Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 11. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung darf ich bemerken, daß ein Versehen unterlaufen ist: hinter Punkt 10 muß noch eingefügt werden die Drucksache Nr. 9, Antrag der KPD-Fraktion wegen Wohnungsbeschlagnahme. Er gehört sachlich zu den Punkten 9 und 10 und wird nunmehr als Punkt 11 eingesetzt. Die jetzigen Punkte 11 und 12 werden zu Punkt 12 und 13.
Ferner darf ich bitten, bekanntzugeben, welche Mitglieder des Bundestags abwesend sind.
Abwesend sind wegen Krankheit die Herren Abgeordneten Dr. Baur, Dr. Horlacher, Vesper, Kuhlemann, wegen anderer Gründe die Herren Abgeordneten Paschek, Bauknecht, Marx, Dr. Baumgartner, Frühwald, Margulies, Gluesing, Dirscherl, Rademacher; nur vormittags: Dr. Nowack, Dr. Weber II, Bazille, Neumann und Brandt.
206 Deutscher Bundestag - H. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. September 1940
Ich habe ferner darauf hinzuweisen, daß die Beschlüsse der 10. Sitzung des Bundestags, 10/1 bis 10/9, wie üblich zur Einsichtnahme auf dem Tisch des Hauses ausliegen.
Ich habe weiter Kenntnis zu geben von einem Schreiben der Zentrumsfraktion an den Präsidenten des Bundestags, folgenden Wortlauts:
Die unterzeichneten Fraktionen teilen hierdurch mit, daß sie sich unter völliger Wahrung ihrer Selbständigkeit im übrigen nach § 7 Absatz 2 der Geschäftsordnung für die Bemessung des Stellenanteils zusammengetan haben. Dieses Stellenanteilkartell heißt WAV/Zentrum. Im übrigen bleiben unter dem alten Namen die beiden unterzeichneten Fraktionen bestehen.
Für die WAV-Fraktion: gezeichnet Loritz,
fr die Zentrumsfraktion: gezeichnet Dr. Reismann.
Es liegt ferner folgende Mitteilung der Freien Demokratischen und der Fraktion der Deutschen Partei vor:
Die Fraktionen der Freien Demokratischen Partei und der Deutschen Partei teilen mit, daß sie sich zu einer Fraktionsverbindung
({0})
nach § 7 Absatz 2 der vorläufigen Geschäftsordnung zusammengetan haben.
({1})
Meine Damen und Herren! Es liegen dann einige andere Eingänge vor, die vor Erledigung der Tagesordnung behandelt werden müssen.
({2})
-- Wer hat „Faschisten" gerufen?
({3})
-- Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zur Ordnung! Es gibt keinen Faschismus!
({4})
- Darf ich diesen Ordnungsruf erläutern: sämtliche Abgeordneten dieses Hauses sind nach den Grundsätzen eines demokratischen Wahlgesetzes gewählt,
({5})
und insofern ist die formelle Voraussetzung für die Anwendung dieses Ausdrucks nicht gegeben.
({6})
Meine Damen und Herren, darf ich fortfahren! Da hier zwei weitere Eingänge vorliegen, die mich persönlich betreffen, darf ich den Ersten Vizepräsidenten, Herrn Kollegen Dr. Schmid, bitten, liebenswürdigerweise die Geschäfte zu führen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe Ihien Kenntnis von einem Beschwerdeschreiben des Herrn Abgeordneten Max Reimann vom 30. September, das lautet:
Ich lege hiermit Beschwerde ein gegen den mir in der 7. Sitzung des Deutschen Bundestages am 22. September 1949 erteilten Ordnungsruf. Ich halte denselben für ungerechtfertigt und beantrage seine Zurücknahme.
Die einschlägige Bestimmung der Geschäftsordnung in § 92 hat folgende Fassung:
Das Mitglied kann gegen den Ordnungsruf bis
zum nächsten Sitzungstage schriftlich Einspruch
erheben. Der Einspruch ist frühestens auf die
Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen.
Der Bundestag entscheidet ohne Besprechung. Über diese Beschwerde kann also keine Aussprache stattfinden.
Ich verlese nunmehr den Teil der stenographischen Niederschrift der 7. Sitzung, auf die sich die Beschwerde bezieht. Es heißt dort:
Die Oder-Neiße-Grenze ist die Grenze des Friedens. ({0})
- Ich trete hier nicht ab, bis ich nicht alles gesagt habe!
({1})
Herr Abgeordneter Reimann, ich habe seit gestern - -({0})
- Meine Damen und Herren!'
({1})
({2})
- Herr Abgeordneter Reimann, Sie haben eben ausgesprochen, daß die Oder-Neiße-Linie die Friedenslinie ist.
({3})
Seitdem gestern hier sämtliche Parteien gesprochen haben, haben sie übereinstimmend die Oder-Neiße-Linie als die deutsche Grenzlinie abgelehnt. Das möchte ich hier einmal feststellen.
({4})
Es ist eine Provokation der überwältigenden Mehrheit dieses Hauses, wenn Sie derartige Ausführungen machen. Ich rufe Sie deshalb zur Ordnung!
({5})
Das ist der Vorgang gewesen. Wie gesagt, eine
Aussprache kann darüber nicht stattfinden.
Die Frage ist, wie abgestimmt werden soll.
- ({6})
- Ich bitte Sie, sich einiger Absprachen im Ältestenrat zu erinnern, Herr Abgeordneter Bausch.
Die Frage ist also, wie abgestimmt werden soll. Es ist beantragt: Zurücknahme des Ordnungsrufes. Meines Erachtens kann so nicht beantragt werden, sondern es muß darüber abgestimmt werden, ob der Ordnungsruf gerechtfertigt war oder nicht. So ist meine Meinung.
Ich darf also die Frage so stellen: Wer den in der 7. Sitzung am 22. September dem Abgeordneten Reimann wegen der angeführten Vorgänge erteilten Ordnungsruf für gerechtfertigt hält, der möge die Hand erheben..({7}) Gegenprobe! - Wir werden auszählen müssen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, noch einmal die Hand zu erheben, und die Herren Schriftführer bitte ich, die Auszahlung vorzunehmen. - Es ist ganz offensichtlich die Mehrheit, die den Ordnungsruf für gerechtfertigt hält.
({8})
Es ist so beschlossen.
({9})
({10})
Ich habe weiter Kenntnis zu geben von einem zweite n Antrag, einem Antrag der kommunistischen Fraktion vom 28. September. Er lautet:
Der Bundestag möge beschließen:
Der Bundestag spricht dem Bundestagspräsidenten Dr. Erich Köhler das Mißtrauen aus.
Die einschlägigen Bestimmungen der Geschäftsordnung sind in den §§ 119 und 120 enthalten, in denen bestimmt ist, daß Fragen, bei denen es sich um die Handhabung der Geschäftsordnung handelt, vom Geschäftsordnungsausschuß zu prüfen sind und daß dieser entsprechende Anträge zu stellen hat.
Ich glaube, daß ,sich eine Aussprache erübrigt. Das Haus ist offenbar derselben Auffassung. Ich lasse daher abstimmen.
Wer dafür ist, daß dieser Antrag dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Der Antrag ist dem Geschäftsordnungsausschuß überwiesen.
Meine Damen und Herren, wir treten dann in die Tagesordnung ein. Punkt 1:
Beschlußfassung über die Mitgliederzahl der Ausschüsse und Verfahren zu ihrer Besetzung. Wir kommen nach den Ergebnissen der gestrigen
Sitzung zu Drucksache Nr. 48.
({0})
Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Bayernpartei vor, betreffend 15er-Ausschüsse, der lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die vier 15er-Ausschüsse in der Reihenfolge der Drucksache 48 werden in 21er-Ausschüsse umgewandelt.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Durch den Zusammenschluß der DP mit der FDP für die Verteilung der Sitze in den Ausschüssen hat sich jetzt wiederum eine neue Situation ergeben. Wir haben das erst jetzt erfahren, es ist uns vorher nicht mitgeteilt worden. Ich darf daher das Präsidium bitten, uns mitzuteilen, wie sich jetzt die Sitze auf diese Arbeitsgemeinschaften und Fraktionen verteilen bei den 27er-, 21er-, 15er- und 7er-Ausschüssen. Erst dann können wir irgendwie dazu Stellung nehmen
Ich muß Ihnen darauf erwidern, Herr Abgeordneter Dr. Seelos, daß mir irgendwelche Mitteilungen darüber aus dem Hause nicht vorliegen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner, bitte!
Meine Damen und Herren! Auf keinen Fall dürfte es möglich sein, die Verteilung der Sitze nach d'Hondt vorzunehmen auf Grund privater Errechnungen, die von Ihnen, in diesem Falle den siegenden Parteien, vorgenommen worden sind. Ich beantrage, daß die Berechnung. der Sitze nach d'Hondt einem Büro der Bundesregierung übertragen wird.
({0})
- Nein, ich zweifle nicht daran, daß die Herren rechnen können.
({1})
Bei ihrer Verwandtschaft mit dem Großkapital werden sie ja wohl rechnen können.
({2})
Aber ich bin nicht verpflichtet, Ihre privat errechneten Unterlagen anzuerkennen.
({3})
- Nein, das habe ich nicht nötig, das zu errechnen. Ich kann verlangen, daß hier eine amtliche Unterlage vorgelegt wird.
({4})
- Ich bitte Sie, bei dieser Sache doch ein bißchen ernst zu bleiben!
Ich stelle den Antrag, daß, ehe wir in der Behandlung dieser Frage fortfahren, von Amts wegen durch das zuständige Organ der Bundesregierung festgelegt wird, wie die Sitze verteilt werden.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Renner gehört, wonach die rechnerische Grundlage für die Besetzung der Ausschüsse nach dem d'Hondtschen System durch eine bundesamtliche Stelle, in diesem Falle bei der Bundesregierung, ermittelt werden soll. Ich stelle diesen Antrag zunächst zur Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht?
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter Schoettle!
({1})
- Kommen Sie hier herauf, bitte! Wir wollen das doch nicht wie in Frankfurt machen.
In der Sache hat der Herr Abgeordnete Renner vollkommen recht.
({0})
Die Methode ist aber, glaube ich, nicht anwendbar. Das Parlament kann nicht der Regierung einen Auftrag geben, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln.
({1})
Das ist Sache des Präsidiums, und ich meine, im Präsidium muß es genügend objektive Leute geben, die eine saubere Ausrechnung vornehmen.
({2})
Ich beantrage deshalb, daß das Präsidium beauftragt wird, so schnell wie möglich einen Schlüssel auszuarbeiten.
({3})
Dann darf ich Ihren ersten Antrag als zurückgezogen ansehen und den Antrag des Herrn Abgeordneten Schoettle als denjenigen betrachten, der wohl die allgemeine Zustimmung des Hauses findet. Er geht dahin, daß das Präsidium beauftragt wird, diese Berechnung durch geeignete Persönlichkeiten vornehmen zu lassen. Stimmt es so, Herr Abgeordneter Schoettle?
({0})
Ist das Haus damit einverstanden?
({1})
({2})
- Dann darf ich die Aussprache über diesen Zwischenantrag als erledigt ansehen, oder wollten Sie noch dazu sprechen, Herr Abgeordneter Gengler? - Bitte sehr!
Ich halte es für selbstverständlich, daß die Ausrechnung der Verteilung der Sitze auf die einzelnen Fraktionen unabhängig von einem Errechnungsergebnis hier geschieht. Wir haben lediglich über den Umfang der Ausschüsse zu bestimmen, das heißt darüber, wie stark der Einzelausschuß sein soll. Dementsprechend ist dann das Rechenexempel nach dem Beschluß von gestern ganz einfach.
Meine Damen und Herren, ich habe vorhin ohne Widerspruch die Feststellung getroffen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß die letzte Berechnung, wenn ich sie so nennen darf, durch das Präsidium erfolgen soll.
({0})
Soll nun Ihre Anregung im Widerspruch zu. der von mir getroffenen Feststellung stehen?
({1})
- Gut! Dann stelle ich noch einmal fest: die endgültige Berechnung erfolgt durch das Präsidium.
({2})
- Nach dem System d'Hondt; darüber besteht kein Zweifel.
Wir kommen nun noch einmal auf den Abänderungsantrag der Bayernpartei zurück.
({3})
- Schön!
Meine Damen und Herren, dann kommen wir zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 48, und zwar in folgender Reihenfolge, die auf verhaltnismäßig weitgehender interfraktioneller Übereinstimmung beruht. Wir wollen zunachst über I abstimmen:
Die vom Bundestag eingesetzten Ausschüsse werden in folgender Stärke gebildet.
Jetzt muß ich aber konsequenterweise, Herr Abgeordneter Dr. Seelos, sehr wahrscheinlich zunächst über Ihren Abänderungsantrag abstimmen lassen, wenn es einen Sinn haben soll.
({4})
Das Haus ist damit einverstanden, daß wir abstimmen nach 27er-, 21er-, 15er- und 7er-Ausschüssen. Es wird allerdings durch den Abänderungsantrag der Bayernpartei eine gewisse Schwierigkeit geben. Wer also für die unter Ziffer I unter Gruppe 27er-Ausschüsse vorgesehenen Ausschüsse mit der Besetzung von 27 Mitgliedern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke. Das ist eindeutig die Mehrheit. Damit 'sind die 27er-Ausschüsse angenommen.
Jetzt kommen wir zu den 21er-Ausschüssen.
({5}) - Das kommt nachher.
Herr Abgeordneter Renner, Sie wollten zur Frage der Abstimmung wegen der 21er-Ausschüsse sprechen?
({6})
Als Abänderungsantrag zur Gruppe der 21erAusschüsse liegt der Antrag der Bayernpartei vor, dahingehend, die vier 15er-Ausschüsse in 21er-Ausschüsse umzuwandeln. Das müßten wir an dieser Stelle entscheiden, ehe wir in die Gesamtabstimmung über die 21er-Ausschüsse eintreten können.
({7})
- Bitte sehr. Ich folge dieser Anregung. Wer für die Gruppe der 21er-Ausschüsse in der vorliegenden Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit.
Wir kommen nunmehr zur Gruppe der 15er-Ausschüsse. Da haben wir zunächst abzustimmen über den Abänderungsantrag der Bayernpartei: die vier als 15er-Ausschüsse vorgesehenen Ausschüsse in 21er-Ausschüsse umzuwandeln. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist zweifelsfrei abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die hier in der Drucksache vorgesehene Gruppe der 15er-Ausschüsse.
({8})
- Nein, entschuldigen Sie bitte: 15er-Ausschüsse! Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit; demnach so beschlossen.
Wir kommen zur Gruppe der drei 7er-Ausschüsse. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ebenfalls mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Nun kommen wir zu II, und zwar zur Einzelabstimmung.
({9})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Meine Damen und Herren, ich beantrage namens meiner Fraktion, die unter II aufgeführten Ausschüsse zum Schutze der Verfassung, für Arbeit, für Sozialpolitik, für Heimatvertriebene sowie für, Rechtswesen und Verfassungsrecht in 27er-Ausschüsse zu verwandeln.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner und dann der Herr Abgeordnete Scharnberg.
Meine Damen und Herren, ich bitte, darüber hinaus beschließen zu wollen, daß der Ausschuß für Fragen der Kriegsopferversorgung und für Kriegsgefangenenfragen von 21 auf 27 erweitert wird.
({0})
- Nein, das ist eben nicht erledigt, 'weil ich vorher schon einmal mit Billigung des Herrn Präsidenten erklärt habe, daß ich diesen Antrag insgesamt zu II stellen darf.
({1})
Ich habe den Herrn Präsidenten schon darauf hingewiesen, daß wir durch seine Abstimmungsmethode in eine gewisse Kollision geraten werden. Der Herr Präsident hat mir konzediert, daß ich unter II den Antrag stellen kann.
({2})
- Machen Sie doch keine Schwierigkeiten, oder ist Ihnen das Problem der Kriegsopferversorgung so wenig wert?
({3})
- Dann machen Sie doch keine Ihnen später einmal politisch sehr unliebsam werdenden Zwischenrufe!
Ich beantrage also, den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen von 21 auf 27 Mitglieder zu erweitern.
Darüber hinaus beantrage ich, die Mitgliederzahl des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen von 21 auf 27 und die des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten sowie des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen von 21 auf 27 heraufzusetzen.
Ich muß Herrn Abgeordneten Renner bestätigen, daß er bei der Abstimmung über die Gruppe der 21er-Ausschüsse keine Gelegenheit gehabt hat, dazu zu sprechen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Scharnberg.
Wir halten es nicht für tunlich, dem Antrag der Kommunistischen Partei stattzugeben, und beantragen daher, daß es hinsichtlich der vier eben genannten Ausschüsse dabei verbleibt, daß diese Ausschüsse 21er-Ausschüsse sind.
({0})
Wir beantragen, von den Ausschüssen, die unter Ziffer II erwähnt sind - das sind die strittigen Ausschüsse -, die ersten drei: Ausschuß zum Schutze der Verfassung, Ausschuß für Arbeit und Ausschuß für Sozialpolitik, als 21er-Ausschüsse zu errichten und den Ausschuß für Heimatvertriebene sowie den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als 27er-Ausschuß einzusetzen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über Ziffer II und stelle fest, daß folgende Anträge in nachstehender Reihenfolge vorliegen: erstens der Antrag der SPD, sämtliche unter Ziffer II genannten Ausschüsse zu 27erAusschüssen zu machen, ferner der Antrag der KPD, unter den 21er-Ausschüssen den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten sowie den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu 27erAusschüssen zu machen.
({0})
- Und den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen. Dann folgt der Antrag der CDU, die ersten drei unter Ziffer II genannten Ausschüsse: Ausschuß zum Schutze der Verfassung, Ausschuß für Arbeit und Ausschuß für Sozialpolitik als 21er-Ausschüsse zu errichten und den Ausschuß für Heimatvertriebene, den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als 27er-Ausschüsse einzusetzen.
Wir beginnen mit der Abstimmung in der eben von mir vorgesehenen Reihenfolge. Wer dafür ist, daß die gesamten unter Ziffer II genannten fünf Ausschüsse - ({1})
- Verzeihung, das geht nicht; es liegt ein Gesamtantrag vor, und es liegen Einzelanträge vor, und danach muß verfahren werden. Der Antrag bezüglich der Gesamtheit der unter Ziffer II stehenden Ausschüsse ist der weitergehende.
({2})
- Bitte, Herr Abgeordneter Schoettle zur Abstimmung!
Ich bitte, meinen Antrag nicht so verstehen zu wollen, daß ich eine En-blocAbstimmung über die ganze Gruppe verlangt habe. Ich habe nur zweckmäßigkeitshalber alle Ausschüsse aufgeführt, von denen wir wünschen, daß' sie 27er-Ausschüsse werden. Sie können darüber einzeln abstimmen lassen.
Ich danke. Das vereinfacht das Verfahren in dieser Situation.
Das Wort zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Gengler.
Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, zunächst über den Antrag des Herrn Abgeordneten Schoettle abstimmen zu lassen, und zwar in der Form, daß über die ersten drei Ausschüsse getrennt abgestimmt wird, wofür ja der Gegenantrag vorliegt,
({0})
und dann über die anderen zwei Ausschüsse.
Meine Damen und Herren, ich bin im Gegensatz zu Herrn Abgeordneten Gengler der Meinung: Nachdem nun klargestellt ist, daß wir über alle Ausschüsse im einzelnen abstimmen können, werden wir das auch tun; das ist die einfachste Methode. Es liegen jeweils Anträge über 27er- oder 21er-Ausschüsse vor.
({0})
Wir wollen es nicht so schwer machen. Wir stimmen jetzt im einzelnen ab.
Ich rufe zunächst den weitergehenden Antrag zur Abstimmung auf. Wer dafür ist, daß der Ausschuß zum Schutze der Verfassung als 27er-Ausschuß eingesetzt wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen auszählen. Bitte, wollen die Herren Schriftführer auszählen! - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich bitte auszuzählen. Meine Damen und Herren! Das Abstimmungsergebnis ist folgendes: für den Antrag auf Einsetzung eines 27er-Ausschusses 160 Stimmen, dagegen 201 Stimmen. Dann darf ich wohl das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß gleichzeitig der Antrag dieses Ausschusses bezüglich der Festsetzung der Zahl auf 21 Mitglieder als angenommen gilt. Oder wünscht das Haus noch eine besondere Abstimmung darüber?
({1})
- Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest und stelle weiter fest, daß damit der Ausschuß zum Schutz der Verfassung 21 Mitglieder hat.
Wir kommen zum Ausschuß für Arbeit. Wer dafür ist, daß dieser Auschuß aus 27 Mitgliedern besteht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich
({2})
glaube, das ist dasselbe Abstimmungsverhältnis. - Nein!
({3})
Dann bitte ich um die Gegenprobe. - Ich darf nach dem Ergebnis von vorhin feststellen, daß auch dieser Antrag abgelehnt ist und der Ausschuß für Arbeit demnach aus 21 Mitgliedern besteht.
Wir kommen zur Abstimmung über den Ausschuß für Sozialpolitik mit 27 Mitgliedern. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist dieselbe Stimmenverteilung wie soeben,
({4})
- Ich bitte doch auszuzählen. - Darf ich zur Vereinfachung der Technik des Auszählens bitten, da, wo der Schriftführer gezählt hat, die Hand herunterzunehmen.
({5})
Die Herren Schriftführer sind sich nicht einig. Ich bitte, die Abstimmung noch einmal vorzunehmen. Wer für den Ausschuß für Sozialpolitik mit 27 Mitgliedern ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({6})
- Wenn Sie gern aufstehen wollen, ist das vielleicht eine Erleichterung.
({7})
- Dann bitte ich sitzenzubleiben. - Wer dagegen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um Auszählung. ({8})
Meine Damen und Herren, das Abstimmungsergebnis ist folgendes. Für den Antrag - Ausschuß für Sozialpolitik mit 27 Mitgliedern - 175, dagegen 184 Stimmen. Der Antrag ist also abgelehnt. Der Ausschuß für Sozialpolitik besteht aus 21 Mitgliedern.
Wir kommen dann voraussichtlich zu einer Vereinfachung der Abstimmung bei den beiden nächsten Ausschüssen, Ausschuß für Heimatvertriebene und Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Da liegen übereinstimmende Anträge sowohl von seiten der SPD wie von seiten der CDU über je 27 Mitglieder vor. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich unter diesen Umständen über beide Ausschüsse gleich gemeinsam abstimmen lasse?
({9})
Ich höre keinen Widerspruch. Wer dafür ist, daß die Ausschüsse für Heimatvertriebene einerseits und für Rechtswesen und Verfassungsrecht andererseits 27er-Ausschüsse sein sollen, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke, das ist zweifelsfrei die Mehrheit, sogar Einstimmigkeit. Damit ist Ziffer II erledigt.
Jetzt kommt noch der Antrag Renner. Sind Sie damit einverstanden, Herr Abgeordneter Renner, daß ich gleichzeitig über alle vier Ausschüsse abstimmen lasse?
({10})
Wir stimmen also über den Antrag Renner ab, der dahin lautet, daß die bisher als einzige 21erAusschüsse geltenden Ausschüsse - nämlich a) für Besatzungsstatut, b) für gesamtdeutsche Fragen, c) für Wiederaufbau und Wohnungswesen und d) für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen - in 27er-Ausschüsse umgewandelt werden.
({11})
-- Der Herr Abgeordnete Renner war als Antragsteller damit einverstanden.
({12})
Dann können wir in der Abstimmung fortfahren. Wer für den Antrag Renner ist, wie ich ihn eben verlesen habe, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Damit kommen wir zu Ziffer III der Drucksache Nr. 48. Es handelt sich um den Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung. Dazu ist eine Anmerkung gemacht:
Bei dem unter III genannten Ausschuß ist eine Mitgliederzahl von 27 vorgesehen. Die dann nicht berücksichtigten Fraktionen und die Gruppen, die keine Fraktionsstärke haben, sollen mit beratender Stimme teilnehmen können.
Das Wort wird dazu nicht gewünscht.
({13})
- Zu diesem Punkt?
({14})
- Wir sind in der Abstimmung.
({15})
- Bezieht sich Ihr Antrag auf Ziffer III?
({16})
- Gut! Wenn die Wortmeldung hier rechtzeitig eingegangen ist, trage ich ihr auch Rechnung. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Miessner!
Ich habe gestern namens der Gruppe Nationale Rechte angekündigt, heute einen Antrag dahingehend zu stellen, daß neben den bei den Ausschüssen nicht berücksichtigten Fraktionen auch die Gruppen, die keine Fraktionsstärke haben, mit beratender Stimme teilnehmen können. Wir halten an dieser Auffassung im Interesse einer wirklich gemeinsamen parlamentarischen Arbeit hier im Hause unbedingt fest. Wir verzichten aber heute auf einen entsprechenden Antrag und behalten uns vor, in einigen Tagen darauf zurückzukommen.
Das Wort wird nicht weiter gewünscht. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Ziffer III der Drucksache Nr. 48 mit der aus Absatz 3 der Begründung hervorgehenden Erläuterung, daß dieser Ausschuß aus 27 Mitgliedern bestehen soll und die dann nicht berücksichtigten Fraktionen und Gruppen, die keine Fraktionsstärke haben, mit beratender Stimme daran teilnehmen können. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit.
Damit haben wir die Drucksache Nr. 48 und den ersten Punkt unserer Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu den Punkten 2 bis 5 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der SPD, betreffend Demontagen ({0});
Antrag der Fraktion der KPD, betreffend sofortige Einstellung der Demontagen ({1});
Antrag der Fraktion der KPD, betreffend Demontageverweigerer ({2}); Antrag der Fraktion der KPD, betreffend Amnestierung verurteilter deutscher Demontageverweigerer ({3}).
({4})
Wir haben im Ältestenrat vereinbart, in der Aussprache die Punkte 2, 3, 4 und 5 gemeinsam zu behandeln, und zwar dergestalt, daß zunächst vom Antragsteller zu Punkt 2 gesprochen wird und daß der Antragsteller zu den Punkten 3, 4 und 5 gemeinsam spricht. Ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen. Die Höchstdauer der Aussprache ist für das Kapitel Demontage, Punkte 2 bis 5 der Tagesordnung, auf eine halbe Stunde festgesetzt.
Ich bitte nunmehr den Antragsteller zu Drucksache Nr. 2, das Wort zu ergreifen. Herr Abgeordneter Henßler!
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hatte den Wunsch, daß dieser Antrag im Bundestag zum frühestmöglichen Termin behandelt wird. Sie glaubte diesen Wunsch äußern zu können, weil es der aktuellen. Situation wie auch der Bedeutung des Problems an sich entspricht. Wir sind auch der Meinung, daß sehr früh der vielfach im Ausland geäußerte Eindruck zerstört werden muß, als ob die Hervorhebung der Demontage bisher nur mehr oder weniger auf wahlpropagandistischen Motiven beruhe.
Wir sehen in dem Demontageproblem eine Frage von schicksalhafter Bedeutung,
({0})
insbesondere für die künftige wirtschaftliche Entwicklung. Wir wehren uns dagegen, daß man es irgendwie in seiner Bedeutung herabzusetzen versucht. Wir sehen auch einen solchen Versuch der Abschwächung und der Ablenkung in Äußerungen, die kürzlich von einer hohen englischen Persönlichkeit gemacht Wurden: 1. daß die Demontage ' außer in einem örtlich und zeitlich begrenzten Raume nicht die Ursache für die Arbeitslosigkeit sei, 2. daß das Motiv zur Demontage kein Motiv der Konkurrenzbehinderung sei, und 3. daß diese Proteste nur den Verdacht erweckten, daß der Nationalismus wiederauflebe. Wir müssen in solchen an sich zum Teil sehr anfechtbaren Feststellungen den Versuch einer Bagatellisierung erblicken, dem wir widersprechen müssen. Ehe ich aber darüber Ausführungen mache, will ich einige kurze Bemerkungen zu diesen Feststellungen selbst machen.
Es kann in der Tat unbestritten bleiben, daß man, örtliche Erscheinungen ausgenommen, die gegenwärtige Arbeitslosigkeit nicht der Demontagepolitik zur Last legen kann. Aber auch die örtlichen Einzelfälle schaffen harte soziale Notstände. Und ganz fehl geht die Vertröstung, daß diese Notstände zeitlich begrenzt sein werden. Nichts spricht für die Richtigkeit dieser Voraussage; aber alle Erfahrung spricht dafür, daß selbst im günstigsten Falle viele aus den betroffenen Belegschaften auf der Strecke bleiben werden.
({1})
Es werden in erster Linie die älteren Arbeitskräfte sein, und es werden diejenigen sein, die für andere Arbeiten nicht mehr voll einsatzfähig sind. Die anderweitige Arbeitsbeschaffung wird gegenwärtig durch die Beschränkung der Freizügigkeit, die eine Folge des Trümmerzustandes und der dadurch hervorgerufenen Wohnungsnot ist, außerordentlich erschwert. Aber selbst dort, wo eine solche Demontage in einem Bezirk erfolgt, in dem innerhalb eines engeren Gebietes andere, zum Teil gleichartige Industrien gewisse Ausgleichsmöglichkeiten geben, läßt sich keine vollständige
Lösung der anderweitigen Vorsorge für die betroffenen Belegschaften finden.
({2})
Dagegen können die Auswirkungen dort geradezu katastrophal werden, wo das der Demontage ausgelieferte Werk eine zentrale Bedeutung als Arbeitsstätte hatte. Ich will nur einige Beispiele angeben. Der Stadtteil Hamborn ist mit der Thyssen-Hütte in seiner wirtschaftlichen Entwicklung auf Gedeih und Verderb verbunden.
({3})
Ich verweise auf Hattingen und Bergkamen, relativ kleine Orte, in denen das zur Demontage stehende Werk d i e Beschäftigungsstätte für einen großen Teil der Bevölkerung war. Ebenso ist es in Niederscheiden der Fall und in ganz besonderem Maße in Watenstedt-Salzgitter.
({4})
Da gibt es für die betroffene Belegschaft keine andere Arbeitsmöglichkeit, nicht einmal in berufsfremden Industrien.
In diesem Zusammenhang möchte ich besonders die sozialwirtschaftliche Bedeutung der FischerTropsch- und Bergius-Anlagen erwähnen, weil diese Unternehmen in großem Umfange nicht mehr voll erwerbsfähige Arbeitskräfte und Frauen beschäftigen konnten. Diese Betriebe sind nicht nur deshalb von großer Bedeutung, weil sie durch Verwendung qualitätsschwacher Kohlen die Wirtschaftlichkeit des Bergbaues erleichtern und weil sie durch ihre Produktion in der Einfuhr eine Entlastung bringen und damit eine devisensparende Produktion darstellen; sie sind auch, vom Arbeitsmarktstandpunkt aus gesehen, für das schwerindustrielle Gebiet mit seinem hohen Verschleiß an Arbeitskraft wegen der Aufnahme solcher Arbeitskräfte, die im Bergbau und in den Hüttenwerken nicht mehr oder überhaupt nicht verwendungsfähig sind, ein dringend notwendiger Ausgleich. Die Stilllegung dieser Betriebe bringt außerordentliche soziale Härten mit sich, die noch durch den Umstand gesteigert werden, daß die Gemeinden, denen ein großer Teil der Betreuung der Opfer der Demontagen zufällt, selbst durch den Ausfall an Steuerkraft geschwächt werden.
Meine Damen und Herren, ich will zur Veranschaulichung nur zwei kleine Beispiele geben. Mir ist mitgeteilt worden. daß von der 3000 Mann starken Belegschaft der Gelsenberg-Anlage rund 500 solche Arbeitskräfte sind, die als nicht mehr voll einsatzfähig betrachtet werden müssen. Besonders tragisch liegt der Fall bei der ca. 7000 Einwohner zählenden Industriegemeinde Bergkamen, die ebenfalls Sitz eines solchen Hydrierwerks ist. Diese Gemeinde ist in außerordentlichem Maße von Schicksalsschlägen heimgesucht worden. Zu den Opfern des Krieges kamen die zahlreichen Opfer bei der Bombardierung des Werkes, und dazu kamen noch 500 Todesopfer, die zwei Grubenkatastrophen gefordert haben. In dieser Gemeinde gibt es fast kein Haus, in dem nicht eine Familie wohnt, in der die Frau der Ernährer sein muß. In diesem Werk, das mit Einverständnis oder jedenfalls mit Duldung der Engländer wieder aufgebaut wurde, konnten jetzt bereits ungefähr 300 Frauen Arbeit finden. Diese Zahl ließe sich noch steigern.
Diese Tatsachen gestatten bestimmt nicht eine Bagatellisierung der sozialen Nöte als Folgen der Demontagen, weil es sich „nur" um örtliche Erscheinungen handelt.
({5})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole. aber: die Betrachtung der Demontagen nur unter den eben erwähnten sozialen Gesichtspunkten wird der vollen Bedeutung der Demontagen überhaupt nicht gerecht. Es geht bei diesen Demontagen im Kern um die Frage, ob dem deutschen Volk eine ausreichende Wirtschaftsbasis bleibt.
({6})
Es geht darum, daß in der angestrebten europäischen Neuordnung das deutsche Volk als gleichberechtigter Partner seinen Platz finden muß.
({7})
Die Demontagen haben aber die Bedeutung und den Zweck, eine dauernde ausnahmerechtliche Behandlung des deutschen Volkes festzulegen.
({8})
Und es geht darum, auch für das deutsche Volk die produktionstechnischen Voraussetzungen zu erhalten bzw. zu schaffen, damit es mit dem Auslauf des Marshallplans im Jahre 1952 die Möglichkeit besitzt, sich aus eigener Kraft zu erhalten und sein Einfuhrbedürfnis zu befriedigen. Heute sind wir von diesem Ziel noch weit, sehr weit entfernt. Ich habe den Eindruck, daß das auch Deutschen noch gesagt werden muß, selbst Mitgliedern dieses Hauses.
Wir haben in der Debatte zur Regierungserklärung eine Stimme gehört, die unter absoluter Entstellung der englischen Situation prahlend erklärte: Wir haben geschafft, wir haben gearbeitet und haben für uns selbst gesorgt. Ich habe den Eindruck, daß dieses Mitglied der CDU nicht einmal die Düsseldorfer Leitsätze der CDU bis zum Ende gelesen hat;
({9})
denn sonst würde es am Ende der Düsseldorfer Leitsätze gefunden haben, daß davon 'gesprochen wird, daß der Einfuhrbedarf des deutschen Volkes rund 9 Millarden D-Mark ausmacht. Wenn es diese Zahl mit der am Anfang genannten Zahl, daß man in diesem Jahr auf eine Ausfuhr von 1,2 Milliarden Dollar rechnen kann, vergleicht, dann könnte es sich leicht ausrechnen, daß wir durch eigene Kraft heute noch nicht die Hälfte der Einfuhr erarbeiten, die wir notwendig brauchen.
Wenn wir einen Blick in die frühere Statistik unseres Außenhandels werfen, dann finden wir eine überragende Bedeutung unserer Eisen- und Stahlindustrie in Verbindung mit der diesbezüglichen verarbeitenden Industrie. Es bleibt einem rätselhaft, wie wir einen Ausgleich der Handelsbilanz bei der Drosselung, die die Demontagen auf dieser Industrieebene herbeiführen, finden sollen. Deshalb, meine Damen und Herren, sehen wir in diesen Demontagen auch eine Verletzung des selbst in dem Potsdamer Abkommen feierlich gegebenen Versprechens, dem deutschen Volk soviele industrielle Arbeitsmöglichkeiten zu belassen, daß es ohne Hilfe von außen leben kann.
Besonders hervorzuheben ist, daß, soweit die Einbeziehung der synthetischen Industrie in die jetzige Demontage in Frage kommt, die Siegermächte noch hinter den ersten Industrieplan zurückgehen,
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von dem sie selbst erklärten, daß er durch die Entwicklung völlig überholt ist. Dort war festgelegt, daß diese Betriebe solange in Arbeit gehalten werden sollen, bis Deutschland imstande ist, diese Produkte einzuführen und zu bezahlen.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, ein Wort zum Thema Konkurrenzbehinderung! Das Abstreiten dieses Gedankens ist keine Widerlegung, daß nicht doch starke Kräfte, die bei der Demontage bestimmend mitwirken, sich von solchen Absichten leiten lassen.
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Ich glaube aber, daß wir es uns ersparen können, über Motive zu sprechen. Die Tatsache n sprechen eine eindeutige Sprache, daß Konkurrenzbehinderung vorliegt. Es gibt Fälle, in denen die angeordneten Teildemontagen wahrlich nicht anders zu sein brauchten, als sie angeordnet wurden, wenn dabei die geradezu satanische Absicht der Konkurrenzerschwerung mitgesprochen hätte.
Der organische Produktionsvorgang wird gestört, indem wichtige Glieder einer Produktionskette einfach herausgerissen werden. Die Folge davon ist, daß erhöhte Transportleistungen erforderlich sind, daß wesentlich höhere Brennstoffmengen notwendig sind und daß dementsprechend auch ein größerer Arbeitsaufwand entsteht. Diese Teildemontagen haben eine Wirkung, daß man davon sprechen könnte, das Verbliebene bleibt, wirtschaftlich gesehen, fast ohne jeden Effekt.
Bei der Verkündung des Demontageplans war damals der Reparationsgedanke in den Vordergrund gestellt worden. Damit versuchte man auch eine Uebereinstimmung mit dem Marshallplan durch die Feststellung herbeizuführen, daß die für Deutschland überflüssig gewordenen Industriekapazitäten anderen Ländern gegeben werden sollen, um sie im Sinne des Marshallplans früher zur Nutzung kommen zu lassen, als wenn diese Kapazität in Deutschland verbliebe. Ich will unerörtert lassen, ob und in wie vielen Fällen die Demontage diese Voraussetzungen erfüllte. Sicher sind es Seltenheitsfälle. Auf die zur Zeit strittigen Demontagefälle trifft diese Argumentation jedenfalls nicht zu.
Die jetzigen Demontagen stehen in hartem Widerspruch zu den Prinzipien des Marshallplan. Der Marshallplan fordert Aufbauförderung unter voller Auswertung der industriellen Kapazität auch Westdeutschlands. Insbesondere fordert er auch eine Steigerung der Rohstahlerzeugung, und im Sinne dieses Plans hätte das modernste Hüttenwerk, zugleich mit dem günstigsten Standort, so früh wie möglich in Betrieb genommen werden müssen: die Thyssen-Hütte. Dieses Werk aber ist auf die Demontageliste gesetzt worden. Unser Eindruck ist, es ist deshalb auf die Demontageliste gesetzt worden, weil es so günstige Produktionsmöglichkeiten bietet. Dafür baut man in anderen Ländern neue Hüttenwerke auf. Die europäische Konzeption des Marshallplans wird preisgegeben zugunsten egoistischer nationaler Interessen.
Ich kann ein anderes Beispiel erwähnen, das Beispiel der 5-Meter-Straße im Dortmund-HarderHüttenwerk. Von amerikanischen Sachverständigen war ausdrücklich anerkannt worden, daß dieses Werk im Rahmen der europäischen wirtschaftlichen Neuordnung voll ausgelastet sein könnte. Trotzdem ist es mit der Begründung auf die Demontageliste gesetzt worden, es sei für den inneren deutschen Bedarf nicht notwendig. Es gibt eine neue 5-Meter-Straße, die noch nirgends eingebaut ist; sie wurde angeboten, und dieses Angebot ist abgelehnt worden. Man hat aber gleichzeitig dem Dortmund-Hörder-Hüttenwerk verweigert, für die demontierte 5-Meter-Straße einen Ersatz zu schaffen, obwohl für dieses Werk nun das Problem auftritt, wie es die erzeugte Menge von
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Roheisen und Stahl im Werk sinnvoll weiterverarbeiten kann.
Eine weitere Erschwerung liegt darin, daß durch die Demontage nicht nur schlechtweg die Eisen-und Stahlkapazität verringert, sondern damit zum Teil gleichzeitig die Herstellung gewisser Spezialprodukte verhindert wird, auf die die verbleibenden Industrien sich erst allmählich umstellen können. Hüttenwerk war nicht immer gleich Hüttenwerk. Jedes einzelne Werk hatte eine gewisse Spezialität. Ich darf hier mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zwei Sätze aus einer Denkschrift der Gewerkschaft zitieren:
Nach dem Marshallplan ist die Wiederherstellung einer leistungsfähigen deutschen Energiewirtschaft vordringlich. Trotzdem soll die Thyssen-Hütte restlos demontiert werden, die 80 Prozent der deutschen Produktionskapazität für hochwertige Transformatorenbleche darstellt! Trotzdem sollen die beiden 15 000-Tonnen bzw. 10 000 -Tonnen- Schmiedepressen in Essen und Dortmund demontiert werden, ohne die die dringend benötigten 200 Turbosätze und 300 Wellen in Deutschland überhaupt nicht mehr hergestellt werden können.
