Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 108. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte um Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Entschuldigungen.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Stücklen, Tobaben, Strauß, Schoettle, von Knoeringen, Etzel ({0}), Loritz, Bauereisen, Brese, Struve, Dr. Henle, Dr. Besold, Dr. Tillmanns, Müller ({1}), Renner, Dr. Koch, Dr. Veit.
Meine Damen und Herren! Es war gestern vorgesehen, die
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Diskonterhöhung der Bank
deutscher Länder ({0})
heute als Punkt 1 der Tagesordnung zu erledigen. Ich darf Sie bitten, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen, daß mich die Zentrumsfraktion auf Grund der Besprechung im Ältestenrat gebeten hat, den Antrag dahin zu berichtigen, daß an die Stelle des Wortes „veranlassen" in der ersten Zeile des Antrages die Worte „darauf hinzuwirken" treten. Diese Abänderung ist wegen der nicht vorhandenen Zuständigkeit der Bundesregierung für ein unmittelbares Tätigwerden vereinbart worden.
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Ich darf den Antragsteller Herrn Abgeordneten Dr. Bertram bitten, zur Begründung des Antrages das Wort zu nehmen.
Dr. Bertram ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Erhöhung des Diskontsatzes von 4 auf 6 % und des Lombardsatzes von 5 auf 7 % durch den Zentralbankrat ist keineswegs einstimmig beschlossen worden. Bis zuletzt hat sich auch die Mehrheit der Bundesminister dagegen ausgesprochen. Jetzt ist sogar eine weitere Erhöhung vorgeschlagen. Die Zwiespältigkeit der Meinungen ist auch noch nicht abgeklungen. Die Kritik wendet sich zunächst gegen die Diskonterhöhung aus Gründen der Geldmarktpolitik und aus Gründen, die im Kapitalmarkt liegen. Unser Antrag fordert die Bundesregierung auf, eine Senkung herbeizuführen.
Man hat nun eingewandt, die Bundesregierung könne dazu nichts tun. Das ist nicht richtig. Die Bundesregierung kann heute schon hierzu etwas tun, obwohl die Wege kompliziert sein mögen. Daß nur komplizierte Wege zur Verfügung stehen, ist im wesentlichen eine Folge der Verzögerung der Einbringung des Notenbankgesetzes durch die Bundesregierung.
Heute kann die Bundesregierung den politischen Weg beschreiten, auf die Präsidenten der Landeszentralbanken über die einzelnen Länderregierungen, die den Präsidenten der Landeszentralbanken gegenüber weisungsbefugt sind, einzuwirken. Dabei würde die Bundesregierung, wenn sie sich über die Diskontsenkung einig wäre, in allen Ländern - auch in denen, in denen die derzeitige Regierungskoalition nicht die Regierung bestimmt - Unterstützung finden. Es wäre also ohne weiteres möglich, auf diesem politischen Wege eine derartige Maßnahme durchzusetzen.
Es könnte auch der Weg über den Bundesrat gegangen werden. - Aber es ist bisher nicht bekanntgeworden, daß der eine oder der andere Weg gegangen worden wäre.
Dabei ist die Bundesregierung nicht nur nach dem Grundgesetz verpflichtet, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch nach einem Gesetz des Wirtschaftsrats, Leitsatz Nr. 4, verpflichtet, insbesondere der Kreditmarktpolitik ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Leitsätze über die Wirtschafts- und Preispolitik nach der Währungsreform sind heute noch in Kraft; und trotzdem hat die Regierung nicht gehandelt. Eine Regierung kann sich doch nicht darauf berufen, daß sie sagt: „Ich habe kein unmittelbares Weisungsrecht" und damit dann alle ihr politisch zur Verfügung stehenden Mittel unversucht lassen. Im Gegenteil, das Regieren ist doch im wesentlichen eine politische Funktion und keine Verwaltungsfunktion. Deshalb müssen wir es der Regierung zum Vorwurf machen, daß sie nicht versucht hat, diesen Weg zu gehen.
Außerdem verpflichtet das Grundgesetz die 'Bundesregierung, ein Bundesnotenbankgesetz vorzulegen. Bei der zentralen Funktion, die der Währung für das gesamte Staatswesen zukommt, wäre die Vorlage dieses Gesetzes die vordringlichste Pflicht der Bundesregierung gewesen. Das Grundgesetz ist nun über zwei Jahre in Kraft, und wir haben bisher nur von Entwürfen gehört. Erst die Schaffung einer Bundesnotenbank mit eigenem Unterbau kann die Wirtschafts- und Kreditpolitik zu völliger Koordinierung führen. Aus Art. 88 des Grundgesetzes ergibt sich, daß die Fortführung
der bisherigen Konstruktion, nämlich einer Vereinigung der Landeszentralbanken, der Länderbanken, nicht zulässig wäre. Wenn die Bundesregierung in ihren bekanntgewordenen Entwürfen gleichwohl die Notkonstruktion aus der Zeit vor Gründung des Bundes übernommen hat, so gibt sie damit dem Zentralbankrat eine politische Bedeutung, die diesem nicht zukommt. Die Mitglieder des Zentralbankrates würden einen Hinweis der Bundesregierung auf die dem Bund verliehene Gesetzgebungskompetenz wohl verstanden haben. Es ist kaum anzunehmen, daß sie sich einer einheitlich ausgerichteten Meinung der Bundesregierung widersetzt hätten. Die Unabhängigkeit der Notenbank ist wünschenswert, muß aber begrenzt sein durch die einheitliche Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.
Man hat mir gesagt, daß wir mit unserem Antrag Wasser auf die Mühlen derer leiteten, die die Stellung des Bundeskanzlers noch stärken wollten; das sei doch sicher nicht unsere Absicht. Demgegenüber betonen wir ausdrücklich, daß wir aus zeitbedingten politischen Gründen keinerlei Maßnahmen unsere Zustimmung geben könnten, die die einheitliche Wirtschaftspolitik gefährden. Die Kreditpolitik ist ein Teil der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hat die Voraussetzungen geschaffen, die den Zentralbankrat zu seinen Entschlüssen gebracht haben. Die Devisenklemme insbesondere ist eine Folge der deutschen und ausländischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen.
Wenn andere Länder unsere deutschen Vorleistungen in der Liberalisierung nicht honorieren - durch Zölle, Devisenkontingente, ungünstige Zusammensetzung der Liberalisierungsliste -, so kann ein Gleichgewicht der Zahlungsbilanz nicht erwartet werden. Wenn dazu Zwangsexporte und überhöhte Rohstoffexporte kommen, ohne daß wir uns den Preisauftriebstendenzen des Auslandes gegenüber abschirmen, wenn wir der exportwilligen deutschen Fertigwarenindustrie keine Förderung gewähren, insbesondere die Rohstoffe nicht zuteilen, deren sie zur Ausführung von Exporten bedarf, wenn weiter Rohstoffimporte durch Streichung von Importlizenzen und Bardepotgestellung verhindert und verteuert werden, so werden Sie einsehen, daß ohne geänderte Wirtschaftspolitik die Zahlungsbilanz nicht in Ordnung kommen kann.
Durch die Diskonterhöhung sollte nun gerade eine Erleichterung unserer devisenpolitischen Lage herbeigeführt werden, indem sie dämpfend auf die Konjunktur und den Preisauftrieb im Inland wirken und sich damit restriktiv auf den Import auswirken sollte. Der Preisauftrieb ist auf verschiedene Ursachen zurückzuführen, so auf die Ausweitung des Geldvolumens durch die Kreditausweitung über die öffentlichen Haushalte, die größere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, vor allem aber auf die von der Weltrüstungskonjunktur ausgehenden Tendenzen. Diese Ursachen des Preisauftriebs können durch die Diskonterhöhung kaum beeinflußt werden. Es mag sein, daß Großhandelsfirmen in ihren Dispositionen eingeschränkt werden; dann werden wir aber auch weniger Rohstoffe zur Verfügung haben.
Die langfristigen Verpflichtungen auf dem industriellen, gewerblichen, insbesondere auf dem kleingewerblichen Sektor können jedoch so schnell nicht gelöst werden. Bei diesen Kreditnehmern wirkt die Verteuerung des Kredits vor allem im Sinne einer Kostenerhöhung. Bei allen Kredit({3})
nehmern wird der Versuch einer Abwälzung der Kreditkosten gemacht werden, was eine Preissteigerung zur Folge haben wird. Hierzu bietet gerade der deutsche Markt infolge der oben geschilderten Einflüsse gute Möglichkeiten.
Die Inlandspreise haben auch, wie wir gestern bereits ausführten, seit dem Sommer dieses Jahres erheblich angezogen, insbesondere die für industrielle Grund- und Rohstoffe. Die Diskonterhöhung jedenfalls wirkt in der deutschen Wirtschaft nicht verbilligend, sondern verteuernd. Sie wirkt auch nicht restriktiv auf den Import, da die spekulativen Chancen der Importeure wesentlich größer sind als die erhöhten Kosten der Kredite. Bei Preissteigerungen, beispielsweise für Nichteisenmetalle um das Dreifache im Laufe des letzten halben Jahres, spielen doch die Kosten der Kredite überhaupt keine Rolle.
Die Diskontsenkung ist auch keine vorteilhafte Geste dem Ausland gegenüber. Es mag sein, daß eine entsprechende Senkung von einigen Fachleuten gefordert worden ist; es mag auch sein, daß der Diskontsatz zur Zeit den Geldmarktverhältnissen marktkonform ist; aber der Geldmarkt ist erst durch die Restriktionsmaßnahmen in eine Verfassung gebracht worden, die den Zins heraufgetrieben hat. Wir sollten doch nicht übersehen, daß die Meinungen im Ausland über die Frage einer restriktiven oder einer expansiven deutschen Wirtschaftspolitik sehr geteilt sind.
Die Devisenklemme hat ferner Ursachen, denen man nicht mit Stillschweigen begegnen kann. Wenn man daran denkt, daß eine versteckte Kapitalflucht eingesetzt hat, die von der Bank deutscher Länder ebenso wie vom Oberfinanzpräsidenten in Köln geschildert wird, so müßte hier vordringlich eingegriffen werden. Der Oberfinanzpräsident in Köln kommt zu dem Schluß, daß auch seriöse Unternehmer nichts unversucht lassen, um im Ausland ein Devisenguthaben anzulegen. Man scheut sich nicht, mit gefälschten, d. h. überhöhten Rechnungsbeträgen, falschen Warendeklarationen, fingierten Vorkriegsschulden zu arbeiten; der vor allem beschrittene Weg aber dürfte der sein, daß Kredite, die wirtschaftlich nicht notwendig sind und ein ausländisches Guthaben als Polster für alle Zwecke schaffen sollen, an ausländische Käufer gewährt werden. Hier sollten wir eingreifen.
Ferner sollten wir den Export von Rohstoffen abbremsen, den Export von Fertigwaren fördern und alsbald entsprechende Exportbeschränkungen für Kohle, Eisen und Zellwolle einführen und ein Zuteilungsverfahren bestimmen, das die Fertigwarenindustrie in die Lage versetzt, ihre Exportaufträge auszuführen. Es ist doch bekannt, daß die Ausfuhr von Fertigwaren für uns eine wesentlich größere volkswirtschaftliche Bedeutung hat als die Ausfuhr von Rohstoffen.
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Dabei ist darauf hinzuweisen, daß vor allem die Handelsstatistik dieses Mißverhältnis nicht ohne weiteres zeigt, weil unter Fertigwaren auch typische Rohstoffe, wie beispielsweise Walzwerkserzeugnisse, erscheinen.
Ich persönlich verstehe nicht, wie man eine geldpolitische Maßnahme wie die Erhöhung des Diskontsatzes beschließen kann, ohne die Kapitalmarktauswirkungen hinreichend zu bedenken. Zwar hat der Diskontsatz seine zentrale Steuerungsfunktion eingebüßt. Auf die Dauer aber ist eine Heraufsetzung der Kapitalmarktzinsen unerläßlich, wenn der Diskontsatz für kurzfristige Gelder so
hoch bleibt, wie er bisher ist. Der Geldstrom vom
langfristigen Kapitalmarkt zu den kurzfristigen
Einlagen wird, wie sich eindeutig zeigt, abgelenkt.
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Meine Damen und Herren! Es ist dem Herrn Redner sehr schwer möglich, gegen die fröhliche Morgenunterhaltung anzukämpfen.
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Ich bitte, sie etwas einzuschränken.
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Dieser Zustand kann im Interesse der Kapitalmarktpflege unmöglich andauern. Daß der Kapitalmarkt durch eine Erhöhung des Zinsgefüges nicht gesunden kann, hat in der letzten Sitzung Herr Professor Dr. Höpker-Aschoff überzeugend dargelegt.
Die Behauptung von Röpke, daß es eine marktgerechte Politik wäre, langfristige Anlagen auf
8 O/o Zinsen zu bringen, für die täglich fälligen Depositen ganz niedrige Zinsen vorzuschlagen und die Spareinlagezinsen auf dem gegenwärtigen Stand zu lassen, ist sicherlich falsch. Dieser ganze Plan von Köpke ist ebenso von politischen Entscheidungen diktiert, wie die jetzige Diskontfestsetzung durch den Zentralbankrat. Das Vertrauen unserer Sparer hängt von der Stabilität der Preise und der Stabilität der Währung, d. h. von der Frage der Sicherheit, nicht von der Frage der Zinshöhe ab. Das hat sich auch überzeugend in der Zeit zwischen den beiden Kriegen wie im ersten Halbjahr 1950 erwiesen, als dieses Vertrauen mehr als heute vorhanden war.
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Herr Abgeordneter Bertram, darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß der Ältestenrat für die Begründung eine Zeit von 15 Minuten vorgesehen hatte. Die Zeit ist bald abgelaufen. Sie würden, glaube ich, die Aufmerksamkeit des Hauses in stärkerem Maße haben, wenn Sie sich etwas von Ihrem Manuskript entfernten.
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Die quantitative Ausdehnung des Geldumlaufs ist wesentlich geringer als die qualitative Ausdehnung des Produktionsvolumens. Der Geldumlauf stieg seit Dezember 1948 von 18 Milliarden auf 28 Milliarden im September 1950; die entsprechenden Zahlen für den Produktionsindex sind: 78 im Januar 1949 und 125 im Oktober 1950. Die Geldschöpfung im September und Oktober 1950 betrug nur 600 Millionen DM. Allein in diesen beiden Monaten ist der Produktionsindex aber um
9 Punkte gestiegen. Geldvolumen und Produktionsindex halten sich demnach fast die Waage, wobei letzterer sogar etwas stärker gestiegen ist. Das bedeutet also, und darauf kommt es an, daß der innerdeutsche Geldmarkt völlig in Ordnung ist, weil Produktionsindex und Ausweitung des Geldvolumens tatsächlich eine annähernd gleiche Entwicklung zeigen, wobei sogar der Produktionsindex etwas stärker gestiegen ist.
Von den Verhältnissen des deutschen Geldmarkts her rechtfertigt sich daher der Diskontsatz keineswegs. Es kann auch nicht davon die Rede sein, daß wir in Deutschland etwa eine Überkonjunktur hätten. In Deutschland ist keine Überkonjunktur,
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wie sie in anderen westlichen Ländern vorhanden sein mag, zu verzeichnen. Die Güterversorgung pro Kopf des Einwohners unseres Bundesgebiets liegt immer noch unter dem Stand von 1938. Es ist auch nicht richtig, daß die gesamte Wirtschaft bereits restlos ausgelastet sei. Im Gegenteil, gerade bei der verarbeitenden Industrie stellen wir fest, daß noch eine größere oder kleinere Kapazität verhanden ist, eine Kapazitätsreserve, die auf dem Wege über den Export nutzbar gemacht werden könnte und sollte. Wir werden mit der Heraufsetzung des Diskontsatzes den Geldmarkt also keineswegs sanieren, dafür aber den Kapitalmarkt zerstören.
Ich glaube deshalb, daß die deutschen Leistungsreserven durch eine produktive und expansive Wirtschaftspolitik bis zum letzten ausgenutzt werden sollten. Wir sollten nicht in den Fehler verfallen, die deutsche Wirtschaft auf dem Wege über den politischen Geldmarktzins in einem Zeitpunkt abzubremsen, in dem wir diese Abbremsung weniger als je vertragen können. Wenn wir heute hören, daß die Amerikaner eine internationale Rohstofflenkung erwägen, daß Kautschuk, Zucker, Wolle, Holz, Schwefel, Eisen, Metalle und Kohle durch eine internationale Rohstofflenkung zugeteilt werden sollen mit dem Ziel eines völligen Einsatzes aller vorhandenen Produktionsmittel, so ist nicht einzusehen, warum wir in Deutschland diese wirtschaftspolitischen Steuerungsmittel aus übertriebenem Festhalten an einem irrigen Dogma ablehnen und uns statt dessen mit einer politischen Fehlentscheidung zugunsten eines Geldmarktzinses, der den Kapitalmarkt zerstört, begnügen.
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Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich Ihnen für die Aussprache eine Zeit von 60 Minuten vor. Es ist nicht nötig, daß die Herren aller Fraktionen diese Zeit ausnutzen. - Zunächst hat das Wort Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soviel mir bekannt ist, hatte die Zentrumsfraktion zwei Anträge eingebracht, von denen sich einer ausführlich mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung, insbesondere der Lage auf dem Einfuhrsektor, der Devisen- und der Exportlage befaßte. Der zweite, kurze Antrag betraf die Diskonterhöhung der Bank deutscher Länder. Ich habe soeben beim Präsidium des Hohen Hauses festgestellt, daß heute nur der zweite Antrag auf der Tagesordnung steht. Ich werde mir deshalb erlauben, zu diesem zweiten Antrag eine Erklärung abzugeben.
In dem Memorandum der Bundesregierung an die OEEC über Maßnahmen zur Verbesserung der deutschen Zahlungsbilanz vom 27. November 1950 ist unter den wirtschaftspolitischen Mitteln zur Einschränkung des . Importsoges unter anderem die Erhöhung der Diskont- und Lombardsätze des Zentralbanksystems um 2 % angeführt worden. Von der Bundesregierung ist weiterhin erklärt worden, daß die Bank deutscher Länder gewillt sei, an den von ihr getroffenen Maßnahmen solange festzuhalten, wie die Verhinderung einer weiteren Kreditexpansion oder gar eine Reduktion des Kreditvolumens im Interesse des Zahlungsbilanzausgleichs auf der von der Europäischen Zahlungsunion vorgesehenen Basis notwendig ist und sofern die Maßnahmen hierfür unerläßlich sind. Die Bank deutscher Länder
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will nach dem Memorandum, wenn es die Lage erfordern sollte
Herr Abgeordneter Reismann, wir haben zwar Freitag, aber es sollten doch heute keine Retourkutschen fahren.
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Die Bank deutscher Länder will nach dem Memorandum, wenn es die Lage erfordern sollte, die bereits getroffenen Maßnahmen der Entwicklung anpassen, stärker differenzieren oder - je nach der Entwicklung - auch noch lockern.
Im Hinblick darauf, daß sich die Restriktionsmaßnahmen der Bank deutscher Länder im Interesse der Zahlungsbilanz noch nicht voll haben auswirken können, ist die Bundesregierung der Auffassung, daß die weitere Entwicklung zunächst abzuwarten ist. Sollte sich zeigen, daß den Restriktionsmaßnahmen ein Erfolg beschieden ist, so wird die Bundesregierung darauf hinwirken, daß in erster Linie die Erhöhung des Diskontsatzes und des Lombardsatzes rückgängig gemacht wird. Die Bundesregierung wird die Lage sorgsam im Auge behalten und in wenigen Wochen über die weiter zu ergreifenden Schritte erneut beraten.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung der Bundesregierung gehört. Ich eröffne die Aussprache.
Darf ich diese Gelegenheit benutzen, an alle Damen und Herren zu appellieren, möglichst daran mitzuarbeiten, daß wir die heutige Tagesordnung flüssig und ohne Störungen erledigen. Ich glaube, es besteht für alle Mitglieder des Hauses ein Interesse daran, die Tagesordnung heute ohne Verzögerung durchzuarbeiten.
Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.
Meine Damen und Herren! Daß Herr Staatssekretär Hartmann vom Bundesfinanzministerium diese Frage beantwortet, deutet wohl darauf hin, daß die Bundesregierung damit sagen will, diese Fragen der zentralen Wirtschaftspolitik seien von dem Finanzministerium zu bearbeiten, ein Punkt, mit dem sich dieses Hohe Haus in Zukunft auch noch bei der Frage der Koordinierung der Wirtschaftspolitik wird zu beschäftigen haben.
Ich entnehme im übrigen den Ausführungen des Herrn Hartmann, daß die Bundesregierung sich also doch im Stande erklärt, über die Frage des Diskontsatzes von sich aus zu entscheiden, und in diesem Falle die Omnipotenz der Bank deutscher Länder nicht anerkennt.
Nun zu der Frage der Diskonterhöhung und ihrer wirtschaftspolitischen Berechtigung selbst. Von Herrn Bertram ist schon - allerdings recht ausführlich - über die Konzeption in dieser Frage gesprochen worden. Lassen Sie mich nur einige politische Bemerkungen machen. Die deutsche Devisenklemme hat sowohl außenpolitische Ursachen, die nicht in der Kompetenz unserer Regierung liegen, als aber auch eigene deutsche Ursachen. Eine der wesentlichsten ist die, daß man im Frühjahr dieses Jahres daran ging, die deutschen Vor({0})
räte ganz wesentlich abzubauen - vor allem auf dem Agrarsektor -, offenbar mit dem Hintergedanken, damit die Preise für Agrarprodukte durch Knappheit im Inland wesentlich zu stützen.
Als im Herbst dieses Jahres als Folge des Koreakonfliktes unsere Devisenwirtschaft in Schwierigkeiten kam, erinnerte man sich nur des klassischen Mittels der Diskonterhöhung zur Drosselung des Importes. Dieses klassische Mittel hat versagt und mußte versagen, weil die Voraussetzung eine Illusion war, die Voraussetzung nämlich, die Herr Professor Erhard macht, daß wir in einer sogenannten freien Marktwirtschaft lebten. Wir leben nicht in einer solchen, sondern sind - real gesehen - in dem Zustand einer völlig verzerrten Nachkriegswirtschaft, auf die die Lehrbuchsätze von der Importdrosselung durch Diskonterhöhung nicht anwendbar sind. Das Lehrbuch hat versagt, und die Importdrosselung ist nicht durch die Diskonterhöhung erreicht worden, sondern durch ganz andere Mittel, und zwar durch Mittel, die faktisch eine Außerkraftsetzung der Liberalisierung gebracht haben.
Der augenblickliche Außenhandel ist in dem Teil, in dem man ihn als liberalisiert bezeichnet hat, heute nicht mehr als liberalisiert zu bezeichnen, sondern es ist eine Behördenwirtschaft, die durch keine Rechtsgrundlage gestützt und durch nichts zu kontrollieren ist. Die Folge davon ist, daß uns augenblicklich - sicher nicht mir allein, sondern auch anderen Herren dieses Hauses -Schreiben der Importwirtschaft zugehen, in denen die Importeure uns mitteilen, daß ihnen Importe abgelehnt werden, ohne daß dafür irgendeine Rechtsgrundlage oder wenigstens eine wirtschaftspolitische Konzeption zu entdecken ist. Es bleibt eine Frage, die nicht in diesem Augenblick, aber später zu klären ist, wer die Folgen solcher Importausfälle in Form der Entschädigung zu tragen haben wird. Ich glaube, wenn die Regierung sich hier nicht in der allernächsten Zeit zu klaren Rechtsgrundsätzen durchringt, so wird es zu Schadensersatzklagen in ganz erheblichem Maße kommen.
Die Methode der Diskonterhöhung hat auf dem Sektor, auf dem sie etwas erreichen sollte, nämlich auf dem der Importdrosselung, nichts erreicht, wohl aber auf einem anderen - und das ist die Gefahr dieser Diskonterhöhung -, nämlich auf dem Sektor der Binnenkonjunktur. Die Importe werden heute nicht durch eine Verteuerung des Geldes gedrosselt, da sie in ihrem übertriebenen Ausmaße in dem, was man gerade abdrosseln will, durch spekulative Momente begründet sind. Spekulative Momente überspingen aber jede Diskonterhöhung. Wir müssen deshalb also augenblicklich der Gefahr entgegensehen, daß die Diskonterhöhung nicht an der Stelle wirksam wird, für die sie angeblich gedacht ist, nämlich auf dem Außenwirtschaftsmarkt, sondern daß sie wirksam wird in der Binnenwirtschaft, in der Drosselung der Konjunktur, insbesondere in der völligen Drosselung der inneren Bauwirtschaft und in der Drosselung aller derjenigen Wirtschaftsteile, die sich in Krisenzuständen bzw. - worauf ich besonders hinweisen möchte -- in Krisengebieten wie Norddeutschland und Ostbayern befinden; denn gerade Krisengebiete und Krisenindustrien sind natürlich gegen Diskonterhöhung viel verletzlicher als andere Wirtschaftszweige und -gebiete, in denen eine volle Blüte zu verzeichnen ist, so daß wir also hiermit binnenwirtschaftlich eine Verschärfung der Gegensätze erreichen und nicht das, was wir erreichen müßten.
Dann zum nächsten Punkte, wie es zu dieser Diskonterhöhung eigentlich gekommen ist. Dazu muß ich sagen, daß man offiziell überhaupt nicht unterrichtet wurde. Selbst der vertrauliche Außenhandelsbeirat des Bundestages hat nicht die Möglichkeit gehabt, von dem Direktor der Bank deutscher Länder, Herrn Vocke, orientiert zu werden. Herr Vocke hat es ausdrücklich abgelehnt, zu einer vertraulichen Aussprache vor Mitgliedern des Bundestages zu erscheinen.
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Er hat sich da auf formalrechtliche Gründe zurückgezogen, die ihm formal nicht zu bestreiten sind, die aber de facto und realpolitisch gesehen eine Provokation dieses Hauses darstellen.
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Denn es erscheint mir unerläßlich, daß jemand, der faktisch wesentlichen Einfluß auf die deutsche Wirtschaftspolitik nimmt, auch verpflichtet ist, vor dem Parlament zu erscheinen und, wenn er glaubt, daß es vertrauliche Dinge sind, mindestens in vertraulicher Aussprache hier Rede und Antwort zu stehen. Was Herr Vocke hinterher getan hat, vor einigen Wirtschaftsleuten der Koalitionsparteien zu sprechen, ersetzt in keinem Fall seine Pflicht, vor dem Parlament bzw. einem Ausschuß des Parlaments im ganzen zu erscheinen.
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Daß er mit der Koalition einer Meinung war, muß ihm natürlich unterstellt werden. Von der Bank deutscher Länder hieß es bisher - von Herrn Hartmann sind wir eben offenbar eines anderen belehrt worden -, sie sei autonom in ihrer Entscheidung, sei also eine Schattenregierung auf wirtschaftspolitischem Gebiet, die von sich aus die weitesttragenden Entscheidungen fällen könne. Das kann natürlich nicht so weitergehen, und ein Notenbankgesetz ist außerordentlich dringend erforderlich. Ich befinde mich hier in angenehmer Gesellschaft mit Herrn Adenauer, der das ja auch anscheinend fordert, aber aus mir nicht bekannten Gründen doch nicht zu Realitäten durchgestoßen ist.
Wie kam es zur Diskonterhöhung? Die Bank deutscher Länder hat eben nach der klassischen Methode unter illusionären Vorstellungen von der freien Marktwirtschaft diese Diskonterhöhung beschlossen, wobei man ihr allerdings zugute halten muß, daß sie zu diesem Mittel gegriffen hat, da das Wirtschaftsministerium von sich aus überhaupt nichts tat, um die Devisenkrise zu überwinden. Nun, Herr Erhard hat dieser Diskonterhöhung meines Wissens von sich aus zugestimmt. Herr Schäffer, für den ja wohl Herr Staatssekretär Hartmann eben sprach, hat dieser Diskonterhöhung allerdings widersprochen, und zwar meines Wissens mit der Begründung, daß er es nötig habe, billige Anleihen zu bekommen, und Herr Adenauer selber hat dem auch widersprochen, und zwar mit einem recht bemerkenswerten Argument, nämlich daß Herr Pferdmenges ihm von einer Diskonterhöhung abgeraten habe.
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Da Herr Pferdmenges Mitglied dieses Hauses ist, wäre es zweckmäßiger, er würde sich nicht nur als Dhrenflüsterer betätigen, sondern von der Tribüne dieses Hauses seine Meinung einmal offen vortragen,
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damit man von denjenigen, die hier in Deutschland weitgehend die Wirtschaftspolitik machen oder
zu machen versuchen, offen ihre Meinung hört und
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damit man in offener Aussprache hier klären kann, was Sache ist.
Zum Schluß möchte ich mich noch einmal ausdrücklich vor allem gegen die Methode verwahren, die Herr Vocke hier angewandt hat, nämlich nicht vor dem Ausschuß des Parlaments zu erscheinen und sich auf formalrechtliche Ablehnungsgründe zurückzuziehen. Ich meine, so etwas muß den Sinn einer parlamentarischen Demokratie abtöten, wenn jemand, der sich einerseits anmaßt, die Wirtschaftspolitik des Bundes wesentlich zu bestimmen, es andererseits nicht für nötig hält, sich offener Aussprache und offener Kritik zu stellen.
Wir unterstützen den Antrag der Zentrumspartei, den Diskontsatz schnellstens wieder zu senken, da seine Erhöhung dort, wo sie Erfolg haben sollte, nämlich im Außenhandel, offenbar versagt und dort, wo sie sinnwidrig ist, nämlich in der Binnenwirtschaft, auf die Dauer verheerende Folgen haben muß. Ich bitte, diesen Antrag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und unter Umständen auch dem Finanzausschuß zu überweisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mittel, mit denen Geldmarktpolitik gemacht wird, sind, wie mir scheint, so umstritten und auch so schwierig, daß sie sich wenig für eine Diskussion hier im Plenum eignen.
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Herr Bertram hat an Hand seines Antrages einen Spaziergang durch die ganze Wirtschaftspolitik gemacht. Wenn auch die Geldpolitik einen entscheidenden Faktor für die Wirtschaftspolitik darstellt, so möchte ich ihm doch auf diesem Spaziergang nicht weiter folgen, sondern mich lediglich auf die Frage beschränken, die in dem vorliegenden Antrag zur Diskussion gestellt ist.
Aufgabe einer Notenbank ist es, die in Umlauf befindliche Menge an Noten und Giralgeld den jeweiligen Bedürfnissen der Wirtschaft anzupassen. Dabei besteht die Aufgabe darin, einerseits das Auf und Nieder von Konjunktur und Depression abzuflachen und andererseits die Binnenkonjunktur derart zu regulieren, daß die Zahlungsbilanz in Ordnung bleibt. Die Mittel, die der Notenbank zu diesem Zweck zur Verfügung stehen, sind: Diskontpolitik, Mindestreserven, Kreditrestriktion und Offen-Markt-Politik. In welchem Umfange diese Mittel eingesetzt werden, ist ausschließlich der Ermessensentscheidung des Zentralbankrats überlassen, so daß weder die Regierung noch wir irgendeine Zuständigkeit auf diesem Gebiet haben. Unsere Aufgabe wird es zu gegebener Zeit sein, lediglich im Rahmen des Notenbankgesetzes, das uns ja demnächst vorgelegt wird, die Rahmenvorschriften festzulegen, nach denen die Notenbankpolitik erfolgt, und ich stimme mit Herrn Bertram darin vollkommen überein, daß dieser Gesetzentwurf über die Notenbank außerordentlich wichtig und dringlich ist. Wir werden bei der Gelegenheit dann auch die Frage zu behandeln haben, die hier angeschnitten ist, ob die Notenbank autonom oder abhängig sein soll, ob sie zentral oder dezentral gesteuert werden soll.
Das im breiten Publikum am meisten bekannte Mittel der Geldmarktpolitik ist der Diskont; wird doch von ihm jeder, der einen Bankkredit genommen hat, irgendwie unmittelbar betroffen. Das bedeutet aber noch nicht, daß es das wirksamste Mittel ist. Die Wirkung der Diskontpolitik war früher, als wir und alle europäischen Länder noch eine freie Devisenwirtschaft hatten, so, daß bei einer Erhöhung des Diskontsatzes ausländisches Geld hereinströmte und bei einer Ermäßigung des Diskontsatzes der Strom umgekehrt ging. Das führte dann bei einer Erhöhung des Diskontsatzes jeweils zu der gewünschten Verflüssigung des Geldmarktes, während die Ermäßigung umgekehrt wirkte.
Neben dieser Wirkung der Diskontpolitik tritt noch eine weitere Wirkung auf die inländischen Märkte ein, indem durch Verteuerung der Bankkredite das Durchhalten von Lägern vielfach unrentabel wird und die Unternehmer so gezwungen werden, ihre Läger derart zu verkleinern, daß sie keinen oder zumindest weniger Bankkredit in Anspruch zu nehmen brauchen.
Die erstere Wirkung ist, solange die Devisenbewirtschaftung besteht, nicht vorhanden; sie ist aber die weitaus gewichtigere. Die Diskontpolitik hat heute - und darin will ich Herrn Bertram auch durchaus recht geben - nur noch eine recht begrenzte Auswirkung, und zwar deshalb, weil das System der Relativierung zu den ausländischen Diskontsätzen außer Funktion ist. Wir könnten deswegen auf dem Gebiet des Diskonts grundsätzlich ein völliges Eigenleben führen; denn die Höhe des Durchschnitts- oder Normalsatzes ist infolge der Unabhängigkeit von den ausländischen Geldmärkten geldpolitisch unwichtig geworden. Wichtig ist nur, um eine zu wild wachsende Konjunktur oder einen zu intensiven Import abzustoppen, mit dem Diskontsatz heraufzugehen oder in Zeiten der Depression oder wenn es die Zahlungsbilanz mit dem Ausland zuläßt, mit dem Diskontsatz unter den Normalsatz zu gehen.
Unser Normalsatz war 4 %. Die Frage ist, ob man ihn nicht niedriger hätte bemessen können. Ich persönlich habe seit jeher den Standpunkt vertreten, daß man ruhig auf 3 % hätte gehen können; denn die unter so erschwerten Bedingungen arbeitende deutsche Wirtschaft sollte so billig wie möglich mit Kredit versorgt werden.
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Eine andere Frage aber ist es, ob die Erhöhung von 4 °/o auf 6 °/o richtig war oder nicht. Sie ist zunächst einmal im Rahmen einer Reihe von anderen kreditrestriktiven Maßnahmen zu sehen, die von der Notenbank getroffen sind; sie ist auch unter ihren psychologischen Auswirkungen zu betrachten. Als sich der Zentralbankrat zu den bekannten drastischen Maßnahmen, worunter auch die Diskonterhöhung fiel, entschloß, hat die deutsche Öffentlichkeit diese Maßnahmen zunächst durchweg oder überwiegend negativ kritisiert. Nachdem man durch das Bekanntwerden der Ziffern aus unserer Zahlungsbilanz und des Gutachtens der ausländischen Herren Jacobsson und Cairncross über die Entwicklung unserer Devisenlage unterrichtet wurde, ist die Kritik inzwischen meist verstummt. Heute wissen wir, daß wir vor der Alternative standen, entweder die Liberalisierung preiszugeben
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- nein, wir haben sie nicht preisgegeben - oder
durch drastische Maßnahmen ein übermäßiges Wu({3})
ehern der Inlandskonjunktur abzustoppen; letzteres ist gewiß bedauerlich, - ({4})
- Wir waren im besten Lauf im Rahmen der internationalen Hochkonjunktur. Es wäre sehr schön, wenn wir an der internationalen Hochkonjunktur noch mehr, als es geschieht, profitieren könnten; es sind uns aber durch unseren Geldbeutel, der nach dem verlorenen Krieg nun einmal klein ist, und durch den dadurch bedingten Devisenengpaß wie auch durch alle möglichen anderen Engpässe in unserer Wirtschaft Grenzen gezogen. Um sie einzuhalten, gibt es als gewissermaßen vorletztes Mittel nur die Einwirkung auf den Geldmarkt. Das letzte Mittel wäre Preisgabe der Liberalisierung; aber diese würde unendlichen Schaden für unsere Wirtschaft herbeiführen. Wie groß dieser Schaden wäre, erkennt man am deutlichsten, wenn man den Erfolg betrachtet, den uns die Liberalisierung gebracht hat. Innerhalb eines Jahres ist unser Außenhandel um 100 % gestiegen, andererseits ist das Außenhandelsdefizit wesentlich gesunken. Es ist klar, daß ein großer Teil dieses Erfolges wieder verloren gehen würde, wenn wir die Liberalisierung opfern.
Der Herr Kollege Kalbitzer hat den Erfolg der Diskonterhöhung und, wie ich annehme, damit auch der übrigen kreditrestriktiven Maßnahmen bezweifelt.
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Ich glaube, daß man hierüber noch kein abschließendes Urteil fällen kann, Herr Kalbitzer. Tatsache ist, daß bei den Banken die Kreditzunahme, die seit Mitte August ja außerordentlich stark war, abgestoppt worden ist. Worauf diese Verminderung der Kreditzunahme zurückzuführen ist, ob auf Importkredite oder auf andere Kredite, wie Sie befürchten, läßt sich im Augenblick noch nicht übersehen. Darüber kann man ein Urteil erst fällen, wenn man sieht, wie sich die Devisenlage nunmehr entwickelt.
Ich bin mir durchaus im klaren darüber, daß die Höhe des Diskontsatzes für weite Teile der Wirtschaft eine fast nicht mehr tragbare Belastung darstellt, und ich bin mir auch darüber im klaren, daß der Diskontsatz von 6 °/o nicht der Normalsatz werden darf, denn sonst treten die Auswirkungen auch auf dem Kapitalmarkt ein, die von den beiden Herren schon angedeutet worden sind. Wir müssen, sobald die Versorgung unserer Wirtschaft mit Devisen gesichert ist, mit dem Diskontsatz wieder heruntergehen; in diesem Sinne bin ich mit dem Antragsteller durchaus einer Meinung. Ich bin aber im übrigen der Auffassung, wie ich es zu Beginn meiner Ausführungen schon sagte, daß man diese Fragen nicht im Plenum bis in die letzten Einzelheiten behandeln kann; sie sind zu kompliziert und zu sehr auch Ermessensfragen. Deswegen würde ich eine Vertiefung der Diskussion im Ausschuß, wobei auch Vertreter der Bank deutscher Länder hinzugezogen werden können, begrüßen. Ich schlage daher im Gegensatz zu dem Antrag von Herrn Kalbitzer vor, daß dieser Antrag dem zuständigen Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird.
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Herr Abgeordneter Dr. Preusker, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, hier eine weitere Stunde im geld- und kreditpolitischen Seminar zu halten. Aber ich möchte für unsere Fraktion doch zwei Anmerkungen zu diesem Thema machen. Einmal sind auch wir der Meinung, daß für die Fragen von Geld und Kredit nicht der Finanzminister, sondern der Wirtschaftsminister zuständig sein muß.
