Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 110. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Entschuldigungen.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Wönner, Dr. Henle, Dr. Tillmanns, Seuffert, Dr. Nölting. Für längere Zeit sucht um Urlaub nach der Abgeordnete Nuding für zwei Monate wegen Krankheit.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter bekanntzugeben, daß mir gestern folgende Schreiben zugegangen sind: ein Schreiben der Fraktion der Abgeordneten der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung:
Die Fraktion der WAV kündigt hiermit die bisherige Arbeitsgemeinschaft mit der Fraktion des Zentrums. Mit der Gruppe BHE - DG besteht sowieso unsererseits keine Arbeitsgemeinschaft.
Und ein weiteres Schreiben der Zentrumsfraktion: Die Zentrumsfraktion ist mit der Aufnahme der Herren Abgeordneten Dr. Doris und Dr. Richter in die Arbeitsgemeinschaft ZentrumWAV und der dementsprechenden Änderung der Ausschußsitze nicht einverstanden. Sie hat durch den in der Anlage beigefügten Brief an die WAV die Auflösung der Arbeitsgemeinschaft veranlaßt.
({0})
Das Haus hat von diesen beiden Schreiben Kenntnis genommen.
({1})
Meine Damen und Herren! Zur Tagesordnung von heute habe ich folgende Mitteilung zu machen. Nach einem Beschluß des Ältestenrates wird die in Punkt 3 der Tagesordnung aufgeführte zweite und dritte Beratung eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes um eine Woche auf Mittwoch, den 17. Januar 1951 verschoben, nachdem die Fraktion der SPD auf Grund des § 40 der vorläufigen Geschäftsordnung der Beratung widersprochen hat.
Dann ist in die Tagesordnung aufgenommen worden ein Antrag der Fraktion der KPD betreffend Erlaß über Strom- und Gaseinschränkungen ({2}). Ich nehme an, daß die Drucksache verteilt worden ist. Es ist vom Ältestenrat mit den Antragstellern vereinbart worden, daß dieser Antrag ohne Begründung und ohne Aussprache dem zuständigen Fachausschuß überwiesen wird.
Nachdem diese Bekanntmachungen erfolgt sind, meine Damen und Herren, rufe ich auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurf eines Gesetzes
über die Verlängerung der Dauer bestimmter
Patente ({3}).
Wünscht der Herr Justizminister das Wort? - Der Herr Minister verweist auf die schriftliche Begründung der Regierung. Es ist im Ältestenrat vereinbart worden, daß eine Debatte nicht stattfinden soll. Die erste Lesung des Gesetzes ist damit beendigt. Ich schlage vor, diese Vorlage dem Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Verlängerung von Prioritätsfristen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({4}).
Ich darf annehmen, daß für diese Vorlage das gleiche gilt. In der ersten Lesung wird das Wort nicht gewünscht. Eine Debatte soll nach Vereinbarung im Ältestenrat nicht stattfinden. Es erfolgt die Überweisung an den Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Finanzierung des Baues von Hochseeschiff en ({6}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Blachstein. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Blachstein, das Wort zu nehmen, und weise darauf hin, daß nach der Vereinbarung im Ältestenrat eine Aussprache nicht stattfinden soll.
Blachstein ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1366 - Antrag der SPD vom 21. September 1950 - forderte, den beteiligten Ländern beschleunigt 100 Millionen DM für die Finanzierung des Baus von Handelsschiffen durch Vorwegbewilligung bis 30. September 1950 zur Verfügung zu stellen. Der mitbeteiligte Ausschuß für Verkehrswesen befürwortete durch Schreiben vom 12. Oktober 1950, unter Hinweis auf die Ausführungen des Bundesverkehrsministers in der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 19. Juli 1950 den Vorgriff auf die in Aussicht genommenen 100 Millionen DM in Übereinstimmung mit dem verabschiedeten Gesetz über die Darlehen zum Bau und Erwerb von Handelsschiffen. Die 100 Millionen nach dem Einzelplan XII des Außerordentlichen Haushalts Kap. E 11 Tit. 5 bilden nur einen Teil der für den Schiffbau vorgesehenen Mittel. Die übrige Finanzierung des Baues und Kaufs von Handelsschiffen, wie sie der Herr Bundesverkehrsminister in der 77. Sitzung des Deutschen Bundestages angekündigt hatte, wird davon nicht betroffen und ist weiter ungeklärt.
({8})
Der Haushaltsausschuß schlägt dem Hohen Hause vor:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Finanzierung des Baues von Hochseeschiffen - Nr. 1366 der Drucksachen - für erledigt zu erklären mit Rücksicht auf den Beschluß des Haushaltsausschusses in der Sitzung vom 3. November 1950, in der auf Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 31. Oktober 1950 für die Gewährung von Darlehen für den Bau von Handelsschiffen auf deutschen Werften und den Erwerb von Handelsschiffen im Ausland nach Maßgabe gesetzlicher Bestimmungen für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1950 bis zur vollen Höhe des Ansatzes bei Einzelplan XII - Außerordentlicher Haushalt - Kap. E 11 Tit. 5 gemäß § 3 Abs. 3 des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahre 1950 vom 23. Juni 1950 in Verbindung mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung dieses Gesetzes 100 Millionen Deutsche Mark vorwegbewilligt wurden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Sie haben den Antrag des Ausschusses gehört. Eine Aussprache soll nicht stattfinden. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 1667 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({0}) über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Internierten in der Tschechoslowakei und Polen ({1}).
Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Dr. Hubert. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen. Eine Aussprache soll nach der Vereinbarung im Ältestenrat nicht stattfinden.
Frau Dr. Hubert ({2}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 26. Ausschuß des Bundestages hat sich in seiner Sitzung am 21. November 1950 mit dem Antrag der DP Drucksache Nr. 1216 beschäftigt, der die Bundesregierung ersuchen sollte, die Angehörigen von Internierten in der Tschechoslowakei und in Polen den Angehörigen von Kriegsgefangenen gleichzustellen.
Der Ausschuß war sich nach kurzer Aussprache darüber einig, daß diesem Wunsche schon in dem Gesetz vom 13. Juni 1950 über die Unterhaltshilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen Rechnung getragen ist. Im § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes heißt es nämlich:
Den Kriegsgefangenen gleichzustellen sind Personen, die im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verschleppt worden sind oder von
einer ausländischen Macht festgehalten werden. Auch die Regierung war der Ansicht, daß dieser Personenkreis damit schon erfaßt sei.
({3})
Der Ausschuß hat daher im Einverständnis mit den Antragstellern beschlossen, dem Bundestage vorzuschlagen, diesen Antrag Drucksache Nr. 1216 als durch das eben genannte Gesetz erledigt zu erklären.
({4})
Ich danke der Frau Berichterstatterin und beglückwünsche sie, daß es ihr gelungen ist, trotz der Unruhe hier im Hause durchzudringen.
Sie haben den Bericht gehört. Eine Aussprache soll nicht stattfinden.
Ich lasse abstimmen über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 1695. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Herr Abgeordneter Erler, Sie wünschen dafür zu stimmen, nicht dagegen? ({0})
- Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Lastenausgleich ({1}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Vorschußzahlungen aus dem Lastenausgleich an Auswanderer ({2}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Wackerzapp. Eine Aussprache hat der Ältestenrat nicht vorgesehen. Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Wackerzapp ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP Drucksache Nr. 1364 ersucht die Bundesregierung, eine Durchführungsverordnung zum Soforthilfegesetz zu erlassen, durch die die Möglichkeit geschaffen wird, Auswanderern, die im Besitz von befristeten Einwandererpermits sind, im Vorschußwege auf Ansprüche aus dem Lastenausgleich diejenigen Beträge auszuzahlen, die zur Deckung ihrer Transport- und Überfahrtkosten erforderlich sind.
Meine Damen und Herren, es ist weder der Platz noch die Zeit noch meine Aufgabe, hier das große, schicksals- und verantwortungsschwere Problem „Heimatvertriebene und Auswanderer" grundsätzlich zu behandeln. Hier geht es nur darum, ein paar konkrete Fragen praktisch zu erledigen.
Der typische Fall ist der, daß Heimatvertriebene in Übersee Verwandte haben, die bereit sind, sie bei sich aufzunehmen und zu unterhalten, oder sie haben durch irgendwelche andere Verbindungen Gelegenheit gefunden, sich draußen eine neue Existenz aufbauen zu können. Wenn es ihnen nun gelungen ist, sich durch das Dickicht der Verordnungen hindurchzuwinden, denen man nachkommen muß, ehe man die Einwanderungserlaubnis erhält, stellt sich vielfach als weiteres Hindernis entgegen, daß diese Personen nicht in der Lage sind, das Geld für die Überfahrt zu bezahlen.
Hier will der Antrag der FDP einen Ausweg dadurch schaffen, daß das Soforthilfeamt ersucht wird, helfend einzugreifen. Es hat sich aber herausgestellt, daß das Soforthilfeamt nur in sehr beschränktem Umfange dabei mitwirken kann. Die Aufgaben des Soforthilfeamtes und die Verwendung der ihm zufließenden Mittel sind gesetzlich festgelegt. Man möchte auf die Aufbauhilfe verweisen. Hier aber steht das Bedenken entgegen,
({4})
daß die Aufbauhilfe zwar in erster Linie für den Geschädigten bestimmt ist, darüber hinaus aber auch der heimischen Volkswirtschaft dienen und zu ihrer Entwicklung beitragen soll. Im Hinblick darauf wäre es wenig sinnvoll, eine Aufbauhilfe zu geben, durch die eine Existenz geschaffen wird, deren wirtschaftlicher Nutzeffekt letzten Endes einer fremden Volkswirtschaft zugute käme.
Es besteht weiter die Möglichkeit, auf Grund des Soforthilfegesetzes zu helfen, etwa über die Hausratentschädigung, um die Betroffenen mit Kleidung, Koffern usw. zu versehen.
Daneben aber gibt es noch bescheidene Möglichkeiten, aus Mitteln zu helfen, die durch das Bundesinnenministerium und Bundesfinanzministerium verwaltet werden. Das Bundesinnenministerium insbesondere ist ja die Stelle, die ressortmäßig das große Gebiet des Auswandererwesens zu betreuen hat.