Meine Damen und Herren! Unser Eindruck ist und muß sein, daß die Reparationsfrage gegenüber der absoluten Produktionsbeschränkung als sekundär betrachtet wird. Auch das muß von uns als Beweis dafür angesehen werden, daß eben doch Konkurrenzmotive vorliegen, und wir sehen diesen Eindruck erneut bestätigt, weil man dem Angebot, die Thyssen-Hütte in Betrieb zu nehmen und ihre Leistungen restlos für Reparationszwecke zu verwenden, nicht nähergetreten ist.
Die Erregung über die Demontage wird aber besonders durch die Form der Demontage gesteigert. Nur zum geringen Teil liegt heute noch echte Demontage mit dem Ziel vor, das Demontierte anderswo wieder produktionstechnisch zu verwenden. In erster Linie wird zerstört und nicht demontiert.
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Ich hatte Gelegenheit, einen kurzen Spaziergang durch die Thyssen-Hütte zu machen. Der Eindruck ist, daß sinnlose Kräfte der Zerstörung walten. Selbst nach dem jetzigen Plan soll nur noch ungefähr zu einem Viertel wirklich demontiert werden, zu drei Vierteln wird mit dem Schweißbrenner gearbeitet, um Schrott zu erzeugen.
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Ich empfehle besonders d e r englischen Stelle, einen solchen Besuch zu machen, die angeordnet hat, daß die Demontageabteilung im Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen in „Reparationsabteilung" umgetauft werden muß. Auch all denen, die unsere Demontageproteste als Nationalismus diffamieren, sei empfohlen, solche Stätten sinnlos zerstörender Tätigkeit aufzusuchen und sich dann die Frage zu stellen und zu beantworten, wer den Ungeist des Nationalismus fördert.
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Meine Damen und Herren, außerdem ist darauf hinzuweisen, daß die Reparationen durch Demontage wohl die kostspieligste Form der Wiedergutmachung sind.
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Es geht noch gut, wenn nach Abzug der Demontagekosten ein Reparationswert von 10 Prozent der ursprünglichen Investitionskosten bleibt.
Nun kommt man heute besonders mit dem Argument, für die Demontage sei ausschließlich das Sicherheitsbedürfnis maßgebend. Wir konnten aus der Rede eines der führenden Männer in dieser Frage lesen, daß jede überflüssige Kapazität an Friedensindustrie ein Kriegspotential darstellt. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Hitlersche Ausplünderungs- und Ausraubungs-Politik die Sicherheitsargumentation schwergewichtig macht. Es wäre gut, wenn man sich überall in Deutschland, wenn man darüber redet, daran erinnerte, daß eigentlich dieses Kapitel auch mit der Ueberschrift versehen sein könnte: „Das danke ich dir, mein Führer!"
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Aber ich bin mir nicht im Zweifel, daß dieses Argument vielfach -von selbstsüchtigen Menschen zur Tarnung des wirklichen Motivs benutzt wird.
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Wir sollten daraus den Schluß ziehen, da, wo wir
uns öffentlich äußern, es so zu tun daß wir den
gutgewillten Kräften im Ausland die Grundlage
bieten, für uns auf diesem Gebiete tätig zu sein.
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Es sind in diesem Hause Reden gehalten worden, die dieser Anforderung wahrlich nicht Rechnung tragen.
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Ich brauche dazu nichts mehr zu sagen, insbesondere nachdem mein Parteifreund Schmid gestern in wirklich eindrucksvoller Weise dieses Kapitel beleuchtet hat.
Aber ich möchte bei dieser Gelegenheit auch ein Wort an Sie, meine Herren von der KPD, richten. Was da gesagt wird, gilt auch für die neuerliche Weisung für Ihre Politik der nationalen Einheitsfront. Ich will in diesem Zusammenhange nicht im einzelnen darlegen, daß Ihr Protest außerordentlich abgeschwächt ist durch die Tatsache, daß Sie vorbehaltlos Ja sagen zu dem, was in einem anderen Teil, der zu Deutschland gehört, geschieht.
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Ich will Sie nur daran erinnern, daß Ihre neuerliche Einstellung selbst in Widerspruch zu dem steht, was Sie hier im Westen vor noch nicht allzu langer Zeit vertreten haben.
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Ich darf daran erinnern, daß es Ihr Kollege Led-wohn war - wirklich kein x-beliebiger Mann -, der am 5. Februar 1948 im Nordrhein-Westfälischen Landtag ausführte:
Nehmen wir einmal die Tatsache: Herr Molotow hat in London vorgeschlagen, daß das Industrieniveau in Westdeutschland auf 70 Prozent des Niveaus von 1938 erhöht werden soll und daß dann von diesem Niveau 10 Prozent für Reparationen aus der laufenden Produktion entnommen werden sollen. Wenn Sie mich fragen, meine Damen und Herren, ob ich als Deutscher mit einem solchen Vorschlag Molotows einverstanden bin, dann antworte ich mit einem klaren Ja.
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Meine Damen und Herren, wenn ich Ihre gegenwärtige Agitation auf diesem Gebiete mit dem vergleiche, was Ihr Kollege Kaiser im Landtag von Nordrhein-Westfalen am 29. Oktober 1947 ausgeführt hat, dann finde ich auch da einen großen Widerspruch. Ich habe die Bitte an Sie, zu überHenßler
legen, ob es nicht klug wäre - im Interesse der betroffenen Arbeiter wie im Interesse der Wirkung unseres Protestes -, wenn Sie sich jene Ausführungen doch etwas ins Gedächtnis rufen würden. Ihr Herr Kollege Kaiser führte damals im Landtag aus:
Die Kommunistische Partei bedauert außerordentlich, daß die schwere Lage, in die durch die Demontage die werktätige Bevölkerung gebracht wird, von Unverantwortlichen dazu benutzt worden ist, die Werktätigen nationalistisch und chauvinistisch zu verhetzen. Die auch von einzelnen Zeitungen angedeutete Aufforderung zu Streiks und Demonstrationen und zum tätlichen Widersetzen kann nicht anders denn als Provokation bezeichnet werden.
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Ich will ja von Ihnen gar nicht, daß Sie das noch hundertprozentig respektieren, aber wenigstens einen guten Teil davon - das täte not -, um auch den Kundgebungen draußen einen geschlosseneren Eindruck zu geben, als es jetzt der Fall ist.
Meine Damen und Herren! An die Adresse der Siegermächte gerichtet aber müssen wir sagen - nicht nur weil es in unserem Interesse liegt, sondern auch weil es ein Erfordernis einer demokratischen Neuordnung ist -: Die Friedenssicherheit erfordert, daß man es mit der demokratischen Neuordnung wirklich ernst meint. Nicht Beschränkung einer Volkswirtschaft, die restlos dem Friedensbedürfnis dienlich gemacht werden kann! Wohl aber Vorsorge, daß diese Produktionseinrichtungen nicht mißbraucht werden können für friedensstörende Zwecke! Deshalb fordern wir die Ueberführung dieser Monopolindustrien in Gemeineigentum, um damit die Möglichkeit auszuschalten, daß sogenannte freie Initiative kraft dieses Besitzes friedensstörende Umtriebe ins Werk setzen kann.
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Deshalb sind wir, meine Damen und Herren, für eine gemeinsame europäische Neuordnung, die uns aus dem bloßen Reden über eine europäische Gemeinschaft herausbringen soll zum Beginn des Praktizierens einer solchen Gemeinschaft. Aber dazu muß auch ausgesprochen werden: eine echte Gemeinschaft muß auf gleicher Berechtigung und gleicher Verpflichtung der einzelnen Partner beruhen.
Wenn man aber davon ausgehen will, für Deutschland nun wirklich die notwendige Friedenskapazität auszurechnen, dann müssen wir feststellen, daß sich der Industrie- und Demontageplan nicht als Patentlösung dafür erwiesen hat. Dann soll man vom Menschen ausgehen. Dann müßte am Anfang der Überlegungen stehen, daß wir für alle Arbeitsfähigen in Deutschland die Möglichkeit sinnvollen Arbeitseinsatzes haben müssen. Dann muß man berücksichtigen, daß sich, wie ein Vergleich ergibt, gegenüber 1936 doch wirklich allerhand geändert hat: der Verlust östlicher Gebiete, mit dem wir im Augenblick rechnen müssen, die Vergrößerung der Bevölkerungszahl durch die Vertriebenen, die Zerstörung von Produktionskapazitäten, der Instandhaltungsrückstand und Reparaturbedarf bei der noch vorhandenen Produktionskapazität. Ich will hier nur darauf hinweisen, daß von den Sachverständigen des Marshallplanes beim Ruhrbergbau allein ein Rückstand festgestellt worden ist, der einen Aufwand von rund 5 Milliarden DM erfordern würde. Berücksichtigt werden müßten auch die schon erfolgten Demontagen, insbesondere die sehr weitgehende industrielle und verkehrliche Ausräumung der Ostzone, aber auch die sehr große Schwächung der gewerblichen und industriellen Wirtschaft in der französischen Zone.
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Angesichts dieser Tatsachen bleibt rätselhaft, wie man überhaupt von Überfluß in der Produktionskapazität in diesem zerschlagenen Deutschland reden kann.
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Wir haben insgesamt nicht zuviel Produktionskapazität, sondern wir müssen in großem Umfange neue Arbeitsmöglichkeiten schaffen, um alle in Arbeit bringen zu können. Ich brauche nur auf die besondere Erwerbslosennot unter den Vertriebenen hinzuweisen: fast jeder zweite Vertriebene heute ein Arbeitsloser! Meine Damen und Herren, das ist ein Menetekel, das nicht nur ernstere Beachtung in der deutschen Wirtschaftspolitik verdient, sondern das nicht minder ernst auch von den Siegermächten gewertet werden müßte.
In diesem Zusammenhang ein kleiner Hinweis auf den früheren Eckernförder Demontagestreik. Es gibt niemanden in Deutschland, der dagegen war, daß die kriegsmäßigen Einrichtungen zerstört wurden; aber die englische Siegermacht hätte dem Bedürfnis nach Sicherheit einen sehr großen Dienst geleistet, wenn sie damit einverstanden gewesen wäre, daß die brauchbaren Hallen benutzt werden, um Zehntausenden jetzt arbeitsloser Menschen Arbeitsmöglichkeiten in friedlicher Industrie geben zu können.
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Müssen wir die Demontage schon vom wirtschaftlichen und sozialen Standpunkt aus ablehnen, weil diese Demontage hart und widersinnig und auf die Dauer unhaltbar ist, so müssen wir noch mehr betonen, daß der politische Schaden unseres Erachtens noch viel größer ist.
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Das dient sicher nicht, der ersten Anforderung in bezug auf Sicherheit: friedensgewillte Menschen zu schaffen. Das bedeutet Förderung aller destruktiven Elemente und Bestrebungen bei uns.
Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs schon erwähnt, daß erklärt worden ist, es handle sich ja nur um örtliche und zeitlich begrenzte Erscheinungen. Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich hier wirklich nicht um eine Angelegenheit von nur vorübergehender Bedeutung handelt, nicht um eine Angelegenheit eines zwar schmerzhaften, aber eben nur einmaligen operativen Eingriffs. Die Wunden, die da geschlagen werden, vernarben nicht. Sie werden, mindestens auf lange Zeit hinaus, einen Eiterherd bilden und damit nicht bloß dem deutschen Wirtschaftsleben abträglich sein, sondern auch den Bestrebungen, im europäischen Maßstab eine wirtschaftliche Neuordnung herbeizuführen.
Ich verweise deshalb so deutlich darauf, weil in diesen Tagen die Mitteilung gekommen ist, daß die Außenminister zwar die Demontagen erneut überprüfen wollen, aber erst in einem Vierteljahr. Ich habe hier eine Presseäußerung, in der es heißt, daß diese Frage Ende des Jahres noch einmal überprüft wird, „da man sich dann darüber klar sein werde, in welchem Maße die westdeutschen Behörden in gewissen Dingen mitgehen und wie sich die Dinge bei ihnen entwickelt hätten." - Das ist in seiner Auslegung sehr dehnungsfähig, aber ich Will dazu nur eine Bemerkung machen: Darauf,
wie die Dinge sich in Deutschland entwickeln, könnten die Siegermächte durch eine verständigere Haltung bei der Demontage einen sehr starken Einfluß ausüben.
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Ich hoffe,, daß man diese Notiz nicht mit einer anderen Mitteilung in Verbindung bringen muß, nach der man bestrebt ist, die sogenannten Demontagen bis zum 1. Januar, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Außenminister das Problem neu überprüfen wollen, erledigt zu haben. Dann muß die Zerstörungsarbeit noch grandioser durchgeführt werden, und dann treffen die Bedenken, die wir dazu geäußert haben, auch in entsprechend stärkerem Maße zu.
Ich will zum Schluß kommen. Meine Damen und Herren, als seinerzeit der Demontageplan verkündet wurde, hat der damalige Beauftragte der englischep Regierung für die englische Zone, Lord Pakenham, uns in Düsseldorf einen Vortrag gehalten, an dessen Ende er an die Deutschen die Mahnung richtete, sich so zu verhalten, daß man der Welt gerade in die Augen schauen könne.
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Wir wollen diese Mahnung für uns gelten lassen, aber sie muß ja schließlich für jeden und für alle gelten.
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Und wenn man sie ernst nimmt, erfordert sie dann nicht, darauf bedacht zu sein, daß man - geschichtlich gesehen -- auch morgen und übermorgen die Augen nicht niederzuschlagen braucht, wenn man an das erinnert wird, was man heute getan hat?
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Vergesse man nicht: am Ende des Krieges lautete die Parole für die nächste Aufgabe: Wir wollen den Frieden gewinnen! Und er soll im Zeichen einer demokratischen Neuordnung stehen, im Zeichen der Abkehr von den verhängnisvollen Methoden nationalistischer Gewaltpolitik.
Auch aus dieser Zielsetzung heraus wünschen wir, daß das Reparationsproblem als eine Frage zweckmäßiger Lösung, als eine Frage verständiger Zusammenarbeit und als eine Frage willensmäßiger und gesinnungsmäßiger Bildung und Festigung eines Friedensbundes betrachtet wird und nicht als eine Kampffrage zwischen Deutschland und den Siegermächten, wobei nur zu leicht Prestigegründe den Vorrang erhalten vor rein sachlichen Erwägungen.
Meine Damen und Herren, weil wir heißen Herzens echten Frieden ersehnen, weil wir Verständigung zwischen den Völkern und Zusammenarbeit im Willen zur Völkergemeinschaft wünschen, deshalb unser Appell: Stop den Demontagen von Arbeitsstätten, die der Arbeit für friedliche Zwecke dienen! Das Gebot ist: Aufbau, nicht Zerstörung!
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Meine Damen und Herren! Inzwischen . ist von den verschiedensten Seiten des Hauses der Wunsch an mich herangetragen worden, etwa gegen ein Uhr eine kürzere Mittagspause zu machen und bis dahin möglichst noch die Begründung der Anträge zu den Tagesordnungspunkten
3. Antrag der Fraktion der KPD betr. sofortige Einstellung der Demontagen ({0}),
4. Antrag der Fraktion der KPD betr. Demontageverweigerer ({1})
und
5. Antrag der Fraktion der KPD betr. Amnestierung verurteilter deutscher Demontageverweiger ({2}).
entgegenzunehmen. Darf ich fragen, wer die Begründung der Anträge zu diesen Punkten der Tagesordnung übernimmt? - Herr Abgeordneter Paul, bitte.
Meine Damen und Herren! Es ist schon sehr viel in der deutschen Öffentlichkeit, in den Gewerkschaften und in den Betrieben über die Frage der Demontagen und des Kampfes um die Erhaltung der Arbeitsplätze und damit des Lebens der deutschen Bevölkerung gesprochen worden. Leider sind bisher alle Appelle auf taube Ohren gestoßen. Erst in den letzten Tagen wurde erneut mitgeteilt, daß die Demontagen durchgeführt würden.
Die Demontagen - das sehen wir deutlich an dem Beispiel der Thyssen-Hütte -- sind eine Fortsetzung der Zerstörungen des Bombenkrieges. Man begründet die Demontagen und deren Notwendigkeit mit Sicherheit und mit Frieden. In Wirklichkeit stehen diese Demontagen im engsten Zusammenhang mit den militärstrategischen Überlegungen der Träger des Atlantikpaktes und mit den konkurrenzwirtschaftlichen Überlegungen ausländischer Großkapitalisten. Die Einbeziehung Westdeutschlands in den Atlantikpakt und die ungeheuren Rüstungsausgaben in den Vereinigten Staaten sind von den Demontageplänen nicht zu trennen.
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Interessant war, was ein britischer Oberst vor dem Kreistag in Beckum zu diesen militärstrategischen Überlegungen bezüglich der Demontagen ausführte. Er sagte:
Wenn sich das Schlachtfeld zwischen Ost und West durch Deutschland zieht, wird Benzin aus dem Auslande gebracht werden, und wenn die Kampflinie weiter nach Westen verlegt wird, ist es besser, wenn Benzin von außen herankommt.
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Jawohl, diese Pläne spielen bei der Fortnahme entscheidender Werke der chemischen und der Stahlindustrie eine große Rolle.
„Sicherheit" - dieses Wort im Munde jener Kriegsstrategen des Atlantikpaktes klingt wie ein Hohn. Die Friedensreden dieser Leute sollen nur den Dummen in der Welt Sand in die Augen streuen. Wenn man Sicherheit wünscht, wenn man den Frieden will, dann sollte man dem werktätigen Volk an Rhein und Ruhr die Möglichkeit geben, eine Volksabstimmung darüber durchzuführen, in wessen Hände die Grundstoffindustrien gelegt werden sollen.
({2})
Eine Sicherheit gegenüber deutschen Angriffen für die Nachbarvölker bestände dann, wenn man die Betriebe der Grundstoffindustrie in das Volkseigentum überführen würde. Dieselben Leute aber, die von Sicherheit und Frieden reden, haben das vom Landtag Nordrhein-Westfalen beschlossene Gesetz zur Sozialisierung der Kohlewirtschaft nicht sanktioniert. Den bereits beschlossenen Artikel der hessischen Verfassung, der in einer Volksabstimmung angenommen worden war, der die Überführung der Grundstoffindustrien in das Staatséigeritum vorsah, haben dieselben Herrschaf({3})
ten des Atlantikpaktes und Marshallplans außer Kraft gesetzt. Diese Taten stehen jenen Parolen von Sicherheit und vom Friedensbedürfnis der Atlantikpaktstrategen entgegen.
Die Demontagen - und da kann ich mit meinem Vorredner, dem Kollegen Henßler, nicht einig gehen - stehen nicht im Gegensatz zum Marshallplan, sondern sind der Inhalt und ein Teil des Marshallplans.
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Der Marshallplan hat ja gerade den Zweck, das deutsche Volk in Abhängigkeit zu halten, und die Demontagen sollen diese Abhängigkeit noch untermauern. 148 Werke sollen demontiert werden, 75 Werke stehen im Moment in der Demontage. Dar unter sind wichtige Werke der Hüttenindustrie.
Der Kollege Henßler sprach bereits von der August-Thyssen-Hütte. Jawohl, auf der AugustThyssen-Hütte geht es darum, ein großes, rentables Werk, welches dem Wiederaufbau Deutschlands, seiner zerstörten Städte, seiner Eisenbahnlinien, seiner Brücken dienen könnte und auch einen großen Beitrag zur Sicherung der Einfuhr notwendiger Rohstoffe und Lebensmittel leisten könnte, jetzt endgültig zusammenzuschlagen. Auch ich hatte die Möglichkeit, mit Mitgliedern der Belegschaft zu sprechen; sie sagten mir, daß der größte Teil des Werkes buchstäblich zerstört wird.
Die Fünf-Meter-Grobblech-Straße des Hüttenwerkes Hörde fällt ebenfalls unter die Demontage. Gerade diese Straße war genau so wie die August-Thyssen-Hütte geeignet, Transformatoren-und Dynamo-Bleche zu erzeugen. Wir stehen vor der Notwendigkeit, unsere Elektrizitätswerke zu reparieren und neu aufzubauen. Aber gleichzeitig demontiert man jene Industrien, die uns diese Bleche für unsere Transformatoren und Dynamos liefern könnten. Gleichzeitig demontiert man die Zehntonnenpresse auf dem Hüttenverein Dortwund. Auf dieser Presse konnten Schiffsmäntel, Hydriermäntel bis zu 200 Millimeter Wandstärke und wichtige Industrie-Ausrüstungen für Kraft-und Gaswerksanlagen hergestellt werden. Dieses Preßwerk erbrachte früher einen Jahresumsatz von 25 bis 30 Millionen D-Mark. Heute wird dieses Preßwerk ebenfalls niedergerissen. Dafür müssen wir für hohe Devisenbeträge Material aus den Vereinigten Staaten einführen.
Ich denke auch an die Charlotten-Hütte in Niederschelden. Vorerst sollte nur eine Teildemontage durchgeführt werden. Jetzt sollen die Hochöfen, ebenfalls Siemens-Martin-Öfen, vollständig demontiert werden. Damit wird eine der wesentlichsten Hütten des Siegerlandes praktisch lahmgelegt, und wir sind nicht in der Lage, die Erze des Siegerlandes weiter zu verhütten, und geraten dadurch in starke Abhängigkeit von der Einfuhr ausländischer Erze.
Ich denke auch an die jetzt durchgeführte Demontage auf dem Eisenwerk in Kaiserslautern. Dort hat man die Polizei eingesetzt, um die Demontage durchzuführen.
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Auch dort hieß es: dieses Werk soll erhalten bleiben.
Ein ganz besonderes Kapitel ist die Demontage unserer Hydrierwerke. Ich habe in den letzten Wochen Gelegenheit genommen, mich dieser Frage ganz besonders anzunehmen und mich mit ihr zu beschäftigen. Gelsenberg wird nun abgerissen. Man sagt: Gelsenberg kann ja gar keine Kohle hydrieren, weil das Kohlehydrierverfahren so ungeheuer teuer ist. Aber in Wirklichkeit reißt man dieses Werk ab, um uns von der Einfuhr von Ölen und Benzin aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien abhängig zu machen.
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Ich denke auch an die Ruhröl GmbH. Beide Werke - Gelsenberg, Ruhröl GmbH. - und das dritte Werk Scholven und Wesseling haben eine Kapazität von 2,3 Millionen Tonnen Schmieröl und Benzin. Wir könnten in diesen Werken rund 12 Millionen Tonnen minderwertige Kohle verarbeiten. Ich glaube, daß eine solche Tat eine wirkliche Hilfe für das deutsche Volk sein würde. Wir könnten dann nämlich ungeheuer Devisen sparen, die wir für die Einfuhr der notwendigen Rohstoffe und Lebensmittel wieder einsetzen könnten.
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In Gelsenberg wurden nach 1945 17 Millionen Mark neu angelegt, und zwar mit Zustimmung der britischen Vertreter. Heute wird dieses Werk restlos abgerissen. Nach den Meldungen aus dem Wirtschaftsministerium Nordrhein-Westfalen haben wir einen Rückgang an Benzin-Produktion um 29 % und an Dieseltreibstoff um 62 %, wenn diese Anlagn abmontiert werden. Die Fischer-Tropsch-Anlagen, die jetzt demontiert werden, können jährlich 370 000 Tonnen Primärstoffe herstellen. Sie können den Paraffingatsch herstellen, der uns dann die Fettsäure für unsere Seifen- und Waschmittelindustrie liefert. 50 % unserer Waschmittel- und Seifenindustrie könnten wir aus diesem Paraffingatsch sicherstellen. Aber nein, das wird nicht erlaubt. Statt dessen werden die Hydrierwerke geschleift, und gleichzeitig bemüht man sich von britischer Seite, Paraffin nach Westdeutschland einzuführen. Während wir Paraffin für 200 Mark je Tonne erzeugen können, will man uns Paraffin für 2000 Mark pro Tonne verkaufen. Das sind reale Tatsachen, die auch von anderer Seite nicht bestritten werden können.
Hinzu kommt, daß ungeheure Summen für die Demontage aufgeboten werden müssen. Eine Tonne Eisenkonstruktion kostet in der Demontage 800 bis 1000 Mark. Dagegen beträgt der Preis der Neuherstellung pro Tonne 400 Mark. Wir sehen also, daß wir bei der Demontage schwer draufzahlen müssen. In den meisten Fällen wird uns nur der Schrottwert für die fortgenommenen Betriebe angerechnet.
Zehntausende von Arbeitern, Angestellten und Beamten werden durch die Demontage brot- und arbeitslos. Allein auf Gelsenberg wurden bisher rund 2000 Arbeiter und Angestellte entlassen. Darunter befinden sich Hunderte von Arbeitern, die aus dem Kohlenbergbau abgestellt wurden, weil sie nicht mehr bergbautüchtig sind. Darunter befinden sich weiter Hunderte von Kriegs- und Arbeitsbeschädigten. die aus der Produktion jetzt restlos herausgeworfen werden. Auch auf der Charlotten-Hütte ist es so: Wenn diese Hütte stillgelegt wird, werden - genau so wie es mit den Werken Bergkamen, Gelsenberg und anderen der Fall ist - Tausende von Arbeitern arbeitslos, die nirgendwoanders untergebracht werden können.
Ich gehe mit der britischen Zeitung „Times'' nicht konform, wenn sie schreibt: „Es ist beispielsweise nicht wahr, daß durch die Demontager größere Arbeitslosigkeit verursacht würde." Nein zu der Arbeitslosigkeit, die durch die falsche Wirtschaftspolitik erzeugt wird, kommt die Arbeitslosigkeit von weiteren 10 000 Menschen hinzu. Die Städte und Gemeinden geraten in große Not, weil
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sehr viele Menschen Wohlfahrts- und Sozialunterstützungsempfänger sind. Jedenfalls kann uns das Los dieser Zehntausende von Menschen nicht gleichgültig sein.
Die Demontagen, die hier durchgeführt werden, sind keineswegs mit irgendwelchen international bindenden Vereinbarungen in Einklang zu bringen. Die Demontagen werden auf Beschluß der drei Besatzungsmächte durchgeführt, und die britische Regierung hat in den letzten Tagen erneut zum Ausdruck gebracht, daß die Demontagen auf einem Abkommen der drei Westmächte beruhen. Ich sage das deshalb, weil in unserer Bevölkerung und in der Arbeiterschaft immer der Eindruck erweckt wird, als seien die Amerikaner gegen diese Demontagen. In Wirklichkeit liegen auch diese Demontagen im Interesse der amerikanischen Großkapitalisten und Konzernherren. Diese Demontagen können nicht Rechtens sein, weil sie im Gegensatz zum Potsdamer Abkommen stehen.
In Potsdam wurde uns eine ausreichende Produktionskapazität zugebilligt. Im Industrieplan wurde im Absatz 6 gesagt, daß uns diese Werke belassen werden sollen, bis wir in der Lage sind, aus unseren Ausfuhren die nötigen Einfuhren zu decken. Aber wann ist das erreicht? Ist das bereits erreicht? Ich sage: keineswegs; man achtet unsere Interessen nicht. Man gibt nichts, um das Leben und die Arbeit des werktätigen Volkes zu ermöglichen. Eigenes Profitstreben und militärstrategische Interessen spielen bei diesen Demontagen eine entscheidende Rolle.
Der Herr Kollege Henßler konnte es sich nicht verkneifen, einen Seitenhieb gegen die Ostzone und gegen uns Kommunisten zu führen. Ich möchte ihm und auch den anderen, die in die gleiche Kerbe hauen, nur eines sagen: Glaubt denn einer ernsthaft daran, daß man mit einer Antikommunistenhetze und mit einer Antisowjethetze den Zehntausenden Werktätiger Arbeit und Brot verschaffen kann? Nein, diese Hetze soll nur jene Kolonialpolitik und Kolonialmethoden überdecken, die in Westdeutschland praktiziert werden.
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- Jawohl, Sie bringen mich gerade auf den Trichter. Leuna arbeitet heute, und nicht nur Leuna, sondern Dutzende von Hydrier- und Buna-werken
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arbeiten für die Sicherstellung des Lebens der deutschen Bevölkerung.
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Ich sage Ihnen: all Ihre Hetze und Ihr Geschrei kann über diese Tatsache keineswegs hinwegführen. Die Werke arbeiten, und die Menschen haben Arbeit und Brot.
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Hier zerschlägt man die Arbeitsstätten. Hier bringt man nicht nur die Arbeiter, sondern auch die Mittelständler und die Kleinbauern an den Bettelstab. Hier bringt man die Bevölkerung unter die Botmäßigkeit des Marshallplans und des Atlantikpakts, und damit schädigt man nicht nur die sozialen, sondern auch die nationalen Interessen unseres Volks.
Die Demontagen werden gegen den Widerstand der Bevölkerung und der Belegschaften durchgeführt. Man hat sich nicht gescheut, auf der Ruhrchemie Panzerwagen und Infanterie gegen die demonstrierenden friedlichen Arbeiter einzusetzen. Man hat auf Bergkamen Maschinengewehre in Stellung gebracht, als die Arbeiter die Vernichtung ihrer Arbeitsstätten nicht hinnehmen wollten. Man setzt sogar die deutsche Kriminalpolizei und die Polizei in Bewegung, um Nachforschungen anzustellen, wer sich an sogenannter Widerstandsleistung beteiligt hat. Ist es nicht eine Schande, daß sich, überhaupt Deutsche dafür hergeben, als Spürhunde
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oder als Schutztruppe bei der Vernichtung deutscher Arbeitsstätten eingesetzt zu werden? Ich habe bereits den Herrn Kollegen Menzel darauf aufmerksam gemacht, daß man jetzt in Mörs Polizeibeamte zum Schutz provozierender Demontageunternehmer eingesetzt hat. Wir werden uns über diese Angelegenheit noch zu unterhalten haben. Auf jeden Fall hat man nicht nur die Polizei und das Militär mobilisiert, sondern man hat auch die Gerichte in Front gebracht. Eine Reihe von Arbeitern, Angestellten und Betriebsleitern wurde bestraft. In der letzten Zeit wurde sogar das Urteil, welches in Dortmund gefällt wurde, durch das Oberste Militärgericht bestätigt. Wir haben deshalb nicht nur einen Antrag eingebracht, daß der Bundestag die sofortige Aufhebung der Demontagen beschließen möge, sondern wir haben auch einen Antrag eingebracht, nach dem der Bundestag die Militärregierung ersuchen soll, eine Amnestie für die verurteilten Arbeiter, Angestellten und Betriebsleiter auszusprechen.
Wir sind weiter der Meinung, daß wir verpflichtet sind, uns geschlossen hinter die Menschen zu stellen, die sich für die Lebensinteressen des deutschen Volkes und für unsere nationale Existenz einsetzen. Deswegen haben wir hier den Wunsch ausgesprochen, zu beschließen, daß diesen Menschen einmal die Prozeß- und Haftkosten bezahlt werden und daß ihnen zum andern der Lohn-und Gehaltsausfall vergütet wird. Das wäre eine praktische Maßnahme zur Hilfe für die Menschen, die nicht bereit sind, die Demontagen stillschweigend hinzunehmen. Wir würden damit zum Ausdruck bringen, daß wir uns mit diesen Menschen solidarisieren. Das ist dringend erforderlich.
Die KPD im Land Nordrhein-Westfalen wurde von dem stellvertretenden Gouverneur, dem Brigadier Barraclough, wegen ihrer Haltung gegenüber den Demontagen ernsthaft verwarnt. Wir hatten keine Möglichkeit, uns zu den Ausführungen des Herrn Brigadiers zu äußern.
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Wir sehen in dieser Verwarnung durch einen britischen General eine gute Note und einen Beweis dafür, daß die KPD in der Demontagefrage eine richtige Haltung eingenommen hat und noch einnimmt. Ich kann hier sagen, daß wir diesen Kurs nicht verlassen werden, unbekümmert darum, was da kommen mag.
Wir bitten das Hohe Haus, unseren Anträgen zuzustimmen. Wir sind der Meinung, daß es nicht genügt, nur diesen Anträgen zuzustimmen. Man muß nicht nur dafür eintreten, daß sofort alle Demontagen aufhören, sondern darüber hinaus muß Schluß gemacht werden mit der verhängnisvollen Kolonialpolitik, die unser Volk zu einem Bettlervolk macht. Wir sind der Meinung, daß es in der Frage der Demontagen erforderlich ist, daß alles, was im deutschen Volke ehrlich ist, wie ein Mann
zur Rettung unseres nationalen Eigentums aufsteht.
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Obwohl Sie glauben, Herr Henßler, uns nationalistische Umtriebe unterschieben zu müssen, rufe ich von dieser Stelle dennoch zur Stärkung der nationalen Front gegen die Demontagen für die Unabhängigkeit und Einheit Deutschlands auf. Alle Menschen im deutschen Volke, die guten Willens sind, die nicht mitmachen wollen, daß Westdeutschland in eine Kolonie des USA-Imperialismus verwandelt wird, müssen sich in der nationalen Front für die Unabhängigkeit und Einheit Deutschlands, für die Erreichung eines gerechten Friedensvertrags sammeln. Endlich muß man mit der Politik der Willkür und der kolonialen Unterdrückung Schluß machen.
So steht vor Ihnen die Frage, ob Sie unsere Anträge annehmen oder ablehnen wollen. Eine Ablehnung unserer Anträge wäre ein Zeichen dafür, daß Sie nicht willens sind, gemeinsam mit uns gegen diese ungerechtfertigten Demontagen anzukämpfen. Eine Annahme unserer Anträge wäre ein Bekenntnis des deutschen Volks für den Kampf um die Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands, wäre ein Bekenntnis für eine echte Verständigung mit allen friedliebenden Menschen in der Welt und ein Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens.
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Meine Damen und Herren, es ist 13 Uhr 10. Wir unterbrechen jetzt die Sitzung. Wir müssen wohl eine Stunde für die Mittagspause rechnen. Ich schlage vor, um 14 Uhr 15 fortzufahren. - Sie sind damit einverstanden.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 20 Minuten wieder aufgenommen.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung wieder.
Verabredungsgemäß soll die Aussprache über die Punkte der Tagesordnung 2, 3, 4 und 5 zusammen stattfinden.
Als erstem Redner erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Lehr das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe den Vorzug, nicht nur für die CDU/CSU, sondern gleichzeitig für die FDP und die DP zu sprechen. Unsere Stellungnahme zu den vier Anträgen 2,, 0, 7 und 11 kann unter einem einheitlichen Gesichtspunkt erfolgen, unter demselben einheitlichen Gesichtspunkt, den auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zugrunde gelegt hat. Es ist die Tatsache, daß die Demontagefrage das ganze deutsche Volk bewegt.
Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, daß sich unser Volk gegen die Zerstörung wirklich kriegswichtiger Betriebe nicht auflehnt; aber das, wogegen es ankämpft, ist die Vernichtung großer wirtschaftlicher Werte. In unserer beispiellosen Armut ist Deutschland als letzter wertvoller Besitz neben der Arbeitskraft seiner Bevölkerung eine Anzahl hochwertiger Produktionsstätten verblieben, und die Auflehnung gegen die Zerstörung wertvollster Einrichtungen entspricht nicht etwa einem wiedererwachten Nationalismus, wie es auch von dem Herrn Vertreter der SPD richtig ausgeführt worden ist, sondern einem wohl zu verstehenden Selbsterhaltungstrieb. Wir möchten uns wünschen, daß nicht nur etwas mehr wirtschaftliches Verständnis für unsere Notlage, sondern auch etwas mehr Einfühlungsvermögen nach der psychologischen Seite hin bei unseren ehemaligen Gegnern in Betracht käme. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich im umgekehrten Fall in England, Frankreich oder den USA die Bevölkerung tatenlos verhalten und ruhig alles mit angesehen hätte. Ich kann nur darauf verweisen, daß die Haltung unserer Bevölkerung, insbesondere unserer beteiligten Arbeiterschaft, bis zur Stunde durchaus diszipli- niert gewesen ist.
Unter diesen Gesichtspunkten sind auch die Amnestiefragen zu beurteilen. Die Handlungen sind nicht als kriminell zu bewerten, sondern sie sind wohl verständlich aus dem Streben, die Arbeitsplätze für sich und das Brot für die Familienangehörigen zu sichern,
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und wenn die Menschen in diesem Punkt mit ihrem
inneren Gewissen und mit den Vorschriften der
Militärregierung in Konflikt gekommen sind, so
ist jetzt unserer Meinung nach der rechte Zeitpunkt gekommen, um eine Amnestie zu erlassen,
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der Zeitpunkt, in dem das erste deutsche Bundesparlament zusammentritt und eine neue Regierung gebildet ist, in dem das Besatzungsstatut in Kraft tritt, das man uns mit so verheißungsvollen Worten einst im Parlamentarischen Rat überreicht hat.
Das einzige, was mir hier bei den Anträgen aufgefallen ist, hat auch der Kollege Henßler von der SPD erwähnt, nämlich den Zwiespalt, der auf seiten der Vertreter der KPD in der Beurteilung der Demontageverhältnisse hier im Westen und in der Ostzone zutage tritt.
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Meine Herren von der, KPD! Im Osten haben Sie vier Jahre lang geschwiegen. In keinem Landtag hat sich eine Stimme gegen die Vernichtung unserer Industrie und gegen die Wegführung der Maschinen aus dem ostdeutschen Raum erhoben.
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Keine Stimme hat sich gegen die maßlosen Leiden der Berliner Bevölkerung erhoben.
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In Ihrer Presse ist kein Wort des Widerspruchs erschienen.
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Und sehen Sie: wenn Sie offenbar auf dem Standpunkt stehen, daß, wenn zwei dasselbe tun, es doch nicht dasselbe ist, so müssen Sie andererseits verstehen, daß wir in Ihre Anträge ein berechtigtes Mißtrauen setzen und es ablehnen, dann zuzustimmen, wenn solche Anträge zu Agitationszwecken und zu dem Zweck gestellt werden, aus einer Notlage des Landes parteipolitische Vorteile zu ziehen.
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Das sind für uns keine Motive, um solchen Anträgen zuzustimmen.
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Wir wissen, daß wir eine Regierungserklärung zu erwarten haben. Ich glaube, sie wird so sein, daß wir ihr zustimmen können und daß sich daDr. Dr. Lehr
mit ein weiterer Antrag meinerseits im Namen der drei Fraktionen, für die zu sprechen ich die Ehre habe, erübrigt.
Ich komme zur Demontage selbst. Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Henßler hat schon zutreffend und tiefgründig das ausgeführt, was in großen Zügen zu sagen ist. Wir wollen uns hier in diesem Raum angewöhnen, mit Worten sparsam zu sein und nicht überflüssigerweise etwas zu wiederholen.
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Ich möchte mich auf die Hervorhebung bestimmter, wertvoller Gesichtspunkte beschränken und in vielen Teilen mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Henßler anschließen. Ich verweise auch darauf, daß eine wertvolle Vorarbeit im Verwaltungsrat in Frankfurt geleistet worden ist. Dort ist in wirklich einwandfreien und überzeugenden Denkschriften zur Demontage schon gesagt worden, was man auch von unserer Seite dazu zu sagen hat. Lassen Sie mich aber noch einmal betonen, daß es durchaus richtig ist, daß fortdauernde Demontage die Gesundung der Wirtschaft verhindert, weil sie zwei unheilvolle Folgen hat. Die erste einschneidende Folge ist die Verringerung der Kapazität der deutschen Industrie, die andere ist die Tatsache, daß die wirtschaftliche Erzeugung durch Unterbrechung des natürlichen Wirtschaftskreislaufs herabgesetzt wird. Das gilt ganz besonders in unserer rheinischwestfälischen Industrie, in unserem sogenannten Kohlenpott. Die dort entstandene Verbundwirtschaft ist kein Spiel des Zufalls, sondern ist in Generationen fleißiger Hände und kluger Köpfe geschaffen worden als - wie es gestern der amerikanische Journalist Armstrong nannte - ein industrielles Herzstück Europas. Dank dem einzigartigen Kohlenvorkommen in Mengen und Sorten, dank der günstigen Verkehrslage an natürlichen und künstlichen Wasserläufen, einem reichen Eisenbahn- und Landstraßennetz ist dieses Revier etwas Einzigartiges, und jeder Eingriff mit roher Hand behindert in unvonstellbarem Ausmaß das Zusammenwirken des einheitlichen Ganzen.