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Denn aus allem, was hier zur Sprache gekommen ist, hat sich doch wohl eins ergeben: Die Auswirkungen der Maßnahmen, die die Notenbank auf dem Gebiete von Geld und Kredit erreichen will, treffen in erster Linie die Wirtschaft.
Zum zweiten möchte ich mich doch gegen einige Sätze aus der Rede des Herrn Kollegen Kalbitzer hinsichtlich der Bundesnotenbank wenden. Ich bin der Meinung - und ich glaube, daß diese Meinung, ohne daß wir das bereits bis zum Ende diskutiert haben, auch von unserer Fraktion geteilt wird -, daß die Bundesnotenbank tatsächlich unabhängig sein muß, insbesondere, wenn sie etwa weiterhin in die Zuständigkeit des Bundesfinanzministers gehören sollte.
Die Bundesnotenbank ist nun einmal für die gesamte Bevölkerung der Garant der Währung. Sie trägt die Verantwortung dafür, daß die D-Mark in den Augen der Bevölkerung eine feste Währung ist, daß der Sparer Vertrauen zu ihr hat. Eine abhängige Notenbank kann in irgendwelchen Spannungszeiten sehr leicht einmal über die Grenzen hinausgehen, die sie sonst als unabhängige Bank jederzeit innehalten würde.
Das sagt andererseits nicht, daß die Bundesnotenbank nicht ihre sämtlichen Maßnahmen mit, der Bundesregierung und namentlich mit den für die wirtschaftliche Gestaltung zuständigen Ministerien abzustimmen hat. Aber diese Abstimmung darf nicht im Verhältnis von Befehl und Gehorsam, sondern sie muß im Verhältnis voller sachlicher Überzeugung auf beiden Seiten stehen.
Noch ein weiteres: Auch ich bin der Meinung, daß das Mittel der Diskontpolitik allein in der gegenwärtigen Situation sehr wenig Griffigkeit hätte haben können. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß es zur Überwindung unserer Zahlungsbilanzanspannung nur ein Mittel, und zwar das sicher am wenigsten wirksame von vielen gewesen ist.
({1})
In diesem Gesamtzusammenhang muß man diese Maßnahme sehen. Zusammen haben sie - das zeigt die Außenhandelsentwicklung im November - doch schon eine segensreiche Wirkung entfaltet, die die Hoffnung näherrücken läßt, daß manche dieser Maßnahmen schon bald überprüft werden können.
Aber es hat sich doch auch herausgestellt, daß die Bank deutscher Länder in ihrer gegenwärtigen Konstruktion des Landeszentralbankensystems gar nicht den entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung des Kreditvolumens nehmen kann, den sie an und für sich haben müßte, da nämlich die Landeszentralbanken in einem Maße, das gerade in Anspannungszeiten nicht erwünscht sein kann, autonom das Maß der Kreditgewährung entscheiden können. Sicher haben die Landeszentralbanken bis jetzt mit der Bank deutscher Länder in voller Abstimmung versucht, solche Diskrepanzen und Schwierigkeiten zu vermeiden. Aber wir möchten, daß das von vornherein in der Gestaltung des Bundesbankgesetzes durch eine Konstruktion aus({2})
geschaltet wird, die sich in Deutschland nun schon
seit 1870 bewährt hat und gegen die man auch
nicht irgendeine Gefährdung föderalistischer Gedankengänge ins Feld führen kann. Denn auch der
König von Bayern war weiter der König von
Bayern, obwohl es eine Reichsbank gegeben hat.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist inzwischen eine Abstimmung auf eine Ausgleichung der verschiedenen Anträge auf Überweisung an die Ausschüsse erfolgt. Ich darf entsprechend Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführend unter Beteiligung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik und des Ausschusses für Außenhandel vorschlagen. Besteht darüber Einverständnis? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung erfolgt.
Meine Damen und Herren! Ich schlage vor, den Punkt 21 der gestrigen Tagesordnung wiederaufzunehmen:
Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung ({0}) betreffend Entnazifizierung ({1}).
Die Berichterstattung des 5. Ausschusses über
Maßnahmen zur Beendigung der Entnazifizierung
ist bereits durch den Herrn Kollegen Dr. Brill erfolgt.
Wir treten in die Aussprache ein. Herr Abgeordneter Dr. Hammer hat zunächst ums Wort gebeten.
Einen Augenblick noch, Herr Abgeordneter! Wir hatten gestern eine Aussprache von 60 Minuten vorgesehen.
({2})
- Verzeihung, gar keine Aussprache! Ich bitte, nur die Abänderungsanträge zu begründen. Es liegt ein Antrag von Ihnen und ein Antrag der Deutschen Partei vor.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen zur Erledigung dieser Angelegenheit noch einmal einen Abänderungsantrag vorgelegt. Zu seiner Begründung lassen Sie mich bitte folgendes sagen:
Wir erkennen gern an, daß einige der Gedanken, die unserem alten Antrag Umdruck Nr. 18 vom 18. Oktober 1950 - zugrunde lagen, im Ausschuß zum Schutze der Verfassung auf guten Boden gefallen sind. Wir erkennen gern an, daß z. B unter I 5 die Formulieerung betreffend die Tätigkeitsbeschränkung der Leute, die von der Entnazifizierung betroffen waren, entsprechend unserem Wunsche übernommen worden ist. Wir sind aber mit der Generalregelung der Angelegenheit nicht zufrieden. Wir stehen immer noch auf dem Standpunkt, daß man diese Affäre nun wirklich beenden muß. Deshalb haben wir in unserem neuen Antrag die alte Formulierung der Ziffer 1 wieder aufgenommen. Ich darf sie Ihnen vorlesen, da ich festgestellt habe, daß der Antrag noch nicht verteilt ist:
Entnazifizierungsverfahren sind nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr zulässig. Anhängige Verfahren sind einzustellen.
Dazu haben wir noch eine redaktionelle Änderung vorgeschlagen und unter 3 auch das endgültige Aufhören der , Zahlung von Sühnegeldern und Verfahrenskosten gefordert. Schließlich haben wir die
Einfügung einer Ziffer 10 beantragt, wonach bei Einstellungen Nachfragen über die Entnazifizierung nur soweit zulässig sein sollen, als sie auf die Feststellung der Einstufung in die Gruppen I und II gerichtet sind.
Meine Damen und Herren! Die ganze Diskussion über das Problem der Entnazifizierung noch einmal von vorn zu beginnen, halten wir für unnötig. Aber man sollte sich doch ganz kurz noch einmal an folgendes erinnern. Als am 8. Mai des Jahres 1945 das deutsche Volk vor den Trümmern seines Staates und vor Bergen von Leichen stand, war es selbstverständlich, daß bei Zahllosen der Überlebenden an Stelle der Vernunft die natürlichen Gefühlsregungen eines gesunden Menschen wach wurden, d. h. Rache, Vergeltung und Sühneverlangen. Nach dem üblichen Ablauf der Weltgeschichte wäre damals jene große Nacht der Katastrophe zu erwarten gewesen, eine Revolution mit Mord und Totschlag. Zu diesem Ereignis ist es nur deshalb nicht gekommen, weil eine in Deutschland einrückende, sagen wir einmal, sehr starke Polizeitruppe die das Schießen in diesem Augenblick nicht vertragen konnte, die Revolution verboten hat.
({0})
Die .Polizeitruppe die damals einrückte. hatte nun einmal in ihren Führungskreisen eine Reihe jener Leute. in deren Welt der Tod nur in Verbindung mit dem elektrischen Stuhl vorstellbar war. Man hat deshalb den merkwürdigen Versuch gemacht, jene Nacht der langen Messer durch ein gerichtsähnliches Vorgehen zu ersetzen. Man hat geglaubt, man könne ein ausgefallenes Naturereignis mit der Justitia nachahmen. Meine Damen und Herren. das war peinlich, nicht deshalb peinlich, weil die Dinge auch von zelotischem Fanatismus überschattet waren, der respektablen Menschen nicht angestanden hätte, sondern deshalb, weil dieser Versuch überhaupt eine Groteske ist. Ich bin überzeugt, noch jahrhundertelang werden in den Seminaren für Geschichtswissenschaft und Recht diese Dinge nicht ohne Schmunzeln vorgetragen werden. Wir sind deshalb der Ansicht: Es ist nun gut, beenden Sie diese Groteske! Wir bitten Sie, unserem Antrag zu folgen; dann sind diese Dinge einigermaßen ausgestanden und werden uns nicht mehr beschäftigen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der rechtlichen Beurteilung ist es angesichts des Inhaltes des Grundgesetzes bedauerlicherweise zumindest höchst zweifelhaft, ob der Bund für den Abschluß dieser Angelegenheit zuständig ist. Jedenfalls kann man der Argumentation derjenigen, die auf dem Standpunkt stehen, daß diese Zuständigkeit ganz offenbar nicht gegeben ist, nichts absolut Überzeugendes entgegensetzen, außer daß der Natur der Sache nach. weil das Nazitum das Totalitärste und Zentralisierteste war, was es gab, seine Folgen auch nur totalitär und zentralisiert aufgehoben werden können. Da außer diesem allgemeinen Gesichtspunkt rechtlich kaum etwas vorzubringen ist, muß sieh der Bundestag in dieser Angelegenheit, die Deutsche aller Regionen, Länder und Schichten angeht, mit Empfehlungen begnügen.
Daß meiner Partei, die im Interesse des Aufbaus einer neuen und hoffentlich besseren Demokratie
({0})
diese ganze Entnazifizierungssache von Anfang an für einen Bruch des Systems gehalten hat, die Vorschläge nicht weit genug gehen, daß wir es lieber sähen, wenn diejenigen der FDP angenommen würden, bedarf keiner näheren Ausführungen. Wir sind nur der Meinung, daß die Dinge jetzt mittlerweile so lange hinausgezögert sind, daß es wichtig ist, daß überhaupt etwas geschieht, daß es unwichtig ist, was im einzelnen hier empfohlen wird.
Nur in einem Punkt bittet meine Fraktion um Ihre geschätzteste Aufmerksamkeit; ein Punkt, der meines Erachtens vergessen ist, was nicht wunder nehmen kann, da sowohl der Herr Ausschußvorstzende, der jetzige Ministerpräsident Zinn, als auch der Berichterstatter, Herr Professor Dr. Brill, beide aus der amerikanischen Zone stammen. Meine Fraktion stammt ausschließlich aus der britischen Zone. Zu Ziffer II des Beschlusses. wo es sich um die strafrechtliche Abwicklung der Dinge handelt, wo insbesondere mit Recht herausgestellt wird, daß durch diese Beschlüsse niemals der einzelne Verbrecher geschützt werden soll. darf ich bemerken. daß dort leider das Wesentlichste aus unserer Zone übersehen ist. Es handelt sich um die Verfahren der sogenannten Spruchgerichte, unter denen sich ein Mitbürger der französischen und amerikanischen Zone überhaupt nichts vorstellen kann, die aber bei uns seit etwa 1947 -- ich muß es so ausdrücken -- ihr Unwesen getrieben haben. Es handelt sich dabei um die Durchführung des ersten großen Generalurteils aus Nürnberg, in dem bekanntlich, was bisher im Strafrecht neu war, ganze Organisationen für verbrecherisch erklärt wurden, wobei dann dem Einzelverfahren vorbehalten blieb, diese Konsequenz des Urteils zu ziehen. Sie ist in den anderen Zonen im Rahmen des hier unter I behandelten Entnazifizierungsverfahrens gezogen, indem man dort die Gelegenheit hatte, Internierungshaft zu bestimmen, was es in der britischen Zone nicht gab; sondern in der britischen Zone haben diejenigen, die diesen Organisationen angehörten, nun jedenfalls zwei Verfahren zu durchlaufen. Einmal erledigte sich vor den Spruchgerichten die Frage: Gehörtest du in Kenntnis des verbrecherischen Charakters einer Organisation an? Dann kam das Entnazifizierungsverfahren. Drittens kam, wenn sie persönlich eines Verbrechens verdächtig waren, außerdem ein zweites Strafverfahren wegen dieses Verbrechens. Eine Justizmethode, die jedenfalls mit dem „ne bis in idem" nichts zu tun hat, d. h. mit dem Grundsatz, nicht zweimal in derselben Sache ein Verfahren gegen denselben Täter anzustrengen, sondern eine Justizmethode. die eben die Rechtslage der britischen Zone völlig von der der anderen Zonen abhebt. Gerade wenn wir hier Rechtsgleichheit herbeiführen wollen, ist das sehr wesentlich.
Nun wird im ersten Satz von Teil II des Beschlusses des Ausschusses folgendes gesagt:
Die Beendigung der Entnazifizierung soll die Periode der schematischen Bewertung ganzer Personengruppen wegen ihrer Zugehörigkeit zu Organisationen oder Einrichtungen der nationalsozialistischen Herrschaft abschließen.
Ich kann dazu nur sagen: Bravo, das ist in der Tat der Zweck!
({1})
- Lassen Sie doch die Unterbrechung. ich kann
darauf nicht eingehen. Lassen Sie mich sagen, was
ich sagen will und sagen Sie, was Sie sagen wollen.
Fragen kann ich in der kurzen Redezeit nicht beantworten.
({2})
Der verlesene Satz hat unseren vollen Beifall. Wir bitten Sie nun, diese unglückseligen Opfer der Spruchgerichte, die in den Srafrechtsabschnitt über Kollektivjustiz hierhingehören, nicht ganz zu vergessen und daher diesem ersten Satz von II: „Die Beendigung der Entnazifizierung soll .... abschließen" den folgenden Satz mit einem Komma anzuhängen:
sich insbesondere auch auf Personen beziehen, die in der früheren britischen Zone durch die Spruchgerichte allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer im Nürnberger Urteil als verbrecherisch bezeichneten Organisation mit Strafe belegt wurden.
Wir bitten Sie, diesen mit Komma anzuschließenden letzten Halbsatz dem ersten Satz anzuschließen. Die Frage des Rechtes dieser Personen ist doppelgesichtig. Einmal steht das Gnadenrecht natürlich den Ländern der britischen Zone zu. Aber nun sind das nach dem Recht der britischen Zone strafbare Handlungen gewesen, die ins Strafregister eingetragen werden. Sie würden den Mann zeitlebens belasten. Das gibt es sonst im ganzen Entnazifizierungsrecht nicht. Die Löschung im Strafregister herbeizuführen, wäre wohl Sache des Bundes. Heute handelt es sich aber nur darum. daß wir vom Bundestag erklären, wir wollen auch mit diesen Spruchgerichtsverfahren nichts mehr zu tun haben, weil sie ein unmittelbarer Ausdruck des Entnazifizierungsverfahrens, dieses Mal in rein strafrechtlicher Form, waren. Ich hoffe. daß die Abgeordneten, die nicht der britischen Zone angehören, diese etwas komplizierten Dinge verstanden haben. Wir bitten Sie also, in II den von mir verlesenen letzten Halbsatz dem ersten Satz anzuschließen.
({3})
Meine Damen und
Herren! Im Ältestenrat war vereinbart worden, daß eine Aussprache über diesen Punkt der Tagesordnung nicht stattfinden sollte. Das ist allerdings geschehen, bevor bekannt war, daß Abänderungsanträge gestellt wurden. Ich darf anregen, daß es bei dem Beschluß bleibt, daß aber den Fraktionen, soweit sie das wünschen, nicht verwehrt wird, kurz zu den Abänderungsanträgen Stellung zu nehmen. Ich glaube, daß wir dann verhältnismäßig rasch über diesen Punkt der Tagesordnung hinwegkommen können.
({0})
- Ich verstehe nicht, was das heißen soll. Ich glaube, daß wir uns weiterhin auf das Grundgesetz beziehen.
({1})
Ich bitte also, zu den Abänderungsanträgen das Wort zu nehmen. Es hat um das Wort gebeten Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden ({2}): Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag der FDP würde bei seiner Annahme den Abschluß. der Entnazifizierung bedeuten. Das Bestehenlassen des Ausschußantrags würde alle Möglichkeiten einer Fortsetzung in sich
({3})
schließen. Die Verantwortung für eine Fortsetzung der Entnazifizierung würde in diesem Fall ausschließlich die CDU tragen. Der Standpunkt der SPD ist zu bekannt und auch zu eindeutig und klar, als daß dazu etwas zu sagen wäre.
({4})
- Richtig, Ihr Standpunkt ist klar; da weiß man,
wo man dran ist. Bei der CDU ist das nicht der Fall.
({5})
Meine Damen und Herren! Ein Kapitel, das hier herausgestrichen werden sollte, ist - ich beziehe mich auf eine Pressemeldung - die Gruppe II der Belasteten, also auch der sogenannten Militaristen. Während die deutsche Bundesregierung ihren ersten militärischen Berater, den Grafen Schwerin. schon Weder entlassen hat, rechnen die kleinen Majore des deutschen Generalstabs und die Unteroffiziere der Wassen-SS immer noch zum Personenkreis der Klasse II, der auf Grund widerlegbarer Vermutung in die Gruppe der Belasteten einzureihen ist. Jedem Ankläger, der etwas von seinem Geschäft versteht, müßte es eine Wonne sein, jeden einzelnen Bundesminister nach Art. 8 des Befreiungsgesetzes anzuklagen; denn der Art. 8 sieht denjenigen als Militaristen an; der durch Wort oder Schrift militärische Programme aufstellt oder verbreitet.
({6})
Die Minister müssen es dann neben Schlimmerem auf sich nehmen, das Recht, einen Kraftwagen zu halten, zu verlieren. wenn sie nicht &en mildernden Umstand des Art. 19 Abs. 1 „Jugend oder Unreife" geltend machen können.
({7})
Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund ist eine Aufrechterhaltung der Gruppe II zumindest problematisch. Ich möchte Ihnen, meine verehrten Damen und Herren der CDU, dieses besonders nahebringen, weil Sie ja dafür sind, daß diese Dinge aufrechterhalten werden. Ich bitte Sie darum, den Abänderungsanträgen sowohl der FDP wie auch der DP zuzustimmen. Eine Ablehnung derselben wurde eine Verlängerung bedeuten uni damit in Widerspruch zu allen Versprechungen stehen, die Sie in den letzten Wahlkämpfen gemacht haben, um trotzdem keine ausreichenden Erfolge mehr zu erzielen.
({8})
Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Mehs.
Meine Damen und Herren! Namens der CDU möchte ich hier beantragen, daß es beim Ergebnis des Mündlichen Berichts bleibt und daß die Anträge der FDP und der DP abgelehnt werden.
({0})
Wir sind ohne Zweifel dafür, daß jetzt endlich einmal ein Schlußstrich gemacht wird; aber dieser Schlußstrich kann nicht bedeuten, daß nun die Hauptsünder aus der Zeit vor 1945 ungeschoren wieder in der Weltgeschichte herumlaufen.
({1})
- Das spielt gar keine Rolle! Wir haben hier nicht
nur unter einen Formalismus den Schlußstrich zu
ziehen, sondern wir haben auch heute noch zu erkennen, daß es eine der vornehmsten Pflichten des deutschen Volkes ist, dafür zu sorgen, daß die Verbrecher nicht wieder auf die Menschheit losgelassen werden.
({2})
Ich will hier nicht lange darüber reden. Wenn wir uns jedenfalls auf den Standpunkt stellen, der hier vorgetragen worden ist, daß also die großen Sünder der Gruppen I und II wieder freigelassen werden und mit weißen Westen herumlaufen, dann würde das tatsächlich bedeuten, daß das Dritte Reich nicht stattgefunden hat.
({3})
Ich will zum Schluß nur eines sauen: Ich habe kürzlich in dem „Neuen Rheinischen Merkur" von 1817 folgenden Satz gelesen: „Die sanftesten Gesetze, die ein König seinem Volk geben kann, sind die strengsten gegen seine Unterdrücker." Und das, was damals für einen König galt, das gilt auch in einer Zeit, wo das deutsche Volk sein Geschick selbst in die Hand genommen hat.
({4})
Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Nicht als Berichterstatter, sondern nur als Abgeordneter möchte ich einige Bemerkungen zu den Ausführungen machen, die wir heute morgen gehört haben. Es kostet mich als Widerstandskämpfer große Überwindung, nicht noch einmal auf die Sache einzugehen. Ich kann aber doch meine Empfindung nicht unterdrücken und möchte dieser Empfindung Ausdruck verleihen, die ich bei den Reden hier gehabt habe. Ich möchte sagen: Wenn über eine dumme Sache endlich einmal Gras gewachsen ist, kommt sicher ein „gewisses Tier" gelaufen, das alles wieder runterfrißt!
({0})
Das ist die einzige Möglichkeit, das Vorbringen
Ihrerseits hier abzutun. Dreimal haben wir in
diesem Hause über die Dinge gesprochen. Zwei Ausschüsse haben sich damit befaßt. Trotzdem lassen
Sie sich in keiner Weise überzeugen. Ich möchte
dem Kollegen Dr. Hammer nur sagen: Die Ausnahme für die Gruppen I und II, die er fordert. ist
für uns angesichts dessen, was sich jetzt in dem
Augsburger Prozeß vor den Augen des ganzen
deutschen Volkes abspielt, einfach unverständlich.
({1})
Ich möchte die Juristen auf der rechten Seite darauf aufmerksam machen, daß die Einfügung der beantragten Ziffer 10 die ganze Abschlußgesetzgebung in der amerikanischen Zone wieder erschüttern würde. Es geht auch vollkommen ins Leere! Sie können die Landtage nicht zwingen, die bereits erlassenen Abschlußgesetze noch einmal aufzuheben.
Der Herr Kollege von der Deutschen Partei irrt sich, wenn er glaubt, daß wir die Lage in der britischen Zone hinsichtlich der Urteile der Spruchgerichte nicht erörtert hätten. Das ist sogar in eingehender Weise geschehen. Deshalb halten wir den gestellten Antrag für überflüssig. Ich bitte Sie, dem Ausschußantrag, so wie er vorliegt, zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Auch wir lehnen den Abänderungsantrag, wie er vorgebracht wurde, ab. Wir können dazu nicht unsere Zustimmung geben, daß jene Kriegsverbrecher, die unter die Gruppen I und II fallen, jetzt völlig frei ausgehen sollen. Wir Kommunisten sind auch nicht in der Lage, dem Ausschußbericht, so wie er vorliegt, unsere Zustimmung zu geben; denn er verquickt die einfachen Mitläufer mit diesen großen Kriegsverbrechern.
Wir bitten deshalb, schon bei Abschnitt I die Abstimmung nach den einzelnen Ziffern vorzunehmen, damit wir zum Ausdruck bringen können, daß wir dafür sind, daß alle Kleinen, die unter III, IV und V gruppiert sind, in Zukunft völlig in Ruhe gelassen werden, daß aber mit der notwendigen Schärfe alle wirklichen Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Oellers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion unterstützt den Abänderungsantrag der Deutschen Partei, der dahin geht, in die Empfehlungen auch die Spruchgerichtsverfahren der britischen Zone einzubeziehen. Das hat gar nichts mit den Gruppen I oder II zu tun, sondern die Betroffenen sind vielfach Leute, die im Entnazifizierungsverfahren in die Gruppen IV und sogar V gekommen sind und die man in einem Verfahren, das es nur in der britischen Zone gibt, wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer der Organisationen verurteilt hat, hinsichtlich deren man in Nürnberg eine Kollektivschuld angenommen hat. Also ein irgendwie harmloser - meinetwegen in Anführungsstrichen - Mann, der irgendwann zur SS eingezogen worden ist, hat dort einem Spruchgerichtsverfahren unterlegen. Ich möchte das Hohe Haus ausdrücklich darauf aufmerksam machen,
({0})
daß es sich hier nicht um Leute der Gruppen I und II handelt. Ich nehme an, daß der Sprecher der CDU sich über diese Tatsache nicht klar war. Denn wäre es anders, so hätte die CDU für diese Menschen durch ihren Sprecher die Kollektivschuld bejaht.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Mangels einer Zuständigkeit des Bundes auf dem Gebiete der Entnazifizierung kann sich ja das Hohe Haus nur auf Empfehlungen beschränken. Ich glaube, das ist wohl heute in den Verhandlungen auch klar geworden, und das ist auch wohl dem antragstellenden Ausschuß klar gewesen. Würden Sie diese Empfehlungen annehmen, gegen die an sich von seiten der Bundesregierung nichts einzuwenden ist, so würden wir nichts anderes tun können, als an die Landesregierungen mit Empfehlungen oder mit Anregungen heranzutreten, die Landesgesetze diesen Empfehlungen, die der Bundestag an sie gerichtet hat, anzupassen.
Ich möchte nur noch kurz zu dem Punkt IV des Antrages sprechen, in dem der Bundesminister des Innern ersucht wird, eine Übersicht über die im Bundesgebiet in Konzentrationslagern und sonstigen Lagern gestorbenen Personen vorzulegen. Ich darf das Hohe Haus höflich darauf aufmerksam machen, daß es Konzentrationsläger in diesem Sinne hier bei uns im Westen nicht gibt. Die Auffangläger oder Verwahrläger, die aus den besonderen, Ihnen bekannten Verhältnissen hier eingerichtet sind, müssen wir dann um eine Auskunft ersuchen, weil uns nicht bekannt ist, wer in ihnen verstorben ist. Zur Erstellung einer solchen Übersicht bedarf es eingehender Ermittlungen unter Einschaltung der Innenminister der verschiedenen Länder, des Amtes für die Erfassung der Kriegsopfer in Berlin und der Organisation der KZ-Opfer. Ein beachtliches Material versprechen wir uns von dem Sonderstandesamt Arolsen. Die Durchführung dieser Erhebungen, die wir jetzt auf Ihren Wunsch vornehmen werden, wird aber immerhin geraume Zeit in Anspruch nehmen, und es ist mir sehr fraglich, ob wir Ihnen eine wirklich lückenlose Übersicht in absehbarer Zeit werden vorlegen können.
Ich käme dann lediglich noch zu dem Abschnitt V b, zu der Frage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes. Für ein etwaiges Bundeswiedergutmachungsgesetz ist der Herr Bundesfinanzminister der federführende Mann im Kabinett. Nach unserer Fühlungnahme mit dem Bundesfinanzministerium haben sich die Länder auf einer gemeinsamen Konferenz geeinigt, daß sie selbst diese Wiedergutmachung von sich aus betreiben wollen. Sie haben auch auf diesem Gebiete nicht nur gut gearbeitet, sondern ihre Arbeit ist auch weiter auf einer erfreulich aufsteigenden Linie, so daß es im Augenblick direkt schädlich wäre, wenn vom Bund aus mit einem Wiedergutmachungsgesetz eingegriffen würde. Es empfiehlt sich, die Wiedergutmachungsangelegenheiten auf der Landesebene weiter zu regeln, soweit dies nicht bisher schon geschehen ist. Vielleicht wird der Herr Kollege vom Finanzministerium noch einige ergänzende Mitteilungen über die Arbeit der Länder auf dem Gebiete der Wiedergutmachung machen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf folgendes hinweisen. Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß die Zitierung der Konzentrationslager in Ziffer IV zwar in dieser Formulierung mißverständlich ist, daß aber offenbar nach Meinung des Ausschusses nicht Konzentrationsläger, die nach 1945 im Bundesgebiet bestanden haben, gemeint sind, sondern Lager, die vor 1945 im jetzigen Bereich des Bundes gelegen waren.
Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Dr. Lehr hat zu Punkt V b der Entschließung schon darauf hingewiesen, daß die Länder sich dahin verständigt haben, daß ein Bedürfnis nach einer bundeseinheitlichen Regelung nicht besteht. Ich darf noch folgendes hinzufügen: Auch das Koordinierungsbüro der interministeriellen Arbeitsgemeinschaft für Wiedergutmachungs- und Entschädigungsfragen hat eine
({0})
Bundesgesetzgebung vorerst nicht für angebracht gehalten. Die Ländergesetzgebung, die in den drei Zonen unterschiedlich war, hat im letzten Jahre erhebliche Fortschritte gemacht. Die Länder der amerikanischen Zone stehen mit ihrem allgemeinen Wiedergutmachungsgesetz im Bundesgebiet nicht mehr allein. In den Ländern der französischen Zone sind nach Erteilung der Genehmigung durch die Besatzungsmacht in diesem Jahre Wiedergutmachungsgesetze in Kraft getreten, in Baden am 10. Januar 1950, in Rheinland-Pfalz am 22. Mai 1950 und in Württemberg-Hohenzollern am 14. Februar 1950. In den Ländern der britischen Zone waren bisher nur Gesetze über die Entschädigung für Freiheitsentziehung und Personenschäden erlassen worden. Diese Länder stehen im Begriff, dem Beispiel der Länder der amerikanischen und französischen Zone zu folgen:
Hierbei ist auch noch folgender Gesichtspunkt von Wichtigkeit. Diese Gesetze sind in den Ländern in voller Durchführung. Wenn nun ein Bundesgesetz kommen würde, würde die Durchführung der Ländergesetze natürlich nicht weiter möglich sein. Es sind dort in einer großen Zahl bereits erledigte Fälle vorhanden, so daß also ein Rechtsunterschied zwischen den bereits erledigten Fällen in den Ländern der beiden süddeutschen Zonen und den neuen Fällen gegeben sein würde, die nach Bundesrecht zu erledigen wären.
Zu dem Wortlaut des Antrages des Ausschusses unter Ziffer V b darf ich auf folgendes hinweisen. Der Antrag des Ausschusses fordert auf der einen Seite ein Bundesgesetz, welches das zoneneinheitliche Gesetz der Länder der amerikanischen Zone vom 26. April 1949 zeitgemäß für das gesamte Bundesgebiet fortbildet. Auf der anderen Seite will der Antrag die Wiedergutmachung auf den Kreis derjenigen politisch Verfolgten beschränkt sehen, die im Bundesgebiet wohnen. Das wäre aber ein Rückschritt gegenüber § 6 des Entschädigungsgesetzes der amerikanischen Zone, das Entschädigungen für Emigranten, für DPs und für Hinterbliebene von Verstorbenen ermöglicht, und zwar auch dann, wenn sie nicht im Bundesgebiet wohnen. Das wäre also nicht eine Fortbildung, sondern eine Rückbildung des Wiedergutmachungsrechts. Ich darf daher bitten, in der geschäftsordnungsmäßig geeigneten Form vielleicht die Beschlußfassung zu Punkt V b noch einmal aufzugreifen. Denn ich nehme nicht an, daß der Ausschuß eine derartige Wirkung seines Antrages gewollt hat.
Ich darf bemerken, daß die Bundesregierung demnächst noch einmal über die Frage beraten wird, ob es unter diesen Umständen an der Zeit ist, trotz der Bedenken der Länder auf ein bundeseinheitliches Wiedergutmachungsrecht zurückzukommen. Vielleicht könnte das auch ein Anlaß sein, die Frage zu Punkt V b noch einmal im Ausschuß zu erörtern.
Das Wort hat der Herr Berichterstatter.
Dr. Brill ({0}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Es ist ja etwas ungewöhnlich, daß die Regierungserklärungen am Schluß der Debatte abgegeben werden. Nach den Vorschriften der Geschäftsordnung ist die Debatte dann wieder eröffnet. Ich möchte mir folgenden Hinweis gestatten. Wir haben im Ausschuß nur an eine Rahmengesetzgebung des Bundes gedacht. In dieser Rahmengesetzgebung des Bundes sollte das materielle
Recht im einzelnen nicht geregelt werden, sondern es sollten die wichtigsten Dinge, nämlich der Kreis der Berechtigten und die Termine, die zu beachten sind, bundeseinheitlich festgesetzt werden. Daran fehlt es heute am meisten. Auch in diesen beiden Punkten ist die Gesetzgebung in den Ländern der amerikanischen Zone überholt und veraltet, materiell überholt insofern, als durch einen Eingriff der Militärregierung der Kreis der Berechtigten in bezug auf die DPs erweitert worden ist, und veraltet insofern, als Termine vorgesehen sind, die durch das verspätete Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr richtig wirken können. Ich glaube also, wenn das Hohe Haus den Antrag zu Punkt V b rein tendenziell auffaßt - und anders war er von Anfang an nicht gemeint -, könnte der Ausschußantrag so, wie er vorliegt, verabschiedet werden. Über Einzelheiten, Herr Bundesminister und Herr Staatssekretär, könnten wir vielleicht gelegentlich der Haushaltsplanberatung im Haushaltsausschuß sprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hatte nicht die Absicht, noch einmal zu sprechen. Aber die Ausführungen des Herrn Kollegen Oellers zwingen mich, mit aller Deutlichkeit folgendes zu sagen. In dem Ausschußbericht, der uns vorgelegt wird und dem wir in der vorliegenden Fassung zustimmen werden, steht unter Ziffer II ausdrücklich und klar: Die Beendigung der Entnazifizierung soll die Periode der schematischen Bewertung ganzer Personengruppen beenden. Ich verbitte mir namens der CDU, daß man uns, wenn wir einem Vorschlag nicht zustimmen, bezichtigt, auch heute noch auf dem Boden der Anerkennung der Kollektivschuld zu stehen.
({0})
Die CDU hat viele Beweise dafür geliefert, daß wir die Kollektivschuld ablehnen. Wir sind nicht bereit, uns in diesem Hause eine solche Beschuldigung gefallen zu lassen und sie unwidersprochen hinzunehmen.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
({0})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bisher haben sich die Juristen über die Beendigung der verschiedenen Verfahren nach den Entnazifizierungsgesetzen unterhalten.
({0}) Jetzt möchte ich - und ich kann mir das erlauben, weil ich keiner war ({1})
Ihnen sagen, daß ich als deutsche Frau bedaure, das wiederholen zu müssen, was ich 1945 vor dem Zonenbeirat der britischen Zone den Engländern sagen mußte: daß ich es bedaure, daß hier immer vom Christentum, von der Versöhnung, von der Gemeinschaft und - wenn die Weihnachtsglocken läuten werden - vom Frieden gesprochen wird.
({2})
({3})
Wenn wir die Diskussion um dieses Gesetz im deutschen Volk nicht endlich beenden, können wir den Frieden von den anderen nicht erwarten.
({4})
Wir haben erst dafür Sorge zu tragen, daß wir im eigenen Volke Frieden schaffen. Ich bin daher der Meinung, daß die Fraktionen in dieser Frage nicht mehr miteinander über die Beendigung des Entnazifizierungsgesetzes sprechen sollten,
({5})
sondern daß sich jeder Mühe geben sollte, das zu tun, was dem Frieden dient.
({6})
- Gerade Sie Berliner haben es nötig!
({7})
Sie selber haben das Problem zu einem sozialen Problem in Berlin gemacht. Sie selber sind diejenigen, die Gesetze geschaffen haben, die einer Frau eines deutschen Offiziers oder einer Frau eines Soldaten den Zwang auferlegt haben, den toten Mann entnazifizieren zu lassen, wenn sie einen Anspruch erheben will.
({8})
Wir schämen uns solcher Gesetze, und wir wollen nicht, daß sie noch bestehen bleiben.
({9})
Wir wollen, daß endlich Friede wird!
({10})
- Und wenn Sie noch so schreien, dann mag Ihnen das Ihr -schlechtes Gewissen eingeben.
({11})
- So haben Sie sich im Berliner Wahlkampf auch benommen.
({12})
Es geht nicht darum, die Macht mit der Entnazifizierung zu verteidigen, sondern es geht darum, Frieden zu schaffen. Und dem soll unser Antrag dienen.
({13})
Herr Abgeordneter Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte mich, nachdem wir uns im Ausschuß in tagelangen Beratungen über gemeinsame Vorschläge einig geworden waren, nicht zu Wort gemeldet, wenn nicht in der heutigen Diskussion und nicht zuletzt durch die Ausführungen der Kollegin Kalinke
({0})
hier ein Eindruck entstanden wäre, der gerade angesichts der bevorstehenden Weihnacht einer Richtigstellung bedarf. Man sollte doch mit der Zitierung von Weihnachtsglocken und christlicher Grundhaltung ein wenig vorsichtig sein
({1})
bei einem Kapitel, das gerade angesichts der derzeitigen politischen Hintergründe und der Erscheinungen, die unter anderem auch der Augsburger Prozeß
({2})
wieder deutlich macht, als eine Gefahr für unseren gesamten politischen Kredit erscheint.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß mancher in unserem Volk darüber bedrückt sein wird, daß ausgerechnet in einem Zeitpunkt, in dem die Bereitschaft zu einer abschließenden Regelung besteht, hier solche Töne angeschlagen werden, wie es heute geschehen ist,
({4}) und daß ein Eindruck erweckt wird, als wenn wir es nötig hätten, uns hier hinzustellen und uns zu ereifern
({5})
und Meinungsverschiedenheiten - so hoffe ich - vorzutäuschen, die der Sache nicht würdig sind, um die es geht. Wir haben seit Monaten,
({6})
ja, seit Jahren das Gefühl, als wenn man in der Verteidigung selbst einer nazistischen Grundhaltung und in der Verkennung der auch heute noch bestehenden Gefahren, die von seiten einer ganzen Reihe von Naziaktivisten bestehen, doch ein wenig zu weit ginge. Wenn Sie mit Recht gegen einen Schematismus protestieren, den auch wir ablehnen
- und wir haben alle aus den Erfahrungen der letzten Jahre gelernt -, vergessen Sie doch bitte nicht - und es tut not, von dieser Tribüne aus darauf hinzuweisen -, daß immer noch Verbrecher im Lande herumlaufen, die sich weder einer Entnazifizierung gestellt haben, noch bereit sind, wirklich Buße zu tun und in sich zu gehen.
({7})
- Frau Kalinke, in der Zelle von Landsberg kniet jeden Tag mit Gebeten auf den Lippen einer der größten Mörder, die es jemals in der deutschen Geschichte gegeben hat, Herr Oswald Pohl, der mit vollem Recht wegen seiner Verbrechen und wegen der Verantwortung, die für diese Verbrechen trägt, zum Tode verurteilt worden ist. Dieser Mann hat plötzlich mit den Lippen Christus wiedergefunden. Und wenn Sie mit ihm sprechen würden - ich habe Berichte über sein Verhalten -, würden Sie
angerührt sein von einem solchen Maß von angeblicher Reue. Wenn Sie auf der anderen Seite wüßten, wie er als Chef des SS-Verwaltungshauptamtes beim SS-Reichssicherheitshauptamt mit einer Kaltblütigkeit ohnegleichen Todesurteile über Zehntausende verhängt hat, wenn Sie wüßten, in welchem Umfange dieser Mann für die scheußlichen Verbrechen verantwortlich ist, die in den Lagern begangen worden sind
({8})
- ich unterstelle Ihnen nicht, daß Sie ihn schützen -, dann würden Sie ein wenig vorsichtig sein in der auch hier wieder generalisierenden Einstellung für Leute, die durch die Entnazifizierung getroffen worden sind oder nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich, Frau Kollegin Kalinke, würden auch wir Wert darauf legen, daß wir Frieden hier bei uns haben, auch im Innern. Aber ich weiß nicht, ob es dem Frieden und dem von Ihnen als einer Friedensvertreterin hier geäußerten Geist entspricht, wenn Sie im Berliner Wahlkampf die Sozialdemokraten in der bei Ihnen beliebten klaren Ausdrucksweise als eine „rote Meute" bezeichnet haben,
({9})
({10})
Wir finden, solche Termini sollten Ihnen ferne liegen! Wir finden auch, daß die Deutsche Partei in Berlin mindestens bei einer Wahlversammlung nicht den Ton an den Tag gelegt hat, der notwendig wäre,
({11})
um nach sachlichen Gesichtspunkten den Wahlkampf zu bestreiten.