So ist der Ausschuß für den Lastenausgleich bei der Behandlung der aufgeworfenen Fragen unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände zu dem Ergebnis gekommen, daß man sich nicht darauf beschränken solle, lediglich den Weg des Soforthilfegesetzes zu beschreiten und das Soforthilfeamt einzuschalten, sondern ganz allgemein die Regierung zu ersuchen, alle möglichen Mittel einzusetzen, deren Anwendung zu dem Ziele führen kann: dem hier in Betracht kommenden Personenkreis zum Zwecke der Übersiedlung nach Übersee die finanziellen Mittel zu erschließen.
Den Antrag des Lastenausgleichsausschusses finden Sie in der Drucksache Nr. 1715, auf die ich hiermit verweisen darf. Im Namen des Ausschusses bitte ich Sie, diesen Vorschlag annehmen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Sie haben den Bericht gehört. Auf eine Aussprache sollte verzichtet werden.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1715. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Zahlung einer Ausgleichszulage für ins Beamtenverhältnis überführte Arbeiter und Angestellte der Bundesbahn ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Einbringungszeit von 10 Minuten und Verzicht auf eine Aussprache vor. Ich bitte Herrn Abgeordneten Gundelach, das Wort zu nehmen.
Gundelach ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der von meiner Fraktion eingebrachte und jetzt zur Beratung stehende Antrag Drucksache Nr. 1659 fordert die Zahlung von Ausgleichszulagen für Arbeiter und Angestellte der Bundesbahn, die in das Beamtenverhältnis übernommen werden. Zur Begründung dieses unseres. Antrages verweise ich auf den Tatbestand, daß zur Zeit in solchen Fällen, in denen Arbeiter oder Angestellte der Bundesbahn in das Beamtenverhältnis übernommen werden, diesem Personenkreis daraus ein Einkommennachteil entsteht. Es handelt sich dabei um recht beachtliche Beträge, die die früheren Arbeiter oder Angestellten der Bundesbahn dann, wenn sie in das Beamtenverhältnis übernommen werden, als Mindereinnahmen zu verzeichnen haben. Aus Entschließungen der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, die allen Fraktionen meines Wissens zugegangen sind, geht hervor, daß es sich um Kürzungen in Höhe von etwa 85 DM monatlich im Durchschnitt handelt. Dabei ist zu beachten, daß die Verminderung des Einkommens, das die Betroffenen als Beamte haben, erfolgt, obwohl die Arbeitsleistung die gleiche wie im früheren Arbeiter- oder Angestelltenverhältnis bleibt. Aus dieser Tatsache allein muß die Forderung der Eisenbahner auf Zahlung einer Ausgleichszulage als absolut berechtigt anerkannt werden.
Nach Informationen aus Kreisen der Eisenbahner wurden auch bis zum Jahre 1948 derartige Ausgleichszahlungen vorgenommen. Zwei Jahre, das wissen Sie alle, bestand eine Einstellungs- und Beförderungssperre bei der Eisenbahn. Nachdem diese nunmehr aufgehoben worden ist und wieder Arbeiter und Angestellte ins Beamtenverhältnis übernommen werden, ist es dringend notwendig, den Zustand wiederherzustellen, wie er bis zum Jahre 1948 bestanden hat, und den in Frage kommenden Eisenbahnern ist die Ausgleichszulage zu gewähren.
An einem Beispiel, meine Damen und Herren, will ich die Berechtigung der Forderung der Eisenbahner noch demonstrieren. Das Einkommen eines Arbeiters, der zum Beispiel als Rottenführer beschäftigt ist, beträgt rund 230 DM monatlich. Demgegenüber erhält diese selbe Person als Rottenführer im Beamtenverhältnis nur 198,50 DM monatlich. Das ist unserer Meinung nach ein ganz unhaltbarer Zustand, der insbesondere auch angesichts der eingetretenen Teuerung nicht fortbestehen darf. Mit unserem Antrag soll erreicht werden, daß dieses zur Zeit bestehende Unrecht durch Ausgleichszahlungen, wie sie bis zum Jahre 1948 gewährt worden sind, jetzt schnellstens beseitigt wird.
Meine Damen und Herren, die kommunistische Fraktion ist damit einverstanden, daß dieser unser Antrag noch einer eingehenden Beratung in den zuständigen Ausschüssen unterzogen wird.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Auf eine Aussprache sollte verzichtet werden. Ich schlage vor, den Antrag dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die mit der Ausschußüberweisung einverstanden sind, die Hand zu erheben. - Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frommhold und Genossen betreffend Autobahnreklame ({0}).
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, eine Einbringungszeit von höchstens 15 Minuten und keine
Aussprache vorzusehen.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Frommhold, das Wort zu nehmen.
Frommhold ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich heute hier zur Begründung unseres Antrages Drucksache Nr. 1688 betreffend Autobahnreklame sprechen darf, so will ich einleitend sagen, daß ich das um so lieber tue, als wir hier einen der wenigen Fälle haben, in denen mit einem Antrag kein Anspruch auf irgendwelche Zuschüsse aus Etatmitteln erhoben wird. Hier wird im Gegenteil vielleicht erst({2})
malig der Versuch unternommen, dem Etat zusätzliche Einnahmen zu verschaffen. Ich bin mir vollkommen klar darüber, daß ein Eintreten in die Erörterung über die Höhe der Einnahmen, die nach Angaben der einen zwischen drei und fünf, nach Angaben anderer zwischen acht und zehn und nach Angaben dritter ungefähr um 15 Millionen DM im Jahr herum liegen sollen, wahrscheinlich nicht zweckmäßig sein dürfte; ich möchte aber zum Ausdruck bringen, daß wir uns in einer Zeit, in der der Finanzminister nach Einnahmequellen sucht und Steuererhöhungen in jeder Form beantragen muß, um seinen Etat einigermaßen ausbalancieren zu können, jeder auch noch so gering erscheinenden Einnahmequelle bedienen müssen, um diesen Bemühungen des Finanzministers entgegenzukommen.
Ich weiß, daß die Gegner der Autobahnreklame Argumente anführen, die sich zum Teil auf das Autobahngesetz von 1937 beziehen. Zum Teil argumentieren sie auch, daß Autobahnreklame eine Verschandelung unserer durch landschaftlich sehr schöne Gegenden führenden Autobahnen zur Folge haben würde. Der Hinweis auf die Bestimmungen des Autobahngesetzes von 1937 geht meines Erachtens heute fehl; denn damals wollte man uns in „herrliche Zeiten" führen, und heute sehen wir uns auch in finanzieller Hinsicht in einer Notlage, wie sie das deutsche Volk wohl selten erlebt hat. Ich bin kein Befürworter einer wilden Reklame an allen Stellen der Autobahn. Wohl aber bin ich der Meinung, daß durch eine Autobahnreklame in vernünftiger Form unter Freilassung der Teile der Autobahn, die durch landschaftlich wirklich einmalig schöne Gegenden führen, doch eine zusätzliche Einnahmequelle geschaffen werden könnte, die im Vergleich zum Etat des Bundes vielleicht verschwindend gering erscheinen mag, die auszuschöpfen aber nach meinem Dafürhalten auch dem Steuerzahler gegenüber unabdingbar notwendig ist, damit auf diese Weise aus vielem Kleinem ein Größeres erreicht wird. Das wird dazu beitragen, die steuerliche Belastung mit der Zeit doch etwas zu erleichtern.
Ich darf aus diesem Grunde beantragen, das Hohe Haus möge über den ersten Teil unseres Antrags abstimmen, soweit es sich also darum handelt, das Bundesverkehrsministerium zu beauftragen, unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen in die Wege zu leiten, damit das Aufkommen aus Reklame auf den Bundesautobahnen für die Bundesfinanzen nutzbar gemacht wird. Ich darf fernerhin beantragen, daß der zweite Teil, der sich mit der Verwendung der aufkommenden Mittel befaßt, dem entsprechenden Ausschuß überwiesen wird.
Meine Damen und Herren! Ich darf zusammenfassen und Sie nochmals bitten, dem ersten Teil unseres Antrags Ihre Zustimmung zu geben, nicht nur, damit auch der schwerbelastete Steuerzahler sieht, daß sich der Bundestag für eine Erleichterung der steuerlichen Lasten interessiert, sondern auch um endlich einmal einen Anfang zu machen, der Not unseres Volkes gerecht zu werden, indem wir zu Maßnahmen greifen, wie außerordentliche Zeiten sie verlangen und wie sie unter so außergewöhnlichen Umständen jederzeit vertretbar sind.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Der Herr Antragsteller hat beantragt, über den ersten Teil sofort abzustimmen und den zweiten Teil dem Ausschuß zu überweisen. Das entspricht nicht ganz den Vereinbarungen, die wir im Ältestenrat getroffen hatten. Wir hatten angenommen, es sei zweckmäßig, den Antrag, da er eine verkehrspolitische und eine haushaltmäßige Bedeutung hat, zunächst dem Ausschuß für Verkehrswesen, der federführend sein würde, und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist?
({0})
- Das ist offenbar der Fall. Dann ist die Überweisung erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der FDP
betreffend Neubildung von Landwirtschaftskammern ({1}).
Dazu habe ich Ihnen vorzuschlagen, daß die Begründungszeit auf 20 Minuten und die Aussprachezeit auf 60 Minuten begrenzt wird. - Das Haus ist damit einverstanden. - Zur Begründung Herr Abgeordneter Dannemann!
