Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 107. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte, die Namen der entschuldigten und der kranken Abgeordneten zu verlesen.
Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Baumgartner, Rümmele, Kalbfell, Glüsing, Zinn, Wittenburg, Niebergall.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Ritzel, Agatz, Dr. Glasmeyer, Paschek und Gerns.
Meine Damen und Herren! Am heutigen Tage feiert der Alterspräsident unseres Hauses, Herr Abgeordneter Paul Löbe, seinen 75. Geburtstag. Ich habe ihm die Glückwünsche des Deutschen Bundestages schriftlich übermittelt und ihm auch namens des Hauses ein Geschenk überreichen lassen. Ich möchte aber die Gelegenheit dieser Sitzung benutzen, um auch an dieser Stelle unserer Verehrung Ausdruck zu geben und unsere Glückwünsche auszusprechen. Ich glaube, wir wissen es zu würdigen, was es bedeutet, wenn in dieser Weise ein Leben im Dienste der deutschen Demokratie ausgefüllt ist. Ich möchte glauben, daß wir alle uns das Wort, mit dem unser Kollege Löbe seine Lebenserinnerungen schließt, merken und es beherzigen sollten: Der Erfolg unserer Mühen wird um so größer und nachhaltiger sein, wenn er durch das gute Beispiel im persönlichen Leben, durch edles Menschentum geadelt ist.
({0})
Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für die weiteren Bekanntmachungen.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 1. Dezember 1950 die Anfrage Nr. 137 der Fraktion der KPD betreffend Fotomaterial aus den Ostgebieten - Drucksache Nr. 1582 - beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 1694 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 27. November 1950 über die Ergebnisse der Überprüfung der Auswirkungen des § 23 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes gemäß der Entschließung des Deutschen Bundestages in seiner 53. Sitzung vom 28. März 1950 berichtet. Das Schreiben trägt die Drucksachennummer 1692.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 30. November 1950 in Erledigung des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 57. Sitzung vom 31. März 1950 betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs über die bundeseinheitliche Prädikatisierung von Filmen durch die Bundesregierung über die in dieser Angelegenheit erfolgten Schritte berichtet. Danach ist die Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs nicht möglich, nachdem die Herren Kultusminister die Zustimmung dazu versagt haben. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 1702 verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung bitte ich noch folgendes zur Kenntnis nehmen zu wollen. Ich bin gebeten worden, den Punkt 14 der Tagesordnung betreffend Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen möglichst weit nach
({0})
vorn zu ziehen, da der Rechtsausschuß des Deutschen Bundesrats tagt und bereit ist, wenn dieses Gesetz verabschiedet sein sollte, es noch heute auch im Bundesrat zu beraten. Das gleiche gilt für den Punkt 1 der Tagesordnung, den wir darum schon nach vorn genommen haben. Ich schlage Ihnen vor, Punkt 14 der gedruckten Tagesordnung als Punkt 2 zu behandeln.
Weiterhin darf ich auf einen Druckfehler aufmerksam machen. Der unter Punkt 18 an zweiter Stelle angegebene Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik - Drucksache Nr. 1679 - gehört zu Punkt 17 der Tagesordnung. Ich bitte, das in Ihrem Exemplar berichtigen zu wollen.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat mir eine Erklärung zugeleitet, die sie gemäß § 85 der Geschäftsordnung bekanntgeben will. Ich bitte den Herrn Abgeordneten Mellies, außerhalb der Tagesordnung dazu das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages sieht sich gezwungen, folgende Erklärung abzugeben.
Unter Bruch seines gegebenen Versprechens nimmt Hedler heute wieder an der Sitzung des Bundestages teil. Hedler hat sein Mandat unter Anwendung krimineller Mittel erschlichen.
({0})
Die sozialdemokratische Fraktion sieht Hedler deshalb nicht als Abgeordneten des Bundestages an.
({1})
Der Herr Abgeordnete von Thadden hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Herr Abgeordneter von Thadden, ich mache Sie aber von vornherein darauf aufmerksam, daß eine Erwiderung auf Erklärungen gemäß § 85 nicht möglich ist, da Erklärungen gemäß § 85 nur abgegeben werden können, wenn sie vorher dem Präsidenten schriftlich mitgeteilt worden sind. Ich bitte also, nicht zum Inhalt dieser Erklärung Stellung zu nehmen. Eine Aussprache über diese Erklärung ist nicht möglich.
von Madden ({0}): Herr Präsident, das bedauere ich außerordentlich. Wir hatten nicht vor, hierzu Stellung zu nehmen.
({1}) Wir hatten nicht die Absicht, hier zu Ihrer Erklärung Stellung zu nehmen. Wir werden dies unter Bezugnahme auf den § 85 der Geschäftsordnung ebenfalls in der vorgeschriebenen schriftlichen Form tun. Denn wir müssen zweifelsohne zu dem Vorwurf Stellung nehmen, es seien von unserer Seite kriminelle Mittel angewandt worden.
({2})
Über diesen Tatbestand, was kriminell ist oder nicht, müssen wir uns dann noch unterhalten.
({3})
Ich habe davon Kenntnis genommen.
({0})
Herr Abgeordneter Renner, ich würde doch meinen, daß Sie sich am frühen Morgen nicht schon erregen sollten.
({1})
Es steht selbstverständlich der Gruppe der Deutschen Reichspartei frei, auch Erklärungen abzugeben. Ich möchte nur feststellen, daß der Abgeordnete Hedler mich durch ein Schreiben, das ich dem Ältestenrat zur Kenntnis gebracht habe, rechtzeitig davon unterrichtet hat, daß er nach Ablauf eines Jahres glaubt, nachdem sein Prozeß nicht erledigt sei, wieder an den Sitzungen des Bundestages teilnehmen zu können.
({2})
Ich möchte diese Angelegenheit damit zunächst als abgeschlossen betrachten.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({4}) ({5}).
({6})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Neuburger. Es wird Ihnen, meine Damen und Herren, eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. - Bitte, Herr Abgeordneter!
Neuburger ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Mündliche Bericht des Ausschusses liegt Ihnen in Drucksache Nr. 1678 vor. Sie ersehen daraus, daß der Ausschuß dem Hause nur an zwei Stellen eine materielle Änderung des Gesetzesinhalts vorschlägt und im übrigen das Gesetz in der Fassung, wie sie die Regierung hier vorgelegt hat, zur Annahme empfiehlt.
Wie bereits aus der Begründung des Gesetzes ersichtlich, war es notwendig, die Berlinhilfe bereits im laufenden Haushaltsjahr 1950/51 um 200 Millionen DM zu erhöhen. In unserem eigenen Haushalt sind für Berlinhilfe rund 320 Millionen DM vorgesehen. Es müssen also zusätzlich für das laufende - ich betone ausdrücklich: für das laufende - Haushaltsjahr 200 Millionen aufgebracht werden. Das laufende Haushaltsjahr ist zu drei Vierteln schon um. Durch Verhandlungen wurde die Möglichkeit eröffnet, aus ERP-Mitteln 125 von den 200 Millionen zu decken. Der Rest ist noch ungedeckt. Ein Teil dieses Restes soll durch diese Vorlage gedeckt werden. Die Erhöhungen, wie sie hier vorgesehen sind, bringen im Laufe eines Jahres rund 170 bis 180 Millionen; das macht für ein Vierteljahr und damit für das letzte Haushaltsvierteljahr 1950/51 rund 43 Millionen aus.
Man hat sich bei dieser Vorlage im wesentlichen an das bisher bereits bestehende Gesetz über die Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" gehalten und hat nur die Sätze erhöht, und zwar von 60 auf 75 Pfennig bis zu einem Arbeitslohn von 300 DM, von 1 auf 2 DM bei Einkommen über 500 DM und von 1 auf 3 DM bei Einkommen über 12 000 DM. Man hat also die Abgabe gesteigert von 20 bis 25 % bei den kleinen Einkommen, auf rund 300 %, also auf das Dreifache, bei den höheren Einkommen. Man hat also aus sozialen Gründen bewußt eine sehr weit auseinandergezogene Staffelung vorgesehen.
Trotzdem bestanden im Ausschuß Bedenken, ob diese Bemessungsgrundlage für die Abgabe „Not({8})
opfer Berlin" als sozial gerecht bezeichnet werden könnte.
({9}) Insbesondere wurde beanstandet, daß bei den kleinen Einkommen keinerlei Unterschiede in bezug auf den Familienstand gemacht wurden. Der Ausschuß hat sich daher entschlossen, bei den Einkommen bis zu 300 DM den Familienstand in der Weise zu berücksichtigen, daß bei Arbeitnehmern der Steuerklassen II und III keine Erhöhung eintritt.
Ein weiterer Antrag der Abgeordneten der SPD, die Abgabe bei den Körperschaftsteuerpflichtigen zusätzlich von 3 auf 4 DM zu steigern, wurde mit Mehrheit abgelehnt.
Unter Ziff. 3 wurde dann noch eine redaktionelle Änderung vorgenommen. Wir schlagen folgende Formulierung vor: „Die Geltungsdauer dieses Gesetzes erstreckt sich auf die Erhebungszeiträume, die spätestens am 31. Dezember 1951 enden."
Der Ausschuß hat unter dem Gesichtspunkt, daß schnelle Hilfe eine doppelte Hilfe bedeutet, weitere Bedenken zurückgestellt und empfiehlt demgemäß dem Hause die Annahme des Gesetzentwurfs in der abgeänderten Form.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei der ersten Beratung des Gesetzes angekündigt, daß wir versuchen würden, diese Abgabe in ihrer Form sozialer zu gestalten. Wir sind mit unseren Anträgen im Ausschuß nicht durchgedrungen, mit Ausnahme der Abänderung, die der Ausschuß, wie eben vorgetragen worden ist, bei der Einkommensgruppe bis zu 300 DM monatlich angebracht hat. Wir sind deswegen gezwungen, Ihnen diese Anträge noch einmal vorzutragen.
Wir halten, wie wir im Ausschuß zum Ausdruck gebracht haben, eine Erhöhung der Abgabe mindestens bei der niedrigsten Einkommensgruppe, die hier in Frage steht - das ist die Einkommensgruppe bis zu 300 DM -, nicht für tragbar. Wir beantragen deswegen - ich werde den Antrag dem Herrn Präsidenten sofort noch schriftlich übergeben -, im Art. 1 in Ziffer 1 des neugefaßten § 16 in la bei der Einfügung des Ausschusses und ebenso in 2a bei der fettgedruckten Einfügung des Ausschusses die Worte „der Steuerklassen II und III im Sinn des § 39" - bzw. „§ 32" - „des Einkommensteuergesetzes" zu streichen. Das bedeutet, daß die Abgabe dieser Einkommensgruppe nicht nur, wie vorgesehen, für Verheiratete nicht erhöht wird, sondern überhaupt nicht erhöht wird, auch nicht für Ledige.
Wir möchten ferner einen Antrag des Deutschen Industrie- und Handelstages aufgreifen, der aus den Erfahrungen der Lohnbüros darauf hinweist, welche Härten die heutige Form der Abgabe mit sich bringt, weil nämlich für jede angefangenen 100 DM Arbeitslohn bereits eine höhere Abgabestufe erreicht wird, während ein Ausgleich im Lohnsteuerjahresausgleich kaum oder überhaupt nicht möglich ist. Wir beantragen deswegen, im § 16 Ziffer 1, wo es heißt „Das ,Notopfer Berlin beträgt als Abgabe der Arbeitnehmer für jede angefangenen 100 Deutsche Mark abgabepflichtigen Arbeitslohn" statt „angefangenen" zu setzen „für jede vollen 100 Deutsche Mark abgabepflichtigen Arbeitslohn". Wir sind dem Deutschen Industrie- und Handelstag für seine Feststellung in der Begründung dankbar, die er für die Anregung gegeben hat, indem er schreibt: „Die bisherige Handhabung des ,Notopfer Berlin' führt jedenfalls zu einer erheblichen Benachteiligung der Lohnempfänger." Dies ist auch unser Standpunkt, und deswegen stellen wir diesen Antrag.
Der Ausfall, der durch diese Verbesserungen eintreten könnte, wird nach den Zahlen, die uns im Ausschuß gegeben worden sind, nicht sehr erheblich sein. Wir müssen ihn aber in Betracht ziehen und müssen versuchen, ihn auszugleichen. Wir beantragen deswegen, im § 16 Ziff. 3 der neuen Fassung, wo von der Abgabe der Körperschaften die Rede ist, statt „3 Deutsche Mark" „4 Deutsche Mark" zu setzen,
({0})
wodurch der Ausfall auf jeden Fall wettgemacht wird.
Ich werde diese Anträge noch schriftlich dem Herrn Präsidenten übergeben, möchte sie aber hiermit in der Generaldebatte schon gestellt haben.
Meine Damen und Herren, ich hatte nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht: Wir haben in der zweiten Lesung normalerweise keine Generaldebatte. Ich habe vielmehr nur die Aussprache zu Art. I eröffnen wollen. Wird zu Art. I das Wort weiterhin gewünscht?
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Bertram, bitte!
Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD findet unsere Unterstützung, und zwar aus folgendem Grunde: Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf werden uns eigentlich zwei Probleme gestellt. Das erste Problem liegt in der Tatsache, daß dieser Gesetzentwurf die Verlängerung der bisherigen Steuer bestimmt. Die bisherige Steuer läuft am 31. Dezember ab und muß nun verlängert werden. Daß das bisherige Gesetz ablief, war der Bundesfinanzverwaltung schon längere Zeit bekannt. Trotzdem haben wir diesen Gesetzentwurf erst jetzt kurzfristig vorgelegt bekommen. Nun ist infolge der Kürze der Zeit eine wesentliche Verbesserung des Entwurfs durch eine regelrechte Durchstaffelung des Tarifs, durch die Durchstaffelung eines selbständigen Tarifs natürlich außerordentlich schwer. Immerhin bedeutet aber der Vorschlag, wie er jetzt gemacht worden ist, eine wesentliche Verbesserung. Wenn man bedenkt, daß das Verhältnis des Aufkommens an Steuern aus der Lohnsteuer bei den Lohnsteuerpflichtigen im Verhältnis zum Aufkommen bei den zur veranlagten Einkommensteuer Herangezogenen sich bei diesem Gesetzentwurf wie 2 zu 1 verhält - im Unterschied zum Verhältnis des Aufkommens im allgemeinen, das sich wie 1 zu 1 verhält -, dann wird man die Streichung der Erhöhung der Berlin-Abgabe bei der untersten Stufe als einen berechtigten Versuch ansehen müssen, dieses ganz ungewöhnliche Verhältnis zwischen dem Aufkommen bei den Lohnsteuer- und Einkommensteuerpflichtigen zu verbessern. Wir werden deshalb diesem Abänderungsantrag zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
Ich müßte eigentlich zur Abstimmung über den Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Seuffert kommen, aber der Antrag liegt mir schriftlich noch nicht vor.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich muß dringend bitten, die Anträge der SPD, die Herr Kollege Seuffert soeben vorgebracht hat, abzulehnen.
Der Ausfall, den die Anträge bringen würden, würde nach unserer überschlägigen Berechnung durch den Zusatzantrag, in § 16 Ziffer 3 die Abgabe der Körperschaften von 3 DM auf 4 DM zu erhöhen, in gar keiner Weise ausgeglichen werden. Das Gesamterträgnis des „Notopfers Berlin" bei den Körperschaften ist 42 Millionen DM. Wenn ich also um ein Viertel erhöhen würde, kann das lediglich ein Mehr von ungefähr 10 Millionen DM bedeuten. Nach der überschlägigen Schätzung, die mir zur Verfügung steht, würden die anderen Anträge aber einen Ausfall von wenigstens 50 Millionen DM bringen. Es würde also das Ziel des ganzen Gesetzes - die Abgleichung des Haushaltes - nicht erreicht werden können; im Gegenteil: es würde ein Ausfall eintreten.
Ich muß bei der gegebenen Haushaltslage und bei unserer gemeinsamen Pflicht, an eine Abgleichung des Haushaltes zu denken, bitten, die Anträge der SPD abzulehnen.
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Seuffert hat namens der SPD-Fraktion beantragt
({0})
- ich bitte um einen Augenblick Aufmerksamkeit, damit Klarheit über die Anträge besteht -, in § 16 in der Fassung der Drucksache Nr. 1678 in Ziffer 1 statt „angefangenen" zu setzen „vollen"; also ich wiederhole: in § 16 im zweiten Absatz der Drucksache rechts unten in Ziffer 1 statt „angefangenen" zu setzen „vollen".
Dann in Ziffer 1 a) nach den Worten „jedoch bei Arbeitnehmern" und in Ziffer 2 a) nach den Worten „jedoch bei Abgabepflichtigen" jeweils die Worte „der Steuerklassen II und III im Sinn des § 39" - bzw. „§ 32" „des Einkommensteuergesetzes" zu streichen und drittens, in Ziffer 3 auf der rechten Seite unten auf Seite 3 dieser Drucksache statt „3 Deutsche Mark" zu setzen „4 Deutsche Mark".
({1})
- Es wird um Einzelabstimmung gebeten. Ich halte das für zweckmäßig.
Ich komme damit zur Abstimmung über die Abänderungsanträge, zunächst also über den Antrag, in Ziffer 1 statt „angefangenen" zu setzen „vollen"
- Ziffer 1 des Art. I. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist nach einstimmig geäußerter Überzeugung des Präsidiums die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über den zweiten Antrag abstimmen, in Ziffer 1 a) und in Ziffer 2 a) jeweils die Worte „der Steuerklassen II und III im Sinn des § 39" - bzw. „§ 32" - „des Einkommensteuergesetzes" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, Ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den dritten Antrag, in Ziffer 3 statt „3,00 Deutsche Mark" zu setzen „4,00 Deutsche Mark". Ich bitte um Abstimmung. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ebenfalls, und zwar mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Die Abänderungsanträge sind abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zur Abstimmung über Art. I in seiner Gesamtheit in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich eröffne die Aussprache über Art. II. - Keine Wortmeldungen. - Ich bitte um Abstimmung. - Art. II ist angenommen.
Einleitung und Überschrift. Ich bitte ebenfalls um Abstimmung. - Angenommen.
Damit ist die zweite Lesung des Gesetzes beendet. Ich komme zur
dritten Beratung
des Gesetzes.
Sind Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin": Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen! - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, mir ist vorgeschlagen worden, die Beratung des Punktes 2 der Tagesordnung - ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen - zurückzustellen, bis der Herr Bundeswirtschaftsminister zur Verfügung steht; wahrscheinlich heute nachmittag. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe jetzt gemäß der vorhin gemachten Mitteilung Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({3}) ({4}).
({5})
Der Ältestenrat schlägt eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Kühn. Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Kühn ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 2. Dezember - also vor wenigen Tagen - hat sich der Tag gejährt, an dem dieses Hohe Haus den Beschluß faßte, daß gemäß Art. 131 des Grundgesetzes sobald als möglich die gesetzliche Regelung für die unter diesen Artikel fallenden Personenkreise erfolgen sollte. Es sind nunmehr Monate ins Land gegangen und es ist bisher noch nicht möglich gewesen, diesen Gesetzentwurf zur Verabschiedung zu bringen.
Im Juli dieses Jahres hat die Freie Demokratische Partei, um einen besonderen Fragenkomplex
({7})
vorab zu regeln, einen Gesetzentwurf eingebracht, der sich mit der Wiederanstellung und Wiedereingliederung dieses umfangreichen Personenkreises zu Art. 131 des Grundgesetzes befassen sollte. Im August erst ist dann, ohne daß der FDP-Entwurf behandelt werden konnte, der Regierungsentwurf zum Art. 131 dem Hohen Hause zugegangen. Trotzdem der Beamtenrechtsausschuß, dem dieser Entwurf als dem federführenden Ausschuß zugeleitet wurde, sich jegliche Zeit genommen hat, die überhaupt nur zur Verfügung stand, um den Gesetzentwurf zu beraten, ist es doch nicht möglich gewesen, ihn noch in diesem Jahre zu verabschieden. Daß die Beratungen so lange dauern, liegt einfach daran, daß der gesamte Fragenkomplex sowohl in rechtlicher als auch in finanzieller Beziehung außerordentlich schwierig ist. Es hat sich vielfach erst im Laufe der Beratungen gezeigt, welche Fragen hier gelöst werden müssen.
Ich darf das Haus um etwas größere Aufmerksamkeit bitten.
Kühn ({0}), Berichterstatter: Diese lange Dauer der Beratungen hat aber zu einem mißlichen Zustand geführt insofern, als wir hier immer mehr feststellen mußten, daß die Behörden der Länder und Gemeinden in zunehmendem Maße Entscheidungen auf personalpolitischem Gebiet trafen, die geeignet erscheinen konnten, die geplanten Unterbringungsmaßnahmen - und das war ja ein erheblicher Komplex dieses Gesetzentwurfs - unwirksam zu machen. Es wurden freiwerdende Planstellen besetzt, zum Teil auch mit Nichtfachleuten, und damit wurden gerade Freiplätze weggenommen, die in erster Linie den verdrängten Beamten und den Vertriebenen zur Verfügung stehen sollten. Zahlreiche Beamte aus diesem Personenkreis waren zwar wieder eingestellt, aber sie befanden sich nicht in einem Beamtenverhältnis, sondern sie waren vielfach auch in einem Angestelltenverhältnis tätig und besetzten damit Planstellen. Dann ist vielfach von den Behörden gesagt worden, man könne diese Planstellen besetzen, die Beamten aber nicht sofort wieder zu Beamten machen, sondern man müsse erst das Gesetz zu Art. 131 abwarten. Es kam sogar vor, daß jetzt, nachdem der Gesetzentwurf eingebracht war, eine Reihe von solchen Beamten, die in Angestelltenstellen tätig waren, vorsorglich gekündigt wurden. Die Unterbringung war jedenfalls gefährdet, obwohl wir der Meinung waren - das ist auch seinerzeit bei der Einbringung des Gesetzentwurfs der FDP deutlich zum Ausdruck gekommen -, daß gerade die Unterbringung auch die entscheidende und wirksame Hilfe für die verdrängten und vertriebenen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sein sollte.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit ausdrücklich betonen, daß diese Unterbringungsmaßnahmen in keiner Weise etwa eine Rolle spielen sollten gegenüber der Versorgung, den Bestimmungen über Pensionen und derartige Dinge; denn es ist klar, daß gerade auch dieser Personenkreis unter der Not der Zeit außerordentlich leidet und daß beide Probleme - sowohl das Unterbringungsproblem als auch das Versorgungsproblem - nebeneinander behandelt werden müssen.
Aber, meine Damen und Herren, es ist doch klar, daß sich, je mehr es uns gelingt, Menschen aus dem Personenkreis des Art. 131 des Grundgesetzes unterzubringen, auf der anderen Seite um so mehr die Versorgungslast nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder und der Gemeinden verringert. Dem Beamtenrechtsausschuß wurde deshalb bei der Beratung aller dieser Dinge die Anregung gegeben, man sollte doch mit Rücksicht auf die Gründe, die ich eben vorgetragen habe, den Versuch machen, einen Teil dieses Gesamtkomplexes vorab in einem Sondergesetz, das Sofortmaßnahmen durchsetzen sollte, zu verabschieden. Diese Regelung erschien aus den Gründen, die ich vorgetragen habe, besonders dringend erforderlich. Deshalb ist in einer Art Gemeinschaftsarbeit zwischen dem Beamtenrechtsausschuß, den Vertretern des Bundesrats und denen der Regierung der Entwurf eines Gesetzes über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen vorgelegt worden, der Ihnen unter Drucksache Nr. 1672 vorliegt.