Ich will abschließend nur eines sagen. Der Ausschuß hat sich die Mühe gemacht, einen Vorschlag zu unterbreiten, der die allgemeine Zustimmung fand. Wir sollten jetzt nicht an einzelnen Formulierungen herummäkeln, sondern sollten uns darüber klar sein, daß dieser Vorschlag nach innen und außen geeignet erscheint, eine politische Manifestation des Bundestages zu sein, der wir zustimmen müssen.
({12})
Meine Damen und Herren, es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. Darf ich mir nicht im Interesse der Arbeit dieses Hauses den Vorschlag gestatten, daß wir zu diesem Thema nicht mehr sprechen.
({0})
Ich glaube, die Standpunkte sind geklärt. Es läßt sich nun wirklich nicht erreichen, daß zwei Standpunkte zum Schluß gleichzeitig ausgesprochen werden. Das ist technisch nicht möglich.
({1})
- Herr Abgeordneter Kunze legt keinen Wert mehr darauf zu sprechen.
Meine Damen und Herren, darf ich den Vorschlag machen, daß wir die Debatte beenden.
({2})
- Das scheint die Meinung des Hauses zu sein. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, es liegt der Antrag des Ausschusses vor, dazu die Ziffer 1 des Antrags der FDP, nach der die Ziffer 1 des Abschnitts I folgende Fassung erhalten soll:
Entnazifizierungsverfahren sind nach dem
1. Januar 1951 nicht mehr zulässig. Anhängige
Verfahren sind einzustellen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der FDP zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({3})
-- Meine Damen und Herren, ich vermag nicht einzusehen, daß dieses Abstimmungsergebnis eine Überraschung darstellt.
({4})
Ich würde doch vorschlagen, daß wir Kundgebungen zur Abstimmung unterlassen. Sie verzögern die Arbeit dieses Parlaments.
Ich lasse über die Ziffer 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Zu Ziffer 2 des Abschnitts I liegt kein Abänderungsantrag vor. Ich bitte um ein Handzeichen der Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu Ziffer 3 des Abschnitts I liegt ein Antrag der FDP vor, in Zeile 1 das Wort „danach" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Abänderung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
({5})
- Ich meine doch, meine Damen und Herren, es hat keinen Zweck, den hessischen Wahlkampf hier fortzusetzen.
({6})
Ich lasse über die Ziffer 3 in der Ausschußfassung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Ziffer ist angenommen.
Ich rufe die Ziffern 4 bis 7 des Abschnitts I gleichzeitig auf. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Ziffern sind angenommen.
Zu Ziffer 8 liegt ein Antrag der FDP vor, wonach diese Ziffer folgende Fassung erhalten soll:
Sühnegelder und Verfahrenskosten werden nach dem 1. Januar 1951 nicht mehr eingezogen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Ziffer 8 in der Fassung des Ausschusses, gleichzeitig über Ziffer 9 ebenfalls in der Fassung des Ausschusses. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.- Die beiden Ziffern sind angenommen.
Ferner liegt ein Antrag der FDP vor, in Abschnitt I eine neue Ziffer 10 einzufügen:
Bei Einstellung sind Nachfragen über Entnazifizierung nur so weit zulässig, als sie auf die Feststellung der Einstufung in die Gruppen ({7}) I und II gerichtet sind.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Zu Abschnitt II liegt ein Antrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, nach dem ersten Satz den Halbsatz hinzuzufügen, den der Kollege Ewers vorhin vorgetragen hat. Ich darf unterstellen, daß die Damen und Herren über den Antrag im klaren sind.
({8})
Ich verlese noch einmal: nach dem ersten Punkt, also nach dem Wort „abschließend" hinter einem Komma die Worte einzufügen:
sich insbesondere also auch auf Personen beziehen, die in der früheren britischen Zone durch die Spruchgerichte allein wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer im Nürnberger Urteil als verbrecherisch bezeichneten Organisation mit einer Sonderstrafe belegt sind.
Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Ergänzung des Abschnittes II zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über die Abschnitte II bis VI des Antrages des Ausschusses abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Abschnitten zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Abschnitte sind angenommen.
({9})
Einleitung und Überschrift kommen hier nicht in Frage.
Über den einleitenden Satz zu Abschnitt I ist noch nicht abgestimmt worden. Ich bitte vorsorglich auch darüber um eine Meinungsäußerung. - Auch dies ist angenommen.
Damit ist der Antrag des Ausschusses unverändert beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich bitte einen Augenblick um Aufmerksamkeit. Der Abgeordnete Brill hat als Berichterstatter des Ausschusses gestern vorgeschlagen, zwei Petitionen, die er im einzelnen vorgetragen hat, durch die Beschlußfassung als erledigt zu erklären. Ich darf feststellen, daß diesem Antrag hiermit entsprochen ist.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, Punkt 14 der Tagesordnung auf Wunsch des Herrn Abgeordneten Kriedemann, der verhindert ist, später dazu das Wort zu nehmen, vorzuziehen:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Versorgung mit Zucker und Brot ({10}).
- Das Haus ist damit einverstanden.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. Ich hoffe, daß wir sie nicht in Anspruch zu nehmen brauchen.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Kriedemann, für die antragstellende Fraktion das Wort zu nehmen.
Kriedemann ({11}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich danke zunächst dafür, daß Sie mir Gelegenheit geben, schon jetzt zu der Angelegenheit zu sprechen.
Der Antrag, den Ihnen meine Freunde auf Drucksache Nr. 1697 vorgelegt haben, stammt aus einer tiefen Sorge, die zweifellos zum mindesten von den Damen und Herren dieses Hauses geteilt wird, die Gelegenheit hatten, während der letzten Wochen an den ernsthaften und gründlichen Beratungen des Ernährungsausschusses teilzunehmen. Wir, die wir an diesen Beratungen teilgenommen haben und Gelegenheit hatten, recht gründlich in die Einzelheiten einzusteigen, wissen leider, daß sich die Dinge doch etwas anders darstellen, als man es nach den gestrigen Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers hätte annehmen können. Wir wissen, daß wir auf den beiden Gebieten, die hier im einzelnen angesprochen sind, vor außerordentlich ernsthaften Schwierigkeiten stehen, Schwierigkeiten, die, weil sie die gesamte Bevölkerung und am meisten die ärmsten Schichten treffen, von niemandem begrüßt werden können, die zu überwinden und denen entgegen zu arbeiten wir vielmehr ein gemeinsames Interesse haben.
({12})
Ich verzichte bewußt auf jede Dramatisierung der Angelegenheit. Ich würde es sogar sehr begrüßen, wenn es hier nicht zu einer Aussprache oder gar zu einer Überweisung an einen Ausschuß kommen, sondern wenn das Haus diesem Antrag zustimmen würde. Es würde uns dann nämlich auf allen Seiten erspart werden, in die Dinge hier einzusteigen und mit Zahlen zu operieren, die nicht gerade sehr erfreulich sind. Ich glaube, wir kommen am schnellsten zu Rande, wenn wir heute so beschließen, wie wir es Ihnen vorschlagen und dann im Januar die Stellungnahme der Regierung dazu entgegennehmen und eventuell zu diskutieren in der Lage sind.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags gehört. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache. Ich darf Ihnen vorschlagen, den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 1697 an den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft - ({0})
--- Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Kriedemann ({1}), Antragsteller: Ich habe volles Verständnis dafür, Herr Präsident, daß Ihnen im Augenblick das entgangen ist, was ich mich hier darzulegen bemüht habe. Es war da ja auch noch eine Auseinandersetzung, die vielleicht ebenso interessant war.
Nein!
Kriedemann ({0}), Antragsteller: Meine Damen
und Herren! Ich habe soeben schon in meinen Ausführungen dargelegt, daß sich der Ernährungsausschuß sehr eingehend mit diesen Problemen beschäftigt hat und daß die Sorgen, die uns zu diesem Antrag veranlaßt haben, gerade aus den Beratungen des Ernährungsausschusses stammen. Ich
halte es wirklich nicht für notwendig, sondern
sogar für gefährlich, diesen Antrag noch einmal an
den Ernährungsausschuß zu überweisen, der zweifellos weiß, daß es notwendig ist, auf diesen beiden Gebieten Maßnahmen zu ergreifen. Ich bitte
deshalb noch einmal, dem Antrag zuzustimmen.
Wir werden uns dann im Januar anläßlich des Berichts der Regierung über den neuesten Stand der
Dinge darüber im einzelnen aussprechen können.
({1})
Meine Damen und Herren, dann stelle ich den Antrag Nr. 1697 zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: es kommen hier so viele Wünsche wegen Veränderungen der Tagesordnung und Absetzungen, daß man langsam ein besonderes Büro für diese Zwecke einrichten muß.
({0})
Mir ist weiter mitgeteilt worden, daß der zuständige Ausschuß des Bundesrats und der Bundesrat heute noch über Punkt 16 der Tagesordnung, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß- Berlin beraten wollen. Es ist gebeten worden, diesen Punkt möglichst frühzeitig zu erledigen. Sind wir in der Lage, diesen Punkt der Tagesordnung jetzt zu erledigen?
({1})
- Offenbar nicht. Ich werde mich bemühen, ihn so frühzeitig wie möglich zu erledigen, und bitte, mir mitzuteilen, wann die Möglichkeit dazu besteht.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau ({2}),
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Lücke, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU betreffend Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau ({3}).
({4})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten über Antrag und Interpellation vor.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Lücke, zur Begründung der Interpellation und des Antrags das Wort zu nehmen.
Lücke ({5}), Interpellant und Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter dem Eindruck der Diskussion von vorhin stehend,, möchte ich sagen: Das Thema sozialer Wohnungsbau ist sehr nüchtern und durch jene Männer hervorgerufen, die vorhin hier und da anscheinend etwas zu lebhaft verteidigt worden sind.
({6})
Wir sind hier angetreten - und darum geht es bei diesem Thema -, die Not zu beseitigen, die zweifellos jene verursacht haben.
({7}) Wenn wir gestern in den Ausschüssen für Bau- und Bodenrecht und für Wiederaufbau und Wohnungswesen eine der ernstesten Diskussionen der politischen Parteien darüber hatten, wie wir das kommende Wohnungsbauprogramm finanzieren sollen, dann aus der Verantwortung und dem Wunsch, die 10 bis 15 Millionen Menschen, die heute durch die Schuld jenes unseligen Regimes zum Teil noch in Bunkern und Erdlöchern hausen, nächste Weihnachten wieder menschenwürdig untergebracht zu haben.
Unter diesem Eindruck darf ich Ihnen die auf der Drucksache Nr. 1676 vorliegende Interpellation der CDU/CSU-Fraktion betreffend Sicherung familiengerechter Wohnungen im sozialen Wohnungsbau und zugleich den zur Interpellation gestellten Antrag auf Drucksache Nr. 1705 betreffend Maßnahmen im sozialen Wohnungsbau begründen.
Die Erfolge des Bauprogramms im letzten Baujahr sind erfreulich. Die gesamte deutsche Bevölkerung hat angesichts der ungeheuren Wohnungsnot bewiesen, daß sie mehr zu leisten imstande ist, als wir selbst erwarten konnten. Es wurden etwa 350 000 Wohnungen erstellt, davon für den sozialen Wohnungsbau etwa 230- bis 240 000 Wohnungseinheiten. Das ist, gemessen an den besten Friedensleistungen im Gebiete der Bundesrepublik, die mit 180- bis 200 000 Wohnungseinheiten beziffert werden, angesichts der schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zweifellos eine große Leistung. Dennoch konnten bei den gemachten Anstrengungen nur 6 bis 7 % der Wohnungsuchenden mit einer Wohnung versehen werden. Die Aufgabe der Lösung der Wohnungsnot wird von Tag zu Tag brennender, weil 12 bis 15 Millionen Menschen ohne Wohnung die Wohnungsnot bereits 4 bis 5 Jahre mitmachen müssen. Wir haben also im letzten Jahr etwa 6 bis 7 % des erforderlichen Wohnungsbedarfs lösen können.
In diesen Tagen beraten die Bundesregierung und der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen des Bundestages über das Bauprogramm für das neue Baujahr. Unsere Länder haben das Bauprogramm zum 1. Oktober eingebracht, weil wir im Frühjahr bei der Beratung des Gesetzes der Auffassung waren, die Bauprogramme und die Baufinanzierung müßten um die Weihnachtszeit sehr klar sein, damit man im kommenden Frühjahr planmäßig mit der Arbeit beginnen könnte. Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch einmal - ich glaube, auch im Namen des Ausschusses - zu dieser Frage einen dringenden
Appell an die Bundesregierung dahin richten, daß die Finanzierung des Bauprogramms für das nächste Jahr in der kommenden Kabinettssitzung gesichert werden möge.
Wir haben uns in unserer Interpellation im wesentlichen mit dem Grundgedanken der Schaffung familiengerechter Wohnungen befaßt. In steigendem Ausmaße - wenn Sie die Interpellation zur Hand nehmen, kann ich mich hier und da etwas kürzer fassen - beobachten wir Tendenzen, die im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestgrößen für Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus zu unterschreiten. Gegen diese Entwicklung wenden wir uns mit aller Entschiedenheit. Die Wohnung stellt den Lebensraum für die Familie dar, die Familie, die in unserem Grundgesetz unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt worden ist. In einem nicht mehr vertretbaren Ausmaß werden Kleinstwohnungen mit ein, zwei, nun auch mit drei Räumen einschließlich Küche oft in mehrgeschössigen Wohnblocks errichtet, also Wohnungen, die nicht den erforderlichen Lebensraum für eine gesunde Familie bieten.
Wir wenden uns nicht gegen die Schaffung von ausreichendem Wohnraum für alleinstehende Frauen und kinderlose Ehepaare; im Gegenteil, diese Forderung ist bei der Beratung des Wohnungsbaugesetzes auch von unserer Fraktion dringend erhoben worden. Wir fordern nur, daß sich der Wohnungsbau nicht ausschließlich von finanziellen, wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten leiten läßt,
({8})
sondern daß im Mittelpunkt der Wohnbaupolitik
unseres Bundes - das war das Anliegen des Ausschusses und unseres Gesetzes - die Familie steht,
die Familie so, wie wir sie uns vorstellen, daß sich
also die Wohnungspolitik nach der Familie richtet.
({9})
Wir wünschen also, daß nicht die Familie sich nach den Wohnungen zu richten hat, sondern wir fordern, daß die Wohnungen sich nach den Familien richten.
({10})
Ich habe in den letzten Monaten Gelegenheit genommen, mit einem Teil unserer Freunde aller Parteien in verschiedenen Städten Deutschlands, in Köln, Düsseldorf, Hamburg, Berlin usw., die Wohnungsneubauten zu besichtigen. Ich darf Ihnen sagen: es geschieht unendlich viel Erfreuliches. Besonders erwähne ich hier die Selbsthilfeorganisationen der Flüchtlinge und Ausgebombten, die dabei sind, mit eigener Kraft anzufangen. Demgegenüber ist jedoch eine Grundanschauung zu beobachten, die, dem Weg des geringsten Widerstandes folgend, aus rein rationalen Überlegungen Kleinstwohnungen baut, ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der Menschen, für die diese Wohnungen geschaffen werden sollen.
({11})
Was verstehen wir nun unter familiengerechten Heimen? Eine Wohnung - es ist jetzt gleichgültig, ob Mietwohnung, Eigenheimwohnung oder Kleinsiedlung -, die es ermöglicht, ein Familienleben auch mit drei, vier, fünf, sechs und sieben usw. Kindern zu entwickeln.
({12})
Wenn in manchen Zeitschriften in Deutschland häufig gesagt wird, der Wille zum Kind fehle bei unserer Bevölkerung, so darf ich Ihnen demgegenüber die Mitteilung machen, daß in meinem Wahl({13})
kreis unser verehrter Herr Bundespräsident dreimal beim achten Kinde Pate werden mußte. Wir freuen uns darüber, daß unser Volk durch alle Schwierigkeiten hindurch dennoch nicht gewillt ist, die Bereitschaft zum Kind aufzugeben.
({14})
In Dreiraum-Wohnungen einschließlich Küche kann sich ein derartiges Familienleben nicht entwickeln. Wir müssen daher dringend fordern, daß die von uns in Übereinstimmung mit allen Parteien im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Wohnungsgrößen ausgeschöpft werden und mehr, als es bisher geschehen ist, in der Wohnungspolitik der Gedanke des familiengerechten Heimes beachtet wird.
Ich habe in meiner Ausschußtätigkeit zahllose Beschwerden darüber erhalten, daß die festgesetzten Mindestgrößen von den Ländern unterschritten worden sind. Solche Beschwerden kamen insbesondere aus Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Württemberg. Für das kommende Baujahr wünschen wir, daß seitens des Bundesministers für den Wohnungsbau alles getan wird, um zu erreichen, daß die im ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestgrößen des sozialen Wohnungsbaues eingehalten und nicht unterschritten werden. Wir wünschen nicht, daß durch eine derartige Politik unser Volk auf einen niedrigen Kulturstand zurückgeführt wird. Die Förderungsrichtlinien der Länder bedürfen dringend einer Vereinheitlichung und Ausrichtung nach den Grundsätzen des Ersten Wohnungsbaugesetzes.
Unsere Forderung nach Errichtung familiengerechter Wohnungen bezieht sich nicht nur auf Kleineigenheime und Reihenhäuser, sondern auch auf Wohnungen in mehrgeschossigen Wohnblöcken, die als Mietwohnungen oder im Rahmen des Wiederaufbaus errichtet werden. Sowohl die gemeinnützigen Wohnungsbauverbände wie die privaten und öffentlichen Bauträger müssen seitens des Bundeswohnungsbauministeriums veranlaßt werden, die Grundforderung nach dieser familiengerechten Wohnung ihrerseits als das oberste Anliegen zu sehen und den Gedanken der Gemeinnützigkeit wieder in den Vordergrund zu stellen, so wie der Gedanke der Gemeinnützigkeit begriffen und verstanden werden will.
({15})
Es ist unvertretbar, daß wir unsere jungen Familien - Heimkehrer und Kriegsopfer, die nun nach langen Kriegsjahren zurückkehren - automatisch in diese verfluchten zwei Räume stecken. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dort verkümmern unsere Ehen, auf die dieser Staat sich gründen möchte, und darum fordern wir, daß auch den jungen Familien der Lebensraum gegeben wird, den sie brauchen.
({16})
Wir sollten uns bei der Betrachtung dieser Frage vor Augen halten, daß eine Wohnung normalerweise eine Lebensdauer von etwa hundert Jahren hat und daß die Wohnungen, die wir heute schaffen, auch in hundert Jahren noch so sein werden, wie wir sie heute bauen. Ich warne die Wohnungsbaugesellschaften aller Art, sich dem Gedanken der Kleinstwohnung stärker zu verschreiben, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen allein in einigen Jahren bei normaler Entwicklung unseres Wirtschaftslebens diese Wohnungen einfach nicht mehr werden vermieten können.
Ich möchte nun noch ein Wort zu der Forderung auf Förderung der Wohnungen für kinderreiche Familien sagen. In § 17 des Ersten Wohnungsbaugesetzes in Verbindung mit § 7 Abs. 2 ist vorgesehen worden, daß die Wohnflächen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues bis zu einer Größe von 120 qm überschritten werden können, wenn sie zur Unterbringung einer größeren Familie gedacht sind. Die von uns bisher gemachten Feststellungen und Beobachtungen haben ergeben, daß Wohnungen für kinderreiche Familien im letzten Jahr in der Praxis kaum gebaut worden sind. Die Ursache ist darin zu suchen, daß die dazu benötigten zusätzlichen öffentlichen Mittel nicht bereitgestellt worden sind.
({17})
In verschiedenen Bezirken durchgeführte Umfragen haben ergeben, daß wir noch etwa 4 bis 5 % Familien haben - es handelt sich hier um den Personenkreis, der eine Wohnung braucht die vier und mehr Kinder haben bzw. ihr Ja dazu geben. Das besagt, daß der Personenkreis, der hier angesprochen ist, an sich schon sehr klein ist. Ich glaube, diese Ziffer sollte auch in anderem Zusammenhang zu denken geben. Darum haben wir in unserem Antrag zur Interpellation die Forderung aufgestellt:
Die Bundesregierung wird ersucht, die für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Bundesmittel gemäß § 14 Absatz 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 mit der Auflage zu verteilen, daß ein angemessener Anteil dieser Mittel von. den Ländern zum Bau von Wohnungen für kinderreiche Familien unter Ausnutzung der im Ersten Wohnungsbaugesetz für solche Fälle zugelassenen größeren Wohnfläche Verwendung finden muß. Um die Mieten ({18}) solcher Wohnungen für kinderreiche Familien tragbar zu gestalten, sind die öffentlichen Mittel im nachstelligen Beleihungsraum erhöht - gegebenenfalls zinslos - einzusetzen.
Ich glaube, wenn diese Grundforderung beachtet wird, werden wir im kommenden Jahre den Bedarf der kinderreichen Familien an Wohnungen, die für diese Familien auch finanziell tragbar sind, befriedigen können.
Wenn wir des weiteren den Grundgedanken des Eigentums an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen in der Interpellation angeschnitten haben, dann sehen wir die Begründung darin, daß so wenig Wohnungen in Eigentum geschaffen werden, da die gesamte Konstruktion unserer Wohnungswirtschaft einfach dazu führen muß, in steigendem Ausmaß Mietwohnungen zu errichten. Nur eine Ziffer hierzu, weil die endgültigen statistischen Unterlagen des letzten Jahres noch nicht vorliegen! Bei der Aufteilung der Finanzierungshilfen gemäß § 10 Abs. 2 der Weisung des Hauptamtes für Soforthilfe vom 6. 11. 1950 sind von den Mitteln aus diesem Fonds in Hamburg 10 % in Eigenheime und 90 % in Mietwohnungen geflossen; in Nordrhein-Westfalen ist das Verhältnis 50 zu 50 und in Baden 40 zu 60. Wenn wir auch berücksichtigen, daß es in unseren Städten nur in beschränktem Umfange möglich ist, Kleineigentum zu erstellen, so sollte doch diese Grundforderung nach Schaffung von Kleineigentum für die breiten Volksschichten nicht in Vergessenheit geraten. Wenn wir in der Zukunft den Gedanken des
({19})
turns überhaupt erhalten wollen, muß das vorhandene Eigentum auf möglichst breite Volksschichten verlagert werden. Die besondere Not unserer Ostvertriebenen, der Ausgebombten, der Kriegsbeschädigten, der Heimkehrer und der jungen Familien bietet eine geradezu ideale Möglichkeit, dort, wo es möglich ist, dieses Kleineigentum in Form von Siedlungen, Eigenheimen und Eigenwohnungen in Reihenhäusern zu schaffen.
Es geht bei dieser Frage weiter im besonderen darum, soweit es möglich ist, diese Menschen wiederum mit dem Boden in Verbindung zu bringen. Hierzu benötigen wir dringend - das darf ich auch in diesem Zusammenhang sagen - das für den 30. September zugesagte Baulandbeschaffungsgesetz. Die vom Land Nordrhein-Westfalen im Anschluß an das Erste Wohnungsbaugesetz im letzten Jahr herausgegebenen Bestimmungen zur Förderung des Kleinwohnungsbaues beweisen, daß diese Bestimmungen geradezu eigentumsfeindlich sind. Wenn nach diesen Bestimmungen ein Anspruchsberechtigter des sozialen Kreises, der im Wohnungsbaugesetz festgelegt worden ist, ein Kleineigenheim bauen wollte, mußte er im Gegensatz zu demjenigen, der eine Mietwohnung baute, statt 10 % 20 % Eigenkapital aufbringen, das gerade dieser Personenkreis nicht hat. Er bekam daneben weniger öffentliche Mittel, als wenn er ähnliche Wohnungen auf dem Wege der Volkswohnungen als Mietwohnungen erstellt hätte.
Ich darf erfreut feststellen, daß das Land Nordrhein-Westfalen diese Bestimmungen in der Zwischenzeit grundlegend an die Vorschriften des Ersten Wohnungsbaugesetzes angeglichen hat. In unserem Wohnungsbaugesetz steht nämlich, daß neben den öffentlichen und privaten gemeinnützigen Bauträgern der private Bauherr - das ist derjenige, der sich ein Kleinsiedlungshaus, ein Eigenheim, schaffen will - gleichberechtigt steht. Wir müssen aber heute feststellen, daß eben dieser private Bauherr kaum oder gar nicht zum Zuge kommt. Einer der Gründe dafür, meine Damen und Herren, ist dieser unendlich starre Formalismus der Baugenehmigungsverfahren; dieser wirkt hier hinderlich.
Es ist ein Vorurteil, daß solche Wohnungen im Kleineigenheim-, im Kleinsiedlungsbau in Beziehung auf die Quadratmeter-Wohnfläche - das ist das Entscheidende - teurer würden als Mietwohnungen. Eine solche Beurteilung stimmt nicht, vor allem 'dann nicht, wenn wir die starke Bereitschaft zur Selbsthilfe des eben erwähnten Kreises an dem Erwerb von Kleineigentum einrechnen.
Unsere Forderungen sind daher folgende: erstens daß wesentlich mehr, als es bisher geschehen ist, Eigentum an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen geschaffen wird; zweitens daß die Aktivierung der Selbsthilfe draußen im Lande in stärkerem Maße als bisher erfolgen muß; drittens, daß die Genehmigungsverfahren, also die formalen Bestimmungen für den Bau von Kleinwohnungen und überhaupt für den Wohnungsbau, weiterhin wesentlich vereinfacht werden.
Ich darf hier das praktische Beispiel des Maurers B., eines Flüchtlings, vortragen. Es zeigt, wie der Bau eines Eigenheims erschwert ist. Der Maurer B. hatte gebeten, den für seinen Wohnungsanspruch zur Verfügung gestellten Geldbetrag zum Bau eines Kleineigenheims benutzen zu dürfen, zumal er als Maurer in der Lage war, mit seinen Kollegen in Selbsthilfe ohne Inanspruchnahme weiterer Mittel dieses Kleineigenheim zu errichten. Der Maurer hatte in seiner Heimat ein Kleinsiedlungshaus. Er wurde nun gezwungen, diesen Betrag einem Wohnungsunternehmen auszuzahlen und mußte eine recht teure Mietwohnung nehmen. Sie wissen ja, die Mietsätze des sozialen Wohnungsbaus sind für breite Schichten des Volkes kaum zu tragen. Wenn dieser Mann am Schluß in seiner schlichten Art mir sagte: „Aber man will doch wieder zu Eigentum kommen, und ich wollte doch selbst arbeiten, ich möchte doch auch einmal wieder Mensch werden", so ist in diesen Worten ein echtes Anliegen von Hunderttausenden derartiger Menschen in Deutschland ausgesprochen. Wir sollten von uns aus alles tun, um den Gedanken des Kleineigenheims zu fördern, und sollten alle Maßnahmen treffen, die diesem Personenkreis die Erfüllung ihrer Wünsche ermöglichen.
Ich komme nun noch auf unseren Antrag zu sprechen, den ich hiermit begründe. Unser Antrag knüpft an 14 Abs. 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes an. In diesem 14 Abs. 3 heißt es - das ist damals nach langen Beratungen festgelegt worden -, daß der Bundesminister für Wohnungsbau die Verteilung der Bundesmittel mit Auflagen, insbesondere hinsichtlich des zu begünstigenden Personenkreises usw. verbinden kann. Wir stellen nun den Antrag, die Bundesregierung zu ersuchen, erstens die für den sozialen Wohnungsbau bestimmten Bundesmittel gemäß 14 Abs. 3 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 mit der Auflage zu verteilen, daß ein angemessener Anteil dieser Mittel von den Ländern zum Bau a) von Eigenheimen und Kleinsiedlungen sowie b) von Wohnungen für kinderreiche Familien einzusetzen ist.
Die Ziffer 2 unseres Antrags beschäftigt sich mit den Maßnahmen im Hinblick auf den Bau von Ersatzwohnungen im Zuge der Schaffung von Unterkünften für alliierte Truppen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist Ihnen bekannt, daß durch die Freimachung der Kasernen für alliierte Streitkräfte in kürzester Frist zahlreiche Familien, Flüchtlinge und Ausgebombte, obdachlos werden. Abordnungen der Kommunalvertretungen verschiedener Gemeinden des rheinisch-bergischen Kreises aus Porz, Bergisch-Gladbach, die besonders betroffen sind, waren beim Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen sowie beim Bundesminister für den Wohnungsbau und haben ihre Sorgen vorgetragen. Die Herren führten Klage darüber, daß diese Ersatzwohnungen als sogenannte „Schlichtwohnungen" erstellt werden sollen und in ihrer Größe gegenüber dem sozialen Wohnungsbau erheblich 'beschränkt seien; des weiteren seien diese Wohnungen mit den zur Verfügung gestellten Mitteln nicht zu errichten.
Zur Aufklärung sei hier folgendes gesagt. Diese Ersatzbauten werden als bundeseigene Bauten erstellt und sollen auch vom Bund verwaltet werden. Hierzu wird später noch etwas zu sagen sein.
Ich gebe einige Zahlen hinsichtlich der Größe dieser Wohnungen bekannt. Nach den Ausführungsbestimmungen von Nordrhein-Westfalen galten für den sozialen Wohnungsbau folgende Größen: für Zwei-Raum-Wohnungen 40 qm; für die „Schlichtwohnung" sind heute 32 qm vorgesehen; für eine Drei-Raum-Wohnung bisher 50 qm, heute für eine „Schlichtwohnung" 42,3 qm; für eine Vier-Raum-Wohnung - das ist die größte, die gestattet wird - bisher 60 qm, heute für die „Schlichtwohnung" 54,5 qm.
({20})
In den stattgefundenen Besprechungen wurde mit Recht von dem Landrat des rheinisch-bergischen Kreises sowie den Bürgermeistern und auch von den Stadtdirektoren ausgeführt, daß diese Wohnungen zu klein sind und die hierfür bereitgestellten Mittel - und das ist das Arge an der Geschichte - nicht zum Bau dieser Wohnungen ausreichen. Sie bitten darum, daß der Bund die aus dem Einzelplan XXVII des Bundeshaushalts für Kriegsfolgelasten vorgesehenen Mittel für diesen Zweck auch als Darlehen für den sozialen Wohnungsbau zugunsten dieses Personenkreises gewährt, damit in der Praxis der Versuch gemacht werden kann, aus diesen „Schlichtwohnungen" solche Wohnungen zu bauen, über die wir uns später nicht zu schämen brauchen. Ich glaube, wenn wir eine Lösung finden und eindeutig klarstellen, daß diese Mittel nicht auf die normalen Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau angerechnet werden, dann wird einem Anliegen der Praxis entsprochen. Wir sollten daher dieser Anregung folgen.
Meine Damen und Herren, wir haben Verständnis dafür, daß im Rahmen der Unterbringung von Sicherheitseinheiten Unterkünfte für diese sowie Ersatzwohnungen für die betroffenen einheimischen Familien geschaffen werden müssen. Wir haben auch dafür Verständnis, daß dieses unter einem erheblichen Zeitdruck geschehen muß. Wir haben jedoch dafür kein Verständnis, daß das Bundesfinanzministerium die finanziellen Voraussetzungen für die Erfüllung dieser Aufgabe nicht in vollem Umfang gewährleistet hat. Das Land Nordrhein-Westfalen, das lediglich die Ausführungsbestimmungen dazu gemacht hat, trifft in diesem Zusammenhang keine Verantwortung.
Wenn wir auch über den Begriff Schlicht- oder Einfachstwohnung - die Damen und Herren des Wohnungsbauausschusses befassen sich mit dieser Frage seit Monaten - heute noch keine klare Vorstellung haben und mit äußerster Vorsicht an dieses Problem herangehen - ich will deshalb die Frage hier nicht näher erörtern -, sind wir doch nicht der Meinung, daß unter Schlichtwohnungen Kleinstwohnungen zu verstehen sind.
({21})
Aber wir wünschen, daß auch die Wohnungen im Rahmen des Ersatzwohnungsbaus für die Besatzungsmächte, die neu nach Deutschland kommen, sich im Rahmen der im Ersten Wohnungsbaugesetz festgelegten Größenordnung halten sollen. Darum haben wir in unserem Antrag zu dieser Frage Stellung genommen:
Die Bundesregierung wird ersucht, ... die im § 17 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vorgeschriebenen Wohnungsgrößen auch beim Bau von Ersatzwohnungen für Familien, die im Zuge der Verstärkung alliierter Streitkräfte oder sonstiger Sicherheitsmaßnahmen obdachlos werden, einzuhalten.
Die hierfür bestimmten Mittel sind auch als Darlehen im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues zu gewähren.
Meine Damen und Herren! Ich möchte gerade, daß Sie das vorhin aufgezeichnete Anliegen aus unserer unmittelbaren Nähe als ein Beispiel dafür ansehen, daß überall dort in der Bundesrepublik, wo diese Umquartierungsmaßnahmen durchgeführt werden müssen, dieses Problem eine brennende Frage darstellt.
Wenn ich in diesem Zusammenhang ein ernstes Wort sagen darf, dann ist es folgendes: In unserem Gebiet mußten in einem erheblichen Umfang bisher Wohnungen für Besatzungsangehörige errichtet werden. Die Situation fordert, daß die Frage nach den Größen und Kosten dieser Wohnungen und dem Verhältnis zu den Ersatzwohnungen gestellt wird. Wir bekommen heute für eine Ersatzwohnung mit 1 Raum im Rahmen des Schlichtwohnungs-Bauprogramms 5 000 DM, für eine 2-Raum-Wohnung 7 300 DM, für eine 3-RaumWohnung 9 100 DM, einschließlich der Aufschließungskosten, jedoch ohne Grundstückskosten. Und jetzt die Kosten für Besatzungsbauten:
Der Typ I für Unteroffiziere, Größe etwa 80 qm auf 500 qm Grund und Boden, kostet 46 000 DM, davon Aufschließungskosten und Baunebenkosten 12 000 DM.
({22})
Diese Wohnung umfaßt ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer, ein sonstiges Schlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, eine Diele, eine Waschküche, ein Bad, eine Toilette, Zentralheizung, Warmwasseranlage - Elektro oder Gas - und Einbauschränke.
({23})
Typ V für Offiziere, 120 qm auf 1000 qm Grund und Boden, kostet 71 000 DM, davon Aufschließungskosten und Baunebenkosten 18 000 DM. Umfang: ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Elternschlafzimmer, zwei sonstige Schlafzimmer, ein Ankleideraum, ein Dienstbotenschlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, zwei Dielen, eine Waschküche, ein Bad, zwei Toiletten, eine Garage, Zentralheizung usw. wie vor.
({24})
Bei Wohnungstyp II für Stabsoffiziere, Größe 230 qm auf 3000 qm Grund und Boden, Gesamtbaukosten 172 000 DM, davon 32 000 DM Aufschließungs- und Baunebenkosten,
({25})
umfaßt die Wohnung ein Eßzimmer, ein Wohnzimmer, ein Herrenzimmer, ein Elternschlafzimmer, drei sonstige Schlafzimmer, einen Ankleideraum, ein Dienstbotenwohnzimmer, zwei Dienstbotenschlafzimmer, eine Küche, eine Spülküche, zwei Bäder, ein Dienstbotenbad, drei Toiletten, eine Dienstbotentoilette, eine Eingangshalle, eine Waschküche, zwei Garagen, Zentralheizung usw. wie vor.
({26})
Eine weitere Ziffer zur besseren Klarstellung: Für 80 Kinder einer Besatzungseinheit in unserer Nähe mußte eine Schule gebaut werden, deren Gesamtaufwand 850 000 DM betrug.
({27})
Es wurden acht Schulräume, eine Turnhalle, ein Singsaal, ein Werkraum, ein Speiseraum, Bade- und Umkleideräume, Besuchs-, Lehrer- und Rektorzimmer gebaut. Die Schule ist so gebaut worden, daß man sie erweitern kann.
({28})
Wenn wir also für die Ersatzwohnungen für Deutsche, die aus den Kasernen herauskommen müssen, für eine kinderreiche Familie höchstens 10 000 DM aufbringen können, sind wir der Meinung, daß diese überhöhten Anforderungen, die von den Besatzungsmächten bisher an ihre Wohnungen gestellt worden sind, im jetzigen Stadium
({29})
der europäischen Entwicklung nicht mehr vertretbar sind.
({30})
Wir wollen zweifellos alles tun, damit die notwendigen Maßnahmen getroffen werden und für die davon betroffenen alliierten Soldaten und ihre Angehörigen in Deutschland eine menschenwürdige Unterkunft gefunden wird. Jedoch sollten die alliierten Stellen im Hinblick auf die ungeheure Wohnungsnot auf unsere soziale und wirtschaftliche Lage Rücksicht nehmen und sich in einem tragbaren Maß dieser Not anpassen.
({31})
Ich bin am Schluß meiner Ausführungen und darf abschließend nur noch eins sagen. Diese Wohnungen haben wir Ausschußmitglieder zum Teil besichtigt. Wir sind aber nicht gewillt, heute ein Bauprogramm für Ersatzwohnungen anlaufen zu lassen und dabei zuzusehen, daß deutsche Familien, die seit Jahren unter weiß Gott menschenunwürdigen Verhältnissen leben, nunmehr auch noch in Kleinstwohnungen zugrunde gerichtet werden. Wir müssen darum bitten, daß man auch hierfür Verständnis hat. Es handelt sich um Menschen aus Fleisch und Blut, um Familien, die daneben auch noch Deutsche sind, und wir wünschen, daß wir sie anständig behandeln und ihnen den notwendigen Wohnraum schaffen können.
({32})
Wir haben deshalb an die Bundesregierung das Anliegen, das wir in unserem Antrag ausgedrückt haben, die im Ersten Wohnungsbaugesetz festgesetzten Mindestmaße einzuhalten. Ich wiederhole es noch einmal: Diese Mindestmaße sind unter Berücksichtigung unserer Not aufgestellt worden, und alle, die da mitgearbeitet haben, wissen, wie lange wir beraten haben, bis diese Quadratmeterzahlen errechnet waren. Deshalb wünschen wir, daß auch diese Ersatzbauten danach errichtet werden, und daß der Herr Bundesfinanzminister die dazu notwendigen Mittel in entsprechendem Ausmaß erhöht, so daß die erforderliche Zahl von Wohnungen gebaut werden können.
Ich weise auch noch auf folgendes, Herr Bundeswohnungsminister, hin: Es handelt sich um ein Dringlichkeitsproblem, das in einigen Wochen, zum Teil in einigen Monaten gelöst werden muß, wenn diese Menschen nicht obdachlos werden sollen. Darum bin ich dankbar, daß dem Hohen Hause Gelegenheit gegeben ist, heute, vor Weihnachten, diese Frage, die sicherlich auch die betroffenen Menschen sehr bedrückt, zu klären und so die verantwortliche Verwaltung in die Lage zu versetzen, die Wohnungen entsprechend zu bauen.
