besteht.
({4})
- Die Juristen sind anderer Meinung, Herr Abgeordneter Gerstenmaier. Darf ich Ihnen vorschlagen - damit nicht der Eindruck entsteht, als ob alle gemeinsam den Antrag stellen müßten - zu sagen: „einer auskunftberechtigten Dienststelle"? Besteht darüber Einmütigkeit?
({5})
- Das ist der Fall.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und der übrigen Antragsteller, den ich soeben bekanntgegeben habe, zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 1, - 2, - 3, - 4, Einleitung und Überschrift in der soeben beschlossenen, Fassung des Abänderungsantrages. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. - Ich schließe die zweite Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 1, -2, - 3, - 4, Einleitung und Überschrift des Gesetzes in der Fassung, die in der zweiten Beratung beschlossen wurde. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz im ganzen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei sechs Enthaltungen angenommen.
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt bis auf den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1931. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Wiederum bei sechs Enthaltungen angenommen. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung endgültig erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Europa-Paß und Sichtvermerkzwang ({6});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen betreffend Aufhebung des Visumzwanges für Jugendliche und Schaffung' eines Europa-Passes ({7}).
Es ist Ihnen inzwischen weiterhin ein Antrag der Fraktion der SPD zum gleichen Thema in Drucksache Nr. 1962 zugegangen:
Antrag der Fraktion der SPD betreffend
Europa-Paß und Sichtvermerkzwang.
Es sind vorgesehen zur Begründung der Interpellation zehn Minuten und fünf Minuten für die der beiden Anträge. Eine Aussprache ist vom Altestenrat nicht vorgesehen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Mommer.
Dr. Mommer ({8}), Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird zweckmäßig sein, daß ich nicht nur die Begründung der Interpellation gebe, sondern auch gleich einige Worte zu den beiden, soeben vom Herrn Präsidenten genannten Anträgen sage.
Es ist gar kein Zweifel, daß die Europa-Idee im deutschen Volk und insbesondere bei der deutschen Jugend Interesse erweckt, ja sogar Begeisterung. Aber ich glaube, ich stehe nicht allein mit der Meinung, daß da manches schief läuft. Gerade die deutsche Jugend beginnt den Eindruck zu haben, daß man zu sehr über den Wolken schwebt, daß man z. B. Bundesstaatsverfassungen entwirft und sich zuerst an die schwierigen Probleme heranmacht, während man auf Einzelgebieten im Konkreten manches tun könnte und es nicht tut. Auf eine solche konkrete Frage beziehen sich die Interpellation und der Antrag der SPD-Fraktion. Wir wollen hier etwas t u n , wo keine Phrasen gemacht werden können, sondern wo es darum geht, praktisch für die Abtragung der Schranken zwischen den Nationen etwas zu leisten. Wenn die Völker staatlich zusammengefaßt werden sollen, so müssen sie einander vorher auch kennenlernen. Besonders die europäische Jugend läuft Sturm gegen die Grenzen, und die deutsche Jugend läuft Sturm gegen die Paß- und die Visumschikanen. Es ist richtig, daß dieses Anliegen zum Teil ein spezifisch deutsches Anliegen ist. Nur noch in einigen Staaten unter den demokratischen Ländern Europas, wie in Deutschland, Österreich, Griechenland, Portugal und der Türkei, werden Visen im gegenseitigen Reiseverkehr gebraucht. Österreich ist es gelungen, mit Italien und der Schweiz Abmachungen zu treffen, wodurch die Visen im Reiseverkehr zwischen Österreich und diesen beiden Ländern überflüssig wurden. Durch den Übergang der Paßhoheit in deutsche Hand am 1. Februar dieses Jahres ist uns die Möglichkeit gegeben, auf diesem Gebiet Initiative zu entfalten. Das Combined Travel Board geht seinem natürlichen Tode entgegen. Ich glaube, es wäre unschicklich, jetzt über den Sterbenden das Schlechte zu sagen, was man über ihn gedacht hat, als er noch bei Kräften war. Wenn wir Initiative entfalten, so können wir sicher sein, daß wir Wind in den Segeln haben. Beim Europarat liegt seit langem ein Projekt auf Schaffung eines Europa-Passes. Die Fragen 1 und 2 der Interpellation der SPD beziehen sich auf diesen Europa-Paß. Man kann Zweifel darüber haben, ob diese Idee eine sehr praktische Idee und ob sie sehr zeitgemäß ist, aber es ist sicher eine förderungswürdige Idee. Deshalb möchten wir, daß die Bundesregierung alles tut, damit diese Idee der Verwirklichung nähergebracht wird.
Auch bei der OEEC ist im April vorigen Jahres eine Empfehlung zur Annahme gelangt, die allen Mitgliedsstaaten empfiehlt, die Sichtvermerke im Reiseverkehr abzuschaffen. Es ist ein kleiner Irrtum in diesem Punkt 4 unterlaufen. In der Empfehlung des Rates der OEEC ist Deutschland nicht von dieser Empfehlung ausgenommen. Nur in dem Bericht des Sekretariats an den Rat war für Deutschland und Österreich eine Ausnahme vorgeschlagen.
Das Kernstück der Interpellation der SPD und ihres Antrags Drucksache Nr. 1962 ist der Punkt,
({9})
nach dem die Bundesregierung veranlaßt werden soll, an alle demokratischen Staaten Europas das Angebot zu richten, im gegenseitigen Reiseverkehr die Sichtvermerke fallenzulassen. Man macht uns Vorschläge zu einer Montanunion, man macht uns Vorschläge zur Bildung einer Europaarmee. Hier ist etwas sehr Konkretes, Praktisches, nicht sehr Großes, was wir den anderen vorschlagen können, und ich muß gestehen, daß mich ein Teufelchen dabei reitet. Ich bin nämlich sehr neugierig, wie die Regierungen in den verschiedenen Hauptstädten auf ein solches Angebot reagieren werden. Wir werden da sehen, wieweit die Reden über Europa und Vereinigung Europas ernst gemeint sind
({10})
oder wieweit sie zu Phrasen werden, zumindest dann, wenn es sich darum handelt, die deutsche Gleichberechtigung zu konkretisieren.
Wenn aber diese demokratischen Regierungen glauben sollten, daß Europäer deutscher Nationalität auch weiterhin nicht ohne Visumschikanen reisen sollten, dann wollen wir ihnen vorschlagen, wenigstens die Jugend Europa ohne diese Schikanen kennenlernen zu lassen. Deshalb der Punkt 5 der Interpellation und der entsprechende Punkt dés Antrags.
Ich muß ein Wort zu dem Antrag des Kollegen Strauß sagen. Herr Kollege Strauß, Ihr Antrag ist nicht sehr vollständig. Auch ist der Begriff „Europa-Paß" nicht richtig verwendet. Der sozialdemokratische Antrag geht sehr viel weiter, und ich würde deshalb bitten, hier den sozialdemokratischen Antrag anzunehmen.
Der Antrag der SPD enthält unter b) auch die Bitte an unsere Kollegen, die Delegierte in der Europäischen Versammlung sind, dort einen Entschließungsentwurf einzubringen, der unsere europäischen Kollegen in Straßburg verpflichten soll, sich zu Hause für die Annahme des deutschen Angebots mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einzusetzen. Auch da wird es für uns interessant sein, ob unsere Kollegen zu der europäischen Fahne stehen, wenn es darum geht, uns Deutsche ein wenig freier in Europa reisen zu lassen.
Vielleicht darf ich der Bundesregierung noch einen kleinen Hinweis geben. Das Anliegen dieser Interpellation und des Antrags ist eigentlich nicht ganz up to date. Zwischen Belgien, Luxemburg, Frankreich und der Schweiz und zwischen Belgien und Holland braucht man auch keinen Paß mehr, und es ist fast wieder so schön, wie es vor 1914 war. Dort kann man mit der gültigen Kennkarte über die Grenze gehen. Aber so unbescheiden wollen wir Deutschen zunächst einmal nicht sein, sogar zu verlangen, daß man keinen Paß mehr brauchen soll, wenn man von hier nach Paris reisen will. Immerhin, wenn die Bundesregierung bei den Gesprächen, die sich da anbahnen werden, auf eine sehr warme europäische Atmosphäre stoßen sollte, dann sollte sie es nicht als diesem Antrag entgegen betrachten, wenn sie zu Abkommen käme, in denen sogar die Kennkarte genügte, um über eine Grenze zu gehen.
Meine Damen und Herren! Mit der Europaidee ist es so, daß die Begeisterung verpuffen kann, wenn immer nur große Pläne kommen, wenn man immer nur Zukunftsmusik hört. Neben die großen Pläne müssen zumindest auch kleine praktische Fortschritte treten.
({11})
Wenn wir den Sichtvermerkzwang wegbekommen,
dann wäre das ein solch kleiner, aber doch bedeutsamer praktischer Fortschritt.
({12})
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß wir vor der Beantwortung der Interpellation die Begründung des Antrags der Herren Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen hören. Herr Abgeordneter Strauß!
Strauß ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind selbstverständlich damit einverstanden, den weitergehenden Vorschlägen der Fraktion der SPD in ihrer Interpellation und in ihren Antrag zuzustimmen. Unser Antrag Drucksache Nr. 1839 stellt auch etwa keine Einschränkung dar, sondern war darauf abgestellt, die wesentlichste Forderung der europäischen Jugendkundgebung vom September letzten Jahres in München hier, nachdem die Dinge anderweitig nicht vorwärtsgekommen sind, in Form eines Antrags etwas zu unterstützen und in der Durchsetzung zu beschleunigen. Wir haben deshalb auch den Zusatz in Klammern „Europapaß" nicht verstanden als einen Paß allein für die Bürger europäischer Staaten im Alter bis zu 30 Jahren, sondern als einen Teil des Europapasses, der zumindest jetzt sofort der Jugend der demokratischen Völker Europas gegeben werden sollte.
Wenn man die Paßbestimmungen der letzten Jahre als Leidtragender selbst miterlebt hat, wenn man gleichzeitig auf zahlreichen Konferenzen der europäischen Parlamentarier, der Union und aller dieser Verbände und Organisationen die stundenlangen Gespräche über die Notwendigkeit miterlebt und gleichzeitig die unglaubliche Starrheit, möchte man fast sagen, der europäischen Regierungen in der Verzögerung auf allen Seiten erlebt hat, dann ist dem Kollegen Mommer rechtzugeben, daß diese natürlichen und vernünftigen Forderungen bisher an der Starrheit der Regierungen gescheitert sind. Auf dem Wege über staatsrechtliche Gespräche oder Wirtschaftspläne werden wir Europa nicht von obenher verwirklichen können, wenn nicht gleichzeitig von untenher den Völkern die Möglichkeit gegeben wird, auf leichteste Art und Weise miteinander in Berührung zu kommen und sich gegenseitig kennenzulernen. In besonderem Maße ist das notwendig bei der Jugend, der man wirklich alle Schranken wegräumen sollte, um ihr die Möglichkeit des gegenseitigen Kennenlernens zu geben. Man kann, wenn man die Auslandszeitungen liest, mit etwas Pessimismus feststellen, daß im Laufe der letzten Jahre alle diejenigen ins Ausland gekommen sind, deren Ausreise die Alliierten haben verhindern wollen, und daß diejenigen, an deren Ausreise sie hätten interessiert sein sollen, tausend bürokratische Schwierigkeiten und Formalitäten zu erledigen hatten, um hinauszukommen. Ich denke an die Namen einer Reihe von Militärs und Größen des Dritten Reiches, die heute in irgendwelchen Staaten, ohne jemals einen Paß erhalten zu haben, dem Ausland ihre Dienste zur Verfügung stellen, und an die Reihe der Gutwilligen, die zu Hause bleiben mußten, weil man sie nicht hinausgelassen hat.
Wir stimmen deshalb auch dem Antrag der SPD zu, bitten aber die Regierung, mit besonderer Beschleunigung diese Erleichterungen für die Jugend Deutschlands und die Jugend der europäischen Staaten als das erste Zeichen des good will zum wirklichen Zusammenkommen zu erwirken.
({1})
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern.
Ritter von Lex Staatssekretär im Bundesministerium des Innern: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Interpellation der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 1837 enthält sechs Fragen. Ich darf diese Fragen namens der Bundesregierung folgendermaßen beantworten.
Zu Frage 1: Die Beratende Versammlung des Europarats hat am 8. September 1949 bereits eine Empfehlung wegen Schaffung eines europäischen Passes angenommen und dem Ministerrat zugeleitet. Dieser hat die Empfehlung dann zur Prüfung an die Regierungen weitergegeben. Ein von dem Herrn Abgeordneten Mommer und Genossen in der ordentlichen Tagung der Beratenden Versammlung im Herbst 1950 eingebrachter Antrag ist vom ständigen Ausschuß, wie die Formulierung lautet, in Erwägung gezogen und zwecks Prüfung an den. Ausschuß für juristische und Verwaltungsfragen weitergeleitet worden. Der Antrag bewegt sich in der Richtung, die Regierungen durch den Ministerrat zu bitten, ihre Stellungnahme in kürzester Frist zum Abschluß zu bringen. Der Antrag empfiehlt ferner den Regierungen, bis zur Schaffung des europäischen Passes den noch bestehenden Sichtvermerkzwang für junge Leute unter 25 Jahren aus den Mitgliedsstaaten zu beseitigen. Die Stellungnahme der Regierungen liegt nunmehr erfreulicherweise vor. Der Generalsekretär des Europarats hat daher in Aussicht genommen, demnächst einen Ausschuß von Regierungssachverständigen zur Prüfung der Antworten einzuberufen. Die Bundesregierung ist zur Teilnahme an diesen Verhandlungen eingeladen worden. Sie wird daran teilnehmen.
Zu Frage 2: Die Bundesregierung ist bereit, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln an der Verwirklichung des Planes eines europäischen Passes mitzuwirken, weil sie darin einen wertvollen Beitrag zur Förderung des Europagedankens erblickt.
Zu Frage 3 darf ich folgendes ausführen: Die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges ist nach Ansicht der Bundesregierung ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur Beseitigung der während der letzten dreieinhalb Jahrzehnte, insbesondere nach den beiden Weltkriegen aufgerichteten Schranken des freien Reiseverkehrs in einem demokratischen Europa. Die Bundesregierung ist um so eher bereit, den demokratischen Regierungen die Abschaffung des Sichtvermerks auf der Grundlage der Gegenseitigkeit vorzuschlagen, als zwischen den übrigen europäischen demokratischen Staaten im Wege zwischenstaatlicher Vereinbarung der Sichtvermerkzwang bereits in Wegfall gekommen ist.
Zu Frage 4 darf ich ausführen: Bei ihrer positiven Einstellung zu dem Problem ist die Bundesregierung, nachdem ab 1. Februar 1951 erfreulicherweise die Paßhoheit wieder auf sie übergegangen ist, bereit, im Rate der OEEC eine Empfehlung an die Mitgliedsstaaten wegen Beseitigung der Sichtvermerke für Deutschland zu erwirken.
Zu Frage 5: Aus ihrer grundsätzlichen Einstellung zur Frage der Aufhebung des Sichtvermerkzwanges überhaupt ist die Bundesregierung bereit, als einen Schritt zur Erreichung dieses Zieles auf das allerdringlichste die Abschaffung des Sichtvermerkzwanges für Jugendliche bis zu 25 Jahren vorzuschlagen, soweit sich die allgemeine Aufhebung leider vorerst noch nicht verwirklichen lassen sollte. Der Herr Bundeskanzler ist in diesem Sinne bereits mit einer Note vom 9. dieses Monats an die Alliierte Hohe Kommission herangetreten.
Zu Frage 6 darf ich berichten: Eine generelle einseitige Aufhebung des Sichtvermerkzwanges, selbst auch nur für Jugendliche, erscheint der Bundesregierung untunlich, meine Damen und Herren, da sich die Bundesregierung dadurch eines wichtigen Mittels berauben würde, auch für uns Deutsche allgemein die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges zu erreichen. Auch für ausländische Jugendliche kann daher nach Meinung der Bundesregierung grundsätzlich keine allgemeine einseitige Befreiung vom Sichtvermerkzwang zugestanden werden. Beim Vorliegen eines bedeutenden politischen, kulturellen oder wirtschaftlichen Interesses an der Einreise ist jedoch die Bundesregierung im Einzelfall sowohl für Jugendliche wie für Erwachsene bereit, Befreiung vom Sichtvermerkzwang zu gewähren, und zwar auch dann, wenn die Gegenseitigkeit noch nicht verbürgt ist.
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen auf Drucksache Nr. 1839 sowie zum Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 1962 darf ich folgendes sagen. Diese beiden Anträge werden von der Bundesregierung allgemein, besonders aber auch wegen ihrer Bedeutung für unsere Jugend dankbar begrüßt. Wie ich eben erwähnt habe, hat der Herr Bundeskanzler am 9. Februar dieses Jahres den Herrn geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission gebeten, den Regierungen der drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Mächte nahezulegen, die Einführung eines Jugendpasses ihrerseits nach Kräften zu fördern. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Note angeregt, den Jugendpaß zunächst von den europäischen Regierungen schaffen zu lassen. Die Bundesregierung beabsichtigt, mit den westlich orientierten Nachbarstaaten der Bundesrepublik auf dieser Grundlage in Verbindung zu treten und bei deren Regierungen anzuregen, schon vor der Schaffung des europäischen Jugendpasses eine Lockerung des Visumzwanges für junge Menschen eintreten zu lassen, damit die internationale Begegnung der Jugend schon bald gefördert werden kann.
Die Bundesregierung beabsichtigt ferner, durch den Herrn Bundeskanzler die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit darum zu bitten, bei den zunächst beteiligten Regierungen auf die Einführung des Jugendpasses hinzuwirken. Es ist zu hoffen, daß die Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers, die durch die beiden Anträge Drucksache Nr. 1839 und Nr. 1962 so wirksam unterstrichen werden, bei der Alliierten Hohen Kommission von Erfolg sein werden, damit durch die Erleichterung des Paß- und Visumzwanges die demokratische Jugend in Zukunft mehr Möglichkeiten als bisher findet, zusammenzukommen und von sich aus die Verständigung der Völker zu fördern.
({0})
Meine Damen und Herren, eine Überweisung an einen Ausschuß ist nicht beantragt. Darf ich die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Strauß so verstehen, daß er seinen Antrag zugunsten des Antrages der SPD zurückzieht?
({0})
({1})
- Es wird beabsichtigt, beide Anträge zur Abstimmung zu stellen.
Die Interpellation ist durch die Beantwortung erledigt. Eine Besprechung sollte nicht stattfinden. Es liegt einmal der Antrag der Abgeordneten Strauß, Kemmer und Genossen, Drucksache Nr. 1839 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
({2})
- Herr Abgeordneter, es besteht kein Zweifel darüber, daß beide Anträge angenommen werden. Ich habe daher keinen Anlaß zu erwägen, welches der weitergehende Antrag ist. Sachlich haben Sie recht. - Der Antrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über den- Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 1962. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Beide Anträge sind angenommen. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des
Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes ({3}).
Ich darf annehmen, daß sich die Bundesregierung auf ihre schriftliche Begründung bezieht. - Es ist offenbar der Fall. Der Herr Bundesminister für Verkehr ist nicht anwesend.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesen Antrag ohne Aussprache dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen.