Dannemann ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Drucksache Nr. 1707 hat die Fraktion der FDP den Antrag gestellt, die Bundesregierung zu ersuchen, in Kürze den Entwurf eines Rahmengesetzes für die Neubildung von Landwirtschaftskammern vorzulegen. Damit soll im Bundesgebiet eine Einrichtung wieder zu neuem Leben erweckt werden, die seit Jahrzehnten nicht nur für den Berufsstand, sondern auch für das gesamte Wirtschaftsleben so überaus befruchtend gewirkt hat. Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß die großen Fortschritte in der Landwirtschaft seit der Jahrhundertwende auf das engste mit der Tätigkeit dieser Landwirtschaftskammern verbunden gewesen sind. Ich brauche nur hinzuweisen auf die Einführung der Handelsdüngemittel, auf die erheblichen Ertragssteigerungen auf dem Acker durch Anbau neuer Sorten und (furch neue Bearbeitungsmethoden, auf die Bekämpfung der Schädlinge, auf die großen tierzüchterischen Erfolge, ferner auf die Förderung des Obst- und Gemüsebaues und die Fortschritte in der Fischerei. Ganz besonders aber möchte ich auf die Förderung des landwirtschaftlichen Nachwuchses in den Fachschulen hinweisen sowie auf die Ausbildung der Lehrlinge.
Überall im alten Reich bestanden diese Landwirtschaftskammern als echte Selbstverwaltungskörperschaften und übten eine segensreiche Tätigkeit aus. Durch den Reichsnährstand wurden sie ihres Charakters als Selbstverwaltungskörperschaften beraubt und zu Befehlsempfängern, ja gewissermaßen zu staatlichen Organen degradiert.
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Bis zum Zusammenbruch blieb diese Einrichtung erhalten. Nach 1945 gab es keine einheitliche Organisation mehr. Da jedoch die Aufgaben weitergeführt werden mußten, übernahmen in einem wilden Durcheinander die verschiedensten Organe in den einzelnen Ländern diese Funktionen. Zum Teil waren es die Landesernährungsämter, zum Teil der Staat, zum Teil die berufsständischen Organisationen. In der britischen Zone wurden die Dinge anders gehandhabt als in der amerikanischen Zone und hier wieder anders als in der französischen Zone. Durch das Reichsnährstands-Auflösungsgesetz wurde eine weitere Schwierigkeit heraufbeschworen. Man löste zwar den Reichsnährstand auf, ohne sich aber dabei darüber Gedanken zu machen, wie die Aufgaben selbst weitergeführt werden sollten. Für eine
({4})
Übergangszeit von drei Jahren wurde nach diesem Gesetz ein Umlagerecht auf der Grundlage des Einheitswertes in Höhe von 1 Mark je 1000 Mark Einheitswert festgesetzt. Inzwischen sind einige Länder, wie Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, bereits dazu übergegangen, wieder Landwirtschaftskammern alten Stils einzurichten. Andere Gebiete, so Hannover und Weser-Ems, haben zunächst vorläufige Landwirtschaftskammern ins Leben gerufen, und in anderen Ländern steckt man noch in den Anfangsgründen. Im großen und ganzen ist die Entwicklung in der britischen Zone am weitesten vorangeschritten, während es in der französischen Zone und besonders in der amerikanischen Zone noch mehr oder weniger hapert. Zum Teil werden in einzelnen Ländern, ganz besonders in der französischen Zone, Umlagen erhoben, die weit über den Rahmen des Reichsnährstands-Auflösungsgesetzes hinausgehen.
Dieser uneinheitliche Aufbau ist äußerst unerwünscht und muß sich auf die gesamte Förderung der Landwirtschaft ungünstig auswirken. Soll die Erzeugung tatkräftig gesteigert werden - daß das notwendig ist, wird niemand bestreiten -, muß hier eine Änderung herbeigeführt werden. Alle die von mir anfangs herausgestellten umfangreichen Aufgaben lassen sich von einer Selbstverwaltung viel tatkräftiger und wirkungsvoller lösen und gestalten als von einer rein staatlichen oder gar privaten Organisation; ganz abgesehen davon, daß eine private Organisation gewisse Hoheitsaufgaben wie z. B. das Saatanerkennungswesen, das Körwesen, die Förderung des Fachschulwesens, die Ernennung von Beamten usw. gar nicht übernehmen kann. Es handelt sich hier also um ein grundsätzliches Problem größter Tragweite.
Erfreulicherweise hat sich das Hohe Haus in seiner Sitzung vom 26. Oktober gelegentlich der Beratung über den Entwurf eines Gesetzes über die Handwerksordnung geschlossen unter anderem für die Errichtung von Handwerkskammern ausgesprochen, und zwar als öffentlich-rechtliche Körperschaften. Es ist wohl nicht anzunehmen, daß gegenüber der Landwirtschaft ein anderer Standpunkt eingenommen wird. Auch die Zuständigkeit des Bundes ist nach Art. 74 Ziffer 17 GG durchaus gegeben.
So möchte ich das Hohe Haus bitten, diesen Antrag nicht erst einem Ausschuß zu überweisen, sondern über den Antrag sofort abzustimmen, da er die Regierung lediglich ersucht, ein Rahmengesetz vorzulegen, dessen Beratung im zuständigen Ausschuß ohnehin erfolgen muß. Hinzu kommt, daß nach dem Reichsnährstands-Auflösungsgesetz die Bestimmung über das Umlagerecht im Frühjahr abläuft und infolgedessen- schleunigst eine Regelung getroffen werden muß, wenn nicht die gesamte Erzeugung empfindlich getroffen werden soll.
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Ich darf daher das Hohe Haus bitten, dementsprechend zu beschließen.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrages gehört.
Ich darf noch einmal an das Haus appellieren, vielleicht auch wichtige Gespräche so zu führen, daß man es den Herren Berichterstattern und Rednern nicht schwer macht, sich mit ihren Ausführungen an die Gesamtheit des Hauses zu wenden.
Ich eröffne die Aussprache. Ums Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher gebeten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zwar etwas kleiner, aber ich werde um so kürzer reden.
Zu der Frage kann ich deswegen reden, weil ich selber Landwirtschaftskammerdirektor war und infolgedessen das Handwerk genau kenne. Ich habe eine sehr große Hochachtung vor den Einrichtungen der Landwirtschaftskammern, denen Sie eine ganz andere Konstruktion gegeben haben, als die Kammern sie bei uns haben.
({0})
- Jetzt entschuldigen Sie einmal: Seien Sie doch froh über meine Anerkennung, denn den anderen Bayern fällt es oft schwer, den Norddeutschen eine Anerkennung zu zollen.
({1})
Mir fällt es leicht, weil ich ein ruhiges Gemüt habe.
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Infolgedessen brauche ich auch keine Bayernpartei, denn ich kann den Kampf mit jedem Preußen persönlich aufnehmen.
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Also, auf dem genannten Gebiet haben sie mustergültig gearbeitet. Ich möchte meinen norddeutschen Agrar-Freunden auch nicht in den Weg treten. - Sie sehen, daß ich jetzt einen gewissen Grad von übermäßiger Höflichkeit erreiche
({4})
und nicht auf abschüssige bayerische Wege gerate.
Die Geschichte ist nämlich so: Eigentlich müßte ich im Hinblick auf das Grundgesetz sagen, daß ich als Bayer dem sogenannten Rahmengesetz nicht recht wohlwollend gegenüberstehen kann, denn Rahmengesetze dienen meist dazu, einen föderalistischen Umweg zu einem zentralistischen Einheitsweg zu finden, und da habe ich große Bedenken.
Auch halte ich es nicht für richtig, daß hier etwa ein Zwang auf die Länder ausgeübt wird, denn da muß die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Ländern berücksichtigt werden. Dort, wo die Landwirtschaftskammern das landwirtschaftliche Schulwesen unter sich haben, wo sie auf dem ganzen technischen Gebiet einschließlich der schulischen Einrichtungen in der Landwirtschaft die Selbstverwaltung haben, bin ich mit ihnen einverstanden. Aber dort, wo das bei den staatlichen Organen liegt wie bei uns in Bayern, Herr Kollege von Knoeringen, da sieht sich die Sache anders an. Deswegen muß man die Dinge so gestalten, daß alle Verhältnisse berücksichtigt sind. Sie sehen also, daß ich ganz wohlwollend bin und dem Gedanken der Landwirtschaftskammer durchaus nicht entgegentrete.
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Ich kann ja selber aus meiner eigenen Haut nicht heraus, nachdem ich früher dieses Geschäft betrieben, und zwar mit Erfolg betrieben habe,
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sogar mehr, als den Herren überhaupt lieb gewesen ist. Ich kehre aber dorthin nicht mehr zurück, weil ich wieder eine andere Tätigkeit habe, die mich mehr erfreut.
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- Jawohl, auch mit Erfolg! Wir haben ja gegenseitig unsere Freude daran!
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Aber was, wir notwendig brauchen, das ist die Einheitsorganisation der Bayern.
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- Vielleicht habe ich mich da versprochen. Nur schade, der Herr Seelos ist nicht da, der begreift so etwas erst nach drei Tagen!
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Die Einheitsorganisation der Bauern, wollte ich natürlich sagen, darf unter keinen Umständen angeschlagen werden, denn sie ist absolut die Grundlage des Ganzen, und zu dieser Einheitsorganisation gehört das landwirtschaftliche Genossenschaftswesen. So sieht die Sache aus! Dazwischen steht die technische Organisation der Landwirtschaftskammern. Diese Sache muß so gestaltet werden, daß sie den historischen Verhältnissen Rechnung trägt. Sie werden z. B. die Württemberger - Sie sehen, ich rede auch für die Württemberger, ich kenne die Brüder ganz genau -,
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die Badener, die Bayern usw. nicht unter einen Hut bringen, weil hier vielfach die staatliche Verwaltung selber die Einrichtungen hat, die in Norddeutschland die Landwirtschaftskammern gehabt haben.
Also, wir haben nichts dagegen, beruhigen Sie sich, wir nehmen den Antrag gern an. Aber wir behalten uns unsere Stellungnahme zu einem derartigen Gesetzentwurf, wenn er einmal kommen sollte, vor. Ein Zwang auf die Länder kann jedenfalls mit Rücksicht auf die historische Entwicklung nicht ausgeübt werden.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich vermute, daß das auch ein Erfolg der Rede des Herrn Abgeordneten Horlacher ist.
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Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen, da eine Ausschußüberweisung nicht beantragt ist, zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache Nr. 1707. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Offenbar einstimmig angenommen.