Ich frage deshalb die Bundesregierung, welche Maßnahmen sie für das Baujahr 1951 ergreifen will, um erstens in wesentlich größerem Umfang als bisher Eigentum an Wohnungen, Eigenheimen und Kleinsiedlungen für die breiten Volksschichten zu schaffen, zweitens den Bau solcher familiengerechter Wohnungen sicherzustellen, in denen sich ein normales Familienleben auch mit vier und mehr Kindern entwickeln kann, drittens die Anwendung dieser Grundsätze zu 1 und 2 auch beim Bau von sogenannten Schlichtwohnungen im Rahmen der Ersatzbauten für alliierte Truppenunterkünfte sicherzustellen.
Ich bitte das Hohe Haus, den bei der Begründung der Interpellation bereits mitbegründeten Antrag anzunehmen. Ich bitte ihn deshalb anzunehmen, damit die darin enthaltenen Grundgedanken, die ja nicht neu sind, die aber nun von der Bundesebene ins Land hinausgetragen werden sollten, bei der Aufstellung des Bauprogramms berücksichtigt werden. Dieses Programm soll in der nächsten Woche in einer Dringlichkeitssitzung des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen beraten und nach Weihnachten als das Bauprogramm für das kommende Jahr vorgelegt werden. Eine Beratung dieser Fragen im Ausschuß würde eine Verzögerung bedeuten. Der angemessene Anteil der Bundesmittel für kinderreiche Familien und zur Förderung von Kleinsiedlungen und Kleineigenheimen wird vom Wohnungsbauministerium festzusetzen sein und muß dann im Ausschuß beraten werden.
Da die Errichtung von Ersatzwohnungen für die Familien, die durch die Ausquartierung jetzt anderweitig untergebracht werden müssen, sehr dringlich ist, bitte ich, den zu der Interpellation gestellten Antrag anzunehmen, damit die Angelegenheit noch vor Weihnachten bereinigt werden kann.
({33})
Meine Damen und Herren! Im Interesse der Ökonomie unserer Geschäftsführung mache ich den Vorschlag, die Punkte 7 und 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD Zentrums betreffend Beschlagnahme von Wohnungen durch die Besatzungsmächte ({0})
und
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD
betreffend Wohnraum des sozialen Wohnungsbaues ({1})
mit der Besprechung dieser Punkte 1a und 1b zu verbinden. Ich glaube, das sind zum großen Teil in das gleiche Gebiet fallende Fragen, so daß wir wesentlich schneller fertig würden, wenn wir das kombinierten. Ist das Haus damit einverstanden?
({2})
- Ich stelle das fest. Im übrigen hat der Herr Minister für Wohnungsbau mir erklärt, daß er die Interpellation im Laufe der Aussprache beantworten wird.
Ich bitte dann zunächst Herrn Abgeordneten Dr. Reismann, zur Begründung des Antrages der Fraktion des Zentrums - Drucksache Nr. 1539 - das Wort zu nehmen. Im Anschluß daran wird Herr Abgeordneter Paul den Antrag der KPD-Fraktion begründen.
Dr. Reismann ({3}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem manchmal schreienden Gegensatz zu den Zuständen in den Wohnungen größerer deutscher Familien und zu den Zuständen, in denen sich die Unterkünfte unserer Ausgebombten, Evakuierten und Flüchtlinge befinden, steht die Belegung der Wohnungen durch Angehörige der alliierten Besatzungsmächte. Deswegen erscheint es dringend erforderlich, daß die Bundesregierung dieses Problem einmal mit der zentralen Stelle bespricht. Es sind erschütternde Berichte, die einem über diese Dinge zugehen, auf der einen Seite über die Notlage, in der sich unsere Landsleute befinden, auf der anderen Seite darüber, daß es der Besatzung trotz eines anerkennenswerten Bestrebens bisher nicht gelungen ist, die Belegung
({4})
so einzurichten, wie es der in Deutschland nun einmal existierenden Notlage einigermaßen entspricht.
Ich will aus der großen Zahl der mir zugegangenen Unterlagen nur wenige Beispiele hervorheben. Da teilt man mir z. B. mit, daß in Neheim ein Mann, ein Frau und ein Kind elf Räume haben, und zwar in Neheim, das über die große Ausweitung der Besatzungsansprüche auf Wohnraum besonders klagt. Noch einige weitere Beispiele: Neun Räume für einen Mann, eine Frau und zwei Kinder, dreizehn Räume für Mann, Frau und ein Kind, vierzehn Räume für Mann, Frau und ein Kind, fünfzehn Räume für zwei Personen, zehn Räume für drei Personen usw., ganz abgesehen von der großen Zahl der Räume, und zwar Wohnräume, die praktisch leerstehen.
Dasselbe gilt für das Gewerbe. Auch der Rotelierverband beklagt sich darüber, und zwar zusammen mit dem Verband der Besatzungsgeschädigten, der sagt, daß es insgesamt 3,6 Millionen aus ihren Wohnungen Vertriebene, also Besatzungsgeschädigte, in den deutschen Ländern gibt. Dem müßte man einmal gegenüberstellen, wie wenig Personen in diesen Räumen wohnen. Er weist auch darauf hin, daß die Räume für gesellige Zwecke wie Messen und Unterhaltungslokale nur zu etwa 20 °/o ausgenutzt worden sind.
Gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt erscheint es nun erforderlich, daß sich die Bundesregierung dieser Angelegenheit annimmt, und zwar deswegen, weil die neu nach Deutschland hereinkommenden Truppen natürlich neue Bedürfnisse an Wohnraum und an Raum für Unterhaltungslokale haben. Es werden also in diesem Zusammenhang neue Räume zur Verfügung gestellt werden. Wahrscheinlich wird es aber nicht so schnell möglich sein, den dafür erforderlichen Wohnraum zu schaffen; es muß also bereits vorhandener Wohnraum abgegeben werden. Deswegen kann das nur in Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden geschehen. Insbesondere muß die Durchführung solcher Maßnahmen durch deutsche Behörden erfolgen, nicht nur, weil diese mit unseren Landsleuten in anderer Weise umgehen - es sind eben Landsleute -, sondern weil sie vor allem eine bessere Kenntnis der Bedürfnisse unserer Landsleute und auch eine bessere Kenntnis der Zugriffsmöglichkeiten haben. Es darf nicht wieder vorkommen, wie es in der ersten Zeit der Besatzung geschehen ist, daß binnen weniger Stunden - 1, 2, 3 Stunden - große Häuser geräumt werden müssen und daß alle, die sie verlassen müssen, alles einschließlich der notwendigsten Einrichtungsgegenstände darin zurücklassen müssen. Es sind damals Härten vorgekommen, die durchaus vermeidbar sind und die sicherlich vermieden werden, wenn die deutschen Behörden miteingeschaltet werden.
Bei dieser Gelegenheit sei auch daran erinnert, daß zwar ab und zu die Besatzungsbehörden Anläufe genommen haben, die Belegungsdichte zu kontrollieren und zu überwachen. Abgesehen davon, daß natürlich jede Dienststelle dazu neigt, anzuzeigen, daß sie nicht zuviel übrig hat - das würde Deutschen genau so gehen -, erscheint es aber auch notwendig, daß die Kontrolle in regelmäßigen Abständen erfolgt; denn die Belegungsdichte verändert sich ja laufend. Es kann sein, daß ein Haus, das zeitweilig leerstand, nach einigen Monaten wieder benutzt wurde. Es ist aber
häufiger der Fall, daß ein vorübergehend sehr stark belegtes Wohnhaus einige Zeit benutzt wurde und dann auf unabsehbare Zeit völlig unkontrolliert fast oder ganz leersteht.
Zu diesen leerstehenden Häusern noch ein Wort. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die sowohl den Besatzungsbehörden als auch den Deutschen, namentlich der Bundesregierung, ans Herz gelegt wird. Es sind mir zahlreiche Fälle bekannt, namentlich aus Osnabrück, in welchen die Wohnungen, die monatelang leerstehen, während für ein ganzes Haus 150 DM Miete bezahlt wird, mit einem Vielfachen davon durch fremde Kräfte bewacht werden. Und wie glücklich würden die Eigentümer - oder auch die Mieter, je nachdem, wer früher die Wohnung benutzt hat - sein, wenn sie selber diese Wohnung betreuen dürften. Da bekommt man für ein ganzes Haus mit Einrichtung, sagen wir einmal, 150 DM monatlich an Miete, und da werden 3-, 4-, 5- und 600 DM für Bewachungskosten für dieses Haus im Monat ausgegeben. Das geht gleichzeitig auch auf Besatzungsetat. Es läßt sich hier gewaltig sparen. Die Betroffenen würden es gern umsonst tun. Sie wären natürlich bereit, wieder auszuziehen und die Wohnung zu räumen, wenn diese wieder in Anspruch genommen werden müßte. Diese Kosten erscheinen uns jedenfalls nicht notwendig. Das ist einer der vielen Punkte aus dem Kapitel: ,,Vermeidbare Härten im Zusammenleben mit der Besatzung". Gerade im Zeichen der gegenwärtigen Forderungen, die man auf dem Gebiete des internationalen Zusammenlebens an uns zu stellen sich anschickt, und unter der dauernden Versicherung der Gleichberechtigung möchten wir diese Frage von neuem durch die Bundesregierung in der geeigneten Form aufgerollt sehen.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, dem Zentrumsantrag Nr. 1539 der Drucksachen die Zustimmung zu geben.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Paul zur Begründung des Antrags der Fraktion der KPD, Ziffer 8 der Tagesordnung.
Paul ({0}) ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Lücke hat bei der Begründung des Antrags der CDU schon auf die ungeheure Notlage auf dem Wohnungsmarkt hingewiesen. Diese Notlage vor allem der ärmeren Bevölkerung wird durch die Praktiken verschlimmert, die in den verschiedenen Gemeinden und Ländern bei der Zuteilung von Wohnungen auf Grund des Wohnungsbaugesetzes angewandt werden. In zahlreichen Städten und Gemeinden fordert man für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln erstellt werden, von den Wohnungsuchenden erhebliche verlorene Baukostenzuschüsse oder sehr beträchtliche Mietvorauszahlungen. Selbst die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften machen hiervon keine Ausnahme.
({2})
- Nein, ich habe dafür einige Beweise, die das
mit aller Deutlichkeit zeigen. Das Wohnungsbaugesetz gibt im § 22 solchen Bauherren dazu in
einem gewissen Maße auch die Möglichkeit. Es
wird dort nämlich gesagt, daß man, wenn man
einen erheblichen Beitrag zur Erstellung einer
({3})
Wohnung leistet, einen vorrangigen Anspruch auf diese Wohnung hat. Dieser Paragraph im Wohnungsbaugesetz wird jetzt weidlich ausgenützt. So ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die arme Bevölkerung, die Kinderreichen, die Arbeitslosen, die Kriegsbeschädigten sehr schwer zu Wohnungen kommen. In erster Linie erhalten diejenigen Wohnungen, die eben über ein bestimmtes Vermögen verfügen oder die, soweit sie über gesunde Glieder verfügen, Selbsthilfe leisten können. Es gibt aber zahlreiche Männer - ich denke an die Kriegsbeschädigten -, die einfach keine zusätzliche Arbeit leisten können, die also den geforderten angemessenen Beitrag zur Erstellung einer Wohnung nicht durch ihrer Hände Arbeit leisten können. Aber diese Menschen - die Alten, die kinderreichen Familien. diejenigen, die nicht über Vermögen verfügen müssen ebenfalls vordringlich in den Genuß von Wohnungen kommen, die im Rahmen des Wohnungsbaugesetzes mit öffentlichen Mitteln erstellt werden.
Sehr oft wird die Forderung nach einem verlorenen Baukostenzuschuß oder nach beträchtlichen Mietvorauszahlungen mit dem Fehlen ausreichenden Kapitals begründet. Ich möchte das an einem Beispiel demonstrieren. Ein Bauherr, der 20 % Eigenkapital aufgebracht hat, kann sich um die Bereitstellung der 1. Hypothek bemühen. Als 1. Hypothek wird im allgemeinen eine Belastung von 30-35 % der Bausumme gegeben. Wenn ein Bauherr somit die Finanzierung gesichert hat, kann er den Antrag auf Gewährung eines Landesbaudarlehens stellen, das in der Regel wiederum 30-35 % der Bausumme ausmacht. Im günstigsten Fall, also bei Ausschöpfung aller Möglichkeiten, wobei die Beschaffung der 1. Hypothek heute aber noch sehr fragwürdig ist, hat er somit rund 85-90 % des erforderlichen Kapitals; 10 bis 15% aber versucht er jetzt durch verlorene Baukostenzuschüsse oder durch langfristige Mietvorauszahlungen einzutreiben.
Wir sind der Meinung, daß ein solcher Zustand nicht tragbar ist. Diejenigen, die über bestimmte Mittel verfügen, sollen selbstverständlich veranlaßt werden, diese Mittel im Wohnungsbau einzusetzen. Es gibt aber auch Hunderttausende von Menschen, die diese Mittel einfach nicht haben, und für diese Menschen soll doch in erster Linie gebaut werden. Sie haben doch während des Krieges alles verloren; sie haben durch die Währungsreform, den Währungsschnitt auch ihren letzten Spargroschen eingebüßt, und durch die ungeheure Teuerung und die anziehenden Preise sind sie, soweit sie Werktätige sind, kaum noch in der Lage, zusätzliche Ersparnisse zu machen. Diese Entwicklung beweist der Rückgang der Spareinlagen in den letzten Monaten. Daraus ergeben sich dann wieder jene Schwierigkeiten in der Förderung des sozialen Wohnungsbaus.
Wir sind der Meinung, soweit Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues gebaut werden, sollte man vom Bund oder von den Ländern aus dafür eintreten, daß die Finanzierung für die bedürftigen Menschen sichergestellt wird. Wir sind weiter der Meinung, daß man die Lücken oder die Dehnungsmöglichkeiten, die im Wohnungsbaugesetz vorhanden sind, beseitigen und auf das richtige Maß zurückführen muß.
Wir haben deswegen in der Drucksache Nr. 1552 vorgeschlagen, daß die Bundesregierung beauftragt wird, den Länderregierungen zu empfehlen
und sie anzuhalten, bei der Bereitstellung von Mitteln zur Durchführung des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaues darauf zu achten, daß mindestens 70 % des mit diesen Mitteln erstellten Wohnraums zur freien Verfügung der Wohnungsämter stehen und daß für diese Wohnungen keinerlei Baukostenzuschüsse oder Mietvorauszahlungen gefordert oder angenommen werden dürfen.
Ich bin mir selbstverständlich vollkommen darüber im klaren, daß wir mit Strafandrohungen und mit Verwaltungsmaßnahmen allein diesem Problem nicht begegnen können. Deswegen gilt es zu erwägen, ob man nicht weitere zusätzliche unverzinsliche Mittel für Wohnungen für Kinderreiche, für Flüchtlinge und sonstige hilfsbedürftige Menschen zur Verfügung stellen kann, um die Lücke zwischen den aufzubringenden und den noch fehlenden Geldern zu schließen. Der Wohnungsbau wird immer schwieriger werden. Wir haben durch die bestimmten Maßnahmen, die in der Richtung der Vorbereitung eines Krieges gehen, anziehende Preise auf allen Gebieten. Diese führen auch zur Verteuerung des Wohnungsbaus. Ich denke nur an die Zunahme der Zementpreise, an die Zunahme der Preise für Blei, für Messing, für Bronze usw. Ich denke nicht zuletzt auch an die hier von der Mehrheit des Hauses beschlossene Erhöhung der Stahl- und Kohlenpreise, die sich wiederum auf dem Gebiet des Wohnungsbaus auswirken werden. Deswegen müssen auch von seiten des Bundes und der Länder erhöhte Anstrengungen gemacht werden, um für unsere wirklich bedürftigen Kreise in erster Linie die erforderlichen Wohnungen zu schaffen, und zwar solche Wohnungen, in denen man auch menschenwürdig leben kann. Wir wenden uns deshalb gegen die Versuche, solche ehemaligen Leybaracken und ähnliche Wohnungen dieser Art wieder aufrichten zu wollen. Wir wandten uns in den Jahren 1945 und 1946 im Ruhrgebiet gegen die Errichtung von Nissenhütten, von denen der britische Kommissar - d. h. damals der Landeskommissar - der Auffassung war, daß sie geeignete Wohnungen für unsere Bergleute seien. Wir haben uns damals dagegen gewandt und uns dadurch der schärfsten Kritik der Besatzungsmacht ausgesetzt.
Ich möchte Sie im Interesse der Förderung des Wohnungsbaues für die bedürftige Bevölkerung bitten, unserem Antrag zustimmen zu wollen.
Damit, meine Damen und Herren, sind diese drei Anträge bzw. Interpellationen eingebracht und begründet. Der Ältestenrat hatte nicht damit gerechnet, daß diese drei Punkte der Tagesordnung gemeinsam behandelt werden sollten. Deswegen ist die Empfehlung für die Redezeit, die er vorgesehen hat, gegenstandslos geworden. Ich erlaube mir, Ihnen eine eigene Empfehlung dafür zu machen, nämlich eine Gesamtredezeit für die Besprechung von Interpellationen und Anträgen von 60 Minuten. Ist das Haus damit einverstanden? - Es ist so beschlossen. Dann mögen aber, wenn von einer Fraktion mehrere Redner sprechen, diese bei der Berechnung der Länge ihrer Reden daran denken, daß sie ihren Kollegen nicht zuviel von deren Redezeit wegnehmen dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.
Meine Damen und Herren! Zunächst zu dem Antrag des Zentrums auf Druck({0})
sache Nr. 1539. Wir stimmen diesem Antrag vorbehaltlos zu. Der Antrag Drucksache Nr. 1552 der KPD, der die Bereitstellung von 70 % des erstellten Wohnraumes zur freien Verfügung der Wohnungsämter fordert, und zwar ohne das Verlangen nach Baukostenzuschüssen bzw. Mietvorauszahlungen, ist an sich berechtigt. Natürlich geht in der Regel jetzt der sozial schwächste Teil leer aus. Aber Herr Paul hat ja selbst schon darauf hingewiesen: Das Problem besteht darin: woher kommt die fehlende Restfinanzierung? Mit dieser Forderung, 70 % Wohnungen für diesen Kreis freizustellen, allein ist es nicht getan. Dann müßte die Fraktion der KPD in den Antrag hineinnehmen: Für diese 70 % übernehmen Bund, Länder oder Gemeinden die fehlende Restfinanzierung.
({1})
- Ja, das müssen Sie tun. So allein ist das mehr oder weniger platonisch, ähnlich wie ja auch die Bestimmung im Wohnungsbaugesetz platonisch ist, wo es heißt: „ein angemessener Teil der erstellten Wohnungen ist für solche Personenkreise freizuhalten, die nicht zum Eigenkapital beitragen können". Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß das Hauptamt für Soforthilfe anfänglich auch solche Auflagen gemacht hat unter Außerachtlassung des Problems, woher die Restfinanzierung kommt. Als man dann aber darauf kam, daß hier eine empfindliche Lücke besteht, hat man dort den Betrag von 40 Millionen DM ausdrücklich zur Aufbringung des fehlenden Eigenkapitals zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang möchte ich gleich darauf hinweisen, daß man in dem Antrag der CDU CSU sagt: Wenn es sich um Mietwohnungen handelt, wird der Betrag von 1 000 DM pro Wohneinheit gegeben, wenn es sich um Eigentum handelt, der Betrag von 1 500 bis 2 000 DM. Auch das ist schon eine bevorzugte Berücksichtigung der Kreise, die nach Eigentum streben.
Nun zu der vorliegenden Interpellation und dem Antrag der CDU. Wir begrüßen diese Interpellation, weil sie uns Gelegenheit gibt, die Bedeutung des sozialen Wohnungsbaues gerade in dieser sozial so furchtbar angespannten Zeit noch einmal mit allem Nachdruck in den Vordergrund zu rücken. Uns bewegt - und der Kollege Lücke hat das schon sehr eindringlich betont - die bange Frage: Was wird aus dem sozialen Wohnungsbau im Jahre 1951 angesichts der gewaltigen Ausgaben, die auf uns zukommen und die wir tragen müssen? Die Wohnungsnot ist die sozial schlimmste Not unserer Zeit. Daraus ziehen wir die Schlußfolgerung und halten einmütig daran fest: der soziale Wohnungsbau muß die Aufgabe Nr. 1 bleiben.
({2})
Unter keinen Umständen darf der soziale Wohnungbau etwa durch den Kasernenbau in den Hintergrund gedrängt werden.
({3})
Nun, meine Damen und Herren, welche Aussichten bieten sich aber nun für diesen sozialen Wohnungsbau, dessen Notwendigkeit wir alle einmütig einsehen? Die Baukosten sind ständig und rasch im Steigen. Dazu kommt die Verknappung der Baustoffe. Die Finanzierung des Wohnungsbaues für das Jahr 1951 ist noch keineswegs sichergestellt. Wir sind in berechtigter Sorge, ob wir den im Jahre 1950 erreichten Stand auch im Jahre 1951 werden halten können. Einige Symptome dafür, wie die Lage ist:
Im Wohnungbauministerium trägt man sich mit dem Gedanken, die Bundesmittel aushilfsweise in den erststelligen Raum zu geben - obwohl sie j a als nachrangige Mittel gedacht sind -, weil der Kapitalmarkt als solcher noch zu schwach ist, die erforderlichen Mittel in ausreichendem Maße zur Verfügung stellen zu können. Man hat dabei die Hoffnung, daß mit der Erholung des Kapitalmarktes dann später eine Ablösung oder Umquartierung dieser Mittel möglich sein wird. Im Wohnungsbauministerium trägt man sich mit der Absicht oder mit Plänen, Einfachst- oder wie man sagt Schlichtwohnungen zu schaffen. Wenn diese Pläne aus der Not der Zeit heraus verwirklicht werden, dann, glaube ich, wird zwangsweise einem Teil der Interpellation der CDU entsprochen, die sich ja gegen mehrgeschossige Wohnblocks wendet. Denn diese Einfachstwohnungen und Schlichtwohnungen werden so leicht gebaut sein, daß man sie nur einstöckig, allerhöchstens zweistöckig, wird bauen können.
({4})
- Ja, aber ich glaube, daß die Not der Zeit dahin führen wird.
Das ist die rauhe Wirklichkeit, der wir gegenüberstehen. Wir befürchten, daß im Jahre 1951 weniger Mittel für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehen, obwohl uns das erste Wohnungsbaugesetz verpflichtet, die erreichte Leistung zu steigern. Aber wir wollen uns doch auch darüber klar sein: Selbst, wenn wir die gleichen Mittel wie im Jahre 1950 zur Verfügung hätten, steht es heute absolut fest, daß wir damit angesichts der enormen Verteuerung der Baukosten insgesamt nicht gleich viel werden bauen können.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auf eines hinweisen: Als die Geschichte mit der Preissteigerung anfing, hörten wir aus prominentem Munde sehr zuversichtliche, zum Teil sogar sehr starke Worte. Naive Gemüter mußten damals befürchten, daß einer . unserer Minister zum Totschläger würde; denn er hat angekündigt, wenn das mit dieser Preissteigerung nicht aufhöre, dann werde er diese Burschen mit Ware totschmeißen. Ein anderer Kollege von ihm hat erklärt: „Es ist Zeit, und wir sind bereit dazu, Exempel zu statuieren.
({5})
Wir werden bereit sein, einigen dieser Burschen die Bude zu schließen." Und einer der Kollegen sagte: „Es ist eine unverantwortliche und unbegründete, profitsüchtige Preissteigerei."
Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß es darum sehr still geworden ist. Dafür haben wir dann aber um so mehr Worte auf anderer Ebene erlebt; nämlich man hat Konferenzen abgehalten, Konferenzen der Bauträger sowohl auf der örtlichen als auf der bezirklichen als auf der Länderebene und der Bundesebene, um auf die Preisgestaltung Einfluß zu nehmen. Es war von vornherein abzusehen, daß das ergebnislos sein würde. Es kam auch bis heute praktisch nichts dabei heraus. Ich meine, wenn schon in 1950 die Tendenz vorhanden war, kleine Wohnungen zu bauen und den Stockwerksbau zu bevorzugen, dann scheint mir das nicht die böse Absicht oder
({6})
Kurzsichtigkeit irgendwelcher Stellen zu sein, sondern es scheint angesichts der geschilderten Umstände eine notwendige Entwicklung zu sein. Ich befürchte, daß diese Tendenz sich auch in 1951 verstärkt fortsetzen wird. Ich glaube nicht, daß die Baubehörden bzw. die Bewilligungsstellen aus Vernarrtheit in irgendeine Bauweise die eine bevorzugen und die andere hemmen, wobei ich Ausnahmen gern einräumen will. Ich glaube, daß die Not der Zeit dahin drängt. Ist es denn nicht so, meine Damen und Herren - zumindest, die Sie mit vom Fach sind -, daß der Bauherr selber es in der Regel ist, der „hoch hinaus" will, besser: hoch hinaus muß, weil er j a die Rentabilität der Objekte auf alle Fälle sichern muß? Er muß auf einem gegebenen Bauplatz mit den vorhandenen Mitteln die notwendige Zahl der Wohnungen erstellen, damit das Objekt ertragfähig wird. Nur zu oft erleben wir doch, daß ein Konflikt zwischen der Baubehörde und dem Bauherrn entsteht, indem nämlich die Baubehörde auf Grund ihrer Bauordnung nur eine zwei- oder dreigeschossige Bauweise zulassen will, während der Bauherr sagt: Da komme ich nicht zurecht, ich muß vier- oder gar fünfgeschossig bauen.
Meine Damen und Herren! So sehe ich und so sehen meine Freunde die rauhe Wirklichkeit für den sozialen Wohnungsbau: weniger an Geld, weniger an Baumaterial, weniger an Bauland. Herr Kollege Lücke hat schon auf die Bedeutung des Baulandbeschaffungsgesetzes hingewiesen, gerade auf seine Bedeutung für den Aufbau der Stadtkerne. Aber das ist es nicht allein, was daranhängt. Werden die Stadtkerne aufgebaut, ist uns die Möglichkeit gegeben, die Evakuierten wieder in die Städte zurückzuführen. Damit tritt die Entlastung des Landes draußen ein, und damit wird für die so notwendig durchzuführende Umsiedlung Platz geschaffen.
Um das Bild, das sich uns hier bietet, abzurunden, darf der Hinweis darauf nicht fehlen, daß sich hier ein liebliches Chaos in der Bauwirtschaft anbahnt. Es ist doch heute bereits so, daß eine Unzahl von Auftraggebern auftritt, Besatzungsstellen, die ihre Bedürfnisse so schnell wie möglich und unter Außerachtlassung der Kostenfrage verwirklicht sehen wollen. Beispiele dafür hat der Kollege Lücke in drastischer Weise gegeben. Hier eilt es, hier spielen die Kosten keine Rolle. Daneben gibt es deutsche Stelle, die vielfach mit der gleichen Aufgabe betraut sind. Dann ist die öffentliche Hand mit dem Behördenbedarf da. Daneben stehen die privaten Bauherrn, die ihre Geschäftspaläste, ihre Kinos, ihre Restaurants usw. schnellstens erstellen wollen, weil sie ja Geschäfte machen wollen. Daneben humpelt dann der private Bauherr, der Wohnungen bauen will und mit allerhand Hürden zu rechnen hat, sowie der soziale Wohnungsbau. Wir erleben doch jetzt bereits ein liebliches Wettrennen auf diesem Gebiet, sowohl um die Arbeitskräfte als auch um das Material, ganz abgesehen von dem Geld. Hier muß sehr schnell mit starker Hand ordnend eingegriffen werden. Bei der Aversion gegen das Wort ,,Planwirtschaft" will ich es hier absichtlich vermeiden. Aber ich glaube, alle Fachleute sind sich darüber klar, daß hier Ordnung geschaffen und eine Stelle errichtet werden muß, bei der alle diese Aufgaben zu koordinieren sind. Wenn das nicht schnellstens geschieht, sehe ich für den sozialen Wohnungsbau im kommenden Jahr ziemlich düster. Vielleicht erfreut den Herrn Bundeswirtschaftsminister Erhard diese Situation. Er hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, und sie ist vielleicht ganz nach seinem Herzen. Denn seine Leitmotive sind ja: Freies Spiel der Kräfte, das Gesunde und Starke wird sich durchsetzen. Ich bedaure nur, nicht sagen zu können, daß der soziale Wohnungsbau der stärkste Teil in diesem ganzen Spiel ist. Deswegen befürchte ich, daß er dabei unter den Schlitten kommen wird.
({7})
- Ich komme sofort zum Schluß.
Ich glaube also, hier liegt Material für eine ganze Reihe wichtiger und dringlicher Interpellationen vor, die an die Regierung zu richten wären. Die vorliegende Interpellation wünscht größere Wohnungen, stärkere Betonung des Eigentums in der Form der Eigenwohnung, des Eigenheims, der Kleinsiedlung. Wer von uns wünscht das nicht? Ganz unbestreitbar ist das Eigenheim, Glas eigene Haus und der Garten die ideale Form des Wohnens. Wie stark dieser Wunsch in der Bevölkerung verankert ist, das sehen wir an dem starken Zuwachs der Tätigkeit der Bausparkassen. Das kommt auch in dem Gesetz zum Ausdruck, das jetzt dem Bundestag vorliegt, nämlich in dem Gesetz, das die Eigentumsverhältnisse an der einzelnen Wohnung sichern soll. Wir wollen uns darüber klar sein, wer solche Wohnform anstrebt, nimmt damit auch erhöhte Opfer in Kauf, sei es in der Form der höheren Eigenleistung, sei es in der Form der höheren Eigenkapitalerbringung. Angesichts der riesenhaften Not, die wir um des sozialen Friedens willen beseitigen müssen - dessen Erhaltung nicht der unwichtigste Beitrag der Verteidigung ist, den wir leisten können -, ist es leider nicht möglich, diese Form des Eigentums in noch größerem Maße durch die Zuteilung öffentlicher Mittel zu begünstigen. Eine Benachteiligung dieser Wohnform in der Zuteilung der Mittel ist selbstverständlich abzulehnen. Ebenso ist zu unterbinden - hier sind wir mit den Interpellanten völlig einig daß mit.. öffentlichen Mitteln Wohnungen gefördert werden, die kleiner sind, als in dem ersten Wohnungsbaugesetz vorgesehen ist. Auch wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie für größere Wohnungen für kinderreiche Familien auch die dafür erforderlichen zusätzlichen Mittel bereitstellt.
Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Sofort! - Der Begriff „familiengerechte Wohnungen" ist neu, und er scheint mir nicht sehr glücklich zu sein. Ein Ehepaar und ein Kleinkind sind eine Familie, und eine 11/2 oder 2-Zimmer-Wohnung für eine solche Familie dürfte in der Regel als ausreichend bezeichnet werden. Vielleicht kommt jetzt der Einwand: Ja, wenn in dieser Wohnung die einzelnen Räume groß genug sind!
({0})
Ich bitte Sie, nun
endlich zum Schluß zu kommen.
Ja. - Dann bitte ich, aber auch zu bedenken: Größere Wohnungen bedeuten höhere Mieten. Sie selbst haben in Ihren Aus({0})
Führungen gesagt, Herr Kollege Lücke, daß heute
schon die Sätze, die im Ersten Wohnungsbaugesetz
vorgesehen sind, für viele kaum noch tragbar sind.
Ich will also unseren Standpunkt kurz zusammenfassen. Der soziale Wohnungsbau muß Aufgabe Nr. 1 bleiben. Unser festes Ziel muß sein, mindestens das gleiche, wenn möglich, mehr als im Jahre 1950 zu erreichen. Kleinere Wohnungen, als im ersten Wohnungsbaugesetz vorgesehen, dürfen mit öffentlichen Mitteln nicht finanziert werden. Größere Wohnungen für kinderreiche Familien bedürfen der zusätzlichen Mittel. Die Wohnform in Eigentum darf nicht behindert werden.
Meine Damen und Herren! In welcher Form wir bauen, in welcher Art sowohl als auch in welcher Rechtsform, scheint uns nicht das Wesentliche zu sein. Es wird auch örtlich und bezirklich stets verschieden sein, wie es auch in der Vergangenheit war. Wichtig scheint uns, daß Wohnungen gebaut werden, und zwar ausreichend solide, genügend große und so viele wie nur irgend möglich, und zwar immer möglichst mehr als im Jahre zuvor. Wenn wir das erreichen, dann bedeutet das nichts anderes als die ordentliche Durchführung des ersten Wohnungsbaugesetzes, das wir in so seltener Einmütigkeit beschlossen haben.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Die Interpellation der CDU und der Antrag dazu kommen aus den Erfahrungen des jetzt ablaufenden Baujahres. Diese Erfahrungen sind tatsächlich so, wie sie in dem Antrag und der Interpellation ihren Niederschlag gefunden haben. Aber ich glaube, daß noch ein geradezu aktueller Anlaß besteht, darauf hinzuweisen, daß sich tatsächlich eine Entwicklung anzubahnen scheint, die dahingeht, die Raumgrößen und damit die Wohnungsgrößen zu vermindern, um auf diese Weise zu möglichst billigen - ja, das sagt man irrtümlich - Baukosten zu kommen. In Wirklichkeit sind das erhöhte Baukosten. Wir haben als Mitglieder des Ausschusses des Bundestages vom Ministerium eine Mappe erhalten, in der eine Reihe von Beispielen mit Zeichnungen, mit Kostenberechnungen aus einer Reihe von Städten angegeben sind. Wenn ich mir diese Mappe ansehe und feststelle, daß bei diesen ganzen Beispielen nur zwei Städte verzeichnet sind, die bei ihren Wohnungstypen Wohnungen über 50 qm haben, dann ist das doch sehr bezeichnend.
({0})
Der allergrößte Teil liegt unter 50 qm. Bei den Musterbeispielen von Nordrhein-Westfalen, die ja als Muster für die „Besatzungs- oder Kasernenverdrängten" gelten sollen, sind bei 17 Wohnungstypen überhaupt nur 2 mit über 50 qm Wohnfläche.
({1}) Das Bild wird Ihnen sofort klar, wenn Sie dann in dieser Fülle von Wohnungstypen feststellen, daß die Größen der elterlichen Schlafzimmer sich zwischen 10,8 und 13,2 qm bewegen. Meine Damen und Herren, wenn man auf diese Weise eine Verbilligung des Wohnungsbaus erzielen will, dann ist Glas, glaube ich, der falsche Weg. Ich glaube, daß
wir dringendst darauf sehen müßten, nun bei der
nächstjährigen Zuteilung der Bundesmittel an die Länder zu verlangen, daß die Wohnungsgrößen des Bundeswohnungsbaugesetzes nicht unterschritten werden. Man kann da auch nicht mit einem neuen Begriff kommen, der sagt: Schlichtwohnungen. Das ist nach meinem Dafürhalten nicht möglich, denn man wird j a - das hat die Praxis auch schon bewiesen - kaum private oder genossenschaftliche Bauträger finden, die das ungeheure Risiko eingehen werden, das damit verbunden ist.
Meine Damen und Herren, woher kommt denn aber diese kolossale Diskrepanz in den Auffassungen? Woher kommt es, daß man jetzt beim Neubau auf diese Verminderung der Wohnungsgrößen kommen will? - Hätten wir in diesem Jahre den größeren Teil der Wohnungsbaumittel insgesamt mehr für den Wiederaufbau und weniger für den Neubau verwandt, dann wären automatisch dadurch, daß ja die Grundrisse im großen und ganzen bereits gegeben sind, beim Wiederaufbau größere Wohnungen geschaffen worden. Ich fürchte, wenn ich mir das Programm der Länder für das nächste Jahr ansehe, daß man da auch den Wiederaufbau zu sehr zugunsten eines Neubaus vernachlässigt. Wenn ich sage „Neubau", dann meine ich damit die mehrgeschossige Bauweise und nicht etwa die Eigenheime und Kleinsiedlungen.
({2})
Wie die Länderauffassungen da durcheinander gehen, ist geradezu interessant festzustellen aus der Aufstellung des Wohnungsbauprogramms. Während Bayern beispielsweise 42 000 Wohnungen im Wiederaufbau bauen will und nur 8 000 Neubauwohnungen, ist es bei Württemberg-Baden geradezu umgekehrt. Hier will man nur 8 000 Wiederaufbauten gegen 22 000 Neubauten machen. Das liegt zum Teil ja auch daran, daß in diesem Jahre die Wohnungsbaumittel zu sehr an die größeren Wohnungsbauunternehmen gegeben worden sind und daß dann diese Wohnungsbauunternehmen mit einem großen Programm zu den Kapitalsammelstellen hinkamen. Sie bekamen dann viel leichter als die privaten Leute, die j a in erster Linie den Wiederaufbau machen, ihre erststellige Beleihung, und dann konnten sie bauen.
({3})
So haben Sie in sehr vielen Städten der Bundesrepublik das Bild, daß in dem zerstörten Stadtkern fast nichts - mit Ausnahme der eingeschossigen Ladenbauten - gemacht worden ist, und daß die Neubauten sich mehrgeschossig im Kranz um diesen zerstörten Stadtkern herum ziehen.
({4})
Man überlegt nicht, daß Gas, Strom, Wasser ja
durch die zerstörten Straßen hindurchlaufen müssen bis draußen hin, wo sie abgenommen werden.
Meine Damen und Herren! Wir werden einen Teil des durch den Antrag Gewünschten automatisch erreichen, wenn wir die Aufbaumittel mehr für den Wiederaufbau einsetzen.
Zu dem Antrag der KPD ist lediglich zu sagen, daß er praktisch gar nicht durchzuführen ist. Sehen Sie bitte die Spezialprogramme an: in NordrheinWestfalen Arbeiterwohnungen, Stahlarbeiterwohnungen, die von vornherein nur für einen bestimmten Personenkreis vorgesehen sind. Wenn wir das annehmen wollten, dann würden wir - wie Herr Kollege Stierle mit Recht gesagt hat - eine große Finanzierungslücke haben, die gar nicht
({5})
zu schließen ist. Wir werden diesen Antrag ablehnen; wir werden den Antrag der CDU CSU annehmen und werden auch den Antrag des Zentrums annehmen.
({6})
Zu dem Problem der Beschlagnahme deutscher Wohnungen: Wir müssen unter allen Umständen dafür sorgen, daß die Leute, die seit 1945 aus ihren Wohnungen herausgeflogen sind, bevorzugt berücksichtigt werden. Es ist nicht länger vertretbar, daß diese Leute nicht wieder in ihre Wohnungen hineinkommen. Leider muß damit gerechnet werden, daß es nicht schnell geschieht; diese Hoffnung ist ja allmählich entschwunden.