({4})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schulze-Pellengahr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf wurde notwendig, weil sich die optimistische Annahme des Bundesrates, daß bis zum 31. März 1951 das neue Güterfernverkehrsgesetz verabschiedet werden könnte, wahrscheinlich nicht erfüllen lassen wird. Heute morgen ist das Güterfernverkehrsgesetz in der ersten Lesung im Ausschuß für Verkehr behandelt worden. Es wird eine gewisse Zeit dauern, bis es durchberaten ist. Ich stelle deshalb namens der Mitglieder des Ausschusses für Verkehr den Antrag, das Gesetz, weil es doch nur eine beschränkte Dauer hat, sofort in erster, zweiter und dritter Lesung zu verabschieden und es nicht erst an den Ausschuß zu verweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Ausschusses für Verkehrswesen gehört. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf auf der Drucksache Nr. 1890 mit einem einzigen Paragraphen: Verlängerung der Geltungsdauer des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen. Es war vorgesehen, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. Ich glaube, daß wir bei dieser Regelung bleiben können. - Die erste Beratung ist damit beendet.
Ich rufe zur
zweiten Beratung
auf. Ich bitte die Damen und Herren, die dem einzigen Paragraphen des Gesetzes, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die zweite Beratung ist beendet; der einzige Paragraph ist angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem einzigen Paragraphen des Gesetzes, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Damit ist das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ({0});
Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({1}).
({2})
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß wir entsprechend dem Vorschlag des Haushaltsausschusses das Verfahren damit beginnen, die Einzelpläne des Haushalts in der zweiten Beratung nicht im Zusammenhang, sondern einzeln je nach Fertigstellung zu beraten. Ich glaube, daß das der sachlichen Behandlung dient und daß es unsere Arbeit und ebenso die Haushaltsberatungen fördert. Es ist von einzelnen Fraktionen mit Rücksicht darauf, daß ein Teil der Abgeordneten aus verständlichen Gründen nicht anwesend sein kann, vorgeschlagen worden, die Abstimmung der zweiten Beratung morgen stattfinden zu lassen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
({3}) Zunächst rufe ich auf:
Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat sich dahin verständigt, daß für die Erörterung des Haushalts des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts eine Redezeit von 60 Minuten vorgesehen sein soll. Ich weise auf diese Begrenzung hin. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte den Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Bausch ({4}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage des Haushaltsausschusses habe ich über das Ergebnis der Beratungen des Ausschusses über den Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes - zu berichten. Der Plan liegt Ihnen vor. Die Beschlüsse des Haushaltsausschusses' sind in Drucksache Nr. 1901 niedergelegt. Der Haushalt schließt nach den Beschlüssen des Ausschusses mit einem Zuschußbedarf von 1 142 200 DM ab. Der Zuschußbedarf ist, verglichen mit dem Rumpfhaushalt für die Zeit vom 21. September 1949 bis zum 31. März 1950, bei Berücksichtigung der verschiedenen Laufzeit der Haushalte erheblich niedriger, weil in dem Rumpfhaushalt einmalige Ausgaben für die erstmalige Be({5})
Schaffung von Schreibbedarf, Büromöbeln, Dienstkraftwagen, für die erstmalige Einrichtung einer Fernsprechanlage und für die erstmalige Einrichtung der Dienstwohnung des Bundespräsidenten in Höhe von rund 400 000 DM enthalten waren, die in dem Haushalt 1950 wegfallen.
Einige Posten des Haushalts haben sich jedoch gegenüber dem letzten Jahr erhöht. Insbesondere wurde dem Haushalt ein neuer Tit. 31 für die Übernahme von Patenschaften, die Gewährung von Ehrensolden, Ehrengaben und Zuwendungen aus besonderer Veranlassung mit 160 000 DM neu eingefügt. Der Tit. 24, aus dem diese Aufwendungen bisher bestritten wurden, wurde um 20 000 DM herabgesetzt. Dadurch ist per Saldo gegenüber dem letzten Jahr für diese Zwecke ein Mehraufwand von 140 000 DM entstanden. Die im vergangenen Jahr für diese Zwecke vorgesehenen Mittel haben sich nicht als ausreichend erwiesen. Allein für die Übernahme von etwa 3 600 Ehrenpatenschaften für das siebente lebende Kind einer Familie entsteht ein Aufwand von 108 000 DM. Weitere Beträge werden für Ehrengaben, für Zuwendungen an Alters- und Ehejubilare und zur Gewährung von kleinen Unterstützungen an Bittsteller in Fällen von besonderer Bedürftigkeit verwendet.
Auch der personelle Aufwand hat sich etwas erhöht. Eine Amtsratsstelle wurde zusätzlich bewilligt. Außerdem wurde der Bestand des Kanzleipersonals um 5 Bürokräfte vermehrt. Die Zahl der Arbeiter mußte wegen der Verlegung des Dienstsitzes des Bundespräsidenten in die Villa Hammerschmidt nach Bonn um zehn erhöht werden. Insgesamt werden nunmehr beim Bundespräsidenten und beim Bundespräsidialamt 13 Beamte, 19 Angestellte und 18 Arbeiter beschäftigt. Das sachliche Bedürfnis der veranschlagten neuen Stellen wurde vom Haushaltsausschuß anerkannt. Es mag von Interesse sein, festzustellen, daß im Haushalt des früheren Reichspräsidenten im Jahre 1932 21 planmäßige Beamte veranschlagt waren, so daß beim Bundespräsidenten 8 Beamte weniger beschäftigt werden als seinerzeit beim Reichspräsidenten.
Die einzige Änderung der Plansätze gegenüber dem Planentwurf, die der Haushaltsausschuß beschlossen hat, stellt der Plansatz für Tit. 15 dar, in dem die Miete für die Viktorshöhe, den früheren Sitz des Bundespräsidenten, ausgewiesen ist. Bei der Aufstellung des -Haushaltsplans wurde angenommen, daß die Übersiedlung des Bundespräsidenten in seinen neuen Dienstsitz Ende November vollzogen sein werde. Infolge der Verzögerung in der Fertigstellung des Gebäudes des Bundespräsidialamts hat sich jedoch die Übersiedlung um drei Monate verzögert, für die nunmehr zusätzlich die Miete bewilligt werden mußte. Ab 1. März 1951 fällt die Miete für die Viktorshöhe ganz weg.
Der Antrag des Haushaltsausschusses geht dahin, die Anlage Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts für das Rechnungsjahr 1950 - mit den aus der Drucksache Nr. 1901 ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschluß-summen, im übrigen aber unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn "Berichterstatter. Sie haben den Antrag des Ausschusses gehört. Ich eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner. Im Rahmen der 60 Minuten 5 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich beschäftige mich nur mit dem Zahlenbild dieses Etatanschlages. Wir haben es uns für
die dritte Lesung des Haushalts vorbehalten, die
politische Position des Bundespräsidenten zu beleuchten. Ich habe an den Herrn Berichterstatter
eine Frage zu richten: Wie erklärt er sich die Ausgabeposition Kap. E 12 Tit. 1 „Einrichtung der
Gärtnerei und Beschaffung der notwendigen Gerätschaften"? Ich wäre sehr dankbar, wenn der
Herr Berichterstatter uns die tatsächliche Aufwendung für diesen Zweck hier bekanntgeben würde.
({0})
- Sicher darf er einen Garten haben. Ich bin auch der Meinung, daß er den Garten nicht selber eingerichtet hat. Ferner bin ich der Auffassung, daß er selber nicht für die ungeheure Überteuerung verantwortlich ist, die bei dieser Gartenanlage und der Ausstattung seines Dienstsitzes erfolgt ist. Aber es wäre doch gut, wenn die Öffentlichkeit erfahren würde, was der Garten, so wie er jetzt ist, tatsächlich gekostet hat. Vielleicht sind Sie so freundlich und erledigen das mit einem Zwischenruf, damit ich nachher auf eine andere Sache eingehen kann.
({1})
- Wir diskutieren hier über den Etat des Bundespräsidenten; der heißt nicht Stalin.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Bausch ({0}), Berichterstatter: Ich wundere mich über die Frage, die der Herr Abgeordnete Renner an mich gestellt hat. Ich wundere mich darüber vor allem deshalb, weil er ja Gelegenheit gehabt hat, an den Beratungen des Haushaltsausschusses teilzunehmen und dort diese Frage zu stellen. Er hat auf diese Gelegenheit verzichtet.
Wenn Sie, Herr Kollege Renner, von dieser Gelegenheit Gebrauch gemacht hätten, hätten Sie mit geringer Mühe feststellen können, daß die mißtrauischen und bösartigen Gedanken, denen Sie jetzt Ausdruck gegeben haben, in gar keiner Weise begründet sind. Die Frage, was der Garten des Herrn Bundespräsidenten gekostet hat, kann ich Ihnen zwar ziffernmäßig nicht beantworten. Ich kann Ihnen aber sagen, daß der Garten im großen und ganzen in dem Zustand belassen worden ist, in dem er sich seit Jahren befunden hat. Daran ist so gut wie gar nichts oder nur wenig geändert worden. Ich weiß auch, daß wir seinerzeit, als wir im Haushaltsausschuß die Kosten für die Einrichtung der Villa Hammerschmidt bewilligt haben, in denen auch die Kosten für die Instandsetzung des Gartens enthalten waren, sehr erfreut darüber waren, wie niedrig diese Instandsetzungskosten veranschlagt waren. - Also das, was Sie hier durch die Blume als Verdacht ausgesprochen haben, ist in gar keiner Weise begründet.
({1})
({2})
Und dann die andere Frage: Wozu braucht man diese im Haushaltsplan vorgesehenen Kosten für die Einrichtung der Gärtnerei und die Beschaffung der notwendigen Gerätschaften? Dazu möchte ich nur folgendes sagen: es sind ganze 3000 Mark für diesen Zweck ausgewiesen. Im übrigen ist es nicht nur wohl vertretbar, sondern sogar notwendig, den Garten, in dem die Wohnung des Oberhauptes der deutschen Bundesrepublik liegt, in angemessener Weise instandzuhalten. Das noch besonders zu begründen, halte ich wirklich nicht für notwendig.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner. Weitere 3 Minuten!
Herr Berichterstatter, entschuldigen Sie! Ich habe die Frage gestellt, um Sie zu veranlassen, die Zahl zu nennen. Warum ich die Zahl wissen will, werden Sie erfahren, wenn wir dasselbe Problem bei Ihrem Herrn Bundeskanzler diskutieren.
({0})
- Bei Ihrem Herrn Bundeskanzler!
({1})
- Meiner? Ich habe ihn nicht gewählt!
({2})
Aber bei Ihrem Herrn Bundeskanzler werden wir, wenn wir die Einrichtung seiner Diensträume und seines Parkes diskutieren werden, auf diese Frage zurückkommen, Herr Bausch.
({3})
- Sie haben mich sehr gut verstanden!
({4})
- Ich kenne Sie, Sie haben ein feines Gehör!
({5})
Ich habe diese Frage nur angeschnitten, um sie in eine gewisse Parallele zu bringen. Als dieses Problem im Haushaltsausschuß behandelt wurde, stand auch die Frage des Zuschusses an die Gemeinschaftsküche zur Diskussion. Darüber steht in dem Protokoll, das auch Sie bekommen haben, Herr Bausch, es solle darauf hingewirkt werden, daß im kommenden Jahr ein Abbau erreicht werde. Ich bin der bescheidenen Auffassung, daß, wenn hier an die Einrichtung des Palastes des Herrn Bundespräsidenten mit einer derartigen Großzügigkeit herangegangen worden ist - einer Großzügigkeit, die bei dem Palais des Herrn Bundeskanzlers noch ungeheuerlich übersteigert worden ist -, es angesichts dieser riesigen Summen nicht angebracht ist, die Frage einer Senkung der Ausgabeposition für die Gemeinschaftsküche der Beamten und Angestellten aufzuwerfen. Das wollte ich nur herausstellen. Das politische Amt, die politische Funktion des Herrn Bundespräsidenten werden wir, wie, schon gesagt, bei der dritten Lesung behandeln.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, ich rufe auf den
Einzelplan II - Haushalt des Deutschen
Bundestags ({0}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor, - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter, Abgeordneter Bahlburg.
Bahlburg ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen über den Einzelplan II, den Haushalt des Bundestages, zu berichten. In der Generalaussprache hat der Haushaltsausschuß sich weitgehend bemüht, Sparmaßnahmen für dieses Haus zu ermitteln, und hat sie auch weitgehend erwirkt. Der Zuschußbedarf ist von 16 528 000 DM auf 15 928 000 DM, also um 600 000 DM gesenkt worden.
Er hat sich mit der Einrichtung dieses Hauses eingehend beschäftigt und festgestellt, daß einiges noch der Erweiterung bedarf, um den Anforderungen gerecht zu werden. Insbesondere muß die Pressestelle verstärkt werden, damit diese die Möglichkeit hat, dem deutschen Volke die Tätigkeit des Bundestages zu vermitteln, wie sie sich innerhalb dieses Hauses tatsächlich vollzieht. Wir waren der Meinung, daß, wenn der Öffentlichkeit ein wahres Bild von der Leistung dieses Hauses gegeben wird, damit das deutsche Volk auch wieder mehr Vertrauen zu sich selbst und seinen Vertretern bekommt.
Im einzelnen sind folgende Änderungen vorgenommen worden. Man konnte ziemlich genau auf die Einzelheiten eingehen, da uns mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Jahreszeit in fast allen Fällen die bisherigen Ist-Ausgaben vorgetragen werden konnten. Dabei hat sich ergeben, daß bei den Einnahmen in Kap.1 Tit. 1 der Betrag von 52 800 DM wesentlich verringert werden mußte, da sich herausstellte, daß das Bundeshausrestaurant in Anbetracht seiner Eigenheit des Stoßbetriebes, des unregelmäßigen Betriebes, eine Rente nicht abwirft. Daher mußte ein Betrag von 30 000 Mark gestrichen werden. Auch die Kantine ist nicht imstande, eine Pacht aufzubringen.
Sodann erführen die übrigen Posten eine Änderung. Insgesamt ist daher bei diesem Titel mit einer Einnahme in Höhe von nur 15 300 DM zu rechnen.
({2})
Beim Tit. 2 werden 700 DM mehr erwartet.
Bei Tit. 3, Gebühren und Strafen, wo bisher kein Ansatz vorhanden war, sind 1000 DM eingesetzt worden. Bei Tit. 4, Einnahmen aus Veröffentlichungen, ist der Ansatz von 500 DM auf 3 300 DM erhöht worden. Im Tit. 6 sind die vermischten Einnahmen von 100 DM auf 1500 DM erhöht worden.
An dem Stellenplan konnten einige Veränderungen vorgenommen werden. Von 5 Amtsräten soll eine Stelle künftig in eine Angestelltenstelle umgewandelt werden. Von 12 Regierungsoberinspektorenstellen sollen in Zukunft 2 Stellen von A 4 b 1 in A 4 c 2 umgewandelt werden, und eine Stelle soll zukünftig Angestelltenstelle werden. Von 25 Regierungsinspektorenstellen sind 20 bewilligt worden, wovon in Zukunft 7 in Angestelltenstellen umgewandelt werden sollen. 5 Regierungsobersekretärstellen sind um 2 Stellen erhöht, worden. 14 Regierungssekretärstellen sind um eine verringert worden; 9 Stellen sollen in Zukunft in Angestelltenstellen umgewandelt werden. 14 Regierungsassistentenstellen sind in 9 Kanzleiassistentenstellen umgewandelt worden. 15 Amtsgehilfen-stellen entfallen, so daß sich der Gesamtstellenplan um 24 Stellen verringert hat. Der Gesamttitel ist von 778 400 auf 690 600 DM verringert worden.
({3})
Die Dienstaufwandsentschädigungen konnten von 87 200 DM auf 80 600 DM verringert werden. Hilfsleistungen durch Beamte konnten von 94 000 DM auf 36 500 DM verringert werden. Der Titel Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte mußte von 1 652 700 DM auf 1 817 100 DM erhöht werden.
Trennungsentschädigungen sind mehr entstanden; der Ansatz dafür mußte von 42 000 DM auf 61 000 DM erhöht werden. Ebenso mußte der Titel Fahrkosten erhöht werden, und zwar von 4 200 DM auf 6 100 DM.
Bei den sächlichen Verwaltungsausgaben sind die Ansätze für Geschäftsbedürfnisse ermäßigt worden, und zwar von 1 227 500 DM auf 1 014 100 DM. Der Titel Unterhaltung und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in den Diensträumen mußte von 50 600 DM auf 69 000 DM erhöht werden.
Bei der Bücherei konnte eine Ermäßigung von 197 700 DM auf 137 700 DM eintreten.
Die Unterhaltungskosten der Dienstgebäude sind von 242 500 DM auf 160 000 DM ermäßigt worden und ebenso die Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen von 287 600 DM auf 265 500 DM. Die Position „Unterhaltung und Ergänzung der Geräte und Ausstattungsgegenstände in den Dienstwohnungen" ist von 5 200 DM auf 200 DM ermäßigt worden.
Der Titel „Haltung der Dienstkraftwagen" ist von 135 000 DM auf 144 000 DM erhöht worden.
Der Titel „Kosten für Sachverständige" ist von 20 000 DM auf 45 000 DM erhöht worden.
Der Ansatz für Umzugskosten und Umzugskostenbeihilfen ist von 74 700 DM auf 38 000 DM, der Zuschuß an die Gemeinschaftsküche von 91 800 DM auf 78 000 DM ermäßigt worden.
Bei den allgemeinen Haushaltsausgaben sind die Tagegelder der Kraftfahrer von 600 000 DM auf 440 000 DM ermäßigt worden, da sich herausgestellt hat, daß nicht mehr soviel Kraftfahrer anwesend sind.
Der Titel „Aufwendungen für besondere Veranstaltungen" ist von 20 000 DM auf 10 000 DM ermäßigt worden. Für die Einführung von Jugendgruppen in die Arbeit des Parlaments sind statt 30 000 DM nur 10 000 DM angesetzt worden, da dieser Titel bisher nicht besonders in Anspruch genommen worden ist.
Die Ausgaben für internationale parlamentarische Organisationen und Kongresse sind von 300 000 DM auf 130 000 DM ermäßigt worden.
Bei den einmaligen Ausgaben sind für die Erstanschaffungen zur Einrichtung der Bücherei statt 100 000 DM 160 000 DM vorgesehen. Für Erstanschaffungen von Ausstattungsgegenständen und Geräten sind 35 700 DM eingesetzt worden.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Bundestag, den Haushalteinzelplan II mit den vorgeschlagenen Veränderungen anzunehmen.
Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine aufschlußreiche Berichterstattung.
Ich eröffne die Aussprache. Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag unterlag in dem abgelaufenen Jahr nicht selten der Kritik der Öffentlichkeit, und ,das Verhältnis zwischen Bundestag und Presse war nicht immer so, wie es sich der Bundestag wünscht und auch wünschen muß. Ich glaube, daß in der Zwischenzeit dank einer Änderung der Atmosphäre eine wesentliche Annäherung eingetreten ist und ein besseres gegenseitiges Verstehen Platz gegriffen hat.
Wir dürfen die Dinge nicht immer allzu tragisch nehmen. Der Bundestag unterliegt zu Recht der öffentlichen Kritik. Er sollte selber einen Schuß Humor in sein nicht ganz leichtes Leben bringen. Ich habe mich gefreut, wie mir vorhin ein Kollege eine illustrierte Zeitung brachte. Darauf steht „Der Bundestag tanzt Samba".