Nun läßt sich mit Zahlen ebenso wie mit Worten trefflich streiten Ich möchte Sie auch nicht mit Zahlen überschütten, aber ich möchte darauf hinweisen, daß die Kapazitätsberechnungen, auf denen der revidierte Industrieplan sich aufbaut, völlig dadurch überholt sind, daß wesentliche kapazitäteinschränkende Vorwegentnahmen von Schlüsselmaschinen und Schlüsselproduktion schon erfolgt sind. Stellenweise sind einzelne Werke und einzelne Branchen durch diese Vorwegentnahmen ebenso stark wie durch die Demontagen selbst betroffen worden, denn diese Demontagelisten konzentrieren sich auf bestimmte Schlüsselfertigungen und Engpaßmaschinen. Sie sind offenbar von genauen Kennern aufgesetzt worden. Bei Beginn dieser Tagung wurde mir von Freunden aus der französischen Zone noch wertvolles Material zu diesem Punkt überreicht. Ich will es im einzelnen nicht wiederholen, aber darauf hinweisen, daß beispielsweise die Uhrenindustrie in der französischen Zone durch Vorwegentnahmen um 30 Prozent verringert wurde, daß dann eine zweite und dritte Vorwegentnahme erfolgte, die weitere 50 Prozent erforderte, so daß, wenn man alles in allem jetzt nimmt, von der ursprünglich reichen Uhrenindustrie in der französischen Zone zwischen 20 und 30 Prozent noch vorhanden sind.
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Es ist auch nicht richtig, daß man, wie immer wieder betont wird, uns ja doch nur von überflüssiger Kapazität befreien wollte und daß nur stillgelegte Betriebe betroffen werden. Nein, ein Großteil der zur Demontage vorgesehenen Werke war ausreichend beschäftigt, und im Maschinenbau zum Beispiel hatten von 104 Demontagebetrieben bereits 98 ein vollgültiges Produktions-Permit.
Ein Wort zu Industrieplan und Demontageliste. Industrieplan und Demontageliste sind ohne Berücksichtigung des Marshallplans aufgestellt worden. Man kann das dadurch nachweisen, daß, als das Pariser Gutachten zum Marshallplan erstattet wurde, es in den USA einer besonderen Nachprüfung unterzogen wurde. Da wurden die Zusammenhänge zwischen dem Industrieplan und der Demontage einerseits und den Forderungen an das Marshallplanprogramm andererseits durchaus anerkannt und gewürdigt mit dem Ergebnis, daß sowohl das Harriman-Komitee wie das Herter-Komitee statt der überhöhten Ansprüche an den Marshallplan die stärkere Einschaltung Deutschlands forderte, um diese erhöhten Anforderungen an amerikanischer Hilfe zu korrigieren. Die Stahl- und Maschinenanforderungen des Pariser Gutachtens sind von dem genannten Herter-Komitee auf die Hälfte zusammengestrichen worden, und es ist eindeutig die Erhöhung der deutschen Stahlproduktion verlangt worden. Damit sind wesentliche Voraussetzungen des Industrieplans und der Demontageliste hinfällig geworden. Die Einschaltung erhöhter deutscher Beträge im Rahmen des Marshallplans verlangt eben einen erheblichen Export von Eisen und Stahl und Maschinen.
Der Herr Kollege Henßler hat auf den erhöhten Nachholbedarf hingewiesen. Meine Damen und Herren, getreu meinem Versprechen, daß ich Sie nicht mit Zahlen überschütten wollte, will ich, Sie auf ein schlagendes Beispiel aufmerksam machen. Der Fortfall von Bedarf an Eisen und Stahl durch den Fortfall unserer Rüstungen und die Unterhaltung von Streitkräften zu Lande, zur See und in der Luft wird vollständig dadurch ausgeglichen, daß dieser erhöhte Nachholbedarf noch für unsere gesamte gewerbliche Wirtschaft, für unsere gesamte Industrie, für unsere Landwirtschaft und für die Haushaltungen zu befriedigen ist, so daß es nicht richtig ist, daß man mit dem uns bewilligten Kontingent von 11,1 Millionen Jahrestonnen Stahl auskommen könnte. Wenn man wirklich den eigenen Bedarf unseres Volks berücksichtigt, dann brauchen wir mehr als etwa 14,5 Millionen Jahrestonnen Stahl.
Wenn ich noch hinzufüge, daß die Methoden der Demontage unsachgemäß und unwirtschaftlich sind und die Auswahl der Objekte ebenso unwirtschaftlich ist, so glaube ich damit treffend den Sachverhalt charakterisiert zu haben. Will man wirklich prüfen, dann muß man die Abbaukosten und die Wiederaufbaukosten, die Wertzerstörung in Deutschland und den ins Ausland gehenden Nettowert berücksichtigen. Es ist ganz sinnlos, Hochöfen und Stahlwerke niederzureißen, deren Wiederaufbau an anderer Stelle völlig unwirtschaftlich ist und deren Demontage nur noch Schrottwerte verursacht. Ich verweise als auf ein schlagendes Beispiel auf die Hüttenwerksanlage Borbeck der FriedrichKrupp-Aktiengesellschaft, die vorher einen Wert von 120 Millionen hatte und nach der Demontierung noch einen von 9,5 Millionen, also nur noch
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8 Prozent ihres früheren Wertes; und dabei ist die Arbeitsleistung von 3000 Arbeitern in zwei Jahren Demontage noch nicht mal eingerechnet. Die Demontagekosten für 1 Tonne Eisenkonstruktion betragen etwa 800 bis 1000 Mark, und die Kosten für die Neukonstruktion einer Tonne betragen einschließlich des Rohmaterialwerts etwa 400 D-Mark. Also betragen die Demontagekosten das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Neuerstellung. Die Anlagewerte aller Demontagebetriebe werden in den USA auf eine Milliarde Dollar geschätzt. Nach den bisherigen amerikanischen Schätzungen belaufen sich die nach der Demontage verbleibenden Werte auf 250 Millionen Dollar.
Nun fällt uns ganz besonders die verdächtige Eile auf, mit der in diesen Tagen und Wochen noch weiter demontiert wird. Gerade in dem Augenblick, in dem die Staatsmänner in Washington zusammentreten, um doch noch einmal zu überprüfen, ob man unserem schwer geprüften Lande nicht etwas Erleichterung bringen kann, geht mir von unseren Freunden in der französischen Zone beispielsweise die Nachricht zu, daß die Kaiserlauterer Eisenwerke - Aktiengesellschaft demontiert werden sollen, die bisher zwar schon durch Demontagen betroffen worden sind, es aber immer noch verstanden haben, ihre Produktion aufrechtzuerhalten und ihre Belegschaft zu beschäftigen. Nun soll aber die Seele des Betriebes durch weitere Maschinenzerstörungen herausgerissen werden. Es geht mir weiter die Klage darüber zu, daß die Charlotten-Hütte in Niederschelden auf einmal demontiert werden soll, bei der bisher ausdrückliche Zusagen vorlagen, daß sie nicht demontiert werden soll.
Der Herr Kollege Henßler hat zwei Fälle herausgesucht, die ich mir auch zum Gegenstand der Untersuchung gemacht habe: das ist die Demontage der August-Thyssen-Hütte in Duisburg-Hamborn und die Demontage von Gelsenberg-Benzin. Die Demontage der August-Thyssen-Hütte wird in diesen Tagen mit Nachdruck fortgesetzt, und die Zerstörungsbelegschaft ist wesentlich erhöht worden. Wenn das Werk nicht sofort durch Demontage-Stop gerettet wird, sind zum Ende des Jahres von dieser wertvollsten und wirtschaftlichst arbeitenden deutschen Produktionsstätte nur noch etwa zwei Hochöfen und ein Elektro-Ofen übrig; das heißt, das Werk ist vernichtet.
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Es ist unser modernstes und unser am wirtschaftlichsten arbeitendes Werk, das auf der Kohle liegt, das am Rheine liegt und eine hervorragend eingearbeitete Belegschaft hat.
Bei Gelsenberg-Benzin ist auch ein Punkt, den ich Ihnen in aller Offenheit einmal sage. Das Werk Gelsenberg-Benzin hat gleichzeitig mit dem Werk Wesseling bei Köln am 28. September 1948 eine Betriebserlaubnis zur Destillation von Erdöl und zur Hydrierung der daraus gewonnenen Rückstände bekommen - wohlgemerkt: es handelt sich nicht um die verbotene Hydrierung 'von Kohle. Das Werk Wesseling hat offenbar einen besonderen Schutzgeist; denn es darf weiter arbeiten, und darüber freuen wir uns an sich. Es ist gut, wenn man ausländische Beziehungen hat. Aber das Werk Gelsenberg hat sie leider nicht. Deshalb ist es in die Lage gekommen, obwohl es nach erhaltenem Permit zu dem bereits investierten Kapital von 300 Millionen Reichsmark 17 Millionen D-Mark zusätzlich investierte, jetzt seine eben erstellten Anlagen wieder herunterreißen zu müssen. Das bedeutet, daß wir eine neue Kapazität an anderer Stelle errichten müssen, um unserer eigenen Destillation von Erdölen genügen zu können, daß ein Stop in der Verarbeitung der Erdölproduktion aus dem Emsland und Niedersachsen eintreten wird, daß wir mit erhöhtem Devisen-Aufkommen wieder Treibstoffe einführen müssen. Es bedeutet also nicht nur einen Devisenverlust, sondern auch eine Zerstörung von erheblichen Volksvermögenswerten. Mit den Angehörigen handelt es sich um 10 000 Personen, für die es in jenem Bezirk keinen Unterhalt mehr gibt.
Meine Damen und Herren, ich verweise zuletzt noch auf den Zusammenhang von Demontage und Währung. Nach wie vor werden erhebliche Teile der deutschen Arbeitsleistung für unproduktive Zwecke in Anspruch genommen, und es entsteht Volkseinkommen ohne Deckung auf der Seite der Gütererzeugung.
Auch Herr Kollege Henßler - das möchte ich hier unterstreichen - hat die psychologische Auswirkung auf das gesamte deutsche Volk betont. Man soll sie keineswegs unterschätzen. Wenn ein ganzes Volk sich geschlossen wehrt, dann sollte man doch im Zeitalter der Völkerversöhnung, des europäischen Wiederaufbaus und noch weitergehender Weltversöhnungspläne dieser Tatsache erhöht Rechnung tragen. Wie soll denn Vertrauen geschaffen werden, wenn, wie der Bundeskanzler sagte, mit der einen Hand gegeben und mit der anderen genommen wird? Wo soll bei uns die Zuversicht herkommen, daß wir in zwei Jahren von ausländischer Hilfe unabhängig sind und uns aus eigener Kraft weiterhelfen und sogar Europa aufbauen können? Es ist so: Auf der einen Seite sollen wir Partner des Marshallplans sein, und auf der anderen Seite sind wir, obwohl nun die Bundesrepublik Deutschland geschaffen ist, noch Reparationsschuldner mit zur Zeit unbegrenztem Umfang unserer Schuld, wobei der Gläubiger allein über Umfang und Art der Einziehung bestimmt.
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Deshalb ist besondere Eile geboten, weil sonst wertvollste Teile unserer Wirtschaft verstümmelt werden. Unsere Forderung geht dahin: sofortiger Stop der ganzen Demontage mit dem Ziel der endgültigen Einstellung.
Sollten sich danach überhaupt noch Demontagenotwendigkeiten ergeben, so können sie sich unter allen Umständen nur auf reine Rüstungsbetriebe oder auf Maschinen beziehen, die ausschließlich der Fertigung von Rüstungsmaterial dienen.
Die Revision des Industrieplans muß unter Berücksichtigung der Vorwegentnahmen sowie des deutschen Beitrags zum Marshallplan erfolgen. Dann muß auf Grund einwandfreier Unterlagen, die von beiden Seiten geschaffen werden sollen, nach der wirtschaftlichen Seite abgewogen werden: Abbau-, Transport- und Wiederaufbaukosten, Wertminderung durch Zerreißung bestehender Zusammenhänge, Vergleich der Produktionskosten in Deutschland und im Empfängerland, Produktionsausfälle durch Warte- und Anlaufzeit und schließlich Vergleich von deutschen Aufwendungen mit dem Erfolg für Reparationsgläubiger sowie Beeinflussung der europäischen Warenversorgung.
Meine Damen und Herren, wir müssen mit konstruktiven Vorschlägen kommen. Mit allgemeinen Ausführungen ist in dieser Lage nicht zu helfen. Solche konstruktiven Vorschläge werden von deutscher Seite gemacht. Wir möchten einmal anfangen mit dem Wertvollsten, was uns am Herzen liegt und
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I am meisten bedroht wird, mit der August-ThyssenHütte. Da erhebt sich der Gedanke der Internationalisierung. Diesen Gedanken der Internationalisierung möchte ich Ihnen besonders ans Herz legen und Sie bitten, ihn zu fördern. Wenn wir diesen Gedanken der Internationalisierung vertreten, so sind wir bestrebt, dem Anspruch der Alliierten auf Reparationen und Sicherheitsleistungen zu genügen. Wir wollen dem Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft durch Internationalisierung dienen, wir wollen die Zerstörung volkswirtschaftlich wertvollen Vermögens vermeiden, wir wollen die Vergeudung von Marshallplangeldern in Europa verhüten; wir wollen der in ihrem Lebensnerv und in ihren Arbeitsbedingungen ohnehin schwer getroffenen Arbeiterschaft ihren Arbeitsplatz erhalten und jede Radikalisierung im Innern vermeiden. Wir wollen so an einem Beispiel praktisch mit der europäischen Schicksalsgemeinschaft beginnen. Wir wollen dem gemeinsamen Willen der gesamten deutschen öffentlichen -Meinung, wie er in unseren Parlamenten, wie er in den großen politischen Parteien und in den Wahlversammlungen, in den Kundgebungen der Parteien, der Gewerkschaften, der gesamten Arbeiterschaft und Unternehmerschaft und in der deutschen Presse hervorgetreten ist, Ausdruck verleihen.
Der Gedanke ist etwa der, daß man der Interalliierten Reparationsagentur die Anlagen übergibt, damit sie sie nach den ihr gegebenen Richtlinien den Empfängernationen zuteilt. Die Empfängernationen oder die von ihnen bestimmten Stellen bringen die Anlagen in eine neu zu gründende Gesellschaft ein, die den Betrieb der Hütte übernehmen wird, an der wir dann selbst beteiligt werden. Einzelheiten wären noch zu besprechen, und ich richte an den Herrn Wirtschaftsminister die Bitte, mir wegen der Dringlichkeit der Sache - weil gerade jetzt die Außenminister oder die Chefs der Regierungen in Washington versammelt sind - noch heute Gelegenheit zu einer Rücksprache zu geben, in der ich noch detaillierte Vorschläge zur Frage der Internationalisierung machen werde.
Ich bitte nun den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, einen kleinen Abschnitt aus einer französischen Zeitung zu verlesen. Meine Damen und Herren: das Ausland ist nicht in allen Teilen so unverständig, wie es manchmal scheinen möchte. Vor mir liegt eine Kritik der französischen Zeitung „Le Monde" vom 1. Juli 1949, also aus der.Zeit noch vor der Bildung der Regierung hier. Da heißt es:
Es handelt sich um den Plan der Internationalisierung. Im Falle der Thyssen-Werke würde es sich zwar nur um eine teilweise Internationalisierung handeln. Immerhin stellen diese Werke 2 Millionen Tonnen Stahl jährlich her. Die Übernahme dieser Werke wäre also für Frankreich ein nicht geringer Zuwachs und ein einträglicher Versuch. Bevin kann sich auf bereits getroffene und wiederholt geänderte Abmachungen berufen. Zweifellos lösen die Demontagen im Augenblick starke Bedenken aus. Die Demontagen stehen im Widerspruch zu der alliierten Besatzungspolitik in Deutschland. Der Gedanke des Wiederaufbaus läßt sich mit einer erheblichen Verkleinerung des Industriepotentials nicht unter einen Hut bringen. Ein Land, das bereits 1,2 Millionen Erwerbslose zählt, würde von einer noch größeren Arbeitslosigkeit heimgesucht werden.
Durch die Demontagen wird eine psychologische Atmosphäre geschaffen, die im Augenblick bestimmt nicht den Wünschen und Absichten der Besatzungsmächte entspricht. Bemüht man sich doch, in Westdeutschland eine neue Regierung und ein demokratisches Regime zu schaffen. Der Einwand, Bevins, daß es sich bei den Thyssen-Werken um ein Rüstungswerk handelt, bleibt noch zu diskutieren. Nicht nur Tanks und Kanonen werden aus Stahl hergestellt, sondern auch Lokomotiven, Fahrzeuge und viele Werkzeuge. Wem will man weismachen, daß Deutschland durch die Belassung einer zusätzlichen Stahlkapazität von zwei Millionen Tonnen wieder gefährlich wird, nachdem die französische Industrie demnächst 15 Millionen Tonnen Stahl erzeugen wird und die Vereinigten Staaten sogar nahezu 100 Millionen Tonnen Stahl jährlich produzieren? Das deutsche Angebot verdient beachtet zu werden. Wenn triftige Gründe vorliegen, wird man es sicher ablehnen müssen. Aber als triftige Gründe können nicht die Argumente angesehen werden, die man bisher immer vorgebracht hat und denen nicht der Gedanke der Wiedergutmachung oder Sicherheit, sondern weit weniger lobenswerte Motive zugrunde liegen.
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Es dürfte für Sie interessant sein, diese Ausführungen der französischen Zeitung „Le Monde" zu hören.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zum Schluß. Ich möchte auf ein Erlebnis verweisen, das viele von uns gestern abend hier im Hause hatten. Es sprach zu uns der bekannte Journalist Armstrong, den Sie aus manchen Publikationen in „Readers Digest" bereits kennen. Er hat im wesentlichen in fünf Punkten sein Programm uns Deutschen gegenüber umrissen: erstens, daß es an der Zeit sei, keine Rachegefühle untereinander, unter den Völkern mehr zu pflegen; zweitens einen gemeinsamen Aufbau zu beginnen, in erster Linie gerichtet auf Wohnstätten und Schulen. Drittens sagte er: Laßt uns Deutschland, das industrielle Herz Europas, in die Familie der friedlichen Völker aufnehmen! Viertens: Laßt uns eine Weltorganisation gründen, um die Macht und den Frieden der Welt zu begründen, Deutschland zur Kameradschaft der Nationen zu zählen, welche die Abwehr gegen die Gewalt sichern. Und fünftens und letztens: Wir wollen moralische und geistige Werte in unseren Völkern aufrichten und erhalten. - Ich glaube, daß das überwiegend, wenn nicht einheitlich der Wunsch auch dieses Hauses ist.
Ich möchte mir vorbehalten, nach der Bekanntgabe der Stellungnahme der Regierung zu dieser Erklärung namens der Fraktionen, für die ich gesprochen habe, einen Antrag zu stellen. Im übrigen beziehe ich mich noch einmal auf die erbetene Rücksprache mit den Vertretern unserer Regierung am heutigen Abend.
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Das Wort hat Herr Bundesminister Storch.
Meine Damen und Herren! Die dem Hause vorliegenden Anträge Nr. 7 und 11 sowie viele Anregungen und Anträge an den Herrn Bundeskanzler und das Ministerium für Arbeit beschäftigen sich mit der Frage, wie den
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Arbeitnehmern geholfen werden kann, die als Demontageverweigerer in Schwierigkeiten und Not gekommen sind. Sie können versichert sein, daß die Bundesregierung der Not der Demontageverweigerer mit größter Aufgeschlossenheit und mit ernster Bereitwilligkeit zu durchgreifender Hilfe gegenübersteht. Was in dieser Hinsicht irgend möglich ist, soll und wird geschehen. Gerade weil mir daran liegt, den Betroffenen nicht nur auf dem Papier, sondern durch die Tat zu helfen, fühle ich mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß diese Angelegenheiten einer ebenso schnellen wie gründlichen Überlegung bedürfen. Es muß insbesondere eine Form gefunden werden, die besatzungsrechtlich vertreten werden kann. Vor allem aber muß eine einwandfreie Rechtsgrundlage geschaffen werden.
.Unter anderem ist beantragt worden, die Bundesregierung möge den Arbeitsämtern des Bundesgebietes die Vermittlung von Arbeitskräften für Demontageunternehmer untersagen. Das ist nicht möglich, weil die Arbeitsämter als Landesbehörden nicht dem Weisungsrecht der Bundesregierung unterstehen. Dieses Beispiel zeigt Ihnen, daß wir durch die Annahme der gestellten Anträge dem Ziel nicht näherkommen.
Das Hohe Haus dürfte den Betroffenen am besten dienen, wenn die Erledigung dieser Fragen der Bundesregierung überlassen wird, weil von ihr aus am schnellsten und wirkungsvollsten geholfen werden kann.
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Das Wort hat Herr abgeordneter Dr. Richter.
Meine Damen und Herren! Churchill, Roosevelt und Stalin haben auf der JaltaKonferenz erklärt, es sei nicht ihre Absicht, das deutsche Volk zu vernichten, man wolle dem deutschen Volk eine Hoffnung auf ein würdiges Leben und einen Platz in der Völkergemeinschaft lassen. Gewiß erklärte man auch, daß man die deutsche Industrie, soweit sie für die militärische Produktion benutzt werden könne, beseitigen wolle oder unter Kontrolle zu stellen beabsichtige. Allerdings wissen wir aus der in allen Zonen Deutschlands durchgeführten Demontage, was man unter Umständen als für die militärische Produktion geeignet hinstellen kann.
Es ist in mehreren Plänen, die die Demontage betreffen, nicht zuletzt in dem Reparationsplan der beiden angelsächsischen Mächte vorn 31. März 1946 erklärt worden, Deutschland sollten soviel Mittel belassen werden, daß es ohne eine Hilfe von außen existieren könne. Daß das schon längst nicht mehr der Fall ist, wissen wir. Wir wissen auf der andern Seite, daß eine weitere Zerstörung der deutschen Wirtschaftskraft das deutsche Leben schlechthin bedroht, nachdem uns die Ostgebiete geraubt worden sind und wir gerade heute auf einen weit größeren Export zur Ernährung unseres deutschen Volkes angewiesen sind, als das der Fall wäre, wenn wir diese Ostgebiete noch hätten.
Es erhebt sich in diesem Zusammenhang eine Frage, über die ich nachzudenken bitte, die Frage nämlich, ob die Reparationen völkerrechtlich überhaupt begründet werden können. Der amerikanische Senator Armstrong hat am. 5. Oktober 1947 an General Clay einen Brief gerichtet, in dem es wörtlich heißt:
Des weiteren, General Clay, erlaube ich mir,
Ihnen zu empfehlen, daß Sie einmal prüfen,
mit welchem Recht man Ihnen empfiehlt, diese
Demontagen durchzuführen. Ich kann weder im
amerikanischen noch im internationalen Recht
irgendeine diesbezügliche Bestimmung finden.
Die Vereinigten Staaten haben die Haager
Konvention unterzeichnet, welche ausdrücklich
festlegt, daß nach Einstellung der Feindseligkeiten die Streitkräfte irgendeiner kriegführenden Macht kein Recht haben, Eigentum zu
zerstören oder zu demontieren und daß die
Entscheidung über zu leistende Reparationen
ein Teil des Friedensvertrags sein muß.
„Ist aber ein Sieger berechtigt, v o r dem Friedensvertrag Reparationen zu entnehmen?" fragte der Abgeordnete Stokes am 27. Oktober 1947 das britische Unterhaus. Ich glaube, diese Äußerungen und der Hinweis, den ich eben gemacht habe, zeigen klar und deutlich, daß von dieser Seite her die deutschen Ansprüche durchaus erhärtet werden können, endlich mit der Demontage Schluß zu machen, von der es selbst im Potsdamer Abkommen heißt - das nebenbei bemerkt dem Völkerrecht widerspricht -, daß die Demontage am 2. 2. 1948 beendet sein sollte. Den Beweis hierfür können Sie im „Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland" ebenso finden wie in einem Bericht Sir Ralph Clynns im Unterausschuß des Estimates Committee des britischen Unterhauses.
Wir wissen genau, worauf die späteren Demontagen zurückzuführen sind. Es ist hier in diesem
Kreise des öfteren darüber gesprochen worden,
und es ist auch das Wort vom Konkurrenzneid gefallen. Der New Yorker Abgeordnete George faßte
das am 25. Juli dieses Jahres in folgende Worte:
Beweise, die ich in den letzten zwei Wochen beschaffen konnte, zeigen, daß seit dem 13. April 1949 die Demontagen mehr und mehr die Form einer regelrechten Verschrottung der Fabriken angenommen haben. In britischen Militärregierungskreisen wird der Vorwand, es handle sich um die Demontage von Rüstungsunternehmen oder die Ausmerzung überschüssiger Kapazitäten offensichtlich schnell fallengelassen. Seit dem Washingtoner Abkommen sind verschiedene unvorsichtige Erklärungen -offizieller Persönlichkeiten in der britischen Zone gemacht worden, aus denen sich ergibt, daß die Demontagen für Großbritannien eine gesunde Wirkung haben werden, indem sie nämlich die gefährlichste deutsche Konkurrenz ausschalten.
Nachdem er darauf hingewiesen hatte, daß die Zerstörung der deutschen Betriebe vor allem in den Herzgebieten der deutschen Industrie dieselbe Wirkung haben muß, wie wenn man einem Menschen zwar Kopf und Füße läßt, dagegen den ganzen Rumpf wegoperiert, schloß er seine Ausführungen mit den Worten:
All dieses läuft auf eins hinaus, daß, wenn Deutschland in Weideland verwandelt werden soll, um England den Verkauf seiner preisgesteigerten Erzeugnisse zu ermöglichen, die amerikanischen Steuerzahler auch weiterhin die deutsche Bevölkerung auf einem Hungerlebensniveau erhalten müssen, für das sie nur Haß ernten werden.
Wir wissen nach amtlichen Feststellungen, daß im September dieses Jahres bereits 300 000 Arbeitsplätze durch die Demontage verlorengegangen sind. Das bedeutet, daß ungefähr 900 000 Menschen
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ihren Lebensunterhalt aus der früheren Arbeit verloren haben. Betrachtet man die völkerrechtliche Situation Deutschlands in dieser Hinsicht, so, glaube ich, haben wir allen Grund, immer und immer wieder gegen diese Maßnahmen Front zu machen, die wahrhaftig nicht dem auch von uns gewünschten Frieden und dem Zusammengehen der Völker Europas dienen können.
Ich möchte in diesem Zusammenhang aber auch das Augenmerk des Hohen Hauses auf ein Gebiet hinwenden, das meines Wissens heute noch nicht erwähnt wurde und in dem bei den nunmehr begonnenen Demontagen gerade Ostvertriebene in außerordentlich großer Zahl um ihre Arbeitsplätze kommen: das ist das Gebiet von Watenstedt-Salzgitter.
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- Es ist erwähnt worden? Ich habe gesagt „meines Wissens"; ich bitte um Verzeihung.
In den Jahren 1945 bis 1947 wurden in allen Zonen ohne deutsche Zustimmung einseitig Reparationsmaßnahmen durchgeführt, und im Jahre 1948 begann eine Serie systematischer Reparationsentnahmen besonders in der britischen Zone, in welcher sich ja das wichtigste deutsche Industriegebiet in Rheinland-Westfalen befindet. Da es nicht möglich war, in diesem in langen Jahrzehnten feingegliederten Organismus die Demontagearbeiten mit den eigenen Besatzungstruppen durchzuführen, griff die britische Militärregierung dazu, unter Ausschluß eines Berufungsrechts und mit Strafandrohung im Weigerungsfalle deutsche Arbeiter dazu zu zwingen, an einseitig beschlossenen Demontagemaßnahmen gegen deutsche Friedensproduktionsbetriebe mitzuwirken. Sie ließ sich darin auch nicht durch den in dem großen Demontageverweigererprozeß in Bochum erbrachten Beweis behindern, daß nach internationalen Rechtsvorschriften die bisherigen Reparationsmaßnahmen in Deutschland keine Rechtsgültigkeit besitzen. Einmal widerspricht es dem Grundgesetz, Artikel 12, Absatz 3 und 4, deutsche Arbeiter zur Zwangsarbeit zu bringen. Aber nicht nur hier wird jede Zwangsarbeit abgelehnt. Ich verweise auf das am 3. November 1947 durch das Internationale Militärgericht gefällte Urteil gegen Oswald Pohl, in dem es heißt:
Es gibt keine wohlwollende Sklaverei. Unfreiwilliger Dienst, wenn auch durch humane
Behandlung gemildert, ist immer noch Sklaverei. Und in der Verfassung der Vereinigten Staaten heißt es:
Weder Sklaverei noch unfreiwillige Dienstleistung - ausgenommen als Strafe - soll weder in den Vereinigten Staaten noch in irgendeinem anderen unter deren Gerichtsbarkeit stehenden Ort bestehen.
Und die Charta der Menschenrechte der Vereinten
Nationen vom Dezember 1948 erklärt in Artikel 23:
Jeder hat das Recht der freien Wahl der Beschäftigung.
Niemand darf also nach dieser Charta der Menschenrechte zu irgendeiner Arbeit gezwungen werden.
Wenn man sich nun hier vielleicht damit herauswinden möchte, daß man diese ganzen Befehle, die darüber ergangen sind, auf das Militärische schieben wollte, so erlaube ich mir, das Hohe Haus auf das „Manual of Military Law" hinzuweisen, in dem es in Punkt 354, nachdem vorher das Völkerrecht genau aufgebaut und gegliedert und damit die Rechte der Besatzungsmacht gekennzeichnet sind, heißt:
Es wird ihr als nicht mehr gestattet angesehen, daß sie ihren Willen ungezügelt durchsetzt und die Rechte der Einwohner ignoriert.
Wir sehen in den Anträgen, die hier vorliegen, Anträge, denen wir an sich unsere innerste Zustimmung geben. Ich möchte aber in diesem Zusammenhang betonen, daß wir für die Demontageverweigerer wie für die Verurteilten die Regierung bitten, auf jeden Fall alles zu tun, um diesen Menschen zu helfen. Aber auch das Schicksal jener Millionen, die durch die Demontage um ihre Arbeitsplätze gekommen sind, steht uns so hoch und ist für uns so ungeheuer bedeutungsvoll, daß wir es ablehnen müssen, das Schicksal dieser Menschen hier zu Propagandazwecken mißbrauchen zu lassen.
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Wir wissen genau, wie man diesen Menschen helfen kann, aber wir stehen auf dem Standpunkt, daß sich diejenigen auch auf der andern Seite des Eisernen Vorhangs für die Belange des deutschen schaffenden Menschen einsetzen sollten, die sich über dieses oder jenes auf dieser Seite - hier hüben - aufregen, ohne den Mut aufzubringen, auch, der sowjetischen Besatzungsmacht, ihrem Brötchengeber, ganz gehörig Bescheid zu geben, um die Rechte Deutschlands zu verteidigen. Anträgen dieser Leute, die nur Propaganda mit der Not der Menschen treiben, können wir unsere Zustimmung nicht geben.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Tichi.
Meine Damen und Herren! Wir erklären uns mit den Anträgen der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei, durch die die weitere Demontage eingeschränkt werden soll, grundsätzlich einverstanden. Das deutsche Volk hat bisher für die Verbrechen einzelner genügend schwer gebüßt, und man müßte erwarten, daß endlich alle Vergeltungsmaßnahmen, zu denen ebenfalls Demontagen gehören, ein Ende finden. In einer Zeit, in der unser Volk durch die Mark-Entwertung ohnehin schwer belastet wird, müssen Maßnahmen der Siegermächte, wie es die Demontagen sind, unterbleiben, damit weitere Arbeitsplätze nicht verlorengehen.
Man sollte die einmütige Haltung des ganzen deutschen Volks in dieser Frage nicht als nationalistische Regung ansehen, sondern sie so verstehen, daß es um den nackten Selbsterhaltungstrieb der betreffenden Menschen geht. Die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika müßten es verstehen, daß wir nichts anderes wollen, als daß das deutsche Volk ohne fremde Hilfe auf eigene Beine gestellt wird. Tun die Alliierten trotz aller Warnung etwas anderes, dann sind sie schlecht beraten.
Wir befürworten den Antrag der Kommunistischen Partei auf Amnestierung verurteilter deutscher Demontageverweigerer durch den Hohen Kommissar der britischen Besatzungszone. Man kann die Tat dieser Menschen verstehen, denen man ihre Arbeitsplätze raubt und die man damit zur Verzweiflung treibt. Deshalb halten wir Nachsicht und Amnestie für geboten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lehr.
Meine Damen und Herren! Nachdem hier die Regierungserklärung verlesen worden ist, schlage ich dem Hohen Hause namens der vorhin von mir in der Aussprache vertretenen Fraktionen N or, einen Abänderungsantrag zu den Drucksachen Nr. 7 und 11 anzunehmen.
Die Fraktionen empfehlen die Annahme folgenden Antrages:
Der Bundestag wolle beschließen:
Das Haus stimmt der Erklärung der Regierung zu und bittet sie, entsprechend dieser Erklärung zu verfahren.
Damit wären die Drucksachen Nr. 7 und 11 erledigt.
Bezüglich der Drucksache Nr. 2, Antrag der SPD-Fraktion, empfehlen wir Annahme.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Damen und Herren! Ich möchte namens der Zentrumsfraktion, nachdem das- Demontageproblem von meinen Vorrednern bezüglich der Sachverhältnisse so ausführlich behandelt worden ist, nur noch einige Punkte hervorheben, die meiner Fraktion hinsichtlich der politischen Stellungnahme doch wichtig erscheinen. Ich möchte vor allem betonen: auch wir sind der Auffassung, daß unser Protest, der so allgemein in diesem Hohen Hause zutage getreten ist, nicht das mindeste mit nationalistischen Tendenzen zu tun hat, sondern daß hier zwingende wirtschaftliche und politische Überlegungen zu berücksichtigen sind. Wenn im Ausland der Eindruck erweckt würde, die deutsche Stellungnahme gegen die Demontage bezwecke nur, irgendwie nationalistische Meinungen zu äußern, dann sieht man die deutsche Situation völlig falsch. Es geht mit der Demontage ähnlich wie mit dem Versailler Friedensvertrag. Schon wenige Jahre nach Versailles dämmerte in alliierten Kreisen die Erkenntnis, daß durch diesen Vertrag nicht der echte und dauerhafte Friede geschaffen worden war. Innerdeutsch brachte er dem Rechtsdikalismus einen für die Welt verhängnisvollen Auftrieb. Einer der Väter dieses Vertrages, nämlich Lloyd George, war einer der ersten, der für seine Revision eintrat. Ich glaube deswegen, wir müßten aus diesen Erfahrungen in Deutschland - aber nicht nur wir, sondern vor allem die ausländischen Staaten - erkennen, daß heute das größte Hindernis für die europäische Verständigung die erneut vorgenommenen Demontagen sind. Wir wollen uns auch darüber klar sein, daß die Demontagen in weitestem Maße ebenfalls dazu beitragen, dem Rechtsradikalismus in Deutschland wiederum einen verhängnisvollen Auftrieb zu geben; denn es stellt sich immer mehr heraus, daß nichts verhängnisvoller ist, als wenn staatsmännische Unvernunft den radikalen Elementen die Möglichkeit einer Agitation mit durchaus berechtigten und vernünftigen Folgerungen gibt.
In diesem Hohen Hause ist heute mit durchschlagenden Argumenten die wirtschaftliche Unvernunft der Demontage dargelegt worden. Ich meine, man könnte es nicht genug herausstellen, daß die Demontage im Widerspruch zur Montage des Marshallplans steht. Wenn ich einmal darauf hinweisen darf, was von meinem Vorredner, dem Herrn Kollegen Dr. Lehr, hinsichtlich der AugustThyssen-Hütte gesagt worden ist, wenn wir daran denken, daß der Abbau der Thyssen-Hütte 65 Millionen D-Mark und der Wiederaufbau. der vorgesehen ist, rund 300 Millionen D-Mark kostet, dann betragen die Umsetzungskosten für dieses Werk allein 365 Millionen D-Mark, ganz abgesehen davon wie von Herrn Dr. Lehr dargelegt worden ist, in welchem Maße gerade dieses Werk für die Existenz der deutschen Industrie bedeutungsvoll ist. Ich darf zu dem Vorschlag, den er gemacht hat, auch noch darauf hinweisen, daß von dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen der ausgezeichnete Vorschlag gemacht worden ist, aus der August-Thyssen-Hütte ein Gemeinschaftswerk für die europäische Jugend zu gestalten. Es' kann doch im Hinblick auf die europäische Notwendigkeit nur als eine politische Torheit bezeichnet werden, daß 7000 Arbeiter der AugustThyssen-Hütte durch die Demontage brotlos werden.
Wenn ich am Abschluß unserer heutigen Beratung zu dieser Frage Stellung nehme, sei es mir gestattet, die politische Auswirkung der Demontage noch einmal herauszuheben; denn man hat nicht umsonst gesagt, daß die Demontage deutscher Fabriken, die keine Rüstungswerke sind, eine Demontage der Demokratie bedeutet. Wer als deutscher Demokrat 1945 in dem von Hitler hinterlassenen Chaos bereit gewesen ist, in absoluter Loyalität gegenüber den Besatzungsmächten an den Wiederaufbau unseres Vaterlandes heranzugehen, der hat einen Anspruch darauf, von den Besatzungsmächten gehört zu werden, wenn er in dieser Frage seine Stimme erhebt, um nämlich auf einen schwerwiegenden politischen Fehler aufmerksam zu machen. Ich glaube, wir sollen die Sorgen, die wir hier haben, leidenschaftslos darstellen, es aber auch mit unbedingter Offenheit aussprechen: wenn uns die Westmächte weiterhin die Demontage aufzwingen, dann zwingen sie uns am Ende den Nationalismus auf. Wenn sie von uns verlangen, daß wir Fabriken, die wir brauchen, damit unser Volk ein menschenwürdiges Dasein findet, abbauen, obgleich es sich bei diesen Fabriken nicht um ausgesprochene Rüstungsbetriebe handelt, dann provozieren sie im deutschen Volke eine Reaktion, mit der wir Demokraten trotz unseres inständigen Bemühens um Frieden und Verständigung auf die Dauer nicht fertigwerden können.
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Meine Damen und Herren! Ich glaube, im allgemeinen haben wir Deutsche nicht den Eindruck, daß die Besatzungsmächte über die Stimmung der deutschen Bevölkerung schlecht unterrichtet wären. Es wäre ja auch traurig, wenn der so kostspielige Apparat, den die Besatzungsmächte bisher in Deutschland unterhalten haben, nicht einmal einer ausreichenden Orientierung dienen würde. Ich nehme deshalb an, daß man in Paris und London weiß, wie der Durchschnittsdeutsche über die Demontage denkt. Trotzdem dürfte es nicht überflüssig sein, auch hier einmal auszuführen, daß der Durchschnittsdeutsche bei der Demontage, wie sie durchgeführt wird, das Gefühl hat, daß die Westmächte es mit Deutschland darin nicht ehrlich meinen. Er hält nämlich die Demontage für ein Mittel, um die lästige deutsche Konkurrenz vom Weltmarkt fernzuhalten. Er ist der festen Überzeugung, daß die Siegermächte das Demontieren aufgeben würden, wenn es ihnen nur auf Frieden und Wohlstand ankäme. Man kann von uns deutschen Demokraten nicht erwarten, daß wir gegen diese öffentliche Meinung anrennen. Wir haben in ungezählten anderen Fällen den Mut gehabt, unserem Volke klarzumachen, daß die Folgen des Hitlerwahnsinns nicht von heute
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auf morgen überwunden werden können. Wir können auch mit Genugtuung feststellen, daß das deutsche Volk in den ersten Nachkriegsjahren eine bewunderungswürdige Fähigkeit bewiesen hat, Leid und Entbehrungen, Demütigungen und Enttäuschungen zu ertragen. Was in unseren Kräften gestanden hat, um es mit Vernunft und Besonnenheit durch die ersten schweren Jahre nach 1945 hindurchzuführen, das haben wir getan. Alle demokratischen Parteien haben in dieser Hinsicht in hervorragender Weise zusammengearbeitet. Sogar das Zusammenleben mit den Besatzungsmächten hat sich trotz der Opfer, die es dem deutschen Volke auferlegt, erträglich gestaltet. Man kann uns nicht nachsagen, daß wir etwa böswillig wären und keinerlei Einsicht für unsere Lage aufbrächten. Wenn wir aber von unserem Volke wegen der Fortsetzung der Demontage befragt werden, dann sind wir nicht in der Lage, diese Politik zu beschönigen.