Ich darf Ihnen die Hauptgesichtspunkte vortragen, die bei diesem Gesetzentwurf berücksichtigt worden sind. Vorab möchte ich betonen, daß dieses Gesetz, wie es im Art. 1 heißt, nur auf begrenzte Dauer, bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen wirksam werden soll. Wir sind uns klar darüber, daß das nur eine verhältnismäßig kurze Zeit sein kann, aber wir glauben, daß in dieser Beziehung endlich einmal etwas geschehen muß und daß auch in dieser Zeit bis zum Inkrafttreten des endgültigen Gesetzes gewisse Erfahrungen gesammelt werden müssen, damit man sieht, wie sich denn nun die Besetzung der für diesen von mir genannten Personenkreis in Frage kommenden Stellen gestaltet.
In § 1 dieses Gesetzentwurfs ist zunächst festgelegt, daß alle freien, freiwerdenden und neugeschaffenen Beamten- und Richter-Planstellen und Stellen für Angestellte der Vergütungsgruppen TOA VI bis S - das ist die Sondergruppe - bei Bund, Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden - das sind die Gebietskörperschaften - sowie auch bei den in der Bundesrepublik vorhandenen Nichtgebietskörperschaften nur nach Ausschreibung besetzt werden dürfen. Das bedeutet also, daß zunächst einmal für den Personenkreis der sogenannten 131er eine besondere Bestimmung getroffen wird, wonach diese Stellen ihnen zur Verfügung stehen sollen. Es ist aber damit keine besondere Einengung der Entscheidung, wen man nun nehmen will, getroffen, denn es wird ja nach den Erfahrungen, die wir bisher gehabt haben, so vor sich gehen, daß bei der Ausschreibung einer solchen freien Stelle, die hier in Frage kommt, sich sehr viele melden werden. Es sind meist genügend qualifizierte Beamte und Angestellte vorhanden, und dann hat die betreffende Behörde immer noch die Möglichkeit, aus diesem großen Personenkreis einen, der die Stelle einnehmen soll, auszuwählen. Zur Besetzung ist dann aber für den Bereich der Bundesverwaltung die Zustimmung des Bundesministers des Innern und für den Bereich der übrigen Dienststellen die der zuständigen obersten Landesbehörde nötig.
Hier, meine Damen und Herren, muß ich gleich noch eine Abänderung vortragen. Wir sind der Meinung, daß es nicht zweckmäßig ist, die oberste, die alleroberste Behörde zu veranlassen, bei jeder einzelnen Stelle die Zustimmung zur Besetzung zu geben. Deshalb hat der Ausschuß, wie es auch in dem Umdruck, der Ihnen vorliegt, festgelegt ist, eine Abänderung beschlossen, wonach es zur Besetzung der Zustimmung bedarf 1. für den Bereich
({1})
der Bundesverwaltung der obersten Dienstbehörde und 2. für den Bereich der übrigen Dienstherren der zuständigen obersten Landesbehörde. Die Erteilung der Zustimmung kann der höheren Verwaltungsbehörde übertragen werden.
Das bedeutet also, daß hiermit die Möglichkeit gegeben ist, etwa den Regierungen, den Oberpostdirektionen, den Bundesbahndirektionen und den Oberfinanzdirektionen dieses Zustimmungsrecht zu übertragen. Das scheint uns auch deshalb richtig, weil sich sonst ein zu großer Verwaltungsaufwand ergeben könnte.
Im § 2 sind dann nähere Bestimmungen über die Zustimmung zur Besetzung dieser Stellen getroffen worden. Wenn Sie sich die Ziffer 1 in diesem Paragraphen ansehen, so werden Sie vielleicht sagen, daß die Personen, die dort genannt sind - es handelt sich um die sogenannten Opfer des Nazismus, also um diejenigen Personen, die durch nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahmen aus politischen, rassischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen vor dem 8. Mai 1945 aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sind -, eigentlich gar nicht in den Bereich dieses Gesetzes gehören, wenn sie nicht ausdrücklich Verdrängte, Vertriebene, also sogenannte 131er sind. Aber der Ausschuß war der Ansicht, daß gerade für diesen an sich nicht sehr großen Kreis doch auch diese besonderen Unterbringungsbestimmungen getroffen werden sollten. Deshalb hat man sie hier in § 2 des Entwurfs unter Ziffer 1 festgesetzt.
Die weiteren Bestimmungen dieses Paragraphen über den Personenkreis halten sich etwa in der Linie, wie sie der Ausschuß bisher auch schon im Gesetz zu Art. 131 festgelegt hat. Es handelt sich hierbei um Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes mit einer Dienstzeit von mindestens 10 Jahren. Wir waren im Ausschuß der Meinung, daß man gerade diejenigen zunächst einmal vordringlich unterbringen sollte, die schon etwas älter sind, die Familie haben und die sich seit sechs Jahren doch in einer außerordentlichen Notlage befinden. Es kommen weiter diejenigen Personen, Beamten usw. in Frage, die bei einer Dienststelle des Reichs, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes außerhalb des Geltungsgebiets des Grundgesetzes in Dienst standen, Bestimmungen, wie sie auch im zukünftigen Gesetz zu Art. 131 enthalten sein werden. Unter c) werden schließlich noch die Personen genannt, die bei einer staatlichen oder kommunalen Dienststelle der autonomen Verwaltung des ehemaligen Protektorats Böhmen und Mähren als deutsche Staatsangehörige standen und unter den gleichen Voraussetzungen, wie vorhin gesagt, entlassen worden sind.
Unter Ziffer 3 ist ein Personenkreis aufgeführt, der auch unter Art. 131 fällt, nämlich die Gruppe der Berufssoldaten der früheren Wehrmacht mit einer Dienstzeit von mindestens zehn Jahren.
Im Abs. 2 sind schließlich noch die Bestimmungen über die Nichtgebietskörperschaften enthalten.
Nun war noch die Methode zu regeln, nach der besetzt werden soll. In § 3 heißt es:
Die Zustimmung zur Besetzung kann ferner
erteilt werden bei jeder dritten zu besetzenden Stelle für Beamte und Angestellte ...
Dieser Absatz des § 3 behandelt praktisch die
sogenannten entnazifizierten Einheimischen. Es
scheint richtiger zu sein, daß man diese Menschen,
wo es nur irgend möglich ist, wiederbeschäftigt,
als daß man ihnen eventuell in irgendeiner Form I eine Art Wartegeld oder Versorgung bezahlt und die Betreffenden- dann dafür nichts tun. Die Zustimmung zur Besetzung ist auch für andere Personen zu erteilen, wenn mindestens 20 vom Hundert der Gesamtzahl der Stellen des Dienstherren mit Personen aus diesem Personenkreis besetzt sind. Diese 20 % sind eine Zahl, die bei den Beratungen zu dem endgültigen Gesetzentwurf zu Art. 131 eine Rolle spielt. Wir glaubten, auch in dem vorläufigen, dem Sofortmaßnahmengesetz, diese Zahl festlegen zu sollen.
Eine besondere Erleichterung liegt darin, daß bei denjenigen Stellen, wie es weiter im § 3 Abs. 2 Ziffer 2 heißt, die im Wege der Beförderung besetzt werden, die Zustimmung zu erteilen ist, sofern die Nichtberücksichtigung eines bereits im Dienst des Dienstherren stehenden Beamten eine unvertretbare Härte bedeuten würde, und ebenso, wie wir es auch im Gesetzentwurf zu Art. 131 vorgesehen haben, bei solchen Stellen, bei denen es sich etwa um Staatssekretäre oder Abteilungsleiter bei den Bundes- oder Landesministerien, um leitende Beamte des auswärtigen Dienstes, Leiter der den Bundes- oder Landesministerien unmittelbar nachgeordneten Behörden, oder Beamte auf Lebenszeit in leitender Stellung handelt. Es ist selbstverständlich, daß man diese Stellen nicht unter einem gewissen Druck besetzen soll.
Zu dem folgenden Absatz muß ich eine Änderung vortragen. Da heißt es bisher: „Richter der oberen Bundesgerichte"; statt dessen muß es, wie es auch in dem Umdruck Nr. 39 festgelegt ist, heißen: „Richter des Bundesverfassungsgerichts und der oberen Bundesgerichte sowie Richter der Gerichte der Länder, über deren Anstellung ein Richterwahlausschuß entscheidet." Das dürfte wegen der besonderen Stellung dieser Beamten notwendig sein.
Darf ich einen Augenblick unterbrechen, Herr Abgeordneter. Darf ich zur Klarstellung für das Haus fragen, ob es im § 3 Abs. 2 Ziffer 2 Buchstabe b letzter Absatz, wo Sie eben den Abänderungsantrag des Beamtenrechtsausschusses vorgetragen haben, dann weiter heißen soll: „Vertreter von Nichtgebietskörperschaften" oder ob der Schluß des Absatzes wegfallen soll.
kühn ({0}): Ja, statt der Worte „Richter der oberen Bundesgerichte" heißt es jetzt: „Richter des Bundesverfassungsgerichts und der oberen Bundesgerichte sowie Richter der Gerichte der Länder, über deren Anstellung ein Richterwahlausschuß entscheidet", und dann geht es weiter wie bisher.
Im § 3 Abs. 1 wird hinter den Worten „bei jeder dritten zu besetzenden Stelle ({1})" eingefügt: „für Nachwuchskräfte des Dienstherrn oder ...", genau wie es auch im Umdruck Nr. 39 steht. Der Ausschuß war sich darüber klar, daß man den Klagen Rechnung tragen mußte, die von den Behörden aus hinsichtlich der Nachwuchskräfte kommen könnten, und daß man gerade bei den Behörden, den Gemeinden und Gemeindeverbänden in erster Linie den Nachwuchs hier mit in das Gesetz hereinnehmen sollte. Das ist durch diese Abänderung, wie sie im Umdruck Nr. 39 steht, geschehen.
Die hier im Gesetz stehenden Vorschriften mußten - wie ich offen sagen kann, im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Gemeinden und Gemeindeverbände - natürlich irgendwie gesichert werden, und deshalb hat man in § 5 die Vorschrift aufgenommen, daß bei Zuwiderhandlungen gegen
({2})
die Vorschriften der §§ 1 bis 3 eine Ausgleichsabgabe in Höhe des Betrages zu zahlen ist, der für die freigewordene Planstelle bisher aufgewandt wurde oder bei neugeschaffenen Stellen als durchschnittlicher Besoldungsaufwand vorgesehen ist. Diese Zuwiderhandlungen mußten selbstverständlich unter irgendeine, ich will einmal sagen geldliche Buße gestellt werden, weil wir - das muß ich offen bekennen - nicht den Eindruck haben, daß man nun besonders darauf erpicht ist, diese freien Stellen gerade für den großen Personenkreis. der sogenannten 131er zur Verfügung zu stellen.
Dieses Gesetz soll, wie es in Art. II heißt, am Tage nach der Verkündung in Kraft treten.
Vom Ausschuß ist weiterhin beschlossen worden - auch dies steht in dem Umdruck Nr. 39 -, daß man bezüglich Berlins eine Bestimmung aufnehmen sollte. Einmütig hat der Ausschuß mit den Vertretern der Regierung und den Vertretern des Bundesrats beschlossen, an das Ende des Gesetzes als § 6 die Bestimmung zu setzen, daß dieses Gesetz auch auf Personen Anwendung findet, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt in Berlin-West haben, sofern das Land Berlin eine gleichartige gesetzliche Regelung trifft und die Verpflichtungen übernimmt, die nach diesem Gesetz den Ländern obliegen. Das bedeutet also, daß die Beamten, Angestellten usw. in Berlin-West genau so behandelt werden wie die entsprechenden Beamten, Angestellten usw. in den Ländern der Bundesrepublik.
Im übrigen, meine Damen und Herren, sind wir uns darüber klar gewesen - ich möchte das noch einmal betonen -, daß dieses Sofortmaßnahmengesetz voraussichtlich, wie wir hoffen, in ganz kurzer Zeit wieder außer Kraft treten kann. Wir hoffen, daß wir in dem ersten Vierteljahr des Jahres 1951 endgültig mit dem Gesetzentwurf zu Art. 131 fertig werden. Dann soll dieses Gesetz wieder außer Kraft treten. Wir glauben, daß das erreicht werden kann. In diesem endgültigen Gesetz ist bezüglich der Frage der Wiederanstellung, Wiedereinstellung und Wiederbeschäftigung der Beamten ein besonderer Abschnitt vorgesehen. Wir hoffen jedenfalls, daß auch schon durch dieses Gesetz über die Sofortmaßnahmen in gewisser Beziehung eine Befriedung des gesamten Personenkreises eintritt. Man darf nicht vergessen, daß diese Menschen ja schließlich nunmehr seit 6 Jahren auf eine Regelung warten; und wir glauben, daß auch dieses Sofortmaßnahmengesetz dazu beitragen wird, in diesen Kreisen eine gewisse Befriedigung zu erreichen.
Ich möchte Sie deshalb namens des Ausschusses bitten, den Gesetzentwurf, den der Ausschuß Ihnen vorlegt, mit den von mir vorgetragenen Änderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, ich glaube also, daß wir der Besprechung die Drucksache Nr. 1672 in der Form des Umdrucks Nr. 39 zugrunde legen können.
Ich eröffne die Aussprache. Ich schlage vor, in der Einzelberatung nach einzelnen Paragraphen vorzugehen.
Ich rufe zunächst auf den § 1 des Art. I. Wird dazu das Wort gewünscht? - Es hat sich zunächst der Abgeordnete Dr. Kleindinst gemeldet. Wollen Sie dazu sprechen, Herr Abgeordneter?
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- Also dann Herr Abgeordneter Matzner zu § 1!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag der SPD, den Sie unter Umdruck Nr. 38 vor sich liegen haben, bedeutet folgende Änderung. Wir glauben, daß dieses Gesetz den Sinn haben soll, sofort, also vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Art. 131 des Grundgesetzes, die Personen unterzubringen, für die im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Unterbringungsmöglichkeit besteht. Wenn wir nun darüber hinaus diese Sicherung dadurch erreichen wollen, daß eine allgemein verpflichtende Ausschreibung aller Stellen gefordert wird, so sehen wir darin für den Personenkreis, dem wir nützen wollen, keinerlei Begünstigung. Ihnen das klarzulegen, ist der Sinn meiner Begründung.
Einmal wissen wir, daß es sich - wenigstens im gegenwärtigen Zeitpunkt - nur um sehr wenige Stellen handeln wird. Stellen Sie sich nun vor: wenn eine solche Stelle irgendwo im Bundesgebiet ausgeschrieben wird - und wir haben ja gehört, daß die Verbreitung dieser Ausschreibung, wie es vielleicht auch erwünscht ist, durch alle Zeitungen der Vertriebenen, durch die Verbände der Beamten, Verbaost usw., heute sehr weite Kreise zieht -, so könnte es und wird meistens vorkommen, daß eine Unzahl von Bewerbungen eintrifft. Wenn ein derartig großer Personenkreis sich hier zusammendrängt, so erschwert das nicht nur die Auswahl der betreffenden Personen, sondern es wird schon durch die Notwendigkeit von Fristen bei der Ausschreibung die Stellenbesetzung auf Monate hinaus verschieben können.
Ich glaube, daß wir den betroffenen Personenkreis - und es handelt sich ja nach unserem Willen, dem Willen des Beamtenrechtsausschusses um eine ganz kurze Übergangszeit -, daß wir den Geschädigten, die wir hier berücksichtigen wollen, am besten dienen, wenn wir jenes Verfahren anwenden lassen, das bis jetzt bei solchen Fällen üblich war; das heißt also, wir sind nicht gegen die Ausschreibung, sondern wir sind nur dagegen, daß jetzt in diesem Sofortmaßnahmengesetz die allgemeine Ausschreibung durch eine Mußbestimmung verfügt wird.
Wir wissen, daß bei einer ganzen Reihe von Stellen - und das ist in den Ländern und auch in den Gemeinden besonders der Fall, wo man nicht die Auswahl hat - jede Dienststelle selbst ein Interesse hat, eine Auswahl treffen zu können, damit sie unter dem Gesichtspunkt einer rationellen Verwaltung den bestgeeigneten Mann einstellt. Deswegen wollen wir in diesem Stadium diesen Dienstherren keine Beschränkung auferlegen, sondern wollen es bei dem bisherigen Zustand belassen, weil wir glauben, daß dadurch die Besetzung noch möglich wird, bevor das Gesetz zu Art. 131 in Kraft tritt. Wir sehen, wenn wir heute die Ausschreibung als verpflichtend beschließen, darin wirklich nichts mehr als eine Optik nach außen. Sie wird sich zum Schaden der Betroffenen auswirken. weil das ganze Verfahren verlängert wird, und es werden ungeheure Enttäuschungen eintreten.
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Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor: jeder - und der Ertrinkende greift nach jedem Strohhalm -, der nur für eine Stelle die Befähigung zu haben glaubt, wird nun einreichen; und da werden Gesuche zusammenkommen - ich will einmal bescheiden bleiben -, nehmen wir an 500, und 499 Bewerber werden immer wieder Enttäuschungen erleben. Das ist ein triftiger Grund. Wenn wir nun heute unbedingt auf der Ausschreibung bestehen, so können wir darin nur eine momentane Beruhigungspille sehen, die sich in den nächsten Monaten verhängnisvoll auswirken könnte, so daß die Verbitterung wächst.
Aber es ist noch ein anderer Grund, weswegen wir auf die Verpflichtung der Ausschreibung in diesem Gesetz verzichten müssen. Das ist folgender: Wir haben im Auge, daß das Gesetz zu Art. 131, dessen Vorläufer das Sofortmaßnahmengesetz ist, immerhin ein Ausnahmegesetz darstellt, ein notwendiges Ausnahmegesetz, weil wir eben nach einer derartigen Katastrophe in Ausnahmezeiten leben. Wenn wir aber ein Ausnahmegesetz schaffen müssen, das die Personalhoheit der verschiedensten Dienststellen wesentlich einschränkt, dann sollten wir es wenigstens unter dem Gesichtspunkt tun, diesen Dienststellen nicht allzu große Angeln und nicht allzu große Hemmungen aufzuerlegen. Die gesetzliche Verpflichtung bleibt ja nach unserem Abänderungsantrag bestehen. Wir sagen „ist nach folgenden Richtlinien zu besetzen", das heißt: nur wenn die Stelle frei wird, muß sie nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach diesen Richtlinien sofort besetzt werden. Das genügt doch einstweilen für die Übergangszeit und für den Personenkreis vollauf. Wir haben dadurch die Gewähr, daß zwei solche Bewerber hereinkommen, bevor ein anderer hereinkommt.
Aber wenn wir nun bis nach unten gehen und besonders die Selbstverwaltungskörper allzu sehr einschränken, so kann ich mir vorstellen, daß hinsichtlich dieses Gesetzes und hinsichtlich des Gesetzes zu Art. 131 gerade bei diesem Personenkreis eine psychologisch nicht günstige Stimmung entsteht. Meine Damen und Herren, wir werden nichts erreichen, wenn wir nicht auch von Gesetzes wegen diese Stimmung berücksichtigen. Wir wissen ganz genau - und ich spreche hier als Heimatvertriebener zu Ihnen -, daß noch eine unsichtbare Front durch das deutsche Volk geht. Wir wissen, daß viele von der einheimischen Bevölkerung das Verständnis haben; wir wissen aber, daß es auch solche Kreise gibt, denen noch nicht ganz aufgegangen ist, daß es eine Gesamthaftung des deutschen Volkes gibt. Wenn wir unnütze Verbitterung schaffen, stärken wir die Front derer, die nicht guten Willens sind. Das möchten wir bei diesem Gesetz vermeiden. Die Eingliederung der Flüchtlinge, die in diesem Gesetz einen Anfang nimmt, möchten wir unter einer günstigen seelischen Voraussetzung vornehmen.
Zum Schluß möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren, damit kein falscher Eindruck entsteht, noch sagen, was schon längst einmal in der Öffentlichkeit hätte gesagt werden müssen. Bei dem betroffenen Personenkreis handelt es sich nach dem Standpunkt der Heimatvertriebenen leider - aber wir haben dafür das Verständnis, daß es auch andere Kreise gibt, die berücksichtigt werden müssen - nicht nur um Heimatvertriebene. Dieser Pflichtanteil von 20%, auf den in unserem Antrag Bezug genommen wird, bezieht sich auf den gesamten Personenkreis des Art. 131. Das muß einmal ganz deutlich gesagt werden. Wenn wir nur diejenigen einbeziehen, für die eine Unterbringungspflicht besteht, so sinkt der Anteil der Heimatvertriebenen auf unter 50 %. Wenn wir auch noch die hereinnehmen, die nach dem Gesetz nur anzurechnen sind - das sind die Berufssoldaten der Wehrmacht -, dann sinkt der Anteil der Heimatvertriebenen auf 31 %. Das wollen wir bei der Beratung des Gesetzes heute mit. berücksichtigen Ich bitte Sie also, unserem § 1, der die Ausschreibung nicht zur Pflicht macht, aber voll das erreichen will, was wir mit diesem Gesetz wollten, Ihre Zustimmung zu geben.
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Meine Damen und Herren! Wir haben heute eine außerordentlich umfangreiche Tagesordnung vorliegen. Für unsere Beratungen wäre es angenehmer, wenn das Haus nicht so unruhig wäre. Man hat heute manchmal das Gefühl, als wenn die letzte Schulstunde vor Weihnachten stattfindet. So weit sind wir leider noch nicht.
Der Herr Abgeordnete Dr. Kleindinst hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anträge zu § 1 des Art. 1 betreffen zwei Gesichtspunkte, erstens die Ausschreibung der Stellen. Wir standen beim Verfahren zur Unterbringung vor zwei Möglichkeiten und wir werden auch beim endgültigen Gesetz vor diesen zwei Möglichkeiten stehen: entweder eine Unterbringungsstelle im Bund und in den Ländern zu schaffen oder die Stellen auszuschreiben. Die Ausschreibung der Stellen ist erstens einmal im Beamtengesetz vorgesehen. Zweitens ist sie im Bund absolut üblich und wird allgemein durchgeführt. Für den Kreis der verdrängten Personen hat sie die Aufgabe, daß die zu vergebenden Stellen allgemein im ganzen Bundesgebiet, und zwar mit Hilfe der Flüchtlingsblätter, bekannt werden und die Vergebung der Stellen nicht mehr von dem kleinen Kreis, der zufällig um diese zu vergebende Stelle weiß oder der Beziehungen zu der vergebenden Behörde hat, abhängig ist. Vielmehr ist es die Absicht, daß durch die Ausschreibung eine ganze Bewegung der verdrängten Beamten aus den Flüchtlingsländern in die Länder eintritt, die weniger oder bisher keine Flüchtlinge in ihren Verwaltungen untergebracht haben. Das ist der eigentliche Zweck.