({0})
Sambatanz ist etwas ganz Nettes, nur hat nicht der Bundestag Samba getanzt - das ist so ein kleiner Irrtum, hoffentlich nicht absichtlich -, sondern der Bundestag war bei diesem Sambatanzen Gast der Presse, die so nett über ihn berichtet.
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Man kann das j a schließlich nicht dem eingeladenen Gast zum Vorwurf machen und kann nicht etwa daraus schlußfolgern: der Kongreß tanzt.
({2})
Nun, über das Thema Presse ist soviel gesprochen worden, daß ich es mir erlauben kann, im Laufe meiner kurzen Darlegungen nur noch auf einen besonderen Fall am Schluß zu sprechen zu kommen, der aber eigentlich nicht die Presse, sondern etwas anderes angeht.
Ich sehe mit Interesse, daß sowohl die, Photographen als auch die Presse den Bundestag in seiner Arbeit und besonders bei den vielen leeren Bänken beobachten, die im Laufe eines langen Sitzungstages immer wieder in Erscheinung treten. Ich hatte neulich eine Unterhaltung mit einem Pressephotographen wegen einer besonderen Angelegenheit, und ich habe dann auch selbst einmal Anlaß genommen, festzustellen, aus welchem Grunde ein Abgeordneter, der ja im Lichte der Öffentlichkeit steht, hier so oft nicht anwesend ist. Ich nehme das an meinen eigenen Erfahrungen ab. An zwei Tagen der vorigen Woche zählte ich siebzehn Besucher aus dem Bundesgebiet, die zum Teil aus meines Wahlkreis kamen, weil sie ihren Abgeordneten eben nur hier und sonst nirgends erreichen konnten, und diese Besucher nahmen ihn eben .gerade in der Zeit in Anspruch, in der der Abgeordnete eigentlich hier im Plenum hätte sitzen sollen.
Die Zahlen über die Kosten des Bundestags, die draußen herumschwirren, sind manchmal auch ein bißchen, na, sagen wir, nicht ganz genau berechnet. Vielleicht wird man gelegentlich einmal Anlaß nehmen, die echten Kosten des Bundestags mit der Bevölkerungszahl in Vergleich zû setzen. Wir dürfen ruhig mit Fug und Recht Berlin einrechnen und kommen so an Hand dieses Etats zu der Feststellung, daß die Kosten des Bundestags pro Kopf der Bevölkerung rund und roh 33 Pfennig pro Jahr betragen.
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Das ist im Endeffekt immerhin zwar eine erhebliche, aber angesichts der Arbeitsleistung, über die etwas zu sagen sein dürfte, erträgliche Summe.
Ich habe mir einmal die Mühe gemacht - ich habe das im Haushaltsausschuß bereits dargelegt -, den Etat des Deutschen Reichstages vom Jahre 1929 mit dem Etat des Deutschen Bundestages von 1950 zu vergleichen und auch einige Ermittlungen über die Arbeitsleistung anzustellen. Ich war selbst Mitglied des Reichstags ùnd glaube, ein Urteil darüber zu haben. Meine Damen und Herren, es
({4})
ist nicht uninteressant zu wissen, daß der Deutsche Bundestag im Kalenderjahr 1950 93 Gesetze verabschiedet und verkündet hat, daß er weiter 29 Gesetze beschlossen aber noch nicht verkündet hat; das sind zusammen 122. Wenn Sie den Inhalt der einzelnen Gesetze betrachten, dann finden Sie, daß eine gewaltige gesetzgeberische Arbeit geleistet worden ist. Wir sind ein Staat im Umbau der Gesetzgebung wie vorher im Umbau des Verfassungsrechts. Wir konstatieren, daß der Reichstag im Jahre 1929 100 Gesetze verabschiedet hat. Der Bundestag, dessen Arbeit draußen nicht genügend gekannt und genannt wird, hat in der Zeit vom 1. April 1950 bis gestern, dem 20. Februar, unter' Ausschluß des Urlaubsmonats August an 290 Tagen - die Sonntage eingerechnet - 74 Plenarsitzungen, 1350 Ausschußsitzungen, 516 Fraktionssitzungen, 51 Ältestenratssitzungen, zusammen 1991 Sitzungen gehabt, ohne die Sitzungen der Unterausschüsse und ohne die Sitzungen der Fraktionsvorstände.
Meine Damen und Herren, es wird in der Öffentlichkeit - das darf in Wahrung der Rechte des Bundestags auch einmal gesagt werden - oftmals verkannt, daß dieser Bundestag in bezug auf seine besonderen Aufgaben vor ganz neue Situationen gestellt wurde. Ich darf Sie darauf hinweisen, wie ich es gestern abend in einer Unterhaltung im Bundesratssaal bereits andeutete, daß eine Situation entstanden ist, die die Bundestagsabgeordneten viel mehr, als es früher in einem deutschen Parlament der Fall war, zu einem Spezialistentum zwingt
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und zur Meisterung neuer Aufgaben nötigt, von denen früher einfach nicht die Rede war. Ich brauche Ihnen ja nur einige Worte hinzuwerfen, die sich automatisch zu Begriffen bilden. Ich erinnere an alles das, was mit der Besatzung, mit dem Marshall-Plan, mit den ERP-Kontrakten, mit der Wohnungsfrage, mit der gesamtdeutschen Frage, mit dem auf der heutigen Tagesordnung stehenden Kriegsgefangenenproblem und dergleichen zusammenhängt.
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- Und mit dem sogenannten Föderalismus, Herr Kollege Dr. Schäfer, vollkommen richtig! -; und da wird für uns - das wird besonders Sie interessieren müssen - noch eine harte Nuß zu knacken sein.
Nun, meine Damen und Herren, wenn wir diese Vergleiche, Reichstag 1929 - Bundestag 1950, etwas auf das Personalgebiet ausdehnen, dann ergeben sich auch ganz interessante Tatsachen, die natürlich durch die ungeheuere Mehrbelastung dieses Hohen Hauses in den Personalfragen irgendwie einen konkreten Ausdruck finden müssen. Aber es ist gleichwohl interessant, die Zahlen einander gegenüberzustellen. Im Jahre 1932 hat der Reichstag 31 Beamte vom Regierungsrat aufwärts gekannt; der heutige Bundestag hat 32. Beamte insgesamt im Bundestag heute 136 - ohne die Streichungen, die der Haushaltsausschuß vorgesehen und über die der Herr Berichterstatter vorhin berichtet hat -, im Reichstag 128, also heute im ganzen 8 Beamte mehr. Angestellte - hier vollzieht sich nun der große Umbruch - hatte der Reichstag 45, der Bundestag hat deren 179. Arbeiter hatte der Reichstag 168, der Bundestag hat 195 Arbeiter. Die Erklärung liegt in den dem Hause bekannten Tatsachen.
Wir müssen feststellen - und ich glaube, das namens meiner Fraktion wie auch namens anderer Fraktionen ohne Auftrag sagen zu dürfen, da es aus allen Ausschußberatungen herausklingt -, daß hier mit Ausnahme gewisser Überschneidungen, die nachgeprüft und geändert werden müssen, von einer personellen Übersetzung keine Rede sein kann. Es darf auch anerkannt werden, daß besonders durch die Ausschußarbeit, durch die ungeheure Zahl der Ausschüsse und ihre intensive Arbeit eine ganz starke, das Maß des Vergleichbaren im Reichstag im wesentlichen, und im Durchschnitt weit übersteigende Mehrbelastung eingetreten ist.
Wir wenden uns - und wir haben das bereits im Haushaltsausschuß zum Ausdruck gebracht - gegen das System der Überstundenbezahlung. Wir sind der Auffassung, daß da, wo irgendeine Möglichkeit besteht, statt der Bezahlung von Überstunden aus dem Arbeitsmarkt verfügbare Arbeitskräfte eingestellt werden sollten.
Ich freue mich, unterstreichen zu können, daß der Haushaltsausschuß sich sehr viel Mühe gemacht hat, um im Bundestag Sparmaßnahmen einzuleiten. Ich erinnere daran, daß der Haushaltsausschuß den Herrn Präsidenten bzw. das Präsidium des Bundestages gebeten hat, unter Zuziehung fachlich geeigneter Mitglieder des Hauses eine Überprüfung der Organisation des Bundestages vorzunehmen, und daß der Haushaltsausschuß außerdem gefordert hat, daß der Gesamtetat und die Gesamteinrichtung des Bundestages einem Gutachten des Bundesrechnungshofes unterstellt werden.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß wir mitten in der Beratung einer neuen Geschäftsordnung stehen. Wir kennen alle die Wünsche nach einer Verlebendigung in der Arbeit des Hohen Hauses. Ich möchte davor warnen, daß irgendeine Entwicklung, gleichviel welcher Art, begünstigt wird, die den Bundestag zu einer bloßen Abstimmungsmaschine degradiert.
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Das würde das Gegenteil dessen sein, was wir brauchen. Die neue Geschäftsordnung sieht vor - und ich glaube, daß alle Parteien darin einig sind -, daß Fragestunden im Hohen Hause eingeführt werden. Sie sieht verschärfte Bestimmungen in bezug auf den schönen Traum und Wunsch vor, der uns immer wieder beseelt, daß die freie Rede sich hier an diesem Pult ihren Platz erobern möge.
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Sie sieht vor, daß in der Ausschußarbeit - und das wird besonders die Presse interessieren - eine erhebliche Änderung durch die teilweise Übernahme, nein, es ist eigentlich die komplette Übernahme des amerikanischen Systems der public hearings erfolgt, eine vorangehende Informationssitzung, bei der Interessenten und Sachverständige sich vor dem Bundestagsausschuß äußern können.
Aber es kommen noch andere Vorschläge. Mein Kollege Mommer wird Ihnen nachher unter anderem noch jenen Vorschlag zu begründen haben, der einen Dokumentationsdienst vorsieht, auch nach einem Muster der Vereinigten Staaten, der den Abgeordneten mehr Material, rascher Material und zuverlässiges Material beschaffen soll.
Aber all diese Dinge, die uns beschäftigen und die die Öffentlichkeit interessieren, können uns nicht der Pflicht entheben, vom Standpunkte des Bundestages und der Wahrung seiner Rechte aus zu gewissen Auswüchsen Stellung zu nehmen,
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deren schlimmster hier in einer illustrierten Zeitschrift enthalten ist, die dieser Tage erschienen ist „Totengräber am eigenen Haus".
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„Totengräber" - das sind wir alle in dieser Betrachtung; „am eigenen Haus" - das ist dieses Haus. Meine Damen und Herren, wegen des Verfassers, nicht wegen des Inhalts lohnt es sich, einige Worte zu diesem Machwerk, das man eigentlich sehr tief hängen sollte,
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zu sagen. Der Verfasser rühmt sich in diesem Artikel, er habe die Akten genau studiert, die ihn zu diesem Artikel - na, sagen wir: beschwingt haben. Ich möchte fragen: Wer gab dem Verfasser das Recht der Akteneinsicht? Und wenn er sich das Recht erwarb oder nahm, wer gab ihm das Recht, in absolut entstellter, verfälschter, verhetzender und unwahrer Weise derartige Dinge in eine illustrierte Zeitung zu setzen?
Meine Damen und Herren, damit Sie einen Begriff von dem bekommen, was da drin steht: es heißt hier unter einem Bild von dem Plattengang da draußen:
Ein Plattengang sollte vom Bundeshaus zum Rhein führen, damit die Abgeordneten in den Pausen ihrer schweren Tätigkeit Sonne schöpfen und meditieren können. Der Plattenweg führt in die Wüste - ist die Arbeit nicht so schwer?
Dieser Plattenweg gehört nicht dem Bund und nicht dem Bundestag; er gehört der Stadt Bonn.
Dann heißt es einmal - den Anlaß gab eine Wasserlache in den Platten vor dem Restaurant -:
Die roten Sandsteinplatten um das Bundeshaus
wurden auf die losen Erdaufschüttungen verlegt. Nun sind sie eingesunken, und das
Wasser steht darauf - aber man will ja keinen
Pfennig mehr in das teuere Parlamentsgebäude
stecken.
Meine Damen und Herren! Der Verfasser dieses Artikels hat zweifellos dem ihm persönlich sehr nahestehenden Urheber dieses Plattenbelags, Herrn Professor Schwippert, einen Dienst erweisen wollen, der aber vermutlich nach der falschen Seite ausschlägt.
({12})
Der Verfasser sagt zu einem Bild, das an der Einfassung Wasser zeigt:
Wenn man Mauern ohne Abflußröhren baut, bleibt das Wasser stehen. Tagelang, wochenlang unmittelbar hinter dem Bundeshaus. Vielleicht siedeln sich eines Tages noch Enten und Gänse an. Für die Küche des Bundestagsrestaurants.
({13})
Meine Damen und Herren, wer hat denn die Abflußröhren vergessen? Der Freund und Gewährsmann des Verfassers, Herr Professor Schwippert!
Es heißt zu einem anderen Bild:
„Wir brauchen keinen Garten, um Ostereier zu suchen!" rief der Abgeordnete Graf von Spreti vor versammeltem Parlament aus. Sind Sie einmal in diesem Garten spazieren gegangen - 10 Meter südlich des Hauptgebäudes - Herr Graf?
Dazu darf gesagt werden, daß das 'hier photographierte Gelände überhaupt nicht zum Gelände des Deutschen Bundestags gehört.
({14})
Oder:
So sieht es unter Westdeutschlands Bundeshaus aus:
- ein Misthaufen ist da photographiert! ({15})
Die Abfallgrube ist im Hause untergebracht; das scheint als sehr praktisch und fortschrittlich empfunden zu werden. Wir fragen: Muß das sein? Gibt es wirklich keine andere Lösung?
Meine Damen und Herren, die Lösung ist sehr einfach. Der Erbauer des Hauses, Herr Professor Schwippert, hat vergessen, für die nötigen Abstellplätze für den Dreck und den Mist, der im Bundeshaus anfällt - ich meine damit nicht manche Reden hier im Hause -,
({16})
zu sorgen.
Zu einer Photographie heißt es:
Kein Bild von einer „akuten" Reparaturstelle, sondern eine Aufnahme aus dem westdeutschen Bundeshaus.
Die Aufnahme zeigt herunterhängende Drähte und vermittelt einen üblen Eindruck. Wir sind alle, glaube ich, davon überzeugt, daß dieses Bundeshaus alles andere, nur nicht ideal ist.
({17})
Es ist aber festgestellt worden, daß das ein Bild aus einer Zeit ist, in der dort Reparaturen ausgeführt worden sind.
Dann regt sich der Verfasser über den Eindruck auf, den die Fernsprechzellen vor dem Sitzungssaal des Haushaltsausschusses, vor Zimmer 02 auf ihn gemacht haben.
Ich weiß nicht, mit welcher moralischen Begründung derartige Dinge in die Welt gesetzt werden.
Wenn der Herr Verfasser dem Bundestag sogar
noch überflüssige Ratschläge gibt, indem er schreibt: Die Volksvertreter aber sollten sich endlich darüber klar werden, daß der Kampf um Deutschland jetzt und hier in Bonn ausgetragen wird und nirgendwo anders und nirgendwo später,
oder wenn er in beleidigender Weise nicht nur in
bezug auf den erwähnten Dreckhaufen sagt:
Nicht nur den Soldaten schändet alter Dreck, und von dem vor der Haustür pflegt man auf die Bewohner zu schließen,
dann stellt sich doch die Frage: Wer ist dieser Verfasser? Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur raten: setzen Sie sich fest! Der Verfasser ist Professor und Leiter des Presse- und Bildarchivs bei der Bundesregierung, also dem Herrn Bundeskanzler unterstellt
({18})
und Angestellter des Bundes.
({19})
Ich möchte mir, erlauben, den Herrn Bundeskanzler zu fragen, - ({20}) - Das weiß ich nicht.
({21}) Ich möchte den Herrn Bundeskanzler fragen, was er zu tun gedenkt, um derartigen Mißbräuchen der Akten und derart niederträchtigen Beleidigungen des Parlaments einen Riegel vorzuschieben.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Ich für mein Teil kann mir eine Kritik an der Presse ersparen. Generaliter schweigt sie uns tot, vermutlich aus Gründen ihrer Objektivität.
({0})
Ich glaube aber auch, daß das hier nicht die Stelle ist, eine Grundsatzdiskussion um die Haltung der Presse dem Bundestag gegenüber zu führen, wiewohl es wirklich dankenswert war, daß der Herr Kollege Ritzel auch den Namen des Verfassers und mit dem Namen die Tatsache bekanntgegeben hat, daß das ein hoher Beamter unter den Fittichen des Herrn Bundeskanzlers Adenauer ist. Wenn ich jetzt ein Werturteil abgeben würde, bekäme ich einen Ordnungsruf.
({1})
Ich erspare mir also dieses Werturteil.
({2})
- Ich kenne doch meinen Hintermann!
({3})
Ob man diese „Mängel" der Presse nun aber dadurch reparieren wird, Herr Kollege Ritzel, daß die Mittel für die Schaffung einer eigenen Pressestelle beim Bundestagspräsidenten eingesetzt worden sind, wage ich auch noch zu bezweifeln.
({4})
- Ja, es kommt auf den Mann an; aber leider suchen Sie den nicht aus. Sie suchen ihn nicht aus, Herr Ritzel! Er wird sicherlich von denselben Kräften ausgesucht werden, die den Herrn Adenauer hierhergesetzt haben, und dann könnten wir auch auf einige Überraschungen stoßen.
({5})
- Ja, ob das Ihr Eindruck von dem Pamphlet ist, das Herr Ritzel ausgewertet hat,
({6})
das wage ich zu bezweifeln.
Aber nun zu dem Etat selber. Da stoßen wir gleich auf der ersten Seite bei Kap. 1 Tit. 1 auf eine Tatsache, die von dem Herrn Berichterstatter sehr summarisch abgetan worden ist. Ich meine die Tatsache, daß die Einnahmen aus Dienstgrundstücken von 52 800 auf 15 300 DM heruntergesetzt werden mußten. Der Herr Berichterstatter hat gesagt, daß die Eigenheit des Bundestagsrestaurants, die Tatsache, daß das ein Stoßgeschäft -ist, verantwortlich dafür sei, daß dieses Restaurant keine Rente abwirft. Ich wage zu behaupten: bei einer neuen Ausschreibung würden wir einen Pächter finden, der aus diesem Restaurant bei d e n Bedingungen und bei d e n Preisen eine Rente herauswirtschaften wird.
({7})
Ich frage mich aber noch eins. Dieses Restaurant ist doch ausgeschrieben worden, und in der Offerte, die uns der derzeitige Pächter gemacht hat, stand doch, daß er bereit ist, eine Miete von 30 000 DM zu zahlen. Das war doch kein Neuling; der hat doch dieses Restaurant schon vorher betrieben!
({8})
Sollte der nicht in der Lage gewesen sein, sich ein
Bild über die tatsächliche Rentabilität zu machen?
({9})
Im Gegensatz dazu weise ich auf die immerhin erstaunliche Tatsache hin, daß die Miete für den Friseurbetrieb von 1440 auf 1800 DM erhöht worden ist. Sollte das seine Ursache darin haben, daß - wie gestern in der Düsseldorfer Abendzeitung stand - gewisse Bundestagsabgeordnete darüber verärgert sind, daß sie bei dem Friseur wie gewöhnliche Sterbliche etwas warten müssen? Aber diese Fakten stelle ich jedenfalls gegenüber: die Restaurationsmiete ist gestrichen und die des Friseurbetriebes von 1440 auf 1800 DM erhöht.