Ich bitte, den Punkt 10 der Tagesordnung zurückstellen zu dürfen. Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau wünscht an dieser Besprechung teilzunehmen, befindet sich aber augenblicklich noch in einer Konferenz mit den Hohen Kommissaren und den alliierten Dienststellen. Deshalb möchte ich den Punkt 10 zurückstellen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Zeit von 10 Minuten für die Einbringung des Antrags und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Bitte, Herr Abgeordneter Stopperich!
Stopperich ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zur Verabschiedung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes betrug der Grenzbetrag in der Krankenversicherung 3600 Mark im Jahr oder monatlich 300 Mark. Durch das Sozialversicherungsanpassungsgesetz und die Beratungen im Wirtschaftsrat am 17. Dezember 19481 wurde dieser Betrag dahin geändert, daß der versicherungspflichtige Grenzbetrag pro Jahr jetzt bei 4500 Mark gleich 375 Mark im Monat liegt. Schon im Wirtschaftsrat hatte die Sozialdemokratische Partei den Antrag eingereicht, diesen Pflichtgrenzbetrag auf 7200 Mark zu erhöhen. Dort fand eine gründliche Aussprache darüber statt, und es wurde auch der Betrag von 5400 Mark genannt. Beide Anträge kamen nicht durch, weder der Antrag auf 5400 Mark noch der Antrag auf 7200 Mark. Angenommen wurde der Antrag auf 4500 Mark.
Heute müssen wir uns vor Augen führen, daß infolge der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und der Preissteigerungen die Nominallöhne und Gehälter gestiegen sind, somit ein Teil der Versicherungspflichtigen über diese Grenze hinauskommt und dadurch nicht mehr versicherungspflichtig ist. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es unbedingt notwendig ist, die Menschen soweit wie möglich vor großer Not zu schützen. Wir wissen, daß, wenn ein Teil der Versicherungsnehmer in diese höheren Gehaltsklassen kommt, also über 375 Mark monatliches Einkommen hat, er zwar die Gelegenheit hat, sich freiwillig zu versichern, dies aber größtenteils vergißt, weil fast immer außer acht gelassen wird, daß eine Frist von 21 Tagen besteht, innerhalb derer die Weiterversicherung vorgenommen werden muß. Nun könnten diese Leute natürlich in eine Privatversicherung eintreten, aber auch das geschieht zum großen Teil nicht. Entsteht dann Krankheit in einer solchen Familie, dann gerät sie meist in sehr große Not. Denken wir im Augenblick nur an die Grippeepidemie. Sind in einer Familie mehrere Kinder und es tritt eine ernstliche Erkrankung ein, so kann das für die Betreffenden, die nicht versichert sind, schwere Not für lange Zeit bedeuten. Wir sind daher der Auffassung, daß auf alle Fälle ein Jahresbetrag von 7200 Mark als Pflichtversicherungsgrenze angesehen werden sollte, und glauben, daß eine große Zahl von Menschen bei diesem Grenzbetrag noch in den Rahmen dieser Pflichtversicherung fällt.
Man könnte sagen, daß ein Mann, der etwa 450 Mark oder gar 600 Mark verdient, einen Betrag für Notzeiten zurücklegen kann. Auch ich möchte darauf verweisen, daß das bei der augenblicklichen Teuerung nicht gut möglich ist. Von ganz besonderer Bedeutung ist, daß diejenigen, die keiner Pflichtversicherung angehören, sehr oft viel zu spät zum Arzt gehen und auch bei Krankheiten in der Familie den Arzt zu spät holen, wodurch die Krankheit oft einen viel größeren Umfang annimmt, als wenn der Betreffende pflichtversichert ist.
Ich bitte daher, im Interesse der Arbeitnehmer, aber auch im Interesse der Volksgesundheit diesem Antrag zuzustimmen. Ich darf sagen, daß insbesondere viele Angestellte an uns herangetreten sind und darum gebeten haben, daß dieser Antrag eingereicht wird. Wenn Sie im Interesse der Arbeitnehmer und unseres Volkes überhaupt auf diesem Gebiete etwas tun wollen, dann müssen Sie - und darum bitten wir Sie - unserem Antrag auf Drucksache Nr. 1711 zustimmen.
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Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung gehört. - Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens der Regierungsparteien zu dem hier eingebrachten Antrag der SPD nur eine ganz kurze Erklärung abgeben. Zunächst aber gestatten Sie mir noch eine persönliche Bemerkung, weil der Herr Kollege, der den Antrag begründet hat, auch darauf abgehoben hat, daß die Fraktion der SPD im Wirtschaftsrat bereits im Jahre 1949 diesen Antrag auf Erhöhung der Krankenversicherungspflichtgrenze auf 600 DM gestellt hat. Ich bin auch heute noch der Meinung, daß die CDU-Fraktion des Wirtschaftsrates damit, daß sie damals ihren Abänderungsantrag gestellt hat, das unter den damaligen Verhältnissen Richtige getan hat. Ich glaube, man darf mit Fug und Recht sagen, daß mit der Erhöhung der Grenze auf 4500 Mark den seinerzeit gegebenen Verhältnissen durchaus Genüge geschehen war.
Zu dem heutigen Antrag habe ich namens der Regierungsparteien zu erklären, daß wir dem Antrag auf Überweisung an den Sozialpolitischen Ausschuß zustimmen. Ich betone aber ausdrücklich, daß wir uns damit die in diesem Antrag zu Tage tretende Auffassung über die Höhe der Versicherungspflichtgrenze nicht ohne weiteres zu eigen machen. Wir wollen hier keine eingehende Debatte über dieses Thema herbeiführen, sondern sind der Meinung, daß der Sozialpolitische Ausschuß die richtige und zuständige Stelle ist, den Antrag mit aller Gründlichkeit und in jedweder Beziehung zu erörtern und die Schlußfolgerungen zu ziehen, welche die dabei gewonnenen Erkenntnisse uns nahelegen.
Ich möchte weiter hinzufügen, daß sich die Problematik der Krankenversicherung keinesfalls nur in der Frage erschöpft, wie hoch etwa die Versicherungspflichtgrenze sein soll. Es wird Aufgabe dieses Bundestages sein - wie ich hoffen möchte, in nicht zu ferner Zeit -, sich im Rahmen der Neuordnung der sozialversicherungspolitischen Dinge auch mit den Problemen zu beschäftigen, die die Krankenversicherung als solche uns im weiteren noch aufgibt. Ich will damit sagen, daß die Frage einer Neuordnung oder zeitgemäßen Ausrichtung der Krankenversicherung über diesen Punkt erheblich hinausgeht.
Namens der Regierungsparteien möchte ich ferner hinzufügen, daß wir im Ausschuß, wenn eine Ausweitung der Versicherungspflichtgrenze in Frage kommen sollte, eine Aussprache auch darüber veranlassen werden, ob und inwieweit der vor Jahren außer Kraft gesetzte § 178 der Reichsversicherungsordnung, der die freiwillige Weiterversicherung begrenzte, wieder in Kraft gesetzt werden könnte.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich auf diese kurzen Bemerkungen beschränken, mit denen ich nur andeuten wollte, in welchem weitgesteckten Rahmen etwa die Gesamtprobleme zu sehen sind. Wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß mit dem ganzen Ernst, den die Besprechung dieses Punktes verdient, an der Gestaltung und der Lösung dieser 'rage _mitarbeiten.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es liegt der Antrag vor, den Antrag auf Drucksache 1711 dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Kunze und Genossen betreffend Umsatzsteuerbefreiung der Freien Wohlfahrtspflege ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und den Verzicht auf eine Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Kunze, das Wort zu nehmen.
Kunze ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier nicht um eine neue Angelegenheit, sondern lediglich um die Klärung von Zweifelsfragen, die dadurch entstanden sind, daß der Beschluß, den der Bundestag bereits am 21. Juli auf Grund der Vorlage des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen - Drucksache Nr. 1124 - gefaßt hat, nicht so ausgelegt wird, wie es der Wille des Bundestages war. Durch einen „klärenden" Erlaß des Bundesfinanzministers vom 15. August 1950 ist jetzt folgende Lage eingetreten. Die Oberfinanzpräsidenten legen diesen Erlaß des Bundesfinanzministers so aus, daß lediglich die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege und ihre Unterverbände - das sind in der Regel Landesverbände oder im kirchlichen Raum die Diözesanverbände bei der Karitas oder Provinzialverbände bei der Inneren Mission - mit ihren Einrichtungen von der Umsatzsteuer befreit werden sollen.
Der Wille des Hohen Hauses war, daß alle Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege, die nach den Vorschriften der Steuergesetze und der Gemeinnützigkeitsverordnung Befreiung von der Körperschaftsteuer und von der Vermögensteuer genießen, von der Umsatzsteuer freigestellt werden sollten. Dabei lag die Erkenntnis zugrunde, daß es sich hierbei überhaupt um keine echte Steuereinnahme handeln kann; denn wenn die freie Wohlfahrtspflege mit ihren als gemeinnützig, mildtätig oder kirchlich anerkannten Einrichtungen Einnahmen hat, dann dienen diese Einnahmen lediglich der Deckung der Selbstkosten oder eines Teiles dieser Selbstkosten.
Der Erlaß des Herrn Bundesfinanzministers ist auch dadurch der wirklichen Lage nicht gerecht geworden, daß er eine Voraussetzung macht: die Entgelte müssen hinter den durchschnittlich gleichartigen Leistungen von Erwerbsunternehmungen zurückbleiben. Es handelt sich hierbei um Einrichtungen, die überhaupt nicht in einem Wettbewerb mit Erwerbsunternehmungen stehen. Ich kenne keine Krankenanstalt, keine Erziehungsanstalt, keine Heilanstalt, kein Alters- und Siechenheim, keine Müttererholungsheime, die irgendwie in Wettbewerb mit sonstigen Unternehmungen stehen. Die gibt es nicht!({2})
Darum bitte ich im Namen der Fraktionen des gesamten Hauses - die Bayernpartei hat mich ausdrücklich gebeten, das auch in ihrem Namen zu erklären, da sie lediglich aus formalistischen Gründen wegen der Abwesenheit ihres Sachbearbeiters damals nicht in der Lage war, den Antrag mit zu unterschreiben -, der Bundestag möge nunmehr beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege mit den ihnen angeschlossenen, also nicht nur den ihnen juristisch unmittelbar zugehörigen Einrichtungen insoweit von der Umsatz({3})
steuer freizustellen, als sie auf Grund der Gemeinnützigkeitsverordnung von der Körperschaftsteuer und der Vermögensteuer befreit sind.