Nun wird zweifellos mit Recht eingewendet, daß bei Beginn dieser Unterbringungsaktion ein Mißverhältnis zwischen der großen Zahl der Bewerbungen und der Zahl der zu vergebenden Stellen eintritt. Das ist auch durch die Flüchtlingsvertreter hervorgehoben worden. Wir haben uns deshalb geeinigt, aus dieser Frage für den Anfang, für diese erste Aktion, keine Prinzipienfrage machen zu wollen.
Dagegen ist es wichtig, im § 1 der Regierungsvorlage die Stellen für Angestellte der Vergütungsgruppen TOA VI bis S bei Bund und Ländern aufrechtzuerhalten. Ursprünglich sollte
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damit die Vergebung der kleinen Stellen ausgeschaltet werden; sie sollten zur freien Verfügung der Behörden sein. Wichtig für die Aufrechterhaltung ist, was vorvorgestern und gestern der Herr Vertreter des Bundesrats im Beamtenrechtsausschuß gesagt hat: Durch die Einbeziehung auch der kleineren Stellen, der Gruppen TOA VII, VIII usw., würde eine Strukturänderung des Gesetzes erfolgen. Die Prozentanteile würden sich anders berechnen. Dadurch würden' im Bundesrat Schwierigkeiten vorauszusehen sein. Aus diesem Grunde bitte ich, diese Bestimmung nicht aufrechtzuerhalten.
Ich rekapituliere also: Die Ausschreibung ist für uns bei der Ingangsetzung dieser Unterbringungsaktion keine Prinzipienfrage. Es besteht die absolute Neigung, dem SPD-Antrag zuzustimmen. Dagegen muß die Fassung „für Angestellte der Vergütungsgruppen TOA VI bis S" beibehalten werden, weil wir sonst im Bundesrat Schwierigkeiten begegnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Abgeordneten Matzner, die mit dem Ziel gemacht worden sind, die Ausschreibung zu beseitigen, macht sich meine Fraktion in vollem Umfang zu eigen. Wir befürchten, daß die Durchführung der Ausschreibung eine ungewöhnliche Verzögerung des Gesetzes bedeuten würde. Da dieses Gesetz nur begrenzte Laufzeit hat und nur unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden kann, erscheint die Durchführung der Ausschreibung mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar.
Entgegentreten müssen wir jedoch dem zweiten Antrag der Sozialdemokratischen Partei, nämlich die Stellen entsprechend dem Umdruck Nr. 35 über den Entwurf des Gesetzes hinaus auszudehnen. Das ist deshalb nicht möglich, weil dadurch eine Verschiebung innerhalb des Kreises der Beamtenschaft einzutreten. droht. Nach dem Gesetz sollen bis zu 20% aller Stellen mit Flüchtlingen besetzt sein. Nun gibt es aber keine Stenotypistin, die nach diesem Gesetz Anspruch hat, eingestellt zu werden. Es wird wohl kaum eine Stenotypistin geben, die zehn Dienstjahre vor 1945 aufzuweisen hat. Das heißt also, daß das Gesamtsoll der Beamtenstellen mit Flüchtlingen sich ungebührlich erhöhen würde, so daß also im Ergebnis dieser Antrag zu einer Verfälschung des Bildes des Gesetzes kommen würde.
Ich bitte daher, in dem entsprechenden Antrag des Ausschusses die letzten Worte des § 1 des Gesetzes dahingehend abzuändern, daß § 1 des Gesetzes mit den Worten schließt: „Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ({0}) dürfen nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen besetzt werden".
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich hier vor allem an die alten Fachleute für Beamtenfragen und Verwaltungsrechtsfragen wenden, an Fachleute wie Herrn Professor Laforet usw. Es ist kaum möglich, daß jemand, der die Verhältnisse kennt, seine Zustimmung für eine Ausschreibung geben könnte. Dieses
System bewährt sich bei uns in Deutschland nicht. Dieses System ist uns wesensfremd. Wir sollten uns hier vor einem hüten, nämlich Verhältnisse, wie sie in anderen Länder, z. B. in den Vereinigten Staaten von Amerika, bestehen, zu kopieren, wo unter ganz anderen Voraussetzungen der Beamtenapparat und der Beamtenkörper zusammengesetzt und gebildet wird als bei uns,
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ja, wo auch ganz andere Möglichkeiten für das Land vorliegen als bei uns. Ich glaube, daß solche Ausschreibungen sich gerade für die, die angeblich mit diesem Antrag geschützt werden sollen, verhängnisvoll auswirken.
Wo steht denn übrigens etwas in diesen Bestimmungen, daß den Leuten, die hier unter Aufbietung ihrer letzten Pfennige sich dort bewerben und ihre Dokumente einschicken, das Material wieder zurückgestellt werden muß, und über die Mehrkosten, die dem Staat entstehen, wenn es ihnen zurückgestellt werden muß? Denn wir werden mehr als 500 Bewerber für eine offene Stelle bekommen! Dem Herrn Vorredner, der hier von 500 Bewerbern sprach, kann ich nur eins sagen: Wenn irgendein Amtsrichter ausgeschrieben wird oder auch nur ein Oberinspektor oder ein Justizamtmann ausgeschrieben wird, dann werden nicht 500 Bewerber kommen, es werden angesichts der heutigen Verhältnisse 2000 und noch mehr Bewerber kommen;
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es werden sich Leute um den Posten eines Amtsrichters bewerben, die auch nur irgendwie einmal Jus studiert haben, und so wird es weitergehen, und sie werden Dokumente usw. einschicken. Wer schickt den Leuten dann die Dokumente wieder zurück, und wer schützt vor allem den Staat und damit die Steuerzahler gegen die unendliche Mehrbelastung an Arbeit, die hier für die Personalreferenten der einzelnen Ämter geschaffen wird? Sie werden die Personalreferenten verdreifachen und vervierfachen müssen - das kann ich Ihnen heute schon voraussagen -, wenn Sie überhaupt auf diese Zuschriften eingehen wollen! Wenn Sie natürlich gewillt sein sollten, die Zuschriften von vornherein in den Papierkorb wandern zu lassen, dann ist es etwas anderes. Dann aber brauchen und wollen wir diese Bestimmung des Gesetzes nicht.
Ich möchte einen Vermittlungsvorschlag anregen; vielleicht wird er von den großen Fraktionen aufgegriffen. Mag da und dort eine Ausschreibung angebracht sein: wenn wir das Wort „dürfen" im Gesetzestext in das Wort „sollen" umwandeln würden, also eine Kann vorschrift, keine Muß vorschrift, daraus machen, wäre es vielleicht möglich, hier eine Einigung zu finden. Das Wort „dürfen" aber können wir unter gar keinen Umständen akzeptieren, weil es sich verhängnisvoll gerade für die Leute auswirken wird, die geschützt werden sollen, weil für die Staatskasse unendliche Mehrkosten entstehen würden und weil ein Durcheinander bei den Verwaltungen und den Personalreferaten entstehen würde, von dem die Schöpfer dieses Gesetzantrages sich wahrscheinlich noch keine richtige und genügende Vorstellung gemacht haben.
Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, noch einmal zum Hauptthema Stellung zu nehmen, sondern nur zu dem, was hier noch gesagt wurde, und zwar in aller Kürze. Die Beschränkung auf TOA VI
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bis S wird von mir persönlich nicht gewünscht. Aber wir sind auch bereit, wenn Sie unserem Antrage zustimmen, dieser Beschränkung auf TOA VI im § 1 unseres Antrages sinngemäß zuzustimmen, wenn Sie nur unter dieser Voraussetzung zustimmen. An sich ist es zwar richtig, daß in diesen Gruppen von VII abwärts weniger aus diesem Personenkreis nach Artikel 131 zur Verfügung stehen werden. Aber nachdem wir im Gesetz die zumutbare Beschäftigung einbauen wollen, wäre es durchaus möglich, daß man vorübergehend nach dem Besetzungsschema nun auch Personen aus dem Artikel 131 für solche Stellen zulassen könnte. Ich wäre dafür, weil wir dadurch eine größere Zahl von Möglichkeiten hätten. Sollten Sie aber darin eine allzu große Erschwerung sehen, so sehen wir davon ab und sind damit einverstanden, daß wir das nicht einbauen.
Zum Schluß möchte ich nur noch sagen, was ich vorhin nicht angeführt habe, aber jetzt sagen muß. Auch wir sehen das Gesetz unter dem Gesichtspunkt: beschleunigte Behandlung im Bundesrat. Der Bundesrat hat sich freundlicherweise und sehr entgegenkommend bereiterklärt, das Gesetz schon morgen zu verabschieden. Dem Bundesrat wird das aber nur dann leicht fallen, wenn keine Fußangel im Gesetz ist, die einzelne Länder zu einer ablehnenden Stellungnahme veranlassen könnte. Dann könnte leicht die Gefahr heraufbeschworen werden, daß der Vermittlungsausschuß erst noch einen Antrag stellt.
Aus diesem Grunde - weil dieser Punkt der Ausschreibung gerade im Bundesrat zu großen Auseinandersetzungen, besonders mit den süddeutschen Ländern, geführt hat - bitte ich Sie, das zu berücksichtigen.
Ich möchte nochmals für meine Fraktion erklären, daß wir nicht gegen die öffentlichen Ausschreibungen sind. Wir wollen nur nicht in diesem Gesetz die öffentliche Ausschreibung für alle diese Stellen anordnen. Jedes Land, jede Dienststelle kann nach diesem Gesetz entsprechend ihrer bisherigen Gepflogenheit verfahren. Das ist der Sinn des Gesetzes. Wenn einmal die Ausschreibung von den Ländern oder vom Bund aus gesetzlich angeordnet ist, dann ist das eine ganz andere Sache und gilt dann auch sicher für diese Stellen.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache über § 1.
Damit Klarheit über die vorliegenden Anträge besteht, möchte ich folgendes sagen. Es liegt vor § 1 der Drucksache Nr. 1672 in der Neufassung des Umdrucks Nr. 39. Weiterhin liegt vor der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 35 zu 1 und 2, Neuf as-sung der Abs. 1 und 2 des § 1. Schließlich liegt vor ein Antrag der Fraktion der Bayernpartei, den der Herr Kollege von Aretin gestellt hat, in § 1 Abs. 1 an die Stelle der Worte „nach Ausschreibung" in der vorletzten Zeile des Abs. 1 die Worte zu setzen: „nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen". Besteht darüber Einmütigkeit?
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- Der Herr Kollege Kleindinst hat offenbar die Absicht, noch zur Abstimmung das Wort zu nehmen. Ich erteile ihm das Wort.
Meine Damen und Herren! Damit Klarheit über die Abstimmung besteht, muß ich folgendes bemerken. Es muß gesondert abgestimmt werden über die Worte: „und Stellen für Angestellte der Vergütungsgruppen TOA VI I bis S". Aus den Worten des Herrn Kollegen Matzner habe ich entnommen, daß seine Fraktion zur Behebung von Schwierigkeiten, die im Bundesrat mit Rücksicht auf die Prozentanrechnung usw. eintreten könnten, bereit ist, diese Fassung anzunehmen.
Die zweite Frage ist dann die der Ausschreibung. Das ist keine Prinzipienfrage. Diese Bestimmung über die Ausschreibung kann gestrichen werden.
Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst, ich muß doch schon bitten, die Anträge schriftlich zu übergeben. Die Sache scheint durch dauernde weitere Erklärungen unklar zu werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matzner.
Es handelt sich ja nur darum, daß wenn Sie unserem Antrage zustimmen, die Worte „TOA VI bis S" eingefügt werden.
Meine Damen und Herren, dieses Verfahren ist furchtbar schwierig. Es ist nicht möglich, daß hier Anträge unter Bedingungen gestellt werden. Dabei kommen wir doch in Schwierigkeiten hinein. Ich darf also die Frage stellen: ist die Fraktion der SPD damit einverstanden, daß ihr Antrag zu § 1 Abs. 1, der Abänderungsantrag, in der Form zur Abstimmung gestellt wird, daß nach den Worten: „für Angestellte" die Worte eingefügt werden: „der Vergütungsgruppen TOA VI bis S"?
({0})
Besteht darüber Einigkeit?
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Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 35, und zwar Ziffer 1 unter Berücksichtigung der eben zur Kenntnis gebrachten Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD in dieser Form, soweit er sich auf Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 35 bezieht, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, ist der Antrag in dieser Form gegen die Stimmen des Herrn Abgeordneten Leuchtgens und des Herrn Abgeordneten Kather angenommen.
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- Also gegen einige Stimmen! Wir wollen nicht protokollieren, wer es war. - Damit ist der Antrag der Fraktion der Bayernpartei sachlich erledigt.
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Wir kämen jetzt zur Abstimmung über Abs. 2. Zum Wort hat sich der Herr Abgeordnete Matzner gemeldet; ich erteile ihm das Wort.
Es ist ein Irrtum unterlaufen. Wir haben geglaubt, daß wir nur zu dem Abänderungsantrag zu Abs. 1 sprechen dürfen. Wir haben aber auch einen Abänderungsantrag zu Abs. 2 gestellt, und diesen Abänderungsantrag müßten wir wohl noch kurz begründen.
Dagegen wird nichts einzuwenden sein. Ich hatte mir allerdings gestattet, den ganzen § 1 aufzurufen, hatte aber schon gemerkt, daß ein Irrtum unterlaufen ist.
Also es ist jetzt erledigt: § 1 Abs. 1.
Ich eröffne die Einzelberatung über § 1 Abs. 2. Herr Abgeordneter Matzner, wollen Sie dazu das Wort nehmen?
Meine Damen und Herren! Durch die Annahme unseres Antrages, wofür die Geschädigten Ihnen sicher sehr dankbar sein werden, wird es in der logischen Folge notwendig, daß, wenn wir sagen: „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen besetzt werden", der Abs. 2 im Gegensatz zu diesem Abänderungsantrag eine andere Fassung erhält. In dem Ausschußantrag steht § 3 Abs. 1 hinten. Logischerweise müßte das nach vorn gezogen werden. Der Unterschied ist nur in folgendem zu suchen. Nach dem Ausschußantrag heißt es, daß jede dritte Stelle mit einer Kraft besetzt werden kann, die unter das Rechtstellungsgesetz fällt. Das ist Ihnen doch ein klarer Begriff. Nach dem Willen der Mehrheit des Ausschusses wäre noch hinzuzufügen: die Nachwuchskräfte. Wir wollen auch hier einen Kompromiß mit den Vertretern des Bundesrates schließen bzw. mit Rücksicht auf den immerhin nicht zu unterschätzenden Angriff aller Selbstverwaltungskörper, ob sie nun im Städtetag, im Gemeindetag oder im Kreistag vereinigt sind. Sie verlangen nämlich von uns, daß jede zweite Stelle für eine andere Kraft freigegeben wird. Wir haben uns also vorgestellt, daß man hier einen Kompromiß schließen könnte, indem man diese Übergangsbesetzung bis zum Inkraftsetzen des Gesetzes so regelt, daß man auch hier den guten Willen, der bisher gezeigt wurde, etwas berücksichtigt.
Deswegen stellen wir den Antrag, daß, wenn ein Drittel des Solls nach § 3 usw. erfüllt ist, also von 20%, jede dritte Stelle freigegeben wird, dann, wenn die Hälfte des ganzen Solls erfüllt ist, also 10%, jede zweite Stelle. Diesem Kompromiß könnte man zustimmen. Man hätte dann teilweise die berechtigten Ansprüche jener Selbstverwaltungskörper und auch Länder in Rechnung gezogen, die bisher nach ihren bestem Können schon Personen aus diesem Kreis eingestellt haben. Von diesen Gesichtspunkten aus könnte, so glaube ich, auch das ganze Haus zustimmen.
Ich komme zu Ziffer 2 unseres Antrages. In dem Abänderungsantrag des Ausschusses für Beamtenrecht heißt es: „Zur Besetzung bedarf es der Zustimmung ...", während es bei uns heißt: „Soweit hiernach die Zustimmung zur Besetzung einer Stelle erforderlich ist, sind hierfür zuständig ...". Hier übernehmen wir: „1. für den Bereich der Bundesverwaltung der obersten Dienstbehörde, 2. für den Bereich der übrigen Dienstherren der zuständigen obersten Landesbehörde", womit wohl die Regierungspräsidenten gemeint sind. Wir gehen also in diesem Falle von unseren Buchstaben a und b ab und übernehmen jetzt in unseren Abänderungsantrag die Fassung, die auf Umdruck Nr. 39 verzeichnet ist.
Ich verweise noch auf den letzten, anhängenden Absatz, der davon spricht, daß bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden die Genehmigung nicht versagt werden darf, wenn der Einzustellende zu dem unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personenkreis gehört. Das bedeutet, daß wir hier die Selbstverwaltung der Gemeinden möglichst wenig einschränken wollen. Das heißt, die Stelle, die das überprüft, hat nur zu überprüfen, ob die betreffende Person ein 131er ist - wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf - oder nicht. Das bedeutet also, daß die oberste Behörde, die das entscheidet, nicht sagen kann: Du darfst nur bestimmte Personen einstellen.
Zum Schluß haben wir noch gesagt - das wäre auch jetzt sinngemäß hinzuzufügen -: Bis zur Erreichung des Pflichtanteils ist für alle diese Stellen die Meldepflicht vorgeschrieben. Das heißt, daß damit die Aufsichtspflicht jeder Dienststelle, die das überwachen muß, gegeben ist, weil sie die Stelle gemeldet bekommt. Sie muß also auch überprüfen, ob das Soll zu einem Drittel, zur Hälfte oder auch zu 20 % erfüllt ist. Gestern wurde - um auch dieses Mißverständnis zu klären - von Regierungsvertretern eingewendet: Ja, wenn die Gemeinde nun sagt, sie hat 20% erfüllt, braucht sie nicht mehr zu melden. Ich glaube, es hieße unsere Auffassung über die Aufsichtspflicht der Dienstbehörde schlecht einschätzen, wenn man annähme, wir wären ohne weiteres damit einverstanden, daß die Gemeinde sagt: Ich habe meine 20% erfüllt. Das erscheint uns als selbstverständlich. Wir müssen deshalb in dieses Gesetz die Bestimmung aufnehmen, daß dieser Aufsichtspflicht genügt werden muß.
Ich glaube, unter diesen Gesichtspunkten, besonders weil dies auch besser zu § 1 Abs. 1 paßt, könnten Sie auch diesem Abänderungsantrag zustimmen, auch mit Rücksicht darauf, daß wir hinsichtlich der Behörden, die diese Dinge überwachen, Ihrem Antrag zustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorgeschlagene Abänderungsantrag von Herrn Matzner kann unter keinen Umständen unsere Zustimmung finden. Wir haben uns in langen Verhandlungen auf die Kompromißformel geeinigt, daß zwei Stellen von Personen aus dem Kreise der 131er besetzt werden sollen und die dritte Stelle von einem Einheimischen aus dem Kreis der 131er,
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- oder einer Nachwuchskraft. Das ist in Ausgleichsverhandlungen mit Vertretern des Bundesrats noch besonders hineingekommen. Was Herr Matzner vorschlägt, bedeutet eine absolute Strukturänderung. Es ist unmöglich, daß der Bundesrat, der nun unseren Entwurf kennt, über das, was wir vorhaben, vielleicht heute noch zu einer Beschlußfassung und morgen zu einer Verabschiedung kommt, da der Bundesrat vor einer neuen Situation stände. Das ist uns von Vertretern des Bundesrates ausdrücklich gesagt worden. Wir können beim besten Willen nicht anders, als daß wir hier an unserer Kompromißformel festhalten. Damit die Verabschiedung des Gesetzes und seine Inkraftsetzung spätestens zum 1. Januar überhaupt möglich ist - es soll nur für vier Monate gelten -, möchte ich die Kollegen bitten, daß sie unserer Formel zustimmen, die nach langwierigen Verhandlungen zustande gekommen ist und die die Garantie gibt, daß das Gesetz wirklich verabschiedet wird und die Hoffnungen, die man darauf gesetzt hat, einigermaßen erfüllen kann.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Aussprache über § 1 Abs. 2. Ich habe Sie so verstanden, Herr Kollege Matzner, daß Sie den Antrag auf Abänderung Ihrer Ziffer 2 nur unter der Voraussetzung gestellt haben, daß darüber eine Verständigung zustande kommt. Oder wollen Sie es generell beantragen?
Wir sind auch hinsichtlich Buchstabe a) und b) bei der ersten Abstimmung über unseren Antrag bereit, den Wortlaut von Ziffer 1 und 2 in Abs. 2 zu übernehmen.
Ich darf also feststellen, daß es in Ziffer 2 Ihres Abs. 2 auf Umdruck Nr.35:
Soweit hiernach die Zustimmung zur Besetzung einer Stelle erforderlich ist, sind hierfür zuständig weiter heißen muß:
1. für den Bereich der Bundesverwaltung die oberste Dienstbehörde,
2. für den Bereich der übrigen Dienstherren die zuständige oberste Landesbehörde.
Die Erteilung der Zustimmung kann der höheren Verwaltungsbehörde übertragen werden.
Das wäre also Ihr Antrag für § 1 Abs. 2.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 35 in der soeben festgestellten Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Zweifellos die Mehrheit; abgelehnt.
Ich komme dann zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu § 1 Abs. 2 in der Fassung des Umdrucks Nr. 39. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen. Damit ist § 1 erledigt.
Ich eröffne die Einzelberatung über § 2. Da offensichtlich bisher Abänderungsanträge nur zu Ziffer 3 vorliegen, darf ich vorschlagen, die Beratung des § 2 in seiner Gesamtheit vorzunehmen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Matzner!
Zu § 2! Hier soll es nicht heißen: Abs. 1, sondern: Abs. 3 erhält folgende Fassung:
Die- bevorzugte Unterbringung von Schwerkriegsbeschädigten nach Maßgabe bestehender Gesetze und von Personen, die nach dem 1. Januar 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt sind, wird hierbei nicht berührt.
Wir haben hierbei einem Wunsche Rechnung getragen, der aus den Reihen der Mitglieder des Kriegsopfer-Ausschusses an uns herangetragen wurde, daß man hier ganz klarstellt, daß für sie die Stellensperre, wenn dafür eine gesetzliche Verpflichtung besteht, nicht aufrechterhalten werden kann. Ich glaube, wir haben das bereits im Kriegsopferversorgungsgesetz und auch bei anderen Gesetzen festgelegt. Wir könnten also, wenn es auch an sich klar ist, daß hier gesetzliche Verpflichtungen bestehen, die Klarheit auch in diesem Gesetz schaffen.
Herr Abgeordneter von Thadden!
von Thadden ({0}): Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie auf folgendes aufmerksam machen. § 2 Abs. 2 darf doch meines Erachtens nicht bedeuten, daß ein tüchtiger ostverdrängter Beamter, der noch nicht volle zehn Dienstjahre hat, nun quasi unter das Verbot fällt, eingestellt zu werden, wenn die Fassung, wie sie hier ist, angenommen wird. Ich möchte Sie darum bitten, sich bei der weiteren Beratung des Gesetzes dieses Punktes zu erinnern. Wir wollen die Verabschiedung des Gesetzes nicht dadurch verzögern, daß wir zu diesem Punkt einen Abänderungsantrag stellen. Ich möchte Sie aber darauf hingewiesen haben.