Und nun zu der Frage der Beamtenpositionen. Herr Ritzel hat ausgesprochen, daß hier im Bundestag mehr Personal beschäftigt wird als im Reichstag. Er sprach von einer gewissen Übersetzung. Aber mir fällt bei der Diskussion dieser Etatposition auch noch etwas anderes auf: Die Zahl der führenden Beamten ist in dem Vorschlag des Haushaltsausschusses nicht reduziert worden. Bei den mittleren Beamten, z. B. bei den 25 Regierungsinspektoren, hat man die Zahl auf 20 reduziert und hat angeordnet, daß an Stelle der vier in Angestelltenstellen umzuwandelnden Positionen sieben in Angestelltenstellen umgewandelt werden sollen. Bei den unteren Beamten verschlechtert sich das Verhältnis noch weiter, d. h. der Prozentsatz der aus dem Beamtenverhältnis ins Angestelltenverhältnis zu überführenden Personen wird noch größer.
Dann eine sehr eigenartige Tatsache. Im Voranschlag war vorgesehen, die 15 Amtsgehilfen ins Beamtenverhältnis zu bringen. Das ist nicht geschehen; sie bleiben im Arbeiterverhältnis, sie bleiben mindestens auch im kommenden Etatjahr noch im Arbeiterverhältnis, weil ja offen ausgesprochen worden ist, daß die Stellenzahlen, die in den gesamten Einzeletats der verschiedenen Ministerien enthalten sind, auch für den kommenden Haushalt bindend sein sollen, wohinter ich allerdings ein recht großes Fragezeichen mache.
Die Tatsache, daß die Gesamtausgaben für den Verwaltungsapparat von 778 400 auf 690 600 DM herabgesetzt worden sind, daß also im Ausschuß ein Minus von rund 80 000 DM herbeigeführt worden ist, wird doch wesentlich dadurch aufgehoben, daß die Ausgabenposition für Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte von 1,652 Millionen auf 1,817 Millionen erhöht worden ist, auch dadurch, daß die Trennungsentschädigung an versetzte Beamte von 42 000 auf 61 100 DM erhöht werden mußte.
Ich habe hier zu erklären, daß ich mir den Rest meiner Redezeit vorbehalte, um zu dem angekündigten Vorschlag des Herrn Kollegen Mommer betreffend Dokumentationsdienst Stellung zu nehmen. Ich möchte aber nicht verfehlen, schon bei dieser Gelegenheit zu erklären, daß wir den Haushalt in der uns vorgelegten Form, so wie ihn der Ausschuß dem Bundestag heute empfiehlt, ablehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige Bemerkungen zu dem Artikel machen, auf den der Herr Kollege Ritzel vorher Bezug genommen hat. Ich habe diesen Artikel heute früh in die Hand bekommen. Ich muß sagen, daß auch ich mich sehr über diesen Artikel gewundert habe, und zwar vor allem deshalb, weil offenbar nicht an der Tatsache zu zweifeln ist, daß der Verfasser dieses Artikels ein Angestellter des
({0})
Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung ist. Das Presse- und Informationsamt der
Bundesregierung hat unter anderem die Aufgabe,
die Einrichtungen der Demokratie zu verteidigen.
({1})
Zu den Einrichtungen der Demokratie gehört auch dieses Hohe Haus, der Deutsche Bundestag.
({2})
Wenn nun in diesem Artikel Sätze stehen, wie sie verlesen worden sind, dann muß gesagt werden, daß der Verfasser dieses Artikels offenbar seine Aufgabe völlig verkannt hat.
Neben den Sätzen, die der Herr Kollege Ritzel schon verlesen hat, will ich noch einen anderen Satz zitieren. Es ist folgender:
Wir leben in einer armen Zeit und brauchen uns nicht zu schämen, wenn das Haus unserer Volksvertretung unsere eigene Armut widerspiegelt. Aber Armut ist nicht Unordnung, Unachtsamkeit und Schlamperei, wenn nicht gar Unsauberkeit. Ein reibungsloser Arbeitsablauf setzt eine strenge, sparsame Ordnung voraus. Im Bundeshaus aber fehlt jegliche ordnende Hand, die Arbeitsorganisation und Haltung der Einrichtung in Einklang bringt.
Nun liegen die Dinge offenbar so, daß die Bilder, die in diesem Artikel abgedruckt sind, aus dem Frühjahr 1950, also aus einer Zeit stammen, in der die Dinge hier erst noch im Werden waren. Heute sind alle beanstandeten Dinge längst in Ordnung gebracht.
({3})
Abgesehen davon sind Bilder wiedergegeben, die überhaupt nichts mit dem Territorium des Bundeshauses zu tun haben. Ich lege Wert darauf, eindeutig zu erklären, daß ich es für völlig unmöglich halte, daß ein Mann im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung tätig ist, der seine Aufgabe so auffaßt, wie der Verfasser dieses Artikels, Herr Professor Dr. Arntz.
Das Wort hat der Abgeordnete Ehlers.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Debatte zu dieser Frage nicht weiterführen. Ich werde den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und den Fraktionen das Material darüber zuleiten und dem Haushaltsausschuß und den Fraktionen die Möglichkeit geben, daraus ihre Folgerungen zu ziehen.
Zweitens möchte ich - und das ausdrücklich auszusprechen halte ich in diesem Augenblick für meine Pflicht - sagen, daß das Personal dieses Hauses, die Beamten, die Angestellten und die Arbeiter, ihre Pflicht in diesem Hause tun, wie es verlangt werden kann und wie ich es verlangen muß. Ich glaube, daß wir allen Anlaß haben, festzustellen, daß diese Angriffe, die gegen die Beamten, Angestellten und Arbeiter dieses Hauses - denn gegen die richten sie sich natürlich in erster Linie - erhoben werden, ungerechtfertigt sind. Ich möchte das ausdrücklich hier festgestellt haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mommer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag Umdruck Nr. 85 kurz begründen. Mein Kollege Ritzel hat eben schon gesagt, woher die Idee stammt. Eine Reihe von -uns sind in Washington gewesen und haben dort die Einrichtungen des Kongresses studiert.
({0})
- Herr Renner, sehen Sie, wir nehmen da einiges her. Wissen Sie, was Sie dahernehmen würden? Sie würden das Filibustern aus dem Senat nehmen, das Halten von Obstruktionsreden! Wir nehmen da etwas anderes heraus, und das ist zum Beispiel dieser Dokumentationsdienst.
({1})
Unter dem Druck der wachsenden Arbeitslast, die auch dort infolge der allgemeinen Entwicklung des modernen Staates auf dem Parlament ruht, hat sich der Kongreß drüben Stäbe geschaffen, die den Abgeordneten dabei helfen, ihre Arbeit schneller und besser zu erledigen. Der Grund für die Schaffung dieser Stäbe liegt also darin, daß der Staat immer mächtiger geworden ist, daß insbesondere die Exekutive in den vergangenen Jahrzehnten ein völlig überproportionales Wachstum gehabt hat und daß die Legislative in dieser Entwicklung immer zu kurz gekommen ist Das Resultat dieser Entwicklung war dort dasselbe, wie wir es sehr häufig hier im Bundestag feststellen können. Wenn das Parlament nicht die Mittel hat, die ihm zufallenden Aufgaben zu erledigen, wenn es dem Parlament an Arbeitsinstrumenten fehlt, dann macht es Anträge dieser Art: „Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird beauftragt . . .", und damit ist man die Sache los. Man schiebt es ab an die Exekutive.
Auch in Amerika hat es diese Situation gegeben. Man ist dort der Entwicklung dadurch entgegengetreten, daß man für sich selbst die Stäbe angestellt hat, die man braucht, um die gesetzgeberische Arbeit sack- und fachgemäß erledigen zu können. Man hat also die Überlegung angestellt, daß es eigentlich von einem Parlament sehr töricht sei, immer der Gegenseite, der Exekutive, alle Referenten zu bewilligen, die sie anfordert und die sie für die Erledigung der Arbeit braucht, sich selbst aber niemals solche Referentenstäbe zu bewilligen. Man hat also eigene Stäbe aufgebaut. Der wichtigste ist dieser Dokumentationsdienst, der drüben Legislative Reference Service heißt. Dieser Dienst trägt dazu bei, daß die Arbeit schneller und besser gemacht wird. Seine Einrichtung würde auch bei uns dazu führen, daß das Niveau der Arbeit des Bundestags gehoben wird. - Herr Renner, da ist vielleicht noch eine Chance für Sie! Zum Beispiel Ihr Jugendgesetz von vor einigen Wochen, - na, also s o brauchte das nicht auszusehen, wenn man Ihnen ein klein wenig dabei helfen würde.
({2})
Wenn man die Qualität der Arbeit der gesetzgebenden Körperschaften verbessert, dann tut man damit das beste, was man tun kann, um das Ansehen des Parlaments zu stärken.
Die Aufgaben, die der Dienst haben soll, finden Sie in dem Umdruck Nr. 86 kurz skizziert; der Antrag erhebt also keinen Anspruch darauf, erschöpfend zu sein. Ich kann es mir ersparen, das im einzelnen hier zu wiederholen.
Die Frage der Organisation dieses Dienstes ist bewußt aus dem Antrag herausgelassen. Es wird
Dr. Mommer)
nur die Funktion. festgelegt, die er haben soll, und es wird auch das Niveau angedeutet,. das man ihm geben soll. Meine Damen und Herren, es ist uns nicht damit gedient, daß wir zusätzlich noch eine Stelle nach TOA III beim Archiv oder bei der Bibliothek schaffen. Wir brauchen etwas, das auf demselben Niveau steht wie das, was alle Ministerien besitzen. Das allerdings ist an diesem Antrag wesentlich.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß es im Antrag auch nur Sollbestimmungen gibt. Niemand wird auf einen konkreten Plan oder auf eine konkrete Stellenbesetzung festgelegt. Es ist richtig, den letzten Satz des Antrags zu streichen, weil er zu Schwierigkeiten Anlaß geben könnte. Die Einstellung des Personals muß durch den Präsidenten erfolgen. Die Existenz des Dienstes aber und sein Gedeihen wird davon abhängen, ob das ganze Haus in die absolute Integrität und Objektivität dieses Dienstes Vertrauen haben kann. Deshalb wird der Präsident bei der Auswahl des Personals besonders sorgfältig zu Werke gehen müssen, und er wird auch zumindest für die Besetzung der leitenden ellen und der Einstellung der Fachkräfte mit den politischen Gruppen dieses Hauses Fühlung nehmen müssen.
Von einigen Kollegen aus allen Fraktionen dieses Hauses, die sich speziell für diese Frage interessieren und die den Dienst in Washington kennengelernt haben, ist ein mehr ins einzelne gehender Vorschlag ausgearbeitet worden, der auch einen Entwurf für einen Stellenplan enthält. Dieser Vorschlag ist eine private Arbeit. Durch Annahme des vorliegenden Antrages wird das Präsidium in keiner Weise an jenen sehr viel konkreteren Vorschlag gebunden.
Ich muß ein Wort zu den Kosten sagen, die dieser Dienst verursachen kann. Jener erwähnte konkretere Vorschlag, der 15 Sachverständige für die Hauptwissensgebiete vorsah, würde eine Mehrausgabe von etwa 300 000 DM verursachen. Das ist gewiß keine ganz kleine Summe, aber es ist zu bemerken, daß im nächsten Jahre dieser Plan gar nicht ausfüllbar ist, erstens, weil wir keinen Platz haben, um einen solchen Dienst unterzubringen - er kann sich erst entwickeln, wenn der geplante Neubau Wirklichkeit geworden ist -, zweimals, weil die Personalfragen sehr schwierig sein werden; es wird besser sein, mit Geduld die richtigen Leute für die entscheidenden Stellen auszusuchen. Weiterhin werden auch wir Abgeordnete erst lernen müssen, uns dieses Dienstes zu bedienen. Ich habe hier eine Kurve, die die Benutzung des Dienstes in Amerika zeigt. Sie sehen es vielleicht von Ihrem Platz aus, wie diese Kurve erst sehr flach verläuft und wie sie dann steil nach oben geht. Im Jahr 1925 gab es 924 Anfragen, im Jahr 1947 23 000: Erst nach und nach sind die Abgeordneten des Repräsentantenhauses und des Senats dahintergekommen, welch ungeheuer wertvolles Werkzeug sie mit diesem Dokumentationsdienst in Händen haben.
Wichtig ist hier, daß wir sofort anfangen, und daß wir vor allem systematisch anfangen. Deshalb darf ich Ihnen einen Zusatzantrag der Fraktion der SPD verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Präsident des Bundestages wird beauftragt, in dem Nachtrag zum Haushaltsplan 1951 des Deutschen Bundestages die hierfür
- für den Dokumentationsdienst notwendigen Mittel anzufordern.
Sie sehen, auch in diesem Antrag steht nichts über die Höhe der Kosten und über die Organisation des Dienstes, nichts über die personellen Fragen usw. Es wird niemand in irgendeiner Weise festgenagelt. Wenn die Fraktionen dieses Hauses in irgendeiner Frage fair miteinander arbeiten müssen, dann in dieser Frage. Ich J in überzeugt, daß es möglich ist, in einem demokratischen Parlament die nötige Objektivität für diese Dinge aufzubringen.
Es ist ein verbreiteter Irrtum, zu glauben, daß es sich hierbei um eine Frage handele, die so zwischen Opposition und Regierung spiele. Der Dienst hat nichts mit Opposition und Regierung zu tun, er hat etwas zu tun mit dem Verhältnis von Legislative zur Exekutive. Die Leistungsfähigkeit des, Bundestages und das relative Gewicht der Legislative gegenüber der Exekutive sind hier im Spiele. Es geht um die Rolle, um die Bedeutung, die dieses Haus im Gesamtstaatsgebäude unserer Republik haben soll. Andere Momente - wie auch Sparsamkeit, Herr Kollege Brese - mögen sehr beachtlich sein, aber es scheint mir viel wichtiger zu sein, dieses Haus, dieses Kernstück der Demokratie zu stärken. Es hat das deutsche Volk eine furchtbare Katastrophe, auch unendlich viel Leid und Geld gekostet, daß diese Institution einmal zugrunde gegangen ist. Das sollte nicht wieder geschehen. Mitglieder aller Fraktionen haben sich für diese Idee ausgesprochen, und ich glaube, es sollte uns möglich sein, wenn wir morgen zur Abstimmung kommen, einstimmig diesem Antrag unsere Zustimmung zu geben, wenn es doch um eine Reform geht, die - ich glaube, wie keine andere - die Arbeit des Hauses besonders in ihrer Qualität fördern, die ihr Niveau heben und die dem Haus das geben wird, was es durchaus nicht im Übermaß besitzt, nämlich Selbstvertrauen und das Bewußtsein, daß es in der Lage ist, auch die Rolle zu spielen, die ihm für den Wiederaufstieg unseres Volkes zukommt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oellers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche hier nicht zu dem vorgelegten Haushalt des Jahres 1950, sondern zu dem Antrag, den soeben der Kollege Mommer hier begründet hat. Das scheint mir ein bedeutender Unterschied zu sein. Denn das, was Herr Kollege Mommer hier vorgetragen hat, kann sich doch frühestens im Haushalt 1951 ausprägen, so daß ich nicht verstehe, wie man den Antrag als einen Änderungsantrag zu der Haushaltsvorlage für 1950 bezeichnen kann. Ich möchte meinen, daß man in diesem Falle der Vorlage eines solchen Antrages nicht den korrekten Weg gegangen ist.
Zu dem Dokumentationsdienst und dem Antrag selbst darf ich folgendes sagen. Sowohl Herr Kollege Ritzel wie auch Herr Kollege Mommer haben uns dargelegt, daß dieser Antrag auf ein amerikanisches Vorbild zurückgeht. Ich glaube nur, man hätte dabei hinzufügen müssen, daß die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten ganz andere sind.
({0})
Dort liegt nämlich die Gesetzesinitiative beim Parlament,
({1})
beim Kongreß,
({2})
({3})
und bei uns liegt die Gesetzesinitiative in überwiegendem Maße bei der Bundesregierung und ihren Ministerien. Dieses Haus, sollte die Gesetzesinitiative
({4})
nur soweit ausüben, als die Bundesregierung versagt oder soweit die Opposition die Dinge zu beeinflussen beliebt.
({5})
Ich habe Zeit, meine Herren, keine Sorge!
Ich möchte also sagen, daß man bei einer objektiven Darlegung die anders gelagerten Verhältnisse in den Vereinigten Staaten hätte erwähnen müssen. Weil die Verhältnisse dort anders sind, kann die Regierung in den Vereinigten Staaten selbstverständlich nicht auf so eine ausgeprägte Ministerialbürokratie zurückgreifen wie wir bei uns.
({6})
Ich kann mir infolgedessen gar nichts davon versprechen, wenn wir beim Parlament noch eine eigene Ministerialbürokratie aufbauen, die zu der Ministerialbürokratie der Regierung in Konkurrenz treten soll.
({7})
Immerhin arbeitet dieses Parlament ja seit eineinhalb Jahren, und ich habe an dieser Arbeit teilgenommen. Ich habe bisher noch nicht den Eindruck gehabt, als ob der Abgeordnete oder die Ausschüsse nicht die ihnen notwendige Unterstützung bei den Regierungsvertretern und den Beamten in den Ministerien gefunden hätten.
({8})
Ich möchte meinen, daß es durchaus genügt, wenn sich die Abgeordneten und die Ausschüsse, wenn sie glauben, die Dinge nicht selbst zu beherrschen, oder wenn sie glauben, sich Vorarbeiten oder Ausarbeitungen geben lassen zu sollen, dieserhalb an die Ministerien und ihre Beamten wenden.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Mommer hat uns erklärt, die Angelegenheit würde 300 000 DM kosten. Ich möchte meinen, schon dieser Betrag ist nicht klein. Ich bin aber nicht so optimistisch, anzunehmen, daß es bei diesem Betrage bleibt. Denn Herr Kollege Mommer hat ja selbst gesagt, das sei die Ausgabe für etwa 15 Referenten mit ihren Mitarbeitern. Ich darf in Erinnerung zurückrufen, daß wir beim Bundestag immerhin rund 40 Ausschüsse haben. Bei dem gesunden Ehrgeiz der einzelnen Ausschüsse, die jeder für sich in Anspruch nehmen, ein entsprechendes Fachgebiet zu bearbeiten, werden Sie in Kürze bei 40 Referenten und einem entsprechenden Stabe angelangt sein, d. h. Sie belasten den Haushalt des Deutschen Bundestages mit nicht weniger als einer Million.
({9})
Das zu verantworten, meine Damen und Herren, für ein völlig überflüssiges Institut, glaube ich, kann man den Abgeordneten dieses Hauses nicht zumuten.
Noch ein weiteres. Wir machen uns in den Fraktionen, im Präsidium und im Ältestenrat Gedanken, wie wir der unheilvollen Verstopfung dieses Parlaments und seiner Ausschüsse mit Vorlagen Herr werden können. Wir haben inzwischen einen Status erreicht, bei dem die Verabschiedung von Gesetzen und Anträgen vier bis fünf Monate dauert, wegen der Überlastung der Ausschüsse.
Wenn Sie nun die Initiativfreudigkeit der einzelnen Abgeordneten noch dadurch erhöhen, daß Sie ihnen etwaige Vorarbeiten von angestellten Referenten abnehmen lassen,
({10})
dann werden Sie eine weit größere Initiativfreudigkeit erleben, die in Kürze dazu führt, daß die Ausschüsse überhaupt nicht mehr arbeitsfähig sind.