Nur einen Satz will ich noch zu dem Besatzungswohnungsbau sagen Ich unterstreiche das, was der Kollege Lücke gesagt hat; aber es ist doch sowohl vom Standpunkt der Sicherheit wie vom Standpunkt des Zusammenarbeitens auf internationaler Basis wie auch vom sozialen und wirtschaftlichen Standpunkt aus ein Unfug, daß für eine belgische Division, die in den Raum Köln-Aachen gelegt werden soll, nicht weniger als 2 000 Wohnungen vorgesehen sind. Ich glaube, daß diese Division genau so wertvoll ist, wenn sie in Belgien liegt. Denn wahrscheinlich ist sie doch motorisiert, und in Belgien sind die erforderlichen Wohnungen höchstwahrscheinlich vorhanden. Man sollte uns nicht zwingen, für diese 2 000 Wohnungen 100 Millionen DM aufzubringen, wofür wir nicht 2 000, sondern 10 000 Wohnungen bauen können.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Sinn der Interpellation der CDU/CSU ist, zu zeigen, daß wir entschlossen sind, in einer Zeit der allgemeinen Notlage, in der die finanziellen Fragen als die entscheidenden zu erscheinen drohen, an unserem Anliegen programmatisch festzuhalten, und nicht um finanzieller Gründe willen von ihm abzugehen. Wir wünschen, daß dieses Anliegen in seinem ganzen Ernst gesehen wird. Gerade als Frau begrüße ich es, daß ich Gelegenheit habe, dazu ein paar ganz kurze Bemerkungen zu machen.
Es ist vorhin gesagt worden, der Ausdruck „familiengerechte Wohnungen" sei nicht glücklich gewählt. Wir haben den Ausdruck absichtlich gewählt, weil wir das Programm damit ausdrücken wollen, weil wir sagen wollen, daß wir auch in der Notlage an dem Prinzip festhalten, Wohnungen zu bauen, die den Bedürfnissen der Familie gerecht werden. Wir tun das, weil wir ganz genau sehen, daß allein durch die Familie und über die Familie die große Frage der Jugendnot, die in ihrer Schwere fast unüberwindlich scheint, gelöst werden kann.
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Es nützt auf die Dauer nichts, große Jugendwerke zu proklamieren, Millionen für Jugendgesetzgebungen auszuwerfen, wenn man nicht die Familie als letzte Heimstätte für die Jugend wieder neu schafft und wenn man nicht die letzten Kräfte neu belebt, die die Jugend zur Genesung führen sollen.
Meine Herren und Damen! Ich habe mit Interesse den Ausführungen des Herrn Kollegen
Paul von der KPD zugehört. Ich stelle fest, daß er Wohnungen für solche bauen will, die nicht im Besitz ihrer Körperkräfte sind, daß er in erster Linie für solche bauen will, die alles verloren haben, für Kriegsbeschädigte, Heimkehrer und alte Leute. Ich stelle fest, daß der Leiter des Hauptwohnungsamtes in Berlin am 6. Dezember mitgeteilt hat: volkseigene Wohnungen in der StalinAllee kommen ausschließlich für Aktivisten der volkseigenen Betriebe
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sowie für die Arbeiter unserer Verwaltung
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in Frage. Ich stelle ferner fest, daß derselbe Leiter gesagt hat, auch weitere Wohnungen sollten Aktivisten, Arbeitern und Angestellten sowie Intelligenzlern zugewiesen werden, also in erster Linie werktätigen Menschen, die am Aufbau tätig sind.
Ich rate Herrn Paul, entweder im Osten zu versuchen, seine Gesichtspunkte durchzubringen, oder aber nicht hier den Mitleidigen für Bedürftige und Heimkehrer zu spielen und gleichzeitig für die Ostzone das Privileg der Aktivisten zu proklamieren.
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Im Anschluß an diese Dinge ein paar ernste Bemerkungen. Das Wohnbauprogramm der Ostzone sieht für 1950 21 000 Wohnungen im Wiederaufbau und Neubau vor.
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Für dieses „Riesenprogramm" sollen 147 Millionen Ostmark aufgewendet werden.
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Man kann sich dort mit diesem Wohnungsprogramm begnügen, weil man die Wohnungsnot in der Ostzone anders beheben will. Im Gesetz zum Schutze von Mutter und Kind ist nämlich festgelegt, daß im Rahmen dieses Gesetzes in den nächsten Jahren erbaut werden sollen: Kinderheime für Kleinkinder mit 60 000 Plätzen, Kinderkrippen mit 40 000 Plätzen und weitere Kinderheime für größere Kinder, in denen jede werktätige Mutter ihr Kind auf Staatskosten unterbringen und erziehen lassen kann.
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Sehen Sie, meine Herren und Damen, das ist der Weg, der beschritten werden muß, wenn man nicht die Wohnungsansprüche der Familie befriedigt.
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Wir kommen dann eben dahin, daß der Staat die Kinder beschlagnahmt;
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und wo der Staat die Kinder an sich zieht, da braucht man allerdings nicht mehr familiengerecht zu bauen.
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Meine Herren und Damen, für uns ist eine Wohnung dann familiengerecht, wenn in ihr die Familie wachsen und leben kann, und für das Leben der Familie verlangen wir Raum und keine Hucklöcher, in denen ein Leben einfach nicht möglich ist. Wir verlangen um der Gesundung unserer Jugend willen eine Regelung der Kinderschlafzimmer, die vor allen Dingen eine frühzeitige Trennung der Geschlechter ermöglicht.
Von sozialdemokratischer Seite ist darauf hingewiesen worden, daß Wohnblocks auch von der
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CDU nicht abgelehnt werden können. Das tun wir auch nicht. Wir sind keine romantischen Phantasten. Wir sehen sehr gut, daß Massennot auch Massenlösungen verlangt. Wir wenden uns nur dagegen, daß diese Wohnungen der Weisheit letzter Schluß oder eine ideale Lösung darstellen sollen. Gerade in einem Augenblick, wo Millionen heimatlos und wurzellos gewordener Menschen hier in den Westzonen leben, müssen wir das Anliegen aussprechen, diesen Menschen wieder zu Eigentum und zu einem persönlich gestalteten Leben zu verhelfen. Das ist der Grund, warum wir das Anliegen der Eigenwohnungen in aller Deutlichkeit herausstellen. Wir sind nicht gewillt, von dieser Forderung abzugehen, weil wir sehr wohl wissen, daß das ethisch Richtige auf die Dauer auch das politisch Richtige ist, und weil wir genau sehen, daß familiengerechte Wohnung, Eigenheim und Kleinsiedlung Werte sind, für die es zu leben lohnt. Sie gehören mit zur Stärkung des Lebenswillens und der Einsatzbereitschaft, ohne die auf die Dauer unser Volk und unser Staat keine Zukunft haben werden.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Meine Damen und Herren! Die Besprechung der Interpellation und der verschiedenen Anträge hat sich zu einer großen Debatte über fast alle Probleme des Wohnungsbaues ausgewachsen. Im Augenblick möchte ich aber nicht auf die allgemeinen Probleme eingehen. Die vorgeschrittene Zeit würde es kaum erlauben, die ganze Problematik des Wohnungsbaues vor allem im Jahre 1951 sorgfältig durchzusprechen oder zu durchdenken. Ich möchte nur eine Außerung des Kollegen Stierle zurückweisen. Ich weiß nicht, ob ich richtig verstanden habe; aber mir schien, als habe er gesagt, mein Kollege Minister Erhard freue sich über Schwierigkeiten, die im Wohnungsbau aufgetreten sind. Das tut Kollege Erhard ganz sicher nicht.
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Vielleicht habe ich ihn aber mißverstanden, dann war meine Bemerkung unnötig.
Was die Bevorzugung von Eigenheimen und Kleinsiedlungen anbetrifft, so dürfen Sie überzeugt sein, daß mir diese außerordentlich am Herzen liegt. Ich rühme mich nämlich, einer der Erfinder der sogenannten Stadtrandsiedlung zu sein, aus der die Idee im Jahre 1931/32 entstanden ist. Daraus ist dann später die vorstädtische Kleinsiedlung geworden, und man hat es mit einem Gehege von Paragraphen nicht verhindern können, daß sich der dringende Wunsch nach einem Eigenheim durchsetzte. Das ist ganz sicher wohl die idealste Siedlungsform, sei es als Einfamilien-, sei es als Reihenhaus. Dabei müssen wir uns darüber klar werden, daß die Kosten für eine solche Wohnung nicht größer zu sein brauchen als die einer Stockwerkswohnung, jedenfalls nicht viel größer. Bei der lockeren Bauweise werden aber die Aufschließungskosten - Gas, Wasser, Elektrizität, Entwässerung - und werden auch die Kosten der Verkehrsmittel zu Lasten der Gemeinden erheblich größer.
Dabei liegen die Verhältnisse in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Infolgedessen halte ich es nicht für möglich, vom Bund aus bestimmte
Baumittelquoten zur Verwendung für Eigenheime vorzuschreiben; denken Sie an einen Stadtstaat wie Hamburg oder an ländliche Verhältnisse, wie sie in meiner Heimat Württemberg-Hohenzollern gegeben sind, wo das Eigenheim sehr stark überwiegt, während in der Großstadt, jedenfalls zunächst, die Stockwerkswohnung vorherrschen muß.
Im übrigen ist das Ergebnis des Wohnungsbaues des letzten Jahres in diesem Sinne noch gar nicht so schlimm. Zu meiner eigenen Überraschung entfallen auf jedes neu gerichtete Wohngebäude im Jahre 1950 nur 2,2 Wohnungen. Ob sich die Zahl nach Abschluß der Statistik und Eingang der letzten Berichte der Länder noch verschiebt, weiß ich nicht. Ich würde sie aber im Sinne der Interpellation für ein sehr gutes Ergebnis halten.
Nun sind im Jahre 1950 nicht überall in den Ländern die Wohnungsgrößen des Wohnungsbaugesetzes eingehalten worden. Das lag an den Übergangsbestimmungen des § 29 des Ersten Wohnungsbaugesetzes; das lag auch daran, daß vieles, was im letzten Jahr gebaut wurde, im vorletzten Jahr geplant worden ist. Ich möchte annehmen, daß die kleineren Wohnungsgrößen im sozialen Wohnungsbau im nächsten Jahr wegfallen werden. Die normale Wohnungsgröße bis zu 65 qm wird an ihre Stelle treten. Es ist aber vorgesehen, daß bei Wohnungen für größere Familien - wie es bei Wiederaufbauwohnungen der Fall ist - die Wohnfläche bis 120 qm betragen kann. Damit ist, glaube ich, für die Länder ein ausreichender Spielraum gegeben, wobei immer die Grenze im finanziell Möglichen liegen wird.
Was Herr Kollege Lücke hervorgehoben hat, ist sehr richtig: Man kann das Problem der Wohnungen für Kinderreiche nicht nur auf Familien abstellen, die schon kinderreich sind, sondern man müßte es eigentlich auf Familien abstellen, die einmal kinderreich werden wollen. Da aber ein solcher Familienaufbau Jahre erfordert, können wir hoffen, daß wir in einigen Jahren etwas mehr tun können. Denn auch hier stoßen sich die Dinge hart im Raum. Größere Wohnungen erfordern höhere Baukosten und deshalb höhere öffentliche Mittel. Wenn ich bei gleichbleibenden öffentlichen Mitteln größere Wohnungen baue, dann kann ich nur weniger Wohnungen bauen. Dazu kommt ein weiteres Problem, nämlich das der höheren Mieten, die nun gerade wieder für die kinderreiche Familie sehr schwer erschwinglich, von ihr sehr schwer aufzubringen sind. Das führt dann logischerweise zu Mietzuschüssen für die kinderreichen Familien. Man wird wohl oder übel diesen Weg gehen müssen.
Einen breiten Raum in der Diskussion hat dann die Frage der Schlichtwohnung, die Frage des Ersatzes für Kasernenunterbringung eingenommen. Meine Herren, wenn ich eine solche Notlösung in bestimmten Fällen für nötig halte, so tue ich das nicht leichtfertig oder weil ich nichts davon verstehe, sondern einfach unter dem Zwang der Tatsachen. Wir müssen jetzt zunächst etwa 15 000 und dann etwa 75 000 Menschen, die bisher in Kasernen waren, möglichst schnell unterbringen. Ich habe es aufs schroffste abgelehnt, diese Unterbringung, wie sie schon angelaufen war, in Baracken durchzuführen. Baracken sind immer das Trostloseste, was es gibt. Ich habe mich aber damit einverstanden erklärt, daß der Herr Finanzminister die Höchstkosten einer solchen Wohnung mit 8 000 bis 8 500 Mark beziffert. Denn, meine Herren, auch die Einzelpläne XXIV und XXVII des Bundeshaushalts, aus denen diese Wohnungen finanziert werden müssen, sind nicht unerschöpflich.
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Nun kommen wir zu zwei weiteren Schwierigkeiten. Meine Damen und Herren, die Wohnungen in den umgebauten Kasernen sind keineswegs mustergültige und erstklassige Wohnungen. Das sagen die Leute immer bloß dann, wenn sie raus sollen. Diese Wohnungen haben nur einen Vorteil: sie sind außerordentlich billig; die Mieten liegen etwa bei 60 Pfennig pro Quadratmeter.
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Daß die Leute, die jetzt heraus müssen - es sind zum großen Teil DP's, aber es sind natürlich auch Vertriebene und andere Deutsche dabei -, nun sehr gern um denselben Mietzins eine größere und schönere Wohnung hätten, ist menschlich verständlich, aber praktisch nicht durchführbar.
Nun zu dem anderen Problem, meine Damen und Herren. Sie dürfen den Wohnungsstandard nicht nur am sozialen Wohnungsbau, sondern sie müssen ihn an der tatsächlichen Wohnungslage messen, d. h. daran, wie es für die Leute aussieht, die heute noch in Bunkern, in Kellern und Baracken hausen.
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Schließlich ist die Schlicht- oder Einfachstwohnung in dem Lande erfunden worden, das unter dem stärksten Druck finanzieller Art und unter der stärksten Notlage lebt, nämlich in Schleswig-Holstein, und sicher nicht aus Bosheit oder aus besonders ungeschicktem Anfassen des Wohnungsbauproblems. Diese Frage werden wir noch öfter zu erörtern haben. Ich möchte nur noch einmal feststellen: es handelt sich hier nicht darum, den sozialen Wohnungsbau durch Schlichtwohnungen, oder wie sie mal heißen sollen, zu ersetzen, sondern es handelt sich darum. in ganz bestimmten Notfällen von dem Standard des sozialen Wohnungsbaues abzuweichen. Ich werde aber gern den Wunsch des Hohen Hauses weitergeben, auch diese sehr rasch zu erstellenden Wohnungen wenn irgend möglich im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues halten.
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Nun zu dem Antrag des Zentrums über die für die Besatzung jetzt neu zu bauenden Wohnungen. Zunächst möchte ich das eine sagen: Mir und, ich glaube, auch dem Herrn Finanzminister sind in letzter Zeit keine Nachrichten zugegangen, daß neue Wohnungen beschlagnahmt worden sind. Sollte es der Fall sein, so wäre ich außerordentlich dankbar, wenn mir diese Fälle zur Kenntnis gebracht würden. Der Wunsch der Bundesregierung geht bedeutend weiter als der vorliegende Antrag. Er geht nämlich dahin, daß Neubeschlagnahmen grundsätzlich nicht stattfinden, sondern daß, wenn neuer Wohnungsbedarf der Besatzung entsteht, dieser nur durch Neubau gedeckt wird. Dabei möchte ich allerdings sagen, daß dieser Neubau in etwas verständigerem Umfang und in einer etwas verständigeren Art und Weise durchgeführt werden kann, als es geschehen ist.
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- Warum sollte ich es nicht vornehm ausdrücken? Ich kann aber das eine Beispiel anführen, das mir vorschwebt: In einer großen deutschen Stadt wird dadurch ein Druck ausgeübt, daß man sagt, ein beschlagnahmt gewesenes Krankenhaus, das vor kurzer Zeit freigegeben wurde, werde wieder beschlagnahmt, wenn nicht die und die Wohnungen in 34 Tagen stünden. Dazu will ich vorsichtig nur soviel sagen: Das ist zweifellos nicht zweckmäßig. Dieses Verfahren, von dem wir an vielen Stellen hören, ist durchaus geeignet, die ganze deutsche
Bauwirtschaft nicht nur zu Lasten des sozialen Wohnungsbaues, sondern auch zu Lasten der Besatzungsbauten vollkommen durcheinanderzubringen. Es besteht kein Zweifel, daß der von der Besatzung bisher beschlagnahmte Raum in gar keiner Weise entsprechend ausgenutzt ist,
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sondern daß hier aus Rücksichten, die man auf eigene, fernliegende Interessen nimmt und die man auf deutsche Belange nicht nehmen zu müssen glaubt, Wohnraum festgehalten wird, über den anderwärts sehr viel günstiger verfügt werden könnte. Ich hoffe aber, daß die Aufgabe unseres Kollegen Blank dazu führen wird, mit den Besatzungsmächten zu einer verständigeren Verteilung des beschlagnahmten Wohnraums und auch zu den notwendigen Kontrollen zu kommen - sie brauchen ja nicht von uns zu sein -, damit dieser Wohnraum wirklich ausgenützt wird. Des weiteren müssen wir zu einem gemeinsamen Vorgehen beim Bauen kommen.
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- Ich weiß nicht, ob man mich dort reinläßt.
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Zweifellos ist es eine Aufgabe dieses Hauses und der Presse, die Erörterung dieser Fragen in der öffentlichen Meinung nicht versanden zu lassen, sondern immer wieder auf diese Punkte hinzuweisen. Abgerundete Zahlen kann ich Ihnen geben: Es sind nach dem Stand vom Mai 1950 - ich glaube nicht, daß seitdem bedeutende Veränderungen nach oben oder unten eingetreten sind - in Deutschland 16 000 Einfamilienhäuser, 11 000 Wohngrundstücke und 14 000 Einzelzimmer beschlagnahmt, dazu noch 9000 unbebaute Grundstücke, etwa 4000 Grundstücke der öffentlichen Hand, 1900 Hotels, Kuranstalten und Gaststätten, 4000 sonstige Gewerbebetriebe und Krankenhäuser.
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Das ist, glaube ich, für das Ausmaß von Sicherheit, das wir im Augenblick genießen, etwas viel; aber ich hoffe, daß infolge der Besprechungen des Kollegen Blank da etwas andere Verhältnisse eintreten werden.
Die Zahl der Besatzungsverdrängten können wir nicht genau angeben. In einem ganz weiten Rahmen muß sie zwischen 300 000 und 500 000 liegen. Das ist immerhin eine sehr beachtliche Zahl.
Nun zu dem letzten Antrag, der gestellt worden ist und der auf § 22 Abs. 7 des Wohnungsgesetzes abzielt, nämlich eine ausreichende Anzahl von Wohnungen für Leute bereitzustellen, die das Eigenkapital nicht aufbringen können. Das ist im Wohnungsgesetz vorgesehen. Eine bestimmte Ziffer von Bundes wegen hier festzulegen, davon würde ich dringendst abraten. Die örtlichen Verhältnisse sind außerordentlich verschieden. Ich kann dazu folgende Zahlen nennen. Ein Teil der Länder stellt es auf die untere Bewilligungsbehörde ab und entscheidet von Fall zu Fall wie z. B. Hamburg, Niedersachsen oder Bayern. Ein Teil legt ziemlich feste Quoten fest: Bremen zwischen 50 und 70 %, Rheinland-Pfalz 50 %, Württemberg-Baden 50 %, Württemberg-Hohenzollern nur 30 %. Das hängt mit Wohngewohnheiten und mit der Struktur der Bevölkerung zusammen. Zentrale Reglementierung würde sich hier nicht bewähren. Ich darf auch darauf hinweisen, daß den Schwierigkeiten gerade für Kriegsbeschädigte, Vertriebene oder Lastenaus({10})
gleichsberechtigte, Eigenkapital aufzubringen, gesetzlich und praktisch schon Rechnung getragen ist. Der Kriegsbeschädigte kann seine Rente bis zu 10 Jahren bekanntlich kapitalisieren lassen, um damit seinen Beitrag für seine Wohnung zu leisten. Abgesehen von der im künftigen Lastenausgleich vorgesehenen Regelung, hat das Hauptamt für Soforthilfe erst in letzter Zeit 40 Millionen bewilligt, die als Eigenkapitalersatz für Lasten ausgleichsberechtigte dienen sollen.
Meine Damen und Herren! Ich bin für die heutige Erörterung sehr dankbar. Sie wird mir Anlaß geben, die Wünsche des Hohen Hauses in den Besprechungen und Auseinandersetzungen mit den Ländern zur Durchführung des neuen Wohnungsbauprogramms sehr nachdrücklich zu vertreten und sie unter äußerster Ausnutzung aller Möglichkeiten in die Tat umzusetzen, soweit eben die Geldmittel, die das alles erfordert, vorhanden sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß sich das gesamte Haus über den Punkt 2 unseres Antrages einig ist, daß im Rahmen der Sicherheitsmaßnahmen vorzunehmende Neubauten nach den Bestimmungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes durchgeführt werden müssen. Der Kollege Wirths hat an Hand der vorliegenden Pläne eingehend nachgewiesen, welche Bauten man dort zu erstellen versucht und wie man mit dem Ausdruck „Schlichtbauten" dort gewissermaßen Schindluder zu treiben versucht. Ich habe mir solche Pläne auch angesehen. Mir ist es unvorstellbar, daß man z. B. im Rahmen einer Etage eine Wohnung von zwei Räumen mit Badezimmer, eine von drei Räumen mit Badezimmer und eine von einem Raum mit Badezimmer erstellen will. Sowas nennt man „Schlichtwohnung", wo man drei Zugangsleitungen und dergleichen ziehen muß! Das sind kostenverteuernde Elemente.
Hierbei erhebt sich eine Frage, die auch in den Ausführungen der Kollegen Lücke, Reismann und Stierle angeschnitten worden ist und die den Zugang neuer Sicherheitstruppen betrifft. Wir reden soviel von Gleichberechtigung. Wenn man auch für Fragen der Wohnungsbeschaffung im Laufe der vergangenen Jahre und insbesondere dafür Verständnis hatte, daß die Besatzungsmächte hier gewisse Forderungen gestellt haben, so erhebt sich heute, wo man angeblich Sicherheitstruppen nach Deutschland bringen will, doch die Frage, ob es noch notwendig ist, daß diese mit Urahne, Großmutter, Mutter und Kind auftauchen
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und daß man dafür noch entsprechende Räume erstellen muß. Es ist eben gesagt worden, daß solche „Schlichtbauten", wenn sie im Rahmen des sozialen Wohnungbaues erstellt werden, kostenverteuernd wirken. Dann soll man diese Mehrkosten doch einmal daher holen, wo man nach den Vorlagen des Kollegen Lücke die verteuerten Wohnungen für die Besatzung bisher erstellt hat! Es scheint mir dringend notwendig zu sein, im Rahmen der Gleichberechtigung die Besatzungsmächte einmal darauf hinzuweisen, daß in diesem Punkte auch für sie eine Gleichberechtigung eintreten muß, d. h. daß sie keinen weiteren Raum in Anspruch nehmen können, als es der deutsche Bürger auch tun kann.
Wenn wir familiengerechte Wohnungen, den Bau von Eigenheimen und dergleichen gefordert haben, so möchte ich, wie der Kollege Wirth schon ganz richtig ausgeführt hat, aber auch betonen, daß damit der Wiederaufbau im Rahmen der Stadtplanung nicht zurückgesetzt werden soll.
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Das ist das Notwendigste! Wenn wir heute durch die Städte gehen, sehen wir den Stadtkern zerstört liegen, während am Rande der Stadt mehrgeschossige, drei-, vier- und noch mehrgeschossige Kasernenbauten entstanden sind, und darin wünschen wir unsere Leute, unsere Bevölkerung, nicht untergebracht zu sehen.
Der Herr Minister hat eben ausgeführt, die Städte hätten wenig Neigung, derartige Siedlungen zu erstellen, weil es eben kostenverteuernd wirkt. Ich glaube, daß dann unser Antrag gerade im richtigen Augenblick gekommen ist; denn im gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Städte die Auflage bekommen, sogenannte Leitpläne aufzustellen, die für die kommenden Jahrzehnte maßgeblich sein sollen. Ich habe durch Einblick in solche Leitpläne feststellen können. daß man bei den Städten wenig Neigung hat, weitgehend Siedlungen zu erstellen. Unser Antrag zielt darauf ab, dem Herrn Minister mehr Vollmachten zu geben, von denen er. gestützt auf das Gesetz. Gebrauch machen kann. Er sollte sie im gegenwärtigen Augenblick auch tatsächlich anwenden. damit die Gemeinden die vorgetragenen Notwendigkeiten berücksichtigen und den Wunsch des Bundestags in dieser Hinsicht respektieren.
Wohnungen müssen so gebaut werden, daß sie auch nach zehn oder zwanzig Jahren noch zu vermieten sind. Der Herr Kollege Stierle hat eben gesagt, daß sich hierbei kostenverteuernde Elemente zeigen. Er hat aber auch schon richtig zum Ausdruck gebracht. daß hier durch die Selbsthilfe wesentliche Abhilfe geschaffen werden kann. Ich weiß, daß sehr viele Menschen in Deutschland heute noch bereit sind, hier tätig Hand mit anzulegen, um sich ein solches Heim zu erstellen.
Die Schaffung von Wohnungen ist für uns Deutsche eben noch die größte Lebensfrage. Hier heißt es, wirtschaftlich voranzugehen; und dafür darf uns kein Preis zu hoch sein. Nur in einer gesunden, d. h. in einer geräumigen Wohnung kann eine Familie gedeihen und damit eine gesunde Keimzelle für einen gesunden Staat sich bilden. Dieses Ziel wollen wir mit unserem Antrag erreichen, und ich darf Sie bitten, unseren Antrag anzunehmen. Auch den Herrn Minister darf ich bitten, sich die Gedanken unseres Antrags zu eigen zu machen und danach zu verfahren.
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Meine Damen und Herren, die Fraktion der SPD hat ihre Redezeit konsumiert. Aber der Abgeordnete Hoecker, der dieser Fraktion angehört, hat sich zum Wort gemeldet und bittet, in einigen Minuten die besondere Situation der Besatzungsgeschädigten, der Besatzungsverdrängten kurz darlegen zu dürfen. Ist das Haus damit einverstanden, daß ich diese Redezeit zubillige?
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Der Abgeordnete Hoecker hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich bin Ihnen dankbar, daß Sie mir Gelegenheit geben, zu dem Antrag des Zentrums bezüglich der Beschlagnahme von Wohnraum durch die Besatzungsmächte einige Bemerkungen zu machen. Ich bin der Auffassung, daß in der durchaus interessanten Debatte über den sozialen Wohnungsbau,
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die hier stattgefunden hat, diese Frage eigentlich etwas zu kurz gekommen ist. Gerade die beschlagnahmten Wohnungen sind ein derartig wichtiges Objekt in der deutschen Volkswirtschaft und in der Wohnungswirtschaft, daß diese Frage auch hier einmal grundsätzlich geklärt werden müßte.
Ich habe zu dieser Frage folgendes zu erklären. Wir fordern, daß über die Frage der bis jetzt beschlagnahmten Wohnungen und Häuser und auch darüber, ob noch weitere Wohnungen für die Bedürfnisse der Besatzungsmächte beschlagnahmt werden sollen, mit den Besatzungsmächten nach der Richtung hin Klarheit geschaffen wird, daß diese Häuser endlich einmal freigegeben werden, bzw. eine weitere Beschlagnahme nicht erfolgt.
Seit dem verhängnisvollen Jahr 1945 sind in den drei westlichen Besatzungszonen etwa 31/2 Millionen Menschen aus ihren Wohnungen verdrängt worden, aus Wohnungen, die auf Grund jahrelangen Fleißes und Sparsamkeit in der Hauptsache von der minderbemittelten Bevölkerung errichtet worden sind. Damals ist diesen Leuten erklärt worden - und ich spreche da aus Erfahrung, weil ich aus einem Gebiet komme, in dem in ganz erheblichem Umfang Wohnungen von der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden sind -, daß diese Maßnahme nur eine vorübergehende sei. Diese Menschen sind aber bitter enttäuscht worden, und sie haben in den letzten Jahren schweres Leid ertragen. Nun müssen sie fast 6 Jahre nach der Beendigung des Krieges sehen, daß noch immer keine Möglichkeit zur Aufhebung der Beschlagnahme besteht. Ein erheblicher Teil dieses Bevölkerungskreises muß heute noch in Elendsquartieren das Dasein fristen.
Meine Damen und Herren, wir alle, die wir für eine Lösung dieser Frage im Namen des Rechts und der Menschlichkeit eintreten müßten, müssen deshalb an die Besatzungsmächte die Frage richten: Wie lange noch müssen die aus ihren Häusern und Wohnungen vertriebenen Menschen auf die Rückgabe ihres Privateigentums warten?
Meine Damen und Herren, die Besatzungsmächte haben das Grundgesetz anerkannt, das in seinen Artikeln 13 und 14 das Recht auf Privateigentum garantiert. Wir sind deshalb der Auffassung: wenn sich das Verhältnis zwischen Besatzungsmächten und deutscher Bevölkerung nicht weiter verschlechtern soll, müssen in den Verhandlungen über die Revision des Besatzungsstatuts die Artikel 13 und 14 für die Deutschen auch von den Besatzungsmächten respektiert werden.
Es wird in der jetzigen Zeit, und zwar mit Recht, sehr viel über die gemeinsame Verteidigung der Demokratie und der menschlichen Freiheiten geredet. Diese Verteidigung setzt aber die Gleichberechtigung aller voraus, die verteidigen sollen. Es kann nicht angehen, daß mehrere Millionen Menschen auf unabsehbare Zeit in bezug auf ihr Privateigentum in einem Ausnahmezustand bleiben. In den bekannten New Yorker Beschlüssen der Außenminister ist zwar festgelegt worden, daß in der Besatzungspolitik eine Wende eintreten solle, aus dem Besiegten von gestern solle ein gleichberechtigter Verhandlungspartner von morgen werden, die bisherige Strafbesetzung ist zu einer - na, wie soll ich sagen -- Garantiebesetzung geworden; aber in bezug auf die Gleichberechtigung nach dieser Richtung ist bis heute nichts geschehen. Ich komme zum Schluß gleich noch auf die Forderungen zu sprechen, die ich in dieser Hinsicht zu stellen habe.
Wie ich schon sagte, liegt seitens der New Yorker Außenministerkonferenz der alliierte Beschluß vor, daß der Kriegszustand mit der Deutschen Bundesrepublik in Kürze beendet werden soll. Sobald dieser Beschluß verwirklicht wird, haben die in Deutschland stationierten Streikräfte keine Besatzungsaufgaben mehr zu erfüllen, sondern stehen als Sicherungsdivisionen auf unserem Boden. Der veränderte Charakter der alliierten Streitkräfte schafft zugleich naturgemäß ein neues Verhältnis zwischen der deutschen Bevölkerung und den westlichen Armee- und Luftwaffeneinheiten. Aus der gemeinsamen Aufgabe, die in der militärischen und sozialen Sicherung Europas besteht, erwächst von selbst die Verpflichtung zu gegenseitiger Achtung und gegenseitigem Verständnis. Praktisch bedeutet dies: die militärischen Notwendigkeiten der Truppe und die zivilen Belange der deutschen Bevölkerung müssen aufeinander abgestimmt werden, wenn die fundamentalen Interessen beider Seiten berücksichtigt werden.
Wenn diese Besatzung also eine Schutzbesatzung ist, -
Kommen Sie bitte zum Schluß!
- jawohl! - dann muß auch nach der Richtung hin eine Änderung eintreten.
Meine Damen und Herren! Ich hätte Ihnen eine ganze Reihe von Beispielen vorzuführen, wie der beschlagnahmte Wohnraum bewirtschaftet wird. Ich habe hier Dutzende und Hunderte Fälle aus dem Regierungsbezirk Detmold, der sehr stark von der Beschlagnahme betroffen worden ist. Dort gibt es Dutzende von Häusern, die seit Monaten, seit Jahr und Tag leerstehen oder in denen ein einziger Mensch wohnt.
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Dutzende von Wohnungen stehen leer. Allein die Bewachungskosten machen pro Monat 450 bis 500 DM aus, ein Zustand, der nicht erträglich ist. Wenn die Besatzungsmächte diesen Wohnraum einmal vernünftiger bewirtschaften würden, wenn sie zusammenrücken würden, würde sich an den Besatzungskosten sehr viel sparen lassen, und dann wäre es möglich, aus diesen ersparten Besatzungskosten die Häuser für die Leute zu bauen, die nach unserer oder ihrer Auffassung unumgänglich noch in Deutschland sein müssen.
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Schluß. Aus allen diesen Beispielen fühle ich mich verpflichtet, namens meiner Fraktion die Bundesregierung zu ersuchen, bei den Hohen Kommissaren vorstellig zu werden, daß die Besatzungskosten sparsamer verwandt werden und die erzielten Ersparnisse dazu Verwendung finden, den benötigten Wohnraum aus diesen Ersparnissen zu decken. Im Interesse des Rechts und der Menschlichkeit muß diese Frage schnellstens zu einer vernünftigen, befriedigenden und gerechten Lösung für die nunmehr seit fast sechs Jahren evakuierten Menschen gebracht werden.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Meine Damen und Herren! Der Wohnungsbauminister hat auf die Schwierigkeiten der Finanzierung des kommenden Wohnungsprogramms hingewiesen. Aus seinen
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schriftlichen Materialien, die er den Mitgliedern des Wohnungsbauausschusses übergab, geht bereits die große Sorge hervor, daß die kommenden Wohnungsbauaufgaben nicht finanziell sichergestellt sind. Der Finanzminister hat bis heute noch keine Zusage von 500 Millionen DM für den kommenden Etat gegeben.
Die Materialknappheit nimmt zu, da Kasernen statt Wohnungen gebaut werden. Dieser Kasernenbau wird auf Grund der Politik, die die Bundesregierung betreibt, nicht abnehmen, sondern zunehmen.
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Die Frage des Wohnungsbaus ist von den übrigen politischen Fragen nicht zu trennen. Wenn man eine Politik betreibt, die auf die Verstärkung der Besatzungsmacht, auf die Remilitarisierung Deutschlands, auf die Ausnutzung unserer Wirtschaft zugunsten der amerikanischen Kriegsvorbereitungen hinausläuft, wenn man unser ganzes Leben den imperialistischen Zielsetzungen des amerikanischen Finanzkapitals unterstellt,
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dann wird sich das zum Schluß sehr katastrophal auch auf den Wohnungsbau auswirken.
Der Minister hat heute sehr schwach argumentiert. Er hat sehr vorsichtig gesprochen.
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Er hat sich aber zu den sogenannten Schlichtwohnungen bekannt, also zu einer den heute noch in unserem Gebiet stehenden Ley-Häusern ähnlichen Form oder vielleicht zu den Nissen-Hütten, die uns 1945 und 1946 so warm empfohlen wurden. Das glaubt man jetzt als Ausweg für die zahlreichen Beschlagnahmungen an Wohnungen gefunden zu haben.
Wir unterstützen den Antrag des Zentrums. Aber wir sind der Meinung, daß es nicht genügt, wenn die Bundesregierung bei den Hohen Kommissaren vorstellig wird, um sich und die Wohnungsbehörden bei weiteren Beschlagnahmungen und bei der jetzigen Feststellung, wieweit die beschlagnahmten Wohnungen besetzt sind, einzuschalten. Tatsache ist, daß weiter beschlagnahmt wird. Tatsache ist, daß weiter Tausende von Menschen ihre bisherigen Unterkünfte aufgeben müssen.
Ich sage in aller Deutlichkeit, die Politiker sind für diesen Zustand verantwortlich, die nach der Verstärkung der Besatzung gerufen haben, die in dieser Okkupationsmacht eine Garantiemacht sehen für einen Zustand, der für das deutsche Volk einfach untragbar ist. Man täte besser daran, diese Politik aufzugeben und auf der ganzen Linie eine Politik zu betreiben,
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die auf die Sicherstellung der Einheit Deutschlands und auf die Herbeiführung eines echten Friedenszustandes abzielt.
Einige Bemerkungen zu den Ausführungen der Abgeordneten der CDU!
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Viele deutsche Frauen im Bundesgebiet, vor allen Dingen aus dem werktätigen Volk, würden es begrüßen, wenn auch Mittel für den Bau zahlreicher Kinderkrippen und Kinderhorte bereitgestellt würden.
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Unsere Kinder laufen auf der Straße herum, da
die Mütter arbeiten müssen, mit dem Schlüssel um den Hals und verwahrlosen. Die Jugendkriminalität gerade unter den Kindern hat in den letzten Tagen -ich denke bloß an die Metalldiebstähle - sogar rapide zugenommen. Selbst einige Zeitungen von der CDU müssen das bestätigen.
({7})
Sie haben den Versuch unternommen, die Dinge so darzustellen, als wollten die Kommunisten oder die Sozialistische Einheitspartei in der Deutschen Demokratischen Republik die Familie auflösen. Ich möchte Ihnen empfehlen, das Gesetz zum Schutze von Mutter und Kind zu lesen, und zwar gründlich zu lesen.
({8})
Dann werden Sie feststellen, daß dort drüben in der Deutschen Demokratischen Republik alles getan wird, was in dieser Zeit menschenmöglich ist,
({9})
um die Familie zu entwickeln, um die Existenz der Familie sicherzustellen. Die Bautätigkeit in der Deutschen Demokratischen Republik übersteigt die Bautätigkeit hier,
({10})
weil dort wirklich Wohnungen für die Arbeiter, für die Werktätigen gebaut werden,
({11})
während hier Prunkpaläste gebaut werden, Ladenlokale, Schlemmerlokale für die besitzenden Leute,
({12})
Stören Sie den Redner nicht durch fortgesetze Zurufe; Sie werden ihn dadurch nicht belehren, sondern nur reizen, länger zu sprechen!
({0})
- - die sich im Rahmen der Erhardschen Wirtschaftsform und Wirtschaftspolitik bereichert haben. Das ist Ihre Politik, wie Sie sie hier betreiben. Gegen diese Politik laufen wir und läuft das ganze werktätige Volk Sturm.
({0})
Aber wir werden nicht nachlassen in diesem Kampf. Wir werden nicht nachlassen im Kampf auch um die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, um den Abzug der Besatzungsmächte und damit die Beseitigung der Besatzungskosten. Nur so kann unserem Volke in der Tat christlich und auch sozial geholfen werden.
({1})
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag Drucksache Nr. 1705; das ist der Antrag der Abgeordneten Lücke, Dr. von Brentano und Fraktion der CDU/CSU. Es ist kein Überweisungsantrag gestellt. Ich lasse über den Antrag selbst abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
({1})
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1539; das ist der Antrag des Zentrums betreffend Beschlagnahme von
({2})
Wohnungen durch die Besatzungsmächte, Punkt 7 der Tagesordnung. Auch hier ist kein Überweisungsantrag gestellt. Ich lasse über den Antrag des Zentrums abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 1552; das ist der Antrag der Fraktion der KPD betreffend Wohnraum des sozialen Wohnungsbaues, Punkt 8 der Tagesordnung. Auch hier ist kein Überweisungsantrag gestellt. Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Damit sind die Punkte 1, 7 und 8 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen für die schaffende, lernende und arbeitslose Jugend ({3}).