Was wollen wir zum Beispiel erwidern, wenn wir wegen der Demontage des Werkes HochfrequenzTiegelstahl in Bochum, das zu den Deutschen Edelstahlwerken gehört, angesprochen werden? Als der einzige Hersteller von Spezialerzeugnissen für die Elektrowirtschaft hätte das Bochumer Werk für den Wiederaufbau der Berliner Elektroindustrie wichtigste Lieferungen durchzuführen. Nicht nur der Bundestag und die Bundesregierung, sondern die gesamte westliche Welt anerkennen die Verpflichtung, für eine Wiederbelebung der Berliner Wirtschaft Sorge zu tragen. Wir werden uns ja im Anschluß an diese Frage noch heute in diesem Hohen Hause darüber unterhalten. In Bochum wird ein Werk demontiert, auf das die Berliner Wirtschaft überhaupt nicht verzichten kann. Eine derartige Demontage läßt sich nicht rechtfertigen oder entschuldigen. Sie ist eine ebenso große politische wie wirtschaftliche Torheit. Wir bedauern es sehr, daß sich ein Teil ddr Weltöffentlichkeit dieser Einsicht verschließt, müssen aber feststellen, daß die deutsche Öffentlichkeit diese Zusammenhänge kennt und deshalb über den Ernst des Demontageproblems keineswegs hinweggetäuscht werden kann.
Ich glaube, auch die Ausführungen, die insbesondere der Sprecher der Kommunistischen Partei gemacht hat, zeigen, was er in seinem Sinn aus der Demontage als politischem Problem zu machen versuchte. Man könnte jedes seiner Worte durch die kommunistische Agitation in den von der Demontage bedrohten Gemeinden illustrieren. Ich selber komme aus dem westfälischen Industriegebiet. Ich habe Gelegenheit genug gehabt, die politischen Auswirkungen der Demontage kennenzulernen. Ich kann mir nicht denken, daß man sich in London und Paris dieserhalb keine Gedanken macht. Vielleicht ist man der Meinung, die Auswirkungen der Demontage würden durch die Methoden der sowjetischen Besatzungspolitik reichlich zugedeckt. Aber es ist nun einmal ein großer Unterschied, ob man die Folgen einer falschen Politik am eigenen Leibe zu spüren bekommt und als solche beklagt, oder ,ob sie von anderen getragen werden müssen. Die Menschen, die sich jetzt in Moers, in Oberhausen, in Wanne-Eickel, in Dortmund, in Berg-kamen die Demontage der Fischer-Tropsch-Werke, in denen sie ihren Lebensunterhalt gefunden haben, vor Augen halten, interessiert es bei dieser Frage absolut nicht, was in der Sowjetzone vor sich geht. Aber sie treffen die Feststellung, daß von den westlichen Demokratien das Heil auch nicht zu erwarten sei. Ich bin gewiß nicht der Meinung, daß man sich mit dieser Auffassung ohne weiteres identifizieren kann. Wohl aber bin ich der Meinung, daß es jedem demokratischen Staatsmann zu denken geben müßte, wenn seine Politik in der Demontagefrage in ausgezeichneter Weise in das kommunistische Agitationsprogramm hineinpaßt. Uns ist es unbegreiflich, wieso die Westmächte die politischen Auswirkungen der Demontage dauernd unterschätzen.
Dabei haben wir es hier in Deutschland nicht einmal nur mit einer Art von Radikalismus zu tun. Ich verweise darauf, daß der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung auch auf die von rechts drohende Gefahr hingewiesen und von der Besorgnis der Westmächte in dieser Beziehung zu uns gesprochen hat. Wenn die Westmächte aber diese Besorgnis nicht bloß als Vorwand benutzen, um eine Politik des Mißtrauens gegenüber dem deutschen Volke fortzusetzen, dann können sie auf eine Revision ihres Standpunktes in der Demontagefrage nicht verzichten. Wir dürfen heute die Empfindung haben - es ist auch schon von einem Vorredner darauf hingewiesen worden -, daß sich in den Vereinigten Staaten die für jene Weltmacht so charakteristische wirtschaftliche Vernunft auch in der Demontagefrage durchzusetzten scheint. Der amerikanische Steuerzahler weiß genau, daß die gesamte Demontage letzten Endes auf seine Kosten geht, und die amerikanische Regierung wird klug genug sein, ihren Bürgern keine überflüssigen und sinnlosen Opfer zuzumuten. Es ist nur jammerschade, daß nicht auch der französische und der britische Steuerzahler die wirtschaftlichen Auswirkungen der Demontage mit tragen muß. Wäre es der Fall, so würden wir uns - dessen bin ich gewiß - in diesem Hohen Hause über das Demontageproblem nicht mehr zu unterhalten brauchen. Aber die politischen Auswirkungen der Demontage sind nicht weniger ernst zu nehmen als die wirtschaftlichen, und von ihnen werden Frankreich und Großbritannien als erste mit betroffen. Nur die deutsche Demokratie wird darunter noch vor diesen beiden Großmächten zu leiden haben.
Wir sind dabei, meine Damen und Herren, um damit zum Schluß zu kommen, der Überzeugung, daß unsere politischen Zielsetzungen durchaus nicht im Gegensatz zum französischen Sicherheitsbedürfnis zu stehen brauchen. Uns Deutschen ist nicht weniger als dem französischen Volk daran gelegen, daß Deutschland nicht noch einmal in das chaotische Abenteuer eines Weltkrieges hineinmanövriert werden kann. Kein Franzose kann ernsthafter als wir bestrebt sein, die Kräfte an der Entfaltung zu hindern, denen unsere Generation die grauenhaftesten Tragödien der deutschen Geschichte verdankt. Ich sehe wirklich keinen Grund, weshalb es nicht möglich sein könnte, mit Frankreich und Großbritannien über eine echte und wirkliche Sicherheit des Friedens in Europa ohne Demontage zu einer Verständigung zu kommen. Was der Artikel 24 des Grundgesetzes unseren Nachbarländern bietet, das ist weit mehr, als durch , Demontage bewirkt werden kann, und trägt zur echten Sicherheit Europas bei. Hier zeigt sich am deutlichsten, daß endlich die entscheidenden Anstrengungen zur Überwindung des Krieges und zur Verständigung der Völker unternommen werden müssen. Die Welt bedarf nicht der Demontage von Fabriken, die dem allgemeinen Wohlstand dienen, sondern der Montage eines echten und gerechten Friedens.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Henßler.
Nur wenige Bemerkungen zu den Anträgen! Ich bitte um die Zustimmung zu dem Antrag Nr. 2 der sozialdemokratischen Fraktion. Seine Annahme macht den Antrag Nr. 6 der Kommunistischen Partei hinfällig.
Bezüglich des Antrags Nr. 7 halte ich eine Beratung in der Kommission für erforderlich tin der jetzigen Form kann ihm nicht zugestimmt werden, und in der Kommissionsberatung könnte dann auch festgestellt werden, ob er zum Teil nicht offene Türen einrennt. Nach Auskünften, die uns im nordrhein-westfälischen Landtag gegeben wurden, kann man nicht davon sprechen, daß noch Zwangsverpflichtungen gefordert werden. Das müßte klargestellt werden. Die sozialdemokratische Fraktion hätte aber keine Bedenken, hier im Plenum dem Antrag zuzustimmen, der die Amnestierung der wegen Demontageverweigerung bestraften Menschen fordert.
Das Wort hat der
Meine Damen und Herren! Ich hatte mich heute vormittag schon zum Wort gemeldet, um bei der Bedeutung. die dieser Gegenstand für das gesamte deutsche Volk hat, vor Schluß der Debatte auch die Meinung der Bundesregierung Ihnen und der Öffentlichkeit mitzuteilen.
Der Verlauf der Demontagefrage ist für uns alle eine große Enttäuschung. Wir hatten gehofft, daß das Zusammensein der drei Außenminister in den Vereinigten Staaten einen Anlaß und eine Möglichkeit gegeben hätte, die bisherige Demontagepolitik einer Nachprüfung zu unterziehen. Ich weiß zur Stunde nicht, ob Verhandlungen zum Abschluß gekommen sind oder nicht. Die Pressenachrichten, die wir erhalten haben, lauten ungünstig; aber sie brauchen ja nicht hundertprozentig zuverlässig zu sein.
Den Ausführungen, die einige meiner Herren Vorredner zur Demontagefrage gemacht haben, habe ich kaum etwas hinzuzufügen. Ich möchte nur nachdrücklichst auch gegenüber den Westalliierten auf die 'psychologische Bedeutung gerade dieser Demontagefrage hinweisen. Es ist mir bekannt, daß es bei den Westalliierten vielfach so angesehen wird, als ob wir Deutsche, wenn wir immer wieder mit der Demontagefrage kommen, damit eine Art Propaganda treiben wollten, und demgegenüber wird auf der andern Seite das Gefühl und das Empfinden wach, aus Prestigegründen könne man dem deutschen Verlangen nicht nachgeben. Es ist mit Recht hervorgehoben worden - und ich unterstreiche das -: es ist bei uns Dutschen weder Rechthaberei noch ein Bestreben, Propaganda zu betreiben; es sind wirtschaftliche Gründe, die uns veranlassen, und es sind darüber hinaus psychologische Gründe von allergrößter Bedeutun g. Wenn man das deutsche Volk in das europäische Leben und auch in das europäische Wirtschaftsleben eingliedern will, so wird das nur dann Erfolg haben, wenn das deutsche Volk wenigstens in seiner Mehrheit die Überzeugung bekommt. daß dieser Wille der drei Westmächte wirklich vorhanden ist.
({0})
Ich glaube, man kann aber sagen, daß gerade diese unberechtigte Zerstörung größter deutscher Werte in weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung Zweifel daran hervorruft, ob es den Stimmen im Auslande, die uns erklären, daß sie uns in die europäische Gemeinschaft zurückführen wollen, wirklich ernst ist.
({1})
Diejenigen von Ihnen, meine Damen und Herren, die Versailles miterlebt haben, werden mir bestätigen, daß in der Folgezeit gerade der Versailler Vertrag, über dessen Erfüllungsmöglichkeiten man sich schon bei der Unterzeichnung keinem Zweifel hingegeben hatte, die beste Propaganda für einen zügellosen Nationalismus gewesen ist.
({2})
Ich glaube, man müßte verhüten, daß die Durchführung der Demontage in späteren Jahren wiederum zu einer solchen Parole wird, wie es die Unterzeichnung des Versailler Vertrags geworden ist.
({3})
Darum möchte ich auch von der Tribüne dieses Hohen Hauses herab an die drei Westalliierten die dringende Bitte richten, die Demontagefrage vornehmlich unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten, ihre Erledigung nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern dieses Problem beherzt in die Hand zu nehmen. Ich meine, es müßte bei gutem Willen möglich sein, auch hier eine Lösung zu finden, die dem Reparationsverlangen der drei Westalliierten gerecht wird,) ohne bei uns dieses bittere Gefühl hervorzurufen, das ich eben geschildert habe.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Nachdem nun alle Parteien zu unseren Anträgen Stellung genommen haben, möchte ich noch einige Schlußbemerkungen machen.
Der Arbeitsminister Storch hat hier erklärt, daß die Bundesregierung für die Arbeitsämter nicht zuständig sei. Wir sind allerdings der Auffassung, daß die Bundesregierung sehr wohl in der Lage gewesen wäre, nachdem sie von der Vermittlung von Arbeitskräften für die Demontagefirmen Kenntnis hatte, eine Empfehlung an die Arbeitsminister der Länder zu geben, keine Arbeitskräfte mehr für die Vernichtung deutscher Arbeitsstätten bereitzustellen. Dem Herrn Arbeitsminister Storch und auch, wie ich glaube, dem Herrn Kollegen Henßler scheint entgangen zu sein, daß mar den Arbeitern, die in den letzten Tagen auf Grund ihrer gewonnenen Erkenntnis die Arbeit niedergelegt haben, zum Beispiel im Ruhrgebiet, eine Karenzzeit von vier bis sechs Wochen auferlegt hat.
({0})
Das wurde mir von Essen, von Duisburg und von Oberhausen mitgeteilt. Ich glaube, daß die Anwendung veralteter Paragraphen hier wirklich nicht am Platze ist. Wir sind der Auffassung, daß die langwöchigen Karenzzeiten untragbar für Menschen sind, die ihren Arbeitsplatz zu wechseln wünschen. Ich möchte jedenfalls empfehlen und erwarte das von dem Herrn Arbeitsminister Storch, daß er baldigst dafür sorgt, daß die Arbeitsminister der Länder in dieser Richtung angewiesen werden.
({1})
A) Der Herr Bundeskanzler hat zu den Demontagen ebenfalls Stellung genommen. Ich teile seinen Optimismus in bezug auf die kommenden Verhandlungen nicht. Ich sagte bereits in meinen Ausführungen, daß in der letzten Erklärung der drei Westmächte ganz eindeutig ausgesprochen ist, daß die Demontagen weitergehen. Deshalb ist es notwendig, daß die gesamte deutsche Bevölkerung ohne Rücksicht auf ihre politische oder religiöse Einstellung ihre Stimme erhebt, damit endlich mit der Vernichtung und der Fortnahme deutschen Eigentums Schluß gemacht wird.
({2})
- Ich komme jetzt auf den Osten, meine Damen und Herren.
({3})
Der Herr Abgeordnete Richter glaubte, zur Begründung der Ablehnung unserer Anträge eine Hetze gegen die sowjetische Besatzungszone
({4}) und gegen die Besatzungsmacht der Sozialistischen Sowjetunion entfachen zu müssen.
({5}) Ich möchte Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen, daß gemäß dem Potsdamer Abkommen schon seit Februar 1947 in der Ostzone die Demontagen abgeschlossen sind.
({6})
- Ihr Gelächter kann mich nicht aus der Ruhe bringen. Ich sehe darin nur ein Zeichen der Dummheit
({7})
und der parteipolitischen Kurzsichtigkeit.
({8})
Herr Abgeordneter Paul, Sie haben eben den Ausdruck „Dummheit" gebraucht. Ich frage Sie, ob Sie ein Mitglied des Hauses gemeint haben.
Ich meine die Lacher in Deutschland, die glauben, sich über die Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes hinwegsetzen zu können.
({0})
In der Ostzone wurden dem deutschen Volke zahlreiche Betriebe zurückgegeben.
({1})
Hier wird demontiert und demoliert. Aber ich erwarte von Ihnen, meine Herren von rechts,
({2})
gar nichts anderes; denn Sie verkörpern das deutsche Monopolkapital, welches mit dem ausländischen Monopolkapital gemeinsame Sache macht.
({3})
Wir werden mit dem werktätigen Volk den Kampf zur Rettung der deutschen Arbeitsstätten und unseres nationalen Eigentums weiterführen.
({4})
Ich möchte an alle vernünftigen Damen und Herren dieses Hauses appellieren, unseren Anträgen die Zustimmung zu geben. Sie würden sich damit in der Tat für die sozialen und nationalen Interessen unseres Volks entscheiden. Jede andere Entscheidung ist eine Entscheidung für Amerika.
({5})
Das Wort hat der Herr Bundesminister Storch.
Zu den Ausführungen des Abgeordneten Paul habe ich folgendes zu erklären.
Ich habe mich schon vor Wochen in meiner Eigenschaft als Direktor der Verwaltung für Arbeit sowohl mit dem Arbeitsminister von NordrheinWestfalen als auch dem Leiter des dortigen Landesarbeitsamtes darüber in Verbindung gesetzt, daß keine Arbeitsverpflichtungen für Demontage durchgeführt werden sollen. Der Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen wird am Dienstag bereits wieder bei mir sein, und wir werden alles tun, um dafür zu sorgen, daß kein deutscher Mensch von einer deutschen Dienststelle veranlaßt oder gedrängt oder irgendwie zu einer Demontagefirma gebracht wird. Ebenfalls wird die Frage klargestellt werden, ob die gesetzlichen Bestimmungen bei der freiwilligen Aufgabe einer Arbeitsstelle dieser Art in Anwendung kommen sollen. Ich glaube ganz bestimmt, daß Wege gefunden werden, daß wir Menschen, die ihre Arbeit bei Demontagefirmen aufgeben, keinerlei Karenzzeit für die Erlangung der Arbeitslosenunterstützung auferlegen werden.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen zu dem Gegenstand nicht mehr vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.
({0})
Zur Abstimmung der Herr Abgeordnete Paul!
({1})
Nur Ruhe! Ich habe die Zeit!
({0})
Die Sache erscheint mir wichtiger als manche andere Anträge!
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung, und anscheinend hat der Präsident die Absicht, den Antrag Drucksache Nr. 2 der sozialdemokratischen Fraktion zuerst zur Abstimmung zu bringen. Ich möchte auf jeden Fall darauf hinweisen und bitte Sie, sich unseren Antrag einmal ernstlich anzusehen - das heißt: die Drucksache Nr. 6 -; er geht weiter als der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Im Antrag der sozialdemokratischen Fraktion wird zum Schluß gesagt.:
Der Bundestag erhofft von den Regierungen Frankreichs, Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika, daß sie
1. eine erneute Nachprüfung der Demontagelisten beschleunigt veranlassen;
2. bis zur endgültigen Entscheidung keine weiteren Demontagen durchführen und die laufenden Demontagen stoppen.
In unserm Antrag heißt es:
Der Bundestag wolle beschließen, die Besatzungsmächte aufzufordern, alle Demontagen sofort einzustellen.
Wir sind der Meinung, daß unser Antrag der weitestgehende ist. Wir bitten den Präsidenten, zuerst über unsern Antrag als den weitestgehenden abstimmen zu lassen.
Meine Damen und Herren, ich bin abweichend von der Auffassung des Herrn Abgeordneten Paul der Ansicht, daß der
({0}) .
Antrag Nr. 2 - unter Punkt 2 der Tagesordnung - der weitergehende ist, und zwar weil er sich auf umfangreichere Inhaltsgebiete erstreckt als der Antrag der KPD.
({1})
- Ich möchte diesen Ausdruck gegenüber einer Äußerung des Präsidenten dieses Hauses aufs entschiedenste zurückweisen. Herr Abgeordneter, darf ich Sie um Ihren Namen bitten?
({2})
- Herr Abgeordneter Rische, ich rufe Sie zur Ordnung!
({3})
Ich frage das Haus, ob es meiner Auffassung, daß der Antrag der SPD der weitergehende ist, zustimmt. Ich bitte diejenigen um Handzeichen, die meiner Auffassung beistimmen. - Das ist die Mehrheit. Wir kommen damit zur Abstimmung.
({4})
- Wir sind in der Abstimmung. Ich kann nicht noch einmal das Wort zur Abstimmung erteilen. Wir fahren in der Abstimmung fort. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag der SPD, Drucksache Nr. 2, sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.,
Der Antrag Drucksache Nr. 6 ist damit gleichzeitig erledigt.
({5})
Meine Damen und Herren, ich spreche zur Abstimmung. Dazu habe ich laut Geschäftsordnung ein Recht.
Ich stelle hier folgendes fest. Der Herr Präsident hat durch Mehrheitsbeschluß erreicht, daß über einen Antrag, der inhaltlich enger ist als der unsrige, zuerst abgestimmt worden ist.
({0})
Wir haben für diesen Antrag gestimmt, aber der Herr Präsident hat keine Handhabe, -
Herr Abgeordneter Renner, der Gegenstand, zu dem Sie sprechen, ist durch Abstimmung erledigt.
Ich protestiere! Ich habe nach der Geschäftsordnung ein Recht zu protestieren.
Sie haben nicht das Recht, zur Geschäftsordnung zu einer Angelegenheit zu sprechen, die bereits durch Abstimmung erdigt ist.
Ich protestiere dagegen, - ({0})
Herr Abgeordneter Renner, ich entziehe Ihnen das Wort zu diesem Gegenstand.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu den Anträgen auf Drucksache Nr. 7 und Nr. 11. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der CDU/CSU-, FDP- und' DP-Fraktion vor. Er lautet:
Das Haus stimmt der Erklärung der Regierung zu und bittet sie, entsprechend dieser Erklärung zu verfahren.
Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag angenommen.
Die Anträge auf Drucksache Nr. 7 und Nr. 11 sind damit auch erledigt.
Wir kommen nunmehr zu den Punkten 6, 7 und 8 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der SPD, betreffend GroßBerlin ({1});
Antrag der Fraktion der SPD, betreffend Maßnahmen für Groß-Berlin ({2}); Antrag der Fraktion der DP, betreffend Mittel des Bundes zur Deckung des Haushaltsdefizits der Stadt Berlin ({3}).
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die Punkte 6, 7 und 8 der Tagesordnung wegen der Gleichartigkeit des Gegenstandes zusammen behandelt werden sollen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Meine Herrn und Damen! Wenn ich die Ehre habe, im Auftrage meiner Fraktion die Anträge auf Drucksache Nr. 3 und 16 zu begründen, so möchte ich zunächst das Bedauern wiederholen, das ich am 14. August anläßlich der außerordentlichen Stadtverordneten-Versammlung zur Wahl der Bundesversammlung ausgesprochen habe, das Bedauern darüber, daß die Herren Militärgouverneure sich nicht haben entschließen können. in Übereinstimmun a mit dem Artikel 23 des Grundgesetzes Berlin als vollberechtigtes Mitglied des Bundes anzuerkennen. Ich freue mich um so mehr, daß die sozialdemokratische Fraktion in ihrer Gesamtheit heute die Aufforderung an den Bundestag richtet, feierlich vor aller Welt zu erklären, daß nach dem Willen des deutschen Volkes Groß-Berlin Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland ist.
({0})
Nur hierdurch ist es möglich, die Stellung Berlins innerhalb Deutschlands so zu gestalten, daß sie ihrer Bedeutung und ihrem Wert entsprechend d i e Festigkeit erhält, die im Hinblick auf. die erstrebte Einheit Deutschlands und die erstrebte Behebung der außerordentlichen Schwierigkeiten Berlins notwendig ist. Solange wir aber diese Stellung nicht erhalten haben - ich hoffe, daß die Hohen Kommissare sich sehr bald dazu entschließen; aber wir können nicht bis dahin warten -. ist es notwendig. daß schon vorher der feste wirtschaftliche Anschluß geschaffen wird, wie er ja auch schon auf anderer Seite besteht, zum Beispiel zwischen Ost-Berlin und der Ostzone, und wie er zu einem Teil durch die einheitliche Währung West-Berlins mit West-Deutschland geschaffen worden ist. Denn nur durch diesen wirtschaftlichen Zusammenschluß können wir die ungeheuerlichen Schwierigkeiten ökonomischer und finanzieller Art überwinden, in denen sich Berlin heute befindet.
Angesichts der hier von verschiedenen Seiten laut gewordenen Kritik scheint es mir doch notwendig, daß ich einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Lage gebe, in der sich Berlin heute befindet. Berlin ist nicht nur, zum großen Teil durch die deutsche Wehrmacht und die SS noch ganz besonders in den letzten Kriegstagen, zerschlagen worden, sondern in Berlin sind alle sozia({1})
len Einrichtungen genau so zerschlagen worden wie die Gebäude Berlins. Sparkonten und Bankkonten sind, wie man es so schön nennt, eingefroren, das heißt aufgehoben worden. Pensionszahlungen durften nicht mehr geleistet werden. Die Versicherungsträger waren zusammengebrochen, Löhne und Gehälter durften auf Monate hinaus auf Anordnung der Besatzungsmacht nicht gezahlt werden. Die Folge war eine Not ohnegleichen, die, wenn wir auch die Not in GesamtDeutschland berücksichtigen, doch unendlich höher war als die Not in Westdeutschland. Die alten Menschen brachen zusammen. Die Jugend, die ihre Hoffnung verloren hatte, war gleichzeitig der schlimmsten Unterernährung preisgegeben - Schwierigkeiten der unerhörtesten Art, die uns, als wir als erstes demokratisches Stadt-Parlament und als erster demokratischer Magistrat am 20. Otkober 1946 gewählt wurden, noch vor schier unüberwindliche Aufgaben stellten. Dann kam der allerdings auch für Sie ungeheuer schwere Winter 1946/47. Und wenn hier soeben die Debatte über die Demontagen stattgefunden hat, dann, meine verehrten Herren und Damen, muß ich Ihnen sagen, daß Berlin bereits in den allerersten Nachkriegstagen so demontiert wurde, daß von einer wirklich geordneten Wirtschaft nicht mehr die Rede sein konnte.
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Unsere Frauen sind es gewesen, die mit ihren bloßen Händen die Straßen von der Lebensgefahr befreit und die Trümmer aufgeräumt haben Dazu war Berlin von vier Besatzungsmächten besetzt, und ich spreche ja kein Geheimnis aus, wenn ich sage, wie wenig einig sich diese Besatzungsmächte waren. Berlin war eingeschlossen in eine Zone, in der die größte Not herrschte und politische Allmacht Verhältnisse schuf, die eine freie Entwicklung unmöglich machten.
Wir haben in den letzten Wochen von dem Besuch Thomas Manns in Weimar gehört und haben den Brief gelesen, den er nach seiner Rückkehr geschrieben hat. Ich glaube, wir alle, die wir die Verhältnisse in der sowjetischen Zone kennen, können Herrn Thomas Mann sagen: Im Alltag sehen allerdings die Verhältnisse ganz anders aus, als wenn man sie als gefeierter Dichter sieht!
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Wenn es uns trotzdem gelungen ist, die Verhältnisse im Laufe von einigen Jahren wenigstens einigermaßen zu festigen, so deswegen, weil ein enges Verhältnis zwischen der gewählten Exekutive, der Legislative und den Menschen draußen bestand, die wußten, daß sie um ihre nackte Existenz kämpften und gleichzeitig auch um ihre Freiheit. Allerdings: die Erfüllung unserer Aufgabe ist ungeheuer dadurch erschwert worden, daß eine totalitäre Organisation, unterstützt durch eine Besatzungsmacht, den Kampf gegen das demokratische Parlament führte, einen Kampf mit zum Teil schlimmsten Mitteln, von denen Sie hier im Westen zwar gelesen haben, die wir aber erleben mußten.
Als besonderes Kampfmittel kam noch hinzu die teilweise Absperrung Berlins, bis dann infolge der Uneinigkeit über die Währungsreform die Blockade über Berlin verhängt wurde. Meine Herren und Damen, was die Blockade bedeutet hat, nachdem nicht nur eine, sondern mehrere Währungsreformen die Berliner Bevölkerung haben ausbluten lassen, kann nur der ermessen, der darunter gelitten hat; denn diese Währungsreformen kamen ja, nachdem der sogenannte Geldüberhang, von dem im Westen die Rede war, uns bereits 1945 fortgenommen war. Was es bedeutet hat, daß dem Magistrat die Konten gesperrt wurden, so daß er nicht in der Lage war, seine Verpflichtungen zu erfüllen, das kann wirklich nur derjenige empfinden und verstehen, der das in Berlin miterlebt hat.
({4}) Die Blockade hat ein weithin - nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt - sichtbares Fanal gegeben, und ich möchte in diesem Augenblick allen denen, die uns in Erkenntnis dessen, was diese Blockade für Berlin bedeutete, ihre Hilfe gewährt haben, unsern herzlichsten Dank aussprechen.
({5})
Ich möchte der westdeutschen Bevölkerung, von der ich weiß, daß auch sie all diese Jahre hindurch ihre Not gehabt hat, herzlichst danken für die Hilfe, die sie auf dem Wege über Wohlfahrtsorganisationen, mit dem Hilfswerk Berlin und mit der Übernahme von über 15 000 Kindern zur Erholung nach Westdeutschland gewährt hat. Ich danke ebenso allen ausländischen Wohlfahrtsorganisationen, ganz besonders denen Englands und Amerikas. Am allermeisten aber danke ich und danken wir den Piloten der Luftbrücke, die ihr Leben einsetzten und zu unserem größten Bedauern auch ihr Leben gegeben haben, um Berlin vor dem Hunger, nein, um Berlin vor dem Verhungern zu schützen.
({6})
Und doch hat die Berliner Bevölkerung - trotz aller dieser Hilfen - im Winter 1948/49 ein Leben geführt ohne Murren, mit 25 Pfund Kohle pro Familie' für den ganzen Winter, mit Trockenernährung für Kinder und Kranke ohne einen Tropfen Milch, mit Strom für zwei Stunden am Tage und zwei Stunden in der Nacht, bei Mangel an Gas und allem anderen Notwendigen, was ihr niemals vergessen werden darf.
({7})
Das möchte ich besonders den Kritikern sagen, die hier im Anschluß an die Regierungserklärung auch über Berlin gesprochen haben; denn diese Opfer, meine verehrten Herren und Damen Kollegen, sind nicht nur für die Freiheit Berlins gebracht worden, sie sind gebracht worden für die Freiheit ganz Deutschlands,
({8})
für die Freiheit der Ostzone ebenso wie für die Freiheit der Westzonen!
({9})
Ich bedaure deshalb aufs tiefste, wenn ausgerechnet der Herr Abgeordnete Dr. Seelos, der mich selbst wie auch andere Mitglieder dieses Hohen Hauses daran erinnerte, wie er im Juni 1947 mit mir die erste Ministerpräsidentenkonferenz in München erlebte, auf der Berlin endlich aus der grausamen Isolierung herausgehoben wurde, daß ausgerechnet er und die Frau Ageordnete Kalinke eine Kritik an Berlin geübt haben,
({10})
die ganz unberechtigt und ganz unverständlich war
({11})
und auch von der Berliner Bevölkerung niemals verstanden werden wird.
({12})
({13})
Freilich hat der Herr Bundeskanzler - wie ich annehmen muß, unbeabsichtigt - dadurch, daß er als einzige Zahlen in seiner Regierungserklärung die Summen angegeben hat. die für Berlin hergegeben worden sind, vielleicht diese Kritik des Herrn Kollegen Dr. Seelos hervorgerufen. Aber ich bedaure es, Herr Kollege Dr. Seelos, wenn Sie sich nicht nur gegen die Überführung von Bundeseinrichtungen nach Berlin gewandt, sondern auch dagegen protestiert haben, daß Her westdeutschen Wirtschaft eine Milliarde D-Mark entzogen worden sei, die man nach Berlin gegeben habe.
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Sie haben weiter im Zusammenhang mit Behauptungen, die die antisozialistische Presse im Wahlkampf gemacht und die nicht nur vom Berliner Magistrat, sondern auch von allen drei westlichen Militärregierungen zurückgewiesen worden sind, eine Kontrolle darüber verlangt, ob dieses Geld nicht etwa zu sozialistischen Experimenten verwendet würde.
({15})
- Herr Kollege Dr. Seelos, Sie sitzen in der Koalition mit der CDU zusammen.
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- Nein? - Dann bitte ich um Entschuldigung. Trotzdem aber möchte ich darauf hinweisen, daß der Kämmerer Berlins ein nicht nur bei uns, sondern ein auch hier im Westen angesehenes Mitglied der CDU, also bestimmt kein Sozialist ist. Ich glaube deshalb, daß dieser Vorwurf, es würde Geld aus dem Westen zu sozialistischen Experimenten benutzt, ganz besonders auch seine Fraktion und seine Person trifft.
Aber nun hat Frau Kalinke sich gegen die VAB gewandt und sich dabei der Argumente bedient, die der Berliner sogenannte Schutzverband der Zwangsversicherten in die Welt gesetzt hat. Frau Kalinke, in der Zeit, da die VAB die Versicherungsanstalt Berlin, zum großen Teil von Mitgliedern der SED geleite und von der sowietischen Besatzungsmacht kontrolliert wurde, gab es diesen Schutzverband der Zwangsversicherten nicht, sondern er hat sich erst in der Zeit gebildet, als die VAB genau so wie der Magistrat innerhalb weniger Stunden ihre Büros im Osten Berlins verlassen mußte, weil sie sich nicht den Zwangsmaßnahmen der sowjetischen Besatzungsmacht fügen wollte, und als es in Berlin um Leben und Sterben der Demokratie ging.
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Nicht die Sozialisten, nicht die Sozialdemokraten im Berliner Magistrat und auch nicht die beiden anderen Parteien im Berliner Magistrat sind schuld an der Spaltung des Magistrats oder schuld an der Spaltung der VAB, sondern sie ist uns von jener diktatorischen Macht auferlegt worden, die mit dieser Spaltung genau so wie mit der Diktatur versuchte, die Demokratie, die Freiheit Berlins zu zerbrechen.
Wenn wir in jenen Tagen und Wochen um unser Leben gerungen haben, auch um unser politisches Leben, dann ist es vollkommen verfehlt, nun etwa Einrichtungen zu kritisieren, die in jenen Wochen ohne Tisch und Stuhl, ohne Telephon, ohne Schreiboder Rechenmaschine wieder von vorn anfangen mußten. Meine verehrten Herren und Damen aus Westdeutschland, Sie alle wissen, was es bedeutet hat, nach 1945 diesen Anfang zu machen. Aber nach drei Jahren aufs neue vor dieser Tatsache zu stehen, ist noch tausendmal schwerer, und der VAB war ihr Vermögen genau so beschlagnahmt oder gesperrt worden wie dem Magistrat. Ich bin selber, die ich die Freude gehabt habe, vierzehn Jahre lang im Deutschen Reichstag an der sozialpolitischen Gesetzgebung mitzuarbeiten, jeder Kritik zugänglich. Aber vergessen Sie nicht, daß diese Versicherungsanstalt in einer Zeit geschaffen wurde, in der, wie ich schon sagte, alles, was es an sozialen Einrichtungen gegeben hatte, auch an Einrichtungen des Selbstschutzes in Gestalt des Sparkassenkontos, vernichtet war.
({18})
- Das ist in Westdeutschland nicht so gewesen, Frau Kalinke! Zum Glück ist es nicht so gewesen. Aber unsere Alten und Arbeitsunfähigen hatten umsonst ihr Leben lang gespart. Das Ersparte ist vernichtet worden infolge der Art der Besatzung, die wir in Berlin erlebt haben, genau so wie die Pensionen, genau so wie die Unterstützungen für die Kriegsopfer und für die Opfer des Nationalsozialismus.
({19})
- Reden Sie doch nicht immer von „wie bei uns!"; ich bin Hamburgerin, ein bißchen weiß ich auch von dem Unterschied zwischen Westdeutschland und Berlin.
({20})
Und nun war es einzig die Sozialversicherung, die sich einsetzte und sich einsetzen mußte. Ich gebe zu, aus diesem Anlaß hat die VAB manche Aufgabe übernommen, die eigentlich nicht Aufgabe einer Versicherungsanstalt war.
({21})
- Jawohl, „aha"! Aber hätte sie sie nicht übernommen, dann wären die Menschen restlos zugrunde gegangen.
({22})
Wenn Sie nun auf die Zuschüsse hingewiesen haben und in Ihrem Antrag Nr. 40 aus einem Mißtrauen ohnegleichen eine Kontrolle dieser Zuschüsse verlangen, - verehrte Frau Kollegin Kalinke, gibt es denn im Westen keine Zuschüsse? Wird hier nicht auch in der Sozialversicherung pro Rentner ein jährlicher Zuschuß von 168 Mark gezahlt?
({23})
Und vergessen Sie nicht, daß das allein für die Bi-zone 275 Millionen im Jahr ausmacht! Wieso machen Sie uns dann diesen Vorwurf?
({24})
[eh darf Ihnen sagen: seit der Zeit, da ich als Bürgermeister in Berlin tätig bin und zeitweilig, auch gegenwärtig, Vorsitzende der VAB gewesen bin und noch bin,
({25})
- jawohl, „aha!", mit Ihrem „Aha!" machen Sie Ihre Ausführungen nicht wirksamer! -, habe ich alles getan, um das, was in der Versicherungsanstalt auch nach meiner Ansicht nicht richtig war,
bessern, und ich bin an dieser Arbeit auch heute loch beteiligt.
Darüber hinaus bin ich auch bereit, hier im Parament, wenn man mir Gelegenheit dazu gibt, an der Umgestaltung der Sozialversicherung mitzuarbeiten. Ich weiß, daß es eine Sozialversicherung
({26})
für eine halbe Stadt von 2 Millionen Einwohnern nicht geben kann, daß niemals der Ausgleich der Risiken geschaffen werden kann. Aber diese Sozialversicherung muß so gestaltet werden, wie es im Interesse der arbeitenden Menschen notwendig ist. Die VAB ist nicht der Weisheit letzter Schluß, denn sie ist in ganz anormalen Zeiten geschaffen worden. Aber, Frau Kollegin Kalinke, die Ersatzkassen sind auch nicht der Weisheit letzter Schluß!
({27})
Wir wollen nicht, daß die Ortskrankenkasse wieder eine Arme-Leute-Krankenkasse wird. Wir wollen, daß der Bessergestellte auch wirklich in kameradschaftlicher Weise mit eintritt für den am stärksten Notleidenden.
({28})
Sie haben gemeint, in diesen Stunden horche das 'deutsche Volk besonders hierher nach Bonn, und deshalb sollten alle Politiker ihre Verantwortung gegenüber der Sehnsucht und der Erwartung des deutschen Volkes spüren.
Meine verehrten Herren und Damen Kollegen! Niemand horcht sehnsuchtsvoller nach Bonn als die Berliner Bevölkerung; aber wenn sie dann aus dem Munde einer Frau hören muß, daß ihre Partei nicht damit einverstanden ist, daß die Mittel der Steuerzahler der Westzonen, die Berlin zur Verfügung gestellt werden, etwa dafür verwendet werden, die zusammengebrochene Versicherungsanstalt zu erhalten, dann glaube ich, daß Sie damit nicht die Sehnsucht der Berliner erfüllen.
({29})
Zu Ihrem Antrag Nr. 40 will ich Ihnen sagen: der Rechnungshof Westdeutschlands, der Bizone, hat nicht nur die Kasse und die Geschäftslage des Magistrats, er hat auch die Kasse und Geschäftslage der VAB geprüft, und uns sind keinerlei Beanstandungen bekannt geworden.
({30})
Man hat volles Verständnis für die ungeheuer schwere Lage gehabt, in der wir uns befinden. Wenn nun aber infolge der Standhaftigkeit der Berliner Männer und Frauen und der Hilfe Westdeutschlands und des Auslands die Blockade - worauf ich besonders stolz bin als Pazifistin und als Frau - auf friedliche Weise überwunden worden ist, so ist zwar die Not in Berlin heute anders, als sie war, aber sie ist nicht geringer geworden. Und warum ist sie nicht geringer geworden? Wir alle wissen, daß die Folgen eines Krieges nicht in dem Augenblick überwunden sind, wo die Waffen schweigen; und so sind auch die Folgen der Blockade nicht in dem Augenblick überwunden, wo die Tore wenigstens teilweise wieder geöffnet worden sind. Dazu kommt, daß wir in unserer Etatgestaltung nicht frei sind, daß nach Beendigung der Blockade die bisher gewährte Unterstützung von 400 Millionen Mark wieder gestrichen wurde und daß alle die Schwierigkeiten hinzukamen, die durch die Blockade geschaffen worden waren. Wir haben für die Luftbrücke weit mehr als 100 Millionen Mark zahlen müssen, ganz ungerechnet die sogenannten mittelbaren Luftbrücken-kosten für den Bau der Flugplätze hier im Westen Deutschlands. Wir haben in der Blockadezeit, weil wir einfach unserer Bevölkerung nicht zumuten konnten, ihre Trockenernährung noch verteuert zu bezahlen, die Lebensmittel subventionieren müssen.
Wir haben jetzt Hilfsmaßnahmen zur Linderung der Not der Währungsgeschädigten beschließen und veranlassen müssen. Denn unsere Lohn-Ausgleichskasse, die uns die Alliierten gestattet haben, kann bei weitem nicht das erfüllen, was das Wort sagt, nämlich einen Ausgleich vorzunehmen. Wir konnten nicht einfach die alten Menschen und die Kinder aus dem Osten, die ihre Unterstützung in wertloser Ostmark erhielten, ohne Hilfe lassen; wir mußten wenigstens zum Teil diese Beträge umwechseln, genau so wie die Löhne derjenigen, die im Osten arbeiten und im Westen das Sechsfache an Miete und für sonstige Notwendigkeiten zahlen müssen. Wir mußten, um unsere Wirtschaft überhaupt in Gang zu bringen, eine Blockadehilfe in Höhe von 20 Millionen Mark gewähren. Dazu kommen die Ausgaben für die produktive Erwerbslosenfürsorge, die während der Blockadezeit wenigstens dazu half, den erwerbslosen Menschen Arbeit und unseren Straßen wieder ein einigermaßen aufgeräumtes Aussehen zu geben. Nun aber fehlt uns dieses Geld. Wir haben in Berlin rund 300 000 Arbeitslose und Kurzarbeiter. Das bedeutet, daß ein Drittel bis ein Viertel aller Westberliner Familien unter der Erwerbslosigkeit ihres Ernährers zu leiden haben.