Zu § 2 Ziffer 3 habe ich einen Abänderungsantrag eingebracht, hinter das Wort „Wehrmacht" einzufügen „ und Angehörige des früheren Reichsarbeitsdienstes"; eine Angelegenheit, über die in dem Hause bereits weitgehende Übereinstimmung besteht.
Das ist das, was wir zu § 2 zu bemerken haben. Unser Abänderungsantrag liegt vor.
Herr Abgeordneter Farke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgeordnete aus der CDU, der FDP, der DP, der BP und des Zentrums wünschen, soweit ich unterrichtet bin, in der Ziffer 3 folgende Änderung:
Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und berufsmäßige Angehörige des früheren Reichsarbeitsdienstes . . .
Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß ich dazu nicht viel zu sagen brauche. Die Formulierung, wie sie Herr von Thadden eben gebracht hat, wünschen wir nicht; wir möchten sie in dieser Form haben.
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Wir möchten die Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes eingeschlossen wissen, soweit sie aus dem Reicharbeitsdienst vor 1933 in den späteren RAD übergegangen sind. Die Zehndienstjahrgrenze, die für alle Gesetz ist, garantiert das ohne weiteres. Würden wir sie ausschließen, dann hätten diese Leute nicht die Möglichkeit, sich im Rahmen des Gesetzes um eine Stelle zu bewerben. Wir würden ein Kollektivurteil aussprechen, was wir unter keinen Umständen dürfen und auch nicht wollen. Ich bitte im Namen der genannten Fraktionen, in Ziffer 3 diese kleine Ergänzung vorzunehmen.
Meine Damen und Herren! Folgende Anträge liegen vor: Der Antrag Dr. Wuermeling, Kühn und weiterer Herren, im § 2 Abs. 1 Ziffer 3 folgenden Wortlaut zu wählen:
Berufssoldaten der früheren Wehrmacht und berufsmäßige Angehörige des früheren Reichsarbeitsdienstes mit einer Dienstzeit von insgesamt mindestens zehn Jahren, sofern sie vor dem 8. Mai 1935 erstmals berufsmäßig in den Wehrdienst eingetreten oder in ein Beamtenverhältnis berufen worden sind und am 8. Mai 1945 noch im Dienst waren.
Der Antrag des Herrn Abgeordneten von Thadden und Genossen deckt sich sachlich damit, fügt nur an der entscheidenden Stelle etwas ein, was nach meiner Überzeugung vielleicht überlegt werden sollte: „in den Wehrdienst oder Arbeitsdienst eingetreten". Ich glaube, nach dem, was Herr Abgeordneter Farke vorgetragen hat, würden Sie dagegen keine Bedenken haben, Herr Abgeordneter; denn Sie haben ausdrücklich von den Arbeitsdienstangehörigen gesprochen, die vor 1933, dann 1935 in den Arbeitsdienst eingetreten sind. Darf ich annehmen, Herr Dr. Wuermeling: Sind Sie mit der Kombination dieses Antrages in der Form einverstanden, daß in Ihrem Antrag gesagt wird: „berufsmäßig in den Wehrdienst oder Arbeitsdienst eingetreten?„
({0}) - Wollen Sie dazu das Wort nehmen?
Meine Damen und Herren! Ich darf nur eben kurz begründen, warum die Formulierung so gewählt worden ist, wie sie Ihnen hier vorliegt. Wenn wir hinzufügten „vor dem 8. Mai 1935 berufsmäßig in den Arbeitsdienst eingetreten", dann würden wir all den politisch unerwünschten Kräften, die von den Nationalsozialisten aus bestimmten politischen Gründen in den Arbeitsdienst hineingebracht wurden, die Tore dieses Gesetzes öffnen.
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Das ist nicht unsere Absicht.
Unser Antrag bezweckt zunächst lediglich, es bei dem Unterbringungsverfahren den früheren Beamten, Berufssoldaten, die mit soundso viel Dienstjahren vor oder nach 1935 in den Arbeitsdienst hinübergegangen sind, zu ermöglichen, bei Behörden angestellt zu werden. Ich glaube, über diese Frage wird ein entscheidender Streit hier im Hause nicht bestehen.
Wie man im übrigen im endgültigen Gesetz die Dinge abgrenzt, darüber werden wir uns im Beamtenrechtsausschuß noch eingehend unterhalten müssen. Hier handelt es sich ja um eine vorläufige Übergangsregelung lediglich bezüglich der Sicherung der Stellen. Es ist also nach der anderen Richtung hin durch dieses Gesetz noch kein endgültiges Urteil gesprochen.
Herr Abgeordneter von Thadden zu einer kurzen Bemerkung!
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob in dem Absatz 3 nun steht „Angehörige des früheren RAD" oder, wie es Herr Abgeordneter Farke will, „berufsmäßige Angehörige des früheren RAD", ist meines Erachtens unerheblich. Wer zehn Dienstjahre hat, war berufsmäßig und nicht freiwillig dabei. Selbstverständlich sind wir damit einverstanden, daß das Wort „berufsmäßige" noch eingefügt wird.
Was nun die Hinzufügung „oder Reichsarbeitsdienst" hinter dem zweiten Wort „Wehrdienst" anlangt, so möchte ich auf folgendes hinweisen: Der Arbeitsdienst wurde bereits 1931 unter einem Reichskommissar für den Reichsarbeitsdienst zunächst halbstaatlich aufgezogen. Es sind also eine ganze Reihe ehemaliger Reichsarbeitsdienstler da, die bereits vor 1933 eine hauptamtliche Stellung hatten, und die sollten doch irgendwie berücksichtigt werden.
Meine Damen und Herren! Noch etwas. Ich meine, es ist wirklich langsam an der Zeit, mit Diskriminierungen nach der oder jener Seite hin irgendwann doch einmal Schluß zu machen.
({1})
Es ist nicht notwendig, daß in dieser Angelegenheit heute neuer Ärger geschaffen wird. Ich möchte darum bitten, meinen Abänderungsantrag anzunehmen, also hinter „Wehrdienst" noch die Worte „oder Reichsarbeitsdienst" einzufügen.
Präsident Dr. Ehlers Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über die zu § 2 vorliegenden Anträge. Meine Damen und Herren, der weitestgehende Antrag ist der Antrag des Herrn Abgeordneten von Thadden. Ich wiederhole: Es soll gesagt werden:
Berufssoldaten der früheren Wehrmacht . . ,
die vor dem 8. Mai 1935 erstmals berufsmäßig
in den Wehrdienst oder Arbeitsdienst eingetreten sind.
Im übrigen deckt er sich sachlich mit dem Antrag des Herrn Abgeordneten Wuermeling.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten von Thadden zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Dr. Wuermeling, Kühn, Farke und Genossen. Ich habe ihn vorhin verlesen und glaube, er ist bekannt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist eine neue Fassung des § 2 Abs. 1 Ziffer 3 gegeben.
Es liegt weiter der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor, dem § 2 einen neuen Absatz 3 anzufügen. Sie haben den Wortlaut auf Ihrem Umdruck Nr. 35. Der Einleitungssatz ist abgeändert, da er irrtümlich formuliert war. Es soll heißen:
Dem § 2 wird folgender Absatz 3 angefügt:
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Ich komme unter Berücksichtigung dieser Abänderung zur Abstimmung über den gesamten § 2 der Drucksache Nr. 1672. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem § 2 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich eröffne die Einzelberatung über § 3. Wer wünscht dazu das Wort zu nehmen? - Zur Klärung: Es liegt vor einmal § 3 in der Fassung der Drucksache Nr. 1672. Dazu hat der Beamtenrechtsausschuß von vornherein eine Abänderung in Umdruck Nr. 39 vorgeschlagen, nach der in § 3 Abs. 1 nach der Klammer in Zeile 3 des § 1 eingefügt werden soll: „für Nachwuchskräfte des Dienstherrn oder" und dann weitergehend „für Beamte und Angestellte".
Die sozialdemokratische Fraktion hat beantragt, den Abs. 1 des § 3 zu streichen. Darf ich annehmen, daß dieser Antrag, nachdem Ihr Antrag zu Ziffer 2 abgelehnt ist, gegenstandslos ist?
({2})
- Wollen Sie das nochmals erläutern, damit es dem Hause klar ist, Herr Abgeordneter?
Nach Ablehnung unseres Antrags zu § 1 Abs. 2 können wir natürlich auf der vollständigen Streichung nicht beharren. Denn sonst hätte das Gesetz ja gar keine Sicherung, wie die Einstellung vor sich gehen soll. Deswegen müssen wir auf unseren Streichungsantrag verzichten, dafür aber zu § 3 den Wortlaut vorschlagen:
Die Zustimmung zur Besetzung kann ferner erteilt werden bei jeder dritten zu besetzenden Stelle.
Das andere ist zu streichen.
Der Antrag ist dem Hause klar geworden. - Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte dringend, den Abs. 1 des § 3 in der Fassung des Ausschusses aufrechtzuerhalten. In diesem Absatz ist vorgesehen, daß bei jeder dritten zu besetzenden Stelle für Beamte und Angestellte die Zustimmung erteilt werden kann „nach folgender Maßgabe . . ." Sonst würde es zu einer Ausschaltung der einheimischen Beamten kommen, d. h. zu einer reinen Willkür hinsichtlich dessen, ob der einheimische Beamte überhaupt zum Zug kommt oder nicht. Auch die Fassung des Antrags der SPD, der noch hinzusetzen will „und der Dienstherr zur Wiedereinstellung durch Gesetz oder rechtskräftiges Urteil verpflichtet ist", würde eine solche Erschwerung bringen, denn es müßte jeweils ein Bundesgesetz oder ein Landesgesetz erlassen werden. Alles würde auf die besondere neue Regelung abgeschoben werden, während. wir doch eine endgültige Regelung treffen wollen. „oder durch rechtskräftiges Urteil". Nun sind ja vorerst die Klagen gesperrt. Ich bitte also, es zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten bei der Ausschußfassung zu belassen und den Antrag wegen unabsehbarer Schwierigkeiten abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, ich schließe die Aussprache über § 3.
Es liegt jetzt in Abänderung des Antrags Umdruck Nr. 35 Ziffer 4, wo beantragt war, § 3 Abs. 1 zu streichen, der Antrag der SPD vor, den § 3 Abs. 1 in der Formulierung bestehen zu lassen: „Die Zustimmung zur Besetzung kann ferner erteilt werden bei jeder dritten zu besetzenden Stelle" und das übrige wegfallen zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag der SPD zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt. Da weitere Abänderungsanträge nicht vorliegen. - ({0})
- Sie hatten den Antrag gestellt, für den Fall, daß Ihr Antrag abgelehnt würde, den § 3 Abs. 1 vollständig zu streichen. Sie halten ihn auch jetzt aufrecht?
({1})
Sie wollten also im § 3 Abs. 1 folgende Worte hinzusetzen: „und der Dienstherr zur Wiedereinstellung durch Gesetz oder rechtskräftiges Urteil verpflichtet ist". Diese Worte sollten dem § 3 Abs. 1 hinzugefügt werden. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über § 3.
({2})
- Bitte!
Meine Damen und Herren, wir müssen noch eine kleine technische Berichtigung vornehmen. Der letzte Absatz des § 3 lautet: „In den Fällen der Absätze 1 und 2 bedarf es keiner Ausschreibung der Stellen". Nachdem wir die Ausschreibung im § 1 fallen gelassen haben, erübrigt sich dieser letzte Absatz, dessen Streichung ich deswegen beantragen möchte.
({0})
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling, den Abs. 3 des § 3 zu streichen, gehört. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist mit Mehrheit geschehen.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zur Abstimmung über § 3, und zwar über die verbliebenen Absätze 1 und 2 des § 3 in der Fassung der Drucksache Nr. 1672 unter Berücksichtigung des Umdrucks Nr. 39, wobei Einmütigkeit darüber besteht, daß der Schluß des Paragraphen jetzt lauten muß: „Richter des Bundesverfassungsgerichts und der oberen Bundesgerichte sowie Richter der Gerichte der Länder, über deren Anstellung ein Richterwahlausschuß entscheid et". Die Fortsetzung soll, wenn ich richtig verstanden habe, nach der Vorlage lauten: „gesetzliche Vertreter von Nichtgebietskörperschaften oder Beamte des Polizeivollzugsdienstes oder des Zollgrenzschutzes".
({0})
Die Worte „die gesetzlichen Vertreter von Nichtgebietskörperschaften" sollen also durch einen Absatz abgetrennt werden, damit die Übersicht klarer wird. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich eröffne die Aussprache über § 4. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse über § 4 abstimmen und bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Paragraph ist angenommen.
Zu § 5 liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Der Beamtenrechtsausschuß schlägt vor, einen § 6 gemäß Umdruck 39 neu einzufügen. Weiter liegt ein Antrag der SPD-Fraktion vor, einen § 6 mit dem Wortlaut des Umdrucks Nr. 35 einzufügen.
({1})
- Dann würde ich vorschlagen, daß wir zunächst über den Vorschlag des Ausschusses abstimmen, einen § 6 einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 in der Fassung des Umdrucks Nr. 39 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Weiter liegt der Antrag der SPD vor, dem Art. I einen weiteren § 7 nach Umdruck Nr. 35 anzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen; dieser § 7 ist eingefügt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Art. II, - Einleitung und Überschrift. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich stelle die Annahme fest.
Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet. - Herr Abgeordneter Kleindinst, bitte!
Ich bitte noch um die Ermächtigung, eine durch die Abänderungen und die Zusätze, die beschlossen sind, bedingte andere Pa({0})
ragraphierung durchzuführen. Insbesondere bitte ich den Herrn Matzner, zu entscheiden, ob wir nicht diese Bestimmung über die Schwerbeschädigten und Heimkehrer gesondert an den Schluß des Gesetzes stellen sollten. Systematisch gesehen macht sich das besser.
({1})
- Ich bitte also um die Ermächtigung, infolge der Zusätze die Paragraphierung neu vornehmen zu dürfen. Wir waren uns darüber im Ausschuß auch einig.
Es besteht Einmütigkeit darüber, daß, ohne daß sachliche Änderungen vorgenommen werden, eine neue endgültige Anordnung der Paragraphen vorgenommen werden kann. Das Haus verzichtet darauf, daß das vor der dritten Beratung geschieht.
Ich schlage also vor, in die
dritte Beratung
einzutreten.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz, das soeben in zweiter Lesung angenommen worden ist, soll ein wesentlicher Bestandteil des noch im Beamtenrechtsausschuß zur Behandlung stehenden Gesetzes gemäß Art. 131 des Grundgesetzes vorweg geregelt werden. Es handelt sich dabei um Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Damit, meine Damen und Herren, wird zum zweiten Mal ein Teil des Gesetzes, das die Ansprüche der Beamten, Angestellten und Arbeiter regeln soll, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, vorweggenommen. Zuerst war es die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung, die man hier gegen den Willen des Beschlusses des Beamtenrechtsausschusses mit der gesetzlichen Regelung für jenen Personenkreis verkoppelt hat, der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fällt. In dieser Frage der sechs Prozent ist insofern inzwischen eine Teillösung erfolgt, als auf Anordnung der Regierung diese sechs Prozent ab 1. Oktober 1950 ausgezahlt werden, aber eine gesetzliche Regelung in dieser Frage ist bisher nicht getroffen worden.
({0})
- Das gehört zur Sache. Damit ist die Forderung des Beamtenrechtsausschusses auf Nicht-Anrechnung der gewährten Teuerungszulage und ist die Frage, ob rückwirkende Kraft ab 1. Januar 1950, wie es in einem früheren Beschluß des Beamtenrechtsausschusses festgelegt worden ist, noch ungeklärt geblieben. Nach unserer Auffassung ist bisher in dieser Angelegenheit nur eine absolut unbefriedigende Lösung erfolgt.
Mit dem vorliegenden Gesetz, das vom Beamtenrechtsausschuß zur Annahme empfohlen wird, erfolgt gemäß Art. 131 des Grundgesetzes eine weitere Teillösung, eine Regelung, die die Unterbringung der noch arbeitsfähigen Beamten und Angestellten betrifft, die Anrecht auf Einstellung auf Grund dieses Gesetzes bekommen sollen. Wir Kommunisten sind mit einer sofortigen Regelung dieser Frage grundsätzlich einverstanden. Wir warnen aber auch zugleich die Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, die seit Jahren auf eine Wiederverwendung warten, vor einer allzu großen Hoffnung.
Ich möchte auch zu der Tatsache eine Bemerkung machen, daß in dieses Gesetz jetzt jene Beamten und Angestellten mit hereingenommen werden mußten, die wegen ihrer politischen Gesinnung 1933 und später aus ihren Stellungen entfernt worden sind. Es ist immerhin bezeichnend, daß in diesen Jahren seit 1945 - bis heute sind über 5 Jahre vergangen - für diesen Kreis nicht schon längst eine endgültige Regelung erfolgt ist. Nun muß sie notgedrungen in Verbindung mit Art. 131 des Grundgesetzes getroffen werden, obgleich dieser Personenkreis mit jenen Personen, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, absolut nichts zu tun hat.
Bei den Beratungen im Ausschuß sind von Sachverständigen und von Vertretern der Regierung Zahlen und auch Zeiten genannt worden, nach denen vor überspitzten Erwartungen gewarnt werden muß. Das muß bei der heutigen Stellungnahme zu dem vorliegenden Gesetz zum Ausdruck gebracht werden. Denn es hat keinen Zweck, einem großen Teil von Beamten, Angestellten und Arbeitern Hoffnungen zu machen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen.
Stellt man nur eine formelle Berechnung an, so kommt man zu dem Ergebnis, daß sehr viele Jahre vergehen werden, bis der Letzte des Personenkreises, der durch Art. 131 des Grundgesetzes erfaßt ist, wieder eine Anstellung finden wird. Praktisch bedeutet das, daß viele Beamten und Angestellten, die heute vielleicht erst 50 oder 55 Jahre alt sind, kaum damit rechnen können, bis zur Erreichung des pensionsfähigen Alters tatsächlich wieder Anstellung zu finden, d. h. sie werden kaum Aussicht haben, auf Grund dieses Gesetzes einmal wieder angestellt zu werden. Es gibt unserer Meinung nach einfach keine Voraussetzung dafür, daß in absehbarer Zeit alle Personen untergebracht werden können. Denn es ist ja bekannt, daß - besonders in den Ländern und in den Gemeinden - eher Beamte und Angestellte abgebaut werden müssen, als daß Neueinstellungen vorgenommen werden können. Auch auf Grund des normalen, natürlichen Abgangs durch Sterbefälle oder durch Erreichung der Altersgrenze wird es sich nur um eine sehr beschränkte Anzahl von freiwerdenden Stellen handeln.
Auch bei dieser Frage zeigt es sich, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse Westdeutschlands es unmöglich machen, jeden arbeitsfähigen Menschen in Arbeit, Lohn und Brot zu bringen. Trotz des vorliegenden Gesetzes - und es wird ja nach der heutigen Stellungnahme des Plenums wirksam werden -, werden viele Tausende Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes bei zumeist nicht ausreichender Versorgung weiterhin in schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen zu leben gezwungen sein. Das ist die gegebene Situation. Wenn wir Kommunisten trotzdem dem Gesetz unsere Zustimmung nicht versagen, so, weil wir bereit sind, alles zu unterstützen, was zur Erleichterung der Lage der Personen beiträgt, die unter das Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes fallen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gundelach möchte ich noch etwas sagen. Wenn er jedesmal in der Sitzung des Beamtenrechtsausschusses gewesen wäre, so würde er wissen, daß die gesetzliche Regelung für die Aufhebung der Gehaltskürzung um 6% bereits in Be({0})
arbeitung ist und daß wir jeden Tag erwarten,
daß wir die Vorlage der Regierung in den Beamtenrechtsausschuß zur Beratung hineinbekommen.
({1})
- Einen Moment! In Bezug auf die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts können wir nach den Erklärungen der maßgebenden Vertreter der Bundesregierung und des Bundesrats damit rechnen, daß der Entwurf bereits in der nächsten Woche in den Beamtenrechtsausschuß kommt, so daß er aller Voraussicht nach Anfang Januar behandelt und wahrscheinlich dann auch gleich verabschiedet werden kann.
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
Ich schließe die Gesamtaussprache zur dritten Lesung.
({1})
- Herr Abgeordneter, wozu wollen Sie das Wort haben?
({2})
- Es stehen Ihnen noch drei Minuten ({3}) zur Verfügung.
Meine Damen und Herren! Es ist doch wohl berechtigt, hier auszusprechen, daß es geradezu ein Skandal ist, daß die Wiedergutmachung des Unrechts an den Opfern des Kampfes gegen den Nationalsozialismus bisher noch nicht geregelt worden ist und daß das Gesetz erst jetzt, fünf Jahre später kommt.
({0})
Für diesen Personenkreis ist jetzt zum ersten Mal ausgesprochen worden, daß das Unrecht gutgemacht werden soll.
({1})
Noch eindeutiger wird ja die Situation, wenn man bedenkt, daß der verfassungswidrige Erlaß des Herrn Adenauer
({2})
bezüglich der Ausmerzung der demokratischen Kräfte aus der Verwaltung
({3})
nach Ihrem eigenen Eingeständnis auch auf die Beamten, die unter Art. 131 fallen, ausgedehnt werden soll.
({4})
Durch diese Feststellung wird der Klassencharakter des Entwurfs ganz klar. Sie setzen alle Hebel in Bewegung, um faschistische Beamte wieder in die Verwaltung zu bringen, haben aber nicht die Spur eines Interesses für die Wiedergutmachung an den Opfern des Kampfes gegen den Nationalsozialismus.
({5})
Es scheint mir doch so, daß die Aussprache jetzt geschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz über Sofortmaßnahmen zur Sicherung der Unterbringung der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Ich bitte - wenn Sie es wünschen -, die Paragrapheneinteilung zu notieren, die sich aus der Besprechung ergeben hat. Abs. 1 des § 1 der Drucksache Nr. 1672 ist § 1. Der Abs. 2 wird § 2; der § 2 wird § 3; der § 3 wird § 4; der § 4 wird § 5; die Bestimmung über die Schwerbeschädigten und Heimkehrer wird § 6; die Bestimmung über Berlin wird § 7, und der bisherige § 5 wird § 8. § 9 wird der auf Umdruck Nr. 35 Ziffer 5 beantragte § 6. Damit ist die Numerierung des Gesetzes klar.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz - Art. I; Art. II, Einleitung und Überschrift - in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, den Punkt 7 der Tagesordnung
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten ({0}) ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) ({3}) ({4})
wegen der Inanspruchnahme des Herrn Vertreters der Regierung vorwegzunehmen. Ich bitte das Haus, damit einverstanden zu sein. Berichterstatter über den Antrag Drucksache Nr. 1696 ist Herr Abgeordneter Rüdiger. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von höchstens 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich bitte Herrn Abgeordneten Rüdiger, das Wort zu nehmen.