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am kommenden Montag soll hier im Plenarsaal vor den Vertretern der Jugend mit Ansprachen des Herrn Bundespräsidenten und des Herrn Bundeskanzlers das Hilfswerk der Regierung, das Deutsche Jugendwerk, feierlich verkündet werden. Was von diesem Plan bisher in die Öffentlichkeit gedrungen ist, läßt erkennen, daß ein großer Teil der Forderungen, die in dem Antrag Drucksache Nr. 1535 erhoben werden, mit der Verkündung verwirklicht werden: Wohnungsbau, Beschaffung von Eigenheimen, von Lehrwerkstätten und besondere Förderung der Begabten.
Ich beantrage deshalb, auch im Auftrage der Fraktionen der CDU/CSU, der DP und der FDP, heute diesen Punkt 2 von der Tagesordnung abzusetzen und die Beratung bis nach der Verkündung dieses Jugendwerkes zu vertagen. Ich glaube, dann kommen wir leichter und schneller zu einer Entscheidung.
({0})
Das Wort zu diesem Antrag hat der Herr Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Ich kann die sachliche Berechtigung des Antrags, diesen Punkt von der Tagesordnung deshalb abzusetzen, weil am kommenden Montag das Jugendwerk der Bundesregierung verkündet werden soll, nicht anerkennen. Viel eher bin ich der Meinung, daß gerade die Behandlung unseres Gesetzentwurfs eine zwingende Notwendigkeit deshalb ist, weil sie bis zu einem gewissen Grade in einem sachlichen Zusammenhang mit der Feier am Montag steht.
({0})
Bei einem einigermaßen gründlichen Studium dieser Gesetzesvorlage müssen Sie zu der Erkenntnis kommen, daß darin doch etwas ganz anderes geregelt werden soll als das, was hier am Montag stattfindet. Wir sind daher der Auffassung, daß der von der CDU gestellte Antrag abzulehnen ist und unser Gesetzentwurf zur Behandlung gestellt werden muß. Ich beantrage das deshalb.
({1})
Meine Damen und Herren, wir müssen abstimmen. Wer für Annahme des Antrages auf Absetzung dieses Punktes von der Tagesordnung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist mit Mehrheit beschlossen, Punkt 2 von der Tagesordnung abzusetzen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Fink und Genossen betreffend Vorlage eines Heilpraktikergesetzes und den von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurf zur Änderung des Heilpraktikergesetzes ({1}).
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, für den mündlichen Bericht 20 Minuten vorzusehen und im übrigen auf eine Aussprache zu verzichten.
({2})
Das Wort als Berichterstatter hat der Abgeordnete Pohle.
Pohle ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Präsident und die Mitglieder dieses Hohen Hauses gesund sind, dann haben sie am Tag tausenderlei Wünsche. Wenn sie aber einmal krank sind, haben sie nur einen einzigen Wunsch, nämlich möglichst schnell wieder gesund zu werden.
({4})
Zur Unterstützung der Natur in der Überwindung einer Krankheit gehören die Kräfte des Heilens, gehören die Heiler. Der Arzt ist uns vom Geburtshelfer an über den Kinderarzt bis zum Psychiater in allen Erscheinungsformen und Helferformen bekannt.
({5})
Herr Abgeordneter, darf ich fragen: Meinten Sie damit, daß alle Abgeordneten schon einen Psychiater in Anspruch zu nehmen hatten? Oder wollten Sie nur auf eigene Erfahrungen hinweisen?
({0})
Pohle ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident, man ist nie dagegen gefeit, einmal mit dem Psychiater Fühlung aufnehmen zu müssen.
({2})
Der Werdegang des Arztes ist festgelegt, die Prüfung und Niederlassung als Arzt sind geregelt. Was ärztliche Niederlassung bzw. Zulassung zur Tätigkeit bei den Krankenkassen betrifft, wird uns in einer neuen Regelung demnächst in diesem Hohen Hause beschäftigen.
Wenn der Arzt irrt, kann es lebensgefährlich für den Patienten werden.
({3})
Wenn er einen nachweisbaren Schaden stiftet, kann er zur Verantwortung gezogen werden.
Neben diesen approbierten Kräften des Heilens, deren nichtgesteuerte Vermehrung auf den Universitäten auch den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens mit großer Sorge erfüllt, gibt es die nichtstudierten und nichtapprobierten Kräfte, die Heilpraktiker. Mit diesen Heilpraktikern haben die Drucksachen Nrn. 796 und 935 und der Münd({4})
liche Bericht Drucksache Nr. 1503 zu tun. Seit dem Monat Mai beschäftigt sich der Ausschuß mit diesen Kräften des Heilens. Er hat die Frage studiert und diskutiert, wie man die unerhört große Variantenhaftigkeit dieses Problems auf einen gesetzlichen Nenner bringen kann. Der Ausschuß hat eine große Zahl von Sachverständigen gutachtlich gehört. Er hat sogar zum Schluß zwei sehr bekannte Tiefenpsychologen bemüht und nach einer Lösung bis zum eigenen Krankwerden gesucht.
({5})
Er kam nun zu guter Letzt zu dem Ausweg, die gesammelten Einzelsteine mit der Zustimmung des Plenums der Gesundheitsabteilung des Innenministeriums zuzusenden, damit dort aus diesen Einzelsteinen der Gesetzesbau zu diesem Problem gerichtet wurde, um ihn nach planvollen Verschönerungsarbeiten des Bundesrats zur letzten Krönungsarbeit wieder an uns gelangen zu lassen. Um Legendenbildungen vorzubeugen, möchte ich von vornherein betonen, daß im Ausschuß nur fünf Ärzte und Ärztinnen sechzehn Laien gegenüberstehen. Die Ärzte haben nur soweit Gewalt über uns, daß wir ihnen folgen, wenn sie uns bei einer Mandelentzündung einen Umschlag verschreiben und uns ins Bett schicken. Ansonsten haben wir ihre Darlegungen mit derselben kritischen Sonde vorurteilslos geprüft, genau so, wie wir kritisch und vorurteilslos die gutachtlichen Äußerungen der Heilpraktiker gehört haben. Wir haben im Ausschuß weder den Ärzten noch den Heilpraktikern besonders zu dienen. Unsere Arbeit dient der Volksgesundheit, und die Erhaltung bzw. die Verbesserung des Gesundheitszustands unseres Volkes ist ausschlaggebend bei der Entscheidung auch über die Heilpraktikerfrage.
Wie ist die gesetzliche Entwicklung auf dem Heilpraktikersektor? Die Gewerbeordnung vom Jahre 1869 ermöglichte die Kurierfreiheit. Am 17. Februar 1939 wurde ein Heilpraktikergesetz verkündet, das einen Ordnungsversuch mit der Absicht der Drosselung des Nachwuchses, der nur noch in Ausnahmefällen zur Heilpraktikertätigkeit zugelassen wurde, unternahm. Gleichgültig, ob Kurierfreiheit oder Heilpraktikerverbot mit der Absicht, nicht eine Vollspur- und eine Schmalspurmedizin nebeneinander laufen zu lassen, es würde trotzdem von Kräften, die sich dazu berufen, wenn auch nicht staatlich auserwählt fühlen, der Versuch der Heilung am kranken Menschen weiter unternommen werden. Das Risiko läßt sich in unserem Leben, gleichgültig auf welchem Sektor, nie ganz ausschalten. Das Risiko trägt der einzelne Staatsbürger, ob er sich im Krankheitsfall vom Arzt oder Heilpraktiker behandeln lassen will.
({6})
Bei der seelischen Bedingtheit vieler Krankheitserscheinungen unserer Zeit soll man den Kranken zum Heiler seines Vertrauens gehen lassen. Der Gesetzgeber hat die Frage zu untersuchen, was er verordnen kann, um die Möglichkeiten der Schadensverhütung auszuschöpfen. Der Ausschuß ist einmütig der Auffassung, daß das Gesetz von 1939 nicht mehr haltbar ist und fallen muß.
Darüber, ob die Kurierfreiheit an die Stelle des Heilpraktikergesetzes gesetzt werden soll, ist diskutiert worden, doch ist darüber nicht durch Abstimmung entschieden worden. Es hat sich doch die Meinung herausgeschält, daß man ohne eine gewisse Ordnung in den Heilpraktikerfragen nicht auskomme. Der Ausschuß will den strebsam sich bemühenden Kräften des Heilens nicht die Straße oder Strecke zum Helfen blockieren. Er will in seiner Mehrheit aber auch kein neues Privileg.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen also erstens, den Antrag Drucksache Nr. 796 betreffend Vorlage eines Heilpraktikergesetzes, welches das Gesetz von 1939 ablösen soll, anzunehmen; zweitens, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Heilpraktikergesetzes vom 17. Februar 1939 - Nr. 935 der Drucksachen - durch Annahme des ersten Antrags für erledigt zu erklären, wobei jedoch nicht eine Vorentscheidung über einzelne Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs getroffen werden soll, deren Verwendung in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung durchaus möglich erscheint.
Damit bitte ich Sie, dem Mündlichen Bericht, Drucksache Nr. 1503, Ihre Zustimmung zu geben. Als vorweihnachtliches Weihnachtsgeschenk meinerseits habe ich den Bericht sehr kurz gehalten.
({7})
Ein weiteres Weihnachtsgeschenk: ich habe mit den einzelnen Fraktionen bereits vereinbart, daß wir diesen Bericht ohne Debatte verabschieden wollen.
({8})
Einem so wohlgemeinten Zuspruch wird das Haus wohl nicht sein Gehör verweigern. Wenn schon der Berichterstatter sich als unser Weihnachtsmann präsentiert hat, können wir es bei uns selber auch tun.
({0})
Dann schlage ich vor, zur Abstimmung zu schreiten. Wer für die Annahme der Drucksache Nr. 1503 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig beschlossen.
Ich rufe die nächste Ziffer der Tagesordnung - Punkt 4 - auf:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Verhandlungen wegen einer Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die UN ({1}).
Der Herr Bundeskanzler ist nicht anwesend.
({2})
-- Vom Ältestenrat wurden für die Begründung 15 Minuten vorgeschlagen. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Wessel.
Frau Wessel ({3}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der im vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 1583 aufgezeigte Weg ist bereits in der außenpolitischen Debatte dieses Hohen Hauses am 18. November von mir als Sprecherin der Zentrums-Fraktion als ein Weg bezeichnet worden, der angesichts der weltpolitischen Spannungen von der Bundesregierung gegangen werden sollte. Das wäre ein sinnvoller deutscher Beitrag zur Sicherung des Weltfriedens. Inzwischen sind die Spannungen in der Welt, insbesondere durch den Fortgang des Koreakriegs, nicht geringer geworden und damit auch die Auseinandersetzungen um die Beteiligung Deutschlands an der Verteidigung Europas und seiner eigenen Verteidigung weitergegangen. Sie haben aber auch zu Vorschlägen geführt, die sowohl von der Bundesregierung wie von den politischen Parteien als eine für Deutschland unmögliche Verhand({4})
lungsgrundlage bezeichnet worden sind. Auch die gegenwärtige Konzeption der Atlantikpakt-Mächte zeigt nach wie vor die Einstellung, das deutsche Volk als Objekt, nicht aber als Subjekt in der Verteidigungslinie Deutschlands und Europas zu sehen. Vom deutschen Standpunkt aus gesehen - und auch mir als Sprecherin einer deutschen Partei - scheint es notwendig zu sein, von dieser Poistion aus die Möglichkeiten und Aussichten einer Einbeziehung Deutschlands in den Weltsicherheitsplan zur Erhaltung des Friedens zu prüfen und die Sicherheitsfrage von unserem eigenen Lande aus zu bewerten.
Deutschland liegt mitten in Europa, das vermutlich in absehbarer Zeit nicht durch den Europarat oder den Schumanplan politisch geeinigt werden wird. Damit ist die Aussicht für jene Konzeption, die von einer dritten Macht „Europa" ausgeht, immer geringer geworden. Das mag für viele eine bittere Enttäuschung sein, insbesondere für jene, die den Eintritt Deutschlands in den Europarat mit sehr vielen Hoffnungen begleitet und für eine Wende in der europäischen Einigungsbewegung gehalten haben. Vielleicht ist noch bitterer die Erkenntnis, daß die heutige schwache Position Europas hinsichtlich der fehlenden Übereinstimmung seiner politischen Auffassungen wie auch seiner militärischen Verteidigungsbereitschaft von Anfang an genährt wurde durch Fehler der Alliierten, insbesondere hinsichtlich ihrer Deutschlandpolitik. Dies scheint mir eine Erklärung für das psychologische Verhalten des deutschen Volkes zu seiner Einbeziehung in den Verteidigungsplan der Alliierten zu sein.
Meine Damen und Herren! Angesichts der Gefahren, von denen sich die westliche Welt von den Mächten des Ostens bedroht fühlt, bemüht man sich nun um den Aufbau einer militärischen Front, die auch im Politischen noch nicht vorhanden ist. Diejenigen also, die ihre militärische Position auf der dritten Kraft „Europa" aufbauen, übersehen dabei völlig, daß das in Nationalstaaten und Nationalländchen zerrissene Europa erst zu einer politischen Kraft gemacht werden muß. Hier erhebt sich nun doch die Frage, ob die Welt endgültig in zwei Teile gespalten bleiben muß und ob sich jeder Staat entweder der östlichen oder der westlichen Weltanschauung zu verschreiben hat. Wer diese Auffassung vertritt, muß sich darüber klar sein, daß eine solche Entwicklung nur in der politischen Kapitulation einer Seite oder in einem Krieg enden kann. Wer bei dieser Sachlage den „unvermeidlichen Krieg" als der Weisheit letzten Schluß betrachtet, muß sich auch darüber klar sein, daß diese Auseinandersetzungen dann in Europa und nicht zuletzt in Deutschland ausgetragen werden. Wenn erst einmal die Waffen zu sprechen beginnen, dann ist Europa ein einziges großes Schlachtfeld.
Deshalb sind auch von deutscher Seite aus jene Bemühungen der Westalliierten zu begrüßen, mit Rußland zu einer Viererkonferenz zu kommen und zu versuchen, die Weltspannungen auf dem Weg über Beratungen zu lösen.
Meine Damen und Herren! In dieser grundsätzlichen Situation gilt es auch die Position Deutschlands zu sehen. So sehr wir wünschen, daß beim etwaigen Zustandekommen von Verhandlungen der drei westlichen Staaten mit Rußland die deutsche Frage in ihrer vollen Bedeutung und Wichtigkeit für den Westen wie für den Osten gesehen werden möge, ebenso sollten wir unsere Aufgabe darin sehen, in ein System eingeordnet zu werden, dessen Bestand von Rußland nicht als ein gegen sich gerichteter Angriff bezeichnet werden kann. Solange ein Teil der europäischen Staaten glaubt, die Rettung Europas nur in der Stärkung der Atlantikfront sehen zu müssen, solange steht auf der anderen Seite der Kreml unter dem Eindruck einer ihn bedrohenden Einschließungsfront, die vom Atlantik bis Asien reicht.
({5})
Jedenfalls vertritt Moskau diese Auffassung - und ich muß sagen, nicht ohne Geschick - in seiner Friedenspropaganda, hinter der es ohne Zweifel -- das gestehe ich Ihnen gern zu - seine eigenen Expansionspläne zu tarnen versucht.
Auch die Lage Deutschlands aber, meine Damen und Herren, und die militärische Schwäche Europas sollten die Bundesregierung veranlassen, dem vorliegenden Antrag der Zentrums-Fraktion die gebührende Beachtung zu schenken. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner außenpolitischen Rede vom 8. November die militärische Stärke Rußlands dargelegt. Seine Ausführungen werden nun unterstützt in einem soeben erschienenen Buch des ehemaligen Generalobersten Guderian: „Kann Westeuropa verteidigt werden?" Guderian schreibt:
Die militärische Sinnlosigkeit liegt für jeden
Soldaten auf der Hand: auf russischer Seite
175 Divisionen, die im Kriegsfall auf 500 verstärkt werden können. Demgegenüber sind es
im Westen nach dem Stand vom Oktober 1950
12 Divisionen, die man in absehbarer Zeit
bestenfalls auf 20 vermehren kann. Damit
soll eine Verteidigungslinie am Rhein von
1000 km Länge gehalten werden. Von einer
Elbelinie kann überhaupt ernsthaft nicht die
Rede sein, weil sie zum größten Teil in den
Händen der Russen ist, vom Angreifer also
gar nicht überschritten werden muß.
Unter diesen Umständen hält Guderian einen deutschen Verteidigungsbeitrag für zwecklos, solange nicht die militärischen und politischen Voraussetzungen geschaffen werden, wozu er entsprechende Truppenverstärkungen der Alliierten, Einigung Europas und Freiheit und Gleichberechtigung für Westdeutschland zählt.
({6})
Angesichts dieser Sachlage sollte es auch die Alliierten nicht verwundern, wenn das deutsche Volk in seiner Verteidigungsbereitschaft zurückhaltend ist; und sicherlich wird ein nicht geringer Teil Deutscher sein, der der Auffassung Guderians zustimmt, wenn er sagt:
Die westdeutsche Bundesrepublik muß sich bezüglich ihrer äußeren Sicherheit ganz auf die Besatzungsmächte verlassen. Diese wollten es so und tragen damit auch allein die ganze Verantwortung für Westeuropa.
({7})
Nun hat die Art, wie man die Frage der deutschen Wiederbewaffnung aufs Tapet gebracht hat, und zwar nach rein militärischen Gesichtspunkten und ohne einen Hauch von psychologischer Rücksicht auf die Verfassung des deutschen Volkes, die ohnehin vorhandene Mißstimmung in weiten Volkskreisen noch verstärkt. Auch das Verhalten der französischen Regierung, die einer Beteiligung Deutschlands an einer Europaarmee nur unter Bedingungen zustimmen will, die für das deutsche
({8})
Volk unmöglich sind und als diskriminierend empfunden werden, hat diese Situation im deutschen Volke noch verschärft. Worauf es jetzt noch ankommt ist, dem deutschen Volke klarzumachen, daß nicht sinnlose Opfer von ihm verlangt und erwartet werden in einem militärischen Verteidigungszustand von Deutschland und Europa, wie er z. B. von Guderian dargelegt worden ist.
Die Perspektive, von der aus ein deutscher Sicherheitsbeitrag gesehen werden muß, ist meines Erachtens in den darüber geführten Debatten falsch gestellt worden.
({9})
Die Frage, vor der das deutsche Volk in der Bundesrepublik steht, lautet zunächst nicht, ob es für einen unvermeidlichen Krieg gerüstet werden soll, sondern ob es eine Aktion verstärken soll, die dazu bestimmt ist, einen Krieg zu verhindern,
({10}) und zwar dadurch, daß diese Aktion auf den Angriffslustigen abschreckend wirkt und ihm die Chance eines Sieges nimmt. Nur durch die Solidarität aller freien Völker und nur durch den echten Zusammenschluß aller, die Gemeinsames zu verteidigen haben, kann der Weltfriede noch gesichert werden. Für die Sicherung eines solchen Weltfriedens wird auch das deutsche Volk bereit sein, seinen Beitrag zu leisten, weil er ihm sinnvoll und auch notwendig erscheint.
({11})
In der gegenwärtigen Weltsituation und der Situation Deutschlands glauben meine politischen Freunde und ich, den Eintritt Deutschlands in die Vereinten Nationen als den Weg zu einem echten Sicherheitsbeitrag Deutschlands bezeichnen zu sollen. Aus der Forderung, daß Deutschland an der Sicherheitsbereitschaft der Welt teilnehmen soll, ergibt sich die Notwendigkeit und Möglichkeit, den Antrag auf Eintritt Deutschlands in die Vereinten Nationen zu stellen. Der Atlantikpakt ist nur ein Teilgebäude in dem Rahmen des weltumspannenden Bundes der Vereinten Nationen und scheint uns aus der dargelegten Situation Europas und zu seiner Sicherheit nicht ausreichend zu sein.
({12})
Sobald Deutschland die Möglichkeit eigener Außenpolitik durch die Einrichtung eines Außenministeriums hat, dürfte der Zeitpunkt gekommen sein, einen Antrag auf Aufnahme in die UNO zu stellen. Wie durch die Presse mitgeteilt wurde, ist Deutschland bereits im Ernährungsausschuß der UNO vollberechtigt vertreten, und gestern las ich in der Zeitung, daß auch von der Bundesregierung der Antrag gestellt worden ist, Deutschland vollberechtigt in die UNESCO aufzunehmen. Ich meine deswegen, daß hier wirklich ein Ansatzpunkt vorhanden ist, in der Debatte um den Sicherheitsbeitrag Deutschlands jetzt einen konstruktiven Weg zu gehen, indem wir unsere Aufnahme in die UNO beantragen.
Wer den so oft gerühmten und berühmten Pulsschlag des Volkes nur ein wenig fühlt, der weiß, daß jetzt alles darauf ankommt, die ungeheure Erregtheit und Nervosität des deutschen Volkes in der Frage der Wiederbewaffnung durch die Überzeugung zu bezwingen, daß diese Frage nicht zu einer Angelegenheit der Regierung und der Regierungsparteien gestempelt wird und eventuell durch Mehrheitsbeschlüsse in diesem Hause erledigt werden soll. Man würde einen verhängnisvollen Irrtum begehen, zu glauben, daß eine solche Schicksalsfrage für Deutschland auch gegen einen erheblichen Teil dieses Hohen Hauses entschieden werden könnte.
({13})
Dafür steht zuviel auf dem Spiel, auch hinsichtlich des Schicksals der 18 Millionen deutscher Menschen in der Ostzone, die wir doch bei unseren Überlegungen nicht vergessen dürfen. Was in dieser frage beschlossen wird, sollte möglichst die Unterschrift aller in diesem Hohen Hause tragen können.
({14})
In vielen Fragen, die uns hier beschäftigen, kann man durchaus verschiedener Meinung sein, aber auf keinen Fall darin, wie man in dieser, unser gemeinsames Schicksal betreffenden Frage vor dem Volke bestehen soll. Wir halten diese Angelegenheit für so wichtig, daß wir mit dem vorliegenden Antrag darum bemüht sind, eine gemeinsame Basis in diesem Hohen Hause zwischen Regierung und allen verantwortungsbewußten Parteien zu finden. Angesichts der weltpolitischen Entwicklung können wir die Entscheidungen, die auf uns zukommen, in ihrer ganzen Tragweite nicht ernst genug sehen. Sie benötigen eines Basis im Bundestag, die keinen Zweifel über die Meinung des deutschen Volkes zuläßt. Darum sollten auch juristische oder sonstige völkerrechtliche Bedenken, die von der einen oder anderen Seite in diesem Hohen Hause vielleicht gegen den Antrag der Zentrumspartei erhoben werden, um des gemeinsamen Bemühens willen in diesem Augenblick zurückgestellt werden. Meine politischen Freunde und ich sind auch durchaus damit einverstanden, daß unser Antrag zur weiteren Beratung dem Außenpolitischen Ausschuß überwiesen wird.
Den Besatzungsmächten, die vielleicht auf Grund des Besatzungsstatuts oder aus völkerrechtlichen Gründen oder aus technisch-politischen Fragen heraus ihre Bedenken anmelden, möchte ich sagen, daß Deutschland seine Pflicht gegenüber der Rettung und Erhaltung Europas und seiner Menschheitswerte keineswegs vergißt, daß man aber auch dem deutschen Volke in dieser Frage gerecht werden muß. Nur in völliger Gleichberechtigung und als ein Teil der Vereinten Nationen werden wir unseren Anteil an dem Schicksal der Welt tragen können.
Ich möchte mit dem Ausspruch schließen, den Lincoln mitten im Bürgerkrieg den schwankenden Kongreßmännern machte: „Meine Herren! Sie können der Geschichte nicht entgehen." Man sollte sich dieser politischen Weisheit eines Lincoln auch heute erinnern.
({15})
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat empfiehlt, ohne Debatte zu beschließen. Die Antragstellerin hat selber Überweisung an den Ausschuß für Auswärtige Angelegenheiten und für das Besatzungsstatut beantragt. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen drei Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 5a und b der Tagesordnung:
({0})
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Erhöhung von Unterstützungssätzen
({1});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend einmalige Winterbeihilfe ({2}).
Hier hat Ihnen der Ältestenrat 10 Minuten für die Einbringung der Anträge und 40 Minuten Gesamtaussprachezeit zu empfehlen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Harig.
Harig ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur wenige Sätze zu diesen unseren Anträgen. Es handelt sich bei diesen Anträgen um die Erhöhung der Unterstützung für die Arbeitslosen, und es handelt sich um die Erhöhung der Unterstützung für die Fürsorgeempfänger. Diese Anträge sind gestellt worden, weil die Preispolitik dieser Regierung sie notwendig gemacht hat. Es vergeht hier fast keine einzige Sitzung, in der nicht das Plenum zu der Preiserhöhung Stellung nimmt; es vergeht fast keine einzige Sitzung hier in diesem Hause, in der nicht irgendeine Fraktion zu den dauernden Preissteigerungen Stellung nimmt. Es vergeht aber auch fast keine einzige Sitzung, in der dann nicht von Regierungsseite die Frage der Preissteigerung bagatellisiert wird. Das halten wir nicht für richtig. Man sollte sich einmal draußen bei den Hausfrauen befragen, was sie von dieser Preissteigerung halten, die gerade in der letzten Zeit ungeheure Formen angenommen hat. Allein im Monat November sind die Preise für die Dinge des täglichen Bedarfs, für die Dinge, die der Arbeitslose nun einmal für seine Familie kaufen muß, damit er leben kann, die der Fürsorgeempfänger haben muß, wenn er nicht physisch zugrunde gehen will, um ca. 20 % gestiegen. In einem einzigen Monat! Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß in dem Monat November die Fleischpreise von 4,12 DM pro Kilo auf 4,80 DM pro Kilo gestiegen sind, die Preise für Schmalz von 3,20 auf 4,- DM. Ich habe in der Presse gelesen, daß in der Stadt Hamburg der Preis für Schmalz sogar auf 4,60 DM gestiegen ist. Dabei müssen wir doch sehen, daß gerade in dem Gebiet Hamburg eine große Anzahl von Arbeitslosen vorhanden ist. Ungeheuer sind auch die Preissteigerungen für alle anderen Dinge, die man braucht, urn leben zu können, ganz abgesehen von den Preissteigerungen für Textilien. Wenn man in den Winter hineingeht, weiß man doch, daß allerlei Anschaffungen zu machen sind. Auch der Arbeitslose und Fürsorgeempfänger kann auf die Dauer nicht ohne den Erwerb von einigen Textilien für seine Kinder, und sei es auch nur ein Paar Strümpfe, auskommen.
Dabei sehen wir, daß die Preissteigerungen noch lange nicht das Ende erreicht haben. Es wird schon wieder davon gesprochen, daß die Altbaumieten um 20 % erhöht werden. Es wird davon gesprochen, daß Gas und Strom teurer werden. Es wird davon gesprochen, daß Zucker teurer wird. Alle Dinge des täglichen Bedarfs werden teurer. Die Kohle- und Eisenpreiserhöhung, die in der vergangenen Woche hier beschlossen worden ist, wird ihre Auswirkungen auch auf die anderen Preise haben. Wir stehen da einer Preissteigerung
gegenüber, die zur physischen Vernichtung eines großen Teiles unseres Volkes und in erster Linie der Fürsorgeempfänger und der Arbeitslosenunterstützungsempfänger führt. Das müssen wir sehen.
Es besteht keine Aussicht auf eine Senkung der Preise. Im Gegenteil! Die Hauptgemeinschaft des Einzelhandels hat, wie ich neulich gelesen habe, bereits angekündigt, daß neue Preiserhöhungen zu erwarten seien. Der Präsident des Gesamtverbandes für den Groß- und Außenhandel hat erklärt, er sehe keine Möglichkeit, die steigenden Weltmarktpreise in den Handelsspannen aufzufangen. Das sind nette Aussichten für die Menschen mit kleinen Einkommen. Wenn man auf diesem Gebiet des öfteren mit der Erklärung kommt, die Korea-Krise sei daran schuld, dann darf ich vielleicht darauf hinweisen: Wenn durch die Korea-Krise die Preise jetzt schon so ungeheuer anziehen, was soll es denn erst bei der Fortsetzung der Politik hier in Europa und in der übrigen Welt geben, die zum Kriege führt? Was soll es denn da erst mit den Preisen geben?
Dabei kann man, wenn man mit offenen Augen durch die Straßen geht, nicht an dem Elend der Schulkinder, deren Eltern das Unglück haben, arbeitslos zu sein, oder die keinen Vater haben, vorbeisehen. Wenn man in einer Gegend wohnt, in der Arbeiter wohnen, dort zum Fenster hinausschaut und sieht, wie die Kinder morgens zur Schule gehen, wie sie bei dem Patschwetter der letzten Tage mit unzulänglichen Schuhen durch diesen Patsch waten und sich Krankheiten holen, dann tut einem das Herz im Leibe weh. Wenn man sieht, wie die Eltern sich Abend für Abend hinsetzen und aus alten Wolldecken - oder was weiß ich - irgendein Mäntelchen oder ein Kleidungsstück fabrizieren, damit die Kinder nicht frieren, dann tut einem das Herz im Leibe weh. An der Not dieses Teils unserer Bevölkerung dürfen wir nicht vorbeisehen. Dieses Elend ist hauptsächlich in den Gebieten groß, die von der Arbeitslosigkeit am meisten betroffen wurden. In der vergangenen Woche stand hier die Notlage im Gebiet des Bayerischen Waldes zur Debatte. Es ist dem Hause bekannt, daß ein ungeheuer großes Notlagegebiet im Raum Watenstedt-Salzgitter besteht. Das gleiche gilt für Hamburg und Wilhelmshaven, wo es viele Arbeitslose gibt. Die Arbeitslosenziffern steigen noch dauernd. Das Elend, das da erst kommen wird, muß man sich vorstellen. Hinzu kommt der große Kreis der Sozialrentner und der Fürsorgeempfänger. Wenn man an die alten Leute denkt, wenn man manchmal sieht, wie so ein altes Mütterchen mit einer zerrissenen Einkaufstasche irgendwo im Laden steht und ihre Pfennige zusammensucht, weil sie kaum noch soviel hat, daß sie sich das Konsumbrot erwerben kann, dann wird es einem ganz anders.
Wir können deshalb auch in diesem Hause nicht an den Anträgen vorbeigehen, die hier von unserer Fraktion gestellt worden sind. Gehen Sie hinaus in die Wohnungen der Arbeitslosen, gehen Sie hinaus in die Wohnungen der alten Leute, de mit kümmerlichen Renten ihr Leben fristen! Gehen Sie hinaus und sehen Sie sich das an! Ich will nicht darauf hinweisen, daß nicht alle Menschen Diätenempfänger sein können. Aber wir sollten von unserer Lage nicht auf die Lage derer schließen, die große Not leiden. Wenn wir eine andere Wirtschaftspolitik betrieben, wenn wir eine.
({4})
Wirtschaftspolitik betrieben, die darauf hinausliefe, daß wir alle Menschen beschäftigen könnten, wenn wir eine Wirtschaftspolitik betrieben, die darauf hinausliefe, daß auch der Ost-West-Handel in Fluß käme, dann hätten wir nicht diese ungeheuer große Anzahl von Arbeitslosen. Dann hätten wir auch nicht diese Elendszustände in den Gebieten an der sogenannten Grenze oder dem Eisernen Vorhang.
Ich bitte deshalb, daß das Haus unserem Antrag auf Erhöhung nicht nur der Arbeitslosenunterstützung, sondern auch der Fürsorgeunterstützung nachkommt. Diesem unserem Antrage kann sich nach meiner Meinung keiner verschließen. Es kann sich nach meiner Meinung keiner diesem unserem Antrage entgegenstellen, wenn er überhaupt noch einen Funken von sozialem Gefühl hat.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst etwas über die Auswirkungen des gestellten Antrages sagen. Dieser Antrag würde beispielsweise in der Arbeitlosenversicherung dazu führen, daß ein Mehraufwand von etwa 180 Millionen DM erforderlich wäre. Im ersten Halbjahr, also im Sommerhalbjahr dieses Jahres, hat die Arbeitslosenversicherung 280 Millionen DM für Arbeitslosenunterstützung aufwenden müssen. Da man annehmen muß, daß im Winter diese Aufwendungen etwas höher liegen werden, kann man sie wohl mit 320 Millionen DM ansetzen. Das wäre ein Gesamtaufwand von 600 Millionen DM. 30 % davon wären 180 Millionen DM Mehraufwand.
Da, wie auch der Herr Abgeordnete Harig sagte, dann automatisch auch eine Erhöhung der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung Platz greifen müßte ({0})
- Ja, Kurzarbeiter!
({1})
- Nein, es war eben in den Ausführungen von Herrn Abgeordneten Harig von der Arbeitslosenfürsorge die Rede.
({2})
- Doch, lesen Sie das Protokoll nach; dann werden Sie das feststellen. Es ist ja auch so, Sie können diese Dinge nicht voneinander trennen. Es ist klar, daß das zusammengehörige Dinge sind. Da haben wir folgende Situation: Im ersten Halbjahr dieses Jahres ein Aufwand von 425 Millionen DM. Würden wir auch hier im Winter etwas mehr ansetzen, kämen wir etwa auf einen Gesamtaufwand von 900 Millionen DM. Davon 30 %, ergibt einen Mehraufwand von 270 Millionen DM.
Ich glaube, es ist auch den Antragstellern bekannt, daß die Arbeitslosenversicherung wenigstens in dem größten Teil der Länder diese Mehrleistungen mit den vorhandenen Mitteln nicht erfüllen kann. Es müßte hier also praktisch eine Erhöhung der Beiträge eintreten, um diesen Mehraufwand leisten zu können. Bei den Mitteln für die Arbeitslosenfürsorge müßte der Antragsteller auch einmal verraten, woher diese 270 Millionen DM kommen sollen. Ich möchte nichts sagen über die sehr netten Deckungsvorschläge, die da gemacht werden und die zweifellos auch von den Antragstellern nicht ernst genommen werden.
({3})
Nun ist die Frage ernstlich zu prüfen: Was kann in bezug auf die Höhe der Arbeitslosenunterstützung, in bezug auf die Höhe der Arbeitslosenfürsorgeunterstützung geschehen? Diese Unterstützungen sind ja von der Höhe des Lohnes abhängig, so daß also auch laufend eine Korrektur entsprechend den Löhnen, die im Augenblick gezahlt werden, erfolgt. Schwierigkeiten entstehen bei den langfristig Arbeitslosen. Da ist es oft so, daß die Unterstützungen aus einem Verdienst früherer Jahre errechnet worden sind, was unter Umständen dazu geführt hat, daß eine niedrige Unterstützung gezahlt wird. Wir hatten Ende August dieses Jahres bei den vorhandenen Arbeitslosen 31,5 %, die länger als 12 Monate arbeitslos waren. Es müßten Überlegungen angestellt werden, wie hier eine Anpassung der Arbeitslosenfürsorge erfolgen kann.
Nun ist nochmals die Frage zu prüfen: Ist der Vorschlag der KP durchführbar, ist er vernünftig? - Schon immer galt es als ein fester Grundsatz, daß zwischen Unterstützung und Lohn eine bestimmte Spanne sein muß, eine Spanne, die verhütet, daß der Arbeitswille unterminiert wird. Nun schlagen Sie vor, eine 30 %ige Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung durchzuführen. Ich darf Sie darauf hinweisen, daß nach dem AVAVG die Unterstützungshöhe bis zu 80 % des Lohnes geht. Nach § 107, den Sie ja geändert haben wollen, beträgt die Höchstunterstützung bei Verdiensten bis 42 DM 80 %. Nehmen Sie dazu 30 % Zuschlag, wie Sie wollen, dann kämen wir zu dem Ergebnis, daß in diesen Fällen 104 % des Lohnes gezahlt werden könnten. Ob das vernünftig ist, das überlasse ich Ihrer Beurteilung. Bei den übrigen mit einem Verdienst von über 42 DM könnte es dazu führen, daß - dort ist die Begrenzung auf 70 % festgelegt - der Unterstützungssatz mit den 30 % bis zu 91% des verdienten Lohnes erreichte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, solche Vorschläge kann man nicht als ernsthaft bezeichnen. Wir sind jedenfalls der Auffassung, daß diese Vorschläge keine geeignete Grundlage für eine Reform sein können. Wir bitten daher, den Vorschlag, der in Drucksache Nr. 1434 enthalten ist, ablehnen zu wollen.
Bezüglich des Antrages Drucksache Nr. 1470 verweise ich nur darauf, daß diese Frage ja durch die Beschlüsse der 103. Sitzung vom 16. 11. 1950 erledigt wurde. Da haben wir uns über die Frage der Winterhilfe unterhalten und haben entsprechende Beschlüsse im Bundestag gefaßt. Ich bitte, auch diesen Antrag ablehnen zu wollen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Pohle.
Meine Damen und Herren! Ich habe mit großem Interesse die Ausführungen des Begründers des kommunistischen Antrags gehört und habe durchaus empfunden, daß manches von dem, was er von der sozialen Not gesagt hat, unterstrichen werden kann. Aber ich frage den Vertreter der kommunistischen Fraktion: Woher nimmt er den Mut, zu dieser Frage überhaupt Stellung zu nehmen?
({0})
({1})
Denn ich kann nicht verstehen, wie man auf der einen Seite eine Politik betreiben kann, die durch die sogenannte Anerkennung der Oder-NeißeGrenze als „Friedenslinie" unseren Arbeitslosen Hundertausende von Arbeitsplätzen vorenthält, und sich auf der anderen Seite hinstellen darf, um über die hohe Zahl der Arbeitslosen mitzureden.
({2})
Aber ein anderes. Am 29. Juli 1950 hat die Fraktion der SPD in diesem Hause einen Antrag betreffend Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung, der Arbeitslosenfürsorge, der Körperbeschädigten- und Hinterbliebenenversorgung, der Soforthilfe und der öffentlichen Fürsorge eingereicht. Dieser Antrag ist am 13. Oktober 1950 vom Plenum behandelt worden - die Begründung meines schwerkranken Freundes Fischer brauche ich hier nicht zu wiederholen - und nach einem „weisen" Beschluß der Regierungsmehrheit des Hauses der Bundesregierung als Material überwiesen worden. Ich gebe der angenehmen Erwartung Raum, daß diese gegen unseren Willen vorgenommene Überweisung nicht nur die Materialsammlung der Bundesregierung vergrößert hat.
Inzwischen sind acht Wochen vergangen. Auch der Sprecher der Regierungsparteien hat damals in der Debatte gesagt, daß es sich um Themen handle, die besprochen werden müssen.
Wir haben hier im Hause am gestrigen Tage anerkennenswerte Worte von dem Anfang der Wiedergutmachung des Unrechts der Währungsreform gehört. Es könnte einem bei diesem Überfluß sozialer Erkenntnis direkt weihnachtlich stimmungsvoll ums Herz werden. Am grünen Holze der Regierungsparteien erscheinen schon einzelne Triebe sozialer Erkenntnis. Ich habe in diesen Tagen ein kleines Büchlein unseres Kollegen Bodensteiner zur Hand genommen, das heißt: Der Weg in eine bessere Zukunft. Auf Seite 50 lese ich da die Worte:
Daß sozialer Ausgleich nicht gleichbedeutend ist mit Gleichmacherei, dafür bietet Schweden ein überzeugendes Beispiel. Dort gibt es zwar auch verschiedene Lebensniveaus, aber nicht den krassen Unterschied von Luxusklasse und Proletariat wie bei uns.