({31})
Was ist die Ursache? Es ist ja schon davon gesprochen worden, daß Betriebe aus Berlin, weil sich der Betriebsinhaber in Berlin nicht sicher glaubte, nach dem Westen verlagert worden sind. Es kommt hinzu das verhängnisvolle Dumping durch die wertlose Ostmark; es kommt hinzu der Geldmangel, der uns die Möglichkeit nimmt, die sozialen Ausgaben zu machen, die unbedingt für unsere Jugend, für unsere Alten notwendig wären. Es kommt hinzu, daß uns durch die Spaltung Berlins unsere Heime für Kinder, für Jugendliche allein in der Zahl von 66 Heimen, die im Ostsektor lagen, gesperrt worden sind und daß wir bei der auch seelischen und moralischen Not unserer Jugend nicht einfach diese Jugend zugrunde gehen lassen konnten, sondern neue Heime für sie schaffen mußten. Und dasselbe gilt für unsere Alten.
Dazu kommt - worunter Sie hier im Westen zwar zahlenmäßig mehr leiden, wir aber vielleicht inhaltsmäßig noch stärker - die Not der Flüchtlinge, die aus der uns umgebenden Ostzone nach Berlin hineinströmen, politische Flüchtlinge, wirtschaf tliche 'Flüchtlinge, die wir nicht nach dem Westen geben können, weil Sie nicht aufnahmefähig sind, die wir aber auch nicht nach dem Osten zurückgeben können. Das alles hat ungeheuer große Schwierigkeiten gemacht, Schwierigkeiten, die nur dadurch behoben werden können, daß Berlin Arbeit hat. Wir wollen ja gar keine Unterstützungen. Wir wären die glücklichsten Menschen von der Welt, wenn wir nicht mehr um Unterstützungen nach dem Westen zu gehen brauchten. Aber was wir brauchen, sind Rohstoffe, sind Maschinen, sind Kredite, um unsere Wirtschaft in Gang zu bringen. Seien Sie mir nicht böse: das ist ein Kapitel des Wirtschaftsegoismus Westdeutschlands.
({32})
Der Westen will Arbeit haben - das verstehen wir voll und ganz -, und er gibt nach Berlin die Fertigfabrikate. Er gibt aber auch manchmal Dinge her, die Berlin recht gut entbehren könnte, die aber im Westen auch nicht mehr gebraucht werden. Aber wir brauchen statt dessen die Rohmaterialien, die Maschinen und die Investierungen unserer Wirtschaft. Nur wenn wir das haben, können wir
({33})
Berlin helfen. Das ist der Sinn unseres Antrags. Und wenn Sie mir jetzt sagen: die Berliner Bevölkerung muß sich selber helfen trotz ihrer ungeheuerlichen Notlage, so darf ich Ihnen sagen und muß ich Ihnen sagen, daß zu mir als Bürgermeister täglich die Menschen kommen, die buchstäblich nicht mehr weiter können, die tatsächlich vor der Frage stehen, ob sie den Gashahn öffnen sollen. Das sind alle jene, die als Währungsgeschädigte - wie sie sich selber, allerdings in unrichtiger Weise, nennen -, als Währungsvergessene nicht unter den Geldumtausch fallen und die im Westen Berlins wohnen. Ich muß Ihnen sagen, daß trotz der ungeheuren Notlage die Berliner Bevölkerung Opfer auf sich genommen hat, ein Währungsnotopfer in Gestalt des Abzugs vom Lohn und des Abzugs vom Einkommen, ein Währungsnotopfer auch aller derjenigen, die nur ein ganz geringfügiges Einkommen haben. Denn sie sieht es ein, daß sie nicht das Recht hat, die Selbständigen, auch die freien Berufe, ebenso wie die Arbeiter und Angestellten und den großen, den übermäßig großen Prozentsatz von nicht mehr oder noch nicht Arbeitsfähigen zugrunde gehen zu lassen. Die Berliner Bevölkerung hat eine Baunotabgabe auf sich genommen, damit die Menschen, die nicht mehr bei der Enttrümmerung beschäftigt werden können, wenigstens bei der Wiederherstellung von Wohnungen Beschäftigung erhalten. Und als Frau muß ich sagen: hier haben wir geradezu eine Ehrenpflicht, eine Ehrenpflicht gegenüber den Frauen, die noch im weißen Haar zum Zwecke der Enttrümmerung auf der Straße gestanden haben, und die nun plötzlich arbeitslos werden, weil wir sie nicht mehr bezahlen können.
Die Berliner Bevölkerung nimmt es hin, daß die Lebensmittelpreise durch Fortfall der Subventionen erhöht werden, daß die Preise für Strom und Gas heraufgesetzt werden. Niemand kann also etwa sagen, daß die Berliner Bevölkerung auf Kosten des Westens leben will. Nein, ich wiederhole noch einmal: Wir wollen arbeiten!, Will wollen nicht Bittende sein, wir wollen arbeiten! Wir bitten Sie nur: Schalten Sie uns ein in Ihre Wirtschaft, damit wir die Möglichkeit zu dieser Arbeit haben.
({34})
Dazu gehört auch, daß Aufträge nach Berlin gegeben werden, Aufträge von seiten der westdeutschen Wirtschaft, Aufträge von seiten der Bundesinstanzen. In dem Antrag Nr. 22 fordert die Fraktion der Bayernpartei die Erteilung von Aufträgen an alle Länder. Jawohl! Aber einschließlich Berlins!
({35})
Und noch eines: Es ist unmöglich, daß ein Interzonenhandel und ein Interzonenverkehr über den Kopf Berlins hinweg zwischen dem Westen und dem Osten erfolgt. Nein, Berlin ist der Mittelpunkt, ich glaube, meine Damen und Herren, auch für Sie der Mittelpunkt Deutschlands, und an diesen Interzonenverhandlungen - betreffen sie die Wirtschaft, betreffen sie den Verkehr - muß in erster Linie Berlin beteiligt werden.
Nun als letztes: die Überführung von Bundesinstanzen nach Berlin. Ich brauche Ihnen ja nicht zu sagen, daß Berlin, die Hauptstadt Deutschlands, die es durch lange Zeit hindurch war, immer zur Hälfte nicht von der Produktion, sondern von den Dienstleistungen gelebt hat. Berlin muß auch heute wieder solche Dienstleistungen verrichten. Alle Möglichkeiten, die da geschaffen werden müssen, können geschaffen werden. Ich bedauere, daß das Patentamt nach München verlegt worden ist.
({36})
In Berlin sind alle Vorbereitungen getroffen, das Patentamt wieder in Berlin voll zur Arbeit zu bringen. Warum ist es nicht möglich, das Aufsichtsamt für Privatversicherung, das Bundesversicherungsamt, die Sozialversicherungsträger des Bundes und vieles andere nach Berlin zu legen? Damit helfen Sie Berlin; Sie helfen ihm ideell, indem der Glaube Berlins an seine deutsche Heimat gestärkt wird, Sie helfen ihm aber auch materiell, indem Sie den Menschen Arbeit geben. Dasselbe gilt für die Elektroindustrie, für unsere Konfektionsindustrie, und dasselbe gilt, wie ich schon sagte, für die Aufträge der Eisenbahn, der Post und für viele andere.
Ich richte deshalb an Sie alle die Bitte: Lassen Sie uns gemeinsam den in der Privatwirtschaft vorhandenen Wirtschaftsegoismus überwinden! In diesen Tagen ist hier so viel von Zwangswirtschaft, von Planwirtschaft und- von allen möglichen ähnlichen Dingen gesprochen worden. Ja, was eine nichtplanmäßige Wirtschaft bedeutet, das erleben wir in Berlin.
({37})
Wir wollen keine Zwangswirtschaft, aber wir wollen und müssen wollen, um leben und existieren zu können, daß unsere Wirtschaft in den Plan eingegliedert wird, der uns und damit ganz Deutschland da Leben ermöglicht.
Wenn wir in diesen Tagen gehört haben, daß die Zuschüsse aus dem ERP-Fonds nur in ganz geringem Maße nach Berlin kommen sollen, so darf ich Ihnen sagen, daß wir uns damit in gar keiner Weise einverstanden erklären können. Ich möchte zu den Begründungen, die ich mir zu geben erlaubt habe, noch eine hinzufügen. Während Sie hier Material hatten, waren wir in Berlin abgeschlossen von jeder Materialzufuhr. Während Sie hier im Westen eine Besatzungsmacht hatten, die Ihnen die Bautätigkeit erlaubte, war unsere Bautätigkeit auf Befehlsbauten und auf Bauten der Besatzungsmacht beschränkt. Wir waren nicht in der Lage, Wohnungen für unsere Bevölkerung herzustellen. All dem muß entgegengewirkt werden. Ich weiß - und ich werde ja jetzt als Vertreterin Berlins an den Beratungen teilnehmen und gerne daran teilnehmen -, der Bund und die Bundesinstanzen haben ihre großen Sorgen. In diesen Tagen haben wir durch die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers von den durch die Geldabwertung entstandenen und in Zukunft noch entstehenden Schwierigkeiten gehört. Aber der Herr Bundeskanzler hat gestern einen Fernspruch von Berlin erhalten, der von der Stadtverordnetenversammlung und dem Magistrat einhellig an ihn ergangen ist, durch den er gebeten wird, bei dieser ganzen Frage die besonderen Verhältnisse Berlins an der Grenze zweier Währungen nicht zu vergessen. Auch diese Bitte möchte ich an Sie und an die Herren der Bundesregierung richten.
Zum Schluß möchte ich Ihnen eines sagen: Berlin ist heute in einer ungeheuer großen wirtschaftlichen und sozialen Gefahr. Wenn man Berlin helfen will, dann gilt es, schnell zu helfen. Am 14. August habe ich dem Hohen Kommissar McCloy zugerufen: Geben Sie schnell, dann geben Sie doppelt! Das möchte ich auch hier tun. Lassen Sie Berlin nicht, zugrunde gehen, es würde sich für ganz Deutschland rächen.
({38})
Denn wir stehen heute nicht nur in einer wirtschaftlichn, sozialen und kulturellen Gefahr, wir stehen in einer ganz großen politischen Gefahr. Wie der Kampf gegen die Blockade Berlins nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland ausgetragen worden ist, so ist auch die Gefahr, in der sich Berlin heute befindet, eine Gefahr für ganz Deutschland. Wir haben hier mit Recht von dem Einheitsstaat Deutschland gesprochen. Dieses Wort wird von den verschiedenen Seiten benutzt, aber verschieden aufgefaßt. Für uns ist der Einheitsstaat Deutschland der demokratische Staat. Um ihn mit Ihnen zu schaffen, sind wir zu Ihnen nach Bonn gekommen. Lassen Sie uns daran zusammenarbeiten, dann retten Sie Berlin und retten Sie Deutschland.
({39})
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen bekanntzugeben, daß zu Drucksache Nr. 3 ein Abänderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegt worden ist, der dahin geht, in der letzten Zeile des ersten Absatzes die letzten Worte wie folgt zu fassen: „und in Zukunft ihre Hauptstadt wieder werden soll."
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus nicht durch lange Ausführungen bemühen; aber es handelt sich hier um eine Frage von solcher Bedeutung, daß ich namens meiner Fraktion unsere grundsätzliche Auffassung zum Ausdruck bringen muß. Die Deutsche Partei legt besonderen Wert darauf, daß in der Frage Berlin in besonderer Weise verfahren wird. Sie möchte jede erregte Erörterung über dieses Problem vermeiden und in ruhiger Abwägung aller Umstände
({0})
ein Ergebnis suchen, das Berlin für dauernd und mit höchstmöglicher Wirksamkeit hilft. Es genügt nicht eine Demonstration des guten Willens, notwendig ist hier die Verwirklichung, die Tat.
Der Herr Abgeordnete Professor Schmid hat gestern ausgeführt, daß wir uns über die uns gegebenen Mittel der Politik klarwerden müßten. Die dauernde wirksame Hilfe für Berlin ist ein solches Mittel, um die Wiedervereinigung Deutschlands Schritt für Schritt herbeizuführen. Es wäre der hohen Bedeutung des Freiheitskampfes der Berliner Bevölkerung nicht angemessen, wenn ich versuchen wollte, die Charakterfestigkeit, den Mut, die Tatkraft, die Nervenbelastung, die Leistungen jedes einzelnen Berliners für uns alle in Deutschland mit schmückenden Worten zu versehen. Berlin, diese zähe und tatkräftige Stadt, die aus unserem deutschen Leben nicht fortzudenken ist, hat für ganz Deutschland gelitten und gehandelt. Der Freiheitskampf Berlins wird stellvertretend für alle in West und Ost geführt. So ist Berlin die Hauptstadt des Deutschen Reiches, weil sich in dem Dasein in dieser Stadt das deutsche Leben integriert und der Pulsschlag unseres gemeinsamen Schicksals spürbar ist. Dazu müssen wir uns bekennen und ganz dahinterstehen. Darin manifestiert sich unsere Gemeinsamkeit, unser eigentlicher gesamtstaatlicher Zusammenhang vor uns selbst und vor der Welt. Deshalb sind wir der Auffassung, daß alles, was für Berlin geschieht, zugleich für die Mittel- und Ostzone geschieht. Ich gebrauche hier mit aller Absicht den Ausdruck Mittelzone, denn die sowjetisch besetzte Zone umfaßt Mitteldeutschland. Ostdeutschland beginnt erst ostwärts der Oder.
Berlin ist für uns nicht nur Westberlin, sondern ganz Berlin. Diese isolierte, zertrümmerte und zerrissene Stadt, die so oft im vergangenen Krieg eine riesige rauchende Ruine war, ist ein Sinnbild für Deutschlands Situation, nicht nur Deutschlands, sondern ganz Europas und der ganzen Welt, die in ihrer Zerrissenheit und Hilflosigkeit mit den internationalen Spannungen und Ungereimtheiten nicht fertigzuwerden vermag. Das Ringen um Berlin ist ein Ringen um den Frieden. Darum ist es eine der wichtigsten Aufgaben, daß wir diese Stadt wieder lebensfähig machen. Wir haben nicht das Recht auf einen höheren Lebenszuschnitt, solange eine Stadt wie Berlin notleidend ist.
({1})
Und nun noch eines. Die Berliner Frage darf unter gar keinen Umständen dazu benutzt werden, um uns in Form irgendeiner Parteigängerschaft in das Spannungsfeld zwischen Os? und West hineinzuschalten. Solange wir nicht ein wirklicher Staat sind, das heißt ein Staat, der das Gewicht hat, sich nach innen und außen zu verwirklichen, um sein Dasein zu erhalten, solange wir Objekt der Politik sind und mühsam darum ringen, wieder Subjekt zu werden, ist solche Parteigängerschaft absolut unangemessen. Darum haben wir die Berliner Frage in erster Linie als eine innerdeutsche Angelegenheit zu sehen.
Die Deutsche Partei warnt vor allen Überhitzungen, die als Provokation gegenüber der Sowjetunion verstanden werden könnten. Herr Professor Schmid sprach vom Rotkäppchen und vom Wolf. Ich meine, wir sollten nicht den Versuch machen, uns als die Bremer Stadtmusikanten aufzuführen. Wir haben den Frieden zu stärken und nicht den Krieg. Wir wünschen Vermeidung aller außenpolitischen Provokationen in Wort und Schrift. Wir wünschen aber auch Vermeidung alles dessen, was die Berliner Angelegenheit zur Domäne einer bestimmten Partei machen könnte.
({2})
In Berlin haben alle mitgewirkt, und alle Kräfte in Deutschland wollen nun diese Stadt festigen und ihrer Bevölkerung die Lasten und Entbehrungen erleichtern. Darum legen wir großen Wert auf eine etwas stillere, aber um so tatbereitere Methode in dieser ganzen Angelegenheit.
({3})
Professor Schmid sprach gestern von der Notwendigkeit einer aktiven Staatspolitik im Hinblick auf Berlin. Realistisch gesehen ist West-Berlin noch nicht Berlin, und die staatspolitische Aktivität müßte auf die Wiedervereinigung der ganzen Stadt, die Gewährleistung der persönlichen Freiheit und der demokratischen Willensbildung vorausgesetzt, gerichtet sein. Erst dann haben wir die Voraussetzung für eine Verwirklichung des Artikels 23 des Grundgesetzes, auf die wir hinzuarbeiten haben.
Unter diesen Gesichtspunkten billigt die Deutsche Partei die gestellten Anträge. Sie stellt aber mit Rücksicht auf die große außenpolitische Tragweite der Drucksache Nr. 3 den Antrag, diese Angelegenheit an den Ausschuß für auswärtige An({4})
gelegenheiten und an den Ausschuß für Berlin zu überweisen.
({5})
- Ich möchte das präzisieren, was ich gesagt habe, damit nicht ein falscher Eindruck entsteht. Nach dem, was ich vorhin ausgeführt habe, daß nämlich Berlin eine innerdeutsche Frage sei, wäre es doch eine völlig unfaire Unterstellung, mir in den Mund zu legen, ich sehe die Berliner Angelegenheit als eine auswärtige Angelegenheit an. Die Wahrheit ist doch die folgende. Es werden dadurch Fragen von größter Tragweite berührt, und es gehört zu den Gepflogenheiten eines vernünftig arbeitenden Parlaments, daß diese Dinge gründlich untersucht und erwogen werden. Wir können doch solche Fragen, an denen praktisch das gesamte Schicksal Deutschlands und Europas hängt, nicht aus irgendeiner emotionalen Übersteigerung heraus nun plötzlich - ({6})
- Wir können doch eine solche Frage nicht so überstürzt formulieren. Wir haben sie sorgfältig zu prüfen. Das ist unsere Pflicht als Deutsche. Wer mir hier unterstellen will, daß ich in der Frage Berlin - -({7})
- Mehrere Generationen meiner Familie haben dort gelebt, und ich selbst stamme aus dieser Stadt.
({8})
Wer mir unterstellen will, daß ich hier in meinen Worten nicht den deutschen Interessen dienen will, der übersieht bewußt, was ich gesagt habe.
({9})
Ich bitte, die Debatte nicht in Zwiegespräche aufzulösen.
Welchem Ausschuß das Hohe Haus diesen Antrag zu überweisen gedenkt, richtet sich nach der Zuständigkeitsverteilung. Ich bitte, mir hier nichts zu unterschieben.
Wir haben im übrigen noch den speziellen Antrag Nr. 40 gestellt, der nach den Ausführungen der Frau Vorrednerin vielleicht nicht allen gefallen kann. Ich möchte hier eindringlich feststellen, daß die aus unserem Antrag hervorgehende Kritik keine Kritik an Berlin ist. Das wäre überaus unangemessen. Ich möchte dabei zugleich feststellen, daß, wenn an dem Berliner Magistrat hier und da eine Kritik geübt wird, das noch nicht als eine Kritik an Berlin aufzufassen ist. Denn der Berliner Magistrat und die Berliner Bevölkerung sind ja nun nicht gerade identisch.
({0})
Es geht hier um Belange von ganz großer Bedeutung. Bei unserem Antrag Nr. 40 handelt es sich um einen Spezialfall, dessen Ausmaß, gemessen an der Berliner Frage, sehr gering ist. Ich möchte alles vermeiden, was diese Debatte weiterhin verschärfen und in der wirklich fundamentalen Berliner Frage hier in diesem Hause ein Bild der
Uneinigkeit, die gar nicht gegeben ist, aufkommen lassen könnte.
({1}) Wenn wir auf diesem Antrag bestehen müssen, so aus dem berechtigten Interesse daran, daß der Berliner Bevölkerung auch auf dem Gebiet der Sozialversicherung dieselben freiheitlichen Rechte eingeräumt werden, wie das hier in den Westzonen der Fall ist und wie wir das für ganz Deutschland wünschen. Damit ist in keiner Weise - wenigstens was meine Person betrifft - ein Mißtrauen ausgesprochen.
({2})
Ich bitte doch, zu erwägen, daß immerhin die VAB ein Experiment darstellt, das sich nach dem praktischen Ergebnis nicht bewährt hat.
({3})
- Es ist ein Experiment. Und wenn ich nun doch etwas deutlicher werden muß, so muß ich sagen: ich habe das Gefühl, daß die Atmosphäre der Entstehungsgeschichte der Anstalt, die die verehrte Frau Vorrednerin ja deutlich geschildert hat, kennzeichnet, welche Schwierigkeiten der Magistrat Berlin bei der Übernahme der Sache gehabt hat. Nach den mir zugänglich gemachten Unterlagen scheint sich in dieser Anstalt doch vieles aus dieser Anfangsatmosphäre erhalten zu haben. Wir wünsehen, daß dieses Experiment beendet wird.
({4})
Sie wissen, daß in Berlin gewisse Tendenzen der
Sozialisierung und auch dieser Vereinheitlichung
weiter fortgeschritten sind als in den übrigen Gebieten der Westzonen. Wir wünschen nicht, daß
hierzu und auf diesem Wege die ostzonale Atmosphäre - die Atmosphäre steckt bekanntlich
manchmal auch etwas an -weiter ansteckend wirkt.
({5})
- Zum Beispiel die VAB!
({6})
Ich wiederhole meine Bitte, die Diskussion nicht in Privatgespräche ausarten zu lassen.
In dem Wunsche, diese Entwicklung auszuschließen, haben wir den Antrag gestellt. Ich möchte die Debatte nicht weiter fortsetzen; das Haus ist sich völlig darüber klar, was wir hier wollen.
Ich darf mir aber wohl erlauben, noch eine Frage zur Sprache zu bringen. Es wurde gestern Kritik daran geübt, daß wir in unserem Antrag den Kommissar gefordert haben. Gewiß, dies ist ein böses Wort, und man könnte auch „Beauftragter" sagen. Es wurde uns nun unterschoben, daß unser Föderalismus nicht sehr aufrichtig gedacht sei.
({0})
Ich möchte die Herren bitten, sich das Grundgesetz genau anzusehen. Solche Möglichkeiten sind gerade bei Finanzdingen nach dem Grundgesetz gegeben, und nachdem immerhin eine Versicherungsanstalt derartige Belastungen des Gesamtetats des Berliner Magistrats verursacht hat, ist eine solche Maßnahme nicht ungewöhnlich, da man unbedingt helfen muß, denn die Rentenempfänger müssen doch möglichst schnell wieder zum Bezug ihrer
Dr. von Merkatz)
Renten kommen. Da ist es wohl nicht allzuviel verlangt, daß, ohne damit ein Mißtrauen auszudrücken oder eine Kritik an der Frau Vorrednerin zu üben - das steht mir gar nicht zu -, diese Angelegenheit von einem Beauftragten mit dem Ziele überprüft wird, die freiheitliche Gestaltung der Versicherung allen zu gewährleisten, auch aer Berliner Bevölkerung, und die Renten für dauernd sicherzustellen, damit die Notlage nicht noch größer wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Meine Damen und Herren! Der Antrag Nr. 3, zu dessen Begründung die Frau Abgeordnete Schroeder gesprochen hat, enthält in seinem Kern die Bestätigung des Artikels 23 des Grundgesetzes. Dieser Artikel spricht aus, daß zu den Ländern, für die dieses Grundgesetz gilt, auch Groß-Berlin gehört. Diese Hinzufügung Groß-Berlins zu den Ländern der Bundesrepublik Deutschland ist seinerzeit im Parlamentarischen Rat von der Christlich-Demokratischen Union beantragt und mit überwältigender Mehrheit angenbmmen worden, und wir betrachten es als eine Selbstverständlichkeit, daß dies nach wie vor der Wunsch und der Wille des deutschen Volkes ist. Daß dieser Artikel bezüglich der Zugehörigkeit Berlins noch nicht verwirklicht werden konnte, lag nicht in unserer Hand, sondern an dem Votum der Militärkommandanten,
({0})
und wir sind uns auch darüber klar, daß seine endliche Verwirklichung eine Angelegenheit der großen politischen Auseinandersetzungen ist, die nun einmal noch über unserem Volke stehen. Aber das sollte uns nicht abhalten, diesen im Grundgesetz bekundeten Willen der Zugehörigkeit GroßBerlins zur Bundesrepublik Deutschland jetzt, wo dieser Bundestag an seine Arbeit geht, von neuem zu bekunden. Art und Tempo der Verwirklichung werden, wie ich schon sagte, von Umständen und Dingen abhängen, die nicht in unserer Hand liegen; aber dem Kerngehalt dessen, was hiermit zum Ausdruck gebracht ist, stimmt auch die Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union zu.
({1})
Meine Damen und Herren, ich habe gesagt: Art und Tempo der Verwirklichung liegen nicht in unserer Hand. Damit soll nicht gesagt sein, daß wir DeUtschen uns etwa in dieser wie in anderen grundlegenden Fragen unseres nationalen Lebens passive Beschränkungen auferlegen sollten; denn trotz aller Beschränkungen, unter denen wir stehen, fällt das, was das deutsche Volk in der Bekundung seines gemeinsamen politischen Willens denkt und fühlt, ins Gewicht.
Wir haben das in Berlin im letzten Jahre in der Zeit der Blockade erlebt. Gewiß, daß überhaupt Berlin durch diese Zeit hindurch gerettet werden konnte, haben wir in erster Linie der Luftbrücke und all der Hilfe zu verdanken, die hier aus dem Westen gekommen ist und für die der Dank schon ausgesprochen worden ist, dem wir uns herzlich anschließen. Aber alles das wäre nicht möglich gewesen ohne das spontane Bekenntnis der gesamten Berliner Bevölkerung und ohne den zähen Willen auch der großen Masse der Berliner Arbeiterschaft, Nein zu sagen zu dem totalen Zwang des Kornmunismus und sich zu dem Kampf um die Freiheit und Selbständigkeit unseres eigenen politischen Wollens und für die Zugehörigkeit Berlins zu Gesamtdeutschland zu bekennen.
({2})
Diese selbe Aktivität ist auch unsere Aufgabe und unsere Pflicht. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung schon gesagt, daß Berlin unter keinen Umständen - ich wiederhole: unter keinen Umständen! - im Stich gelassen werden kann.
({3})
Es kommt also darauf an, schnell und entschieden zu handeln. Dem sollte unser Antrag Nr. 12 dienen, in dem wir beantragt haben, sofort den Ausschuß Berlin zu bilden. Das ist gestern bereits geschehen. Damit ist dieser Antrag materiell erledigt. Ich darf mir aber erlauben, darauf hinzuweisen, daß wir in diesem Antrag zum Ausdruck gebracht haben, daß die bedrängte Lage Berlins und die Bedeutung Berlins für das gesamtdeutsche Schicksal die Sicherung des politischen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens dieser Stadt fordern und zu einer Aufgabe dieses Bundestages machen. Wir haben in diesem Antrag dargelegt - ich befinde mich da in weitgehender L bereinstimmung mii. der Frau Abgeordneten Schroeder -, daß es die wichtigste und vordringlichste Aufgabe dieses Ausschusses sein muß, abgesehen von der finanziellen Hilfe, die für die Verwaltung Berlin weiterhin notwendig sein wird, mit positiven und konstruktiven Maßnahmen dafür zu sorgen, daß das wirtschaftliche Leben Berlins wieder so in Gang gebracht wird, daß die Berliner Bevölkerung von dem Ertrag ihrer eigenen Arbeit ohne Hilfe leben kann. Die furchtbareArbeitslosigkeit führt ja nicht nur zu einer wirtschaftlichen Notlage, sondern bedeutet auch eine schwere seelische Bedrückung dieser Bevölkerung. In dem Zustand einer seelischen Bedrückung kann aber Berlin die Aufgabe, die ihm vom Schicksal zugewiesen ist, nicht erfüllen. Es kommt in erster Linie darauf an, daß die Arbeitslosigkeit durch Lieferung von Rohstoffen, durch Investitions- und Betriebskredite und alle weiteren Maßnahmen, die wir in unserem Antrag dargelegt haben, überwunden wird. Wir hoffen und wünschen, daß in Fortsetzung dessen, was bereits bisher von der Verwaltung für Wirtschaft unter der Leitung von Professor Erhard geschehen ist, auch weiter gehandelt wird. Wir richten den dringenden Appell an den Herrn Bundeswirtschaftsminister, alles in seiner Kraft Stehende zu tun, daß diese Aufgabe in positiver Weise bald erfüllt wird. Und wir hoffen, daß sich die Bundesregierung bald dazu entschließt, auch solche Bundeseinrichtungen und -behörden, bei denen es sachlich möglich und geboten ist, nach Berlin zu legen.
Meine Damen und Herren, der Antrag Drucksache Nr. 16, der vorhin von seiten der Fraktion der SPD begründet wurde, sagt inhaltlich im großen und ganzen dasselbe. Wir hoffen und wünschen, daß im Ausschuß Berlin Gelegenheit sein wird, über die Einzelheiten dieser Dinge zu sprechen, und beantragen daher die Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß.
Die praktische Hilfe, die für Berlin notwendig ist, verlangt eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Bund und seinen Behörden einerseits und dem Magistrat Berlins andererseits. Es ist vorhin schon in den Worten meines Herrn Vorredners zum Ausdruck gekommen, daß dieser engen Zusammenarbeit gewisse Hindernisse und vielleicht auch gewisse unterschiedliche Auffassungen im Wege
({4})
stehen. Es kann nicht geleugnet werden, daß die Art und Weise, in der bisher der Magistrat Berlins gewisse Fragen - auch der Wirtschaitspontikbehandelt hat, nicht immer von parteipolitischen Erwägungen und Einengungen frei war. Es muß auch gesagt werden, daß nicht an allen Stellen der Verwaltung ein Höchstmaß an Sachkenntnis und Fähigkeit gewaltet hat. Wir können nur dringend die Erwartung aussprechen, daß es sich der Magistrat Berlins von sich aus angelegen sein läßt, hier Wandel zu schaffen und dafür zu sorgen, daß das, was für Berlin notwendig ist, nicht dadurch leidet, daß drüben ein politisch anders fundierter Magistrat besteht, als es hier in der Bundesregierung der Fall ist. Es kommt darauf an, wirklich eine Koordinierung und eine enge vertrauensvolle Zusammenarbeit herbeizuführen, und zwar auch dadurch, daß sich Berlin von sich aus bemüht, möglichst in allen Punkten, wo es angängig ist, der Gesetzgebung dieses Bundestags dadurch Rechnung zu tragen, daß die Stadtverordnetenversammlung von Berlin ähnliche Rechtsverhältnisse schafft. Nur dann wird es möglich sein, daß eine wirklich enge Zusâmmenarbeit zwischen der Bundesrepublik und dem Magistrat Berlins zustandekommt. Wenn das geschieht, dann wird es - diese Hoffnung möchte ich aussprechen - überflüssig werden, in dem Sinn, wie es in dem Antrag der DP gedacht ist, von Kontrollen und Kommissaren zu sprechen. Ich möchte hoffen, daß diese enge Zusammenarbeit zustandekommt, bei der, wie ich glaube, insbesondere auch der Christlich-Demokratischen Union, wenn sie auch in Berlin eine Minderheitspartei ist, ein wichtiger Anteil zufällt. Auf diese Art wird es möglich sein, in anderer Weise sicherzustellen, daß eine Wirklich sachgemäße und äußerst sparsame Verwendung derjenigen Mittel, die nach Berlin kommen, gewährleistet wird.
Meine Damen und Herren, es ist erforderlich, die Frage Berlin - und ich sage sofort dazu: die Frage Gesamtdeutschland; denn die beiden Fragen gehören aufs allerengste zusammen - auf möglichst breiter Basis hier in diesem Hause zu behandeln, das heißt auf einer Basis, auf der möglichst alle Parteien dieses Hauses zusammenstehen. Ich begrüße daher die Ausführungen, die gestern von Herrn Professor Schmid in diesem Sinn gemacht worden, sind. Es ist aber bedauerlich, daß Herr Dr. Schumacher in seinen Ausführungen am Mittwoch voriger Woche geglaubt hat, den Parteien außerhalb der SPD in Berlin und im Osten mangelnde Festigkeit gegenüber dem totalen Machtanspruch des Kommunismus vorwerfen zu können. Das heißt, daß er gleichzeitig für die SPD offenbar in Anspruch nehmen wollte, daß sie allein den Anspruch auf die Festigkeit dieser politischen Haltung erheben kann. Das hat Herrn Dr. von Brentano zu gewissen Richtigstellungen veranlaßt, die notwendig, aber nicht von uns gewünscht waren. Herr Ollenhauer hat sich in seinen Ausführungen dadurch seinerseits veranlassen lassen, nochmals darauf hinzuweisen, daß eben doch die ChristlichDemokratische Union auch heute noch in der Ostzone Verantwortung trage und daß, soweit Trennung erfolgt sei, sie nur durch Zwang der Besatzungsmächte erfolgt sei; weiter daß das, worauf Herr von Brentano hingewiesen hat - nämlich der Akt der vereinigten Hände vom Frühjahr 1948 -, nur unter Zwang und unter Druck erfolgt sei.
Meine Damen und Herren, diese Darstellung kann nicht unwidersprochen bleiben, denn sie ist unrichtig. Es ist nicht richtig, daß die ChristlichDemokratische Union solange in der Ostzone gearbeitet habe, bis sie herausgeworfen worden sei, sondern wir haben in einem klaren politischen Akt, als wir im Dezember 1947 veranlaßt werden sollten, durch das Mittel des Volkskongresses uns mit zum Träger einer verfälschten Einheitsparole zu machen, Nein gesagt.
({5})
Wir haben alle Folgen dieses Neins in klarer politischer Erkenntnis unserer Situation und unserer Aufgabe auf uns genommen
({6})
Was heute noch in der Ostzone an CDU besteht, ist, soweit es die Führung betrifft, von uns getrennt, und es ist einfach eine Verwischung der Tatsachen, wenn man das nicht sehen will. Die große Menge der Mitglieder und Anhänger der ChristlichDemokratischen Union in der gesamten Sowjetzone Deutschlands steht allerdings fest und ungebrochen zu uns, zu unserer politischen Arbeit und Überzeugung!
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Wenn Herr Ollenhauer hier erklärt hat, daß der Zusammenschluß zwischen SPD und KPD zur Sozialistischen Einheitspartei im Frühjahr 1947-nur unter Zwang und Druck erfolgt sei, so ist dazu zu sagen: dieser Zwang und Druck mag für einen großen Teil der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei in den Ländern der Sowjetzone zugegeben werden, aber er kann nicht zugegeben werden für Berlin.
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Für Berlin hat dieser Zwang und Druck nicht bestanden. Ich berufe mich dabei auf die Meinung und Äußerung einer so wichtigen und für die SPD maßgebenden Zeitung, wie es der „Telegraf" in Berlin ist. Der „Telegraf" in Berlin, dessen einer Lizenzträger als Mitglied in unserem Hause sitzt, hat seinerzeit, als diese Frage bei den Wahlkampfen im August eine Rolle gespielt hat, geschrieben - ich bitte um die Erlaubnis, zitieren zu dürfen -:
. . . . daß die meisten Sozialdemokraten nach den Lehren, die sich aus dem Zusammenbruch der Weimarer Republik ergaben, in einer Arbeiterpartei die Voraussetzung für die Konsolidierung der politischen Verhältnisse in einer neuen demokratischen Republik sahen. Dieser ehrlichen Überzeugung sind sie auch dann noch gewesen, als die Verschmelzung in der Ostzone unter Umständen vor sich ging, die einer Überrumpelung gleichkamen. Die meisten von ihnen, bis auf die, die aus Ehrgeiz oder anderen Motiven handelten, haben ihren Irrtum bald eingesehen. Ein politischer Irrtum ist noch keine Schande.
Ich habe diesen Worten nichts hinzuzufügen, aber es bleibt ein Irrtum und, wie ich hinzusetze, ein äußerst verhängnisvoller Irrtum. Es wäre manches, vielleicht sogar sehr viel in der Entwicklung der letzten fünf Jahre nicht nur in der Sowjetzone Deutschlands anders gelaufen, wenn dieser verhängnisvolle Irrtum im Mai 1946 nicht passiert wäre.
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Es ist nie ein Verbot ergangen, sondern die Sozialdemokratische Partei hat im Mai 194r durch ihre
damals maßgeblichen Vertreter den Händedruck
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vollzogen. Wir hätten diese Frage - das betone ich nochmals - von uns aus nicht angeschnitten, und wir haben auch nicht den Wunsch, sie weiter zu vertiefen, wenn das nicht von Ihrer Seite aus geschehen wäre. Ich kann nur die Hoffnung aussprechen, daß es nicht notwendig ist, weiterhin noch einmal diese Frage zu behandeln, die in der Vergangenheit liegt und die wirklich nun einmal in der Vergangenheit belassen werden sollte.
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Wir werden uns immer wieder dagegen wenden, wenn die Sozialdemokratische Partei versucht, mit derartigen Ausführungen einen Monopolanspruch für sich für eine politische Haltung zu erheben, der ihr nicht zukommt.
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- Herr Professor Schmid, Sie haben eben erklärt, daß Sie auf diese Angelegenheit noch einmal zurückkommen würden. Wir werden dann Gelegenheit haben, darüber weiter zu sprechen.
Meine Damen und Herren! Die Frage Berlin ist der Angelpunkt unserer Aufgaben und Bemühungen um die staatliche Zusammenfügung aller deutschen Länder, und auch die fünf Länder der Sowjetzone sind deutsche Länder. Sie ist , gleichzeitig auch der Angelpunkt der Bemühungen um Europa. Denn Europa wird so lange nicht möglich sein und so lange unter äußersten Schwierigkeiten stehen, wie seine Grenzen kurz nördlich von Würzburg, kurz östlich von Göttingen oder in den Vorstädten von Lübeck liegen. Es handelt sich darum, die Frage Berlin als die Schicksalsfrage unseres Volkes zu sehen. Deswegen sind wir dem Herrn Bundeskanzler dankbar, daß er erklärt hat: in Europa wird keine Ruhe eintreten, wenn die Teilung Deutschlands nicht verschwindet. Darin ist sich - das hat sich aus den bisherigen Debatten ergeben - dieses Haus wohl in seiner überwältigenden Mehrheit einig. Diese Tatsache bedeutet eine große Ermutigung für die Menschen in Berlin und in der Sowjetzone Deutschlands. Denn Berlin ist das Unterpfand dieser einst kommenden Zusammenfügung. Es ist das Unterpfand eines Deutschland, das in seiner Gesamtheit in Selbständigkeit und Freiheit seine politische, wirtschaftliche und soziale Ordnung bestimmen wird.
Das bedeutet keine außenpolitische Rückenwendung gegen den Osten. Wir in der Sowjetzone und in Berlin wollen das am allerwenigsten. Wenn die Frau Abgeordnete Wessel davon gesprochen hat, daß unsere politischen Bemühungen sowohl dem Osten wie dem Westen gelten, so stimmen wir dem durchaus zu. Es handelt sich aber darum, daß sich diese Beziehungen nicht so entwickeln, daß wir die Befehlsempfänger gegenüber einem absoluten ideologischen und politischen Machtanspruch sind. Wir. wollen uns demgegenüber bemühen und versuchen, Partner einer friedlichen europäischen Ordnung zu werden. Das - und das allein - ist das Ziel unseres Widerstandes in Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun, wie es im Ausland gelegentlich gesagt wird. Wir verteidigen nichts anderes als die elementaren Gegebenheiten unseres Lebens. Wir verteidigen nichts anderes als die einfachsten
Menschenrechte, die wir allerdings auch für uns als Deutsche des Ostens in Anspruch nehmen.
Der Existenzkampf Berlins hat auch innerpolitisch nichts mit Zentralismus zu tun, wie es hier von dem Sprecher der Bayernpartei vor einigen Tagen angedeutet wurde. Er hat geglaubt, diesen Kampf Berlins in Verbindung bringen zu sollen mit alten preußischen Vormachtsvorstellungen oder mit Vorstellungen eines zentralistischen Staatsaufbaus. Wir wollen doch eine solche Verwechslung nicht vornehmen! Gesamtdeutsches Wollen hat nichts mit Zentralismus zu tun. Gewiß, Berlin ist in der Vergangenheit wohl der Sitz preußischer Politik, und wir setzen hinzu, preußischer Machtpolitik gewesen. Aber vergessen wir doch nicht, daß seitdem eine tiefe Zäsur unseres gesamten politischen und nationalen Lebens eingetreten ist. Das, was Berlin in den letzten Jahren erlebt hat, bedeutet einen so vollständigen Niederbruch und einen so vollständigen Neuanfang, daß wir wirklich nur darum bitten können: Beurteilt Berlin ausschließlich nach den gegenwärtigen neuen Kräften, die sich dort entwickeln! Wir kämpfen dort wahrhaftig nicht u x Zentralismus und neue Machtgeltung. Wir kämpfen dort ganz einfach um unser Leben. Wir kämpfen darum, daß eine demokratische Ordnung auch dort gesichert und gewährleistet bleibt, um weiter gar nichts. Wir bejahen den Grundgedanken des Föderalismus als die politische Konzeption, die die politischen Gewichte möglichst weit nach unten, in die Länder und in die Gemeinden, verlegt und nichts Überflüssiges zentralisieren will. Aber wir möchten wünschen, daß der Begriff Föderalismus bei uns allen auch in seinem positiven Gehalt gesehen wird. In der Geschichte der Vereinigten Staaten von Nordamerika waren im 18. Jahrhundert, als es zum Zusammenschluß der Einzelstaaten kam, die Föderalisten diejenigen, die den Zusammenschluß im Bunde wollten.