({11})
Wenn Sie das aber nicht befürchten, meine Damen
und Herren, wenn Sie also sagen, daß die neu
anzustellenden Referenten von den Abgeordneten
nicht in diesem Maße in Anspruch genommen
werden, dann werden Sie etwas ganz anderes erleben: daß diese Referenten ihre Bewährungsprobe
darin sehen und ihre Notwendigkeit dadurch werden beweisen wollen, daß sie aus eigener Initiative
an die Abgeordneten herantreten und tätig werden.
({12})
Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist eine ausgezeichnete Bibliothek. Wir brauchen ein hervorragendes Archiv. Wir brauchen ausgezeichnete Referenten bei den Ausschüssen; sie sind zum Teil ja auch durchaus von entsprechender Qualität. Mehr brauchen wir nicht.
({13})
Wir Abgeordneten sind durchaus - das nehme ich für mich in Anspruch - auch ohne Referent in der Lage, auszuarbeiten, was wir hier vorzutragen haben.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einrichtung eines Dokumentationsdienstes hat uns schon in verschiedenen Sitzungen beschäftigt, und den meisten Damen und Herren ist meine ablehnende Haltung schon aus diesen Sitzungen bekannt. Ich halte es aber doch für nötig, auch noch nach den vorzüglichen Ausführungen meines Kollegen Oellers
({0})
kurz meine ablehnende Haltung zu begründen. Wenn ich mich in einzelnen Teilen wiederhole, so bitte ich, es zu entschuldigen. Sie wissen ja, daß ich vor allen Dingen für Sparsamkeit eintrete. Herr Dr. Mommer hat das hier schon erwähnt.
({1})
- Man kann bei den vielen Zwischenrufen nicht recht verstehen. Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Mellies. - Das soll kein Privileg sein. Wir sind alle für Sparsamkeit.
Aber ich muß Ihnen nun doch sagen: In diesem Falle ist es vom Standpunkt der Sparsamkeit unter allen Umständen zu verdammen, wenn wir zu solch einer Aufblähung der Bürokratie kommen.
({2})
Ich glaube, das hat auch mein Kollege Ritzel vorhin gesagt, es wäre viel besser, wenn wir als Abgeordnete hier in freier Rede unsere Probleme erörterten und wenn wir so den Wünschen unserer Wähler nach Möglichkeit nachkommen würden. Ich glaube, wir kämen dann zu volksnahen Beschlüssen - wenn ich mal so einen Ausdruck aus der früheren Zeit gebrauchen darf -, die bei unseren Wählern recht verstanden würden.
({3})
Diese Aufblähung der Bürokratie würde folgendermaßen aussehen; denn Sie werden mir doch recht geben, für jeden Ausschuß müßte man solch ein Universalgenie finden. Ich habe mir sagen lassen, es müßte im Range eines Ministerialrates stehen. Dann würden wir also so zu 15 neuen Ministerialratsstellen kommen, dazu natürlich ein Ministerialdirektor, und ich glaube nicht, daß der Betrag von 300 000 DM ausreichen würde. Im übrigen befürchte ich - diese Erkenntnis habe ich in den Beratungen des Haushaltsausschusses gewonnen -, daß wir auch zu sehr großen Differenzen der Bürokratien untereinander kommen würden. Die Herren des Dokumentationsdienstes hier würden also nach meiner Meinung sehr häufig und viel zu viel mit den Herren der Ministerialbürokratie in Fehde kommen, und ich weiß noch nicht, ob wir dann aus dieser Einrichtung für uns sehr großen Nutzen ziehen könnten.
({4})
- Ich glaube doch, Herr Kollege Mellies, wir haben viele Beweise dafür, daß solche Differenzen uns sehr häufig bei unseren Beratungen aufgehalten haben.
({5})
Ich habe Ihnen schon gesagt, daß es nicht nur um die Sparsamkeit geht. Meine Ansicht gründet sich vor allen Dingen darauf, daß unser Wille durch den Dokumentationsdienst verfälscht wird und wir uns von dem Ziele, das Herr Ritzel vorgezeichnet hat, daß die Abgeordneten in freier Rede die Probleme debattieren, mehr und mehr entfernen würden. Ich möchte erklären, daß ich und nicht nur ich, sondern meine Freunde mit mir zusammen den Dokumentationsdienst unter allen Umständen ablehnen, auch deswegen, weil damit natürlich Raumbedürfnisse auftreten würden. Ich will mich heute noch nicht auf dieses Gebiet begeben. Es würden Kosten verursacht werden, meine Damen und Herren, die nach meiner Meinung mit den 300 000 DM in keinem Vergleich mehr ständen. Ich bitte Sie also, mit mir diesen Antrag abzulehnen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns durch den Abgeordneten Mommer vorgelegte und begründete Antrag hat sehr viel ernstere Auswirkungen, als das aus der meines Erachtens etwas oberflächlichen Diskussion,
({0})
die bisher geführt worden ist, zu erkennen war. Der Herr Kollege Ritzel, dem ich ein besseres Urteil über die Arbeitsmethoden und die Arbeitsmöglichkeiten eines echten Parlaments zutraue, hat seine Abwehr gegenüber den, wie er sagt, ungerechtfertigten Angriffen in gewissen Zeitungen hauptsächlich mit dem Hinweis darauf begründet, daß uns die Arbeit in diesem Hohen Hause, besonders die Arbeit in den Ausschüssen, dazu zwingt, direkt zu Spezialisten zu werden. Er hat also eine sehr hohe Auffassung von der Arbeit, von den Fähigkeiten, die eigentlich von einem Abgeordneten verlangt werden müßten.
Wenn ich mir diesen Antrag näher ansehe, dann komme ich zu der Überzeugung, daß er aus einer vollkommenen Unterschätzung der Rolle der Abgeordneten, ihrer Qualifikation und der Funktion der Fraktionen, der Parteien in einem Parlament geboren ist. Herr Kollege Mommer sagt, das „Kernstück" müsse gestärkt werden, also der Bundestag. Er sagt, die Legislative sei zu kurz gekommen. - Ja, sicher ist die Legislative, also der Bundestag, zu kurz gekommen. Aber, Herr Mommer, die Ursachen dafür liegen doch in unserem Grundgesetz, diesem Grundgesetz, das mit der Einführung der Dreiteilung der Gewalten die Voraussetzung dafür geschaffen hat, daß die Herren Minister, vor allem wenn an ihrer Spitze ein traditionell so autokratischer Herr steht wie der Herr Bundeskanzler,
({1})
das Parlament überspielen.
Wenn man dem Bundestag das Recht, das er meiner Überzeugung nach haben müßte, hätte geben wollen, dann hätte man im Grundgesetz verankern müssen, daß Legislative und Exekutive in der Hand des Bundestages liegen. Dann hätte man die Herren Minister in die Rolle stellen müssen, die ihnen in einer wirklichen Demokratie zukommt, nämlich in die Rolle von Organen, die die Beschlüsse des Bundestages auszuführen haben,
({2})
von Organen, die nichts anderes zu tun haben, als unter Kontrolle des Parlaments das durchzuführen, was der Bundestag beschließt.
({3})
- Ja, wie es im Osten ist!
Aber darf ich darauf hinweisen, daß diese Dreiteilung der Gewalten im Parlamentarischen Rat auch von den Herren Fraktionskollegen des Herrn Mommer bejaht worden ist.
Nun sollen wir diesen Dokumentationsdienst schaffen. Mir kam, als ich zum ersten Male davon hörte, der Gedanke, man müßte in unseren Etats alle Positionen streichen, aus denen Reisen nach Amerika finanziert werden.
({4})
Das „Niveau" des Bundestages soll gehoben werden! Referenten von Niveau sollen die nach Herrn Mommers Ansicht fehlenden Abgeordneten mit Niveau ersetzen; sie sollen an deren Stelle treten! Dadurch soll das „Kernstück" in seinem Ansehen und in seiner Wirksamkeit gehoben werden! Wir sollen Vertrauen in die Objektivität des zu schaffenden Referentenstabes haben! - Komisch, alles, was aus Amerika kommt, hat irgendwie so einen militärischen Beigeschmack!
({5})
Da haben wir schon wieder einen Stab!
Sehr verehrter Herr Kollege Mommer, wenn in Amerika das Parlament mit einer derartigen Einrichtung arbeiten kann, dann hat das meiner Überzeugung nach seine Ursache darin, daß in Amerika zwei große Fraktionen, besser gesagt: Parteien an der Macht sind, zwischen denen keine grundlegenden Differenzen bestehen,
({6})
die beide ausgesprochen großkapitalistische Parteien sind. Wenn wir hier an Stelle der Fraktionen und ihrer Sachbearbeiter den Referentenstab mit dieser - verzeihen Sie - doch direkt eunuchenhaft anmutenden Persönlichkeit des unparteiischen Leiters haben -
Das verstößt gegen die guten Sitten!
Dabei habe ich doch nur den Direktor gemeint! - Ich meine, wenn man das vorschlägt, dann unterstellt man doch ohne weiteres, daß das eine Persönlichkeit ist, die allen Fraktionen im Hause objektiv, richtig, ehrlich, sachlich zu dienen gewillt und in der Lage ist.
({0})
- Das ist nicht nur ein Übermensch; es ist - Verzeihung, ich habe keinen anderen biologischen Ausdruck - ein Eunuch.
Aber, aber!
Es gibt für Ihre Auffassung, Herr Mommer, nur eine Erklärung, nämlich die, daß zwischen Ihnen, dem Mitglied einer Oppositionspartei, und der Koalition - genau wie in Amerika zwischen Demokraten und Republikanern - keine grundsätzlichen Gegensätze bestehen.
({0})
Das wäre eine Erklärung. Nur so könnte man mit einer Spur von Logik begründen, hier bei uns die Möglichkeit zu haben, eine Person zu finden, die zwei Parteien, zwei Fraktionen gleichermaßen ehrlich, unparteiisch zu dienen in der Lage ist. Das gibt es doch gar nicht.
Herr Kollege, machen Sie Schluß!
Verzeihen Sie! - Es gibt ja neben diesen beiden genannten Fraktionen noch eine dritte Fraktion, nämlich unsere.
({0})
Kommen Sie bitte zum Schluß!
Ich war fertig. - Wie stellen Sie sich die beamtete, von diesem Bundestag bezahlte Persönlichkeit, die auch uns objektiv und sachlich bei der Ausarbeitung unserer Anträge
({0})
helfen kann, eigentlich vor?
({1})
- Von Ihrer Fraktion ({2}) will ich schweigen; Sie können Ihre Auffassung selber vertreten.
Also ich bin der Meinung, -
Herr Abgeordneter Renner, kommen Sie zum Schluß!
Ich bin fertig, - Ich bin der Auffassung, daß das ein Antrag ist, der nicht geeignet ist, die Autorität des Bundestages und seiner Fraktionen gegenüber der Regierung zu heben. Die Autorität des Bundestages und seiner Fraktionen liegt in ihrer eigenen Grundhaltung und Tüchtigkeit, in ihrer eigenen fachlichen Kenntnis, in der Art, mit der wir unsere verschiedenen Auffassungen hier zum Ausdruck bringen, in der Ehrlichkeit, der Grundsätzlichkeit, mit der wir auch die Gegensätze hier austragen. Darin liegt das Wesen eines Parlaments. Deshalb bin ich, Herr Kollege Mommer, der Meinung, Sie hätten sich bei der Einbringung dieses Antrages besser von den alten Parlamentariern aus den . sozialdemokratischen Reihen
beraten lassen, von denen und bei denen noch etwas von der alten sozialdemokratischen hohen Grundsätzlichkeit übriggeblieben ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nowack.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, die wir jetzt diskutieren, rührt an die Grundfragen des Parlaments und an seine Aufgaben und die Lösungsmöglichkeiten für seine Aufgaben. Von denjenigen, die einer Hilfseinrichtung, wie sie nach dem Antrag vorgesehen ist, widersprechen, ist dargelegt worden, daß eine solche Hilfseinrichtung nicht notwendig sei, weil das Parlament im allgemeinen keine legislative Initiative entwickeln solle. Ich gebe diesen Gedankengängen nicht recht. Ich glaube, daß diejenigen, die sich auf diesen Standpunkt stellen, die ganze Frage in einem viel zu engen Kreis sehen. Es handelt sich nicht darum, nun ein Institut zu schaffen, das mehr oder minder begabten Abgeordneten - von den Gegnern dieser Institution ist offenbar an die minderbegabten gedacht - zur Verfügung gestellt wird, um ihnen sozusagen ihre Schulaufgaben zu machen. Daran denkt kein Mensch, der sich mit diesem Problem ernsthaft befaßt hat. Es geht vielmehr darum, den Abgeordneten, die in der ernsten Ausschußarbeit stehen, die mit sehr viel Einzelfragen befaßt werden - nicht nur Fragen, in denen sie sich spezialisiert haben, sondern auch Fragen, die an sie herangetragen werden und für die sie in irgendeiner Weise eine Lösung herbeiführen müssen -, eine Einrichtung zu schaffen, die ihnen zur Seite steht und die ihnen die rein technischen Dinge erleichtert und überhaupt erst ihre Arbeiten ermöglicht. Es ist doch heute so, daß wir im wesentlichen und im allgemeinen - ob Regierung oder Opposition - darauf angewiesen sind, das zu verarbeiten oder hinzunehmen, was uns die Vertreter der Behörden, was uns die Vertreter der Regierung sagen.
({0})
Es ist sogar so weit gekommen, daß aus dem Hause unternommene Initiativen nicht die Unterstützung der Regierung gefunden haben, sondern daß die Regierungsvertreter erklärt haben: An Initiativanträgen, die aus dem Hause gekommen sind, arbeiten wir nicht mit.
Meine Damen und Herren, das sind doch unmögliche Zustände.
({1})
Wie soll ein Abgeordneter seine Aufgaben gegenüber seinen Wählern verantwortlich vertreten und durchführen, wenn er in einem solchen Falle im Stich gelassen wird?
({2})
Das Im-Stich-Lassen ist nur möglich, wenn der Bundestag selbst sich nicht wenigstens im kleinen Rahmen eine solche Einrichtung gibt. Unser Antrag bezweckt eine Hilfsstellung für unsere Arbeit im allgemeinen. Ich glaube, uns allen ist im Laufe der letzten eineinhalb Jahre einmal der Gedanke gekommen, daß wir eine solche Institution benötigen. Ich glaube, daß wir auf diese Institution auch gekommen wären, ohne daß der eine oder andere von uns in Amerika das Instrument, das man drüben in Washington für den Kongreß geschaffen hat, studiert hätte. Sicher, dort liegen die
({3})
Verhältnisse ganz anders. Aber wir denken auch nicht daran, hier einen Apparat von 127 wissenschaftlich gebildeten und hockbezahlten Leuten aufzubauen, wie es in Washington der Fall ist,
({4})
sondern wir wollen uns einen kleinen Apparat von Mitarbeitern, von Hilfsarbeitern schaffen.
Herr Kollege Wuermeling, Sie haben eben dazwischengerufen: „Das kommt noch!" Es liegt an uns, ob wir diesen Apparat vergrößern oder ob wir ihn nicht vergrößern. Ich glaube nicht, daß es eine zwangsläufige Entwicklung ist.
Ich möchte mich daher für diesen Antrag einsetzen. Er ist im Augenblick nur insofern aktuell, als er dazu dienen soll, Unterlage für die Beratungen des Etats für das nächste Jahr zu sein, und daß er die Möglichkeit bieten kann, den jetzt im Aufbau begriffenen Apparat des Bundestages so zu gestalten, daß er die Anforderungen dieses Antrages mit den übrigen Anforderungen des Hauses verbindet.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Rechtfertigung des Antrags, der von fast allen Fraktionen des Hohen Hauses gestellt worden ist, ist schon manches an Einzelheiten gesagt worden. Aber lassen Sie mich einmal auf das Wesentliche eingehen. Das hat der Herr Abgeordnete Oellers bei seinen - wie soeben schon gepriesen wurde - so vorzüglichen Ausführungen durchblicken lassen. Das Wesentliche ist doch folgendes: bei dem gegenwärtigen Stand hat die Regierung mit ihrem Apparat das absolute Übergewicht gegenüber dem Haus. Wenn es an irgendwelchen Informationen mangelt, woher sollen wir sie bekommen? Wenn wir Informationen nötig haben, sind wir darauf angewiesen, die Regierung zu bitten, daß sie uns zu einer ihr genehmen Zeit eine Auskunft erteilt, die in ihrem Sinne ausfällt und von der wir nicht immer überzeugt sind - namentlich die Abgeordneten der Opposition -, daß sie absolut zuverlässig und richtig ist. Ich habe Beispiele dafür - und ich werde gelegentlich darauf zurückkommen -, daß ich die Antworten zu bezweifeln Anlaß hatte, die uns gegeben wurden, wenn wir Fragen gestellt haben.
Wesentlich ist noch folgendes. Der Herr Kollege Oellers hat soeben mit Recht gesagt, zur Zeit liege die Gesetzesinitiative im wesentlichen bei der Bundesregierung. Das soll aber nicht so sein. Die Gesetzesinitiative gehört zur Prärogative dieses Hauses. Wenn es noch nicht so ist, wenn es entgegen dem Sinn eines echten Parlamentarismus noch nicht so ist, dann ist das ein Mangel, der sich aus der Unzulänglichkeit unseres Werkzeugs ergibt. Diese Unzulänglichkeit des Werkzeugs muß abgestellt werden, indem man uns einen ordentlichen Apparat zur Verfügung stellt. Es geht nicht, daß man die Abgeordneten von der einen Sitzung in die andere Sitzung hetzt und daß niemand da ist, ganz simple Daten und Statistiken für sie auszuarbeiten, festzustellen und zu ermitteln.
Im übrigen ist der Dokumentationsdienst nicht etwas so fundamental Neues, wie es jetzt plötzlich scheinen soll. Sehen wir uns doch einmal den Etat, so wie er jetzt vorliegt, an; es steht schon allerlei darüber drin. Wir haben ohnehin schon einen Bibliotheksdienst und einen Archivdienst; wir haben Büros für die einzelnen Ausschüsse und ihre Referenten. Das muß nur zusammengefaßt und in ein System gebracht werden, so daß es für die einzelnen Abgeordneten des Hauses nutzbar gemacht werden kann. Es muß in diesem Sinne auch ergänzt werden.
Nun fürchtet man, es könnte daraus eine besondere Bürokratie erwachsen. Diese Befürchtung ist absolut ungerechtfertigt. Wir müssen uns nämlich vor Augen halten, daß wir, die wir hier sitzen, nicht die Vorsteher von Behörden sind, die Wert darauf legen, ihre eigene Notwendigkeit nachzuweisen, die glauben, ihre Arbeit bestehe in der Hauptsache darin, sie auf andere zu verteilen. Die Arbeitsfähigkeit des einzelnen Abgeordneten ist vielmehr in sich selber begrenzt, und deswegen muß er sich im Rahmen dessen, was er selber verarbeiten kann, nur Hilfe und Erleichterung verschaffen.