Rüdiger ({5}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich in einer Reihe von Sitzungen eingehend mit dem Entwurf des Gesetzes über den Verkehr mit Milcherzeugnissen und Fetten befaßt; ferner hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Hauses das Gesetz beraten. Ich darf auf die Erörterungen in diesem Hause anläßlich der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs sowie auf die Ihnen bekannte .gedruckte amtliche Begründung des Gesetzentwurfs Bezug nehmen und mich darauf beschränken, folgendes hervorzuheben.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß nach dem Wegfall der Zwangswirtschaft eine gesetzliche Regelung für den Verkehr mit Milch sowohl im Interesse des Erzeugers als auch im Interesse des Verbrauchers erforderlich ist, um die Qualität der Milch zu erhalten und zu steigern, unnötige Transportwege zu vermeiden und eine Rationalisierung und Leistungssteigerung der Betriebe zu fördern. Die Regelung der Trinkmilchmärkte ist also auch für den Verbraucher von erheblicher Bedeutung, da sie ihm eine gleichmäßige Belieferung mit Milch einwandfreier Qualität gewährleisten soll.
Daß zur Regelung der Trinkmilchmärkte Molkerei-Einzugsgebiete und Molkerei-Absatzgebiete vorhanden sein müssen, ist in Fachkreisen unbestritten. Zweifelhaft war nur, wie weit der Kreis der Erzeugnisse zu ziehen ist, die der Liefer- und Bezugspflicht der Milcherzeuger, der Molkereien und des Milchhandels unterliegen. Nach mehrfachen eingehenden Erörterungen hat sich der Ausschuß für
({6})
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entschlossen, dem Hohen Hause vorzuschlagen, daß die Regelung der Molkerei-Absatzgebiete sich auf Milch, Sahne, entrahmte Milch, Buttermilch und geschlagene Buttermilch erstrecken soll. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß wollte die Buttermilch aus dem Kreis der Erzeugnisse, die von der Regelung der Molkereiabsatzgebiete betroffen werden, streichen. Wir sind jedoch der Auffassung, daß nur eine umfassende Regelung für alle wichtigen flüssigen Milcherzeugnisse, zu denen die Buttermilch unzweifelhaft gehört, die gewünschte Ordnung auf dem Trinkmilchmarkt garantieren kann.
Hervorzuheben ist das Problem des sogenannten Ab-Hof-Verkaufs, d. h. des Verkaufs unmittelbar vom Bauernhof an den Verbraucher. Nicht nur aus marktordnenden, sondern insbesondere aus hygienischen Gründen soll der Ab-Hof-Verkauf auf Ausnahmen beschränkt bleiben, wie es § 1 Abs. 3 des Gesetzentwurfes vorsieht. Danach ist die Gestattung des Ab-Hof-Verkaufs in das Ermessen der zuständigen Landesbehörden gestellt. Die Fassung dieser Bestimmung entspricht der einhelligen Auffassung des Ernährungsausschusses. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß wollte den Ab-Hof-Verkauf grundsätzlich zulassen, „sofern die Versorgung hierdurch nicht gefährdet wird". Der Ernährungsausschuß bittet das Hohe Haus, seinem Vorschlag zu folgen und den Ab-Hof-Verkauf auf Ausnahmen zu beschränken, da sonst die gesamte Ordnung der Milchmärkte durchlöchert würde und erhebliche gesundheitliche Gefahren nicht auszuschließen wären.
Beide Ausschüsse haben sich in der Frage des Milchabsatzes im Straßenhandel zu der Auffassung bekannt, daß man zur Förderung eines gesunden Wettbewerbes und zur Steigerung des Milchverbrauchs mehreren Milchhändlern den Absatz von Milch und Milcherzeugnissen in einem sogenannten Milchhandelsbezirk - erforderlichenfalls unter Zusammenlegung oder Vergrößerung von Bezirken - übertragen soll. Diesem Gedanken trägt § 5 des Entwurfes Rechnung.
Hervorzuheben ist § 6 des Entwurfes, wonach die bisherigen Liefer- und Annahmebeziehungen zwischen Milcherzeuger und Molkereien und zwischen Molkereien und ihren Abnehmern bis zu einer anderweitigen Regelung bestehen bleiben.
Dagegen sieht der § 7 des Entwurfes die Möglichkeit von Änderungen dieser Liefer- und Annahmebeziehungen sowie von Ausnahmen hinsichtlich der Regelungen der Milcheinzugs- und Milchabsatzgebiete vor. Die Ihnen vorliegende Fassung ist nach eingehenden Beratungen zustande gekommen und soll die individuellen Rechte der Erzeuger, Milchhändler usw. nach Möglichkeit schützen, sofern eine Änderung oder Aufhebung „bei Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten" geboten erscheint.
Der Belieferung der Verbraucher mit hygienisch einwandfreier Milch sowie der Rationalisierung in der Milchwirtschaft dienen insbesondere die Bestimmungen über die Förderung und Erhaltung der Güte der Milch ({7}) sowie die Ermächtigung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ein Gütezeichen für Milch und Milcherzeugnisse einzuführen ({8}). Dem gleichen Zweck gilt § 9 a des Entwurfes, der den Fettgehalt der Milch behandelt.
Die bisher schon üblichen Ausgleichsmaßnahmen bei der Verwertung von Trinkmilch und Werkmilch, durch die insbesondere die großen und marktfernen Werkmilchgebiete an den wirtschaftlichen Ergebnissen der Trinkmilchverwertung beteiligt werden sollen, werden durch § 10 des Gesetzentwurfes geregelt. Beide Ausschüsse waren übereinstimmend der Auffassung, daß die Höhe der Ausgleichsabgaben zunächst landesrechtlich festgesetzt werden soll, soweit sie einen Dpf je Kilogramm abgesetzter Trinkmilch usw. nicht überschreitet, daß aber außerdem ein Betrag bis zu einem Dpf je Kilogramm abgesetzter Trinkmilch für den Bund erhoben werden kann, um auf diese Weise einen gerechten Ausgleich zwischen den Ländern herbeiführen zu können. Diese Ausgleichsmaßnahmen - einerseits zwischen Trinkmilch und Werkmilch und andererseits zwischen den Ländern des Bundes - sind für die Hebung unserer Milchwirtschaft und damit zugleich für die Förderung unserer Butter- und Käseerzeugung von besonderer Bedeutung. Zu betonen ist noch, daß die erhobenen Mittel nach dem Gesetzentwurf zweckgebunden sind, d. h. nur für den Ausgleich zwischen den Erträgnissen der Trinkmilch und der Werkmilch verwendet werden dürfen.
Für besondere Fälle sieht der Gesetzentwurf die Erhöhung der Ausgleichsabgabe des Landes auf mehr als einen Dpf je Kilogramm vor, jedoch ist hierzu die Zustimmung des Bundesministers für Ernährung und Landwirtschaft erforderlich. Abweichend von der Auffassung des Ernährungsausschusses hat der Wirtschaftpolitische Ausschuß den Wunsch geäußert, daß bei der Festsetzung einer Ausgleichsabgabe des Landes über einen Dpf hinaus nicht der Bundesernährungsminister allein, sondern der Bundesernährungsminister und der Bundesminister für Wirtschaft entscheiden sollten. Eine Mitwirkung des Bundeswirtschaftsministers erscheint dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft jedoch nicht erforderlich, da es sich um einen inneren Ausgleich hinsichtlich der Milchverwertung handelt und Preisfragen nicht berührt werden.
Vorschriften über die Marktgemeinschaften, die sich in den Ländern aus den Organisationen der an der Milchwirtschaft beteiligten Wirtschaftskreise und der Verbraucher freiwillig bilden, geben der Wirtschaft selber die Möglichkeit, an der Milchwirtschaft maßgeblich mitzuarbeiten. Allerdings dürfen den Marktgemeinschaften hoheitliche Aufgaben nicht übertragen werden. Der § 11 des Gesetzentwurfes regelt im einzelnen die Voraussetzungen für die Anerkennung der Marktgemeinschaften sowie deren Tätigkeitsbereich.
Die gesamten bisher erwähnten Vorschriften des Gesetzes, die die Regelung der Milchmärkte zum Gegenstand haben, machen natürlich die Aufhebung des § 38 des Milchgesetzes vom Jahre 1930 notwendig; denn die jetzige Regelung soll auf freiwilliger Basis, soweit als möglich, durch die beteiligten Wirtschaftskreise durchgeführt werden, während § 38 von Zwangszusammenschlüssen ausgeht. Für marktordnende Zwangsmaßnahmen ist aber unter den heutigen wirtschaftspolitischen und staatsrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich kein Raum mehr.
§ 12 des Gesetzes sieht - nach dem Vorbild des Getreide- und Zuckergesetzes - die Errichtung einer Einfuhr- und Vorratsstelle für Fette als Anstalt des öffentlichen Rechts vor. Der § 12 enthält u. a. die Vorschriften über die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, auf die ich hier im einzelnen wohl nicht einzugehen brauche.
({9})
Gegenstand sehr eingehender Überlegung war der § 13 des Gesetzentwurfes, der die Aufgaben der Einfuhr- und Vorratsstelle umreißt. Hier hat sich eine völlige Übereinstimmung zwischen dem Ernährungsausschuß und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß nicht erzielen lassen. Der Ernährungsausschuß hat - über die Regierungsvorlage hinausgehend - die sogenannte Einfuhrschleuse für eingeführte Erzeugnisse über Butter und Schmalz hinaus auf Margarine, Kunstspeisefette und ähnliche Fertigerzeugnisse ausgedehnt, während der Wirtschaftspolitische Ausschuß Margarine, Kunstspeisefette usw. in der Weise berücksichtigen wollte, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ermächtigt sein soll, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Einbeziehung dieser Erzeugnisse in die Einfuhrschleuse anzuordnen. Wir schlagen dem Hohen Hause vor, es bei dem Beschluß des Ernährungsausschusses, der einstimmig gefaßt wurde, zu belassen, weil es uns erforderlich erscheint, Margarine, Kunstspeisefette usw. von vornherein in die Einfuhrschleuse hineinzubeziehen, um die Einfuhren erforderlichenfalls hinsichtlich Umfang, Zeit und Preis beeinflussen zu können. Die Margarinerohstoffe, d. h. alle tierischen und pflanzlichen Öle und Fette, soweit sie nicht raffiniert und gehärtet sind, fallen nicht unter die Einfuhrschleuse und können daher eingeführt werden, ohne daß Beschränkungen durch die Vorrats- und Einfuhrstelle möglich sind.
Die Vorratshaltung kann je nach Marktlage unter Verwendung von im Haushalt bereitgestellten Mitteln auf alle Erzeugnisse der Milch-, Fett- und Eierwirtschaft erstreckt werden, wie es im § 13 Abs. 5 des Gesetzentwurfes vorgesehen ist. Die im Interesse der Versorgung notwendige Bevorratung von Eiern ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf mit geregelt worden, da sie stets im Rahmen der gesamten Milch- und Fettwirtschaft durchgeführt worden ist und andere Einfuhr- und Vorratsstellen für eine solche Aufgabe nicht in Betracht kommen.
Die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzentwurfes entsprechen im wesentlichen den gleichartigen Vorschriften des Getreidegesetzes und des Zuckergesetzes.
Hervorzuheben ist § 17 des Gesetzentwurfes, die Preisregelung. Danach können die Landesbehörden Erzeuger- und Verbraucherpreise für Milch sowie Verarbeitungs- und Handelsspannen nach bundesrechtlichen Richtlinien festsetzen; im übrigen entspricht die Preisregelung im wesentlichen den Vorschriften des Entwurfes eines Preisgesetzes und sieht darüber hinaus die Einführung von amtlichen Notierungskommissionen für Butter und Käse vor. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß schlägt zu § 17, Abs. 2 die Streichung der Bestimmung vor, nach der Preisvorschriften für Butter, Schmalz, Speisefette usw. vom Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft - an Stelle der Bundesregierung - erlassen werden können. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hält es nach wie vor für zweckmäßig, daß an Stelle der Bundesregierung auch der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft solche Preise festsetzen kann, daß also die Federführung für die Preisfestsetzung bei diesen landwirtschaftlichen Erzeugnissen dem Bundesernährungsminister zufällt. Eine endgültige Klärung dieser Zuständigkeitsfrage mag dem dem Bundestag vorliegenden Preisgesetz vorbehalten bleiben.
Auf die einzelnen Vorschriften über Melde- und Auskunftspflicht usw. sowie auf die Strafbestimmungen glaube ich nicht eingehen zu müssen.
Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 1696 über den Entwurf des Milch- und Fettgesetzes einiger redaktioneller Verbesserungen bedarf, die sich infolge der großen Eile, in der der Bericht fertiggestellt und gedruckt werden mußte, als erforderlich erwiesen haben. Es handelt sich um folgendes:
1. In § 9 a Abs. 1 ist hinter den Worten „der zum unmittelbaren Genuß bestimmten Milch" einzufügen „({10})", da der Begriff Trinkmilch auch an anderer Stelle des Gesetzes verwendet wird.
2. Im § 10 Abs. 1 des Entwurfes muß noch auf den neuen Abs. 3 des § 10 Bezug genommen werden; es sind also hinter den Worten „aus den nach Abs. 2 erhobenen" die Worte einzufügen „oder den nach Abs. 3 zugeteilten".
3. § 10 Abs. 2 Satz 4, § 10 a, § 18 Abs. 3 und § 22 Abs. 4 enthalten insofern einen Schreibfehler, als es dort an Stelle der Worte „nach Landesrecht zuständigen Behörde" bzw. „nach Landesrecht zuständigen Behörden" richtig heißen muß „oberste Landesbehörde" bzw. „obersten Landesbehörden"; dies entspricht der allgemeinen Terminologie des Gesetzes.
4. Zwischen § 17 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 des Entwurfes ist eine engere Verbindung herzustellen, um zum Ausdruck zu bringen, daß Preisnotierungskommissionen nur in Betracht kommen, wenn ein Molkereiabgabepreis für Butter nicht festgesetzt ist. Es wird daher vorgeschlagen, die einleitenden Worte des § 17 Abs. 3 wie folgt zu fassen:
Soweit Preise bei Abgabe durch die Molkereien nicht festgesetzt werden, kann der Bundesminister im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung bestimmen, . . .
5. Im § 19 muß auch der neue § 10 Abs. 3 erwähnt werden, so daß es richtig heißen muß: Die Ausgleichsabgaben ({11}) .. .
6. Schließlich sind - der jetzigen gesetzgeberischen Übung entsprechend - im § 28 Abs. 3 Ziffer 1 die Worte „des Reichspräsidenten" zu streichen.
Ich bitte das Hohe Haus, diesen redaktionellen Änderungen am Gesetzentwurf zuzustimmen.
Zusammenfassend möchte ich als Berichterstatter des Ernährungsausschusses dem Hohen Hause die Annahme des Gesetzentwurfs, der im Rahmen der Neuordnung der landwirtschaftlichen Märkte unsere Milch- und Fettwirtschaft zum Nutzen der Landwirtschaft, der Verbraucher und aller sonst Beteiligten ordnen soll, dringend empfehlen.
Ich darf dem Herrn Präsidenten die Abänderungsvorschläge überreichen.
Meine Damen und Herren! Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß die Herren des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, die zu diesen Dingen einige Wünsche zum Ausdruck gebracht haben, größtenteils nicht hier sind; auch das Bundeswirtschaftsministerium ist nicht vertreten. Dadurch ist eine gewisse Schwierigkeit entstanden. Ich schlage vor, zunächst in die Bespre({0})
chung der zweiten Beratung einzutreten. Wir werden uns dann entscheiden müssen, wie wir im einzelnen zweckmäßigerweise weiter verfahren.
Sie haben den Bericht des Berichterstatters gehört. Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe den Ersten Abschnitt des Gesetzentwurfes, die §§ 1 bis 11, im Zusammenhang auf. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Ich bitte um Wortmeldungen. - Offenbar keine Wortmeldungen.
Ich müßte in der zweiten Beratung über den ersten Teil des Gesetzentwurfs, die §§ 1 bis 11, abstimmen lassen.
Meine Damen und Herren, ich frage, ob die Herren vom Wirtschaftspolitischen Ausschuß irgendwelche Anträge stellen oder Wünsche äußern wollen. - Das ist offenbar nicht der Fall.
Ich komme also zur Abstimmung über die §§ 1, -2,-3,-4,-5,-6,-7,-8 und 9. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 1 bis 9 des Gesetzentwurfs in der Fassung der Beschlüsse des 19. Ausschusses zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die §§ 1 bis 9 sind angenommen.
Zu § 9a hat der Abgeordnete Rüdiger den Abänderungsantrag gestellt, hinter den Worten „der zum unmittelbaren Genuß bestimmten Milch" im Abs. 1 in Klammern einzufügen: „Trinkmilch". - Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rüdiger zu § 9a Abs. 1 zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Abänderungsantrag ist angenommen.
Unter Berücksichtigung dieses Abänderungsantrages lasse ich über den § 9a insgesamt abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Paragraphen in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 9a ist angenommen.
§ 10. Für den § 10 hat der Abgeordnete Rüdiger den Antrag gestellt, in Abs. 1 hinter den Worten „aus den nach Absatz 2 erhobenen" die Worte „oder den nach Absatz 3 zugeteilten" einzufügen. Ich lasse über diesen Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Rüdiger abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Der Abgeordnete Rüdiger hat für § 10 Abs. 2 Satz 4 und gleichzeitig für § 10a, § 18 Abs. 3 und § 22 Abs. 4 vorgeschlagen, an Stelle der Worte „nach Landesrecht zuständige Behörde" bzw. „nach Landesrecht zuständigen Behörden" die Worte, „oberste Landesbehörde" bzw. „obersten Landesbehörden" treten zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Das ist angenommen.
Unter Berücksichtigung dieser Abänderung lasse ich über den § 10, den § 10a und den § 11 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen 3 Paragraphen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist angenommen.
Ich rufe auf den Zweiten Abschnitt des Gesetzes: §§ 12, - 13, - 14, - 15, - § 16 fällt weg. - Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich rufe auf §§ 12, - 13, - 14, - 15 in der Fassung des Antrages des 19. Ausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die dem zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf den Dritten Abschnitt: §§ 17, -17 a, - 18, - 19, - 20, - 22, - 23, - 24, - 25 und 25 a. Ich weise darauf hin, daß für § 18 Abs. 3 und für § 22 Abs. 4 die vorhin für § 10 Abs. 2 Satz 4 beschlossene Abänderung gilt, ebenso für § 10 a, und daß der Abgeordnete Rüdiger beantragt hat, die Eingangsworte des § 17 Abs. 3 folgendermaßen zu fassen:
Soweit Preise bei Abgabe durch die Molkereien nicht festgesetzt werden, kann der Bundesminister im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung bestimmen,
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Mit Mehrheit angenommen.
Unter Berücksichtigung dieser Abänderung des § 17 Abs. 3 komme ich zur Abstimmung über die §§ 17, - 17 a, - 18, - 19, - 20, - 22, - 23, -24, - 25 und 25 a des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf den Vierten Abschnitt des Gesetzes „Straf- und Schlußbestimmungen", §§ 26, - 27. - Ich bitte um Entschuldigung; ich habe übersehen, daß für den § 19 von dem Abgeordneten Rüdiger noch ein Abänderungsantrag gestellt war. Es muß da heißen: „Die Ausgleichsabgaben ({1})". - Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Abänderung einverstanden ist.
({2})
Ich hatte aufgerufen den Vierten Abschnitt, §§ 26, - § 27 entfällt, 27 a, - 28. Für den § 28 Abs. 3 Ziffer 1 hat der Abgeordnete Rüdiger beantragt, die Worte „des Reichspräsidenten" zu streichen. Herr Abgeordneter, ich vermag nicht ganz einzusehen, was dieser Antrag bedeuten soll. Es läßt sich nicht bestreiten, daß diese Verordnung 1933 eine Verordnung des Reichspräsidenten war. Wir können das nachträglich nicht mehr ändern. Ich würde Ihnen vorschlagen, Herr Abgeordneter Rüdiger, diesen Antrag zurückzuziehen.
({3})
- Also der „Reichspräsident" bleibt in Kraft.
({4})
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 26, - 27a, - 28 des Gesetzesvorschlages. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Offenbar einstimmig angenommen, - bei einigen Enthaltungen.
Einleitung und Überschrift. - Meine Damen und Herren, ich bitte um Zustimmung.
({5})
- Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzes beendet.
Ich schlage Ihnen vor, in die
dritte Beratung
einzutreten. Ich eröffne die Gesamtaussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. - Für die Einzelberatung? - Ebenfalls nicht!
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten ({6}), §§ 1 bis 28,
({7})
Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist der Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, es ist Einverständnis darüber erzielt worden, daß die Beratung des Punktes 2 der Tagesordnung zurückgestellt wird, bis - etwa nach 1 Uhr - der Herr Bundesminister für Wirtschaft und der Bundesverkehrsminister zur Verfügung stehen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Rechtswirkungen des Ausspruchs einer nachträglichen Eheschließung ({8}).
Ich nehme an, daß der Herr Staatssekretär des Bundes-Justizministeriums dazu das Wort nehmen will. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf ganz kurze Ausführungen beschränken, da die Begründung zu diesem Entwurf alles Nähere enthält.
Der Entwurf dient in erster Linie der Wiederherstellung der Rechteinheit auch auf diesem Gebiet. Darüber hinaus will er Zweifel beseitigen, die auf diesem Gebiet entstanden sind. Während des Krieges ist es durch einen zunächst nicht veröffentlichten Erlaß ermöglicht worden, daß Eheschließungen erfolgten, wenn der Verlobte bereits gefallen war. Man hat diese etwas eigenartige Praxis auch nach der Kapitulation in einigen Landesteilen fortgesetzt und sie sogar in der britischen Zone in einem bestimmten Bereich legalisiert. Es ist begreiflich, daß aus diesem Zustand Unzuträglichkeiten entstanden sind, nicht nur hinsichtlich der Rechtsgültigkeit derartiger Ehen, sondern auch hinsichtlich der familienrechtlichen und sonstigen Folgen. Um hier endgültig eine Bereinigung herbeizuführen, erschien eine bundesgesetzliche Lösung erforderlich. Diesem Zweck dient dieser Entwurf.
Ich eröffne die Aussprache. Der Altestenrat schlägt für die Gesamtaussprache eine Zeit von 40 Minuten vor. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich bitte um Wortmeldungen. - Es liegen offenbar keine Wortmeldungen vor. Die Aussprache der ersten Beratung ist geschlossen.
Auf der Tagesordnung steht lediglich die erste
Beratung. Ist das Haus damit einverstanden, daß
sofort in die zweite Lesung eingetreten wird? ({0})
- Es ist der Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuß gestellt. - Das Haus ist einverstanden; es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes ({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.
Dr. Schneider ({2}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Drucksache Nr. 1636 finden Sie unsern Antrag, nach dem wir das Arbeitsgerichtsgesetz geändert wissen wollen.