Ich glaube, wenn der Bundestag diesen Beschluß faßt, steht seiner Durchführung nichts im Wege, weil alle Zweifelsfragen behoben sind. Es wäre ein Nonsens, die Befreiung etwa davon abhängig zu machen, daß die Pflegesätze etwa unter denen öffentlich-rechtlicher Einrichtungen liegen müssen. Wer die Haushaltspläne der Städte oder der Länder studiert, der weiß, daß Millionensummen erforderlich sind, um dergleichen Einrichtungen, wie sie die öffentliche Hand betreibt, überhaupt lebensfähig zu halten. Die freie Wohlfahrtspflege, von der Arbeiterwohlfahrt über das Rote Kreuz bis zu den kirchlichen Verbänden, leistet Hunderte von Millionen Mark Zuschüsse, weil sie die Pflegesatzeinnahmen nicht bekommt, die sie zur Deckung ihrer Selbstkosten braucht.
Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag die Zustimmung zu geben und zugleich zu genehmigen, daß ein Druckfehler beseitigt wird. Es muß in der letzten Zeile nicht heißen „entsprechend dem vollen Umfange" sondern „entsprechend im vollen Umfange zu stunden".
({4})
Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Meine Damen und Herren! Ich möchte bitten, den Antrag einem Ausschuß zu überweisen.
({0})
- Moment! - Ich möchte bitten, den Antrag einem Ausschuß zu überweisen, um die Frage noch einmal zur Prüfung zu bringen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bin ein Jahrzehnt lang in der schwersten Zeit, die die wohltätigen Anstalten kannten, ihr Rechtsbeistand und ihr Berater gewesen. Ich habe in den Jahren 1935 bis 1945 den Steueranwalt und den Steuerberater gerade der Wohltätigkeitsanstalten gemacht. Es kann also niemand sagen, daß ich etwa den Wohltätigkeitsanstalten mit Unkenntnis oder mit Antipathie gegenüberstehe. Aber ich möchte doch eines betonen und ich muß es in diesem Hohen Hause immer wieder sagen: erstens, das Umsatzsteuergesetz ist kein Gesetz, das die Steuerlast von dem Begriff der Gemeinnützigkeit abhängig macht, und es ist ein gefährlicher Weg, den Begriff der Gemeinnützigkeit in das Umsatzsteuergesetz hineinzutragen.
({2})
Zweitens: ich muß nun einmal auch der "Oberzeugung Ausdruck geben, daß in all den Befreiungen der Bogen nicht überspannt werden soll. Es ist nicht richtig, zu sagen, daß Wettbewerbsverhältnisse nicht bestünden. Wettbewerbsverhältnisse bestehen, und die Grenze ist in einzelnen Fällen gerade auf dem Gebiet der Umsatzsteuer nicht leicht zu ziehen. Außerdem würde der Antrag selbstverständlich auch einen Steuerausfall bringen, der in einer Zeit, in der es unter Umständen notwendig ist, den sehr schweren Weg einer Revision des Umsatzsteuergesetzes zu gehen, überlegt werden müßte.
Ich möchte aus all den Gründen dringend bitten, den Antrag einem Ausschuß zu überweisen, damit in diesem Ausschuß über die Gründe für und gegen gesprochen werden kann.
({3})
Meine Damen und Herren, es war an sich nicht vorgesehen, daß eine Aussprache stattfindet. Nachdem die Bundesregierung eine Erklärung abgegeben hat, halte ich es für zweckmäßig, diese Aussprache stattfinden zu lassen. Ich nehme an, daß diese kurz sein wird.
Zunächst hat sich Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen zum Wort gemeldet.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure, Ihre Zeit in Anspruch nehmen zu müssen, um zu einem vor mehr als einem halben Jahre - ich glaube, beinahe einstimmig - gefaßten Beschlusse des Bundestages nochmals das Wort zu ergreifen. Ich will nicht in den Wettstreit zwischen meinem Kollegen Kunze - im Zivilberuf Schatzmeister des größten evangelischen Wohlfahrtsinstitutes - und dem Herrn Finanzminister eingreifen. Ich bedaure diesen Wettstreit. Wir haben im Finanzausschuß in klarer, eindeutiger, umfassender Weise zu den Dingen Stellung genommen. Es gab auch einen anderen Antrag, der dazu Veranlassung gab: der Antrag des Zentrums über Schullandheime. Der ist längst erledigt und durchgeführt, und zwar im Sinne der Befreiung. Ich halte es nicht für nötig, sondern für eine bedauerliche Verzögerung, wenn nochmals ein Ausschuß bemüht wird, um einen Beschluß des Bundestages zu interpretieren. Das ist nicht die Aufgabe von Ausschüssen und soll es auch nicht werden. Es kann für den Beschluß des Bundestages - es sei denn, er nimmt ihn zurück - nicht ausschlaggebend sein, wie sich die Dinge bei der Umsatzsteuer insgesamt inzwischen entwickelt haben. Es kann vielmehr nur der Gesichtspunkt ausschlaggebend sein, daß das Haus damals - ich sage es wiederholt -, ich glaube, einstimmig der Meinung gewesen ist, man könnte der Tätigkeit der freien Wohlfahrtspflege, die in keiner Weise mit geschäftlicher Betätigung konkurriert, dieses Zugeständnis - wenn Sie es überhaupt so nennen wollen - machen. Denn, meine Damen und Herren, vergessen Sie nicht - das soll mein einziger Satz nach der sachlichen Seite hin sein -, in welchem Maße die großen anerkannten Wohlfahrtsunternehmungen Aufgaben des Staates übernehmen, in den letzten vier Jahren übernommen haben, mindestens aber diese Aufgaben erleichtern.
Wir können nun nicht einen Krebsgang machen. Das Haus hat einen Beschluß gefaßt, und wir bitten, daß dieser Beschluß ausgeführt wird. Mir tut es leid, daß es überhaupt nötig war, heute diesen Antrag einzubringen.
({0})
Herr Abgeordneter Kunze hat noch einmal das Wort.
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir nur einen Satz. Wenn wir der Anregung des Herrn Bundesfinanzministers folgen würden - was ich zu meinem Bedauern nicht kann -, dann würden wir folgende groteske Situation haben. Wir würden uns im Geiste in das Dritte Reich zurückversetzen. Dieses hat mit den Dingen nämlich so gearbeitet, daß es einen Spitzenverband, nämlich die NSV, die von oben nach unten als eine Rechtsperson gegliedert war, von allen Steuern freigestellt und die in Jahrhunderten von unten nach oben gewachsenen gemeinnützigen Einrichtungen nicht freigestellt hat. Denn jetzt ist nach den Erlassen des Herrn Bundes({0})
finanzministers der Spitzenverband freigestellt, und die Tausende von angeschlossenen Einrichtungen, die selbständige Rechtsträger sind, sind nicht freigestellt. Das kann nicht der Wille des Bundestages sein. Ich muß daher meinen Antrag aufrechterhalten, den interfraktionell gestellten Antrag anzunehmen.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Ausschußüberweisung zustimmen wollen, eine Hand zu erheben.
({0})
- Der Herr Bundesfinanzminister hat den Antrag gestellt. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den Antrag Drucksache Nr. 1720 abstimmen und bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Kunze und Genossen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen ist der Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr.-Ing. Decker und Genossen betreffend Goldmünzen in Münzsammlungen und im Münzhandel ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, nach einer Begründungszeit von 10 Minuten eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen.
({2})
- Es läßt sich gar nicht bestreiten, Herr Abgeordneter Hennig, daß das ein interfraktioneller Antrag ist, aber es steht darüber: Dr.-Ing. Decker und Genossen. Diese Genossen sind Abgeordnete der verschiedenen Fraktionen.
({3})
Darf ich den Herrn Abgeordneten Decker bitten, das Wort zu nehmen.
Dr.-Ing. Decker ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der interfraktionelle Antrag, Drucksache Nr. 1722, will erreichen, daß Goldmünzen von historischem oder künstlerischem Wert unter den gleichen Schutz gestellt werden wie anderes Kulturgut, das von historischer oder künstlerischer Bedeutung ist. Das Gesetz Nr. 53 der amerikanischen Militärregierung und die Verordnung Nr. 235 des französischen Hohen Kommissars sehen die Anmeldungs- und Ablieferungspflicht von Goldmünzen vor. Nach Art. III Ziffer 36 des Gesetzes Nr. 53 - Neue Fassung - kann die Bank deutscher Länder verlangen, daß Goldmünzen mit höchstem numismatischem Wert ins Ausland gegen Devisen verkauft werden und diese Devisen der Bank deutscher Länder zum Ankauf angeboten werden. Nun stehen Kunstwerke durch internationales Übereinkommen unter Schutz gegen Verschleppung. Auch Münzen können Kunstwerke höchsten Ranges sein und sind es zum großen Teil, auch bei ihnen tritt der Materialwert gegenüber dem ideellen Wert als bedeutungslos zurück. Der Art. X d des Gesetzes nennt aber Goldmünzen ohne Unterschied in einem Zuge mit Goldbarren als ablieferungspflichtig. Er macht also keinen Unterschied zwischen einem rohen, ungeformten Block Goldes und einer Münze z. B. aus Selinunt.
Man kann die Auswirkungen des Gesetzes Nr. 53 auf die in Deutschland gesammelten, numismatisch bedeutungsvollen Goldmünzen zweifach betrachten. Entweder werden uns diese Münzen um ihres künstlerischen und historischen Wertes willen weggenommen. Dann ist dieser Vorgang nichts anderes als ein Kunstraub. Erfolgt aber die Wegnahme wegen des Materialwertes, dann steht diese Zwangsmaßnahme auf durchaus keinem höheren Niveau als seinerzeit das Verbrennen von antiken Marmorstatuen im Kalkofen, lediglich um das Material zu gewinnen.