Vor allen Dingen erscheint es notwendig, daß die Anträge, die aus dem Hause auf Grund der Gesetzesinitiative hier eingebracht werden, auch genügend substantiiert und vorbereitet sind. Ich halte es für einen Mangel, daß so manche Anträge kommen, in denen es heißt: die Bundesregierung wird ersucht, eine Vorlage der und der Art zu 'machen. Woran liegt denn das? Glauben Sie etwa, die Abgeordneten seien zu träge oder zu nachlässig, sie selber auszuarbeiten? Es liegt einfach daran, daß sie entweder nicht die Zeit oder nicht das Material haben, der Sache genügend auf den Grund zu gehen, daß sie in Erkenntnis dessen aber auch nicht dazu übergehen wollen, unsorgfältig, nachlässig, schlecht vorbereitete Anträge einzubringen. Die Folge davon ist wiederum, daß man bei dem gegenwärtigen Zustand mit Recht davon sprechen kann: die Regierung hat die Vorhand auf dem ureigensten Gebiet dieses Hohen Hauses, nämlich auf dem Gebiet der Gesetzgebung. Der Kern des Antrags ist, diesen Zustand abzuschaffen, damit der Bundestag endlich wieder in den vollen Genuß seiner gesetzgeberischen Funktion kommt. Um den bisherigen schlechten Zustand abzuschaffen, ist diese Zusammenfassung der verschiedenen schon vorhandenen Dienste und der Ausbau zu einem echten Dokumentationsdienst erforderlich, der sich in dem ganz bescheidenen Rahmen von 300 000 DM hält, gegen den man nichts einwenden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Matthes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beabsichtige nicht, die Debatte noch wesentlich zu verlängern: Ich möchte hier nur feststellen: wir quälen uns seit anderthalb Jahren um eine anständige Bibliothek. Wir sind damit nicht viel weiter gekommen, weil mannigfache Gründe ins Feld zu führen sind. Wir quälen uns, unser Archiv so zu gestalten, daß wir mit ihm formvollendet in unserer Parlamentsarbeit aufwarten können. Nun kommt man mit dem neuen Dokumentationsdienst. Ich möchte nichts von dem wiederholen, was schon gesagt worden ist. Ich möchte nur wünschen und hoffen, daß wir mit den beiden genannten Einrichtungen recht schnell zum Ziel kommen und daß wir dafür wissenschaftliche Leiter bekommen, vor allen Dingen für die Bibliothek. Soviel ich weiß, ist der Posten des Direktors der Bibliothek heute noch nicht besetzt. Wir sind noch nicht einmal in der Lage gewesen, die gesamten
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Mittel aufzubrauchen, die im Etat für die Beschaffung von Büchern angesetzt waren. Ich glaube, wir sollten unsere ganze Aufmerksamkeit erst einmal diesen beiden Einrichtungen zuwenden, um dann in der kommenden Zeit das anstehende Problem in aller Ruhe zu wälzen. Das Problem ist sowieso schon hin und her besprochen worden.
Eines möchte ich hier zum Ruhm derjenigen sagen, die allem Anschein nach dabei völlig in Vergessenheit geraten. Ich habe von meinen Herren Kollegen und vor allen Dingen von den verehrten Kolleginnen kaum eine Klage über unsere Ausschußassistenten gehört. Ich glaube, daß jeder Assistent und auch die bisherigen Leiter des Archivs und der Bibliothek sich redlich bemüht haben, uns mit allem Material, das wir wünschen, zur Verfügung zu stehen. Ich möchte das hier einmal rühmend anerkennen.
Aber mich hat etwas ganz anderes schnell hierher getrieben. Ich habe mich gefreut, daß die Debatte über den Bundestagshaushalt heute wesentlich ruhiger verlaufen ist als im vergangenen Jahr. Ich möchte insbesondere das unterstreichen, was Herr Abgeordneter Ritzel unter dem Beifall des ganzen -Hauses zum Ausdruck gebracht hat über diese miese Kritik, die in der Presse gefällt worden ist. Der einmütige Beifall des Hauses hat wohl gezeigt, daß Kollege Ritzel hier den richtigen Nerv angesprochen hat.
Aber etwas anderes! Wenn wir täglich im Tagungsbüro unsere Post abholen, wenn wir dort den Betrieb beobachten und wenn wir nachher unser Paket unter dem Arm haben, dann wundern wir uns, daß wir die Hälfte davon in den Papierkorb wandern lassen müssen, weil wir einfach nicht die Zeit finden, um die Zuschriften mannigfachster Art bearbeiten zu können. Was uns aber heute in die Hand gedrückt worden ist, übersteigt alles bisher Dagewesene doch weitgehend. Vor zwei Wochen hat man dem Herrn Direktor des Bundestages zugemutet, an die Abgeordneten 410 Eierpakete verteilen zu lassen. Weil der Direktor das aus verständlichen Gründen abgelehnt hat, schickt man heute durch die Post 410 Abgeordneten Eierpakete. Ich glaube, wir haben andere Dinge auszubrüten als Eier,
({1})
Dinge, die für unser Volk viel wichtiger sind. Ich wünschte nur, daß die Veranstalter dieser Aktion sich jede Woche ein Flüchtlingslager vornähmen und dieses unterstützten, statt Abgeordneten so etwas zuzuschicken.
({2})
Wenn Herr Präsident Ehlers einmal Gelegenheit genommen hat, auf den körperlichen Zusammenbruch von Kollegen infolge Überarbeitung hinzuweisen, so trifft das auch auf unsere Verwaltung im Hause zu. Unendlich viele Arbeiter, Angestellte und Beamte sind überarbeitet, Zusammenbrüche sind auch hier festzustellen.
Abschließend möchte ich vorschlagen, der Anregung Raum zu geben: wir geben dem Betriebsrat des Hauses als ganz bescheidenen Dank für die tatkräftige Hilfe der Verwaltung auch im letzten Jahr diese Eierpakete zur Verwendung bzw. Verteilung an kinderreiche Lohnempfänger des Hauses.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein alter pommerscher Bauer sagte einmal: In kleinen Dingen macht man es genau, in großen kommt es nicht darauf an! Diesen Eindruck hatte ich vorhin, als der Vorschlag auf Einrichtung eines Dokumentationsdienstes so brutal mit dem Hinweis auf die Kosten abgelehnt wurde von Leuten, die sonst im Bewilligen von Geldern, wenn es um Hunderte von Millionen geht und nicht um Hunderttausende, nicht so zurückhaltend sind.
({1})
- Ach, Besatzungskosten! Dann zum Beispiel - ({2})
- Sie brauchen sie ja nicht zu bewilligen! ({3})
- Das weiß der schon! Aber setzen Sie sich etwas mehr auf die Hinterbeine, dann können Sie viel mehr Geld sparen! Die brauchen uns auch, nicht nur wir die!
Meine Damen und Herren, die Argumente, die Herr Dr. Reismann vorhin hier vorgetragen hat, finden unsere volle Unterstützung.
({4})
Wir unterstützen den Antrag und wünschen, daß dieser Dokumentationsdienst ausgebaut werden möge zu einer wirksamen Hilfe nicht nur des einzelnen Abgeordneten, sondern des Bundestages schlechthin.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Mommer hat sich noch zum Wort gemeldet. - Die Redezeit Ihrer Fraktion, Herr Abgeordneter Mommer, ist allerdings bereits konsumiert, sogar reichlich konsumiert. - Ist das Haus damit einverstanden, daß Herr Abgeordneter Mommer, der ja doch gewissermaßen einen Initiativantrag eingebracht hat, noch eine kurze Redezeit erhält?
({0})
- Das Haus ist dagegen, ich kann Ihnen das Wort nicht mehr erteilen.
Auch hier wird die Abstimmung erst morgen erfolgen. Die Rednerliste ist dann erschöpft und damit Punkt 4 b erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 c der Tagesordnung: Einzelplan III - Haushalt des Deutschen Bundesrats ({1}). ({2})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zu diesem
Punkt keine Debatte durchzuführen.
Das Wort hat als Berichterstatter der Abgeordnete Bausch.
Bausch ({3}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt des Deutschen Bundesrats für das Rechnungsjahr 1950 weist nach den Beschlüssen des Haushaltsausschusses einen Zuschußbedarf von 1 579 700 DM aus. Der Personalbestand ist gegenüber dem Vorjahr nur ganz geringfügig geändert. Die Zahl der Planstellen für Beamte ist gegenüber dem Rumpfhaushalt 1949 unverändert geblieben. Es sind beim Deutschen Bundesrat wie im Vorjahr 20 Beamte tätig. Die Zahl der Angestellten hat sich von 45 auf 46,
({4})
die Zahl der Arbeiter von 27 auf 28 erhöht, was dem nachgewiesenen und vom Haushaltsausschuß anerkannten Bedarf entspricht. Hieraus ergibt sich eine geringfügige Steigerung der Personalkosten gegenüber dem Vorjahr.
Die veranschlagten sachlichen Verwaltungsausgaben sowie die allgemeinen Haushaltsausgaben wurden vom Haushaltsausschuß anerkannt. Einige der veranschlagten Positionen konnten auf Antrag der Verwaltung des Bundesrates zum Teil erheblich ermäßigt werden, so insbesondere die Ausgaben für die Fahrkosten der Mitglieder des Bundesrates und der Mitglieder der Ausschüsse sowie die Ausgaben für Tagegelder von Mitgliedern des Bundesrats, der Ausschüsse und deren Kraftfahrer. Hierdurch konnte gegenüber dem Planentwurf eine Ausgabenverminderung um 150 000 DM erzielt werden.
Lassen Sie mich nun, Meine Damen und Herren, noch ein Wort zu den Kosten für die Gemeinschaftsküche sagen, zu einer Frage, die vorhin in der Aussprache über den Etat des Bundespräsidenten der Abgeordnete Renner angeschnitten hat. Er interessiert sich für diese Frage offenbar ganz besonders. Grundsätzlich ist hier so verfahren worden, daß in den Voranschlägen ein Zuschuß von 30 Pfennig je Mahlzeit für diejenigen Beamten und Angestellten der Verwaltungen, die Wert auf diese Mahlzeit legen, vorgesehen ist. Wenn bei einzelnen Haushalten eine Verminderung des Planansatzes für die Gemeinschaftsküche vorgenommen worden ist, so nur deshalb, weil ein nicht unbeträchtlicher Teil der Beamten nunmehr in Bonn eigene Familienwohnungen bezogen hat und weil diese Beamten auf die Inanspruchnahme der Gemeinschaftsküche keinen Wert mehr legen. Zur Beruhigung des Herrn Kollegen Renner darf ich deshalb feststellen, daß weder hier beim Bundesrat noch im Haushalt des Bundespräsidenten irgendeine Verminderung der Kosten für die Gemeinschaftsküche vorgenommen worden ist.
Der Antrag des Haushaltsausschusses geht dahin: Der Bundestag wolle beschließen, die Anlage Einzelplan III - Haushalt des Deutschen Bundesrates für das Rechnungsjahr 1950 - mit den auf Drucksache Nr 1903 bezeichneten Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen aber unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, diesen Punkt ohne Aussprache zu verabschieden.
({0})
- Zur Geschäftsordnung?
({1})
Ich habe mir erlaubt, zu fragen, ob das Haus nach dem Vorschlage des Ältestenrates auf eine Aussprache verzichtet. - Ist das Haus damit einverstanden? ({2})
- Ob das Haus bereit ist, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich bitte um ein Handzeichen! - Gegenprobe! - Das sind vier Stimmen! Das Haus hat also so beschlossen.
Auch hier wird die Abstimmung auf morgen zurückgestellt.
({3})
- Ich bitte: keine Zwiegespräche!
Punkt 5 der Tagesordnung:
Fortsetzung der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}),
soll nach dem Antrag des zuständigen Ausschusses auf morgen verschoben werden.
({7})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben sich noch einmal zur Geschäftsordnung gemeldet?
({8})
- Wann?
({9})
- Das müssen Sie nach der Geschäftsordnung schriftlich vorlegen!
({10})
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung ({11});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({12}) ({13}).
({14})
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, ohne weitere Beratung zu entscheiden.
Berichterstatter ist Herr Dr. Wahl. Ich erteile ihm das Wort.
Dr. Wahl ({15}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich über den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung zu berichten. Der Ausdruck „nachträgliche Eheschließung" hat sich für diejenigen Fälle eingebürgert, in denen auf Grund eines Geheimerlasses von Hitler der Standesbeamte nach dem Soldatentod eines Verlobten ausgesprochen hat, daß zwischen der überlebenden Verlobten und dem verstorbenen Manne nachträglich die Ehe geschlossen worden sei. Es erscheint notwendig, die Rechtswirkungen dieses Ausspruchs von Bundes wegen zu ordnen, da die Rechtswirksamkeit dieser Aussprüche wegen ihrer Herkunft aus nationalsozialistischer Wurzel nach 1945 sehr bestritten war und die Frage für die gesamte amerikanische Zone und die südlichen Teile der französischen Zone heute noch offen ist. Für die britische Zone und Rheinland-Pfalz ist dagegen genau im Sinne des vorliegenden Entwurfs bereits eine Regelung ge({16})
troffen worden, und ein gleichlautender Entwurf ist vom Länderrat der amerikanischen Besatzungszone beschlossen, aber nicht mehr Gesetz geworden. In der britischen Zone, in -der zu den alten Fällen der Kriegszeit noch nach der Kapitulation neue Fälle besonders auf Grund einer Hamburger Verordnung hinzugekommen waren, vorzugsweise soweit unter nationalsozialistischer Herrschaft die Eheschließung aus rassischen Gründen hat unterbleiben müssen, sind damit 2600 Fälle bereits gesetzlich geregelt, während nach den Erhebungen des Bundesjustizministeriums im übrigen Bundesgebiet einschließlich Rheinland-Pfalz etwa 900 Fälle vorliegen dürften.
Unter diesen Umständen glaubte der Rechtsausschuß in die grundsätzlichen Probleme der nachträglichen Eheschließung nicht mehr allzu tief eindringen zu sollen, da die Hauptmasse der Fälle in der britischen Zone nicht noch einmal auf eine andere Rechtsgrundlage gestellt werden sollte.
Dazu kommt, daß der Entwurf eine annehmbare mittlere Linie hält. Er scheut sich, der überlebenden Verlobten die volle privatrechtliche Stellung einer Witwe einzuräumen. Sie hat kein Erbrecht, sie hat aber das Namensrecht und steht versorgungsrechtlich im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes, in der Sozialversicherung und im Beamtenrecht einer Ehefrau gleich, in letzterer Beziehung freilich nur einer solchen, die die Ehe mit dem verstorbenen Beamten erst nach dessen Eintritt in den Ruhestand geschlossen hat. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß man dem Staat kaum die Befugnis zusprechen kann, soweit Schicksal zu spielen, daß er die dem persönlichsten Entschluß der Verlobten vorzubehaltende Ehe dekretiert und fingiert, wo sie nicht geschlossen worden ist und nicht mehr geschlossen werden konnte. Gewiß hat eine französische Anordnung Ähnliches bestimmt, wie es Hitler in seinem Erlaß getan hat, aber es erscheint die Frage berechtigt, ob es sich bei der französischen Regelung nicht mehr um die Anerkennung der unions libres handelt, über die zwischen den beiden Weltkriegen eine Zeitlang die französische Rechtsprechung geurteilt hatte, daß bei tödlichen Autounfällen die Konkubine des totgefahrenen Mannes die gleichen Ansprüche gegen den Verantwortlichen geltend machen kann wie die Ehefrau.
Der vorliegende Entwurf läuft darauf hinaus, daß man bei nachträglicher Eheschließung die Verlobte von Staats wegen in gleichem Maße entschädigt wie die Kriegerwitwe. Dagegen läßt sich vernünftigerweise ein Einwand nicht erheben.
Ferner ist bestimmt, daß das gemeinsame Kind der beiden die Stellung eines ehelichen Kindes hat. In der Tat ist die legitimatio per rescriptum principis eine alte Rechtsfigur des Kindschaftsrechts, während es eine Eheschließung per rescriptum principis in der Rechtsgeschichte nie gegeben hat.
Im übrigen wird durch den Entwurf eine Reihe von Rechtsfragen, die mit der beschränkten Anerkennung der nachträglichen Eheschließung zusammenhängen, in angemessener Weise gelöst. Die Frau kann durch eine schwere Verfehlung gegen den Verstorbenen oder durch einen ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel ihr Namensrecht verwirken, so wie es auch bei der geschiedenen Ehefrau im Ehegesetz vorgesehen ist. Die nachträgliche Eheschließung ist überhaupt ohne Rechtswirkung, wenn sie erschlichen ist oder wenn begründete Zweifel bestehen, ob der Mann die Ehe geschlossen hätte. Der Ausspruch dieser Rechtsunwirksamkeit
ist ähnlich wie im Ehenichtigkeitsprozeß dem Landgericht vorbehalten. Rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, die weitergehende Rechte der Verlobten anerkannt haben, werden aufrechterhalten, während Urteile, die dem Ausspruch des Standesbeamten keine Rechtswirkungen zuerkennen, der Anwendung dieses Gesetzes nicht entgegenstehen. Vermögensrechtliche Erklärungen und Vergleiche, die im Zusammenhang mit dem Ausspruch des Standesbeamten abgegeben und geschlossen worden sind, werden grundsätzlich aufrechterhalten.
Es ist noch zu erwähnen, daß sich der Ausschuß den Änderungsvorschlägen des Bundesrats aus den vom Bundesrat angeführten Gründen angeschlossen hat und daß mit Rücksicht auf das inzwischen neu erlassene Verschollenheitsgesetz vom 15. Januar 1951 im dritten Absatz des § 1 das zitierte Gesetz vom 4. Juli 1939 zu streichen und statt dessen allgemeiner zu schreiben ist:
Die Vorschriften der Absätze 1 und 2 gelten auch in den Fällen, in denen der Mann für tot erklärt oder sein Tod nach den Vorschriften des Verschollenheitsrechts gerichtlich festgestellt worden ist.
So rechtfertigt sich der Antrag des Ausschusses, der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung mit der kleinen eben erwähnten textlichen Richtigstellung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe in zweiter Beratung auf die §§ 1, -2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine ' Wortmeldung. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Schlußabstimmung: Wer für das Gesetz im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Überprüfung des § 404 der Reichsabgabenordnung ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Majonica als Berichterstatter.
Majonica ({2}), Berichterstater: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht habe ich die Ehre, Ihnen folgendes vorzutragen.
Unter dem 7. November 1950 hat die Fraktion des Zentrums den Antrag auf Überprüfung des § 404 der Reichsabgabenordnung gestellt. Die Bun({3})
desregierung wird in diesem Antrag ersucht, diesen Paragraphen zu überprüfen und eine Milderung herbeizuführen. In § 404 Satz 1 der Reichsabgabenordnung wird bestimmt, daß bei Steuerhinterziehung und Bannbruch im Rückfall eine Strafe nicht unter drei Monaten zu verhängen ist. Der Rückfall wird hier schon bei der zweiten Bestrafung als gegeben erachtet. Es sind also nicht die Normen des Strafrechts, sondern es ist hier eine besondere Norm zugrunde gelegt. Es empfiehlt sich also, wie es auch der Antrag des Zentrums verlangt, hier eine Milderung eintreten zu lassen. In demselben Sinne hat sich auch der Allgemeine Deutsche Anwaltsverein ausgesprochen.