Und weiter, auf Seite 87 heißt es - ich zitiere die Worte mit Zustimmung des Herrn Präsidenten; sie erscheinen mir doch sehr beachtlich -:
Von Männern, welche die Arbeitslosen von heute als die Schwarzhändler von gestern, welche die ernsten Bemühungen, dem Notleidenden zu helfen, als soziale Tricks bezeichnen und denen, welche für die Ärmsten des Volkes eintreten, Verantwortungslosigkeit vorwerfen, ist wahrhaftig nicht zu erwarten, daß sie ihrer und ihrer Hintermänner Profitgier Zügel anlegen. Diese Herren kennen weder die physische Not der Arbeitslosen, noch die seelische Not und Verzweiflung all derer, denen die Hoffnung auf ein besseres Deutschland einst die Kraft zur Ertragung aller Verfolgungen gab. So wenig man das Abendland mit feierlichen Bekenntnissen rettet, so wenig wird man die Machthaber unserer Zeit mit Reden überzeugen. Nur die Tat wird uns freimachen.
Ich habe sehr lange über diese wundervollen Worte des Herrn Abgeordneten Bodensteiner nachdenken müssen. Ich bekam in diesen Tagen den Brief eines alten Rentnerehepaares, in dem die präzise Aufgabe gestellt wurde, ich möchte doch einmal den Widerspruch deuten, daß man, obwohl man nicht anders lebe als bisher, seit einigen Monaten schon am 20. des Monats seine Rente aufgebraucht habe. Ich habe mir vorgenommen, diesen Brief in der plenumfreien Woche zu beantworten, weil ich das sehr ausführlich tun wollte. Aber nachdem ich gestern die Ausführungen des Herrn Minister Erhard gehört habe, brauche ich einen solch langen Brief nicht mehr zu schreiben, sondern ich brauche diesem Rentnerehepaar nur mitzuteilen: Daran sind die Punkte schuld. Ich habe das zwar nicht ganz begriffen, was Herr Minister Erhard uns hier mit diesen Punkten darzulegen versucht hat. Vielleicht kann ich ihn mal um eine private Erläuterung bitten. Da würde er mir wohl antworten: Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!
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Aber ich habe im großen und ganzen die Feststellung zu treffen, daß diese Dinge mit den Punkten nicht aus der Welt zu schaffen sind. Tatsächlich haben wir in weiten Kreisen der Bevölkerung und insbesondere unter unseren Unterstützungsempfängern eine Härte der sozialen Verhältnisse zu verzeichnen, die irgendwie gelindert werden muß.
Wir wollen die Sache nicht nur wortebewegend im Plenum, sondern wir wollen sie prüfend und wägend mit den Vertretern der Bundesregierung im Ausschuß behandeln. Mir bangt um Ihren weihnachtlichen Frieden, wenn wir nicht wenigstens den Arbeitslosen die Hoffnung geben können: Das Parlament bemüht sich um eine Linderung dieser Notstände. Wir haben nicht die Absicht, uns unbedingt auf den kommunistischen Antrag zu stützen; aber da diese Materialsammlung von der Bundesregierung nicht wieder in das Plenum und in den Ausschuß zurückgekommen ist, werden wir dafür stimmen - und ich beantrage das hiermit -, daß dieser kommunistische Antrag dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird, damit wir, meine Damen und Herren, über diese Dinge ins Gespräch kommen. Denn wir wollen in dieser Angelegenheit vorankommen und eine Besserung herbeiführen.
({4})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Sauerborn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz darauf hinweisen, daß auf Grund des Bundestagsbeschlusses und im Hinblick auf die Notwendigkeit, diese Dinge zu regeln, die Angelegenheit vorwärtsgetrieben und zu einem Abschluß gebracht worden ist, dem es nur noch an einem fehlt; denn es handelt sich ja nicht nur um die Frage des Ob, sondern auch um die Frage des Womit. Wir glauben bestimmt, daß wir in den allernächsten Tagen oder Wochen auch diese Frage gelöst haben werden. Dann wird eine Vorlage der Bundesregierung erfolgen, auf Grund deren diese Frage im Parlament ausführlich behandelt werden kann.
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({1})
- Verzeihen Sie, da haben wir aber auch - -({2})
- Ich habe damals vielleicht gewisse Schwierigkeiten nicht übersehen, insbesondere wie lange es dauert, ein solches Gesetz dem Parlament zuzuleiten. Inzwischen aber habe ich meine Erfahrungen gesammelt. Wenn ich Ihnen sage, daß wir diesen Entwurf demnächst vorlegen werden, weil es sich nur noch um die Frage des Womit handelt, die übrigen Fragen in der Beratung heute aber abgeschlossen sind, dann können Sie damit rechnen, daß Sie die ,Sache im Laufe des Januar auch bekommen. Ich möchte nur noch eines hinzufügen: Die überschläglichen Berechnungen, die Herr Abgeordneter Sabel angestellt hat, stimmen im wesentlichen mit unseren Berechnungen überein.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Ja. Es liegen hier zwei miteinander verbundene Anträge vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst über Drucksache Nr. 1434. Hier ist Überweisung an den Ausschuß für Arbeit beantragt. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Die Ausschußüberweisung ist gegen eine Stimme beschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 1470. Auch da wird Überweisung an den Ausschuß für Arbeit beantragt.
({1})
- Auch an den Ausschuß für Sozialpolitik und Fürsorge. Da ein Deckungsvorschlag gemacht ist, wäre auch Überweisung an den Haushaltsausschuß notwendig. Also geht der Antrag an drei Ausschüsse. Federführend ist der Ausschuß für Sozialpolitik, und der Fürsorgeausschuß und der der Haushaltsausschuß werden beteiligt. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen. - Einstimmig angenommen; eine Stimmenthaltung.
Dann rufe ich auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Innerdeutscher Handelsvertrag ({2}).
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter MelLies.
Meine Damen und Herren! Der Antrag stand bereits in der vorigen Woche auf der Tagesordnung. Ich habe damals Absetzung beantragt. Zur Begründung habe ich darauf hingewiesen, daß der erste Teil des Antrags in einem gewissen Umfang hinfällig sei; denn die unterbrochenen Verhandlungen über den innerdeutschen Handelsvertrag sind ja inzwischen wieder aufgenommen, und soweit wir unterrichtet sind, stehen sie bald vor einem Abschluß. Es ist nun eine alte Erfahrung, daß es nicht zweckmäßig ist, bei schwebenden Verhandlungen große öffentliche Debatten zu führen. Ich sehe mich deshalb leider gezwungen, auch heute noch einmal die Absetzung zu beantragen. Gleichzeitig bitte ich das Haus, den Herrn Präsidenten zu beauftragen, den. Punkt erst
dann wieder auf die Tagesordnung zu setzen, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Kohl ({0}).
Meine Damen und Herren! Ich bin nicht ganz der Meinung des Herrn Kollegen Mellies; denn die Verhandlungen sind nach den Mitteilungen, die bisher in der Presse erfolgt sind, ins Stocken gekommen, und zwar deshalb, weil die Vertreter der westdeutschen Regierung nicht über die notwendigen Vollmachten verfügten. Wir haben also den Zustand zu verzeichnen, daß ein leerer Raum entstanden ist, der überbrückt werden muß und überbrückt werden kann, wenn sich das Parlament mit einer Willensäußerung hinter diese Forderung stellt. Ich bin also der Auffassung, daß man diesen Tagesordnungspunkt heute behandeln soll, weil das auch im Interesse der westdeutschen Wirtschaft und der westdeutschen Arbeiterschaft liegt. Ich bitte, den Antrag des Herrn Kollegen Mellies abzulehnen.
Herr Abgeordneter Kunze, Sie hatten sich zum Wort gemeldet. Wollen Sie zur Geschäftsordnung sprechen?
({0})
- Das kann durch die Abstimmung zum Ausdruck gebracht werden. Dann kann ich die Geschäftsordnungsdebatte als abgeschlossen ansehen.
Von Herrn Abgeordneten Mellies ist der Antrag gestellt worden, Punkt 6 abzusetzen und erst wieder auf die Tagesordnung zu bringen, wenn die entsprechenden Verhandlungen abgeschlossen sind. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit wird Punkt 6 vertagt.
Die Punkte 7 und 8 wurden bereits vorher erledigt.
Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk ({1}).
Wer begründet?
({2})
- Anscheinend wird auf die Begründung verzichtet. Ich darf annehmen, daß unter diesen Umständen auch keine Aussprache stattfindet und Überweisung an den Ausschuß vorgesehen ist. Dafür wird der Ausschuß für Sozialpolitik in Frage kommen. Ich bitte diejenigen, die mit der Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik einverstanden sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Strauß und Genossen betreffend Einstellung der Demontage des Ofenhauses III bei den Aluminiumwerken in Töging/Bayern ({3}).
Er soll, wie ich aus den Aufzeichnungen sehe, zusammen mit Punkt 15 der Tagesordnung beraten werden:
({4})
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Demontage des Hochofens V in Watenstedt-Salzgitter ({5}).
Wer begründet die Anträge? - Herr Abgeordneter Kahn!
Kahn ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wort Demontage haben wir in diesem Hohen Hause schon des öfteren in eingehenden Debatten vernommen. Wir kennen all das, was an Not und Elend mit dem Begriff und mit dem Wort Demontage verbunden ist. Ich kann und will mich aber heute bei Punkt 10 der Tagesordnung knapp und sachlich fassen.
Unser Antrag, den ich mit unterzeichnet habe, sollte die Einstellung der Demontage des Ofenhauses III bei den Aluminiumwerken in Töging in Bayern bezwecken. Wir haben mit unserem Antrag die Bundesregierung ersucht, mit Beschleunigung und Dringlichkeit bei der Alliierten Hohen Kommission dahin zu wirken, daß die Demontage des Ofenhauses III bei den Aluminiumwerken in Töging/Bayern sofort eingestellt und die bereits demontierten Teile nicht abtransportiert werden.
Nun kann ich zu unserer großen Freude mitteilen, daß unser Antrag gestern bereits realisiert werden konnte. Wir sind hier dem amerikanischen Landeskommissar Mr. Shuster sehr zu Dank verpflichtet. Dank seiner Initiative und der Unterstützung der bayerischen Regierung sind wir heute in der Lage, die Erklärung abzugeben, daß die Amerikaner den Antrag auf Demontage in Töging offiziell zurückgezogen haben. Diese Erklärung wurde uns vom Bundeskanzleramt gegeben.
Wir können also diesen Punkt der Tagesordnung als erledigt betrachten, und ich darf hier mit Befriedigung aussprechen, daß der bayerischen und der deutschen Wirtschaft sowie den Arbeitern unten in Oberbayern damit auch ein praktisches und vollwertiges Weihnachtsgeschenk gegeben wurde.
({7})
Das Wort zur Begründung des Antrages zu Punkt 15 der Tagesordnung hat Herr Abgeordneter Bielig.
Bielig ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich wünschte, ich wäre in der glücklichen Lage wie mein Herr Vorredner und könnte berichten, daß auch der Antrag meiner Fraktion sich durch eine Maßnahme der Besatzungsmacht erledigt hätte. Ich bin leider nicht in dieser Lage. Es wird Ihnen allen bekannt sein, daß die Demontage am Hochofen V in Watenstedt-Salzgitter weitergeht. Ich glaube, ich kann angesichts der Tatsache, daß wir in diesem Hohen Hause die Frage Watenstedt-Salzgitter schon einige Male erörtert haben, die Begründung des Antrages sehr kurz fassen.
Der Hochofen V in Watenstedt- Salzgitter ist durch die Internationale Reparationsbehörde dem Land Griechenland zugesprochen worden. Nachdem die Verhandlungen auf dem Petersberg für Watenstedt-Salzgitter keinen Demontagestop gebracht haben, haben sich andere Stellen, darunter auch das Land Niedersachsen, eingeschaltet und versucht, die Demontage dieses Hochofens V zu inhibieren. Das ist bis zur Stunde nicht gelungen.
Allerdings hat mir der Herr Bundesarbeitsminister Storch vor einer Viertelstunde mitgeteilt, der Herr Bundeskanzler habe der Hohen Kommission Vorschläge für Watenstedt-Salzgitter unterbreitet, und der Kern dieser Vorschläge sei, auch in Zukunft jegliche Demontage zu verhindern. Ich kann mich daher darauf beschränken, festzustellen, daß der Hochofen Nr. V lediglich deshalb nicht demontiert werden soll, weil er nicht etwa wieder in Betrieb genommen werden soll, sondern weil er als Ersatzofen, als Ersatzmaterial für den Betrieb der zwei Hochöfen, die jetzt in Tätigkeit sind, notwendig gebraucht wird.
Die Verhandlungen haben dazu geführt, daß Griechenland auf diesen Hochofen verzichtete, weil er nur in Gestalt von Schrott in Griechenland angekommen wäre. Die Reparationsbehörde hat aber darauf bestanden, daß der Hochofen entfernt werden soll.
Meine Damen und Herren! Wir können nicht verstehen und wir werden es wohl auch niemals verstehen können, daß man auf der einen Seite den Geist eines neuen Europa heraufbeschwört und daß man in Straßburg in allen Zungen von einem neuen Geist redet, der sich aber keineswegs in der Wirklichkeit manifestiert. Wir machen Europapolitik, und auf der anderen Seite sehen wir, daß Schildbürgerstreiche gemacht werden.
Weil wir der Meinung sind, daß der Bundestag die Regierung zu Verhandlungen wegen des Hochofens nicht nur legitimieren soll, sondern weil wir darüber hinaus meinen, daß der Bundestag selbst in dieser Angelegenheit seine Stimme erheben soll, haben wir diesen Antrag gestellt, und ich bitte das Hohe Haus, ihm zuzustimmen.
Meine Damen und Herren! Mir ist soeben ein Antrag der SPD-Fraktion eingereicht worden, der sich auf die Demontage der 10 000-Tonnen-Presse des DortmundHoerder Hüttenvereins bezieht. Mir ist der Wunsch unterbreitet worden, da wir uns gerade mit dem Gegenstand Demontage befassen, auch diese Sache noch auf die Tagesordnung zu setzen. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist.
({0})
- Es wird nicht widersprochen. Dann können wir diesen Antrag noch zu den Punkten 10 und 15 auf die Tagesordnung setzen.
Ich darf Herrn Abgeordneten Keuning bitten, diesen Antrag noch kurz zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als am 22. September dieses Jahres in der 88. Sitzung in diesem Hause über Demontage gesprochen wurde, bestand allgemein die Hoffnung, daß damit überhaupt letztmalig über diese Maßnahmen gesprochen worden wäre. Leider hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Wir sehen an den beiden eben vorgetragenen Beispielen, daß weiter in unverständlicher Weise demontiert wird.
Der Antrag, der von uns jetzt eingebracht wird, hat folgenden Wortlaut:
Ergänzungsantrag der Fraktion der SPD zu Drucksache 1704 betr. Demontage der 10 000Tonnen-Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins, Dortmund:
Die Bundesregierung wird ersucht, unverzüglich mit der Hohen Kommission Verhandlungen aufzunehmen, um zu erreichen, daß der Abtransport wichtigster Teile der demontierten Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins, Dortmund, sofort eingestellt wird und mit dem Aufbau der Presse begonnen werden kann.
Wer die Zeitungen verfolgt hat, konnte gestern feststellen, daß ein bedeutender Teil der westdeut({0})
schen Presse meldete, daß im englischen Unterhaus Abgeordnete auf den Widersinn der beabsichtigten Durchführung der Demontage bei dem Dortmund-Hoerder-Hüttenverein hingewiesen haben.
Was hat es mit dieser Presse für eine Bewandtnis? Sie wurde erbaut in den Jahren um 1930. Die Presse hat solche Ausmaße, daß verschiedene Teile im Werk selbst angefertigt werden mußten, weil ein Eisenbahntransport unmöglich war. So ist insbesondere, da die Herstellung des Querhauptes, des Verbindungsstückes der Säulen, eine große Rolle spielt, auch dieses Haupt im Werk hergestellt worden. Die Presse war ursprünglich für einen Druck von 10 000 t vorgesehen. Während des Krieges bekam das Querhaupt einen Riß, so daß nach der Instandsetzung die Presse nur noch für einen Druck von zirka 7000 t verwendet werden kann. Erzeugt wurden auf der Presse schwere Kurbelwellen, vor allen Dingen Schiffswellen - und bei der Ankündigung des erweiterten Schiffsbaues für die Bundesrepublik wird auch das wieder eine bedeutende Rolle spielen -, weiter schwere Schmiedestücke für den Preßmaschinenbau und andere wichtige Preßteile. Festgestellt werden kann auch, daß auf dieser Presse kein Kriegsmaterial hergestellt wurde. Eigenartig ist, daß die zu dieser großen Presse gehörende Bearbeitungswerkstatt nicht der Demontage unterfiel, so daß nun diese besonders großen Maschinen nicht voll ausgelastet sind. Das ist mehr als kurios.
Der Stand der Demontage ist augenblicklich der, daß ein kleiner Teil der demontierten Stücke bereits nach England transportiert worden ist. Die wichtigsten Teile sind aber noch im Werk, u. a. das Querhaupt und auch die Grundplatten. Ich sagte eben schon, daß das Querhaupt - und für die Grundplatten trifft dasselbe zu - nicht per Eisenbahn zu transportieren ist. Sie haben so große Ausmaße, daß der ganze Eisenbahntransport lahmgelegt werden müßte. Man hat nun einen Landtransport erwogen. Dabei wird man viele Umwege machen müssen, um nach Essen zu kommen und dort das Querhaupt in ein Schiff zu laden. Aber auch dieser Landtransport ist noch mit ziemlichen Schwierigkeiten verbunden. Man muß u. a. Brückenverstärkungen vornehmen. So hat jetzt eine Dortmunder Firma schon den Auftrag, eine Brücke zu verstärken, die an sich nur eine Tragfähigkeit von 25 t hat. Das Querhaupt selber wiegt jedoch 130 t. Dieser Landtransport wird durch belebteste Straßen geleitet werden. Es ist zu erwarten, daß die Bevölkerung bei Bekanntwerden darüber durchaus beunruhigt sein wird.
Die Presse hat neben der Gesamtindustrie natürlich auch für das Werk eine besondere Bedeutung. Die Lage der Gesamtindustrie wird dadurch erschwert, daß heute Aufträge für schwere Schmiedestücke Lieferzeiten von 12 bis 24 Monaten haben und somit ein sehr starker Engpaß für Arbeiten dieser Art vorhanden ist. Würde die Presse im Werk wieder montiert werden, so würde das ganze zirka ein halbes Jahr in Anspruch nehmen und dann dieser Engpaß schnellstens beseitigt sein. Eine Aufstellung der Presse in England würde jedoch zirka eineinhalb bis zwei Jahre benötigen, da ja die umfangreichen, kaum vorstellbaren Fundamente und sonstigen Anlagen erst angefertigt werden müßten. Für das Werk hat diese Presse insofern eine besondere Bedeutung, als es augenblicklich praktisch nur auf einem Bein produziert, wie man sagen könnte, nämlich nur von den Walzwerkerzeugnissen besteht. Die Ergänzung war die Verarbeitung in der Schmiedewerkstatt. Es ist in der Belegschaft nun eine starke Beunruhigung eingetreten, und zwar einmal eben aus der Sicht des Werkes. Wenn das Werk nicht voll ausgelastet ist, wird immer wegen der Sicherheit der Arbeitsplätze Unruhe sein, weil ein sehr starker Kampf um die Wirtschaftlichkeit des Werkes geführt werden muß. E's herrscht aber auch insofern Unruhe in der Belegschaft, als durch diese Maßnahmen nicht das Vertrauen gefördert wird, das nötig wäre, um die Bemühungen für ein einiges, gemeinsam aufzubauendes Europa zu unterstützen.
Das zu unserem Antrag. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß das Haus diesem Antrag wie auch den beiden vorher zitierten einmütig zustimmt, um so der Regierung in den Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren die genügende Rückendeckung zu geben.
Allgemein möchte ich noch sagen, daß im Vordergrund aller offiziellen Betrachtungen heute die Schaffung eines materiell starken Europas steht. Daneben erleben wir inoffiziell, daß von begeisterter Jugend Grenzpfähle verbrannt werden. Damit werden Kräfte sichtbar, die für den Weg nach Europa von großer Bedeutung sind. Maßnahmen der heute hier besprochenen Art sind aber nicht dazu angetan, diese bedeutenden Kräfte zu stärken. Darum rufen wir den Besatzungsmächten zu: Macht endlich Schluß mit allen Demontagen und Abtransporten von demontierten Werkteilen! Gebt den Wiederaufbau frei, und ihr werdet dieses Europa in den Herzen und Hirnen verankern! Auch das ist eine Realität.
({1})
Damit sind die drei Anträge begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Der Ältestenrat hat dafür insgesamt 60 Minuten vorgesehen.
({0})
Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
({1})
- Es liegen schon Wortmeldungen vor. Ohne Aussprache geht es also nicht.
Zu Punkt 15 der Tagesordnung hat Herr Staatssekretär Hartmann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da das Bundesfinanzministerium als Vertreter des Eigentümers der Werke in Watenstedt-Salzgitter fungiert, möchte ich zu Punkt 15 der Tagesordnung eine Erklärung abgeben.
Ich bin in der Lage, die Ausführungen des Herrn Abgeordneten, der die Interpellation begründet hat, vollinhaltlich zu bestätigen. Es ist Tatsache, daß im Juni 1950 auf Anregung Griechenlands Verhandlungen zwischen den Werken und griechischen Stellen aufgenommen worden sind mit dem Ziele, an Stelle des Hochofens andere industrielle Güter nach Griechenland zu liefern. An diesen Verhandlungen haben sich das Bundesfinanzministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit beteiligt, und sie haben am 26. Oktober zu einem endgültigen Ergebnis geführt. Griechenland sollte danach an Stelle des Hochofens V drei Diesellokomotiven im Werte von 2,5 Millionen DM erhalten.
({0})
Diese Vereinbarung bedurfte der Genehmigung durch die Hohe Kommission. Mit Note vom 14. September hat der Herr Bundeskanzler um einen vorläufigen Demontagestop bis zum Abschluß der schwebenden Verhandlungen gebeten. Dieser Antrag ist am 23. Oktober von der Hohen Kommission abgelehnt worden,
({1})
wobei zum Ausdruck gebracht wurde, daß innerhalb eines Demontageverfahrens die Empfängernationen nicht berechtigt seien, wegen der Stellung von Ersatzobjekten mit der Bundesrepublik Deutschland zu verhandeln.
({2})
Gleichwohl hat der Herr Bundeskanzler die Angelegenheit am 16. November nochmals mit der Hohen Kommission und am 21. November mit dem britischen Hohen Kommissar verhandelt und erneut gebeten, die noch nicht demontierten Anlageteile als Reserveaggregate für die drei anderen Hochöfen freizugeben. Obwohl dem Herrn Bundeskanzler von beiden Seiten eine wohlwollende Überprüfung des Wunsches zugesagt wurde, hat der britische Landeskommissar für Niedersachsen jetzt die sofortige Demontage angeordnet und jeden Demontagestop abgelehnt.
({3})
Auch die entsprechenden Anträge der griechischen Mission beim britischen Hohen Kommissar haben zu keinem Erfolg geführt. Daraufhin hat der Herr Bundeskanzler am 9. Dezember einen weiteren, sehr nachdrücklichen Schritt bei der Hohen Kommission unternommen, und das Bundeskabinett hat sich am 12. Dezember nochmals mit der Angelegenheit befaßt.
Die Stellungnahme der Bundesregierung ist folgende: Eine sofortige Einstellung der Demontagemaßnahmen ist notwendig, erstens aus wirtschaftlichen Gründen, weil die noch vorhandenen Anlageteile des Hochofens V als Reserveaggregate dringend benötigt werden, zweitens, weil andernfalls Griechenland nicht in den Besitz der von ihm benötigten Diesellokomotiven kommt, und drittens aus politischen und sozialen Gründen. weil diese Demontagemaßnahmen gerade im Notstandsgebiet von Watenstedt-Salzgitter zu einer weiteren Verschärfung der Notlage führen würden.
Die Bundesregierung begrüßt daher die hier gestellten Anträge.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mayerhofer.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Begründung, die zu der Demontageangelegenheit Töging gegeben wurde, hätte man beinahe den Schluß ableiten können, daß es eine sehr einfache Sache gewesen sei, den Demontagestop in Töging zu bewirken.
Um nun die Dinge irgendwie richtigzustellen, halte ich mich für verpflichtet, den Ablauf in etwa darzustellen. Dabei möchte ich von vornherein darauf hinweisen, daß es eines mehr als einjährigen heftigen Kampfes bedurft hat, um sich insoweit durchzusetzen, als es bis jetzt geschehen ist.
Ich lege besonderen Wert darauf, die Situation Tögings dem Hause darzulegen, weil Töging eine
Gemeinde ist, die noch im Jahre 1919 nur insgesamt rund 500 Einwohner gehabt hat, deren Leben und Sterben also vom Bestehen dieses Werkes abhängig war. Es ist bekannt, daß ursprünglich von einer Demontage der Aluminiumindustrie überhaupt nie die Rede war, daß es sich hier lediglich um ein Produktionsverbot gehandelt hat, das dann im Jahre 1948 aufgehoben worden ist, und zwar auch einschließlich des Ofenhauses III in Töging. Erst zum 1. Dezember 1949 kam völlig unerwartet der Demontagebefehl für das Ofenhaus III. Das ist besonders interessant, weil man die merkwürdigsten Begründungen für diesen Demontagebefehl gegeben hat. Man wies zum ersten darauf hin, daß Töging ja gar nicht in der Lage wäre, mit seinem Ofenhaus III zu arbeiten, weil die notwendige Energie nicht zur Verfügung stehe. Wir haben leider - es muß gesagt werden - noch nicht einmal ein gutes Argument gehabt, um dieser Behauptung entgegenzutreten. Töging hatte tatsächlich nicht eine ausreichende Energie, um das Ofenhaus III zu betreiben; aber es mußten doch auch irgendwie die politischen Hintergründe dieser Tatsache aufgezeigt werden. Diese lagen darin, daß Bayern nach 1945 eben nicht mehr die Energiemengen beziehen konnte, die früher aus Mitteldeutschland zur Verfügung standen; aber nicht nur das. sondern es war darüber hinaus noch gezwungen, Österreich in weitem Umfang mit zu versorgen.
Als das nicht zog. kam man mit der Begründung, daß das Ofenhaus III in Töging ja unrentabel sei, daß es sich gar nicht lohne, es weiter zu betreiben. Wir hatten „sehr viel" Verständnis für soviel „Fürsorge", die man uns da angedeihen lassen wollte. Wir hatten aber dafür wieder das gute Argument auf unserer Seite, daß Töging - das Ofenhaus III insbesondere - ja jene Aluminiumproduktionsstätte ist, die mit den niedrigsten Produktionskosten zu arbeiten in der Lage ist, wenn auch nur während acht Monaten im Jahr. Das war immer so, und das war zu keiner Zeit anders; denn Töging war grundsätzlich auf der Basis aufgebaut, daß es nur während der acht Monate die sonst überschüssig abfließenden Wassermengen aus den oberbayerischen Flüssen mit einem Strompreis von 1,2 Pfennig pro kWh verarbeiten sollte. Also auch dieser Einwand zog nicht. Wir waren um so erstaunter, als wir feststellten, daß zu einem späteren Termin - es war, wenn ich mich recht erinnere. im Februar dieses Jahres - die Hohe Kommission mitteilte, es sei sehr viel zweckmäßiger. statt 40 000 Tonnen Kupfer vom Ausland einzuführen einige zehntausend Tonnen Aluminium mehr zu produzieren, um es an Stelle des Kupfers zu verwenden.
Unsere Bemühungen, diese Demontage irgendwie zu stoppen, sind ohne Unterlaß weitergegangen. Ich bin gerne bereit, zuzugeben, daß es möglicherweise nicht gelungen wäre, die Demontage dort zu stoppen, wenn nicht die grundlegend veränderte weltpolitische Situation ihren Beitrag dazu geleistet hätte.
Dazu kam allerdings noch etwas anderes. Es war gerade noch der richtige Augenblick. Wären die Demontagearbeiten noch 14 Tage, äußerstenfalls noch drei Wochen fortgeführt worden, dann wäre es vergeblich gewesen, auch nur noch das geringste zu tun. Die Öfen sind ohnehin abgebaut. Es handelt sich darum, wenigstens die elektrischen Anlagen, die Transformatoren und die Gleichrichteranlage zu retten, um die Basis dafür zu erhalten, daß wenigstens innerhalb einer erträglichen Frist das Ofenhaus III in seinem ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden kann. Das ist für Töging
({0})
eine Lebensfrage und auch für die deutsche Aluminiumindustrie eine sehr wichtige Frage. Das Ofenhaus III produziert 7000 Jahrestonnen. Wir können selbst bei den gegebenen Verhältnissen die uns zugebilligten 75 000 Tonnen nicht ausschöpfen. Nur, 7000 Tonnen sind für uns wichtig, um den Bedarf zu decken.
Töging als Gemeinde, das in der Zwischenzeit, seit das Aluminiumwerk dort ist, von 500 auf mehr als 6000 Menschen angewachsen ist, schätzt sich glücklich, die Möglichkeit zu haben, auf diese Weise weitere 500 Leute in Töging zu beschäftigen; denn anderweitig können sie im Bezirk nicht untergebracht werden.
Ich muß, weil es viel zu weit führen .würde, darauf verzichten, alle einzelnen Vorstöße bei allen Instanzen darzulegen, die durchgeführt worden sind, um die Demontage des Ofenhauses III in Töging zur Einstellung zu bringen.
Zuletzt - und wir glauben, daß das einer der wichtigsten Vorstöße war - ist es uns gelungen, auch den CIO-Kongreß in Amerika für diese Töging-Demontagegeschichte zu interessieren und ihn zu veranlassen, auf Grund eines Kongreßbeschlusses ein entsprechendes Telegramm an Truman heranzubringen. Auf diese Weise, glauben wir, konnte in der letzten Minute diese Demontage noch gestoppt werden, nebenbei bemerkt, nicht gestern, sondern vorgestern vor acht Tagen.
({1})
- Es tut mir sehr leid, ich habe ihn auch hier. Aber wir wollen darüber nicht streiten.
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Leider ist es nicht so, daß das Töginger Aluminium-Werk bereits wieder volles Verfügungsrecht erhalten hätte. Es ist nur der Demontagestop angeordnet. Das Verfügungsrecht ist noch nicht wieder zurückgegeben. Aber wir hoffen zuversichtlich, es wird möglich sein, auch das Verfügungsrecht in kürzester Zeit wiederzubekommen, damit mit dem Wiederaufbau begonnen werden kann. Dann würde es trotz der kritischen Versorgungssituation möglich sein, im Herbst 1951 im Töginger Ofenhaus III mit der Produktion zu beginnen. Ich hoffe zuversichtlich, daß das von uns noch zusätzlich Erwartete von den Hohen Kommissaren, von den Besatzungsmächten, sehr bald genehmigt wird, damit dort die Arbeit wieder aufgenommen werden kann.
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Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Zu dem Antrag Drucksache Nr. 1627 hat der Sprecher der Antragsteller erklärt, daß er ihn als erledigt betrachtet. Infolgedessen erübrigt sich eine Abstimmung.
Wir kommen dann zu dem Antrag Drucksache Nr. 1704 betreffend Demontage des Hochofens V in Watenstedt-Salzgitter.
({0})
Überweisungsantrag ist nicht gestellt. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Dann kommt noch der soeben erst eingereichte Antrag der SPD-Fraktion betreffend Demontage der 10 000-Tonnen-Presse des Dortmund-Hoerder Hüttenvereins. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Maßnahmen für Kriegssachgeschädigte ({1}).
Für die Begründung hat der Ältestenrat 15 Minuten und für die Debatte 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann ({2}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem Antrag des Zentrums, Drucksache Nr. 1648, handelt es sich um eine Forderung der Gerechtigkeit im Interesse der Gleichberechtigung zugunsten der Kriegssachgeschädigten gerade jetzt in diesem Stadium des Abschlusses der Verhandlungen über den Lastenausgleich. In den Kreisen der Kriegssachgeschädigten herrscht eine außerordentlich große, stets zunehmende Verärgerung allein über die Form ihrer Behandlung oder Nichtbeachtung. Man scheint sich in der breitesten Öffentlichkeit weder darüber klar zu sein. eine wie große Zahl von Betroffenen dadurch berührt wird, noch auch wie groß und bitter die Not in ihren Kreisen ist. Denn obwohl man viel über die Bedürfnisse und Nöte der Personenkreise, die durch den Krieg besonders gelitten haben. gesprochen hat, ist doch fast nie von den Ausgebombten, von den Kriegssachgeschädigten - dabei sind auch die Währungsgeschädigten zu erwähnen -, also von Sachgeschädigten aller Art die Rede gewesen.
Zunächst verlangen wir eine formelle Sache, daß sich nämlich eine besondere Abteilung des Innenministeriums der Interessen, der Nöte und der Belange dieses Kreises eigens annimmt. Wir haben für die Flüchtlinge ein besonderes Ministerium, und wir sind der Ansicht, daß dieses Ministerium wegen der Interessenkollision, die sich an verschiedenen .Stellen ergeben könnte, nicht geeignet ist, sich der Interessen der Kriegssachgeschädigten - im weiteren Sinne rechne ich die Währungsgeschädigten dazu - anzunehmen. Deswegen sollte man die Abteilung des Innenministeriums, die es jetzt schon gibt und die sich bisher nur am Rande und nebenbei mit den Fragen dieses Personenkreises zu beschäftigen hatte, dementsprechend ausbauen.
Das Gefühl der Geschädigten, bei den bisherigen Verhandlungen einfach übergangen, überfahren worden zu sein, verträgt sich nicht mit dem Anspruch unseres Landes und unseres Staates darauf, ein Rechtsstaat und außerdem sozial ausgerichtet zu sein. Bei den Lastenausgleichsverhandlungen insbesondere zeigte es sich, daß man die Vertretungen der so Geschädigten überhaupt nicht einmal angehört und nicht hinzugezogen hat. Heute habe ich noch mit Herrn Minister Mattes gesprochen, er ist nicht dazu gehört worden. Ich weiß nicht, Sie haben vielleicht angenommen, es ist ein kleiner, nebensächlicher Verband.
({3})
Die Frage verdient jedenfalls eine besondere Abteilung, da man für die Fragen der Vertriebenen ein ganzes Ministerium zur Verfügung hat.
Im übrigen ist nicht einzusehen, warum man zwar einen Beirat der Fliegergeschädigten hat-und
({4})
dieser Beirat ist notwendig, das bezweifle ich keineswegs -, dagegen einen Beirat für die Kriegssachgeschädigten nicht hat. Deswegen verlangen wir die Einrichtung eines solchen Beirats.
Der dritte Punkt unseres Antrages betrifft die Fahrpreisvergünstigungen. Das ist eigentlich nur ein Teil, eine einzelne Forderung, deren es im Grunde Dutzende gäbe. Es wäre Sache dieser neu einzurichtenden Abteilung, die Gleichstellung der Kriegssachgeschädigten, der Bombengeschädigten, der Ausgebombten, d. h. aller unter dem Krieg bzw. den Kriegsfolgen Leidenden herbeizuführen, soweit das angemessen ist. Es scheint völlig übersehen worden zu sein, als man an die Fahrpreisvergünstigungen z. B. für die Vertriebenen dachte, daß es auch zig Tausende gibt, die als Evakuierte fern von ihrer früheren Wohnstätte, von ihrem Familienkreis, von ihrem früheren Geschäftskreis wohnen und die auch das Bedürfnis haben, gelegentlich diese alten Stätten, an denen sie womöglich ihr Leben lang gearbeitet haben, wiederaufzusuchen, sich mit ihrem früheren Freundes- und Verwandtenkreis in Verbindung zu setzen oder sich wieder dorthin zurückzuziehen. Wie sollen sie das machen? Mit den 70 Mark Soforthilfebeitrag, die sie im Monat kriegen und die in Wirklichkeit weder Hilfe noch „sofort" waren, sondern die nur zur Entlastung der Gemeinde gedient haben? Den Leuten kann es völlig egal sein, ob sie eine Lastenausgleichsforderung auf monatlich 70 Mark haben oder ob sie in gleicher Höhe früher Wohlfahrtsunterstützung bezogen. Also diese Leute sind nicht in der Lage, die Kosten einer für sie notwendigen Reise aus den Bezügen, die sie jetzt als schmalste Abschlagszahlung aus der Soforthilfe bekommen, zu bestreiten.
Aus diesen Gründen bitten wir das Hohe Haus, gemäß unserem Antrag Drucksache Nr. 1648 zu beschließen. Man möge uns nicht etwa einwenden, daß das besondere Kosten verursache. Zumindest sind diese Kosten nicht sehr hoch, zumal die einzurichtende Abteilung ohnehin vorhanden ist. Wenn man aber trotzdem glaubt, diese Seite der Sache in Betracht ziehen zu müssen, möchte ich empfehlen, entsprechende Einsparungen in den bekannten drei überflüssigen Ministerien vorzunehmen, von denen sich das eine inzwischen den wundervollen Spitznamen „ Ümaz", nämlich „überflüssigstes Ministerium aller Zeiten" verschafft hat. Dort wird bekanntlich ein Referent mit Kulturfragen beschäftigt, der sich aber in Wirklichkeit mit Parteirundbriefen befaßt. Wenn diese Abteilung jetzt neu besetzt wird, sollte man sie lieber damit beschäftigen, sich um die Angelegenheiten der Kriegssachgeschädigten zu kümmern.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Wir begrüßen den Antrag im ganzen und schließen uns ihm in allen seinen Punkten uneingeschränkt an. Wir möchten aber betonen, daß wir schon bei der Beratung des vorjährigen Etats darauf hingewiesen haben, im Ministerium für Heimatvertriebene müßten alle diese Gruppen gemeinsam betreut werden. Allerdings bedauern wir, daß dieser Antrag in der Zwischenzeit in dem Arbeitswust der beiden Ausschüsse, denen er überwiesen worden ist, nämlich dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Heimatvertriebene, spurlos verschwunden ist. Wir halten unseren Antrag nach wie vor aufrecht und werden beim diesjährigen Etat des Flüchtlingsministeriums wieder darauf zurückkommen. Im übrigen unterstützen wir den Antrag des Zentrums durchaus.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Nadig.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist erfreulich, daß der Antrag des Zentrums dem Hohen Hause Gelegenheit gibt, sich einmalmit dem Problem der Kriegssachgeschädigten zu befassen. Wäre es früher geschehen, hätte man die Aufspaltung dieser Hilfsbedürftigen in Interessentengruppen vielleicht vermeiden können.