Ich darf vorausschicken, daß der Antrag, wie er hier formuliert worden ist, irrtümlich so formuliert wurde. Ich weiß nicht, wie sich dieser Irrtum eingeschlichen hat; ich habe ihn eben erst bemerkt. Ich hatte nicht die Absicht, den gesamten § 64 des Arbeitsgerichtsgesetzes in der derzeit geltenden Fassung abzuändern, sondern lediglich den Abs. 1 dieses Paragraphen. Ich ändere deshalb den Antrag dahin ab, daß es in § 1 heißen muß „§ 64 Abs. 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes". „§ 64" ist zu streichen, so daß dann unmißverständlich ist, daß ich nur den Abs. 1 des § 64 abzuändern wünsche.
Die einzige Änderung, die vorgenommen wird, ist, daß der Betrag von „300 Mark", der bisher in Abs. 1 des § 64 des Arbeitsgerichtgesetzes stand, auf „50 Deutsche Mark" herabgesetzt wird. Ich habe diesen Antrag deswegen gestellt, weil ich der Meinung bin, daß wir das Schiedsurteil in unserem gesamten Recht einheitlich gestalten sollten. Sie werden sich erinnern, daß ich gelegentlich der kleinen Justizreform den Antrag gestellt habe, die Schiedsurteile überhaupt aufzuheben. In der zweiten Lesung ging der Antrag damals durch. Erst in der dritten Lesung hat sich das Hohe Haus dahin geeinigt, daß bei der kleinen Justizreform das Schiedsurteil mit 50 DM Streitwert begrenzt wird. Lediglich aus dem Wunsch, daß auch im Arbeitsgerichtsverfahren das gleiche gelten sollte, ist dieser Gesetzesänderungsantrag von uns eingebracht worden und nicht, wie mir in der Zwischenzeit durch Gespräche zugetragen wurde, aus arbeitnehmerfeindlicher Einstellung. Daran habe ich nicht einen Augenblick gedacht.
Wenn mir gesagt wurde, das könne man im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht durchführen, weil diese Ansprüche eilig seien und sofort vollstreckt werden müßten, so ist das kein Argument gegen meinen Abänderungsantrag. Ich darf Sie auf die ausdrückliche Fassung des § 62 des Arbeitsgerichtsgesetzes verweisen, in dem ausdrücklich bestimmt wird, daß alle Urteile erster Instanz ohne weiteres für vollstreckbar erklärt werden können. Also ganz gleichgültig, wie Sie die Berufungsgrenze hier festsetzen, vollstrecken können Sie aus Urteilen der ersten Instanz immer.
Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen, und beantrage heute, die Vorlage dem Rechtsausschuß zu überweisen.
Der Ältestenrat
schlägt eine Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag würde zu dem Ergebnis führen, daß etwa 80 % der bei den Arbeitsgerichten anhängigen Streitigkeiten berufungsfähig würden. Das würde eine wesentliche Ausweitung unserer Berufungsinstanz bedeuten. Wenn sie den dann zu stellenden Anforderungen gerecht werden wollte, müßte eine große Anzahl von neuen Richtern in der Berufungsinstanz etabliert werden. Ich darf dabei darauf hinweisen, daß wir nicht gerade eine besondere Fülle an Arbeitsrechtlern haben.
Grundsätzlich möchte ich folgendes sagen. Bei der Arbeitsgerichtsbarkeit galt schon seit jeher der Grundsatz, daß das Verfahren schnell durchgeführt werden muß und daß es billig sein muß. Eine schnelle Durchführung des Verfahrens ist notwendig, weil es sich hier im wesentlichen um materielle Forderungen von Arbeitnehmern aus dem Arbeitsvertrag handelt, deren Erfüllung notwendig ist und
({0})
die schnell erfüllt werden müssen, um die Existenz des Arbeitnehmers oder seiner Familie sicherzustellen.
Von Herrn Dr. Schneider ist eben darauf hingewiesen worden, daß alle Urteile der ersten Instanz vorläufig vollstreckbar seien. Das ist richtig. Damit kann aber nur zunächst einmal der Anspruch gesichert werden, aber es ist hiermit nicht die schnelle Realisierung des Anspruches gewährleistet.
Darüber hinaus, so sagte ich, soll das Verfahren billig sein. Zweifellos würde, wenn man dem Antrag stattgeben wollte, in vielen Fällen eine Scheu entstehen, auch berechtigte Ansprüche einzuklagen, weil man die Kosten des Verfahrens scheut, insbesondere die Kosten des Berufungsverfahrens. In der ersten Instanz sind die Kosten des Verfahrens nicht hoch, weil ja hier keine Anwälte eingeschaltet sind. Aber in der Berufungsinstanz würden dann doch beachtliche Kosten entstehen, Kosten, die oft in keinem Verhältnis zum Streitwert stehen.
Ich darf darauf hinweisen, daß man bisher im Gegensatz zu der übrigen Gerichtsbarkeit im Arbeitsgerichtsverfahren immer bewußt mit höheren Sätzen als Berufungsstreitsumme gearbeitet hat. Ich darf daran erinnern, daß schon im alten Gewerbegerichtsverfahren eben diese höhere Streitsumme notwendig war, um eine Sache in die Berufung zu bringen. Ich darf daran erinnern, daß nun seit 1926 das Arbeitsgerichtsgesetz angewandt wird und hier ebenfalls im Gegensatz zur übrigen Gerichtsbarkeit die Berufungssumme von 300 Mark festgelegt ist. Wir hatten damals im Zivilverfahren 100 Mark Berufungssumme. Wir haben aus den Gründen, die ich eben dargelegt habe, die Berufungssumme hier immer bewußt höher gesetzt.
Es besteht keine Gefahr, daß durch die hohe Berufungssumme nun irgendeine grundsätzliche Angelegenheit nicht die rechte Klärung erfahren könnte. Im Arbeitsgerichtsverfahren ist die Möglichkeit vorgesehen, daß die Berufung, auch wenn die entsprechende Streitsumme nicht gegeben ist, wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen wird. Es ist mir bekannt, daß in all den Fällen, wo man von einer grundsätzlichen Bedeutung des Streitfalles reden konnte, danach verfahren wurde, also eine Klärung dieser grundsätzlichen Streitigkeiten möglich war. Ich darf weiter darauf verweisen, daß im Bundesarbeitsministerium eine Neufassung des Arbeitsgerichtsgesetzes vorbereitet wird. Bei dieser Neufassung wird auch die Frage der Berufungssumme nochmals geklärt werden, so daß es im Augenblick auch aus diesem Grunde unzweckmäßig erscheint, an dem bisherigen Zustand etwas zu ändern.
Nun hat Herr Dr. Schneider den Antrag gestellt, diesen Antrag an den Rechtsausschuß zu überweisen. Ich darf darauf hinweisen, daß für Fragen der Arbeitsgerichtsbarkeit die Arbeitsministerien und das Bundesarbeitsministerium zuständig sind, daß diese Fragen der Arbeitsgerichtsbarkeit hier im Hause zur Zuständigkeit des Ausschusses für Arbeit gehören. Ich bitte deshalb, die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit federführend und zusätzlich die Überweisung an den Rechtsausschuß beschließen zu wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem von der FDP eingereichten Antrag handelt es sich ganz offensichtlich um einen Antrag, der aus dem Wunsche der Interessenvertretungen der Rechtsanwälte entsprungen ist. Ich will nach dieser Richtung hin nicht die grundsätzliche Bedeutung dieses Antrages untersuchen, sondern mir kommt es zunächst einmal darauf an, einige sachliche Auswirkungen dieses Antrages hier aufzuzeigen. Mein Vorredner, Herr Kollege Sabel, hat bereits darauf hingewiesen, daß sich seit 60 Jahren die Spruchpraxis, die Urteilsfindung und das Verfahren vor den Kaufmanns- und Gewerbegerichten und später bei den Arbeitsgerichten außerordentlich gut bewährt hat und daß gar keine Dringlichkeit besteht, von diesem Verfahren abzugehen. Bei dem Arbeitsgerichtsverfahren handelt es sich ganz offensichtlich um das Prozeßverfahren des armen Mannes. Das Arbeitsgerichtsverfahren ist auch gar nicht mit dem Verfahren vor den zivilen Gerichten zu vergleichen. Schon allein die Tatsache, daß im Arbeitsgerichtsverfahren alle Streitigkeiten, ganz gleich, welche Höhe sie haben, abgewickelt werden, gibt ihm gegenüber dem Zivilprozeß ein ganz anderes Gesicht. Im Zivilprozeß werden Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 1000 DM vor dem Amtsgericht und darüber hinaus vor dem Landgericht verhandelt. Alle Urteile der Arbeitsgerichte werden im kollegialen Beschlußverfahren erlassen. An den Arbeitsgerichten wirkt auch beim kleinsten Streitwert die Kameradschaft mit, d. h. die Beisitzer werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gestellt.
Es gibt noch einen anderen Unterschied. Im Arbeitsgerichtsverfahren beträgt die Einspruchsfrist 14 Tage, beim Zivilprozeß dagegen einen Monat. Dies wurde bewußt und systematisch in das Arbeitsgerichtsverfahren übernommen, um die gesamten Streitfragen schnell zu erledigen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß der Arbeitsgerichtsverband in einem eingehenden Gutachten seines Vorstandes einstimmig zu dem Beschluß gekommen ist, daß für eine derartige Herabsetzung der Berufungssumme gar keine Notwendigkeit vorliegt, weil einmal das Verfahren sich bewährt hat und auf der andern Seite auch die Grundsätze der Schnelligkeit und der Billigkeit sich absolut bewähren.
({0})
- Die Gerechtigkeit, jawohl! Es ist die Domäne des armen Mannes, und wir können nicht einsehen, daß eine Spruchpraxis, die von Laienrichtern in sechs Jahrzehnten zum Wohle des schaffenden Menschen geübt wurde, durch Volljuristen auch nur angezweifelt wird.
({1})
Es ist der Antrag gestellt worden, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß zu überweisen. Man wäre versucht, zu sagen, man sollte diesen Antrag ablehnen, die erste Lesung abwickeln und in der zweiten Lesung den Gesetzentwurf ablehnen. Die Ausschüsse haben wahrhaftig Arbeiten genug, die vordringlicher Natur sind, und zwar Arbeiten, die in aller Kürze durchgeführt werden müssen. Es ist deshalb meiner Meinung nach nicht notwendig, den Ausschuß mit einer Arbeit zu betrauen, die letzten Endes nur ein negatives Ergebnis bringen kann.
Ich bitte also, den Antrag auf Erlaß dieses Gesetzes die Zustimmung zu verweigern, die zweite Lesung gleich an die erste Lesung anzuschließen und das Gesetz in seiner Gesamtheit abzulehnen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
({0})
Es ist der Antrag gestellt worden, den vorliegenden Antrag an den Ausschuß für Arbeit und zusätzlich an den Rechtsausschuß zu verweisen, und zwar soll der Ausschuß für Arbeit federführend sein. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich darf noch einmal um die Abstimmung bitten. Wer ist für die Überweisung? - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; damit ist die Ausschußüberweisung abgelehnt.
Auf der Tagesordnung steht die erste Beratung des Gesetzentwurfs. Ist das Haus damit einverstanden, daß sofort in die zweite Lesung eingetreten wird?
({1})
- Es wird widersprochen. Damit ist lediglich festzustellen, daß die Überweisung an den Ausschuß abgelehnt ist. Dieser Gegenstand wird auf der Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen wieder in zweiter Beratung erscheinen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Etzel ({2}), Dr. Preusker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer von Anordnungen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft ({3}) ({4}).
Wer begründet den Gesetzentwurf? Er fällt in die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministers. Herr Abgeordneter Etzel sollte wohl den Gesetzentwurf begründen.
({5})
- Herr Dr. Preusker ist auch nicht anwesend. Dann müssen wir diesen Punkt zurückstellen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes ({6}) zum Entwurf eines Gesetzes über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes ({7}) ({8}).
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Ewers. Ich erteile ihm das Wort.
Ewers ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 95. Sitzung das Gesetz betreffend die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes auf Grund des Berichts des Ausschusses für Inneres unter Ablehnung gewisser vom Bundesrat erbetener Änderungen im wesentlichen nach der Regierungsvorlage angenommen. Hiergegen hat der Bundesrat fristgemäß den Vermittlungsausschuß angerufen. In seinem Schreiben hat er drei Punkte angeführt, in denen er eine Änderung wünscht.
Der erste Punkt betrifft den § 4 des Gesetzentwurfs, in dem geregelt ist, unter welchen Umständen der Bund selbst die Verfolgung eines einzelnen Verbrechens in die Hand nehmen kann. Der zweite Punkt bezieht sich darauf, daß es für erwünscht gehalten wurde, das Gesetz auf das Land Berlin auszudehnen. In dem dritten Punkt wurde geltend gemacht, daß es sich um ein Zustimmungsgesetz nach dem Grundgesetz handle und daß dies in der Verkündigungsklausel zum Ausdruck gebracht werden müsse.
Die Erledigung dieses Einspruchs des Bundesrats ist in einer Sitzung des Vermittlungsausschusses erfolgt, in dem man zunächst die materiellen Fragen des Gesetzesinhaltes selbst zur Aussprache gestellt hat. In § 4 Abs. 2 wird geregelt, daß unter den folgenden drei Voraussetzungen das Bundeskriminalamt, das durch das Gesetz gebildet werden soll, die Verbrechensverfolgung selbst in die Hand nehmen kann, nämlich a), wenn eine zuständige Landesbehörde darum ersucht - das ist ein Fall, der außer Streit ist -, dann b) und c) - diese beiden Fälle werden streitig gemacht -, wenn ein Land die wirksame Verbrechensverfolgung ablehnt und wenn der Bundesminister des Innern es aus schwerwiegenden Gründen anordnet. Zu diesen beiden Punkten b und c wurde geltend gemacht, daß der Punkt b für die Länder sozusagen den stillschweigenden Vorwurf enthalte, als ob es vorkommen könne, daß ein Land nicht bereit sei, ein Verbrechen zu verfolgen, und daß die Klausel unter Punkt c einen allzuweiten Spielraum für das Ermessen des Herrn Bundesinnenministers bedeute.
Die Aussprache ergab nun, daß der Punkt b eigentlich nur ein Unterfall des Punktes c ist; denn wenn wirklich einmal ein Land eine Verbrechensverfolgung ablehnen sollte, dann liegt zweifellos für den Bundesminister des Innern ein schwerwiegender Grund vor, die Verfolgung selbst in die Hand zu nehmen. Darüber war man sich im Vermittlungsausschuß völlig einig. Man war sich weiter auch darüber einig, daß der Fall des Punktes b als Unterfall des Punktes c nur dann vorliege, wenn man dem Punkte c nicht weitere einschränkende Klauseln etwa nach der Richtung hin anhänge, daß der Ausdruck „schwerwiegende Gründe" noch verstärkt würde oder der Fall gegeben sein müsse, daß ein eigenes unmittelbares Bundesinteresse durch das Verbrechen, dessen Verfolgung in Frage komme, berührt sein müsse.
Die Einigung ist dahin erfolgt, daß man den Buchstaben c belassen und den Buchstaben b gestrichen hat, weil der Buchstabe b bei richtiger Auslegung bedeutungslos sei. Dementsprechend ist in Ziffer 1 des Berichtes des Vermittlungsausschuses, den ich hier zu begründen habe, vorgesehen, daß Buchstabe c Buchstabe b wird und daß der bisherige Buchstabe b gestrichen wird.
Bezüglich des § 4 Absatz 4 wurde weiterhin von den Herren des Bundesrats insbesondere unter Berufung auf Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes geltend gemacht, daß nach den Bestimmungen des Grundgesetzes die Vorschrift über die Benachrichtigung oder die Aufforderung unmittelbar an Landesstellen zur Mitarbeit nicht zulässig sei; die Aufforderung des Abs. 4 müsse nämlich nicht den zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststellen, sondern den Landesregierungen zugehen und von diesen an die zuständigen Landesstellen weitergeleitet werden. Dagegen wurde von seiten des Bundestags geltend gemacht, daß es sich hier um die Regelung einer der ausschließlichen Bundesgesetzgebung unterliegenden Materie handle, nämlich gemäß Art. 73 Ziffer 10 des Grundgesetzes um die Frage, wieweit und in welcher Weise der Bund die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern auf kriminalpolizeilichem Gebiet unter Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes regeln wolle. Es wurde erklärt, daß in diesem Falle, in dem es sich urn die Regelung der Zusammenarbeit handle, der Bund selbstverständlich die Zusammenarbeit so regeln könne und - wie ich gleich ausführen werde - von diesem Standpunkt auch müsse, wie es vorgesehen sei, nämlich dahingehend, daß die Weisungen sofort den zuständigen Organen in den Ländern zugingen. Denn die Innehaltung des Instanzenzuges ergibt zweifellos nicht jene kurze
({10})
Leitung, die nötig ist, wenn man einen Verbrecher, der flüchtig ist, fangen will. Man kann sich in solchen Fällen normalerweise nicht lange mit Zuständigkeitsfragen abquälen; denn darauf nimmt ein Verbrecher leider keine Rücksicht.
Man hat sich, wie der Ausschußantrag Ihnen zeigt, in erster Linie dahin geeinigt, daß in § 4 mit den zuständigen kriminalpolizeilichen Dienststellen nur die gemäß § 3 des Gesetzes eingerichteten obersten Landeskriminalämter gemeint sind. Man hat weiterhin vorgesehen, daß die Landesregierungen unverzüglich zu benachrichtigen sind. Das ist ein Formatakt, der die Tätigkeit der Landesorgane bei der Verfolgung der einzelnen Sachen nicht weiter hemmt. Auf dieser Basis ist eine einstimmige Willensbildung des Vermittlungsausschusses bei einer Stimmenthaltung erzielt worden.
Was sodann die Ausdehnung des Gesetzes auf Berlin anlangt, so bestand von vornherein im Vermittlungsausschuß eine völlig einhellige Meinung darüber, daß das nicht nur erwünscht, sondern geradezu geboten ist, weil die Weltstadt Berlin für das internationale Berufsverbrechertum eine besondere Anziehungskraft hat und man, wenn man es kann, gerade diesen Sitz des Verbrechens nicht etwa unberücksichtigt lassen sollte. Der Vorschlag des Bundesrates, dem Bund eine Ermächtigung zu geben, das durch eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Land Berlin zu regeln, schien aber dem Vermittlungsausschuß - ich meine: einstimmig - nicht ausreichend. Denn hier handelt es sich darum, daß den Beamten in den Gebieten, in denen das Gesetz gilt, der Charakter eines Polizeibeamten, nämlich eines Hilfsorgans der Staatsanwaltschaft, verliehen werden muß, wenn sie ihr Amt so ausüben wollen, wie das Gesetz es verlangt. In Berlin kann aber keinem Bundesbeamten durch eine einfache Vereinbarung ein Charakter verliehen werden, den er von Rechts wegen nicht hat. Wenn also, wie es in § 5 des Gesetzes vorgesehen ist, die Beamten des Bundes selber dort Verbrecher verfolgen wollen, könnte ihnen entgegengehalten werden: ein Recht der Verhaftung hast du nicht. Dieses Recht steht ja dem einzelnen Staatsbürger nur gegenüber auf frischer Tat ertappten Verbrechern zu. Ähnliches gilt für den Waffengebrauch.
Wir haben es also im Vermittlungsausschuß übereinstimmend für erforderlich gehalten, daß eine gesetzliche Regelung herbeigeführt wird. Diese ist in Ziffer 3 des Vorschlages des Vermittlungsausschusses in der Form angeregt, daß es in einem neuen § 9 heißen soll:
Dieses Gesetz gilt auch für Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Dazu wäre eine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bemerkung zu machen. Natürlich ist die Frage aufzuwerfen, ob im Rahmen des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 des Grundgesetzes ein Gesetz einen ergänzenden Inhalt bekommen darf, der bisher bei der normalen Verabschiedung des Gesetzes noch nicht einmal gestreift war. Das hat der Vermittlungsausschuß in einzelnen Fällen schon wiederholt getan und beiden Häusern vorgeschlagen, und die Gesetze sind verabschiedet worden.
Wir sind im Vermittlungsausschuß einstimmig der Meinung gewesen, daß jedenfalls in einem Falle, wo über die Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit einer gewissen Ergänzung, die sich aus Anlaß der Vermittlungsverhandlungen ergab und durch die am Charakter und dem Sinn des Gesetzes nicht nur nichts geändert, sondern dieser noch unterstrichen wird, völlige Einmütigkeit herrschte, eine solche Ergänzung in diesem abgekürzten, nämlich nur einer Lesung bedürfenden Vermittlungsverfahren im Sinne des Grundgesetzes durchaus zulässig sein muß.
Zu dieser Bestimmung ist schließlich weiter zu bemerken, daß, da es sich um die Einführung eines Bundesgesetzes in Berlin über die Berliner Verfassung handelt, die Herren Kommissare werden zustimmen müssen. Der Vermittlungsausschuß nimmt an, daß der Bundestag ebenso wie er selbst von der Erwartung ausgeht, daß diese Zustimmung keine Schwierigkeiten machen kann, da die Verbrechenbekämpfung, insbesondere die Bekämpfung des internationalen Verbrechertums selbstverstänlich ebensosehr Anliegen der Hohen Kommissare wie der nichtverbrecherischen Deutschen sein dürfte.
Was endlich die Frage anlangt, ob das Gesetz ein Zustimmungsgesetz ist oder nicht, so ist zur Entscheidung dieser Verfassungsstreitfrage selbstverständlich der Vermittlungsausschuß nicht berufen. Dabei handelt es sich nämlich nicht um den Inhalt, sondern um das Zustandekommen und die Veröffentlichungsformel des Gesetzes. Wir haben daher im Vermittlungsausschuß nach Abschluß der in weitgehender Übereinstimmung erfolgten sachlichen Einigung zu dieser Frage keine Stellung genommen, zu deren Entscheidung oder auch nur Ausbügelung wir nicht berufen sind. Insoweit stehen sich nach wie vor die Meinungen des Bundesrats und des Bundestags gegenüber. Die Zweifel, die hier auftauchen, möchte ich, da es uns, wie gesagt, verfassungsgemäß nichts angeht, aber interessieren dürfte, nur ganz kurz mit zwei Worten schildern.
Die Bundesregierung steht mit dem Bundestag auf dem Standpunkt, daß, wenn dem Bunde durch Art. '73 Ziffer 10 GG als ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis die Regelung der Zusammenarbeit auf kriminalpolizeilichem Gebiet und damit auch die Einrichtung einer eigenen Bundeskriminalbehörde zugewiesen ist, der Bund auch durch ein einseitiges Bundesgesetz die Einrichtung der Behörden in den Ländern regeln kann und muß, um die Zusammenarbeit zu garantieren, wie es im § 3 des Entwurfes vermittels der obersten Landeskriminalbehörden vorgesehen ist. Die Länder oder der Bundesrat jedenfalls - ob alle Länder, das entzieht sich meiner Kenntnis - stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, daß es sich hier um die Ausführung eines Bundesgesetzes handelt, das die Länder als eigene Angelegenheit durchzuführen haben, was nach Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes nur durch ein der Zustimmung bedürfendes Bundesgesetz geschehen könnte. Da es sich hier aber nicht um eine landeseigene Verwaltung einer Bundesangelegenheit handelt, sondern um die Zusammenarbeit, wie das Grundgesetz ausdrücklich feststellt, so ist nach der Meinung der Regierung und des Bundestages diese Bestimmung hier nicht anwendbar. Über diese Kontroverse mögen sich die Juristen den Kopf zerbrechen; wir brauchen das nicht zu entscheiden. Beide Häuser haben sich mit aller Klarheit ihren Standpunkt vorbehalten.