Wir haben allen Grund, die bestehenden deutschen Münzsammlungen zu schützen. Vielleicht besuchen sogar einmal die Väter des neuen Markstückes eine solche Münzsammlung, um sich inspirieren zu lassen. Vielleicht aber verlassen sie eine solche Münzsammlung auch nur mit schamrotem Kopf.
Jedenfalls ist Eile geboten. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag nicht einem Ausschuß zu überweisen, sondern durch unmittelbare Zustimmung den Auftrag an die Regierung möglichst rasch wirksam zu machen.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrages gehört. Fine Aussprache soll nach der Vereinbarung im Ältestenrat nicht stattfinden.
Ich lasse über den interfraktionellen Antrag auf Drucksache Nr. 1722 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe als nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD
betreffend Erlaß über Strom- und Gaseinschränkungen ({0}).
Es war vereinbart, diesen Antrag ohne Begründung und ohne Aussprache dem zuständigen Ausschuß zu überweisen. Ich schlage Ihnen die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik vor. - Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe weiter Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung der Übersicht Nr. 14 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({1}).
Ich nehme an, daß das Haus von diesem Umdruck und dieser Übersicht Kenntnis genommen hat.
Ich rufe letztlich, obwohl der Herr Bundesminister für Wohnungsbau noch nicht eingetroffen ist, den verbliebenen Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Frühwald und Genossen betreffend Mittel für Siedlungsvorhaben ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Ich bitte den Herrn Abgeordneten Frühwald, das Wort zu nehmen.
Frühwald ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache Nr. 1709 betreffend Mittel für Siedlungsvorhaben hat den Zweck, die festgefahrene Situation in unserer landwirtschaftlichen Siedlung, insbesondere in den Ländern, wo auf Grund der Bodenreform das nötige Siedlungsland vorhanden ist, wieder in Gang zu bringen. Die Situation ist heute die, daß z. B. in Bayern 50 000 Hektar Siedlungsland und in Schleswig-Holstein 30 000 Hektar Siedlungsland vorhanden sind. Aber das Vorantreiben der Schaffung von landwirtschaftlichen Neusiedlungen scheitert daran, daß die Mittel für die notwendigen Wohn- und Wirtschaftsbauten nicht vorhanden sind.
Die Situation ist allgemein bekannt. Denn der Herr Bundespräsident Heuss hat auf der Kundgebung der Selbsthilfeverbände in der PaulsKirche in Frankfurt am 23. September 1950 darauf hingewiesen, daß der Wiederaufbau in der Stadt bevorzugt zu sein scheint, während das Land hier etwas vernachlässigt ist und besonders die ländliche Siedlung einer bevorzugten Förderung bedarf. Herr Bundesminister Lukaschek hat sich in seinen anschließenden Ausführungen dieser Auffassung des Herrn Bundespräsidenten angeschlossen.
In dem von uns gestellten Antrag wird die Forderung gestellt, daß diese Mittel in erster Linie zur Finanzierung von Neubauten Verwendung finden. Wenn sie in erster Linie zur Finanzierung von Neubauten Verwendung finden sollen, was liegt dann näher, als daß man diese Mittel den auf diesem Sektor bereits vorhandenen Mitteln, den im Bundeshaushalt vorgesehenen allgemeinen Mitteln für die Förderung des Wohnungsbaus entnimmt?
Hiergegen wird nun eingewendet, daß die ländliche Siedlung hier bereits auf Grund des Flüchtlingssiedlungsgesetzes des Wirtschaftsrates des Vereinigten/Wirtschaftsgebietes bevorzugt werde. In dem neuen Etat des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten steht unter Kapitel 1 Titel 18 eine Einnahmeposition: Beitrag des Soforthilfefonds zur Durchführung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes. Ich möchte aber auf folgendes aufmerksam machen. Das Flüchtlingssiedlungsgesetz hat den Zweck, heimatvertriebene Landwirte durch Pacht oder Kauf in Altbesitz einzuführen. Das Flüchtlingssiedlungsgesetz hat auf dem Gebiete der Seßhaftmachung der vertriebenen Landwirte eine hervorragende Wirkung ausgelöst; denn neben den Mitteln, die es über die Soforthilfe flüssig gemacht hat, haben insbesondere die Bestimmungen über die Steuervergünstigung usw. erst die Möglichkeit eröffnet, daß der Altbesitz, die auslaufenden Bauernhöfe, die heute ohne Erben dastehen, dazu übergegangen ist, seinen Besitz den Flüchtlingsbauern in erster Linie durch Pacht, in geringerem Umfang durch Kauf anzubieten.
Hierzu gestatten Sie mir aber eine Nebenbemerkung, die vielleicht nicht ganz zur Sache gehört. In einzelnen Fällen wurde das Flüchtlingssiedlungsgesetz dazu benutzt, daß man den bestehenden Besitz durch Heirat einem Flüchtling zugeführt hat, auf diese Weise die Voraussetzungen des Flüchtlingssiedlungsgesetzes erfüllt, seine Begünstigungen erreicht und natürlich, wie das immer im menschlichen Leben geschieht, dadurch die Mißgunst von zwei Gruppen hervorgerufen hat: die Mißgunst der einen, die diese Möglichkeit nicht besitzen, und die Mißgunst der anderen, in diesem Fall einer gewissen Flüchtlingsgruppe, die nicht in der günstigen Lage ist, durch eine Heirat die Begünstigung zu erlangen und die neue Existenzgründung zu ermöglichen.
Ich weise besonders darauf hin, daß diese 35 Millionen DM auf Grund des Flüchtlingssiedlungsgesetzes festgelegt sind; nach § 3 eine Beihilfe bis zu 5000 DM je Neusiedlerstelle, wenn das Land entsprechende Beihilfe leistet, nach § 5 bei Übernahme durch Kauf oder Pacht eines Althofes bis zu 5000 DM für notwendige bauliche Aufwendungen. Nach § 9 kann den Heimatvertriebenen bei Übernahme von landwirtschaftlichen Grundstücken durch Pacht oder Kauf ein zinsloses Darlehn bis zur Höhe von 5000 DM gegeben werden.
Wir sehen aus diesen Einzelheiten des Gesetzes bereits, daß hier das in den Hintergrund gedrängt ist, was die Voraussetzung ist, nämlich die Schaffung von Betriebs- und Wirtschaftsgebäuden.
Vorn Gesichtswinkel unserer Heimatvertriebenen aus gesehen muß ich noch auf etwas hinweisen. Es ist glücklicherweise so, daß in den Kreisen unserer Heimatvertriebenen erst so recht zum Ausdruck kommt, was es für einen Menschen, bedeutet, von einem Besitz getrennt zu werden, mit dem er im Innersten seiner Seele verbunden ist. Es ist wie immer im Leben, in der bäuerlichen Seele ganz besonders, daß diese Trennung besonders schwer empfunden wird. Dies läßt sich auch durch eine einzige Zahl beweisen. Ich mache darauf aufmerksam, daß meines Wissens in Bayern, wo wir sehr viel solche vertriebene Bauern aus den Ostgebieten haben, heute noch 230 000 fremde Arbeitskräfte in der Landwirtschaft vorhanden sind. Von diesen 230 000 sind 35 % Flüchtlinge. Diese 35 %, die zum Teil der Jugend angehören, tragen noch die Hoffnung in sich, daß der Tag kommt, wo sie entweder auf ihrem angestammten Besitz oder auch auf einem neuen Besitz ein neues Fundament ihres bäuerlichen Lebensberufes aufzubauen in der Lage sind. Das gilt aber nicht nur für unsere Heimatvertriebenen. Wir haben noch unsere nachgeborenen Bauernsöhne, die - sprechen wir das offen aus - sich manchmal durch die Auswirkung des Flüchtlingssiedlungsgesetzes etwas zurückgesetzt fühlen.
Wir haben dann die Gruppe, die als jugendliche Menschen heute deshalb nicht mehr gewillt ist, ihre Berufstätigkeit in der Landwirtschaft aufzunehmen oder zu beginnen, weil sie auf Grund der gegebenen Situation keine Aussicht hat, jemals in ihrem Leben auf eigenem Grund und Boden, und sei er noch so bescheiden und noch so klein, ein Fundament für eine Familie zu finden. Wenn wir die Nachwuchskräfte unserer Landwirtschaft trotz der Situation der Zeit erhalten wollen, werden wir der Förderung des Landarbeiterwohnungsbaus und dem Übergang der Wohnung in den Besitz des betreffenden Landarbeiters mehr und mehr unser Augenmerk widmen müssen. So möchte ich bitten, daß dem Sinn dieses Antrags gemäß ein Beschluß zustande kommt, der auch dieser Schicht unseres Landvolkes eine Hoffnung und einen Glauben an ihre Zukunft und ein Ideal gibt, auf dem aufzubauen unbedingt notwendig ist.
Ich weiß, daß jetzt Einwendungen kommen werden, vielleicht in erster Linie von seiten des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau. Ich bestehe nicht darauf, daß diese Mittel aus den allgemeinen Wohnungsbaumitteln abgezweigt werden, obwohl das richtig wäre; denn das Land draußen hat genau soviel Anspruch auf Schaffung von Wohnungen, und wenn man in Verbindung damit noch das
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Bedürfnis der Siedlung betont, erst recht. Wenn es gelingt, neben der Soforthilfe und dem endgültig zu gestaltenden Lastenausgleich die Mittel, die jetzt bereits diesem Zweck dienen, über das Flüchtlingssiedlungsgesetz - dem Antrag gemäß - zu erhöhen, so ist der Zweck erreicht. Grundsätzlich bitte ich, den Antrag in den Ausschüssen unter Berücksichtigung der auch in ihm erwähnten Deckung zu behandeln.
Ich beantrage, diesen Antrag dem Wohnungsbauausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft und dem Flüchtlingsausschuß - den beiden letzten am liebsten zu gemeinsamer Beratung - zu überweisen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! An sich ist die landwirtschaftliche Siedlung, der sicher niemand in diesem Haus die Förderung versagen will, eine Angelegenheit des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Hier in diesem Antrag sind aber die Mittel des Wohnungsbaus und die Mittel der landwirtschaftlichen Siedlung gekoppelt. Das bedarf mindestens einer sehr sorgfältigen Prüfung.