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Sie nannte man damals Föderalisten, und die anderen, die ihn nicht wollten, waren die Gegner der Föderalisten. Wir im Osten möchten allerdings auch in Deutschland den Begriff Föderalismus in diesem seinem positiven Gehalt bewertet und angesehen wissen. Sie werden verstehen, daß gerade vom Standpunkt des Ostens aus ein allzu lockerer Bund für uns nicht die Stütze und Hilfe ist, die wir wollen. Ein Bund, der letzten Endes den Ländern drüben keine effektive Stütze und Hilfe sein könnte, wäre nicht das, was gerade der Osten braucht. Deswegen unser Verlangen nach einem wirklich lebensfähigen Bundesstaat. Noch einmal: Beurteilen wir die Frage Berlin nicht immer aus der Vergangenheit heraus, vor allem nicht in einer Situation, wo ein bitteres und furchtbares Schicksal diese Vergangenheit endgültig zertrümmert hat, sondern beurteilen wir die Frage Berlin und Osten nur aus den Gegebenheiten des gegenwärtigen Schicksalskampfes, der dort von dem deutschen Volk geführt wird!
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat in der Ansprache, die er nach seiner Wahl hier vor der Bundesversammlung gehalten hat, der Auffassung Ausdruck gegeben, daß die Demokratie in Deutschland nur deswegen zu einer so schwächlichen Entwicklung gekommen ist, weil sie niemals erkämpft wurde, sondern im allgemeinen dem Volke als das Ergebnis einer Niederlage beschert wurde. Das mag im ganzen richtig sein. In Berlin ist ein neues Kapitel der Geschichte der deutschen Demokratie aufgeschlagen. Dort drüben
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in Berlin und in der Sowjetzone haben zum ersten Male Deutsche um ihre Demokratie gekämpft,
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und bisher haben sie diesen Kampf bestanden.
Wir bitten um nichts anderes, als daß das gesamte deutsche Volk die große politische Schicksalsbedeutung dieses Kampfes sieht. Aus den harten Erfahrungen der letzten Jahre ist dort eine neue politische Gesinnung entstanden. Ich glaube, wenn einmal das deutsche Volk sich wieder in einem gemeinsamen Staate zusammenfindet, dann werden wir feststellen, daß die 21 Millionen Deutschen da drüben die besten Träger einer neuen deutschen Demokratie sein werden, die überzeugtesten Kämpfer dafür, daß wir unser staatliches Leben zusammen ordnen wollen unter Zusammenfassung der beiden wichtigsten tragenden Elemente, der Freiheit einerseits und der sozialen Gerechtigkeit andererseits.
Ich bin weiter der Ueberzeugung - das möchte ich' allen denen sagen, die Sorge um Europa haben, wenn sie die Fragen Gesamtdeutschlands bedenken -, daß diese 20 Millionen da drüben auch die treuesten Anhänger eines vereinten Europas sein werden; denn sie haben da drüben am eigenen Leibe erfahren, welches die tragenden Werte dieses Europa sind; sie wissen aus der Erfahrung, was es heißt, sein Leben führen zu können in einer Ordnung, in der die Achtung vor der Person und die Anerkennung der Menschenrechte tragende Fundamente sind. Es scheint mir alles darauf anzukommen, diese deutsche Bundesrepublik so zu entwickeln, daß sie in diesem Sinne eine starke Anziehungskraft wird für das gesamte deutsche Volk auch jenseits des Eisernen Vorhangs. Das geht nicht in Resignation vor allen möglichen Gefahren, sondern nur mit einem positiven Mut und einem aktiven Vertrauen in die Zukunft unseres Volkes, die uns bald in einen gemeinsamen Staat zusammenführen wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hamacher.
Meine Damen und Herren! Wer der Frage Berlins mit der unbedingt notwendigen Sachlichkeit gegenübertreten will, muß sich meines Erachtens von den Affekten freimachen, die wir bei einer politischen Rückschau in die Vergangenheit - zum Teil wenigstens - im Süden, im Westen und auch in Norddeutschland noch feststellen können. Diese Affekte verbinden sich mit dem Charakter Berlins als der Hauptstadt Preußens und der ehemaligen Monarchie der Hohenzollern. Wenn wir auch dem Bürgertum der mittelalterlichen Fischerstadt auf keinen Fall absprechen können, daß es Initiative entfaltet und Wagemut gezeigt hat, so ist doch die Stadt Berlin das, was sie vor ihrer Zerstörung war und im Laufe der Jahrhunderte geworden ist, nur dadurch geworden, daß sie Fürstenresidenz und Residenz der Hohenzollern war.
Es würde gut sein, wenn wir uns von diesen aus einer Rückschau herrührenden Affekten freimachen würden, damit wir dem gegenwärtigen Berlin mit der größten Sachlichkeit und Unbefangenheit gegenübertreten. Wir sollten uns im Hinblick auf die zu erwartende Entwicklung der Stadt Berlin, im Hinblick auf ihre Bedeutung für Deutschland und Europa von solchen Affekten freihalten und uns auf das Thema beschränken, über das Frau Louise Schroeder hier in solcher Meisterschaft vorgetragen hat, daß ich wohl sagen darf: einen besseren Anwalt als Frau Louise Schroeder konnte die Stadt Berlin wohl nicht hierher schicken.
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Denn sie hat es verstanden, uns das, was Berlin in den letzten Jahren erduldet und geleistet hat, so lebendig vor Augen zu führen, daß man wohl nicht zu weit geht, wenn man sagt, daß das ein Heldenepos der Stadt Berlin der letzten Jahre genannt werden kann.
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Um dieses Heldenepos nicht in seiner Auswirkung zu beeinträchtigen, möchte ich auf längere Ausführungen verzichten und mich darauf beschränken, drei Gesichtspunkte hervorzuheben. Wir sollten Berlin sehen erstens als eigenständigen Organismus, zweitens als Vorort des deutschen Ostens und drittens als neuralgischen Punkt Deutschlands und der Europapolitik. Gerade um das, was an der Betonung dieses dritten, aber auch des zweiten Punktes wichtig ist, nicht zu gefährden, möchte ich auf die Ausführungen hinweisen, die Frau Louise Schroeder über die letzten drei Jahre gemacht hat, und auch auf die Forderungen, die sie aufgestellt hat.
Diese Forderungen sind so klar umrissen und herausgestellt worden, daß es überflüssig ist, zu diesen Fragen noch weiteres zu sagen. Gelingt es uns, den eigenständigen Organismus der Stadt Berlin weiter zu beleben, erstens aus der eigenen Kraft der Stadt Berlin, zweitens aus der Unterstützung heraus, die Frau Louise Schroeder gefordert hat, und zwar nicht in der Form des Almosens, sondern in der Form wirtschaftlicher Hilfe, wirtschaftlicher Zusammenarbeit, dann werden wir auch die Erfüllung der zweiten Aufgabe vorbereiten können, daß nämlich Berlin, ähnlich wie vor etwa tausend Jahren Magdeburg der Vorort des deutschen Aufbaus im Osten war, jetzt wiederum Vorort des deutschen Ostens wird, wie diese Stadt es in den vergangenen Jahrhunderten, vor allen Dingen aber in den letzten Jahrzehnten gewesen ist.
Wer Gelegenheit hatte, Berlin vor seiner Zerstörung, in den Jahren zwischen dem ersten und dem zweiten Weltkrieg, näher kennenzulernen, der wird mir zustimmen, wenn ich sage, daß diese Stadt Berlin mehr oder minder die Hauptstadt von Schlesien, von Ostpreußen, von Pommern und von Brandenburg gewesen ist und daß von dieser Stadt nicht nur sehr viele Verkehrslinien ausgingen, sondern auch ein wirtschaftlicher, ja auch ein geistiger Impuls nach dem Osten ausstrahlte und daß ohne Berlin dieser Osten und sein Wiederaufbau nicht zu denken ist.
Was nun die dritte Frage, Berlin als neuralgischer Punkt angeht, so möchte ich darum bitten und vor allen Dingen an die Antragstellerin die Bitte richten, daß mit Rücksicht auf diese außerordentliche Gefährdung des außenpolitischen Aspekts der Zusatzantrag, Berlin schon jetzt als Hauptstadt in Aussicht zu nehmen, zurückgezogen, zumindest aber dem Ausschuß überwiesen wird. Denn diese Frage bedarf einer sehr sorgfältigen Erörterung,
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so daß wir von hier aus und aus dem Augenblick heraus diese Frage nicht entscheiden können.
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- Wenn ich die Zwischenrufer richtig verstanden habe, darf ich wohl annehmen, daß dem entsprochen wird.
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- Darf ich dann bitten, mir diesen Antrag von Frau Schroeder nochmals zu nennen?
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Entschuldigen Sie! Über welchen Antrag haben Sie denn gesprochen, Herr Abgeordneter?
Über den Zusatzantrag, Berlin als zukünftige Hauptstadt in Aussicht zu nehmen!
Das ist der Antrag Drucksache Nr. 3, erster Absatz:
Der Bundestag bekennt sich zu Berlin als dem demokratischen Vorposten Deutschlands. Er erklärt feierlich vor aller Welt, daß nach dem Willen des deutschen Volkes Groß-Berlin Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland und ihre Hauptstadt sein soll.
Dieser letzte Satz ist als Zusatzantrag gestellt worden, und dieser Zusatzantrag hat, soweit ich habe feststellen können, eine solche Stimmung ausgelöst, daß ich dafür plädieren möchte, ihn zur weiteren Beratung dem Ausschuß zu überweisen.
Gestatten Sie mir nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, noch eine ergänzende Bemerkung. Wenn Frau Louise Schroeder auch dem Westen Deutschlands ihre Anerkennung ausgesprochen hat, wenn sie ferner vor allen Dingen die Leistungen der Stadt Berlin herausgestellt und die Luftbrücke rühmend erwähnt hat, dann darf ich darauf hinweisen, daß gerade diese Luftbrücke, wenn ich recht orientiert bin, dadurch ins Leben gerufen wurde, daß Bischof Dibelius von der Evangelischen Kirche und Kardinal Graf Preysing von der Katholischen Kirche bei der internationalen Tagung des Roten Kreuzes die Hilfe für Berlin gefordert haben und diese Anregung dann bei dem amerikanischen Kardinal Spellman eine solche Wirkung ausgelöst hat, daß daraufhin der Gedanke einer Luftbrücke in Erwägung gezogen und schließlich in die Tat umgesetzt wurde.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen, meine Damen und Herren. Wir sind uns alle klar darüber - und was uns noch an Wissen und Oberzeugung fehlte, hat uns Frau Louise Schroeder vermittelt -: Berlin muß geholfen werden, damit dem deutschen Osten wieder geholfen werden kann!
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reif.
Meine Damen und Herren! Nach dem Inhalt des Antrags, den die sozialdemokratische Fraktion dem Haus vorgelegt hat, sollte man eigentlich annehmen, daß dieses Haus heute einen großen Tag hat. Ich glaube jedenfalls, daß in Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone viele Tausende von Menschen in Erwartung eines großen Tages heute am Lautsprecher sitzen. Denn es geht ja um nicht mehr und nicht weniger als darum, die Bundesregierung zu ersuchen, mit den alliierten Kommissaren erneut über die Frage der vollen Inkraftsetzung des Artikels 23 der Verfassung zu sprechen. Wenn wir diesem Beschluß Erfolg wünschen - was wir ja doch tun -, wenn wir die Erfüllung dieses Wunsches erleben, dann, meine Damen und Herren, ist Berlin zwölftes Bundesland. Es ist also immerhin eine Angelegenheit von recht großer nationaler Bedeutung, über die hier gesprochen wird.
Ich kann es mir nicht versagen festzustellen, daß ich im Verlauf dieser Diskussion doch darüber etwas bekümmert gewesen bin,
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daß hier Auseinandersetzungen für notwendig gehalten wurden, die auch stattfinden müssen, aber nicht hier bei dieser Gelegenheit, von der die Nation erwartet, daß wir uns dem Gegenstand entsprechend verhalten.
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Meine Damen und Herren, Berlin in seinem Freiheitskampf ist eine so besondere Erscheinung, daß ich sagen möchte: es war schon richtig, daß und wie Frau Schroeder uns diese Entwicklung Krieg erschöpft hat, jetzt darum bitten muß, daß kann eigentlich nur eine Frau.
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Nicht so sehr deshalb, weil es ausschließlich eine Angelegenheit der Hausfrauen gewesen ist. Aber wir sollen nicht vergessen, daß dieser Kampf um die demokratische Freiheit, den die Berliner Bevölkerung gekämpft hat, nicht auf den Barrikaden und nicht mit dem Pathos großer Leidenschaften gekämpft werden konnte, sondern daß es der Kampf des grauen Alltags gewesen ist, den jede einzelne Familie tagtäglich und nächtlich zu bestehen hatte. Das ist die moderne Form des Krieges, meine Damen und Herren, wirklich des Krieges. Das ist ein Krieg, der mit wirtschaftlichen und sozialen Mitteln geführt wird. Das ist auch der tiefste Grund dafür, daß Berlin, das sich in diesem Krieg erschöpft hat, jetzt darum bitten muß, daß ihm geholfen wird.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir das harte Wort: Die Front bittet darum, daß ihr geholfen wird. Diejenigen in diesem Hause, die Soldaten waren, werden ermessen können, mit welchen Empfindungen das ausgesprochen wird. Wir haben manchmal das Gefühl gehabt, daß wir hier in Westdeutschland - nicht in diesem Hause und nicht im Parlamentarischen Rat, aber in manchen Wirtschaftskreisen hier in Westdeutschland - doch so etwas mit den Augen desjenigen betrachtet werden, der, wie das auch im Felde war - ich habe leider an zwei Weltkriegen teilnehmen müssen -, in der Etappe saß und auf das arme Frontschwein etwas hochnäsig herabsah. Dieses Empfinden hat man hier manchmal gehabt. Ich habe mich gefreut, daß durch die eindeutigen Erklärungen, die sowohl der Herr Bundespräsident nach seiner Vereidigung als auch der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung in bezug auf die Berlin-Frage hier abgegeben haben, diesem Geist das Paroli geboten wurde.
Ich sagte, meine Damen und Herren, Berlin kämpft einen Wirtschaftskrieg, und ich muß ein Wort über die Berliner Wirtschaft sagen. Selbstverständlich hat sie unter ganz anderen und viel schwierigeren Voraussetzungen die Arbeit für den Wiederaufbau aufnehmen müssen als Sie hier in
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Westen. Das Demontageproblem ist, wie Frau Schroeder gesagt hat, leider bei uns sehr rasch erledigt worden, aber sehr gründlich. Die Berliner Wirtschaft hat nicht bis zur Währungsreform die Möglichkeit gehabt, auf Bankkonten zurückzugreifen. Erst jetzt steht für uns die Frage zur Diskussion, und wir hoffen, daß die Diskussion in diesem Hause dazu beiträgt, die Lösung zu beschleunigen, daß nun endlich die Alliierten uns gestatten, in dem Maße, wie es die Währungsreform hier im Westen vorzeichnet, die sogenannten Uralt-Konten wieder aufleben zu lassen.
Die Berliner Wirtschaft hat 50 Prozent ihrer gewerblichen Erzeugung früher im deutschen Osten abgesetzt. Vom deutschen Westen ist sie schon im Jahre 1942 durch die Maßnahmen der Kriegswirtschaft weitgehend abgeschnitten worden. Dann kam die Zonentrennung, dann kam der Eiserne Vorhang, und dann kamen die Perioden der Währungsreformen, zunächst die zweigleisige Währungsreform in Berlin, die es unserer industriellen und gewerblichen Wirtschaft noch immer gestattete, mit Hilfe eines wenn auch ungesunden Kalkulationsprinzips sich durchzuhalten, bis schließlich aus politischen Gründen die volle Einführung der Westmark in Berlin Wirklichkeit wurde. Wir haben sie selbst gefordert, meine Damen und Herren, weil wir es aus politischen Gründen tun mußten. Wir waren uns aber darüber klar, welche Opfer die Verwirklichung dieser Forderung für die Berliner 'Wirtschaft mit sich bringt.
Diese Berliner Wirtschaft hat während der Zeit der Berliner Blockade eine Einsicht in die sozialen Notwendigkeiten bewiesen, die bewundernswert ist. Die Berliner Betriebe haben in dem Bewußtsein, daß Arbeitslosigkeit nicht die Blockade belasten darf, ihre Belegschaften durchgehalten, soweit es nur immer ging. Meine Damen und Herren, diese Betriebe können heute nicht mehr; sie haben ihre Substanz, ihre letzte Substanz verloren. Nun ist die Frage, wie man der Berliner Wirtschaft helfen kann. Darauf kommt es schließlich jetzt an. Wenn wir die Gefahr der Arbeitslosigkeit in Berlin bannen wollen, die erschreckend wächst - und das ist eine eminent politische Gefahr -, ich sage: wenn wir diese Gefahr der Arbeitslosigkeit bannen wollen, dann müssen wir der Berliner Wirtschaft helfen, und das ist nun nicht eine so einfache Angelegenheit, daß wir das auf einen Generalnenner bringen könnten, sondern darüber werden wir im Berlin-Ausschuß dieses Hauses uns sehr gründlich unterhalten müssen. Denn diese Berliner Wirtschaft ist eine sehr komplizierte Angelegenheit.
Man kann nicht etwa einfach sagen: wir brauchen Investitionskredite. Gewiß, hier und dort werden Investitionskredite dringend gebraucht. Es gibt aber große Teile der Berliner Wirtschaft, wo das vollkommen sinnlos wäre. Alle aber, meine Damen und Herren, brauchen Absatz, und ich kann das nur unterstreichen, was Frau Schroeder hier gesagt hat: die private Wirtschaft und die öffentliche Wirtschaft hier im Westen müssen Anstrengungen machen, um auf dem Wege über den Absatz der Berliner Produktion zu helfen. Sie müssen Anstrengungen machen. Das ist nicht bloß eine Angelegenheit des geschäftlichen Kalküls, sondern ich bitte Sie noch einmal, daran zu denken: wir stehen noch im Krieg, in einem grausamen kalten Krieg mit einem unerbittlichen Gegner, und die Frage, ob wir uns in diesem Krieg behaupten oder nicht, ist die Lebensfrage Deutschlands. Das klingt vielleicht pathetisch, meine Damen und Herren.
Wir sprechen es gar nicht gern aus, und wir sind sogar bedrückt, wenn im Westen in Versammlungen über Berlin gesprochen und sehr gute Worte gefunden werden. Wir sind in diesen Dingen außergewöhnlich nüchtern. Wir haben um die Demokratie gekämpft ohne jeden Nationalismus und ohne jeden Chauvinismus. Auch das ist ein großes Aktivum für Deutschland. Wir haben der Welt gezeigt, daß es nicht nötig ist, mit nationalistischen und chauvinistischen Methoden aufzuwarten, um die Freiheit zu verteidigen. Wir haben gezeigt, daß es nur notwendig ist, seine staatsbürgerliche Pflicht zu tun. Wir haben diese Pflicht für Berlin getan, und wir haben diese Pflicht in dem Bewußtsein getan, daß wir damit Deutschland retten. Wir verlangen von Ihnen, meine Damen und Herren, nicht mehr und nicht weniger, als daß Sie ganz unpathetisch und ganz nüchtern erkennen, daß die Berliner Frage eine, im Augenblick allerdings vielleicht die dringlichste Angelegenheit einer nationalen Realpolitik ist.
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Nichts anderes verlangen wir von Ihnen, als daß Sie nüchtern die Folgerungen aus dieser Lage ziehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit, da das Hohe Haus in eine Debatte über Berlin eingetreten ist, dazu benutzen, um vor dem Forum des Deutschen Bundestags einmal klarzustellen, wie die Bayernpartei zur Berliner Frage steht oder über die sogenannte Berliner Frage denkt.
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Wir betrachten den Kampf, den Berlin in den vergangenen Wochen und Monaten geführt hat, ähnlich dem, den -Wien zur Zeit der Türkenkriege bestanden hat. Auch damals waren in Deutschland zentralistische Kräfte am Werk, dargestellt durch das Haus Habsburg, die das Eigenleben der deutschen Länder bedrohten. Trotzdem ist damals der, bayerische Kurfürst Max Emanuel mit bayerischen Truppen nach Wien gezogen, um die Hauptstadt des damaligen Reiches gegen den Ansturm aus dem Osten zu verteidigen.
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Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß Berlin und seinen Bewohnern, das in den letzten Wochen und Monaten auch die Rolle eines Wellenbrechers der abendländischen Kultur, des Christentums und der Zivilisation gegen den Osten übernommen hat, die volle materielle und ideelle Unterstützung aller deutschen Staaten und Länder und des ganzen deutschen Volkes gebührt.
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Daß es der Bayernpartei mit dieser Erklärung, die ich jetzt offiziell abgegeben habe, auch in der Vergangenheit ernst war, kann ich Ihnen schon dadurch beweisen, daß sie sich im vergangenen Jahr, als in München auf dem Königsplatz eine Vertrauenskundgebung aller demokratischen Parteien für Berlin stattfand, auch daran beteiligte und den stellvertretenden Landesvorsitzenden als Redner dafür beauftragte.
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Überdies darf ich sagen, daß einer unserer maßgebendsten Männer durch seine persönlichen Verhältnisse in der Lage war, sich sehr stark für die Kinderhilfe Berlins in Bayern einzusetzen.
Aus dieser Einstellung zu Berlin heraus sind wir von der Bayernpartei heute auch in diese Sitzung gekommen, meine Damen und Herren, in der Meinung, hier Zeuge zu werden und mitwirken zu können an einer Sympathie- und Vertrauenskundgebung, an einem Bekenntnis des gesamten deutschen Volkes und des Deutschen Bundestags für die deutsche Stadt Berlin.
Nehmen Sie es mir als Sprecher der Bayernpartei nicht übel, wenn ich Ihnen sage: Wir, denen man so gern vorwirft, wir wollten uns vom deutschen Schicksal lösen, hätten eigentlich erwartet, daß der Verlauf der heutigen Debatte ein anderer gewesen wäre. Wir haben es mit einigem Befremden zur Kenntnis genommen, daß die Redner oft vor 'nahezu leeren Bänken gesprochen haben und daß man etwas zerredet hat, was Gelegenheit zu einer patriotischen Demonstration des Deutschen Bundestags hätte sein können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es kommt hier weniger auf eine Art Demonstration an. Es kommt auch weniger darauf an, hier auf die interfraktionellen Auseinandersetzungen zwischen den West-Berliner Parteien einzugehen, als auf die Frage, wie dem Problem Berlin grundsätzlich beigekommen und wie Berlin geholfen werden kann. Dabei scheint es mir so, als ob einige Vertreter, die zweifellos mit einer ausgezeichneten Intelligenz ausgestattet sind, offensichtlich das vergessen haben, was sich in den letzten Tagen in diesem Hause abgespielt hat: als nämlich im Zusammenhang mit der Diskussion über die Regierungserklärung einige Scherben außenpolitischer Art angerichtet worden sind, die unsere Arbeit für unser deutsches Volk erschweren. Ich bin auch der Auffassung, daß einige Ausführungen, die bis jetzt gemacht worden sind, nicht nur der Lösung des Problems Berlin nicht dienen, sondern geradezu geeignet sind, Barrieren aufzurichten. Man spricht über Folgeerscheinungen, die sich heute in West-Berlin äußern, anstatt der Frage der Ursachen näherzutreten, die dazu eführt haben. Es wäre zweckmäßig und richtig, darauf einzugehen. Denn wir können nicht heilen und überwinden, wenn wir ein Pflaster draufkleben. Das können wir vielmehr nur, wenn wir den Krankheitsherd beseitigen.
Ich glaube, in diesem Zusammenhang, ohne daß ich auf eine politische Bilanz der Entwicklung in Berlin einzugehen brauche - obgleich es interessant wäre -, doch die Feststellung treffen zu müssen, daß sich als Ursache für die Entwicklung in WestBerlin die vollzogene Spaltung ergibt. Hier scheint mir vielleicht auch für die Vertreter West-Berlins der Hinweis zweckmäßig zu sein, daß diese Spaltung von westlicher Seite bereits im Jahre 1947, vor der Londoner Konferenz beschlossen worden ist. Ein maßgebender wirtschaftlicher Vertreter der Wallstreet, der Berater des im Zuge einer gewissen außenpolitischen Demontage Washingtons abberufenen Generals Clay, nämlich Louis Brown'. hat vor der Londoner Außenministerkonferenz in seiner Denkschrift an das Washingtoner Kriegs-und Außenministerium nicht allein die Spaltung Deutschlands, sondern auch die Spaltung Berlins verlangt. Es ist auch darauf hinzuweisen, daß in diesem Zusammenhang bereits vor der Londoner Außenministerkonferenz die separate Währungseinführung der Westmächte beschlossen und die neuen Noten bereits in Washington gedruckt worden waren. Wenn das der Ausgangspunkt dessen gewesen ist, was sich dann als Folgeerscheinung für West-Berlin in Zahlen ausdrückt, die zum Teil Frau Schroeder genannt hat und die ich nachher noch mit einigen wenigen ergänzenden Zahlen untermauern möchte, dann wird das entscheidende Problem wohl sein: Wenn Berlin geholfen werden soll und muß, muß die Ursache der Folgeerscheinungen beseitigt werden.
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Wenn wir uns nur eine kurze Übersicht fiber die materielle Bilanz der Spaltung Berlins vor Augen führen, müssen wir auch die Frage aufwerfen, ob und inwieweit auch westdeutsche Vertreter, bewußt oder unbewußt, sich in die Konzeption Washingtons eingeschaltet und dadurch ihr Teil mit zu den Erscheinungen beigetragen haben, zu denen wir heute im Bundestag auf Grund der Anträge Stellung zu nehmen haben.
Eine gewisse Überprüfung dieser Haltung dürfte auch für die Vertreter West-Berlins notwendig sein. Die Reden der Kollegen Dr. Schumacher und Dr. Carlo Schmid haben zumindest den Anschein erweckt, als ob auch in der Führung der Sozialdemokratischen Partei einige Erwägungen darüber angestellt werden, als ob man ,auch außenpolitisch mit Realitäten, mit Fakten zu rechnen beginnt. Daran müßte sich nach meiner Auffassung konsequenterweise vielleicht eine Korrektur der Haltung in der Frage Berlin anschließen.
Meine Damen und Herren! Wenn ich vorhin auf die Tatsache hingewiesen habe, daß die Folgeerscheinungen, die wir jetzt vor uns haben, das Ergebnis der Spaltung Berlins sind, so hat Frau Schroeder einige Tatsachen genannt. Ich glaube, wenn heute in Berlin 240 000 Arbeitslose und rund 80 000 Kurzarbeiter sind, das heißt jeder vierte Arbeitnehmer arbeitslos ist, wenn nach denselben Angaben insbesondere 40 Prozent der weiblichen Jugend hart getroffen und arbeitslos und 20 Prozent der männlichen Jugend arbeitslos sind, wenn nach den Erklärungen von Herrn Heinemann auf dem Kongreß des FGB in Frankfurt in Berlin gegenwärtig 40 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos bzw. zur Kurzarbeit verurteilt sind, dann -sind das die sozialen Folgeerscheinungen, die sich auf dem wirtschaftlichen Sektor nach den mir zur Verfügung stehenden Zahlen in der Richtung auswirken, daß gegenüber Dezember 1948 die Westberliner Ausfuhr um 45 Prozent in der Hauptausfuhr, in der der Elektrotechnik um rund 50 Prozent zurückgegangen ist und daß, um nur eine Teilfrage anzuschneiden, nach einem Bericht der „Kölnischen Rundschau" vom 24. 8. 1949 die Frage der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, soweit es sich um den Bausektor handelt, sich so gestaltet:
Der Baustoffhandel berichtet, daß er nach der Aufhebung der Blockade bemüht war, die Baustofflager in erheblichem Umfange aufzufüllen. Während früher ein beträchtliches Quantum an Baustoffen aus der Ostzone geliefert wurde, wird heute der größte Teil aus den Westzonen bezogen, was zur Verteuerung führt. Die Folgen davon sind, daß das Berliner Baugewerbe im Augenblick nur 30 000 Mann benötigt. Es könnten aber nach Aufhebung der
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Blockade 100 000 Arbeitskräfte untergebracht werden, und damit könnte gleichzeitig 300 000 bis 400 000 Menschen Arbeit und Brot gegeben werden.
In diesen Ausführungen ist bereits ein Fingerzeig gegeben, wie Berlin geholfen werden kann.
Aber noch eine andere Frage. Wenn Frau Schroeder vorhin von dem sozialen Elend sprach-mir liegt eine Zahl von 91 Selbstmorden in einem Monat in Westberlin vor -, dann dokumentiert sich das wohl auch in den Finanzzahlen der Stadt Berlin. Ich glaube, es war der ,,Sozialdemokrat" vom 30. 6. 1949, der unter der Überschrift „Der Berliner Etat politisch bedingt" unter anderem auf die Zahlen eingegangen ist, die ich ergänzend im Zusammenhang mit dem, was von Dr. Adenauer bereits in seiner Rede erwähnt worden ist, ganz kurz noch betrachten möchte. Ich glaube, ich täusche mich nicht, wenn West-Berlin in 15 Monaten bisher einen Zuschuß von insgesamt 1 Milliarde 132 Millionen D-Mark bekommen hat. Wie die politische Belastung dieses Etats aussieht, das ergibt sich einmal aus der Zahl von 270 Millionen D-Mark Besatzungskosten. In dem außerordentlichen Etat werden ferner 40 Millionen D-Mark für Flugplatzbauten ausgegeben, 60 Millionen D-Mark für Währungsumstellungskosten und 200 Millionen D-Mark an Subventionen, teilweise um die Lebensmittelpreise - politisch - zu gestalten, zum andern, um die Transporte der Luftbrücke bezahlen zu können. Denn wenn die Tonne Kohle nach Berlin etwa mit einem Preis von 32 D-Mark angesetzt werden darf, ergibt sich eine ungefähre Belastung für den Transport über die Luftbrücke von 105 Dollar pro Tonne. Ich bin davon überzeugt, daß, wie aus den Berichten zu entnehmen ist, die englischen privaten Luftfahrtgesellschaften, die in die Luftbrücke eingeschaltet sind, wohl selten derartig ausgezeichnete Gewinne gemacht haben wie an dieser Luftbrücke.
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Treten wir nun aber der Frage näher: wie kann Berlin geholfen werden? Frau Schroeder. die rein vernunftmäßigen Erwägungen besagen, daß Berlin nicht nur in der „Mitte Deutschlands", wie in der „Deutschen Zeitung", der früheren „Wirtschaftszeitung", vom 16. Juli dieses Jahres zum Ausdruck gebracht worden ist, seine Bedeutung hat, sondern: „im Güteraustausch zwischen Ost und West liegt die wirtschaftliche Zukunft Berlins beschlossen und ein gut Teil der Zukunft ganz Deutschlands, das somit auch mit seiner alten Hauptstadt verbunden bleibt". Daraus dürfte sich, glaube ich, logischerweise eine zwingende Schlußfolgeriung ergeben. Ails der natürlichen wirtschaftlichen Verbundenheit Berlins mit dem Osten und der Ostzone - ich glaube, Ihre eigenen Zahlen des Wirtschaftamts dürften wohl nicht trügen, wenn festgestellt wird, daß die Absatzstatistik von den rund 850 000 Westberliner Arbeitnehmern für ostexportfähige Industrie- und Handwerksbetriebe allein 315 000 Beschäftigte einsetzen läßt - ergibt sich bereits evident, daß eine Gesundung Berlins nur durch die Erschließung des Handels, Verkehrs und Absatzes nach dem Osten und der Ostzone möglich ist. Hier scheint mir der entscheidende Faktor bei einer nüchternen, durch keinerlei Haß oder parteimäßige Einstellung bedingten Haltung und Überpriifung hinsichtlich der Frage, wie Berlin geholfen werden kann, zu liegen.
Glauben Sie, Frau Schroeder, daß West-Berlin geholfen werden kann, wenn es, wie es die Anträge verlangen, an Westdeutschland angeschlossen wird, von dem vor wenigen Tagen erst durch das brutale
Diktat der drei Vizekönige gewissen westdeutschen Politikern eindeutig vor Augen geführt worden ist, wer in Wirklichkeit das Zepter und die Macht in Händen hat? Durch diese Entscheidungen ist ebenso wie durch die Demontagepolitik, die heute diskutiert worden ist, eindeutig erhärtet worden, daß die Politik Washingtons, der Wallstreet und Londons in Deutschland gar nicht um unserer schönen Augen willen, sondern ausschließlich zu dem Zweck betrieben wird, um Deutschland wirtschaftlich nicht hochkommen zu lassen, die Entwicklung einer eigenen, und zwar dem deutschen Volke dienenden Exportindustrie zu verhindern und Westdeutschland zum Absatzgebiet ihrer eigenen Exportwünsche zu machen. Glauben Sie denn, daß West-Berlin, wenn es sich an Westdeutschland anschließt, auch nur die geringste Chance hätte, aus dieser Situation herauszukommen? Ich glaube, die Annahme dieser Anträge würde höchstens eine Galvanisierung des gegenwärtigen Zustandes bedeuten. Ich fürchte, daß angesichts der begonnenen und sich weiter entwickelnden Krise der amerikanischen Wirtschaft - wir wollen es nicht wünschen, aber es muß befürchtet werden - der Abstieg und das wirtschaftliche Absterben auch West-Berlins wahrscheinlich in einem noch viel größeren Tempo vor sich gehen würde, und das wollen wir nicht.
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Ich sage noch einmal, daß hier ausschließlich vernunftgemäße Überlegungen eine Rolle spielen dürfen. Wir wollen, daß ein Weg gefunden wird, der Berlin hilft, und dieser Weg ist und kann nur sein, daß von deutscher Seite aus, ohne daß Barrieren errichtet werden - und ich freue mich, daß ich hier einige Stimmen der Vernunft hören konnte -, im Interesse auch des Lebens der Berliner Bevölkerung der Weg zur Einheit Berlins gegangen wird. Um zu dieser Einheit zu kommen, sind die Arme und die Hände, die ausgestreckt wurden,
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unter dem Augurenlächeln bestimmter Leute in Transozeanien zurückgewiesen worden.
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Wenn wir zu dieser Einheit kommen, wird Berlin auch leben, und Berlin wird und kann nur leben in seiner Einheit und in einem einheitlichen Deutschland.
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Es erhält jetzt als letzter Redner des Hauses der Herr Abgeordnete Fröhlich das Wort. - Der Herr Abgeordnete Fröhlich ist nicht da.
Ich erteile nunmehr Herrn Bundesminister Kaiser das Wort.
Meine Damen und Herren! Sie werden es gewiß verstehen, wenn ich mich veranlaßt fühle, ein kurzes Wort zu dem großen, uns allen bewegenden Anliegen Berlin zu sagen. Ich möchte zunächst dies mit Betonung zum Ausdruck bringen: Berlin und sein Schicksal wird ganz gewiß Aufgabe und Sorge Nr: 1 der Bundesregierung mit dem Kanzler Konrad Adenauer an der Spitze sein.
({0})
Es wird nicht zuletzt Aufgabe und Sorge Nr. 1 des Herrn Finanzministers und nicht weniger des Herrn Wirtschaftsministers sein; aber es wird auch, und das in ganz besonderer Weise, in der Obhut
({1})
des Ministeriums, das mir anvertraut worden ist, stehen. Ich bekenne mich von Herzen zu dieser Aufgabe und zu dieser Sorge; denn, meine Damen und Herren, ich habe in dieser ersten Bundesregierung nur Verantwortung übernommen, weil ich des Glaubens bin, daß ich an diesem Platz und unter dieser Verantwortung am besten und am wirksamsten für die Stadt Berlin und ihre Bevölkerung eintreten kann,
({2})
für Berlin und für das ganze große Stück Deutschland, das an der Wiedervereinigung mit uns heute noch verhindert ist.
Ein früherer Diplomat - ich weiß im Augenblick seinen Namen nicht mehr - hat vor kurzem gesagt: Die erste außenpolitische Nachkriegstat ist von den Berlinern vollbracht worden, und ich sage dazu, daß nach meiner festen Überzeugung tatsächlich in der politischen Situation der Nachkriegszeit von Berlin und von seiner tapferen Behauptung ein Einfluß auf die Weltpolitik wie von keinem andern Ort ausgegangen ist.
Es sind von den Sprechern in dieser Berlin-Debatte viele gute und notwendige, viele überzeugende und die Bevölkerung von Berlin ermutigende Worte gesagt worden. Ich brauche sie, nicht zu wiederholen. Die Ausführungen von der äußersten Linken des Hauses darf ich wohl außer Betracht lassen. Ich habe den Eindruck gewonnen, daß der Kollege Müller über die Gründe, die zur Trennung der Stadt Berlin geführt haben, nicht genau Bescheid weiß:
({3})
denn nicht wir haben die Stadt getrennt, sondern
die Partei, die politische Gruppe, der er angehört.
({4})
Jeder, der mich kennt, meine Damen und Herren, weiß im übrigen, wie sehr mir die Stadt Berlin am Herzen liegt. Ich will nur an dieser Stelle und in dieser Stunde versichern, daß ich in dem mir anvertrauten Amt und mit diesem Amt alles tun werde, um die notwendige Hilfe für Berlin mobilisieren zu helfen.
({5})
Ich werde es tun um seiner bedrohten materiellen Existenz willen, aber auch und nicht zuletzt, meine Damen und Herren, um seiner Tradition, um seiner Bedeutung willen als Stadt von höchstem geistigen, von höchsten kulturellen und von höchstem politischen Rang. Berlin leidet ja nicht nur materielle Not, sondern Berlin und die Bevölkerung der Stadt leiden auch geistige Not. Aus dieser geistigen Not heraus, meine Damen und Herren, hat in diesen Tagen auch schon mancher Hilferuf seinen Weg in die noch im Aufbau befindlichen Ämter der Bundesregierung gefunden.
Ich glaube, daß ich im Namen meiner Kollegen von der Bundesregierung sagen darf, daß wir im Rahmen des Menschenmöglichen alles, aber auch alles tun werden, damit Berlin leben und seine Aufgabe weiter erfüllen kann,
({6})
damit es seine Aufgabe und seine Verantwortung als deutscher, nein als europäischer Angelpunkt in der einfach schicksalhaften Begegnung und Auseinandersetzung zweier Welten auf dem Boden unseres Landes zu erfüllen in der Lage ist. Und ich glaube, meine Damen und Herren, daß ich ebenso im Namen der Bundesregierung sprechen darf, wenn ich sage, daß sie bemüht bleibt, zunächst die Anerkennung Groß-Berlins als zwölftes Bundesland zu erreichen. Ich bin der Überzeugung, daß wir für diese Bemühungen die Zustimmung aller Fraktionen des Hauses finden werden, zum mindesten ihrer überwältigenden Mehrheit. Denn nichts, meine Damen und Herren, tut unserem Volk so not, als daß ein zwingendes nationales Ziel Partei- und schließlich auch Klassenscheidungen überbrückt. Meine Damen und Herren, wir haben dieses Ziel heute. Es heißt: die Wiedervereinigung Deutschlands. Die Rettung, die Sicherung Berlins ist der erste Schritt zu dieser Wiedervereinigung unseres Vaterlandes.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Über die Rolle, die Berlin in der deutschen und europäischen Geschichte spielt, brauche ich nach den Ausführungen, die gemacht worden sind, nichts mehr zu sagen. Ich möchte nur nochmals betonen, daß die Bundesregierung die Bedeutung dieser Rolle, die Bedeutung des Schicksals Berlins für den deutschen Westen und für Europa in vollstem Maße würdigt und richtig einschätzt. Die Bundesregierung ist auch tief durchdrungen von der Verpflichtung, die sie gegenüber der Berliner Bevölkerung hat. Es ist durchaus richtig hier ausgeführt worden, daß wir vom Westen her alles daransetzen müssen, um in Berlin Arbeit zu schaffen. Unterstützung allein tut es nicht! Es muß durch Lieferung von Rohmaterialien und durch Bestellungen aus, dem Westen dafür gesorgt werden, daß die Arbeitslosigkeit in Berlin zurückgeht und beseitigt wird. Ich bitte unsere Berliner Freunde, vollkommen davon überzeugt zu sein, daß die gesamte Bundesregierung die Bedeutung dieser Frage im vollsten Umfang würdigt und die ganze Kraft daransetzen wird, um Berlin und damit - lassen Sie mich das auch noch hinzufügen - dem gesamten deutschen Osten, dessen wir in dieser Stunde nicht vergessen wollen, zu helfen.