Das wird aber die sofortige Verabschiedung des Gesetzes, wie zur Sprache gekommen ist, deshalb nicht hindern, weil zwischen den Verfassungsorganen, die mit der Verkündung der Gesetze betraut sind, folgende Regelung grundsätzlich abgesprochen ist. In solchen Fällen wie diesem, wo sachliche Differenzen nicht bestehen, faßt der
({11})
Bundesrat ausdrücklich einen Beschluß wegen seiner Zustimmung; dieser wird in der Weise in der Verkündungsformel veröffentlicht, daß es zwar nicht heißt „mit Zustimmung des Bundesrates", daß dafür aber der Vermerk in die Verkündungsformel aufgenommen wird: „Die verfassungsrechtlichen Rechte des Bundesrates sind gewahrt". Das ist die Formel, mit der man derartige verbleibende Zweifel an dem verfassungsmäßig Nötigen von Fall zu Fall umgeht.
Ich habe Ihnen also namens des Vermittlungsausschusses, dessen Beschluß, wie gesagt, einstimmig bei einer Stimmenthaltung ergangen ist, zu empfehlen, die Vorlage, wie sie in der 95. Sitzung von Ende Oktober verabschiedet worden ist, nunmehr so zu ändern, wie es Ihnen im Vermittlungsvorschlag vorliegt:
1. in § 4 den bisherigen Abs. 2 b zu streichen und dem bisherigen Abs. 2 c die Bezeichnung b zu geben,
2. in § 4 den letzten Abs. 4 dahin zu ändern, daß er in Zukunft lautet:
In den Fällen des Abs. 2 kann das Bundeskriminalamt den zuständigen Landeskriminalämtern ({12}) Weisungen für die Zusammenarbeit geben. Die zuständige Landesregierung ist unverzüglich zu benachrichtigen.
3. einen neuen § 9 hinzuzufügen, dessen Wortlaut heißt:
Dieses Gesetz gilt auch für Berlin, sobald das Land Berlin gemäß Artikel 87 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Aus dieser Änderung ergibt sich dann die neue Numerierung der bisherigen §§ 9 und 10, die in Zukunft 10 und 11 heißen müssen.
Ich bitte den Bundestag, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses seine Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, über Anträge des Vermittlungsausschusses findet keine Aussprache statt. Wir kommen daher sofort zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! ({0})
- Gegen eine Stimmenthaltung angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 7 der Tagesordnung ist schon früher erledigt worden.
Ich rufe auf Punkt 8:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1950 ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}).
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Herbig.
Herbig ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 1508 enthält den Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Besteuerung des Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1950, dem der Bundesrat bereits seine Zustimmung gegeben und zu dem er Änderungen und Zusätze in Vorschlag gebracht hat. Die Angelegenheit ist nicht weltbewegend und hat auch für das Finanzministerium bestimmt nicht die große Bedeutung wie viele andere ähnliche Vorlagen. Es ist erfreulich, festzustellen, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einmütig die Beschlüsse faßte, die Ihnen vorliegen, und daß auch der Vertreter des Bundesfinanzministeriums diesen Beschlüssen beipflichtete. Im Wesen decken sich die Beschlüsse des Ausschusses mit den Vorschlägen des Bundesrats und werden damit den berechtigten Forderungen der Tabakkleinpflanzer gerecht. Angesichts der Einmütigkeit in den Auffassungen im Bundesrat und im Bundestagsausschuß für Finanz- und Steuerfragen und der Zustimmung des Bundesfinanzministeriums zu den Ergänzungen und Änderungen kann ich mich bei der Begründung auf das Notwendigste beschränken.
Unter Tabakkleinpflanzern sind, zum Unterschied von den gewerblichen Tabakpflanzern, jene zu verstehen, die höchstens 200 Pflanzen und diese nur für den eigenen Bedarf anbauen. Es handelt sich dabei ausschließlich um kleine Leute, Arbeitsunfähige, Rentner, Flüchtlinge, Kriegsbeschädigte und dergleichen, die mit ihren kargen Mitteln sehr haushälterisch umgehen müssen. Für sie bedeuten die Ersparnisse, die sie aus dem selbst angebauten Tabak ziehen, sehr viel.
Daß die Zahl der Tabakkleinpflanzer in Kriegszeiten sehr hoch ist und abfällt, sobald diese Zeiten vorüber sind und Tabak wieder in genügender Menge zu haben ist, ist nur natürlich. Die Legion der Kleinpflanzer ging während des Krieges in die Millionen - vielleicht erinnert sich auch so mancher der verehrten Anwesenden an seine Tabakpflanzervergangenheit - und betrug noch im Erntejahr 1948/49 1 373 433 Personen. Doch die Behauptung des Bundesfinanzministers, daß ihre Zahl im Erntejahr 1949/50 auf 11488, also auf kaum 1 % im Vergleich zum vorhergehenden Jahre, gesunken wäre, muß widerlegt werden; denn diese Zahl wurde von einem einzigen der mehr als 20 lohnverarbeitenden Betriebe bei weitem übertroffen. Auch die unter dem Einfluß der einwandfreien Angaben der Gemeinschaft der Tabakkleinpflanzer vom Bundesfinanzministerium verbesserten Zahlen, die von 23 589 Kleinpflanzern sprechen, stellen nur einen Teil der wirklichen Menge vor. Ermittelt wurde die Zahl durch die bei den Hauptzollämtern bis zum 20. Juli 1950 eingegangenen Meldungen. Berücksichtigt man aber, daß der Aufforderung zur Meldung des Pflanzenbestandes die Bekanntmachung der Oberfinanzpräsidenten vorausging, wonach im Jahre 1950 nur noch 100 Pflanzen steuerfrei sein sollen, und weiter, daß eine Lohnverarbeitung für diesen selbstgepflanzten Tabak in Zukunft wegfallen werde, so hat diese Bekanntmachung einen großen Einfluß auf die Meldungen ausgeübt. Die Kleinpflanzer waren mit Berechtigung über die neuen Verfügungen zuhöchst erbittert und verzichteten lieber auf die dubiosen Vorteile, die ihnen aus der Anmeldung erfließen sollten.
Ja, meinen Sie nicht, meine Damen und Herren, daß es ganz eigentümlich berührt, wenn man jetzt den Kleinpflanzern jedes Entgegenkommen versagt, wo sie noch vor wenigen Jahren animiert wurden, zur Steuerung der Tabaknot soviel Tabak wie möglich für den Eigenverbrauch anzubauen, um damit den Markt zu entlasten? Und wo bleibt vor allem, meine Damen und Herren, das Verständnis für die Not des kleinen Mannes - um den allein handelt es sich hier -, dessen Kampf um das Dasein sich in Anbetracht der ständig steigenden Preise immer schwieriger gestaltet?
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Nachprüfungen haben ergeben, daß die Zahl der Kleinpflanzer noch immer höher ist als 100 000, daß aber die überwiegende Mehrheit von ihnen weniger als 100 Pflanzen - das ist also das steuerfreie Minimum - anbaut. Wenn die Banderolensteuer von 2 DM je Kilogramm nach Angaben des Bundesfinanzministeriums den Betrag von 724 510 DM erbrachte und wenn man die Ernte von 100 Pflanzen mit 6 Kilogramm berechnet, ergibt das allein schon eine Zahl von 60 000 Pflanzern. Auf Grund von Unterlagen der Lohnverarbeitungsbetriebe entfallen aber auf jeden Kleinpflanzer im Durchschnitt nur 60 Pflanzen, mithin nur 3,6 Kilogramm Rohtabak, was allein schon auf eine Zahl mehr als 100 000 Kleinpflanzern schließen läßt.
Die statistischen Unterlagen des Bundesfinanzministeriums stimmen also nicht; und wenn sie stimmten, stellten sie kein Argument dar, den Kleinpflanzern plötzlich so unfreundlich zu begegnen. Insbesondere mutet es sonderbar an, wenn das Bundesfinanzministerium sich in dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1508 bereit erklärt, die Steuervergünstigungen für die Kleinpflanzer auch im Erntejahr 1950 zu gewähren, aber zugleich die Fermentierung des Rohtabaks in Lohnverarbeitungsbetrieben untersagt. Ja, man gibt den Kleinpflanzern einen amtlichen Leitfaden für die Hausfermentierung in die Hand. Was soll damit gewonnen werden? Die amtlich gemeldete und kontrollierbare Rohtabakernte soll der fachmännischen Veredelung entzogen werden, wodurch eine große Zahl von Verarbeitungsbetrieben um die Beschäftigung und der Bund um die Banderolensteuer kommt. Es ist erwiesen, daß z. B. im größten Veredelungsbetrieb nicht weniger als 150 Beschäftigte von dem Verbot betroffen würden.
Unbeachtet lasse ich dabei die Frage, ob überhaupt eine Berechtigung besteht, den Lohnverarbeitungsbetrieben die Veredelung des Kleinpflanzer-Rohtabaks zu verbieten. Nach den Gutachten bedeutender Universitätsprofessoren besteht diese Berechtigung nicht. Es wäre sogar noch zu untersuchen, ob ein solches Verbot nicht in Widerspruch zu Art. 19 des Grundgesetzes steht. Gegen den Vorwurf des Bundesfinanzministeriums, bei den Lohnverarbeitungsbetrieben seien Unregelmäßigkeiten bei der Verarbeitung und beim Umtausch von Kleinpflanzer-Rohtabak festgestellt worden, verwahren sich die Beschuldigten mit Recht auf das entschiedenste. Unregelmäßigkeiten kommen überall und zu allen Zeiten vor. Davon sind auch staatliche Behörden nicht ausgenommen. Es geht nur noch um den Umfang. Die Andeutung, daß es sich bei dem abgelieferten Tabak um schwarze Bestände handele, ist durch nichts erhärtet und hat bereits den einmütigen Protest der Beschäftigten in den angezogenen Betrieben ausgelöst. Die Behauptung steht auch im Widerspruch zu der auch vom Bundesfinanzministerium zugegebenen Tatsache, daß kein Gramm Rohtabak in die Fabriken aufgenommen wird, ohne registriert worden zu sein. Der gewichtigste Grund, der gegen die unfachmännische Fermentierung des Rohtabaks im Hause spricht, ist der, daß damit dem Raucher solchen Tabaks schwere gesundheitliche Schäden zugefügt werden, die umso bedeutender und verheerender sind, als es sich um ein langsam wirkendes Gift handelt. Was würden aber erst jene, die die fachmännische Fermentierung des Kleinpflanzertabaks verunmöglichen wollen, dazu sagen, wenn ihre Geruchsnerven, so wie anno dazumal, von den höchst unangenehmen Gerüchen mangelhaft fermentierten Tabaks belästigt würden? Eine
Probevorführung hier im Bundeshaus würde meine Befürchtung erhärten und wahrscheinlich die meisten Gegner bekehren. Auch der finanzielle Effekt beim Wegfall der bisherigen Steuervergünstigungen für Tabakkleinpflanzer wäre unwesentlich und stünde in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Schäden.
Es ist aber natürlich, daß man sich gewissen Einwendungen und Forderungen des Bundesfinanzministeriums nicht verschließen konnte. In dem vom Bundesrat empfohlenen, Ihnen vorliegenden eingeschobenen § 2 a wurde die Einschränkung aufgenommen, daß der zur Lohnverarbeitung abgelieferte Kleinpflanzertabak nur in Rauchtabak Feinschnitt und Pfeifentabak - umgetauscht werden kann. Da noch im vorigen Jahr von den mehr als 1 373 000 Kleinpflanzern der Rohtabak in Zigaretten nur zu einem Vierundsechzigstel umgetauscht wurde - d. h. daß von 164 000 kg abgeliefertem Rohtabak nur 1 000 000 Zigaretten gleich 1000 kg verlangt wurden -, hat der Finanzausschuß auf Ersuchen des Bundesfinanzministeriums in seine Beschlüsse aufgenommen, vom Umtausch in Zigaretten Abstand zu nehmen. Dem Bundesfinanzministerium wird dadurch der Neudruck von Banderolen und die gesonderte Verrechnung erspart. Zum Trost der Zigarettenraucher unter den Kleintabakspflanzern kann aber gesagt werden, daß die Durchführungsbestimmungen des Bundesfinanzministeriums nach den uns gemachten Zusicherungen keineswegs schwere Drohungen gegen die Veredelungsbetriebe enthalten werden, sondern daß ein leidenschaftlicher Zigarettenraucher statt des Feinschnitts auch Zigaretten soll eintauschen können.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt Ihnen, den vorliegenden Gesetzentwurf mit den folgenden Änderungen anzunehmen, wobei man natürlich kleine Schönheitsfehler mit in Kauf nehmen muß. Das Gesetz würde also nach unseren Vorschlägen lauten:
§§ 1 und 2 des Gesetzes bleiben unverändert. Es soll ein § 2 a eingeschaltet werden:
Die Lohnverarbeitung von Kleinpflanzertabak zu Rauchtabak und der Umtausch in Rauchtabak bei angemeldeten Herstellern oder bei von Herstellern beauftragten, zollamtlich angemeldeten Sammelstellen ist zugelassen. Der im Lohn hergestellte oder eingetauschte Rauchtabak wird zu ermäßigten Kleinverkaufspreisen und ermäßigten Steuersätzen abgegeben. Die näheren Durchführungsverordnungen erläßt der Bundesminister der Finanzen.
Der § 3 soll eine kleine Änderung erfahren: Der Tabakpflanzer hat, auch wenn er weniger als 100 Pflanzen angebaut hat, binnen zwei Wochen nach Verkündung des Gesetzes das im Erntejahr 1950 bebaute Grundstück und die Zahl der von ihm gesetzten Pflanzen bei dem Bürgermeister der Gemeinde anzumelden, in deren Gebiet er seinen Wohnsitz hat.
Der § 4 bleibt unverändert. - § 5 spricht über die Steueraufsicht:
Der Tabakpflanzer unterliegt der Steueraufsicht. Insbesondere hat er den mit der Wahrnehmung der Steueraufsicht betrauten Personen den Zutritt zu seinem Besitz zu gestatten. § 195 der Reichsabgabenordnung gilt entsprechend.
Die §§ 6 bis 9 bleiben nach unseren Vorschlägen unverändert.
({6})
Meine Damen und Herren, da der Gesetzentwurf vom Bundesrat mit kleinen Änderungen und vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einstimmig gutgeheißen wurde, da weiter das Gesetz zum Kehraus des Jahres 1950 gehört und eine bescheidene Weihnachtsgabe an die 100 000 Kleinpflanzer vorstellt, bitte ich Sie, dem Entwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, das Gesetz in den zwei noch ausstehenden Lesungen ohne Aussprache zu verabschieden.
({0}) - Einverstanden. - Ich rufe auf §§ 1, - 2, - 2 a, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Ich rufe auf §§ 1 bis 9, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
Der Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umstellung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen nach der Währungsreform ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}).
({4})
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat für die Berichterstattung 15 Minuten und für die Aussprache insgesamt 60 Minuten vor. - Sie sind einverstanden.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Scharnberg als Berichterstatter.
Schoenberg ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes über die Umstellung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen nach der Währungsreform, den der Ausschuß für Geld und Kredit Ihnen heute in der Drucksache Nr. 1474 vorlegt, geht zurück auf den Antrag der Freien Demokratischen Partei, Drucksache Nr. 387.
Der Ausschuß schlägt Ihnen in Anlehnung an die Höchstsätze des Soforthilfegesetzes vor, die Renten- und Pensionsbeträge bis zum Betrage von 70 Mark 1 : 1 umzustellen. Der FDP-Entwurf sah 75 Mark für die Umstellung 1 : 1 vor.
Wir wollen weiterhin die Beträge von 70 bis 100 Mark 2 : 1 umgestellt wissen, auch hier ging der FDP-Antrag etwas weiter, und zwar von 75 bis 125 Mark.
Übereinstimmend in beiden Entwürfen sollen darüber hinaus die Renten mit 10 : 1 umgestellt werden.
Die Beratung über dieses Gesetz hat ungewöhnlich lange Zeit in Anspruch genommen,
({6})
da es in einem auf Grund der Währungsreform verwickelten und zunächst auch strittigen Rechtsgebiet Ordnung schaffen will. Die Verhandlungen im Ausschuß waren aber, wie ich hier wohl ausdrücklich hervorheben darf, von einer erfreulichen Harmonie und Aufgeschlossenheit aller Beteiligten gegenüber dem Problem getragen, und so kann ich Ihnen hier mitteilen, daß der Ausschuß seine Beschlüsse einstimmig gefaßt hat.
Ich muß zum Verständnis des Gesetzes zunächst einen Überblick über die verschiedenen Renten- und Pensionsverhältnisse geben.
§ 18 des Umstellungsgesetzes besagt unter anderem, daß Renten und Pensionen im Verhältnis 1 : 1 umzustellen sind. § 23 besagt, daß die Neuordnung der Sozialversicherung Sache der deutschen Gesetzgebung sei und daß die bisherigen Versicherungsleistungen 1 : 1 umzustellen sind. § 24 schreibt vor, daß die aus Lebensversicherungsscheinen sowie die aus Versicherungsverträgen entstandenen Verbindlichkeiten 10 : 1 umzustellen sind. Danach war nun folgende Lage eingetreten: Die Beamtenpensionen, die Ansprüche gegen die Sozialversicherung und die Pensionsansprüche gegen Unternehmungen der privaten Wirtschaft waren voll zu zahlen. Strittig wurde, wie Pensions- und Rentenforderungen gegen Lebensversicherungsgesellschaften und Versicherungsscheine auf Gegenseitigkeit, die insbesondere auch vielfach in der privaten Wirtschaft bestanden, zu behandeln sind. Der § 24 schreibt nicht ausdrücklich vor, daß auch diese Renten- und Pensionsforderungen unter die Regelung des Paragraphen über die Umstellung fallen, wonach 10 : 1 umzustellen wäre. Die Länder teilten infolgedessen auch diesen Versicherungsunternehmen für ihre Pensions- und Rentenverpflichtungen nur insoweit Ausgleichsforderungen zu, als sie einer Umstellung 10 : 1 entsprachen. Die Unternehmen konnten infolgedessen auch den Versicherten die Renten und Pensionen nur im Verhältnis 10 : 1 auszahlen.
Die Versicherten erhoben Klage. Die Urteile lauteten verschieden. Mangels eines höchsten Gerichtes waren höchstrichterliche Entscheidungen noch nicht herbeizuführen. Die allgemeine Tendenz der Urteile schien dahin zu gehen, erstens die Pensions- und Rentenfälle, die am Währungsstichtag schon bestanden, 1 : 1 umzustellen - eine Auffassung übrigens, die der Oberste Gerichtshof der britischen Zone nicht teilte -; zweitens sollten die Anwartschaften aber zehn zu eins umgestellt werden, und drittens gingen verschiedene Urteile nun wiederum dahin, Anwartschaften bei Pensionsversicherungen mit Zwangscharakter mit der Begründung, daß sie wie die Sozialversicherung zu behandeln wären, ebenfalls eins zu eins umzustellen.
Am Rande möchte ich, um das Bild abzurunden, erwähnen, daß noch Pensionsforderungen gegen Unternehmen der Privatwirtschaft, die im Wege der Vertragshilfe nicht voll zahlen, bestehen. Es handelt sich dabei durchweg um demontierte Betriebe und um nach dem Westen verlagerte Ostbetriebe. Die Rechtsunsicherheit, welche durch diese widerstreitenden Urteile entstand, mußte be({7})
seitigt werden. Die alliierte Bankkommission erwog daher eine Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz, die klarstellen sollte, daß die Renten- und Pensionsverpflichtungen, die mit Lebensversicherungsgesellschaften und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit abgeschlossen worden waren, nach § 24 Ziffer 1 zu behandeln, also 10 : 1 umzustellen seien. Der Ausschuß Geld und Kredit hat, als er von diesen Absichten erfuhr, die alliierte Bankkommission über die im Bundestag bestehenden Absichten und die dem Ausschuß zur Beratung vorliegende Materie unterrichtet, und die alliierte Bankkommission hat daraufhin auch in der Begründung zu der 47. Durchführungsverordnung, die unter dem 6. September verkündet wurde, ausdrücklich festgestellt, daß die getroffene Klarstellung den Entschlüssen der deutschen gesetzgebenden Körperschaften über eine etwaige Aufbesserung der Ansprüche aus Renten- und Pensionsversicherungen nicht vorgreifen soll. In einer Mitteilung, welche die Bank deutscher Länder zu der Durchführungsverordnung veröffentlicht hat, heißt es in voller Übereinstimmung mit der Auffassung des Ausschusses Geld und Kredit:
Die Durchführungsverordnung schafft dadurch, daß sie den gegenwärtigen Zustand in bindender Weise klarstellt, überhaupt erst die erforderliche sichere Grundlage in dieser Frage, mit der sich der Bundestag seit einiger Zeit beschäftigt.
Zu dem Entschluß des Ausschusses, hier helfend einzugreifen, trug ausschlaggebend die soziale Seite der Angelegenheit bei. Zunächst ist zu bemerken, daß nach uns gemachten Angaben nur ein Fünftel der hier in Rede stehenden Objekte die Lebensversicherungsgesellschaften betrifft. Der häufig vorgetragene Einwand, das Gesetz betreibe das Geschäft der Lebensversicherungen, ist also nicht zutreffend. Vier Fünftel der ausgegebenen Rentenausgleichsforderungen kommt vielmehr den sonstigen, unter Versicherungsaufsicht stehenden Pensionskassen und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit zu.
Bei den Versicherungsgesellschaften staffeln sich die Renten so, daß 84% unter 50 Mark liegen; 10 % zwischen 50 und 100 Mark und nur 6 % demnach über 100 Mark. Bei den Pensionskassen liegen die Sätze zwar eine Kleinigkeit höher, doch zeigen die Zahlen eindeutig, daß es sich bei den Versicherten durchweg um die bedürftigsten Bevölkerungskreise handelt.
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Nach unseren Berechnungen werden etwa 80 000 bis 100 000 Personen als Rentner und weitere 200 000 Anwartschaften durch das Gesetz begünstigt. Von den Rentnern sind über 80 % über 65 Jahre alt.
Dem Gesetzentwurf wurden nun eine Reihe von Einwänden entgegengehalten, die der Ausschuß sehr eingehend geprüft hat, zumal sie zum Teil unbestreitbar schwerwiegender Natur waren. Der Ausschuß ist aber in allen Fällen zu dem Ergebnis gekommen, sich über die Einwände hinwegzusetzen, da ihm die sozialen Gesichtspunkte, die ich eben vorgetragen habe, wichtiger erschienen.