Der Wohnungsbau, der ja auch in sehr großem Umfange dem Land zugute kommt, rechnet für die einzelne Stelle mit ganz anderen Zahlen. Wenn wir, grob gesehen, für eine Wohnung mit 10 000 DM rechnen, so kommt eine Siedlerstelle auf 60 000 DM, und zwar deswegen, weil bei den Siedlungsgebäuden die Hauptaufwendungen ja für die Wirtschaftsgebäude und nicht für die dabei befindliche Wohnung zu machen sind.
Es kommt eine weitere, haushaltsrechtliche Schwierigkeit hinzu. Ich habe die Hoffnung, daß der Herr Finanzminister und das Hohe Haus in diesem Jahr für den gemeinnützigen Wohnungsbau 500 Millionen DM - als Minimum - aufbringen wird. Wir - Haushaltsausschuß und Bundesregierung zusammen - haben in sehr großzügiger Weise unter Vorgriff auf diese Mittel 300 Millionen vorweggenommen und sie, wie das üblich ist, schlüsselmäßig verteilt. Wenn wir nun aber in der zweiten Rate, auf die ich hoffe und die ich erwarte, wieder Mittel für den Wohnungsbau bekommen und davon nach irgendeinem Schlüssel Mittel für die landwirtschaftliche Siedlung abgrenzen sollen, so wäre es, glaube ich, zweckmäßiger, von vornherein im Haushalt meines Herrn Kollegen, des Herrn Ernährungs- und Landwirtschaftsministers, eine entsprechende Summe auszuwerfen. Gegen eine Kürzung der Wohnungsbaumittel müßte ich Bedenken geltend machen. Aber ich hoffe, daß diese Dinge in den Ausschüssen zur Sprache kommen und daß dort die Frage der Aufbringung der Mittel und der Verzahnung von Wohnungsbau- und Siedlungsmitteln einer befriedigenden Klärung zugeführt wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Glüsing.
Herr Präsident! Meine Da Damen und Herren! Trotz der etwas ausweichenden Antwort des Herrn Wohnungsbauministers, der verständlicherweise aus seinem Ressort nicht gern
etwas für die ländliche Siedlung herausrücken will, gestatten Sie mir doch zu diesem Problem noch ein paar grundsätzliche Ausführungen.
Als nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 sich in den einzelnen Ländern die Parlamente konstituierten und mit ihrer Arbeit begannen, standen viele Probleme zur Bearbeitung an, und eines der wichtigsten Probleme war sicherlich die landwirtschaftliche Siedlung. Land stand zunächst aus der Hergabe von ehemaligen Flugplätzen, von Truppenübungsplätzen der früheren deutschen Wehrmacht zur Verfügung; weiter wurden Bodenreformgesetze geschaffen. Wir haben erlebt, daß zum Teil als Vorgriff auf die Auswirkungen dieser Bodenreformgesetze schon hier und dort Ländereien - wie beispielsweise in Schleswig-Holstein 30 000 Hektar Land - für diese landwirtschaftliche Siedlung vom Großgrundbesitz zur Verfügung gestellt wurden. Es konnte also bei der landwirtschaftlichen Siedlung nun mit der praktischen Arbeit begonnen werden.
Wie sieht in Wirklichkeit die Sache aus? Wir wollen keinesfalls all den Regierungen, die mit diesen Dingen zu tun gehabt haben, den guten Willen absprechen, wirklich eine produktive landwirtschaftliche Siedlungsarbeit zu leisten. Trotzdem werden wir erleben und haben erlebt, daß diese Siedlungspolitik bisher auf jeden Fall zu kurz gekommen ist. Fragen wir nun, woran das lag, dann stellen wir sicherlich übereinstimmend fest, daß einfach keine finanziellen Mittel für diese landwirtschaftliche Siedlung bereitstanden oder wohl auch nicht gegeben werden konnten. Trotzdem sollten wir alles tun, um nach Mitteln zu suchen, wie wir hier auch vorwärts kommen.
Wir wissen und wir haben es soeben auch aus dem Munde des Herrn Wohnungsbauministers gehört, daß zur Gründung landwirtschaftlicher Siedlungen nicht nur das Bauen von Wohnhäusern gehört, sondern dazu muß auch das Bauen von Wirtschafts- und Stallgebäuden kommen. Außerdem müssen wir noch für die Erschließung des Siedlungsgeländes, beispielsweise für Straßen- und Wegebauten, erhebliche Gelder auswerfen. Wir wissen, daß bisher sehr erhebliche Mittel für den Wohnungsbau ausgegeben worden sind, die aber zweckgebunden in den sozialen Wohnungsbau geflossen sind. also vornehmlich, sagen wir, in die Städte. Im besten Falle sind noch einige Stadtrandsiedlungen gegründet worden, die sicherlich auch sehr gut und von größter Wichtigkeit für die Siedlung überhaupt sind.
Aber was uns vorschwebt, sind ja im wesentlichen die landwirtschaftlichen Siedlungen. Hier darf ich drei Personengruppen in den Vordergrund stellen. Einmal sind es die Landarbeiter. Es geht um den Landarbeiter, der sich trotz größter Schwierigkeiten, trotz der immer noch bestehenden Unterbewertung seiner Arbeit entschlossen hat, als der getreue Helfer des Bauern auf dem Lande zu bleiben. Wir sollten alles tun, um ihm eine Grundlage zu geben., damit er zu gesunden. Eigentumsverhältnissen kommt. Wir schaffen und erhalten damit nicht nur einen gesunden Landarbeiterberufsstand auf dem Lande, der übrigens für die Erzeugungsmöglichkeiten der bäuerlichen Betriebe von größter Wichtigkeit ist, sondern bekämpfen damit ganz energisch zugleich die heute nicht mehr wegzudiskutierende und wegzuleugnende Landflucht.
Dennoch sind weitere Maßnahmen erforderlich und bestimmte Voraussetzungen zu schaffen, wenn
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wir es erreichen wollen, daß der Landarbeiter weiter auf dem Lande bleibt. Eine dieser Voraussetzungen ist eine Revision der Lohnpolitik, die dann kommen wird, wenn der Landwirtschaft auskömmliche Preise für ihre Erzeugnisse gezahlt werden. Wir müssen weiter dazu kommen - um in dieser Frage beispielhaft voranzugehen -, daß unsere Leute auf den Höfen auch eine menschenwürdige Unterkunft erhalten, was wegen der augenblicklichen Überbelegung noch nicht möglich ist.
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Neben den Landarbeitern handelt es sich um noch zwei weitere Personengruppen. Die erste besteht aus den von Haus und Hof verdrängten Bauern des deutschen Ostens, die alle landhungrig sind und sehr darauf warten, endlich zu eigenem Grund und Boden bei uns zu kommen. Die andere Gruppe ist die der zweiten und dritten Bauernsöhne, die sich trotz bestehender wirtschaftlicher Schwierigkeiten entschlossen haben, wieder den bäuerlichen Beruf zu wählen. Sie können aber nicht mehr, wie es früher vielleicht einmal der Fall war, vom Hof aus siedeln, sondern sie müssen sich nun nach einer Siedlung umsehen; denn der väterliche Hof ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität eben nicht mehr teilbar.
Meine Damen und Herren! Weil wir diese Maßnahmen, die in dem Antrag auf Drucksache Nr. 1709 gefordert werden, stärkstens unterstützen und befürworten, werden meine politischen Freunde diesem Antrag grundsätzlich zustimmen und genau so wie die Herren Antragsteller die Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen als den federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Heimatvertriebene als beratende Ausschüsse vorschlagen.
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Prilsident Dr. Ehlers: Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul ({3}).
Meine Damen und Herren! Kein Problem war seit 1945 hier in Westdeutschland so umstritten wie die Bodenreform. Einige Abgeordnete dieses Hauses werden sich noch jener Debatten im Zonenbeirat der britischen Zone über das Bodenreformgesetz erinnern, welches uns von der Militärregierung auferlegt wurde. Ich kann mich auch noch jener großen Debatten erinnern, die im Württembergischen und im Bayerischen Landtag gepflogen wurden. In Wirklichkeit ist aber bisher bei der Bodenreform in Westdeutschland nicht viel herausgekommen. In Bayern z. B. wurden bisher 1000 Neubauern und 3000 Siedler angesetzt. In Württemberg wurden - bei 29 900 Flüchtlingsbauern - ganze 1000 Bauernstellen geschaffen. In Nordrhein-Westfalen, das habe ich erst vor kurzem noch erfahren, ist man noch dabei, die ersten Tausende anzusetzen. So ist die Bodenreform praktisch vor sich gegangen. Die Neubauern, deren Rechts-und Eigentumslage keineswegs geklärt ist, sind nach wie vor nicht Besitzer ihrer kleinen Siedlungen und ihrer kleinen Neubauernhöfe. Hinzu kommt, daß sie für den Grund und Boden, den sie erhalten haben, hohe Entschädigungen an die ehemaligen Großgrundbesitzer zahlen müssen. Keiner hier in Westdeutschland wird zu bestreiten wagen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik
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der Boden der Großgrundbesitzer entschädigungslos an die Neubauern verteilt wurde.
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81 000 Neubauern-Gehöfte wurden bereits gebaut.
({2}) Davon konnten sich zahlreiche Bauernvertreter aus dem Westen selber überzeugen.
({3})
Dort drüben wurden in kameradschaftlicher Zusammenarbeit mit der Arbeiterschaft in Sonntags-und freiwilliger Arbeit hunderte und tausende Neubauern-Gehöfte in Thüringen, in Sachsen, im Anhalter Gebiet aufgebaut.
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Das ist eine wirklich praktische Hilfe für die Umsiedler, für die nachgeborenen Bauernsöhne und für die Landarbeiter.
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Ich verweise weiterhin darauf, daß erst vor ganz kurzer Zeit durch ein Gesetz der Volkskammer eine neue Regelung in bezug auf die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse und Löhne der Landarbeiter durchgeführt wurde. Im Westen Deutschlands ist der Not der Umsiedler und dieser Personenkreise keineswegs Rechnung getragen worden.