({0})
Der Herr Abgeordnete Strauß hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Alles, was heute über die Not Berlins und seiner Bevölkerung und über die Notwendigkeit, der Stadt Berlin zu helfen, gesagt worden ist, ist, wie ich glaube, allen demokratischen Parteien des Hauses aus dem Herzen gesprochen. Wir von der Christlich-Sozialen Union in Bayern sind aber der Ansicht, daß in diesem Antrag eine Angelegenheit berührt wird, deren Form, deren Stilisierung, deren Art und Weise, wie sie behandelt wird, nicht der Würde und dem Wert des Gegenstandes entspricht. Es handelt sich dabei um die Worte: und in Zukunft ihre Hauptstadt wieder werden soll. Gegen diese Formulierung haben wir schwerwiegende Bedenken, nicht etwa Bedenken föderalistischer Art oder, wie man so leicht zu sagen geneigt ist, partikularer Art, sondern Bedenken besatzungs-
und außenpolitischer Art. Es wird eines Tages die Aufgabe des gesamten freien deutschen Volkes sein, die Entscheidung zu treffen, wo die Hauptstadt des deutschen Staates, wo die Hauptstadt der Bundesrepublik liegen soll.
({0})
Man sollte diese Entscheidung nicht in einem Nebensatz und an nebensächlicher Stelle vorwegnehmen.
({1})
({2})
Ich stelle hiermit den Antrag, diese Worte „und in Zukunft ihre Hauptstadt wieder werden soll" zu streichen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Herr Abgeordneter Strauß, bitte geben Sie sofort Ihren Abänderungsantrag bekannt.
Ich schließe damit die Aussprache über die Punkte 6, 7 und 8 der Tagesordnung. Zu der Drucksache Nr. 3 liegen zwei Abänderungsanträge vor. Zuerst ist ein Abänderungsantrag der Bayernpartei eingegangen, im Absatz 1 die Worte zu streichen: „in Zukunft ihre Hauptstadt werden soll", ein Antrag, der sich inhaltlich mit dem soeben von dem Herrn Abgeordneten Strauß gestellten Antrag deckt. Wir haben also zunächst über die Abänderungsanträge abzustimmen, wobei ich wohl von der Voraussetzung ausgehen darf, daß wir überhaupt hier über diesen Antrag abstimmen und ihn nicht an einen Ausschuß verweisen. Entspricht das der Meinung des Hauses?
({0})
Ich höre keinen Widerspruch.
Dann kommen wir zur Abstimmung über die beiden von mir eben genannten Abänderungsanträge. Wer für diese Abänderungsanträge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
({1})
Meine Damen und Herren, dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3 in der dem Haus vorliegenden Fassung. Angesichts der Bedeutung und politischen Tragweite dieses Antrags bitte ich diejenigen Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, sich von den Plätzen zu erheben. - Danke. Ich stelle fest, daß dieser Antrag mit überwiegender Mehrheit angenommen worden ist.
({2})
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 16. Abänderungsanträge dazu liegen meines Wissens nicht vor. Ich nehme an, daß dieser Antrag wegen der Bedeutung der Materie an die einzelnen Ausschüsse überwiesen werden soll.
({3})
Wünscht das Haus Abstimmung darüber oder Überweisung an die Ausschüsse? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. von Brentano!
Ich beantrage Verweisung an den Ausschuß.
Drucksache Nr. 16! Es liegt ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß vor. Ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß pflegt im allgemeinen nach meiner Erfahrung der weitergehende zu sein, so daß ich zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß abstimmen lasse mit der Maßgabe, falls dieser Antrag angenommen wird, nachträglich festzustellen, an welche Ausschüsse.
({0})
Wer für die Überweisung dieses Antrags Drucksache Nr. 16 an den Berlin-Ausschuß ist ,den bitte ich die Hand zu erheben. - Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich glaube, das war die Mehrheit, wie wir von hier oben festgestellt haben, also für Überweisung an den Ausschuß.
Ich möchte mir mit Rücksicht auf die Ziffern 1, 2 und 3 den Vorschlag erlauben, daß Sie diesen Antrag nicht nur an den Berlin-Ausschuß überweisen sondern auch an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Finanz- und Wirtschaftspolitik, unter Federführung des Berlin-Ausschusses. Diese Ausschüsse treten nächste Woche zusammen. Ist das Haus damit einverstanden?
({1})
- Einverstanden!
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Nr. 40.
({2}) Zur Abstimmung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Auch hier bitte ich um Überweisung an den zuständigen Ausschuß.
Ich lasse darüber abstimmen. Es ist der weitergehende Antrag. Wer für die Überweisung des Antrages Nr. 40 an den Ausschuß, in diesem Fall den Ausschuß Berlin, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist zweifellos die Mehrheit. Ich bitte auf alle Fälle um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen: Überweisung an den Ausschuß Berlin.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zum nächsten Punkt der Tagesordnung. Wir behandeln. wieder zusammenhängend, die Punkte 9, 10 und 11:
9. Antrag der Fraktion der SPD, betreffend den vorläufigen Sitz der leitenden Bundesorgane ({0});
10. Antrag der Abgeordneten Dr. Hilpert, Euler und andere, betreffend den vorläufigen Sitz der leitenden Bundesorgane ({1});
11. Antrag der KPD, betreffend Wohnraumbeschlagnahme ({2}).
Wir kommen zunächst zu Drucksache 4.
({3})
Bitte schön! Herr Abgeordneter Zinn hat das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein hervorragendes Mitglied dieses Hauses, das jetzt die Regierungsbank ziert, hat gelegentlich der Presse gegenüber geäußert, der Bundestag habe etwas Besseres zu tun, als sich mit der Frage des vorläufigen Bundessitzes zu beschäftigen.
({0})
Die Mehrheit dieses Hauses wird Sie vielleicht eines Besseren belehren. Jedenfalls sind wir und meine Freunde, aber auch eine sehr stattliche Anzahl von Mitgliedern dieses Hauses, die aus den verschiedensten Teilen des Bundesgebietes stammen und den verschiedensten politischen Gruppen angehören, wie der Antrag Dr. Hilpert und Genossen erkennen läßt, der Auffassung, daß der Bundestag unverzüglich und endgültig zu entscheiden hat, wo die leitenden Bundesorgane ihren Sitz zu nehmen haben. Diese Entscheidung muß getroffen werden, um der unerträglichen Unsicherheit ein Ende zu machen, die zur Zeit die Arbeit der Ministerien, aber auch der noch in Frankfurt befindlichen Verwaltungen lähmt. Die Notwendigkeit einer solchen
({1})
Beschlußfassung ergibt sich aber auch aus den Beschlüssen des Hauptausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz, der nicht nur die Ministerpräsidenten der elf Länder, sondern auch Vertreter des Parlamentarischen Rates und des Wirtschaftsrats angehört haben. Dieser Ausschuß hat in seiner Sitzung in Bad Schlangenbad am 6. 7. 1949 festgestellt, daß es mangels einer Legitimation der Ministerpräsidenten, den Beschluß des Parlamentarischen Rates einer Revision zu unterziehen, zunächst bei diesem Beschluß verbleiben müsse, es sei denn, daß der Bundestag eine andere Entscheidung treffe. Dieser Beschluß ist damals mit allen gegen eine Stimme - auch mit der Stimme des jetzigen Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer -angenomen worden.
({2})
Zugleich hat damals dieser Hauptausschuß festgelegt, daß alle Vorbereitungen auf dasjenige Maß beschränkt werden, das notwendig ist, um nur den Beginn der Arbeit der Bundesorgane sicherzustellen. Dieser Restriktionsbeschluß zwingt dazu, eine schnelle Entscheidung herbeizuführen; denn die Bundesregierung verfügt zur Zeit mangels eines Haushalts überhaupt über keine eigenen Mittel. Sie ist im Augenblick noch völlig auf die Zuschüsse der Länder angewiesen, die an diesen Beschluß gebunden sind.
In den letzten Monaten haben gewiß mancherlei Fragen die deutsche Öffentlichkeit bewegt. Aber man wird zugeben müssen, daß die Frage Bonn - Frankfurt, vielleicht mit Ausnahme des Landes Nordrhein-Westfalen, die Presse und die Bevölkerung in einer Weise bewegt hat, wie man das zunächst nicht erwartet hat.
({3})
Vor, während und nach den Wahlen haben die Erörterungen über Bonn und Frankfurt kein Ende gefunden. Fragen Sie Ihre eigenen Fraktionskollegen!
({4})
Es ist der Öffentlichkeit ja nicht unbekannt geblieben, welche Auseinandersetzungen Sie wegen
dieser Frage seit Tagen in Ihren Fraktionen haben.
({5})
Wir müssen dabei betonen, daß weder Bonn noch Frankfurt eine Entscheidung für oder gegen Berlin bedeutet. Wie wir über die Frage Berlin denken, das haben wir eindeutig in den Antrag, der soeben behandelt worden ist, in Drucksache Nr. 3 und der dazu gegebenen Begründung zum Ausdruck gebracht. Für uns ist und bleibt die eigentliche und heimliche Hauptstadt Berlin.
({6})
Aber von der Frage der eigentlichen Bundeshauptstadt ist jene andere Frage, jene rein administrative Frage des vorläufigen Sitzes der Bundesorgane völlig unabhängig. Hier handelt es sich - und das muß betont werden - nicht darum, einen Streit rivalisierender Städte zu entscheiden oder zu prüfen, welche lokalen, kommunalen Interessen den Vorrang verdienen. Es handelt sich auch - und das muß ich ausdrücklich bemerken - um keine Frage irgendeines politischen Prestiges, des Prestiges einer Partei oder irgendeiner Richtung.
({7})
- Dann lesen Sie die Artikel etwas genauer durch und werden Sie vor allem nicht so nervös! Das ist ein schlechtes Zeichen.
({8})
Es handelt sich hier doch nur um eine Angelegenheit der Zweckmäßigkeit,
({9})
um eine Frage des geringstmöglichen Kostenaufwands und die Frage: wie können wir die Bundesorgane so schnell wie möglich wirksam arbeiten
lassen, mit anderen Worten - ({10})
-- Sie müssen etwas lauter reden, wenn man Sie verstehen soll! - Mit anderen Worten: das Hohe Haus wird meines Erachtens die ganze Frage nur unter zwei Gesichtspunkten zu entscheiden haben. Einmal muß die Frage gestellt werden: Wo und wie kommen die Bundesorgane am schnellsten zur vollen Wirksamkeit? Das ist eine rein administrative Frage. Zum andern ist die Frage zu stellen: Was kostet uns die Schaffung oder Errichtung eines vorläufigen Bundessitzes, und wo sind bis jetzt von den Gesamtkosten, die dadurch entstehen können, die meisten Aufwendungen und die meisten Investitionen gemacht worden? Das sind die beiden Fragen, die wir ganz nüchtern und leidenschaftslos zu beantworten haben.
Nach dem Bericht der technischen Kommission der Ministerpräsidenten, deren Vorsitz der Herr Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Herr Arnold, hatte, der durch Herrn Ministerialdirektor Dr. Wandersleb vertreten wurde, und dem auch Mitglieder des Parlamentarischen Rates angehört haben, können zunächst hier in Bonn nur Teile heißt es wörtlich in dem Bericht - der Bundeskanzlei, des Innen-, Finanz- und Justizministeriums und darüber hinaus nur Organisationsgruppen der übrigen Ministerien untergebracht werden. Dabei ist man damals davon ausgegangen, daß nur acht Ministerien errichtet werden würden. Inzwischen hat sich ja zum Erstaunen der deutschen Öffentlichkeit die Zahl auf 13 erhöht. Diesen Bericht kann man als eine zuverlässige und objektive Unterlage betrachten. Nach diesem Bericht lassen sich in absehbarer Zeit - „später", wie es heißt - nur drei Ministerien, nämlich die Bundeskanzlei, das Innen- und Justiz-Ministerium und vielleicht auch das Finanz-Ministerium in voller Sollstärke unterbringen. Es heißtdannweiter,daß erst zu einem späteren Zeitpunkt, wahrscheinlich erst im Laufe des Jahres 1950, die Unterbringung sämtlicher Ministerien in Bonn möglich sein wird. Schon jetzt rechnet man aber damit, daß auch dann große Teile der seitherigen Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes in Frankfurt verbleiben müssen.
Diese Regelung muß nach unserer Ansicht zu einer Zweigleisigkeit der Bundeszentralverwaltungen führen, die die Arbeitsfähigkeit in einer unerträglichen Weise hemmt, in einer Zeit, meine Damen und Herren, in der schnelle Entschlüsse gefaßt werden müssen und in der es auf ein wirksames Funktionieren des Bundes eigentlich in jedem Augenblick ankommt. Es ist mithin während eines längeren Zeitraums in Bonn mit einer räumlichen Trennung der legislativen Gewalt, aber auch der Bundesregierung von den verwaltenden Abteilungen in Frankfurt zu rechnen.
Weder das Parlament noch die Bundesregierung sind angesichts dieser Situation in der Lage, eine der ihnen obliegenden wichtigsten Funktionen, nämlich die ständige Kontrolle der Verwaltung auszuüben. Nach unserer Ansicht muß das zu einer Stärkung des Einflusses der Bürokratie führen, die unerträglich ist. In den Wandelgängen dieses Hauses und in den Vorzimmern gewisser Ministerien
({11})
ist in den letzten Tagen davon berichtet worden, welche Vorgänge sich aus Anlaß der Kabinettsberatungen über die Änderung des Wechselkurses der D-Mark abgespielt haben. Auch der Presse und der Öffentlichkeit sind diese Vorgänge nicht verborgen geblieben. Die erforderlichen Fachkräfte standen im entscheidenden Augenblick nicht zur Verfügung. Hohe Ministerialbeamte haben die Rolle von Botengängern übernehmen müssen.
({12})
Ich glaube, daß diese Vorgänge sich in Bonn wahrscheinlich noch wiederholen werden.
Aber ebenso bedeutsam wie die Gefahr der Zweigleisigkeit der Verwaltung ist die reine Kostenfrage. Für den Bund sollte das eherne Gesetz der Sparsamkeit gelten.
({13})
Wir können es uns nicht leisten, öffentliche Gelder, die man einsparen kann, auszugeben. Die Haushalte der Länder, von denen der Bund vorläufig ja noch abhängig ist, sind auf das äußerste angespannt, und das Versprechen des Herrn Bundeskanzlers, das er kürzlich aus Anlaß der Änderung des Wechselkurses der D-Mark gegeben hat, alle Maßnahmen zu treffen, um zu verhüten, daß die Lebensmittelpreise steigen, erfordert Aufwendungen, die nach sachkundiger Schätzung in den nächsten 3 bis 5 Monaten etwa 380i Millionen erfordern werden. Wie kann der Herr Finanzminister angesicht dieser Situation überhaupt noch eine Million für einen Zweck ausgeben, den man auf andere Art viel besser erreicht?
In Bonn mögen bis jetzt 15 Prozent der dort insgesamt notwendigen Kosten für die Einrichtung der obersten Bundesverwaltung ausgegeben worden sein.
({14})
- In Frankfurt hat man binnen zwei Jahren unter Einsatz aller baulichen und technischen Mittel die Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes arbeitsfähig gemacht und dort etwa 85 Prozent jener Kosten ausgegeben, die für die Einrichtung einer obersten Bundesverwaltung notwendig sind.
Mit anderen Worten: man hat doch nur die nüchterne Frage zu entscheiden: Soll man hier in Bonn die dort noch etwa notwendigen 85 Prozent der Gesamtkosten ausgeben, oder soll man in Frankfurt die dort noch erforderlichen nur 15 Prozent ausgeben?
({15})
Die Zahlen beruhen auf dem, was man aus dem Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidenten entnehmen kann.
({16})
Die Kommission des Parlamentarischen Rates, die seinerzeit eingesetzt worden ist, um die Angaben der Städte Frankfurt, Kassel und Bonn zu überprüfen, ist in ihrem Bericht vom 28. April 1948 - bitte, sehen Sie Anlage 1 nach -- davon ausgegangen, daß in Bonn für die Unterbringung der Bundesorgane 3 '795 000 DM erforderlich seien. Inzwischen sind aber für den Ausbau dieses Bundeshauses, dessen endgültiger Plenarsaal erst drüben, dort, wo sich die Bootshäuser befinden, ausgebaut werden soll - denn dies ist nur ein vorläufiger Plenarsaal -,
({17}) und für die Bereitstellung von 14 000 Quadratmeter I Nutzfläche für die vorläufige Unterbringung des Bundespräsidenten, für die Unterbringung der Bundeskanzlei und der sogenannten Organisationsgruppen bis zum 30. August 1949, zuzüglich der Kosten, die durch die Errichtung der Fernmeldeanlagen entstanden sind, und zuzüglich 350 000 Mark Kosten für die Unterbringung von Stäben der Besatzungsmächte, 21 650 000 Mark ausgegeben worden.
({18})
Dabei sind die ursprünglich für die Pädagogische Akademie veranschlagten 2 600 000 Mark bis Ende August um 112 Prozent überschritten worden.
({19})
Die Ausbaukosten der Pädagogischen Akademie betragen bis Ende August dieses Jahres nicht 2 600 000 Mark, wie veranschlagt, sondern 5 500 000 Mark, und für den Ausbau des Finanzamts, für den 300 000 Mark veranschlagt worden sind, sind bis zu dem gleichen Zeitpunkt 420 000) Mark verausgabt worden.
({20})
Für die Polizeischule - man höre -, für die 25 000 Mark veranschlagt worden sind, sind nach dem Bericht dieses Technischen Ausschusses bis Ende August 206 000 Mark ausgegeben worden, wobei die 400 000 Mark für die Ersatzpolizeischule in Münster noch gar nicht in Rücksicht gezogen worden sind.
({21})
Ich erwähne das nur am Rande. Bei diesen Kostenvoranschlägen irrt man sich in der Regel, und ich glaube, die Hessen wissen davon ein Lied zu singen, wenn sie an die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets denken.
({22})
- Sie rufen „Aha!" Eben deshalb sagen wir ja: Lassen Sie die Finger davon!
({23})
Aus den in Frankfurt entstandenen Kosten kann man entnehmen, wie hoch die endgültigen Kosten in Bonn gegenüber allen etwaigen Voranschlägen sein werden.
({24})
- In Frankfurt ist ja das meiste bereits investiert!
({25})
Der Bericht des Technischen Ausschusses der Misterpräsidenten -- und das ist das Entscheidende, meine Damen und Herren -, nach dem zunächst weitere 60 000 Quadratmeter Nutzfläche in Bonn und darüber hinaus im Umkreis von Bonn weitere 50 000 Quadratmeter zur Verfügung gestellt werden sollen und können, schweigt sich über die Höhe der Kosten in Bonn aus.
({26})
Die Frage ist offen, soweit sie Bonn angeht.
Es heißt in diesem Bericht - und, der Bericht begnügt sich mit der Feststellung -, daß die endgültige Unterbringung der Bundesministerien in Bonn und der weitere Ausbau von Verkehrs- und Fernmeldeeinrichtungen eine beträchtliche Erhöhung der Ausgaben zur Folge haben werden. Man weiß also nicht, wie hoch die Kosten sein werden. Aber in der letzten Sitzung des Postausschusses des Wirtschaftsrats hat ein Vertreter der Verwaltung für Post und Fernmeldewesen - ich glaube, auf Anfrage des Abgeordneten Horn - erklärt, daß für den Ausbau des Post- und Fernmelde({27})
wesens im Bonner Raum für den Fall, daß Bonn endgültig Bundessitz werde, 32 Millionen in den nächsten zwei Jahren erforderlich sein würden.
({28})
Und der Direktor der Verwaltung für Post- und
Fernmeldewesen hat bei anderer Gelegenheit im
gleichen Zusammenhang erklärt, daß die Aufgaben,
die die Post in Bonn zu bewältigen habe, einen
wesentlichen Teil der langfristigen Investitionsmittel in Anspruch nehmen werden, die der Post,
wenn überhaupt, in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen würden, so daß die Post nicht in der
Lage sei, die schwer beschädigten Fernsprechämter
in Städten wie Dortmund oder Essen auszubauen.
({29})
Mit anderen Worten: Bonn ist ein sehr unsicheres und riskantes Geschäft.
Man wird vielleicht einwenden - und dieser Einwand läßt sich zunächst durchaus hören -, daß bei einer Revision des Beschlusses des Parlamentarischen Rates die in Bonn bis jetzt aufgewendeten Mittel nutzlos aufgewendet worden seien. Aber abgesehen davon, daß nach dem Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidenten, dessen Vorsitz in den Händen des Herrn Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen lag, bei dem seitherigen Umfang der Aufwendungen in Bonn nicht damit gerechnet werden kann, daß diese Ausgaben nutzlos erfolgt sind, weil die seither geschaffenen Einrichtungen von der Stadt oder der Universität verwendet werden können, würde das in einem weit größeren Maß und Umfang für die Investitionen in Frankfurt am Main gelten.
In Frankfurt am Main sind nach dem Bericht des Technischen Ausschusses für die Einrichtungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - die ja den Stamm der fünf großen Ministerien bilden werden und nach Artikel 132 des Grundgesetzes wohl auch bilden müssen - inzwischen insgesamt 116 147 000 Mark ausgegeben.
I ({30})
Ich gebe offen zu, daß man, als man in Hessen damals dieses Bauprojekt begann, mit höchstens 65 Millionen Mark gerechnet hat.
({31})
- Die Hälfte ungefähr Reichsmark, aber volkswirtschaftlich gesehen ist das doch gleich. Die Hessen haben ungefähr mit der Hälfte gerechnet, und das endgültige Ergebnis kam fast auf die doppelte Summe. Aber darüber hinaus sind ja noch mehr Kosten entstanden durch den Umzug der bizonalen Verwaltungen nach Frankfurt am Main, durch die Errichtung! der Länderhäuser usw., deren Kosten rund 18 Millionen betrugen, und schließlich haben ja auch die private Wirtschaft und das Gewerbe Mittel aufwenden müssen, um handelspolitische Vertretungen einzurichten und Verbände an den Sitz der Verwaltungszentrale zu bringen, Mittel, deren Höhe man nur überschlagen kann, die aber immerhin auf 11 Millionen geschätzt werden. Wenn diese letzteren Schätzungen stimmen, würden sich somit die Gesamtinvestitionen in Frankfurt auf 145 Millionen Mark stellen.
Diese Zahlen sind ein Anhaltspunkt dafür, was in Bonn ausgegeben werden müßte.
({32})
- In Frankfurt - darüber läßt sich ja nun nicht
diskutieren - wird nur ein Bruchteil aller dieser
Kosten noch aufgewandt werden müssen, und diese
Kosten werden sich im wesentlichen auf die Aufwendungen für den Umbau der dortigen Pädagogischen Akademie zu einem Parlamentsgebäude beschränken. In Bonn stehen außer diesem Bundeshaus bis jetzt nur - vielleicht ist in den letzten Tagen etwas dazugekommen rund 15 000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung. Der darüber hinausgehende Raum muß erst bereitgestellt werden. Für die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets stehen zur Verfügung oder sind im Ausbau 83 000 Quadratmeter Nutzfläche,
({33})
also das Vielfache dessen, was im Augenblick in Bonn benutzt werden kann.
Die Bereitstellung des in Bonn erforderlichen Raums ist nur dann möglich, wenn die Besatzungstruppen Bonn räumen, eine Räumung, die für Mitte Oktober in Aussicht gestellt ist. Das führt dazu, daß in anderen Gegenden - ich denke zum Beispiel an die Umgebung von Köln - Wohnraum beschlagnahmt werden muß.
({34})
- Ich komme gleich auf diese Frage. - Am Sonntag, dem 11. September dieses Jahres, haben sich durch die Dörfer des Landkreises Köln auf Veranlassung Seiner Eminenz des Herrn Kardinals Frings Bittprozessionen bewegt, in denen jene verängstigten Menschen geschritten sind, die Angst um ihr Heim und ihre Wohnung hatten, weil eine militärische Beschlagnahme drohte.
({35})
Diese zum mindesten in den letzten eineinhalb Jahren ungewöhnliche Maßnahme mußte eben ergriffen werden, weil, um Bonn zum Sitz der Bundesorgane zu machen, innerhalb - das ist das Entscheidende - weniger Wochen die Besatzungstruppen Bonn räumen müssen. Ich kann deshalb
- damit komme ich auf den Einwand des Herrn Zwischenrufers - mit besonderem Nachdruck darauf hinweisen, daß die Unterbringung der Bundesorgane und der Alliierten Kommission einschließlich ihres Personals in Frankfurt am Main möglich ist, ohne daß solche Maßnahmen ergriffen werden müssen.
({36})
- Einen Augenblick!
Der Parlamentarische Rat - das bitte ich zu bedenken - hat in dem Bericht seiner Kommission als einen der entscheidenden Grundsätze aufgestellt, daß die Unterbringung der Bundesorgane mit dem geringstmöglichen Druck auf die Zivilbevölkerung zu erfolgen habe. Die bei der Wahl Bonns zum Sitz der Bundesorgane notwendigen Maßnahmen einer zwangsweisen Evakuierung von Hunderten deutscher Familien lassen allerdings - das muß zugegeben werden - jede Rücksichtnahme auf die deutsche Zivilbevölkerung vermissen. Wir hoffen, daß, falls das Hohe Haus zu einer Revision des Beschlusses des Parlamentarischen Rats kommen sollte, diese Beschlagnahmen sofort und unverzüglich rückgängig gemacht werden. Ich gebe Ihnen zu, daß nach dem Statut der Alliierten Kommission, Artikel II, Ziffer 3, vorgesehen ist, daß der Sitz der Hohen Kommissionen und der Sitz der Deutschen Bundesregierung zu keiner der Besatzungszonen gehört und daß deshalb, falls Frankfurt zum Sitz der leitenden Bundesorgane gewählt werden sollte, auch dort einige Besatzungstruppen abziehen müssen.
({37})
({38})
Aber - und das ist das Entscheidende - entgegengesetzt zu dem Fall Bonn brauchen diese Besatzungstruppen nicht sofort abzuziehen, sondern hier kann die Räumung Zug um Zug erfolgen,
({39}) bis ihnen draußen der nötige Ersatzraum für die Kasernen, in denen sie nämlich untergebracht sind, zur Verfügung gestellt worden ist. Vor einigen Tagen ist eine typische Zweckmeldung verbreitet worden, daß in Frankfurt der Abzug von 15 000 Besatzungsangehörigen erforderlich sei, falls Frankfurt zum Sitz der leitenden Bundesorgane bestimmt werden sollte. Diese Meldung ist nach Angaben des
zuständigen Direktors des Hohen Alliierten Kommissars, Mr. Wolfe, nicht nur unautorisiert, sondern auch unzutreffend. In ganz Hessen gibt es kaum 15 000 amerikanische Besatzungsangehörige.
({40})
Sie ist genau so unzutreffend wie jener Bericht, der heute morgen in der „Kölnischen Rundschau" erschienen ist, in dem behauptet wird, daß die Fertigstellung eines Parlamentsgebäudes in Frankfurt am Main vier Monate in Anspruch nehmen und 10 Millionen kosten werde. Die Kosten für dieses Parlamentsgebäude - vielleicht wird das mein Kollege Hilpert noch näher ausführen können, der als Finanzminister ja einen besseren Einblick hat als ich - sind für Frankfurt mit 4 Millionen veranschlagt und werden wahrscheinlich 5 Millionen betragen, genau wie hier in Bonn.
Aber in diesem Zusammenhang ist auch die Wohnungsfrage von ganz besonderer Bedeutung: In Bonn stehen nach dem Bericht des Technischen Ausschusses „Wohnungen" - so heißt es wörtlich -„nur in geringer Anzahl zur Verfügung". Man hilft sich infolgedessen vorläufig mit der Beschlagnahme von Zimmern, was im wesentlichen auf Kosten der 4500 Studenten der Universität Bonn geht. Es sei nur nebenbei darauf hingewiesen, daß die Unterbringung der Obersten Bundesorgane in Bonn den Ausbau und die Entwicklungsmöglichkeiten der Bonner Universität hemmt. Erst nach und nach - so lautet dieser Bericht des Technischen Ausschusses - ist es möglich, in Bonn durch Räumung seitens der Besatzungstruppen, durch Instandsetzung, und Neubau 750 Wohnungen zu erstellen, und dann sollen im Jahre 1950 weitere 1750 Wohnungen gebaut werden, so daß in Bonn insgesamt 2500 Wohnungen verfügbar wären. In Frankfurt verfügt die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets zur Zeit bereits über 3297 Wohnungen, von denen die Hälfte schon von den Angehörigen der dortigen Verwaltungen bezogen sind, während der Rest noch frei und verfügbar ist.
({41})
Meine Damen und Herren, die ganze Angelegenheit hat aber - bedenken Sie das - noch eine sozialpolitische Seite. Die Angehörigen der bizonalen Verwaltungen werden, wie ich bereits erwähnte, zum größten Teil vom Bund übernommen werden müssen,
({42})
schon mit, Rücksicht auf den Artikel 132 des Grundgesetzes; sie bilden den Stamm der großen Ministerien. Viele haben nunmehr wieder, nachdem sie jahrelang - manche über 10 Jahre infolge des Krieges und der Nachkriegszeit von ihren Familien getrennt gelebt haben, ein Heim in Frankfurt gefunden und konnten wieder ein Familienleben beginnen. Welche Auswirkungen diese jahrelange Trennung von der Familie hat, geht aus
einem Bericht der Betriebsräte der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets hervor, aus dem ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten nur einige wenige Sätze zitieren will. In diesem Bericht der Betriebsräte heißt es:
Das ernsteste Kapitel aber ist das: jahrelang haben die Familien getrennt gelebt. Ehen sind zerrüttet, die Kindererziehung hat gelitten, Krankheiten auf seiten der Frauen und Männer und ohne die Möglichkeit hinreichender Pflege. Bei den Männern verschlampte Wäsche usw.
({43})
Bis Ende dieses Jahres
- so heißt es weiter werden in Frankfurt sämtliche Angehörige der bizonalen Verwaltung eine Wohnung gefunden haben,
({44})
und dann soll für sie wieder eine neue Wanderung beginnen. Die Kinder dieser Familien sind inzwischen in Frankfurt eingeschult worden.
Wenn es bei der Entscheidung des Parlamentarischen Rates verbleibt, wird eine neue Völkerwanderung in den Bonner Raum, in das Gebiet der Bonner Bundeslandschaft
({45})
- anders kann man dieses Gebiet ja wohl kaum nennen -, das von Bonn-Nord alias Köln bis Remagen oder demnächst Bonn-Süd geht, einsetzen. Ich glaube, daß die Bundesregierung auch eine gewisse Verantwortung für die Angehörigen der Verwaltung hat und daß man auch diesen Gesichtspunkt nicht ganz außer acht lassen darf.
(Sehr richtig! in der Mitte und({46})
Wir sind aber der Ansicht - und das ist 'das Entscheidende -, daß bei einer Wahl Frankfurts sehr erhebliche Mittel erspart werden können, die viel besser für andere, möglichst soziale Zwecke aufgewandt werden sollten.
({47})
Diese Frage bewegt aus dem gleichen Grunde nach
unserer Auffassung auch die Bevölkerung mehr,
als sich mancher von Ihnen vielleicht bewußt ist.
({48})
Wenn das Hohe Haus diese Frage schnell entscheidet und sich dabei nur von dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit, des geringstmöglichen Kostenaufwands und der Schaffung einer wirklich schnell arbeitsfähigen Regierung und Verwaltung leiten läßt, dann hat es nach meiner Auffassung die Meinung und die Stimmung des Volkes für sich.
({49})
Ich bin kein Anwalt für Frankfurt.
({50})
- Abwarten! - Ich bin auch kein Gegner von Bonn. Ich gebe durchaus zu, daß hier in Bonn wirklich anerkennenswerte Anstrengungen gemacht worden sind.
({51})
Es geht ja aber gar nicht um die Stadt Bonn und die Stadt Frankfurt; es geht einfach um die Frage, ob unser Volk, das das Kleid der Armut tragen muß, es sich leisten kann, daß Dutzende und aber Dutzende Millionen, vielleicht 100 Millionen und mehr, für Zwecke ausgegeben werden, die unnütz sind, Mittel, die für ganz andere Dinge viel besser verwendet werden können, die man verwenden
({52})
kann, um die Not Hunderttausender Deutscher zu lindern, die im Elend leben.
({53})
Wir fahren dann in der Abwicklung der eingebrachten Anträge fort.
Das Wort hat zunächst zu Drucksache Nr. 19 Herr Abgeordneter Dr. Hilpert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich kurz nach der ausführlichen Begründung meines verehrten Herrn Vorredners, von dem ich mich auch im Stimmaufwand unterscheiden werde,
({0})
zu der Frage, die wir in unserem Antrag zusammengefaßt haben, Stellung nehme und etwas zum Teil unterstreiche, zum Teil zu dem ergänze, was sachlich zutreffend mein Kollege Zinn vorher ausgeführt hat, darf ich einige Vorbemerkungen machen.
Wenn ich zu dieser Antragstellung mit meinen Freunden, einem Teil aus meiner Fraktion und einem Teil aus anderen Fraktionen, gekommen bin, so habe ich mich dazu berechtigt gefühlt, weil ich seit Juni 1947 - nicht als hessischer Finanzminister, das ist einer der erheblichen Irrtümer, die wir immer wieder feststellen müssen, sondern als Treuhänder für die acht Länder - die Aufgabe gehabt habe auf Grund eines Befehls der beiden Militärregierungen, schleunigst die gesamte Verwaltung des bizonalen Wirtschaftsgebiets in Frankfurt unterzubringen. Ich bin demzufolge erfahrungsgesättigt, ich bin leiderfahren und habe die große Sorge darüber, daß erneut öffentliche Mittel verwendet werden, die nicht vorhanden sind, die nur vorhanden sein können, wenn wir wesentliche andere Aufgaben dann unter Umständen zu kurz kommen lassen. Denn ich bin nebenher auch der Vorsitzende des Finanzausschusses der elf Länder 18 Monate gewesen, und ich habe einen sehr guten Überblick über die finanzielle Lage. Ich habe die berühmten Finanzausgleichsverhandlungen zwischen den leistungsschwachen und leistungsfähigen Ländern führen müssen. Ich habe den letzten Kassenbericht erst heute vormittag bekommen und darf wohl sagen: Wir müssen uns sehr bald mit allem Ernst mit der finanziellen Situation deröffentlichen Haushalte befassen. Ich betrachte es als ein großes Glück, daß in der Zwischenzeit durch den verehrten Kollegen Schäffer als Bundesfinanzminister diese Last von mir abgenommen worden ist.
Meine Damen und Herren! Ich will aber, wie gesagt, noch einige kurze Bemerkungen zum rein Sachlichen machen. Wir sind durch den Beschluß von Schlangenbad vom 6. Juli 1949 in der Durchführung der Arbeiten blockiert worden. Das gilt ganz besonders für Bonn. Der Beschluß vom 6. Juli 1949 hat aber das Erfreuliche gehabt, daß er die Zuständigkeit des Bundestags klar herausgestellt hat, auf die ich auch für den Fall hinweisen möchte, daß mein Antrag der Ablehnung verfällt. Denn man kann die Aufgabe nie losgelöst von den haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Grundgesetzes lösen. Darauf erlaube ich mir mit allem Ernst und mit allem Nachdruck hinzuweisen, zumal wie üblich in Verfassungen die Bestimmungen über Haushalts- und Finanzfragen verhältnismäßig kurz und reichlich ungenügend sind und vor allen Dingen der notwendigen Übergangsvorschriften ermangeln.
Nun wird man aber wahrscheinlich immer - und es wird auch heute nachmittag so sein - darauf hinweisen: man kann diese Dinge nicht sofort entscheiden, es ist eine Ausschußberatung notwendig.
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Das ist an sich ein richtiger Grundsatz, wenn die Dinge nicht so sinnfällig wären.
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Wir haben eine Fülle von Material über die Frage Frankfurt-Bonn bekommen. Ich glaube, es wird mir niemand widersprechen, wenn ich sage: weniger wäre vielleicht mehr gewesen.
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Wir haben aber letzten Endes zwei sehr markante Berichte, und zwar einmal den Bericht des Ausschusses des Parlamentarischen Rates, auf den schon hinsichtlich einiger Punkte hingewiesen worden ist, in dem aber der ganz entscheidende Satz steht:
Es wird als eine volkswirtschaftliche Verpflichtung herausgestellt, daß die Organe des Bundes sowohl einmalig wie mit laufenden Kosten so billig wie irgend möglich installiert werden.
Was im übrigen der Untersuchungsausschuß festgestellt hat, ist ja zum Teil von meinem Vorredner bereits gekennzeichnet worden: daß sich in der Zwischenzeit die Dinge geändert haben. Wer baut und Bauvoranschläge zu bearbeiten hat, wird wissen, daß das eine ganz selbstverständliche Erscheinung ist.
Wesentlicher ist - da . muß ich auch dem verehrten Herrn Minister Blücher auf seinen Zwischenruf widersprechen - der ausführliche Bericht des Technischen Ausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz. Dieser Bericht ist von 11 Vertretern der Länder erstellt worden. Mitgewirkt haben Vertreter des Ausschusses des Parlamentarischen Rates, die seinerzeit den ersten Bericht gemacht hatten. Hinzugezogen worden sind die Vertreter des Organisationsausschusses, der bekanntlich die Stellenpläne ausgearbeitet hat, allerdings zunächst nur für die sogenannten klassischen Ministerien, der sich aber immerhin auf diese Stellenplane, auf Zahlen sicherlich festgelegt hat, so daß ich meine größte Freude haben würde, wenn wir wirklich schon so bald zu so sparsamen Ausstattungen der Ministerien kommen könnten, wie es der Organisationsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz festgelegt hat.
Aber dieser Bericht, der einstimmig verabschiedet worden ist, enthält doch nun zum ersten Mal etwas absmut Positives; denn er gibt, ausgelöst durch Besichtigungsfahrten, darüber einen berblick, was vollendet in Frankfurt vorhanden ist, und einen Überblick über die Möglichkeiten und die zukünftigen Ausgaben, die erst noch, um die Bundesregierung hier in Bonn wirklich funktionsfähig werden zu lassen, gemacht werden müssen. Insofern muß ich darauf hinweisen: es bestand Einigkeit darüber, daß noch beträchtliche Mittel aufgewendet werden müssen. Wenn Sie nun sehen, daß bislang an sich schon einschließlich der Fernsprecheinrichtungen diese 20 Millionen aufgewendet worden sind, und wenn Sie sich nunmehr die ganze ernste Situation unserer Finanzen vorstellen, und wenn wir uns darüber klar sein wollen, daß die nicht gerade zweckmäßigste Form des Bauens ist, Verwaltungsgebäude zu bauen, wenn
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Verwaltungsgebäude woanders schon vorhanden sind,
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dann werden Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wohl Verständnis dafür haben, daß ich aus dieser Kenntnis mich entschlossen habe, diesen Antrag zu stellen, weil es die Verantwortung und die Sorge um die Gestaltung des öffentlichen Haushalts ist, die mich zwingt, in dieser Frage meinem Gewissen folgend auf diese Dinge hinzuweisen.
Ich will nur noch, nachdem wirklich sehr viel über die Einzelheiten schon von meinem Vorredner vorgebracht worden ist, auf ein zweites Grundsätzliches hinweisen. Es sei einmal ganz offen ausgesprochen: Es wird unendlich viel über unsere Verwaltungen und unsere Bediensteten in den Verwaltungen geklagt, geschimpft, kritisiert. Wenn Sie sich aber heute einmal einen Mann vorstellen, der Bediensteter der Verwaltung für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gewesen ist, und wenn Sie sich diesen Mann in seiner innerdeutschen Wanderung vorstellen wollen, wenn Sie wie ich vom Jahre 1945 fortgesetzt die neuen staatsrechtlichen Formen mit aufzubauen verantwortlich gewesen sind, dann werden Sie feststellen müssen, daß ich diesen Ministerialrat, oder nennen wir ihn den armen Oberinspektor Müller, von Hamburg nach Stuttgart geschleust habe.
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- Ob er nun gerade vom Reichsnährstand war oder Ihr Parteibuch gehabt hat, habe ich nie nachgeprüft. .