Unwandelbarer Grundsatz der Gesetzgebung muß es sein, alle Staatsbürger gleichmäßig zu behandeln. Gewiß, in den Jahren 1946 und 1947 hatten die Ostvertriebenen ein Prioritätsrecht. Wir schreiben aber heute 1950, und es mehren sich die Stimmen, daß die Kriegssachgeschädigten genau so behandelt werden müssen wie die Ostvertriebenen. Wenn man das Problem unvoreingenommen betrachtet, kommt man um die Anerkennung dieser Forderung nicht herum,
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liegt doch bei sehr vielen von ihnen das gleiche Kriegsschicksal vor. Hunderttausende haben in den Bombennächten alles verloren, sind voll Grauens geflohen, in den Osten evakuiert worden und dann im Zusammenbruch wieder als Flüchtlinge in den Westen gekommen. In die zerbombte Heimat konnten sie nicht zurück, leben jetzt irgendwo auf dem Lande. in Kellern oder Trümmern, genau wie die Flüchtlinge, gelten aber nicht als solche.
Das Land Nordrhein-Westfalen gehört zweifellos zu den am stärksten zerstörten Ländern. Es hat allein 3 Millionen Kriegssachgeschädigte. Unter ihnen befindet sich eine sehr große Zahl von Menschen, die in ihre Heimatstadt nicht wieder zurückkehren konnten; ein Wiederaufbau ihrer Häuser ist bis heute noch nicht möglich gewesen. Wie groß dieser Kreis von Menschen ist, mögen ihnen nachfolgende Zahlen beweisen. In Köln allein warten jetzt noch 172 000 Kriegssachgeschädigte auf Rückkehr in ihre Heimatstadt, in Essen 60 000 Menschen, in Düsseldorf 48 000, in Dortmund 41 000 und in Wuppertal allein 40 000. Die Stadt Köln hat 1950 5 500 neue Wohnungen gebaut. Das ist eine sehr beachtliche Zahl. Aber selbst wenn diese Zahl verdoppelt, also auf über 10 000 erhöht würde, brauchte die Stadt Köln 17 Jahre, um die jetzt noch draußen wartenden Kriegssachgeschädigten in ihren Mauern wieder aufnehmen zu können. Keine Zahl beweist die Schwierigkeit dieses Problems besser als die eben genannte. Ohne Hilfsmaßnahmen können die schwer zerbombten Städte diesen Notstand nicht beheben. Ich richte daher an den Herrn Bundesminister für Wiederaufbau das Ersuchen, Vorschläge dafür zu machen, wie den schwer zerbombten Städten durch eine Sonderregelung beim Aufbau von Wohnungen für Kriegssachgeschädigte geholfen werden kann.
Ein weiteres drückendes Problem der Kriegssachgeschädigten ist das Problem des Getrenntlebens der Familienangehörigen: Herr Abgeordneter Reismann hat eben schon darauf hingewiesen. Ich denke an meinen Heimatbezirk. Allein im Bezirk Detmold leben 10 000 Familien aus Köln, deren Ernährer zum Teil in Köln wieder Arbeit angenommen hat und der gezwungen ist, Hunderte von Kilometern weit von der Familie zu leben. Die
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ungeheure Verteuerung und nicht zuletzt die dauernde Trennung der Familien ist eine sehr große Belastung und bringt eine gewisse Auflösung des gesamten Familienlebens mit sich. Hier ist die Gewährung derselben Fahrpreisermäßigungen, wie sie die Vertriebenen genießen, eine zwingende Notwendigkeit.
Wir stimmen den drei Punkten des Antrags des Zentrums zu. Ich möchte aber noch betonen, daß es uns außerordentlich bescheiden erscheint, für die Aufgaben der Kriegssachgeschädigten schlechthin nur eine Abteilung im Bundesinnenministerium zu verlangen. Unseres Erachtens ist es notwendig, diese Abteilung selbständig auszurüsten. damit der Aufgabe der Kriegssachgeschädigten wirklich Rechnung getragen werden kann. Auch Herr Abgeordneter Reismann sagte eben bereits, daß die Zahl der Kriegssachgeschädigten durchaus nicht viel kleiner ist als die Zahl der Vertriebenen. und in Anbetracht der Zahl der Vertriebenen hat man ein besonderes Bundesministerium eingerichtet. Ich glaube, es ist dann nicht unbescheiden, wenn die Kriegssachgeschädigten für ihre Aufgaben eine selbständige Abteilung im Bundesinnenministerium verlangen.
Wir stimmen dem Antrag des Zentrums auf Überweisung an den Ausschuß zu.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur eine vorweihnachtliche Stimmung, die es uns erlaubt, heute in so vielen Punkten Einstimmigkeit zu erzielen, sondern auch die Materie als solche. Dazu gehört auch der Punkt des Antrags des Zentrums. Es ist mir eine aufrichtige Freude, festzustellen, daß alle Fraktionen des Hauses durch ihre Sprecher zu erkennen geben, welche Wichtigkeit sie der Behandlung der Fragen unserer Fliegergeschädigten und sonstigen Kriegssachgeschädigten beimessen.
Ich habe lediglich eins zu tun. Ich habe eine falsche Unterrichtung des Sprechers des Zentrums richtigzustellen. Ich weiß, daß auch Stuttgart, also der Mattes-Verband, zu den Verhandlungen hinzugezogen worden ist. Auch der Mattes-Verband
ist mit seinen Vertretern bei mir als Vorsitzendem des Lastenausgleichsausschusses gewesen, wobei ich allerdings die Auffassung vertrete, daß die Fliegergeschädigten an manchen Punkten in der Behandlung ihrer Belange in der Vergangenheit zu kurz gekommen sind.
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Es scheint mir außerordentlich wichtig zu sein, daß das ganze Haus darin übereinstimmt, daß wir dann auch dem Bundesinnenministerium die Mittel für seinen Etat zu bewilligen bereit sind, die erforderlich sind, damit die nötigen Sachbearbeiter eingestellt und mit den entsprechenden finanziellen Möglichkeiten unterstützt arbeiten können. Darum schließe ich mich namens meiner Fraktion dem Antrag des Zentrums an.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Es ist für mich eine große Genugtuung, festzustellen, daß das Hohe Haus der Abteilung V des Bundesinnenministeriums dieses große Interesse entgegenbringt. Ich bin mit meinen Herren Mitarbeitern aus der Sozial- und Wohlfahrtsabteilung durchaus übereinstimmend der Auffassung, daß es Kriegssachgeschädigte gibt, deren Los ebenso bitter ist wie das vieler Flüchtlinge. Wir sind uns auch bewußt, daß es eine große Anzahl dieser Kriegssachgeschädigten gibt. Die Wohlfahrtsabteilung hat sich der Interessen der Kriegssachgeschädigten sehr warmherzig und mit großem Eifer angenommen. Ich bitte Sie, zu bedenken, daß die Arbeit der eigentlichen Ministerialbürokratie ja vor Ihnen, vor dem Hohen Hause, nicht so in die Erscheinung tritt, da ja nur immer der Minister selbst oder sein Staatssekretär vor Ihnen sprechen. Aber man darf deshalb die Arbeit, die im stillen und anonym von den Ministerialbeamten dort geleistet wird, nicht eben nach äußeren Merkmalen beurteilen. Die Aufgabe ist doch, bei Verhandlungen mit zahlreichen anderen beteiligten Ressorts und mit anderen Stellen außerhalb des Hauses die Interessen der Kriegssachgeschädigten und anderer dem Schutze der Abteilung anbefohlenen Kriegsopfer wirksam zu vertreten; und die Wohlfahrtsabteilung meines Hauses hat es erreicht, daß das Hauptamt für Soforthilfe bei seinen Weisungen den Belangen der Kriegssachgeschädigten weitgehend so Rechnung getragen hat, wie es die Herren meines Hauses vorgeschlagen haben. Ebenso sind die Belange der Kriegssachgeschädigten mit Nachdruck und mit Erfolg beim Lastenausgleich vertreten worden. Ich muß deshalb den Vorwurf, der hier in dem Antrag der Zentrumsfraktion in Ziffer 1 enthalten ist, daß das Referat in Fragen der Kriegssachgeschädigten bisher untätig war, als absolut unzutreffend bezeichnen.
Nun wird in dem Antrag gefordert, für die Kriegssachgeschädigten eine besondere Abteilung einzurichten. Meine Damen und Herren, ich habe bei der Übernahme des Ministeriums eine wohlgegliederte und gut durchdachte Organisation vorgefunden, und ich darf ebenso feststellen, daß der Beamtenkörper durchaus seinen Anforderungen gewachsen ist. Ich freue mich immer wieder, festzustellen, mit welcher Sachkenntnis und mit welchem Effer dort gearbeitet wird. Das gilt auch für die Wohlfahrtsabteilung. Aber der Nachteil, der tätsächlich besteht, ist, daß einzelne Abteilungen meines Hauses sehr überlastet sind und daß namentlich das Wohlfahrtsressort eine stärkere zahlenmäßige Besetzung vertragen könnte. Ich werde mich daher bei den künftigen Etatsberatungen an das Hohe Haus und an sein heute bekundetes Interesse wenden, um uns in den Haushaltsberatungen diejenigen Personalverstärkungen zukommen zu lassen, deren wir dringend bedürfen.
Zu dem Antrag, einen Beirat der Fliegergeschädigten einzurichten, möchte ich sagen, daß ich mir von einem solchen Beirat - ich habe das schon neulich gelegentlich der Polizeidebatte vor Ihnen dargetan - nicht so viel verspreche. Ich lege aber umgekehrt großen Wert darauf, daß mein Ministerium mit Ihnen in enger Verbindung bleibt. Die richtigen Stellen für die Koordinierung und die Zusammenarbeit sind ja die zuständigen Bundestagsausschüsse; in denen ist das Parlament vertreten. Der Bundestagsausschuß hat seine ihm zukommenden geschäftsordnungsmäßigen Befugnisse; er hat die Aufgaben auszuführen, die ihm der Bundestag zuweist. Das ist ein ganz anderer Inhalt und eine ganz andere staatsrechtliche Konstruktion als die eines lose zusammengesetzten und in der Verfassung nicht vorgesehenen Beirats.
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Zudem, meine Herren, darf ich Ihnen sagen, daß die Vertreter der Fliegerschädigten jederzeit Zutritt zu unserer Wohlfahrtsabteilung haben und in der Lage sind, ihre Wünsche dort selbst geltend zu machen. Sie haben das in der Vergangenheit getan, und es ist kein Grund vorhanden, weshalb sie das in der Zukunft - auch ohne einen Beirat - nicht auch selbständig tun können.
Soweit es sich um Fahrpreisermäßigung handelt, haben wir uns dieser Wünsche angenommen und sie nachdrücklich gegenüber dem Bundesministerium für Verkehr vertreten. Wenn der Erfolg nicht in dem Maß eingetreten ist, wie wir es uns gewünscht hatten, so liegt das daran, daß die Bundesbahn, wie Ihnen ja bekannt ist, mit erheblichen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und infolgedessen bei der Ausweitung von Tarifermäßigungen sehr zurückhaltend ist. Es ist Ihnen ja bekannt, daß im Gegenteil in der letzten Zeit Tariferhöhungen vorgenommen werden.
So möchte ich zusammenfassend zu dem Antrag sagen, daß wir in unserem Hause die Interessen der Kriegssachgeschädigten genau so ernsthaft und mit Nachdruck würdigen und vertreten wie die aller anderen Kriegsopfer. Was wir benötigen, ist nicht etwa ein neues Ministerium für Kriegssachgeschädigte oder eine besondere Abteilung dafür, sondern die Ausstattung unserer einzelnen Abteilungen mit den nötigen Arbeitskräften. Ich glaube, daß Sie dann keinen Grund zur Klage mehr haben werden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre von großem Interesse gewesen, zu hören, ob der Herr Minister die von ihm für notwendig gehaltenen Mittel zum Ausbau seines Ministeriums für die jetzt laufenden Etatsberatungen schon beantragt hat. Vielleicht kann er das mit einem kurzen Wort eben sagen. Es wäre natürlich jetzt zum mindesten an der Zeit, das zu beantragen.
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- Ja, ich bitte darum, Herr Kollege Kunze, wenn Sie im Haushaltsausschuß sind. Ich werde es den Mitgliedern unserer Fraktion auch sagen, damit darauf geachtet wird.
Was mich aber sehr bedenklich gemacht hat, war, daß der Herr Minister sagte, er bitte vor allen Dingen um eine gebührende Ausstattung mit Mitteln für sein Wohlfahrtsressort. Ich habe deutlich verstanden „Wohlfahrtsressort", Herr Minister, und ich möchte gerade gegen diesen Gedanken, die Angelegenheiten der Fliegergeschädigten unter dem Gesichtspunkt der Wohlfahrt zu betrachten, mit allem Nachdruck protestieren. Das ist nicht eine Angelegenheit der Wohlfahrt, sondern eine Forderung der Gerechtigkeit.
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Dann sagte der Herr Minister - ich kann durchaus verstehen, daß er sein Ministerium verteidigen muß und es auch in gutem Glauben tut -, daß seine Beamten immer sehr fleißig gewesen seien und die Interessen der Fliegergeschädigten, der Bombengeschädigten und Sachgeschädigten ohnehin schon immer gebührend im Auge gehabt hätten. Ja, wenn Sie das so verstehen wollen, Herr Minister, daß dies das Höchste dessen ist, was möglich ist, dann allerdings muß ich dagegen Verwahrung einlegen, denn darunter stellen wir uns
etwas ganz anderes vor. Von der Tätigkeit dieses Ministeriums im Interesse der Kriegssachgeschädigten hat man in der Öffentlichkeit gar nichts gemerkt. Vergleichen Sie damit einmal die Aktivität, die mit Recht das Flüchtlingsministerium entfaltet hat! Gerade wenn Sie, Herr Minister, sagen, Ihre Beamten hätten bisher schon das Möglichste getan, und man solle die Bedeutung dieser Tätigkeit nicht unterschätzen, so berechtigt mich das, zu sagen: Was Sie verlangt haben, war noch viel zu wenig! Damit haben Sie ja gesagt, daß es bei dem Bestand Ihrer Behörde nicht möglich sei, mehr zu tun.
Sie haben dann zu guter Letzt von einem Ministerium für die Kriegssachgeschädigten gesprochen. Das haben wir gar nicht verlangt; davon ist gar nicht die Rede. Aber daß eine Abteilung Ihres Ministeriums zu keinem anderen Zweck da sein muß, als sich nun endlich dieser Interessen anzunehmen, darüber ist sich das ganze Haus klar, und daß die Kriegssachgeschädigten bisher zu kurz gekommen sind, das werden Sie mit Fug und Recht nicht bestreiten können. Wenn Sie nun meinen, Herr Minister, es sei nicht notwendig, der Abteilung V Ihres Ministeriums eine dem Flüchtlingsbeirat entsprechende Organisation an die Seite zu stellen, so möchte ich darauf mit einem Hinweis auf das Kuratorium für das Jugendwerk erwidern, das Sie selber einzurichten für richtig und notwendig befunden haben. Ich beanstande das auch gar nicht. Aber eine solche Einrichtung hat doch zwei Seiten. Und gerade weil Ihr Ministerium und Sie selbst das erkannt haben, haben Sie doch für das Jugendwerk einmal die Heranziehung der Betroffenen in dem Kuratorium veranlaßt, und zwar die laufende Heranziehung zu der Tätigkeit in den Ministerien, die laufende Verbindung mit den Ministerien, die Kenntnis von der laufenden Arbeit, die darin vor sich geht; eine Einrichtung, die nicht zuletzt gerade diese Ministerialabteilung munter und beweglich macht, auf die Bedürfnisse hinweist und nachstößt, wenn sie sich zu schnell mit einem Versagen zufrieden gibt.
So ist es auch bei der Bundesbahn. Sie sagen, die Bundesbahn verweigere die entsprechenden Vergünstigungen, weil sie dazu aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sei. Wenn sie dazu bezüglich der Flüchtlinge in der Lage ist, dann muß sie auch bezüglich der Kriegsgeschädigten anderer Art dazu in der Lage sein. Fehlt dazu das Geld, dann muß der Bund es eben aufbringen. Es geht nicht, daß man nach der Methode von Heinrich Heine sagt: „Und da keiner wollte leiden, daß der andere für ihn zahle, zahlte keiner von den beiden."
Ich möchte Sie also bitten, Herr Minister, Ihren Standpunkt in dieser Hinsicht doch zu revidieren, denn die Kriegssachgeschädigten sind ein Millionenheer, nicht geringer als die Flüchtlinge, und sie lassen sich die schlechtere Behandlung auf die Dauer einfach nicht gefallen.
({2})
Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Das Wort hat nochmals der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Ich darf vielleicht zu dem letzten Punkt, zu dem Hinweis auf die am 18. dieses Monats hier in diesem Hause stattfin({0})
dende Eröffnung und Verkündung des Jugendwerkes, etwas sagen. Das ist eben etwas wesentlich anderes als die fürsorgerische und pflegerische Tätigkeit in der Abteilung V. Wir wollen diese Tätigkeit, die am Montag hier verkündet wird, als eine Selbstverwaltungsangelegenheit der einzelnen Organisationen, der einzelnen Länder fördern, koordinieren und vorwärtstreiben. Aber wir werden diese Arbeit nicht selbst tun. Das ist etwas anderes als das, was wir in der Abteilung V in dem Referat für die Kriegssachgeschädigten tun.
Wenn ich vorhin den Ausdruck „Wohlfahrt" gebraucht habe, so habe ich es in dem übertragenen Sinne gemeint, daß diese ganze Abteilung einen Wohlfahrts-, einen Sozialcharakter hat. Sie ist im einzelnen in ihrer fürsorgerischen und wohlfahrtsmäßigen Ausgestaltung natürlich verschieden.
Ich kann endlich auf die Frage, ob wir schon Anträge gestellt haben, sagen, daß eine Anzahl Anträge gestellt sind. Ich kann Ihnen im Augenblick ohne die Unterlagen nicht angeben, auf welche Abteilungen sich die Anträge erstrecken. Ich werde aber Ihre heutigen Wünsche zum Anlaß nehmen, sofort einmal nachzusehen, ob diese Anträge Ihren heutigen Wünschen entsprechen, und was etwa zusätzlich noch zu geschehen hat.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Ausschußüberweisung beantragt. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um drei verschiedene Punkte handelt, und darf Ihnen vorschlagen, die Punkte 1 und 2 dem Ausschuß für innere Verwaltung federführend und gleichzeitig dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen, den Punkt 3 dagegen an den Ausschuß für Verkehrswesen, weil es sich ja um eine Angelegenheit der Bundesbahn handelt. - Herr Abgeordneter Mellies?
({0})
- Und auch an den Haushaltsausschuß. Den ganzen Antrag?
({1})
- Also dann käme folgendes in Frage.
({2})
- Also den ganzen Antrag federführend an den Ausschuß für Lastenausgleich und dann die Punkte 1 und 2 an den Haushaltsausschuß und den Punkt 3 an den Ausschuß für Verkehrswesen.
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- In den Beratungen des Ältestenrats war vorgesehen, daß Ganze an den Ausschuß für innere Verwaltung und dann für die Sonderbehandlung die Punkte 1 und 2 an den Ausschuß für Sozialpolitik
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und den Punkt 3 an den Ausschuß für Verkehrswesen. Außerdem ist jetzt zusätzlich gewünscht
worden, noch an den Ausschuß für Lastenausgleich.
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- Die Wünsche sind offenbar sehr verschiedenartig. Damit wir weiterkommen, darf ich einen Vorschlag machen. Wir überweisen also zunächst
einmal federführend an den Ausschuß für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung, weiter die Punkte 1 und 2 an den Ausschuß für den Lastenausgleich; und der Ausschuß für Verkehrswesen bekommt den Punkt 3.
({6})
- Und die Punkte 1 und 2 außerdem an den Haushaltsausschuß. Ist das jetzt geklärt?
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Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Bearbeitung von Schadensfällen von Besatzungsverdrängten ({8}).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Kohl.
Kohl ({9}) ({10}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Hause bereits wiederholt davon gesprochen, daß die Behandlung der Leistungen an die Besatzungsverdrängten in deutscher Verantwortlichkeit erfolgen muß. Wir haben deshalb einen Gesetzentwurf eingereicht und darüber hinaus verlangt, daß der Herr Bundesfinanzminister dem Hohen Hause den in seiner Schublade liegenden Gesetzentwurf bekanntgibt, nach dem die Frage der Leistungen an Besatzungsverdrängte mit den Alliierten Hohen Kommissaren erledigt werden soll. Wir sind in der Zwischenzeit in dieser Angelegenheit nicht weitergekommen. Es ist dabei nicht uninteressant, einmal die Ursachen zu untersuchen, die zu dem von uns gestellten Antrag geführt haben. Wir haben aus Kreisen der Besatzungsverdrängten die Mitteilung erhalten - und sie läßt sich beweisen -, daß der zuständige amerikanische Offizier Kirchenbauer in Frankfurt am Main seit 1948 zirka 3500 Schadensfälle unbearbeitet hat liegen lassen. Man kann sich den Zustand vorstellen, in welchem die Besatzungsverdrängten sich befinden.
Ich darf vielleicht zur Charakterisierung, wie die Dinge in der Praxis behandelt werden, einen besonderen Fall herausgreifen, der beileibe keinen Einzelfall darstellt, sondern neben dem eine beliebige Anzahl anderer Fälle genannt werden kann. Es handelt sich um den Fall der Firma Schneider, deren Betrieb in Frankfurt/Main-Zeilsheim am 25. 9. 1945 beschlagnahmt worden ist. Zum Zeitpunkt der Beschlagnahme war der Betrieb in 100%ig gebrauchsfertigem Zustand. Wir hatten Gelegenheit, die darüber vorliegenden Dokumente sehr eingehend zu prüfen. Am 25. 9. 1949 erfolgte die Auflösung des DP-Lagers und die Freigabe dieses Betriebes. Bei der Freigabe ist durch die IRO sowie durch das Besatzungsamt festgestellt worden, daß von dem übergebenen, 100 % ig gebrauchsfertigen Betrieb außer 14 Maschinen in ruiniertem Zustand nichts mehr vorhanden war. Das Frankfurter Besatzungskostenamt hat den entstandenen Schaden restlos als zu Recht bestehend anerkannt. Die Firma - es ist keine große Firma - hat nun versucht, schnellstens zu einer Erledigung ihrer Angelegenheit zu kommen. Sie hat mit Genehmigung des Besatzungskostenamtes mit der IRO Verhandlungen über die Schadensvergütung und die Vergütung des Verdienstausfalls geführt. Nach wiederholten mündlichen Verhandlungen mit dem zuständigen Offizier der IRO wurde dieser Fall
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als Nr. 1 in die Akten eingereiht. Als er zum Abschluß kommen sollte, wurde die zuständige Dienststelle aufgelöst. In der Zwischenzeit haben sich sowohl die hessische Regierung wie das Besatzungskostenamt Frankfurt sehr stark darum bemüht, gerade diesen Fall als Präzedenzfall herauszustellen und in Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Stellen eine endgültige Klärung dieser Angelegenheit zu erreichen. Die Klärung ist allerdings bis heute nicht erfolgt. Dabei ist auch die Gattin des amerikanischen Hohen Kommissars eingeschaltet worden. Am 11. Januar 1950 schreibt auf einen diesbezüglichen Brief der Firma Schneider Frau Ellen McCloy:
Ihr Schreiben hat mein volles Verständnis gefunden, und es tut mir leid, daß Sie soviel Enttäuschungen erlebt haben. Ich will versuchen, Ihnen zu helfen, soweit das in meiner Macht liegt. Zunächst einmal werde ich veranlassen, daß Mr. Hanson befragt wird. Und ich hoffe, daß etwas Gutes dabei herauskommt.
Gutes ist dabei bis jetzt noch nicht herausgekommen. Aber das eine ist herausgekommen: daß der zuständige Offizier auf wiederholte mündliche Vorsprachen erklärt hat, daß keine Möglichkeit bestehe; diese Fälle in einer verhältnismäßig kurzen Zeit zu behandeln, sondern daß für die Behandlung derartiger Angelegenheiten 90 Tage vorgeschrieben seien. Das Hauptquartier in Heidelberg hat in dieser Angelegenheit ebenfalls nichts tun können. Die Firma hat sich weiterhin erneut an die Frau des Hohen Kommissars gewendet, die wieder geantwortet hat, daß sie den Brief erhalten hat und daß sie sofort nachforschen lassen wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe diesen Einzelfall herausgegriffen, um Ihnen zú zeigen, wie man heute mit den Besatzungsverdrängten umspringt, welche Methoden von den Stellen angewendet werden, die für sich in Anspruch nehmen, in Deutschland als sogenannte Sicherheitsbehörde gewertet zu werden. Ich glaube, es ist höchste Zeit, daß wir von seiten dieses Parlaments alles daran setzen, um zu erreichen, daß die Frage der Leistungen an Besatzungsverdrängte in eigener deutscher Zuständigkeit erledigt wird. Es ist höchste Zeit, daran zu denken, daß die Besatzungstruppen verschwinden, damit derartige Dinge nicht mehr in Erscheinung treten.
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Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit ist seit Monaten in Verhandlung mit den amerikanischen Dienststellen. Es trifft zu, daß die Abwicklung der Belegungsschäden in der amerikanischen Zone außerordentlich langsam vor sich geht; das ist uns bekannt. Das Bundesfinanzministerium hat, kurz nachdem es in diesem Sommer die Bearbeitung der ganzen Besatzungskostenfragen von den Ländern übernommen hat, bereits Anfang Juli die Angelegenheit mit Nachdruck in dem alliierten Ausschuß für Besatzungskosten zur Sprache gebracht und seit dieser Zeit häufig an die Angelegenheit erinnert. Wir haben ferner dem amerikanischen Hohen Kommissar Listen der noch unerledigten Fälle eingereicht.
Leider ist die Angelegenheit zur Zeit noch völlig in der Zuständigkeit der Alliierten. Was die Fälle betrifft, die in Hessen und insbesondere in Frankfurt anhängig sind, so haben wir einen Bericht des hessischen Finanzministeriums angefordert, da der Bund auf der Mittel- und Unterstufe keine Dienststellen unterhält. Uns hat das hessische Finanzministerium jetzt berichtet, daß die Zahl der in Frankfurt rückständigen Fälle zwar nicht 3500, aber immerhin noch 880 beträgt. Von diesen Fällen stammen 237 Anträge aus dem Jahre 1949, die also im Jahre 1949 vorgelegt, aber nahezu restlos wegen Unvollständigkeit zurückgegeben und dann erneut eingereicht worden sind. Der Rest der Fälle ist seit dem Januar 1950 eingereicht worden.
Die Bundesregierung wird weiter alles, was in ihren Kräften steht, dafür einsetzen, um zu einer beschleunigten Erledigung zu kommen. Ich stimme aber mit den Herren Antragstellern darin überein, daß eine befriedigende, zweckmäßige und prompte Erledigung aller dieser Dinge erst dann möglich ist, wenn sie vollständig in deutsche Zuständigkeit übergegangen sein werden.
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Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist Überweisung des Antrages an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten vorgeschlagen.
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Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist demnach so beschlossen.
Punkt 13 der Tagesordnung ist zurückgezogen. - Punkt 14 ist erledigt, Punkt 15 ist erledigt. Ich rufe nunmehr auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und Dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin ({1}) ({2}).
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({3}) ({4}).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Erler.
Erler ({5}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Es .ist Ihnen bekannt, daß die Berliner Wirtschaft erhebliche Kredite braucht, um die Betriebe in den Stand zu versetzen, trotz der ungünstigen Situation, in der sich die Stadt durch die Abschnürung von ihrem natürlichen wirtschaftlichen Hinterland befindet, ihren Produktionsaufgaben nachkommen zu können. Die Berliner Banken haben andere Voraussetzungen zu erfüllen, als es im allgemeinen im normalen Kreditgeschäft in Westdeutschland der Fall ist. Vielleicht ist dem einen oder anderen von Ihnen der humoristische Ausspruch bekannt, daß eine Bank ein Institut ist, das einem mit Vergnügen Geld leiht, wenn man ihm beweisen kann, daß man es nicht braucht. So ist es im allgemeinen. Die Banken fordern erhebliche Sicherheiten. Auch die Berliner Banken haben kein Geld zu verschenken. Auch sie müssen an die Kreditwürdigkeit ihrer Kreditnehmer die gleichen scharfen Anforderungen stellen, wie sie sonst im Wirtschaftsverkehr üblich sind.
Nun hat Berlin aus Gründen, die hier darzulegen ich nicht mehr unbedingt nötig habe - sie sind uns allen gut bekannt -, erhebliche Hilfen auch finanzieller Art erhalten, auch auf dem Kreditwege, um seinen Produktionsapparat wieder in Gang zu
4106 Deutscher- Bundestag ({6})
bringen. Der Berliner Wirtschaft sind in nicht unerheblichem Ausmaße Investitionsmittel aus ERP-Krediten zugeflossen. Aber diese Kredite gelten nur für Investitionsaufgaben. Jeder, der sich etwas mit der Verwendung dieser Kredite auch in der sonstigen deutschen Wirtschaft befaßt hat, hat immer wieder die Erfahrung machen müssen, daß es sehr häufig dann den gleichen begünstigten Betrieben an den notwendigen Betriebsmitteln fehlt; denn was nützt das Geld für die Anschaffung von Maschinen, für den Ausbau von Fabrikationseinrichtungen, für den Wiederaufbau von Gebäuden, wenn man nicht gleichzeitig auch die Mittel hat, um nun die Arbeiter bezahlen zu können, um Rohstoffe einkaufen, Licht und Strom bezahlen zu können - alles das, was man für einen solchen Betrieb an Betriebsmitteln eben braucht.
Diese Lücke soll der vorliegende Gesetzentwurf schließen. Es sind darin Bundesbürgschaften bis zum Gesamtbetrage von 20 Millionen DM vorgesehen. Das Verfahren ist in den beiden beteiligten Ausschüssen des Bundestages - dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Hauhaltssausschuß - sehr eingehend erörtert worden. Wir haben die Richtlinien, die erarbeitet worden sind und die ausdrücklich in § 1 des Entwurfs erwähnt werden, gründlich durchgearbeitet und haben an Hand der Richtlinien eine Neufassung des ursprünglich vorgesehenen § 4 erarbeitet, die Sie jetzt in der Drucksache Nr. 1708 finden und die den Grundgedanken dieses Gesetzes etwas klarer zum Ausdruck bringt, als es vorher vorgesehen war.
Worauf wollen wir hinaus? - Der Bund soll Bürgschaften bis zum Gesamtbetrage von 20 Millionen DM geben. Es soll aber erreicht werden, daß in Wirklichkeit mehr an Krediten in die Wirtschaft hineingegeben wird, weil man davon ausgeht, daß nicht jeder dieser Kredite, für die eine Bundesbürgschaft in Frage kommt, nun unbedingt schwach werden soll und muß. Eine gewisse Obergrenze war jedoch erforderlich. Sie finden diese Obergrenze in § 3 des Entwurfs, in dem es heißt, daß insgesamt auf Grund dieses Gesetzes nur Kredite, für die Bürgschaften gegeben werden, bis zur Gesamthöhe von einhundert Millionen D-Mark eingeräumt werden sollen.
Außerdem sollten natürlich die kreditgebenden Institute an dem Risiko beteiligt werden, um es ihnen nicht zu leicht zu machen, aus fremden Geldern Kredite zu geben. Daher ist festgelegt, daß der Bund bei einem Ausfall unter allen Umständen - soweit er die Bürgschaft gegeben hat - nur bis zu 90 % dieses Ausfalles haftet, so daß ein Kreditinstitut die restlichen 10 % selbst tragen müßte.
Das sind die Grundlagen, die Sie in dem vorbereiteten Gesetzentwurf finden. Sie werden noch eine weitere Änderung finden, die gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage eingetreten ist. Es ist dies die Änderung, die der Ausschuß zu § 2 in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Bundesrates, denen auch die Bundesregierung in ihrem Gutachten gefolgt ist, beschlossen hat. Und zwar haben wir im § 2 die ursprünglich vorgesehene Beschränkung auf Banken, die bei Inkrafttreten des Gesetzes ihren Sitz in Westberlin hatten, sowie auf kreditnehmende Unternehmungen, die am 1. September 1950 ihren Sitz in Westberlin hatten, gestrichen. Der Grund dafür ist sehr einfach. Er ist darin zu erblicken, daß es, wie sich aus den Richtlinien ergibt, in Berlin Gott sei Dank auch neue Unternehmen gibt, die inzwischen ihre Produktion aufnehmen
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und denen man doch diese Kreditquelle nicht verschließen darf. Für die Banken ist der Grund darin zu suchen, daß sich das Berliner Bankwesen im ganzen in einer erheblichen Umstellung befindet und man auch neuen Banken das Tätigwerden auf diesem Gebiet der Kreditversorgung der Berliner Wirtschaft nicht untersagen sollte.
Das sind die Grundgedanken dieses Gesetzes. Ich darf Ihnen noch mitteilen, daß die beiden Ausschüsse übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen sind, dem Bundestag die Annahme des Gesetzes in der vorliegenden Form empfehlen zu können.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat war der Ansicht, daß sich eine Aussprache in der Vollsitzung erübrigt, da der Ausschuß die Vorlage einstimmig angenommen hat.
({0})
Da keine Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache der zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1, - § 2, -- § 3, - § 4, - § 5, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen eine Stimme angenommen. Damit ist die zweite Beratung erledigt.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Da hiermit die Aussprache eröffnet ist, bitte ich, meine Damen und Herren, Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorschlagen zu dürfen.
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Meine Damen und Herren! Ich habe schon mehrfach die Stellungnahme meiner Fraktion zu den Problemen in Berlin dargelegt. Wir sehen in diesem Entwurf eine Fortsetzung der Zuschußpolitik für Berlin. Westdeutschland soll Bürgschaften für Privatbanken, für Kredite an Unternehmungen in Westberlin übernehmen, die nicht über gebührende Sicherheit verfügen. Man muß damit rechnen, daß die gegebenen Gelder wiederum verloren sind.
({0})
Wir sehen in dieser Politik keine Lösung für Berlin. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß die Einheit Berlins wiederhergestellt und die Berliner Wirtschaft wieder mit ihrem natürlichen Wirtschaftsraum verbunden werden muß. Die Wirtschaft Berlins benötigt zum Leben ohne Kredite,
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ohne verlorene Zuschüsse den freien Handel mit den übrigen Gebieten der Deutschen Demokratischen Republik und den Völkern des Ostens.
Aus dieser Erkenntnis können wir der Vorlage nicht unsere Zustimmung geben; die kommunistische Fraktion wird gegen diese Vorlage stimmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
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Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der bei der zweiten Lesung beschlossenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen! - Das Gesetz ist damit in dritter Lesung gegen eine Stimme angenommen.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, folgendes bekanntzugeben. Im Interesse einer beschleunigten Drucklegung der Stenographischen Berichte werden die Redner gebeten, die ihnen zur Durchsicht zugehende Niederschrift ihrer Reden möglichst bald, jedenfalls noch heute - vor ihrer Abreise -, an den Stengraphischen Dienst zurückzugeben. Ich bitte Sie freundlichst, dieser Anregung zu folgen.
Ich rufe auf Punkt 17 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht Nr. 12 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
Wird dazu das Wort gewünscht?
({1}) - Herr Abgeordneter Kahn, bitte!
Herr Präsident! Hohes Haus! Der Ausschuß für Petitionen hat im abgelaufenen Jahr fast 7000 Eingaben, Bitten und Beschwerden erledigt. Ich glaube dies den Damen und Herren des Hohen Hauses deshalb bekanntgeben zu dürfen, damit sie aus der Unzahl von Eingaben ersehen, wie groß das Ausmaß der Arbeit dieses Ausschusses ist, eines Ausschusses, der leider Gottes zum Brief- und Bettelkasten unseres deutschen Volkes geworden ist. Dabei gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß im neuen Jahre, im Jahre 1951. die Anzahl dieser Eingaben geringer sein wird und damit vielleicht auch die Not und das Elend unseres deutschen Volkes geringer sein werden.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Abgeordneten Kahn für diese Feststellung und diese Worte dankbar, well sie nach meiner Überzeugung imstande sind, dazu beizutragen, an einem bestimmten Ausschnitt deutlich zu machen, welches Maß von Arbeit im Bundestag und insbesondere von seinen Ausschüssen geleistet wird, ohne daß das in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, auch ohne daß es von bestimmten illustrierten Zeitschriften, die Zeichnungen über den Bundestag veröffentlichen, zur Kenntnis genommen wird.
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Meine Damen und Herren! Ich stelle fest, daß das Haus den Umdruck Nr. 30, Übersicht Nr. 12 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestags über Petitionen, zur Kenntnis genommen hat. Ich nehme an, daß dieser Punkt der Tagesordnung als erledigt betrachtet werden kann.
Ich rufe auf Punkt 18:
Beratung der Übersicht Nr. 13 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestags über Petitionen ({1}).
Dafür gilt dasselbe.
Weiter wurde mir noch ein Antrag der Bayernpartei zugeleitet.
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- Ich wollte Ihnen auch vorschlagen, diesen Punkt nicht mehr zu behandeln, da er zu einem bereits erledigten Punkt der Tagesordnung gehört.
Schließlich habe ich bekanntzugeben, daß um 16 Uhr der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zusammentreten soll.
Zum Schluß habe ich die amtliche Mitteilung nachzutragen, daß der Herr Bundesfinanzminister mit Schreiben vom 14. Dezember 1950 die Anfrage Nr. 131 der Fraktion des Zentrums betreffend Erhöhung der Mindestreservesätze durch den Zentralbankrat beantwortet hat. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1714 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung und gleichzeitig am Ende des letzten Plenarsitzung dieses Jahres.
Meine Damen und Herren! Sämtliche Mitglieder dieses Hauses blicken auf dieses Jahr zurück, zwar nicht mit dem Gefühl der Genugtuung, daß alle Aufgaben, die uns zugeleitet wurden, erfüllt worden sind, aber - ich darf doch sagen - mit dem Gefühl der Genugtuung, daß sich alle Teile dieses Hauses und alle Mitglieder dieses Hauses - von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen - darum bemüht haben, die ihnen durch das Grundgesetz übertragenen Aufgaben wahrzunehmen. Ich muß hier feststellen, daß in diesem Hause, in seinen Ausschüssen und allen sonstigen Stellen, an denen Abgeordnete dieses Hauses vertreten waren, ein großes Maß von Arbeit geleistet worden ist, das getragen war von der Verantwortung für die Wohlfahrt des deutschen Volkes. Ich möchte das am Ende dieses Jahres ausdrücklich ausgesprochen haben und knüpfe daran die sichere Erwartung, daß wir, wenn wir uns am 10. Januar nächsten Jahres zur ersten Plenarsitzung wieder zusammenfinden, ein Jahr der Arbeit beginnen, in dem wir, wie wir hoffen, manche Aufgabe werden erfüllen und manches Ziel werden verwirklichen können, das in diesem Jahre noch nicht erreicht werden konnte.
Ich wünsche Ihnen allen, meine Damen und Herren, ein gesegnetes Weihnachtsfest. Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr und hoffe. daß Sie in dieser Pause der Sitzungen zwischen dem alten und dem neuen Jahr die Kraft sammeln. um mit neuer Freudigkeit im neuen Jahr wieder ans Werk gehen zu können.
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Ich schließe die Sitzung.