Nun glaubt man, mit einem solchen Propagandaantrag über diese Tatsachen hinwegkommen zu können. Wir von der kommunistischen Fraktion sind der Auffassung, daß man den wenigen angesetzten Neubauern weitestgehend helfen muß. Aber wir wehren uns dagegen, daß jetzt aus den geringen Mitteln des sozialen Wohnungsbaues 15 % an den Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überstellt werden sollen. Wir verlangen vielmehr, daß - im Rahmen des gesamten Bundeshaushalts - die erforderlichen Mittel dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten bereitgestellt werden. Keinesfalls darf das auf Kosten des sozialen Wohnungsbaues für die übrige Bevölkerung gehen. Dahin muß unser Bestreben gehen. Wir werden uns auch im Ausschuß nach dieser Richtung einsetzen. Ich möchte Sie also bitten, ebenfalls dafür zu stimmen, daß dieser Antrag dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen überwiesen wird. Dort werden wir überlegen, in welcher Form der Bevölkerung am besten geholfen werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mir natürlich klar darüber, daß ich in einer Redezeit von fünf Minuten ein so umfassendes und bedeutendes Thema, wie es diesen Antrag betrifft, nicht behandeln kann. Ich werde mich deshalb auf wenige Punkte beschränken.
In einem Ausschuß haben wir - Angehörige aller Fraktionen und Parteien - uns gestern darüber unterhalten, wie wir die Menschen weiter so an der Landarbeit interessieren können, daß nicht eines Tages der Acker kahl liegt und die Menschen abwandern. Es sind dort verschiedene Vorschläge gemacht worden: Aufbau und Reform des Schulwesens, Einführung - nächst der Gehilfenprüfung - auch einer Meisterprüfung in der Landwirtschaft. Es ist von den Vertretern aller Parteien
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mit allem Ernst darüber gesprochen worden, eine Angleichung des Landarbeiterlohns an den der Industrie nun endlich durchzuführen.
Das sind Maßnahmen, die ganz gewiß notwendig sind; aber ich bin der Meinung, daß sie allein nicht ausreichen, daß dazu - und darüber ist ja an dieser Stelle bereits gesprochen worden - unseren auf dem Lande arbeitenden Menschen Aufstiegsmöglichkeiten gegeben werden müssen. Nun liegen die Dinge so, daß wir hier im Westen nur einen ganz geringen Prozentsatz von Großgrundbesitz haben. Es wird wohl sehr wenigen möglich sein, sich zu Beamtenstellungen, zum Inspektor und dergleichen emporzuarbeiten. Aber eine Möglichkeit haben wir hier im Westen, und die sollte - darum begrüßen wir diesen Antrag - ausgenutzt werden, nämlich mit Hilfe und in der Zusammenarbeit aller Kräfte die Sehnsucht des größten Teils unserer Landarbeiter, der zweiten und dritten Bauernsöhne, der von ihren Höfen vertriebenen Bauern aus dem Osten so gut wie der Söhne und Töchter unserer Landarbeiter, einmal selbständiger Bauer zu werden, zu erfüllen.
Ich bin nicht der Auffassung wie mein Herr Vorredner, daß wir darum alte und gut arbeitende Betriebe schnellstens zerschlagen müssen, um aus ihren Splittern neue aufzubauen, zumindest so lange nicht, als uns ausreichend Grund und Boden zur Verfügung steht. Wir haben durch die Entwässerung und Kultivierung von Ödland und durch freiwillige Hergabe von Grund und Boden - in Verbindung mit dem Lastenausgleich wird das sicher nicht weniger werden - Grundstücke genug zur Verfügung, um unter Verwendung laufender Mittel auch tatsächlich lebensfähige Siedlungen aufzubauen. Ich meine, daß man nicht dem Wunsche des auf dem Lande arbeitenden Menschen entspricht, wenn man ein Neubauerntum schafft, wie es hier vorhin dargestellt worden ist, das die Menschen unglücklich macht und sie wieder massenweise von ihren Betrieben vertreibt.
In den Ausschußberatungen wird noch sehr viel über die einzelnen Punkte zu sagen sein. Ich habe Verständnis dafür, daß sich der Herr Bundeswohnungsbauminister gegen die Hergabe von Mitteln wehrt. Aber ich glaube, so ganz ernst war das auch nicht gemeint. Soweit nämlich der Bau von Wohnungen in Frage kommt, die ja bei Siedlungen auch notwendig sind, wird er seine Hilfe wahrscheinlich nicht versagen. Wenn dann dazu noch für unsere Vertriebenen Mittel aus dem Lastenausgleich zur Verfügung gestellt werden, wenn durch Einsparungen im Haushalt, wo immer es möglich ist, weitere Mittel hinzukommen, müßte es uns gelingen, in steter Folge unseren auf dem Lande arbeitenden Menschen die Aussicht zu geben, daß sie einmal selbständige Bauern werden können, sie dadurch mit Lust und Liebe zur Landarbeit zu erfüllen und an den Acker zu binden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich waren sehr erschreckt, als wir entdeckten, daß für die normale Siedlung im Haushaltsplan des Ernährungsministeriums überhaupt keine Beträge eingesetzt waren. Die Summen, die dort genannt werden, sind für die Leistungen aus dem Flüchtlingssiedlungsgesetz erforderlich. Natürlich muß über das Flüchtlingssiedlungsgesetz hinaus für die
Siedlung im weitesten Sinne des Wortes, sowohl für die landwirtschaftliche Siedlung wie für eine Reihe von anderen Siedlungsformen etwas getan werden. Deshalb haben wir mit den übrigen Mitgliedern des Ernährungsausschusses sehr gern einen Betrag in diesen Haushaltsplan eingesetzt, und wir haben die Hoffnung, daß wir auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses zum Schluß davon überzeugen können, daß eine solche Maßnahme notwendig ist.
Man sollte auch unserer Meinung nach die Angelegenheit an den Ausschuß verweisen, weil nicht so ohne weiteres festzustellen ist, ob nun die 15 %, die der Antrag fordert, wirklich das richtige Verhältnis darstellen. Wir glauben allerdings auch, daß mehrere Ausschüsse an dieser Beratung beteiligt sein müssen.
Es ist wohl nicht ganz ernst zu nehmen, wenn man uns gesagt hat, da es sich dabei um Bauten handele, könne man die Mittel aus den Wohnungsbaumitteln nehmen. Die landwirtschaftliche Siedlung muß doch auch unter anderen Gesichtspunkten als denen der Erstellung von Baulichkeiten gesehen werden. Es ist sicherlich keine unbescheidene Bitte, wenn der Ernährungsausschuß den begreiflichen Wunsch hat, an der Beratung dieses Antrags maßgebend beteiligt zu sein. Ich könnte mir sogar denken, daß es noch andere Ressorts gibt, die wegen der verschiedenfachen Formen der Siedlungen, nicht nur der landwirtschaftlichen, ein gleiches Interesse haben. Je gründlicher die Angelegenheit beraten wird, desto eher werden wir zu Mitteln kommen, die ausreichend sind, um dieses außerordentlich wichtige Problem entsprechend voranzubringen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist beantragt worden, die Drucksache Nr. 1709 dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen federführend und fernerhin dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft und dem Flüchtlingsausschuß zu überweisen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, noch einen Augenblick zu Punkt 14 der Tagesordnung zurückzukehren. Es lag nicht nur die Übersicht Umdruck Nr. 42 über Petitionen vor, von der ich annehme, daß die von den Ausschüssen gestellten Anträge ohne Aussprache genehmigt werden - ich stelle das fest -, es lag Ihnen unter dem gleichen Punkt der Tagesordnung noch die Drucksache Nr. 1753 mit einem Antrag des Ausschusses für Presse, Rundfunk und Film vor, die Petition Nr. 8341 der Bundesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Ich nehme an, daß eine besondere Begründung dieses Antrags nicht erfolgt und nicht nötig ist. - Herr Abgeordneter Brunner?
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- Bitte schön, nehmen Sie das Wort darüber zur Berichterstattung.
Brunner ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die illustrierte Wochenschrift „Der Stern" hatte in der Ausgabe, die das Datum des 31. Dezember 1950 trägt, einen bebilderten Artikel unter der Überschrift „Hoppla, wir leben ({2})" gebracht. In diesem Artikel sind Aufwendungen verschiedener Dienststellen der Besatzungsmächte aufgezählt worden, die aus Besatzungskosten bestritten werden. Durch eine -
Herr Abgeordneter Brunner, darf ich einen Augenblick unterbrechen. Ich muß feststellen, daß ich etwas erstaunt bin; denn dieser Antrag steht nicht auf der Tagesordnung, sondern dort steht lediglich die Ubersicht Umdruck Nr. 42.
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Im Ältestenrat ist eine Verständigung darüber herbeigeführt worden - ich wußte im Augenblick nicht, worum es sich hier handelte -, daß dieser Antrag in der nächsten Woche im Zusammenhang mit der Interpellation zur Frage der Besatzungskosten erledigt werden sollte. Ich darf also bitten, heute von einer weiteren Berichterstattung abzusehen und diese freundlicherweise fortzusetzen, wenn wir den Punkt in der nächsten Woche auf die Tagesordnung gesetzt haben. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
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Meine Damen und Herren, dann ist also Punkt 14 der Tagesordnung mit der Annahme der Anträge der verschiedenen Ausschüsse zu der Petitionsübersicht Nr. 14 erledigt.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der FDP 15 Minuten nach Schluß des Plenums eine Fraktionssitzung abhält.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen teilt mit, daß die für 20 Uhr angesetzte Sitzung infolge Erkrankung des Herrn Bundesministers ausfällt.
Der Herr Vorsitzende des Finanz- und Steuerausschusses teilt mit, daß eine Viertelstunde nach Schluß des Plenums eine Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen zur Fortsetzung der gestrigen Sitzung stattfindet. Ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Sitzung. Ich berufe die nächste, die 111. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 17. Januar, 13 Uhr 30, und schließe die 110 Sitzung des Deutschen Bundestags.