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Wir haben diesen Mann von Hamburg nach Stuttgart und von Stuttgart nach Frankfurt geschleust. Durchschnittlich, im günstigsten Fall, konnte ein halbes Jahr später die Familie nachfolgen, und nunmehr schleusen wir ihn wieder weiter. Und dann wundern wir uns, daß bei dieser Überschichtung der staatsrechtlichen Organisation - wir sind ja »irr Aufbau überhaupt nicht zur Ruhe gekommen - die notwendige Stetigkeit und die Sicherheit, die man letzten Endes auch diesem Menschen zur Verfügung stellen muß, sich nicht in der Arbeitsleistung zum Ausdruck bringt.
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- Ob dabei nun die Völkerwanderung besonders trennungsentschädigungsgesättigt wird oder ob es möglich ist, diese Dinge verhältnismäßig schneller zu machen, in jedem Falle kommt in einer Zeit, in der unsere Verwaltung möglichst stabilisiert am Platze arbeiten muß, eine neue Schwierigkeit auf, die wir nicht zu gering schätzen sollten. Ich lehne ja jede politische oder ideologische Betrachtung dieser reinen Zweckmäßigkeitsfrage ab, sonst hätte ich bei dem Oberinspektor meinen Freunden von der Kommunistischen Partei nicht diese Offerte gemacht.
Meine Damen und Herren! Eines ist naturgemäß zuzugeben: die Blockierung für Bonn hat sich letzten Endes auch für andere Maßnahmen als hinderlich erwiesen. Es steht nämlich fest, daß im Falle der Annahme meines Antrags in dem gegenwärtigen Augenblick die Frage der Unterbringung des Bundesparlaments nicht von heute auf morgen gelöst ist. Man kann sich schließlich objektiv über diese Dinge unterhalten. Eilig haben wir es deshalb, weil wir dann anfangen müßten. Es dauert nämlich noch sehr viel länger, wenn wir diese Dinge nicht vollenden können. Es ist aber absolut irreführend, wenn gesagt wird, daß deshalb die Dinge soviel Zeit in Anspruch i iehmen.
Ich darf dazu etwas ganz Grundsätzliches sagen. In dem Bericht des Ausschusses des Parlamentarischen Rates ist nach meiner Auffassung -- nehmen Sie mir das jetzt bitte nicht übel, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen - der Frage der Unterbringung der Abgeordneten etwas zu ausführlich Raum gewidmet worden. Mir will scheinen, daß wir als Abgeordnete die große Aufgabe haben, in dieser Beziehung etwas kürzer zu treten, bis im übrigen die Verwaltungen in Ordnung sind. Ich erinnere mich noch gern des Besuchs bei meinem alten Freund, dem späteren Reichskanzler Marx, in Weimar. In einer Zeit, als wir volkswirtschaftlich gesehen sicherlich noch in einer besseren Verfassung waren als im gegenwärtigen Augenblick, haben wir uns auch auf diesem Gebiet größere Mühe gegeben, eine wahrhaft würdige, aber unserer Lage entsprechende Repräsentation zum Ausdruck zu bringen, als mir das manchmal jetzt der Fall zu sein scheint.
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Meine Damen und Herren! Diese wenigen sachlichen» und allgemeinen Betrachtungen zeigen die Gründe, die mich veranlaßt haben, zugleich im Namen der Mitunterzeichner diesen Antrag zu stellen. Ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
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Herr Abgeordneter Dr. Linnert!
Hohes Haus, meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir so in der Debatte fortfahren, werden wir genau so mit Zahlen, Beweisen und Nichtbeweisen überschüttet, wie es jetzt schon in den Drucksachen geschehen ist. Wir können in einem so großen Hause die Fragen, die hier vorgebracht werden, sachlich überhaupt nicht entscheiden. Ich stelle daher zur Geschäftsordnung den Antrag, einen Ausschuß von 14 Mitgliedern dieses Hauses einzusetzen, die zu prüfen haben, ob die vorgebrachten Gründe richtig oder falsch sind. Weil aber die Gefahr besteht, daß wir noch länger in einem Zwischenzustand leben, und weil wir soeben von Herrn Hilpert gehört haben, daß in Frankfurt nicht eher begonnen wird - was ich sehr vernünftig finde -, bis ein Beschluß vorliegt, beantrage ich, diesem Ausschuß von 14 Mitgliedern eine Frist von 14 Tagen zu stellen, in welcher er uns einen Bericht zu geben hat.
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Meine Damen und Herren! Ich möchte im Augenblick diesen Antrag zur Geschäftsordnung nicht zur Debatte stellen, weil wir im Ältestenrat vereinbart haben, daß die Drucksache Nr. 9, die der Sache nach zu den beiden vorhergehenden Drucksachen gehört, hier noch kurz eingebracht wire. Danach würden wir dann, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, Ihren Antrag zur Debatte stellen.
Wer wünscht das Wort zu Drucksache Nr. 9? - Bitte, Herr Abgeordneter Müller!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der in Drucksache Nr. 9 vorliegende Antrag der KPD-Fraktion spricht eigentlich für sich selbst. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen Abgeordneten gibt, der diesen Antrag ablehnen würde. Wir glauben, die Wohnraumbeschlagnahme im Lande Nordrhein-Westfalen ist
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eine Folge des Streites um die Frage des Bundessitzes. Wir sind deshalb der Meinung, daß dieser Streit endlich beendet werden muß.
Diese Tatsache zeigt uns weiterhin, wer die Folgen derartiger Streitigkeiten zu tragen hat. Es ist das werktätige Volk. Wir sind der Meinung, daß die Wohnraumbeschlagnahmen im Land NordrheinWestfalen und auch andere Wohnraumbeschlagnahmen zu den Bestimmungen des Grundgesetzes im Widerspruch stehen. Im Grundgesetz heißt es nämlich, daß die Wohnung unverletzlich ist. Auch diese Begründung sollte Sie veranlassen, unserem Antrag die Zustimmung zu geben. Wir sind der Meinung, daß über diesen Antrag heute abgestimmt werden sollte und daß er keinem Ausschuß überwiesen werden darf.
Ich erteile zunächst dem Herrn Bundesfinanzminister Schäffer das Wort.
Schäffer, Bundesfinanzminister: Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der bisherigen Debatte ist der Bundesfinanzminister manchmal apostrophiert worden. Es ist betont worden, daß diese Frage doch in erster Linie nach dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit und nach dem Gesichtspunkt der finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkung entschieden werden solle. Deshalb ein kurzes Wort vom Standpunkt des gegenwärtigen Bundesfinanzministers aus.
Ich habe als Abgeordneter dieses Hauses die Denkschriften der beiden Städte und selbstverständlich auch das technische Gutachten der Ministerpräsidentenkonferenz studiert. Auch die Herren Antragsteller werden mir zugeben, daß sich aus dem technischen Gutachten eine Berechnung über die finanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen einer etwaigen Rückverlegung des Bundessitzes von Bonn nach Frankfurt nicht machen läßt. Dieses technische Gutachten scheint mir vielfach auch mißverständlich autgetaßt worden zu sein. Ich kann aus dem technischen Gutachten nicht entnehmen, daß darin überhaupt nur die Behauptung aufgestellt worden sei, eine Unterbringung der Behörden 'der Bundesregierung sei vor dem Jahre 1950 oder 1951 nicht moglich.
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Wenn es darin stünde, wäre es ein Irrtum gewesen; denn ich kann versichern: die Unterbringung der Behörden der Bundesregierung ist- in Bonn in sehr kurzer Zeit möglich.
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Es ist irrtümlich, wenn man annähme, daß es notwendig sei, allein hinsichtlich des Fernmeldewesens eine weitere Ausgabe von 32 Millionen Mark zu machen.
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Wer den Bericht auf Seite 3 liest, der ersieht daraus ganz genau, daß die Aufwendungen für das Fernmeldewesen in der Stadt Bonn, die infolge der Tatsache, daß die Bundesregierung hier ist, notwendig sind, bis zum 1. November dieses Jahres bereits gemacht sind. Ich habe mich persönlich in dieser Frage mit dem Leiter des Bundespostministeriums besprochen, der mir bestätigt hat, daß die spätere Ziffer von 32 Millionen Mark,, die auf Seite 20, glaube ich, des technischen Berichts enthalten ist, sich nicht mit Bonn beschäftigt, sondern lediglich feststellen soll, daß, wenn man die Automatisierung des Fernmeldewesens für ganz
Westdeutschland beschleunigt, ein solcher Aufwand von 32 Millionen Mark erforderlich ist.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf feststellen, daß die Verwaltung heute auch in Frankfurt naturgemäß Schwierigkeiten hat; denn der Sitz der Verwaltung in Frankfurt beschränkt sich nicht auf die Stadt Frankfurt.
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Ich kann Ihnen von meinem Verwaltungszweig bestätigen, daß Homburg, Höchst, Wiesbaden, Darmstadt und Offenbach weitere Ableger der Bundesverwaltung zur Zeit beherbergen.
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Es ist eine Frage, die bei der Gesamtentscheidung zu prüfen ist, was von diesen zerstreuten Verwaltungsteilen unbedingt nach Bonn etwa übernommen werden soll oder was in den Stadten, in denen sie heute zerstreut liegen, bleiben kann. Das ist bei der bisherigen Prüfung bisher nirgends geschehen.
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All die Angaben, die ich mir in den wenigen Tagen meiner Amtstätigkeit geholt habe, sind immer von Ziffern ausgegangen, die bei näherer Prüfung nicht stichhaltig sind. Auch die Zahl der Beamten und Angestellten, nach der die - übrigens vorübergehenden - Trennungsgelder etc. berechnet worden sind, ist nach meiner Überzeugung noch nachzuprüfen.
Ein sehr wichtiger Posten ist bisher in der öffentlichen Debatte überhaupt nicht erschienen: die Frage der Unterbringung der Besatzungsstabe im Falle einer Rückverlegung nach Frankfurt. Der entscheidende Punkt ist ja nicht, was investiert worden ist, sondern was in dem einen oder in dem andern Falle zur Fehlinvestition wird.
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Die Aufwendungen in Frankfurt brauchen nornlange keine Fehlinvestition zu sein, während die Aufwendungen in Bonn vielleicht eine Fehlinvestition werden können, wenn eine Rückverlegung eintritt.
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Alle diese Fragen sind noch nicht geprüft, und alle diese Fragen müssen erst geprüft werden.
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- Ich habe die Frage sine ira et studio studiert. ({10})
Der wesentliche Gesichtspunkt in dieser Frage der Ausgaben ist die Frage der Wohnungen. Wir wissen ganz genau, daß die Wohnungen, die, sagen wir einmal, in Homburg oder sonstwo frei werden, keine verlorene Investition sind
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und sicherlich einem Teil der Bevölkerung Deutschlands sehr zustatten kommen.
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Wohnungen müssen in Deutschland gebaut werden.
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Das, was heute an Material vorliegt, ist nach meiner Überzeugung für den, der die Frage vom Standpunkt der Zweckmäßigkeit und der wirt({14})
schaftlichén und finanziellen Auswirkungen aus betrachtet; noch nicht genügend, um sich ein ganz sicheres Urteil zu bilden.
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Ich muß erklären, daß ich mich in den wenigen Tagen meiner Amtstätigkeit bemüht habe, solche sicheren und zuverlässigen Unterlagen zu erhalten, um sie dem Hohen Hause vorzulegen. Ich hoffe, in der nächsten und übernächsten Woche soweit zu sein, daß ich Ihnen wirklich zuverlässige Unterlagen bieten kann. Deshalb bin ich erfreut, aus dem Antrag Linnert zu hören, daß das Haus bereit ist, in eine sachgemäße Prüfung dieser Unterlagen, die erst vervollständigt werden, einzutreten und die Prüfung einem Ausschuß zu überweisen.
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Der Herr Abgeordnete Linnert hat einen Antrag zur Geschäftsordnung gestellt, sofort einen Ausschuß zu bilden.
Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Zinn das Wort.
Wir bitten, diesen Antrag auf Verweisung in einen Ausschuß abzulehnen. Jedenfalls wird meine Fraktion gegen eine Verweisung in den Ausschuß stimmen.
({0})
- Nein, sondern deshalb, weil wir glauben,
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daß eine unverzügliche Entscheidung getroffen werden muß. Herr Abgeordneter Dr. Linnert hat erklärt, daß das Hohe Haus mit Zahlen usw. überschüttet worden sei. Ich glaube, daß sich an diesem Zustand auch nichts ändern wird, wenn nomals eine Ausschußberatung stattfindet.
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Sie werden nie feststellen können, was die Geschichte in Bonn genau kostet.
Gleichzeitig möchte ich aber zur Geschäftsordnung einen weiteren Antrag stellen, nämlich über die Anträge zu den Ziffern 9 und 10 der Tagesordnung, das heißt über den Antrag meiner Fraktion, Drucksache Nr. 4, und den Antrag Hilpert und andere, Drucksache Nr. 19, in geheimer Abstimmung abzustimmen, notfalls gemäß § 105 der Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Dr. Bucerius hat jetzt das Wort zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Einige Freunde aus der DP, FDP und CDU/CSU wollen dem Antrag auf Ueberweisung an einen Ausschuß zustimmen, und zwar in folgender Form, die ich Ihnen vorzulesen habe:
Abänderungsantrag zum Antrag Nr. 4 und zum Antrag Nr. 19:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Anträge Nr. 4 und Nr. 19 werden einem sofort zu bildenden, mit 21 Abgeordneten zu besetzenden Ausschuß überwiesen, der innerhalb drei Wochen die Eignung der Städte Bonn und Frankfurt als vorläufigen Sitz der leitenden Bundesorgane zu prüfen und darüber dem Hause zu berichten hat.
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- Wenn es Ihnen auf eine Woche nicht ankommt,
bin ich damit einverstanden, Herr Dr. Schumacher!
Meine Damen und Herren, die Angelegenheit ist in diesem Hause- teilweise mit einem übertriebenen Pathos, teilweise mit einer Heiterkeit behandelt worden, die dem Wert der Sache nicht gerecht wird.
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Wir wollen die Augen vor der Tatsache nicht verschließen, daß wir im Begriff sind, in eine Materie einzutreten, in der die Aufmerksamkeit des gesamten deutschen Volkes nicht geweckt ist, sondern durch die Methode, mit der sie behandelt werden soll, geweckt werden wird.
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- Meine Damen und Herren, ich begründe meinen Antrag auf Ueberweisung der Sache an einen Ausschuß und bitte Sie, mich bei der Begründung nicht zu unterbrechen.
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- Ich spreche zur Begründung des von mir eingebrachten Antrags.
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Herr Präsident! Wollen Sie mir Ruhe im Hause verschaffen, oder soll ich nicht weitersprechen?
Herr Abgeordneter Dr. Bucerius, Sie haben einleitend Ihren Antrag begründet.
Nein, das habe ich noch nicht. Ich bin erst dabei, es zu tun. Ich habe nur meinen Antrag vorgelesen.
Ich bitte fortzufahren.
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Meine Damen und Herren, wir dürfen die Augen vor der Tatsache nicht verschließen, daß das Geringe, was sich in dem demokratischen Gefühl gegenüber dem neuen Staat in Deutschland entwickelt hat; nun einmal mit dem Ort Bonn verknüpft ist.
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Wenn wir uns entschließen, diese Stadt aufzugeben und mit einer anderen zu vertauschen, so hat das deutsche Volk Anspruch darauf, daß diese Entscheidung sachlich nachgeprüft und von denen, die sie treffen wollen, wirklich verantwortet werden kann.
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Ich empfinde es als eine Zumutung, wenn von uns, die wir mit der Materie nicht vertraut sein können, weil uns von den beteiligten Seiten nur einige Drucksachen zugeschickt worden sind, verlangt wird, daß wir eine Entscheidung treffen sollen, ohne vorher in die Prüfung der Sache selbst eingetreten zu sein, und das verlangen wir von Ihnen, daß die Sache geprüft wird.
({2})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war bereits ein Eventualantrag, der meine Unterschrift trägt, eingebracht. Wir hatten nämlich für den Fall der Ausschußverweisung des Antrags Nr. 4 beantragt, einen aus vierzehn Mitgliedern bestehenden Ausschuß einzusetzen, der seine Tätigkeit sofort aufzunehmen und innerhalb von vierzehn Tagen dem Hause zu berichten hat. Ich bin der Auffassung, daß nach den vorliegenden Materialien und in Anbetracht der Dringlichkeit, mit der der Ausschuß die Frage zu prüfen hat, der Bericht an den Bundestag innerhalb von vierzehn Tagen erwartet werden kann. Im übrigen möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, daß gerade die Regierungsparteien ein Interesse daran haben, daß die Exekutive möglichst schnell in einen leistungsfähigen Stand kommt. Da ist nun die leider - wenn Sie so wollen - unbestreitbare Tatsache vorhanden, daß in Frankfurt alle Räume für die Unterbringung der Ministerien zur Verfügung stehen, während das hier nicht der Fall ist.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Linnert.
Ich ziehe meinen Antrag zugunsten des Antrags Bucerius zurück.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Ollenhauer.
Meine Damen und Herren! Mein Kollege Zinn hat bereits gesagt, daß wir gegen die Überweisung des Antrags an einen Ausschuß sind. Wir sind der Überzeugung, daß die Entscheidung über diesen Antrag schon eine sachliche Entscheidung über den Inhalt des Antrags darstellt. Wir beantragen deshalb, daß über den Antrag auf Ausschußberatung ebenfalls geheim abgestimmt wird.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Es wird hier so getan, als ob es ein ganz einfacher Vorgang sei, daß man einen legal zustandegekommenen Beschluß über den Sitz des Bundes und seiner Organe umwirft und beseitigt. Das ist doch wirklich eine sehr entscheidende Angelegenheit.
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- Jawohl, ich rede, wie die Vorredner, zur Geschäftsordnung, um zu begründen, daß die Verweisung an einen Ausschuß unbedingt notwendig ist.
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Meine Damen und Herren, es handelt sich um eine Entscheidung von großer Tragweite. Es handelt sich um den ungewöhnlichen Vorgang, daß ein Parlament die Beschlüsse einer vorausgegangenen Institution wieder aufhebt und beseitigt. Es handelt sich also um eine Art Wiederaufnahmeverfahren. In solchen Fällen muß doch mindestens eine sorgfältige Prüfung des Sachverhalts stattfinden, und infolgedessen ist es doch nicht zu verantworten, ohne eine Untersuchung und ohne gründliche Prüfung die komplizierten Details zu entwirren. Ich habe im Ausschuß für die Bundessitzfrage im Parlamentarischen Rat gesessen, und weiß, wie ungeheuer verwickelt und undurchsichtig die Materie ist und wie schwer es ist, sich überhaupt zu einer Entscheidung in diesen Dingen durchzuringen. Ich bitte Sie darum dringend, der Überweisung an einen Ausschuß zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, jetzt ist von beiden Seiten zu den Möglichkeiten der Entscheidung nach der einen und anderen Seite genug gesprochen worden, wenn ich mir das einmal erlauben darf auszusprechen.
Es liegen zwei Anträge vor. Der eine Antrag lautet - und zwar in der ursprünglichen Reihenfolge von Ihnen und später der Sache nach von der CDU usw. - auf Einsetzung eines Ausschusses, der innerhalb von drei Wochen den nötigen Bericht zu erstatten hat. Der andere Antrag seitens der SPD bzw. der Abgeordneten Zinn und Ollenhauer geht dahin, daß über die Anträge Drucksachen Nr. 4 und 19 sofort, und zwar geheim abgestimmt wird. Darüber, in welcher Form über die Einsetzung des Ausschusses abgestimmt werden soll, liegen wohl keine Anträge vor.
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Auch über den Ausschuß!
Meine Damen und Herren, dann haben wir zunächst folgende Frage zu entscheiden
({1})
- lassen Sie mich doch bitte jetzt reden! -, welches der weitergehende Antrag ist: der der sofortigen Entscheidung
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- einen Augenblick bitte, ich bin dabei, die Frage zu stellen; darf ich das vielleicht tun? - oder der Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses. Der Sache nach bin ich der Meinung, daß der Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses insofern weitergehend ist, als er eine gründlichere Durchdringung des Problems ermöglicht.
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Meine Damen und Herren, die Auslegung darüber, welcher Antrag der weitergehende ist, pflegt beim Präsidenten zu liegen.
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Ich möchte nur das Hohe Haus und den Herrn Präsidenten daran erinnern, daß er vor etwa einer Stunde, ohne Widerspruch zu finden, festgestellt hat, daß der Antrag auf Verweisung dem Antrag auf Sachentscheidung vorgeht. Das war vor etwa einer Stunde im Zusammenhang mit dem Antrag der KPD über die Demontage. Ich glaube, daß diese Feststellung des Präsidenten auch jetzt noch gilt.
Also, meine Damen und Herren, wir haben jetzt demnach zunächst über den Antrag abzustimmen, und zwar über den Antrag der CDU dahingehend, daß ein Ausschuß aus 21 Abgeordneten eingesetzt wird, der innerhalb von drei Wochen die Eignung der Städte Bonn und Frankfurt als vorläufigen Sitz der leitenden Bundesorgane zu prüfen und darüber dem Haus zu berichten hat.
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Abstimmung! Wer für diesen Antrag ist, - ({1})
- Nein? Was ist denn los?
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- Es war geheime Abstimmung beantragt.
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Meine Damen und Herren, es ist der Antrag gestellt worden - das ist richtig -, auch über den Antrag auf Ausschußeinsetzung geheim abstimmen zu lassen.
({4})
Der Begriff der geheimen Abstimmung entspricht dem § 105 über namentliche Abstimmung.
({5})
Die namentliche Abstimmung im Sinne des § 105 dokumentiert sich lediglich darin, daß die Namen später in das Protokoll eingetragen, aber nicht publiziert werden. Insofern ist die namentliche Abstimmung im Sinne des § 105 nach außen hin im Grunde genommen nichts weiter als eine geheime Abstimmung.
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- Bitte, dann stellen Sie den Antrag auf namentliche Abstimmung. Ich stelle Ihnen das anheim. Geheime Abstimmung gibt es nicht.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Becker.
Meine Damen und Herren! Nachdem hier Fragen der Geschäftsordnung streitig sind, erstens darüber, welcher Antrag den Vorzug bei der Abstimmung hat,
({0})
zweitens ob es eine geheime Abstimmung gibt und in welcher Prozedur, stelle ich den Antrag, die Sitzung zu unterbrechen und den Aeltestenrat zur Prüfung dieser Frage einzuberufen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich muß über diesen eben zur Geschäftsordnung gestellten Antrag, die Sitzung dieserhalb zu unterbrechen, ordnungsgemäß abstimmen lassen.
Wer für diesen Antrag des Abgeordneten Dr. Becker ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({0})
- Findet. der Antrag Unterstützung? - Nein! Der Antrag ist abgelehnt.
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Die Geschäftsordnungsdebatte hat ergeben, daß es eine geheime Abstimmung im Sinne des § 105 nicht gibt. Wir haben nur bei Wahlen geheim abzustimmen, und zwar durch Wahlzettel. Es gibt also nur eine Form der geheimen Abstimmung, indem man sinngemäß die Zettelwahl auf diesen Antrag anwendet. Da der Antrag nun einmal gestellt ist, muß ich zunächst darüber abstimmen lassen, ob die Abstimmung geheim oder nicht geheim sein soll.
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Wer dafür ist, - ({3})
- Meine Damen und Herren! Wenn Sie so nicht wollen, lasse ich sofort, wie ich vorhin entschieden
habe, über den Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses offen abstimmen.
({4})
- Bitte, ich habe mir eben den Vorschlag erlaubt, daß ich erst über den Antrag, ob geheim abgestimmt werden soll, abstimmen lasse. Es ist der lebhafteste Protest aus Ihren Reihen erschollen.
Ich frage Sie jetzt: Wer dafür ist, daß über den Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses geheim abgestimmt werden soll, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Wir müssen auszählen.
Ich bitte, den Herren Schriftführern das Auszählen nach Möglichkeit zu erleichtern.
({5})
- Meine Damen und Herren! Ich sehe, daß über diese Frage eine Verständigung zustande gekommen ist, indem eine überwältigende Mehrheit sich für die geheime Abstimmung ausgesprochen hat.
({6})
Damit ist der Fall erledigt.
Wir werden nunmehr die Urne hier vorn aufstellen. Sie finden in Ihren Pulten die Zettel. Ich bitte, darauf „Ja" oder „Nein" zu schreiben. „Ja" bedeutet Zustimmung zum Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses, „Nein" bedeutet Ablehnung dieses Antrages.
° ({7})
- Sie wollten zur Geschäftsordnung sprechen? ({8})
Ich kann Ihnen jetzt in der Abstimmung das Wort beim besten Willen nicht mehr geben.
({9})
Meine Damen und Herren, ich bitte, jetzt Ruhe zu bewahren. Wir rufen die Namen der einzelnen Mitglieder auf, die dann, bitte, nach vorn kommen und ihren Stimmzettel abgeben.
({10})
- Im Umschlag, bitte!
Die Abstimmung beginnt.
({11})
Meine Damen und Herren! Ich mache darauf aufmerksam, daß wir noch eine zweite und dritte Urne aufgestellt haben. Frau Albertz steht an der linken Urne. - Herr von Aretin, Sie sind Schriftführer; haben Sie die Liebenswürdigkeit, sich an die andere Urne zu stellen und dort die Stimmzettel entgegenzunehmen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich frage, ob irgendjemand der anwesenden Abgeordneten bei dem soeben erfolgten Aufruf nicht genannt worden ist.
- Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann erkläre ich die Abstimmung für beendet und bitte die Herren Schriftführer, die Urnen hier oben zu entleeren und mit der Auszählung zu beginnen.
({13})
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen das Er g e b n i s der Abstimmung bekanntzugeben. Von insgesamt 368 Abstimmenden haben mit Ja 196 gestimmt.
({0})
({1})
Mit Nein haben 169 Abgeordnete gestimmt; enthalten haben sich 3. Damit ist der Antrag Dr. Bucerius-Alberts, wonach der Antrag der SPD und der Antrag Hilpert und Genossen an einen Ausschuß zu überweisen sind, angenommen.
Der Ausschuß, für den Sie eben gestimmt haben, ist in dem Antrag mit 21 Abgeordneten vorgesehen. Ich erlaube mir, die strikten Befugnisse des Präsidenten überschreitend, Ihnen einen Vorschlag zu machen. Ich glaube, daß es sinnvoll wäre, in diesem Ausschuß, der wohl nach dem d'Hondtschen System zu besetzen ist, möglichst alle Fraktionen vertreten sein zu lassen. Ich würde Sie darum bitten, statt eines 21er-Ausschusses einen 27er-Ausschuß zu akzeptieren. Sie haben zwar schon für den 21er-Ausschuß gestimmt - ich möchte das feststellen -, aber ich möchte Ihnen trotzdem den Vorschlag machen, über diese Abstimmung hinwegzugehen und sich auf einen 27er-Ausschuß zu einigen, wobei ich bemerken möchte, daß der Widerspruch eines einzigen Mitglieds genügt, um diesen Vorschlag gegenstandslos zu machen.
Herr Dr. Höpker-Aschoff!
Dr. Höpker-Aschoff (FDP': Herr Präsident, ich würde Sie bitten, Ihren Vorschlag noch dahin zu ergänzen, daß diesem Ausschuß weder Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen noch Vertreter des Landes Hessen angehören sollen.
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Ich glaube, daß wir über diesen Antrag, der wohl kein Antrag im Sinne der Geschäftsordnung sein sollte, nicht abstimmen sollten; ich meine vielmehr, daß wir die Verwirklichung der Anregung der Vereinbarung nicht nur der Fraktionen, sondern innerhalb der Fraktionen überlassen sollten.
({0})
Ich betrachte Ihren „Antrag" lediglich als einen Vorschlag, als eine Anregung.
Darf ich nun fragen, ob jemand sich dagegen wehrt, daß der beschlossene 21er-Ausschuß als 27er-Ausschuß gebildet wird. - Das ist nicht der Fall. Ich glaube also, ich kann das Einverständnis sämtlicher stimmberechtigter Mitglieder hier annehmen - ({1})
Herr Abgeordneter Dr. Bucerius!
Wir würden dann empfehlen, daß möglichst alle Gruppen des Hauses auch im Ausschuß vertreten sind.
({0})
- Nein, die Koalition ist in diesem Falle nicht groß genug.
Ich bitte doch, den Redner ausreden zu lassen.
Ich freue mich, daß ich in diesem Hause auch einmal den Schutz des Präsidenten genieße.
({0})
Uns liegt also daran, daß in dieser wichtigen Frage, an der alle Teile des deutschen Volkes ohne jeden Unterschied dringend interessiert sind, auch die Gruppen des Hauses vertreten sind. Das würde wohl erreicht werden können, wenn wir aus dem 27er-Ausschuß, Herr Dr. Holzapfel, einen 28er-Ausschuß machen.
({1})
- Da nehmen wir sie mit beratender Stimme hinein und erreichen genau das gleiche wie im andern Fall.
Das sollte auch mein Vorschlag sein. Wir erhalten also einen 27er-Ausschuß nach dem d'Hondtschen System, zu dem die Gruppe Nationale Rechte einen Vertreter mit beratender Stimme entsendet. Ich schlage vor, die Mitglieder des Ausschusses nicht schon hier zu benennen. Die Fraktionen mögen nach dem d'Hondtschen System - sagen wir: bis Dienstag - dem Präsidium die Namen der Abgeordneten mitteilen, die sie in diesen Sonderausschuß senden wollen. Besteht mit diesem Vorschlag Einverständnis?
({0})
- Ich danke Ihnen.
Damit sind die Punkte 9 und 10 der Tagesordnung erledigt.
({1})
Herr Abgeordneter Renner!
Ich bitte, noch über unsern Antrag abzustimmen. Der ist noch nicht erledigt.
Sie haben recht. Es steht noch der Antrag der KPD auf Drucksache Nr. 9 zur Abstimmung.
({0}) Herr Abgeordneter Hilbert!
Meine Damen und Herren, der Einfachheit halber schlage ich vor, auch diesen Antrag der KPD dem Ausschuß, der soeben gebildet worden ist, zu überweisen.
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Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Renner.
Dieser unser Antrag hat mit der Fragestellung Bonn - Frankfurt direkt nichts zu tun. Deshalb ist es nicht sinnvoll, ihn diesem Ausschuß zur Weiterbearbeitung zu überweisen. Unser Antrag soll den Menschen zugute kommen, die heute bereits und in den kommenden Tagen im Zuge der Evakuierung Bonns von den Angehörigen der belgischen Besatzungsmacht ihre Wohnungen verlieren. Ich darf darauf hinweisen, daß die Ausweichorte sich über den ganzen Westen des Landes Nordrhein-Westfalen bis nach Lüdenscheid hin erstrecken. Ich darf darauf hinweisen, laß Delegationen' von Einwohnern der bedrohten Dörfer, Delegationen, die im wesentlichen aus Angehörigen der CDU zusammengesetzt waren. hier schon an die Türe geklopft haben und bei Herrn Adenauer vorstellig geworden sind.
Es handelt sich hier um die Beseitigung einer dringenden augenblicklichen Notlage, und ich fürchte, daß, wenn der Antrag an den Ausschuß verwiesen wird, noch weitere Exmittierungen erfolgen werden. Unser Antrag verlangt konkret, daß die Bundesregierung dem Einhalt gebieten soll.
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Ich sehe nicht ein, was dadurch erreicht werden soll, daß man die Entscheidung darüber um drei oder vier Wochen hinauszögert. Die Not der zu Evakuierenden und der bereits Evakuierten zwingt wirklich zu einer sofortigen Lösung dieser Frage im Sinne der Bejahung unseres Antrags. Ich bitte Sie, für unseren Antrag zu stimmen.
Das Wert hat der Herr Abgeordnete Dr. Hilpert.
Es hätte wohl des Antrags der KPD nicht bedurft, um die zuständige Landesregierung Nordrhein-Westfalen darauf aufmerksam zu machen, daß selbstverständlich alles getan werden muß, was im Rahmen der Möglichkeit liegt, um Wohnungen für die hier infolge der Räumung zu evakuierenden Personen zu schaffen. Ich glaube, deshalb wird diese Maßnahme ebenso-schnell durchgeführt, selbst wenn wir diesen Antrag dem jetzt gebildeten Ausschuß überweisen, als wenn wir hier ad hoc dem Antrag zustimmen würden, weil ich noch einmal betonen will, daß die Regierung Nordrhein-Westfalen, wie mir eben zuverlässig versichert worden ist, alle Maßnahmen, die irgend möglich sind, ergriffen hat und noch ergreifen wird, um diesen Menschen Unterkunft zu bieten, wenn Bonn Bundeshauptstadt bleibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Ich bin nicht davon überzeugt, daß die Landesregierung Nordrhein-Westfalen alles getan hat, um diesen Zustand abzuwenden, sondern ich sehe in dem Vorwärtstreiben der Arbeiten hier weitere Versuche, die Menschen aus ihren Wohnungen herauszubringen, um Räume freizumachen.
({0}) Die Bevölkerung dieser Orte wünscht auf jeden Fall, daß dem Einhalt geboten wird.
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- Ich spreche hier nicht über die Ostzone. ({2})
Sie wollen sich nur um eine klare Entscheidung in dieser Frage drücken; aber die Bevölkerung im Lande Nordrhein-Westfalen wünscht, daß endlich mit den Wohnungsbeschlagnahmungen Schluß gemacht wird. Sollten Sie unseren Antrag ablehnen, fällt die ganze Verantwortung auf Sie selbst zurück.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich lasse über den Antrag abstimmen, den Antrag Drucksache Nr. 9 an den eben gebildeten Ausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({0})
Die Gegenprobe! - Das erstere war unzweifelhaft die große Mehrheit. Der Antrag ist angenommen; er ist überwiesen.
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Wir kommen zu Ziffer 11 der Tagesordnung: Antrag des Abg. Loritz betr. Aussetzung eines Gerichtsverfahrens ({2}).
Es ist wohl nicht notwendig, daß dieser Antrag besonders begründet wird. - Widerspruch erhebt sich nicht.
({3}) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Entscheidung im Plenum zu treffen, weil der Termin in wenigen Tagen stattfindet und die Angelegenheit auf dem Umweg über den Geschäftsordnungsausschuß sonst nicht rechtzeitig zur Erledigung kommen kann. Ich möchte das Haus informieren, worum es sich handelt. Es handelt sich um den Revisionstermin in einem Verfahren, in dem ich in erster Instanz in der Hauptsache freigesprochen worden bin. Der Staatsanwalt hat jetzt, nachdem das Haus neulich im Plenum die Aussetzung wegen verleumderischer Beleidigung beschlossen hat, ein Revisionsverfahren beantragt und auf diese Art und Weise versucht, einen Termin gegen mich zur Ansetzung zu bringen. Mit Rücksicht auf die Dringlichkeit bitte ich, daß über den Antrag jetzt vom Plenum entschieden wird.
Zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano das Wort.
Mit Rücksicht darauf, daß die Sache dringlich ist, ziehe ich meinen Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zurück.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
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- Dieser Antrag ist eben von Herrn von Brentano zurückgezogen worden; ich brauche also nicht über ihn abstimmen zu lassen. Ich lasse abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 49. Ich habe Sie vorher gefragt, ob der Antrag ausdrücklich begründet werden soll, und Sie waren damit einverstanden, daß dies nicht zu geschehen hat. Nunmehr lasse ich über den Antrag Drucksache Nr. 49 abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, der möge die Hand erheben. - Die Gegenprobe! - Das ist gegen einige wenige Stimmen die überwältigende Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 12 der Tagesordnung:
Beschlußfassung über die Überweisung von Anträgen an Ausschüsse ohne Aussprache.
Es sind hier von den Fraktionen in insgesamt 14 Fällen Anträge auf Überweisung unmittelbar an die Ausschüsse gestellt. Ich lasse der Klarheit halber über jeden einzelnen dieser Anträge abstimmen und gleichzeitig den Ausschuß bestimmen, an den der Antrag verwiesen werden soll.
Wir kommen zuerst zu Drucksache Nr. 13: Antrag der Fraktion der DP, betreffend Entnazifizierungsgesetz. Er ist an den Ausschuß für Rechtswesen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 20, Antrag der Fraktion des Zentrums, betreffend Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten.
Für die Behandlung des Antrages kommen drei Ausschüsse in Frage: der Ausschuß für Heimatvertriebene, der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und der Ausschuß für Beamtenrecht. Ich
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schlage vor, den Ausschuß der Heimatvertriebenen
mit der Federführung zu beauftragen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen weiter zu Drucksache Nr. 21, Antrag der Fraktion des Zentrums, betreffend Staatssekretariat für Handwerk und gewerblichen Mittelstand.
Dieser Antrag ist an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Federführend ist der Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 22, Antrag der Fraktion der Bayernpartei, betreffend Vergebung der Aufträge des Bundes. Der Antrag ist an den Haushaltsausschuß zu verweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 23, Antrag der Fraktion der Bayernpartei, betreffend Aufteilung der Heimatvertriebenen. Dieser Antrag ist an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu verweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist so beschlossen.
Es kommt jetzt Drucksache Nr. 24, Antrag der Fraktion der Bayernpartei, betreffend Ausschuß bayerisches Notstandsgebiet.
Ich habe Bedenken, ob dieser Antrag an den Ausschuß für Grenzlandfragen zu verweisen ist.
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Man kann darüber streiten, welcher Ausschuß hier der richtige ist. Jedenfalls scheint mir der Ausschuß ' für Grenzlandfragen nicht der richtige zu sein, da er sich ja im wesentlichen mit den sogenannten Grenzkorrekturen zu befassen haben wird.
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- Es ist Verweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene beantragt.
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- Ich schlage vor, daß man sich auf die Verweisung an den Wirtschaftsausschuß einigt. Dieser kann sich ja dann mit den anderen Ausschüssen in Verbindung setzen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke schön! Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 26, Antrag der Fraktion der WAV, betreffend: Erlaß einer Amnestie.
Dieser Antrag ist an den Ausschuß für Rechtswesen zu verweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke!' Es ist so beschlossen.
Es kommt nun Drucksache Nr. 27, Antrag der Fraktion der WAV, betreffend: Erlaß einer General-Amnestie für Mitläufer und Minderbelastete.
Dieser Antrag ist ebenfalls dem Ausschuß für Rechtswesen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Danke! Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 29, Antrag der Fraktion der CDU/CSU, betreffend: Behebung dringender Notstände bei den Vertriebenen.
Dieser Antrag ist an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu verweisen. Wer dafür ist, den bittè ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Es kommt Drucksache Nr. 30, Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen, betreffend: Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Regelung der Versorgung der Körperbeschädigten .und Hinterbliebenen durch Kriegsfolgen.
Für diesen Antrag wird wohl der Ausschuß für Sozialpolitik in Betracht kommen.
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- Es ist beantragt, den Antrag an den Ausschuß für Kriegsopfer zu verweisen. Ich bitte um ein Handzeichen. - Danke! Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 31, Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen, betreffend: Jugendwohlfahrtsgesetz vom 9. Juli 1922.
Der Antrag ist an den Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge zu verweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 32, Antrag der Fraktion der SPD, betreffend: Entlassungen bei der Bundesbahn.
Zuständig dafür sind der Ausschuß für Verkehrswesen und der Ausschuß für Arbeit. Ich schlage vor, daß der Ausschuß für Verkehrswesen die Federführung hat. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 33, Antrag der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen, betreffend: Maßnahmen zur Bekämpfung der Notstände bei den Vertriebenen.
Der Antrag ist an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu verweisen. Ich bitte um ein Handzeichen. - Es ist so beschlossen.
Weiter liegt vor Drucksache Nr. 34, Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen, betreffend: Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums.
Der Antrag ist wohl an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Film- und Rundfunkwesen zu überweisen. Die Federführung hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Es ist so beschlossen.
Weitere Anträge zu Ziffer 12 der Tagesordnung liegen nicht vor.
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- Der ist hier gestrichen. Das ist kein bloßer Antrag. Es handelt sich um eine Gesetzesvorlage. Hier kann auf die erste Lesung nicht verzichtet werden.
Die Abgeordnete Frau Kalinke hatte um das Wort zu einer persönlichen Bemerkung gebeten.
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- Die Abgeordnete Frau Kalinke verzichtet auf das Wort.
Ich darf noch bekanntgeben, daß die nächste Sitzung des Bundestags nach einem Uebereinkommen im Ältestenrat voraussichtlich nicht in der nächsten Woche stattfinden wird. Der genaue Termin des nächsten Zusammentritts des Bundestags wird vom Ältestenrat am Dienstag, dem 4. Oktober, festgesetzt werden.
Ich schließe die Sitzung.