Der Finanzausschuß war in dieser Frage mit beteiligt. Er hat beschlossen, den Antrag der Zentrumsfraktion der Regierung - die im Augenblick die Frage überprüft, wieweit eine Milderung des § 404 einzutreten hat - als Material zu überweisen. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat in der Sitzung vom 30. 1. 1951 denselben Beschluß gefaßt. Er stellt den Antrag - Drucksache Nr. 1897 -: der Bundestag wolle beschließen, den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Überprüfung des § 404 der Reichsabgabenordnung - Nr. 1572 der Drucksachen - der Bundesregierung als Material zu überweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, es ist in den vorbereitenden Besprechungen des Ältestenrats vereinbart worden, daß über diesen Gegenstand keine weitere Aussprache stattfinden soll. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Ich kann also die Beratung für beendet erklären.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag ihre Zustimmung geben, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Entschädigung der durch Angehörige der Besatzungsmächte durch Körperverletzung mit und ohne Todesfolge geschädigten Personen ({1}).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Wackerzapp.
Wackerzapp ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen haben dem Bundestag den Antrag vom 26. Juni 1950, Drucksache Nr. 1119, vorgelegt. Der Antrag hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, in Verhandlungen mit der Hohen Kommission zu erwirken, daß
1. die Entschädigung der durch die amerikanische Besatzungsmacht mit und ohne Todesfolge körperverletzten Personen, soweit der Schaden vor dem 20. Juni 1948 aufgetreten ist, nicht durch eine Kapitalabfindung mit der durch die Währungsreform bedingten Abwertung erfolgt, sondern daß diese Entschädigungsansprüche, da es sich nach deutschem Recht um Rentenansprüche handelt, die nicht der Abwertung unterliegen, in der von den zuständigen Stellen festgesetzten Höhe in DM anerkannt und als laufende Renten oder als einmalige Kapitalabfindung ausbezahlt werden;
2. in den von den anderen Besatzungsmächten besetzten Zonen eine gleiche Regelung getroffen wird.
Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 19. Juli 1950 diesen Antrag dem Haushaltsausschuß sowie dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als dem federführenden Ausschuß überwiesen. Der Haushaltsausschuß hat beschlossen, den Antrag mit Rücksicht auf die damals laufenden Verhandlungen der Bundesregierung mit der Alliierten Hohen Kommission als erledigt anzusehen. Demgegenüber hat der Rechtsausschuß sich in seiner Sitzung vom 30. Januar 1951 dahin entschieden, den fraglichen Antrag der Bundesregierung zur Berücksichtigung bei ihren Verhandlungen mit den alliierten Hohen Kommissaren zu überweisen. Es handelt sich hier um eine Angelegenheit, deren Regelung nach dem Besatzungsstatut den Alliierten überlassen ist und zu ihrer Gesetzgebungszuständigkeit gehört.
Während im übrigen Bundesgebiet im Verhältnis der Deutschen zueinander Kapital- und Rentenansprüche, die zur Abgeltung von solchen Lebens-und Körperschäden dienen sollen, die vor dem Währungsstichtag entstanden sind, im Verhältnis von einer Reichsmark gleich einer D-Mark umgestellt werden, hat in der amerikanischen Zone eine andere Regelung Platz gegriffen. Hier wurden diese Ansprüche nach der Währungsreform im Verhältnis 10 zu 1 umgestellt, so daß also jede Kapital- oder Rentenentschädigung für die Betroffenen ihren Sinn verlor. Zur Beseitigung dieser offensichtlichen Unbilligkeit hat die Bundesregierung lange Verhandlungen mit der Hohen Kommission geführt.
Nun ist kürzlich, am 8. Februar, als Ergebnis dieser Verhandlungen das alliierte Gesetz Nr. 47 herausgekommen. Dieses Gesetz bestimmt in seinem § 6, daß die Entschädigungen für Tod oder Körperverletzung mit dauernden Folgen, die vor dem 20. Juni 1948 erfolgt sind, nach dem Werte im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar in Reichsmark festzusetzen sind, jedoch im Verhältnis 1 zu 1 in D-Mark umgestellt werden sollen. Entschädigungsbeträge, die nach dem Währungsstichtag in einem anderen Verhältnis - etwa, wie es geschehen ist, 10 zu 1 - unigestellt worden waren, sind nunmehr von Amts wegen 1 zu 1 aufzuwerten. Ein etwaiger zugunsten des Entschädigungsberechtigten sich ergebender Unterschiedsbetrag ist an diesen auszuzahlen.
Die Forderungen der Antragsteller sind hierdurch zu einem gewissen Grade erfüllt worden. Nun hat sich aber in der Praxis noch ein weiterer Übelstand ergeben. Es haben nämlich nachgeordnete, offenbar sehr dienstbeflissene amerikanische Stellen kurz vor der Währungsreform im vollen Bewußtsein des Datums und der Wirkungen der Reform darauf gedrungen, daß in Fällen, wo die amerikanische Regierung' für Körperschäden mit und ohne Todesfolge Entschädigungsleistungen zu zahlen hatte, von den Betroffenen Kapitalabfindungen entgegengenommen werden sollten und mußten. Diese Kapitalabfindungen sind im Zuge der Währungsreform automatisch 10 zu 1 umgestellt wor({3})
den und haben dadurch natürlich ihren Wert völlig verloren. Durch diese Handhabung ist in den betroffenen Kreisen viel Not und Sorge eingekehrt, und es fragt sich, ob nicht auch diese Fälle noch in irgendeiner Form der Bereinigung bedürfen.
Nun bietet das alliierte Gesetz hierfür in seinem § 2 insofern eine leise Möglichkeit, als es bestimmt, daß bei Vorliegen besonderer Umstände hinsichtlich gewisser Anträge oder Gruppen von Anträgen aus Billigkeitsgründen von den normalen Abfindungsbedingungen abgewichen werden kann. Wir möchten dem Wunsch Ausdruck geben, daß die amerikanischen Dienststellen von dieser Möglichkeit einen recht weitgehenden Gebrauch machen, um auf diese Weise die Unbilligkeit wiedergutzumachen, die dadurch entstanden ist, daß die Kapitalabfindungen den Betroffenen kurz vor dem Währungsstichtag mehr oder weniger unter Druck aufgenötigt worden sind. Damit würde nicht nur viel menschliches Leid gelindert werden, sondern auch die Stimmung der Bevölkerung gegenüber der Besatzungsmacht würde wesentlich besser werden.
Der Antrag Strauß und Genossen hat also in wesentlichen Teilen durch das alliierte Gesetz Nr. 47 seine Erledigung gefunden. Aber die genannten Beschwerden bezüglich der unmittelbar vor der Währungsreform geleisteten Kapitalabfindungen stehen noch offen. Deshalb ist der Rechtsausschuß der Meinung, daß seine Entschließung trotz der geänderten Situation noch beibehalten werden soll, damit die Regierung erfährt, wie der Bundestag diesen Fragenkomplex behandelt sehen möchte. Der Rechtsausschuß bittet Sie, seinem Antrage zuzustimmen, wonach der Antrag der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen der Bundesregierung zur Berücksichtigung bei ihren Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission zu überweisen ist.
({4})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat zunächst Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf den Ausführungen des Herrn Berichterstatters nur noch weniges hinzufügen. Es handelt sich um eine Materie, die allein die amerikanische Zone angeht. In der französischen und in der britischen Zone wurden laufend schon an die Geschädigten oder ihre Hinterbliebenen Renten gezahlt. In der amerikanischen Zone wurden Kapitalabfindungen gezahlt, und der Herr Berichterstatter hat zutreffend darauf hingewiesen, daß vor der Währungsreform in ziemlich erheblichem Maße solche Kapitalabfindungen noch in Reichsmark gezahlt worden sind, die also durch die Währungsreform im Verhältnis 10 zu 1 zusammengelegt worden sind. Insofern ist das Gesetz Nr. 47 ein ganz erheblicher Fortschritt, da nunmehr die Zahlung in Renten vorgesehen wird und darüber hinaus in den Fällen, in denen die Festsetzung oder die Auszahlung der Kapitalabfindungen nach dem 20. Juni 1948 erfolgt, eine Abwertung nicht stattfindet, sondern eine Umrechnung von Reichsmark auf D-Mark im Verhältnis 1 zu 1 vorgenommen wird. Nach Mitteilung des Amtes des amerikanischen Hohen Kommissars handelt es sich dabei um etwa 1600 Fälle.
Nicht vollauf befriedigend ist die neue Regelung für die Fälle, in denen sowohl die Festsetzung wie
die Auszahlung der Kapitalabfindung vor dem Stichtag der Währungsreform stattgefunden hat. Nach dem Gesetz Nr. 47 würde es dabei verbleiben. Wir haben aber bereits Verhandlungen mit dem Amte des amerikanischen Hohen Kommissars aufgenommen, um auch in diesen Fällen eine gerechte Änderung zu erzielen, wie es für die anderen Fälle in dem Gesetz angeordnet ist. Wir werden ein Memorandum mit dem Material dazu überreichen und hoffen, daß auf Grund einer Generalklausel, die in Art. 1 des Gesetzes vorgesehen ist, die Hohen Kommissare in der Lage sein werden, nachträglich entsprechend der Gerechtigkeit auch diese Fälle zu berücksichtigen.
Ganz allgemein darf ich noch auf folgendes hinweisen. Das neue alliierte Gesetz bietet den Grundstein für eine einheitliche Entschädigung aller Besatzungsschäden einschließlich der Belegungsschäden in allen drei Zonen. Wir haben den Alliierten Vorschläge für die Bemessung der Höhe der Entschädigungen vorgelegt. Sie werden zur Zeit auf alliierter Seite erörtert und in Kürze mit uns beraten werden. Wir hoffen, daß die Ergebnisse der Beratungen positiv sein werden. Dann würden endlich auch materiell die Entschädigungsbeträge in allen Zonen nach einheitlichen Grundsätzen festgesetzt werden.
Wir begrüßen also die Entschließung des Ausschusses und betrachten sie als wertvolle Stütze für die weiteren Verhandlungen mit der Hohen Kornmission.
({0})
Für die Aussprache über diesen Gegenstand hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist am 26. Juni 1950 eingereicht worden. Es ist bedauerlich, daß sich die Behandlung so lange hingezogen hat, daß bis zu seiner endgültigen Verabschiedung im Plenum in der heute vorliegenden Fassung ein inzwischen von der alliierten Hohen Kommission ausgearbeitetes Gesetz, das Gesetz Nr. 47, erlassen worden ist. Ich nehme allerdings an, Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, daß bei den Verhandlungen über das Gesetz 47, in die meines Wissens auch das Bundesfinanzministerium eingeschaltet war, der Inhalt dieses Antrages von deutscher Seite als Forderung erhoben worden ist, die jedoch leider nur teilweise berücksichtigt worden ist. Nach unserer Auffassung macht es, wenn der Unfall vor -dem 21. Juni 1948 erfolgt ist, nicht den geringsten Unterschied aus, ob die Auszahlung vor dem 21. Juni 1948 in R-Mark oder nach dem 21. Juni 1948 in D-Mark - die ehemalige Reichsmarksumme auf ein Zehntel in D-Mark abgewertet - vorgenommen worden ist.
Wir müssen nach wie vor, nachdem das Gesetz eine Billigkeitsklausel erhalten hat, die Regierung dringend auffordern, daß sie sich dieser einzelnen Fälle - seien es auch nur 1600; 1600 .Schicksale sind viele Schicksale in diesem Falle -, daß sie sich jedes einzelnen Falles annimmt, um bei der alliierten Hohen Kommission zu erreichen, daß gemäß dem im Gesetz vorgesehenen Billigkeitsmodus die Auszahlung der ehemaligen Reichsmarksumme in D-Mark entweder in Form einer einmaligen Kapitalabfindung oder in Form einer laufenden Rente
({0})
erfolgt. Die einzelnen Opfer von Kraftfahrzeugunfällen oder irgendwelchen Ausschreitungen, die vor dem 21. Juni 1948 vorgekommen sind, können persönlich ja gar nichts dafür, ob die Festsetzung und Auszahlung vor oder nach dem Tage der Währungsreform erfolgt ist. Ihr Schicksal ist in jedem Fall das gleiche, und darum verlangen wir gleiches Recht für beide Gruppen und eine der Gerechtigkeit und der Billigkeit entsprechende Lösung. Es handelt sich hier ja ohnehin nur um einen geringen Teilausschnitt aus dem Gesamtstoff des Entgelts für Besatzungsschäden und Besatzungsleistungen, wozu wir noch manches zu sagen hätten.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Nadig.
Meine Herren und Damen! Der Antrag Nr. 1119 ist bereits in der Sitzung am 19. Juli 1950 behandelt worden. Wie der Herr Finanzminister damals ausführte, hat die Hohe Kornmission die Genehmigung für ein deutsches Gesetz abgelehnt. Eine nicht verständliche Haltung; denn die Lastenverrechnung erfolgt über den deutschen Besatzungshaushalt. Da sollte auch die gesetzliche Regelung nach deutscher Auffassung vorzunehmen sein.
Für uns ist der Standpunkt unannehmbar, daß Körperschäden, die zur Invalidität oder zum Tode führten, wenn sie vor der Währungsreform entstanden sind, nach derselben zivilrechtlich im Verhältnis 10 zu 1 in D-Mark abgelöst werden. Ein solcher Standpunkt ist nach unserem Rechtsempfinden unhaltbar. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen der Unfallgesetzgebung, die eine Behandlung der Renten 1 zu 1 vorsieht. Das Gesetz Nr. 63, das Umstellungsgesetz, ist von den alliierten Behörden erlassen worden. Darin ist die Umstellung der Renten 1 zu 1 vorgeschrieben. Das gilt auch für die Unfallgeschädigten. Sollte diese Bestimmung des Umstellungsgesetzes nicht in allererster Linie für die hier zur Debatte stehenden Geschädigten Anwendung finden?
({0})
Wir hoffen, daß die Hohe Kommission sich unserer Rechtsauffassung nicht verschließt und daß man uns ferner als Vertreter des Volkes keine Schwierigkeiten macht, den gesamten Fragenkomplex durch ein deutsches Gesetz zu regeln. Sollte wider Erwarten eine in diesem Sinne vorgeschlagene Regelung nicht möglich sein, so muß von deutscher Seite ein Weg gefunden werden, den unglücklichen Opfern zu helfen. Es muß eine zusätzliche Regelung im Sinne der Unfallgesetzgebung erfolgen.
Wir begrüßen den Vorschlag, den der Herr Vertreter des Finanzministeriums im Rechtsausschuß gemacht hat, die für die zusätzliche Regelung erforderlichen Beträge im Bundeshaushaltsplan einzusetzen. Das sollte schon im Bundeshaushalt 1951 geschehen.
Die Not der Menschen, die heute hier zur Debatte steht, erfordert eine schnelle Regelung. Wir dürfen nicht länger daran vorbeigehen. Wir stimmen dem Antrag Drucksache Nr. 1119 in dem heute besprochenen Sinne einer nochmaligen Besprechung mit der Hohen Kommission zu.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Wir sind nicht in der Lage, den Vorschlag des zuständigen Ausschusses, der darauf hinausläuft, der Bundesregierung den Auftrag zu geben, erneut Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission zu diesem Gegenstand aufzunehmen, als richtig und ausreichend anzuerkennen.
Es geht keineswegs nur um das Problem der Aufwertung der Abfindungen. Es geht meines Erachtens darum, deutsche Organe nach deutschen Gesetzen, etwa nach den Bestimmungen der Unfallversicherungsgesetzgebung, bei der Festsetzung des Grades der Erwerbsbeschränkung einzuschalten, die durch den von einem Angehörigen der Besatzungsmacht verursachten Körperschaden hervorgerufen worden ist. Es geht aber auch darum, dafür zu sorgen, daß deutsche Organe in die Lage kommen, festzustellen und darüber zu entscheiden, ob hier ein Schaden vorliegt, der durch .das Verschulden eines Mitgliedes der Besatzungsmacht entstanden ist. Darauf kommt es doch entscheidend an. Bis heute hat der Geschädigte keine Möglichkeit der Einwirkung auf den Bescheid, der ihm durch die Besatzungsmacht erteilt wird. In sehr vielen Fällen wird die gewährte Rente in ihrer Höhe dem Schaden nicht entfernt gerecht. Sehr oft ist es auch so, daß die Besatzungsmacht eine Entschädigung ablehnt, weil sie bestreitet, daß eines ihrer Mitglieder für den einem Deutschen zugefügten Körperschaden verantwortlich ist.
Wir sind eigentlich ein wenig erstaunt darüber, daß der Ausschuß eine derart weitgehende Bescheidenheit an den Tag legt. Wir stellen also den Antrag, diesen Bericht zu ergänzen und der Regierung den Auftrag zu geben, der Besatzungsmacht, der Hohen Kommission auf dem Petersberg bekanntzugeben: der Bundestag ist der Auffassung, daß nicht nur ab sofort die Feststellung und die Entschädigung der Schäden, die durch Angehörige der Besatzungsmacht verursacht werden, durch deutsche Organe zu erfolgen hat, sondern daß wir uns auch das Recht vorbehalten, alle bisher getroffenen Entschädigungsbescheide, sowohl was die Höhe des Rentensatzes wie auch was die Ursache des entstandenen Schadens angeht, durch deutsche Organe einer Nachprüfung zu unterziehen.
Daß die Besatzungsmächte kein besonderes Interesse daran haben, den geschädigten Deutschen die ihnen auf Grund des erlittenen Schadens zukommende Rente zu bewilligen, ist eigentlich selbstverständlich. Denn die Kosten, die dabei entstehen, gehen doch über Besatzungslasten, und die Besatzungsmacht hat kein Interesse daran, offen erkennen zu lassen, in wie zahllosen Fällen durch Mitglieder der Besatzungsmacht Deutschen Personenschäden zugefügt werden. Es handelt sich dabei nicht nur um Unfälle; es handelt sich dabei auch um die Schäden, die entstehen, wenn Deutsche von Angehörigen der Besatzungsmächte überfallen, mißhandelt und getötet werden. All diese Komplexe spielen doch da hinein. Deshalb sollten wir und sollten vor allem auch Sie im Zuge Ihrer angeblichen Bestrebungen der Rückeroberung der Staatssouveränität der Besatzungsmacht ganz eindeutig klar machen: das ist eine Frage, die wir durch deutsche Organe sowohl rückwirkend wie auch in der Zukunft geregelt wissen wollen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses ihre Zustim({0})
mung geben, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
- Herr Abgeordneter Renner, ich habe keinen Gegenantrag vorliegen. Wenn ein Antrag zur Abänderung eingebracht wird, muß das schriftlich geschehen. Es ist bisher allgemein üblich gewesen, daß ein Redner, wenn er hier sprach und einen Abänderungsantrag stellte, gleichzeitig den Text vorlegte.
({2})
- Mir lag kein Abänderungsantrag vor, infolgedessen konnte ich nicht darüber abstimmen lassen. Inzwischen ist ja auch der Antrag des Ausschusses angenommen. Sie sehen aus dem Abstimmungsergebnis, daß der Antrag von einer großen Mehrheit des Hauses gebilligt wurde.
({3})
- Herr Abgeordneter Renner, wenn es Ihnen auf etwas ankommt, bitte ich, nach der Geschäftsordnung zu verfahren und Abänderungsanträge schriftlich 'vorzulegen.
({4})
- Der Punkt ist erledigt; es gibt keine Worterteilung mehr dazu.
({5})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben das Wort in der Diskussion gehabt. Die Abstimmung hat stattgefunden. Nachdem die Abstimmung gewesen ist, kann das Wort zu dieser Abstimmung nicht mehr erteilt werden.
({6})
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
({7})
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({8}), über den Antrag der Abgeordneten von Thadden und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit beim Dienst in einer Fremdenlegion ({9}).
Zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer das Wort.
Dr. Pfleiderer ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten von Thadden und Genossen -Drucksache Nr. 879 - wurde seinerzeit zuerst an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überwiesen. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sodann eine Zweiteilung vorgenommen, sich für die Absätze 1 und 2 selbst für zuständig erklärt und bezüglich der Absätze 3 und 4 den Antrag an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen.
Zu den Absätzen 1 und 2 beschloß der Ausschuß für innere Verwaltung bereits im Juni letzten Jahres mit Zustimmung der Herren Antragsteller, dem Hause vorzuschlagen, die Angelegenheit im Hinblick auf § 83 des zu erwartenden Strafrechtsänderungsgesetzes 1950 für erledigt zu erklären. Ich bitte um die Erlaubnis, diesen Paragraphen vorlesen zu dürfen:
Wer einen Deutschen zum Wehr- oder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht anwirbt oder ihren Werbern oder dem ausländischen Wehr- oder Rüstungsdienst zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten
bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Als Wehr- oder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht ist nicht der Dienst bei zwischenstaatlichen Einrichtungen anzusehen, an denen
die Bundesrepublik beteiligt ist oder auf die
sie Hoheitsrechte übertragen oder zu deren
Gunsten sie Hoheitsrechte eingeschränkt hat.
Zu den Punkten 3 und 4 des Antrags Drucksache Nr. 8'79 war der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten der Ansicht, daß auf jeden Fall die von den H Antragstellern vorgeschlagene Rechtsfolge des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit mit Art. 16 des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Im übrigen ist ein Gesetz über Militärdienst deutscher Staatsangehöriger gemäß Ziffer 2 des Besatzungsstatuts immer noch ausgeschlossen. Danach ist es im Augenblick auch noch nicht möglich, gesetzlich die Modalitäten festzulegen, unter denen ein Deutscher Soldat werden könnte.
Der Ausschuß bittet daher das Hohe Haus, beschließen zu wollen, die Absätze 3 und 4 des Antrags der Abgeordneten von Thadden und Genossen mit Rücksicht auf Ziffer 2 des Besatzungsstatuts sowie auf Art. 16 des Grundgesetzes für unzulässig zu erklären. Der Ausschuß ist jedoch der Ansicht, daß die Frage der deutschen Dienstkommandos bei den Besatzungsmächten, die in der Anfrage Nr. 148 - Drucksache Nr. 1710 - von der SPD aufgeworfen ist, damit noch offenbleibt. Ich bitte die Damen und Herren, den Antrag des Ausschusses anzunehmen.
Ich danke dem He Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag, der am 27. April vorigen Jahres von mir eingebracht wurde, hat sich recht lange in den Ausschüssen aufgehalten. Ich habe mich seinerzeit im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung damit einverstanden erklärt, die Absätze 1. und 2 durch die zu erwartende Strafrechtsreform für erledigt zu erklären. Die Art der Erledigung der Absätze 3 und 4 durch den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten findet jedoch- nicht unsere Zustimmung.
Meine Damen und Herren, es heißt hier:
Kein Deutscher darf Soldat sein, es sei denn auf Grund-eines in voller Freiheit eigener Entschließung von der Bundesregierung vorgelegten und vom Bundestag beschlossenen Gesetzes.
({1})
Wir haben keineswegs den Antrag gestellt, daß der Bundestag ein Gesetz beschließen soll, das diese Modalitäten regelt. Unsere Haltung zu dieser Frage ist, absolut klar. Ich sehe aber nicht ein, warum der Bundestag nicht einen Beschluß fassen kann, in dem er seine Haltung eindeutig festlegt, was durch eine Annahme unseres Antrages geschehen würde. Vor allen Dingen würde eines geschehen: der Regierung würde, ich möchte sagen, eine gewisse Marschroute aufgezeigt werden.
Meine Damen und Herren, die ganze Frage einer Aufrüstung, sei es offen, sei es getarnt, bewegt Tag für Tag jeden einzelnen Deutschen. Die Frage wird hinter verschlossenen Türen der Büros erledigt und vorangetrieben, sie wird durch Beschlüsse im Bundeskanzleramt forciert, durch die berühmten „einsamen Beschlüsse", die sich von den einsamen Beschlüssen des Berghofes in nichts mehr unterscheiden,
({2})
zumal das Parlament von seiner Prärogative, hier etwa einzugreifen, bisher nur außerordentlich wenig Gebrauch gemacht hat.
({3})
Meine Damen und Herren, Sie - der eine oder andere von Ihnen - haben heute Bilder gesehen, auf denen gezeigt wird, wie unter ausländischen Offizieren deutsche Soldaten bereits exerzieren. Hier sehen Sie es! Der Bundeswohnungskommissar bzw. der Bundessicherheitskommissar ist offenbar mit diesen Dingen einverstanden, weil sie in seinen Aufgabenbereich bzw. in seine Richtung hineinpassen.
({4})
Wir sind der Meinung, daß solche Dinge in Deutschland weder notwendig sind noch aufrechterhalten werden dürften. Man kann nicht sagen: man will Wachtruppen haben, und diese mit aufgepflanztem Seitengewehr exerzieren lassen. Man kann auch nicht unter dem Vorwand, es handle sich um Dienstgruppen, auf dem Main Amphibien-Fahrzeuge amerikanischer Bauart herumfahren lassen, mit Deutschen besetzt, die militärische Dienstränge haben, militärische Dienstgradabzeichen, mit dem einzigen Unterschied, daß der deutschsprechende Captain die zwei Streifen in Rot hat und der amerikanische in Silber.
({5})
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
von Thadden ({0}): Herr Präsident, ich muß ja meinen Antrag irgendwie begründen!
Welchen Antrag? Es liegt kein Antrag von Ihnen vor. Die Antragsteller haben ihn seinerzeit bei der Einbringung des Antrags begründet.
von Thadden ({0}): Herr Präsident, der Antrag wurde ohne Debatte dem Ausschuß überwiesen.
Das ist doch dann erledigt. Jetzt gibt es doch nicht nachträglich, nachdem der Ausschußbericht vorliegt, eine neue Begründung des Antrags. Sie können höchstens zur Aussprache Ausführungen machen. Dafür ist die Redezeit abgelaufen. Unter diesen Umständen kann ich Ihnen das Wort nicht weiter erteilen.
von Thadden ({0}): Herr Präsident, ich bedaure, - ({1})
-Meine Damen und Herren, der Antrag wurde
seinerzeit ohne eine Debatte an den Ausschuß verwiesen. Es muß doch eine Möglichkeit geben, hier
dem Hause die Argumente, die uns zur Einbringung dieses Antrages veranlaßt haben, vorzutragen.
({2})
Herr von Thadden, Sie haben jetzt nicht weiter das Wort.
von Thadden ({0}) : Das bedaure ich außerordentlich, Herr Präsident!
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich dem Antrag des Ausschusses bezüglich der Absätze 3 und 4 der Drucksache Nr. 879 nicht anschließen. Ich habe den Eindruck, daß diese Dinge den Händen des Parlaments längst entglitten sind und von Tag zu Tag mehr entgleiten. Das ist nämlich das Wesentliche.
({0})
Es geschehen in unserem Lande Dinge, über die das Parlament weder beschlossen hat noch auch informiert wird.
({1})
Sie geschehen auch von ausländischer Seite, aber auch zum Teil - so hat man den Eindruck - von deutscher Seite. Ich habe mich z. B. in den ersten Tagen der Tätigkeit des Bundeswohnungskommissars auf sein Amt begeben und traf dort eine reine Gkdos-Atmosphäre an mit neuen Schreibtischen, an denen wenig Arbeit geschah und an denen geheimnisvolle Leute herumgastierten, von denen man nicht merkte, was mit ihnen., loswar. Diese Dinge sollen hier vor unserem Parlament besprochen werden. Das deutsche Volk hat ein Recht, das zu erfahren. Im übrigen ist es so, daß eine Beratung hierüber im Interesse unseres deutschen Volkes und nicht nur im Interesse unseres Parlamentes sachlich notwendig ist. So hat sich der amerikanische Columnist Lippmann mit Recht darüber lustig gemacht und gesagt, es sei absurd, daß dasselbe Volk jetzt remilitarisiert werden solle, dem man gleichzeitig noch die Geltung des süddeutschen Befreiungsgesetzes gegen den Militarismus auf erlegt, dem man auch noch mit auf den Weg gegeben habe, den steilen Weg ohne Gewehre zurücklegen zu müssen, und dem man gesagt habe, man werde es davor bewahren, jemals wieder ein Gewehr tragen zu müssen, - daß man diesem Volk, ohne seine eigene gesetzliche Vertretung zu befragen, solche Dinge vormacht und Dinge treibt, wie sie auf der Rückseite der Illustrierten hier eben vor Augen geführt wurden. Das paßt nicht in unsern Stil. Es ist Sache unseres Volkes, jetzt zu beweisen, daß wir als Nation mindestens ebenso friedlich sind wie irgendeine andere Nation in der Welt. Das zu zeigen, ist jetzt die große Chance, wo die deutsche Nation zum erstenmal Gelegenheit hat, über ihre Rüstung oder Wiederaufrüstung mit Ja oder Nein selber entscheiden zu können. In diesem Augenblick darf sich das Parlament nicht ausschalten lassen. Deswegen vertrete ich die Ansicht, daß die Bundesregierung uns einen Gesetzentwurf in diesem Sinne vorlegen soll. Was darin stehen mag,
({2})
das ist eine zweite Frage; darüber mögen wir uns dann streiten. Aber im großen und ganzen, in groben Zügen gemäß den Absätzen 3 und 4 des Antrags in Drucksache Nr. 879 möge die Bundesregierung einen solchen Gesetzentwurf vorlegen.
Das Wort hat ,der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Meine Damen und Herren! Der Antrag, den wir eingebracht haben, ({0})
- Ach Gott, Sie können ja lesen, soweit Sie die Volksschule besucht haben sollten; dann dürften Sie ja die Namen feststellen können, wer die „wir" sind.
({1})
Wir haben in diesen Antrag ganz bewußt den Begriff „Fremdenlegion" hineingebracht
({2})
- danke vielmals! -, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil wir uns darüber klar waren, daß man über kurz oder lang mit diesem Begriff operieren würde. Heute sind wir so weit. Heute kommt derselbe Mann nach Deutschland und nach anderen europäischen Ländern, der vor wenigen Jahren erst Menschen, die sich für Europa einsetzten, die für Europa gekämpft und geblutet haben, an die Sowjets ausgeliefert hat, Herr Eisenhower nämlich.
({3})
Er versucht gemäß den Londoner Beschlüssen, deutsches Kanonenfutter vom Nordkap bis zum Ägäischen Meer zum Einsatz zu bringen. Dafür ist uns der letzte Deutsche einfach zu schade, um für den Kapitalismus der Wall Street sein Blut und seine Knochen zu Markte zu tragen.
({4})
Deshalb sind wir dagegen, daß sich auch nur e i n Deutscher für diese Kriegstreiber zur Verfügung stellen darf und stellen soll.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß noch ein paar Worte nötig sind, um gewisse Mißverständnisse, die hier offenbar aufgetaucht sind, zu klären.
({0})
Es handelt sich bei der Debatte, die jetzt eben ausgefochten wird, nicht darum, nun den Begriff der Fremdenlegion und einer Beteiligung Deutscher in einer Fremdenlegion festzustellen. Denn wie wir gerade aus den Ausführungen des Herrn Dr. Richter gehört haben, ist nicht so sehr die Fremdenlegion in diese Debatte hineingestellt worden, sondern eine etwaige Beteiligung auch Deutschlands und jener positiv eingestellten Kreise innerhalb unserer deutschen Bundesrepublik, die an der Verteidigung Europas mitwirken wollen. Diese Verteidigung Europas steht heute schließlich und endlich im Mittelpunkt unseres Interesses, und jeder versündigt sich an Europa und jeder versündigt sich an dem, was wir heute unsere Deutsche Bundesrepublik nennen, der hier, sei es auf der äußersten Linken oder sei es auf der äußersten Rechten les extrêmes se touchent, sagt ein bekanntes Wort -, zusammengeht, um angeblich unter der Devise: „Gegen Fremdenlegion, gegen eine Beteiligung in einer Fremdenlegion!" die Verteidigung Europas zu sabotieren. Dieses Wort muß gebraucht werden.
Meine Damen und Herren, seien wir uns der Bedeutung dessen 'bewußt: Wenn, wir heute von Europa sprechen, wenn wir heute die Vereinigten Staaten von Europa mit heißem Herzen wünschen, dann wissen wir, warum. Dann wissen wir. daß es sich, nicht darum handelt, nun hier Kanonenfutter für irgendwelche anderen Mächte, für irgendwelche anderen Interessen abzugeben, sondern daß es sich darum handelt, die Gefahr aus dem Osten her, die eines Tages nicht nur Deutschland, sondern auch Europa überfluten würde und die uns mit in diesen allgemeinen Strudel hineinziehen würde, mit bannen zu helfen, daß es sich nicht um eine Beteiligung an einer Fremdenlegion handelt, sondern um dir Verteidigung unserer ureigensten Interessen. Des halb, glaube ich, sollten wir diese Dinge nicht unter ein falsches Motto stellen.
Was wir wollen und wünschen, meine Damen und Herren, können wir doch dahingehend charakterisieren: alle gutgesinnten Kräfte in unserer Bundesrepublik endlich einmal davon zu überzeugen, Ida die Fragestellung falsch ist, die wir immer in der Presse, die wir draußen in der Kritik unserer Bevölkerung hören, die Fragestellung: Wollt ihr eine Wiederaufrüstung oder nicht? Die Fragestellung muß heißen: Wollt ihr, daß wir, wenn Europa in Gefahr kommt und wenn Europa angegriffen wird - der Gefahr eines solchen Angriffs kann sich nur ein Blinder verschließen -, mitverteidigt werden? Und wenn wir das wollen, kann, glaube ich, der einzige Ausgangspunkt, von dem wir auch diesen Antrag hier betrachten müssen, der sein, daß wir dann auch unseren eigenen Beitrag mit zu dieser Verteidigung leisten. Wir müssen deshalb dem Antrag des Ausschusses auch unsere Zustimmung geben.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Herr Renner noch? Hier liegt keins Wortmeldung vor.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist überflüssig, auf die Äußerungen der Furcht und der Phantasie einzugehen, die mein Herr Vorredner hier zum besten gegeben hat. Ähnliche Reden haben wir vor 15 Jahren schon mal in einer ähnlichen Fassung gehört.
({0})
- Ach, Herr Strauß, wenn ich Ihre Ratschläge befolgte, ginge es mir schlecht.
({1})
({2})
Aber zum vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren!
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die Verhandlungen nicht durch allzuhäufige Unterbrechungen des Redners in die Länge zu ziehen.
Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, uns zustimmend zu dem Antrag der Herren von Thadden, Dr. Richter und Genossen zu äußern.
({0})
- Herr Neumann, Sie könnten mit der Zeit auch ein bißchen origineller werden. Wenn man so alt geworden ist, wird es höchste Zeit!
Kein Mensch kann zwar 'bezweifeln, daß das Problem einer deutschen Fremdenlegion von großer Aktualität ist. Der Herr Kollege Dr. Reismann hat hier einige Worte gesprochen, die nicht leichtfertig aufgenommen werden sollten. Es ist kein Geheimnis mehr, daß die Frage einer Fremdenlegion aus Menschen deutscher Sprache an höchster Stelle in den Vereinigten Staaten erörtert wird. Aber ich bin nicht der Meinung, daß man diesem Problem auf die Art begegnen kann, wie es in dem vorliegenden Antrage geschieht. Mir scheint auch der Herr Dr. Richter nicht gerade der geeignete Mann,
({1})
sich über solche Erscheinungen zu beschweren; denn er möchte die Fremdenlegion nicht darum ablehnen, weil es sich dabei um eine skrupellose Vorbereitung eines neuen Krieges handelt, sondern weil er einfach eine andere Armee an deren Stelle setzen möchte, weil er nämlich eine neudeutsche, aggressive, imperialistische Armee aufbauen will. Darum handelt es sich.
({2})
- Gehören Sie auch schon zur Fraktion Dr. Richter? Man weiß hier nämlich nie genau, wie sich die Grenzen hier von Tag zu Tag verschieben.
({3})
Wir erklären also, daß wir dem vorliegenden Antrag unsere Zustimmung verweigern, weil es sich hier um den Wunsch handelt, die Einrichtung der von den anderen gewünschten Fremdenlegion durch eine deutsche Armee zu ersetzen.
Mir scheint auch die Begründung des Berichts des Ausschusses, der sich mit dem Antrag befaßt hat, nicht ausreichend zu sein. Wir können darum auch dem vorliegenden Bericht unsere Zustimmung nicht geben. Der Antrag wird mit der Begründung abgelehnt, daß das Besatzungsstatut eine solche Willensäußerung für unzulässig erkläre. Ich glaube, es ist unangebracht, eine solche Frage mit Hinweisen auf das Besatzungsstatut zu erledigen. Im übrigen, denke ich, wird es auf die Dauer nicht möglich sein, mit geschäftsordnungsmäßigen Anträgen die Diskussion über die Frage der Remilitarisierung hier in diesem Hause abzuwürgen. Ich glaube, daß der Antrag Thadden und Genossen nicht die geeignete Grundlage bietet, um ,die große und schicksalsschwere Frage der Remilitarisierung in diesem Hause zu erörtern. Bereits zweimal wurde .in den Letzten Wochen erfolgreich von der rechten
Seite des Hauses der Versuch unternommen, eine ernsthafte Debatte über die Remilitarisierung abzuwürgen,
({4})
einmal, als meine Fraktion den Antrag stellte, die Geheimverhandlungen der Generale und des Herrn Blank auf dem Petersberg unverzüglich einzustellen, und ein zweites Mal im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der Zentrumsfraktion. Ich denke, daß die Stimmung in der Bevölkerung auch den Mitgliedern dieses Hauses sehr bald deutlicher zur Kenntnis bringen wird, daß es auf ,die Dauer nicht möglich ist, die Lebensfrage, um die es heute in unserem Volke geht, nämlich die Entscheidung für Krieg oder Frieden, von der Tagesordnung dieses Hauses fernzuhalten.
({5})
So, nun liegen wirklich keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen ist der Ausschußantrag angenommen.
Punkt 10 der Tagesordnung, Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fahrpreisermäßigung zum Besuch von Kriegsgräbern ({0}), ist zurückgezogen worden. -Meine Damen und Herren, mir ist dann weiter mitgeteilt worden, .daß eine interfraktionelle Vereinbarung vorliegt, von der Beratung des Punktes 11 der Tagesordnung - Antrag der Fraktion der KPD betreffend Margarinepreis ({1}) - abzusehen.
({2})
- Auf morgen zu verschieben! - Da nicht widersprochen ist, nehme ich die Zustimmung des Hauses an.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Antrages der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Fahrpreisermäßigung für Freiwillige des Internationalen Zivildienstes ({3}).
Auf eine Begründung ist verzichtet. Das Wort zur Aussprache ist nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die nach dem Vorschlage des Ältestenrats der Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen und an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist demnach so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht Nr. 19 über Anträge
von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({4}).
Ich bitte diejenigen, die den Anträgen der Ausschüsse zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist demnach so beschlossen.
Ich berufe die nächste Sitzung, die 120,. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 22. Februar 1951, 13 Uhr 30.
Die 119. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.