Zunächst waren die finanziellen und währungsmäßigen Auswirkungen des Gesetzes zu bedenken. Schätzungen haben ergeben, daß die Versicherungsträger mit Rentenausgleichsforderungen seitens der Länder in Höhe von rund 1 Milliarde ausgestattet werden müssen. Die ursprüngliche Fassung des Gesetzes nach dem FDP-Entwurf, wonach bis 75 Mark voll, von 75 bis 125 Mark halb und erst darüber hinaus 10 : 1 zu zahlen wäre, hätte 150 Millionen Mark mehr gekostet. Eine Tilgung der Ausgleichsforderungen findet bekanntlich vorerst nicht statt. Dagegen sind die Ausgleichsforderungen analog denjenigen, welche die Versicherungswirtschaft bisher bekommen hat, mit 3 1/2 % zu verzinsen. Das heißt also, daß die Länder mit einer Zinslast von insgesamt jährlich 35 Millionen belastet werden. Das ist eine Summe, die angesichts des Umstandes, daß 100 000 Rentner und 200 000 Personen, die Anwartschaften haben, von diesem Gesetz betroffen werden und daß sich diese Personen - jedenfalls die Rentner - in bitterster Not befinden, durchaus vertretbar erscheint. Dabei ist zudem zu erwarten, daß in vielen Fällen Fürsorgezahlungen fortfallen, so daß die Länder und Gemeinden in ihren Sozialetats einen Teil der 35 Millionen einsparen werden.
Währungsmäßig würde sich das Gesetz verhängnisvoll auswirken, wenn zu befürchten wäre, daß Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen in großem Umfang in die Zwangslage versetzt worden wären, die Rentenausgleichsforderungen zu veräußern. Dieser Fall kann aber grundsätzlich nur dann eintreten, wenn der Versicherungsbestand rückläufig ist, das aber wird in der Regel nicht der Fall sein. Um aber Mißbräuchen vorzubeugen, haben wir die Schutzvorschrift des § 6 eingebaut, die besagt, daß ein Verkauf oder eine Beleihung dieser Rentenausgleichsforderungen nur dann erfolgen darf, wenn die Aufsichtsbehörde bescheinigt, daß die Auszahlung der laufenden Leistung unmöglich ist. Danach ist es undenkbar, daß im Zusammenhang mit dem Gesetz eine währunggefährdende Geldschöpfung eintritt.
Ein weiterer Einwand besagte, daß man hier einen kleinen Teil der währunggeschädigten Geldbesitzer und Sparer herausnimmt und begünstigt, was dem Gebot der Gerechtigkeit widerspreche, solange man nicht allen Währunggeschädigten, insbesondere den Altsparern, ähnliche Vergünstigungen zuteil werden lassen könne.
Hierzu ist im Ausschuß viererlei gesagt worden. Erstens: Man kann, wenn man will, eine Analogie zwischen Kapitalsparer und demjenigen herstellen, der sich eine Rente oder Pension durch einmalige oder laufende Einzahlung in eine Lebensversicherung oder einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit erspart hat. Man kann aber ebenso gut einen Kreis um alle diejenigen ziehen, die sich als Beamte, durch Vertrag mit einem Wirtschaftsunternehmen oder auf eben erwähnte Weise eine Rente, Pension oder, wie es in dem Umstellungsgesetz heißt, eine andere regelmäßig wiederkehrende Leistung erworben haben. Zweitens wurde gesagt, der Kapitalsparer unterscheidet sich von dem Rentensparer insofern, als ersterer ja jederzeit über seine Ersparnisse verfügen kann und verfügen konnte, während der Rentensparer dies nicht kann. Diesem daher nach einer Inflation eine Vergünstigung zu gewähren, scheine nicht unberechtigt zu sein. Drittens wurde gesagt, im Gegensatz zum Rentner werde der Kapitalsparer, wenn man seine Ersparnisse besser umstelle, über kurz oder lang über die umgestellten Beträge verfügen wollen. Hierdurch würde für die Kapitalsammelstellen die Notwendigkeit entstehen, die Ausgleichsforderungen in großem Maße zu veräußern oder zu lombardieren. Das aber würde die Währung aufs äußerste gefährden. Uns lagen aus anderem Anlaß Berechnungen vor, die besagten, daß bei einer besseren
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Umstellung der Altsparer, etwa auf 20 % - statt 6 1/2 und 10 % - ca. 4 1/2 Milliarden Mark Ausgleichsforderungen notwendig wären. Diese erfordern zunächst einmal einen Zinsaufwand von ca. 150 Millionen Mark. Außerdem aber würden diese Ausgleichsforderungen im Zusammenhang mit dem, was ich eben vortrug, einen ständigen Druck auf den Kapitalmarkt ausüben, und zwar ganz gleich, ob man die gutgeschriebenen Beträge zunächst sperrt oder nur unter bestimmten Umständen verfügbar macht oder nicht. Als letzter Grund, der eine verschiedenartige Behandlung der Gruppen zu rechtfertigen schien, wurde im Ausschuß noch angeführt, man solle einem Bedürftigen eine, wie wir gesehen haben, finanz- und währungspolitisch an sich mögliche Hilfe doch nicht deshalb vorenthalten, weil einem anderen in ähnlicher Lage befindlichen Bedürftigen beim besten Willen nicht geholfen werden könne, ohne das Fundament, auf dem überhaupt erst eine Hilfe möglich ist, nämlich die Währung, zu erschüttern.
Ein weiterer Einwand bezog sich darauf, daß man die Deckungsgrundlage der Versicherungsträger nur dann wiederherstellen sollte, wenn man gleichzeitig diejenige der Sozialversicherungen wiederherstellt. Damit die Sozialversicherung ihre Leistungen 1 : 1 erfüllen kann, sei ein erheblicher Beitrag der jetzt Leistenden erforderlich. Das sei bei den Versicherungsunternehmen, die von diesem Gesetz betroffen würden, nicht möglich.
Gegenüber diesem Einwand haben wir im Ausschuß erklärt, daß der bedürftige Pensionär oder Rentner - um den geht es uns doch hier - davon nicht satt wird, daß man ihm sagt, seine Ansprüche könnten im Gegensatz zum Sozialversicherten eben leider nur 10 :1 ausgezahlt werden, weil er nun mal das Pech habe, nicht wie diese einer Zwangsgefahrengemeinschaft von Leuten anzugehören, die neu in die Versicherung hineinzahlen könnten. Im übrigen ist ja auch zu bedenken, daß nach dem vorliegenden Gesetz nur die kleinen Renten und Pensionen, im Gegensatz zur Sozialversicherung, voll umgestellt werden.
Was nun aber die Wiederherstellung der Deckung betrifft, so haben wir das Gesetz gewiß nicht in der Absicht gemacht, die Deckungsgrundlage für die Versicherungsträger wiederherzustellen, sondern um eine von uns empfundene soziale Ungerechtigkeit der Währungsgesetzgebung auszugleichen, also den Pensionären und Rentnern zu helfen. Wir haben auch erwogen, die in Rede stehenden Renten und Pensionen einfach auf den Staat zu übernehmen. Das hätte aber wesentlich höhere laufende Aufwendungen erfordert, und deshalb kam dieser Weg nicht in Frage. Wir sind uns durchaus bewußt, daß mit diesem Gesetz die Frage der Wiederherstellung der Deckungsgrundlage der Sozialversicherung aufs neue angestoßen wird. Wir sind nicht unglücklich darüber, weil, wie es uns scheint, sehr gewichtige Gründe dafür sprechen, diese Frage bald, gründlich und aufgeschlossen zu prüfen.
Der letzte Einwand, den der Ausschuß zu behandeln hatte, bezog sich auf die Frage, ob es nach dem Grundgesetz möglich sei, durch ein Bundesgesetz die Länder zu verpflichten, Ausgleichsforderungen den Versicherungsunternehmen zu überlassen. Auch hier waren zweifellos gewichtige Überlegungen anzustellen. Einerseits hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung für das Währungswesen, und unser Gesetz stellt eine Korrektur der Währungsgesetzgebung dar. Da andererseits eine Gesetzgebungsbefugnis der Länder zweifellos nicht gegeben ist, könnte also ein solches Gesetz, wenn es auch der Bund nicht erlassen kann, nur durch die Alliierte Bankkommission erlassen werden, und wir befinden uns, wenn diese eines Tages nicht mehr existiert, in einem absolutem Vakuum.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch auf die 38. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz verweisen, die von der Alliierten Bankkommission erlassen worden ist und die Grundlage dafür schafft, daß die Banken ihre Pensionsverpflichtungen, die nicht auf so festen Rechtsgrundlagen beruhen wie die durch dieses Gesetz behandelten, besser umstellen können. Diese Durchführungsverordnung läuft praktisch darauf hinaus, daß - ebenso wie in unserem Gesetz - die Länder den Banken entsprechende Ausgleichsforderungen zur Verfügung stellen müssen.
Es ist nicht einzusehen, wieso es verfassungswidrig sein soll, etwas zu tun, was die Alliierte Bankkommission ohne weiteres tun kann und wofür der Bund die ausschließliche Gesetzgebung hat, nur aus dem Grunde, weil es in sonstigen Fällen sicherlich abwegig ist, die Länder durch Bundesgesetz zu verschulden. Der Ausschuß sieht daher in dem Gesetz keine Verletzung, sondern höchstens die Aufdeckung einer Lücke des Grundgesetzes. Ich möchte aber ausdrücklich darauf hinweisen: es kann mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die verfassungsrechtliche Frage durch den Verfassungsgerichtshof nachgeprüft wird.
Im einzelnen darf ich zu dem Gesetz kurz noch folgendes vortragen. § 1 entspricht im allgemeinen der Fassung des ursprünglichen Gesetzentwurfs. Nur ist in der ersten Zeile klargestellt, von welchem Datum an die erhöhten Leistungen bewilligt werden. In dem ursprünglichen Gesetzentwurf war ein solches Datum nicht enthalten. Es erschien nicht zweckmäßig, eine vollständige Rückwirkung bis zum Währungsstichtag vorzusehen, weil auf die Finanzlage der Länder Rücksicht genommen werden muß. Im übrigen ist die Formulierung in Abs. 1 des § 1 gegenüber dem FDP-Entwurf insofern etwas geändert, als ausdrücklich auf diejenigen Renten oder Pensionen abgestellt wird, die nach § 24 des Umstellungsgesetzes zu behandeln sind. Damit ist - und das war auch der Wunsch der entsprechenden Verbände - den Zwangsversicherten die Möglichkeit gegeben, durch gerichtliches Verfahren festzustellen, daß sie eventuell unter § 23 des Gesetzes, also unter die Sozialversicherung fallen und daher einen Anspruch auf volle Umstellung haben.
Über die Senkung der Sätze gegenüber denen des ursprünglichen Entwurfs habe ich schon berichtet. In § 1 Abs. 2 ist eine Einheitlichkeit zwischen den Verhältnissen, wie sie durch einzelne ergangene Urteile geschaffen sind, und dem Zustand hergestellt, wie er jetzt durch das Gesetz bewirkt werden soll.
§ 2 regelt diejenigen Fälle, wo noch nach dem 20. Juni 1948 Prämien oder Prämienzahlungen zu leisten waren, und stellt fest, daß in solchen Fällen mindestens die Sätze zu zahlen sind, die im § 1 vorgesehen sind. Abs. 2 legt fest, daß bei Renten mit steigenden Anwartschaften die nach dem Währungsstichtag erworbenen Anwartschaften entsprechend 1 zu 1 umgestellt werden.
§ 3 regelt die Frage der Nachzahlungen auf die Leistungen und legt fest, daß diese Nachzahlungen drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgen. Diese Frist ist notwendig, damit die Ver({10}):
sicherungsgesellschaften und Versicherungsvereine ihre Berechnungen vornehmen können. Abs. 2 dieses Paragraphen bestimmt, daß Rückforderungen für zuviel gezahlte Leistungen nicht gestellt werden können.
§ 4 regelt die Frage der Kosten bei durch dieses Gesetz niedergeschlagenen Rechtsstreitigkeiten.
§ 5 regelt die Frage der Zuteilung der Deckungsforderungen. In dem Zusammenhang habe ich Ihnen einen Antrag vorzulegen, nach dem das Wort „Deckungsforderungen" durch „Rentenausgleichsforderungen" ersetzt werden soll. Diese Änderung erfolgte auf Wunsch eines der beteiligten Länder.
Das ist ein interfraktioneller Antrag. Oder ist es ein Antrag des Ausschusses?
Scharnberg ({0}), Berichterstatter: Nein, das ist kein Antrag des Ausschusses, sondern ein interfraktioneller Antrag.
§ 6 regelt die Erschwernis der Beleihung und des Verkaufs der Rentenausgleichsforderungen, wie es nach diesem Abänderungsantrag heißen soll. Hierauf habe ich schon im Verlaufe meines Vortrags hingewiesen.
Zum Schluß möchte ich noch einmal die soziale Seite dieses Gesetzes betonen. Es soll mehr als 100 000 Rentnern und Pensionären und mehr als 200 000 Leuten, die Anwartschaften haben, von denen - wie die zahllosen Briefe, die täglich an uns gelangen, immer wieder beweisen - unendlich viele in größter Not sind, helfen. Unter diesem Gesichtspunkt richte ich namens des Ausschusses für Geld und Kredit die Bitte an Sie, den Gesetzentwurf ebenso einstimmig zu genehmigen, wie wir ihn im Ausschuß beschlossen haben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen vor der zweiten Lesung einige Konsequenzen vor Augen zu führen, die sich zwangsläufig aus diesem Gesetz ergeben müssen. Das Gesetz sieht vor, daß für einen Kreis von Menschen, der in Versicherungsvereinen oder bei privaten Versicherungsgesellschaften Rentenversicherungen abgeschlossen hat, eine Kapitaldekkung aus Steuermitteln für diese laufenden Versicherungen gegeben wird. Daneben läuft bei uns der große Kreis von Menschen, die deshalb, weil der Staat sie als sehr bedürftig und schutzbedürftig bezeichnet hat, in einer Körperschaft zusammengefaßt worden sind, wie wir sie in den Rentenversicherungen der Sozialversicherung vor uns haben. In beiden Fällen ist mehr oder weniger eine Kapitaldekkung notwendig.
Nun hat das Währungsumstellungsgesetz festgelegt, daß die Sozialversicherungsträger ihren Versicherten die Leistungen 1 : 1 umzustellen haben. Es wäre eine wunderbare Ordnung gewesen, wenn das Währungsumstellungsgesetz bestimmt hätte, daß damit auch die Kapitaldeckung der Sozialversicherungsträger wiederhergestellt wird. Das hat man unterlassen, und, wie der Herr Berichterstatter schon selbst richtig sagte, man hat es als Aufgabe der Deutschen bezeichnet, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
Wenn nun das vorliegende Gesetz für einen gewissen Kreis von Menschen, die nicht zu den hilfsbedürftigsten gehören - man hat sie ja deshalb nicht in den Kreis der Sozialversicherungspflichtigen hineingenommen -, nun die Deckungskapitalien von 1 : 1, wenn auch in sehr verklausulierter Form, herstellen will, dann muß man auch den Mut aufbringen, zu sagen, daß man die 12 Milliarden DM, die die Sozialversicherung durch die beiden Kriege und durch die Währungsumstellung verloren hat, in demselben Umfange wiederherstellen will. Wer das tun will, der kann diesem Gesetz zustimmen. Wenn der Herr Berichterstatter gesagt hat, durch dieses Gesetz und die sich daraus ergebenden Konsequenzen werde keine Gefährdung der Währung eintreten, so muß man sich, ehe man dieses Gesetz beschließt, auch darüber klar sein, ob keine Gefährdung der Währung gegeben ist, wenn der notwendige Deckungsbetrag nicht 1,2 sondern 13,2 Milliarden beträgt.
Darüber hinaus möchte ich Sie noch auf eins aufmerksam machen. Wir wissen, daß im Jahre 1935/ 36 die Handwerker-Altersversorgung gesetzlich festgelegt worden ist. Damals wurde den Handwerksmeistern freigestellt, ihre Altersversorgung entweder in der Angestelltenversicherung sicherzustellen oder aber Kapitalversicherungen bei den Lebensversicherungsgesellschaften abzuschließen. Der Abschluß einer Rentenversicherung wurde als dem Gesetz nicht entsprechend angesehen. Wenn Sie jetzt hergehen und für den Kreis der Menschen, die Rentenversicherungen abgeschlossen haben, also nicht versicherungspflichtig waren, die Dekkungskapitalien herstellen und damit die Möglichkeit schaffen, ihnen die Rente 1 : 1 aufzuwerten, dann müßten Sie zumindest denjenigen Menschen, die ihre Versicherungen in der Handwerkerversicherung zwangsweise abschließen mußten, dasselbe Recht einräumen.
({0})
Anders kommen Sie ja an diesen Dingen gar nicht vorbei! Dann ist eben der Betrag, den Sie für die Deckungsgrundlage einzusetzen haben, nicht mehr 1,2 Milliarden, sondern er erhöht sich um mindestens eine halbe Milliarde. Es wären dann schon 1,7 Milliarden. Denn es geht doch nicht an, jemandem, der freiwillig als angeblich nicht fürsorgebedürftig versicherungsfrei war, jetzt seine Rente zu geben und einem andern, der durch Gesetz gezwungen seine Versicherung in einer anderen Form abschließen mußte, die Aufwertung nur im Verhältnis 1 : 10 zu geben.
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Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß dieses Problem nicht allein aus der Sicht des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs gesehen werden kann, sondern diese drei Dinge gehören auf Gedeih und Verderb zusammen. Gestatten Sie mir, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß ich es ganz offen ausspreche: Meines Erachtens hätte man sehr ernstlich prüfen müssen, inwieweit die Versicherungsgesellschaften aus den ihnen verbliebenen Wertsubstanzen diesen Teil ihrer Versicherungsrisiken hätten abtragen können.
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Wenn man durch das Währungsumstellungsgesetz die Sozialversicherungsträger gezwungen hat, aus den Beiträgen der jetzt Versicherten die Gelder aufzubringen, um die alten Rentner am Leben zu erhalten, dann hätte man auch die Frage prüfen müssen, ob man nicht auch bei den privaten Versicherungsgesellschaften eine Verpflichtung in diesem Umfang hätte festlegen sollen.
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Denn der Kreis der Rentenversicherungen ist im Rahmen des gesamten Versicherungsgeschäftes so klein, daß man meines Erachtens dem Kreis der dort zusammengeführten Menschen dieses Opfer für die Altversicherten ebenso hätte zumuten können, wie man es den Arbeitnehmern gegenüber den Altrentnern der Sozialversicherung zugemutet hat.
({5})
Meine Damen und Herren! Wir sind in der zweiten Beratung. In der Regel findet in der zweiten Beratung keine allgemeine Aussprache statt. Ich glaube aber, es wird sich empfehlen, die allgemeine Aussprache statt in der dritten Lesung schon jetzt in der zweiten Lesung stattfinden zu lassen. Wir werden dann in der dritten Lesung wahrscheinlich auf eine allgemeine Aussprache verzichten können. - Ich sehe, Sie sind einverstanden.
Dann hat zunächst der Herr Abgeordnete Ruhnke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist der Fluch der bösen Tat, daß sie fortzeugend Böses muß gebären.
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Mit diesem Dichterwort ist die ganze Tragik und das ganze Unglück der Folgen der Währungsumstellung ausgedrückt. Diese Tragik zeigt sich auch in der Vorlage dieses Gesetzentwurfes. Hier wird ein kleiner Teil der Währungsgeschädigten herausgenommen und eine gesetzliche Regelung herbeigeführt. Das Gesetz wird zweifellos bei den Beteiligten eine gewisse Befriedigung auslösen. Auf der anderen Seite wird es bei der großen Heerschar der Währungsgeschädigten, die sowieso schon verbittert sind, die Verbitterung noch erhöhen. Wir stimmen dem Herrn Bundesarbeitsminister in seinen Bedenken vollkommen zu, die auch schon bei der Beratung dieses Gesetzes sichtbar wurden. Wir erwarten auch von der Regierung, daß sie uns mit entsprechenden Vorschlägen kommt. Wir werden noch vor sehr großen und ernsten Problemen stehen. Es ist wirklich notwendig, daß sie nun endlich gerecht gelöst werden. Darauf muß hier mit allem Ernst hingewiesen werden.
Im Sozialpolitischen Ausschuß haben die Vertreter meiner Fraktion gerade in der Frage der Handwerkerversicherung bereits den Antrag gestellt, diese bis zu 5000 DM pro Person wieder aufzurichten. Sie sind leider mit einem solchen Antrag im Sozialpolitischen Ausschuß nicht durchgekommen. Aber wie dem auch sei, meine Fraktion steht immer da, wo Unrecht wieder gutgemacht werden soll und wo soziale Härten ausgeglichen werden müssen.
Wenn also die Teillösung auch keine Befriedigung oder volle Befriedigung auslösen wird und kann, so stimmen wir doch dem Gesetzentwurf zu, weil einem Teil dieser Rentenberechtigten wieder in einem bescheidenen Maß geholfen wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Oellers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als sich meine Fraktion im Januar dieses Jahres mit dem Gesetzesinitiativentwurf, der uns heute zur Beratung vorliegt, entschloß, die Frage der Umwertung der Renten- und Pensionsrentenversicherungen diesem Hause vorzutragen, da waren wir uns dessen bewußt, daß wir ein Thema aufgegriffen, das seit der Währungsreform zu den vieldiskutiertesten in der Öffentlichkeit gehört hat. So ist es geblieben. Die Abgeordneten des Ausschusses, die sich mit diesen Fragen haben befassen müssen, sind mit Bergen von Briefen überhäuft worden. Kaum eine Woche ist vergangen, in der nicht über die Presse und den Rundfunk die Dinge angesprochen worden sind. Ich glaube also mit Recht zu sagen, es handelt sich um ein Problem, das die Öffentlichkeit im höchsten Maße interessiert. Um was handelt es sich denn?
Mit der Währungsreform sind die Fragen des Kapitalsparens und der Altersversorgung durch Renten in verschiedener Form behandelt worden. Ob man das bedauert oder nicht, steht hier nicht zur Debatte. Fest steht jedenfalls, daß das gesamte Kapitalsparen - nach meiner Ansicht bedauerlicherweise - im Verhältnis 10 : 1 abgewertet worden ist. Fest steht aber auch, daß sämtliche Rentenansprüche in einem Verhältnis von 1 : 1 erhalten geblieben sind.
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Dabei handelt es sich sowohl um die Renten der Sozialversicherung - dafür zahlen die Beteiligten höhere Beiträge -, dabei handelt es sich aber auch um sämtliche Beamtenpensionen. - Nun erwarte ich Ihren Zwischenruf. - Dabei handelt es sich auch um die Pensionen der Angestellten des öffentlichen Dienstes und um die Renten der Zusatzversorgungsanstalten des Bundes und der Länder und andere mehr.
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- Reden Sie doch nachher. - Es hat nur eine einzige Gruppe gegeben, die man vergessen hat, und das sind die armen Menschen, die sich aus eigener Initiative eine Altersversorgung in Form der Rente schaffen mußten,
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entweder indem sie bei privaten Versicherungsgesellschaften eine Rente abschlossen oder indem sie - das ist das weit größere Problem, und zwar das Fünffache an Volumen - bei Firmen-Pensionskassen für ihr Alter meist zwangsweise sorgen mußten.
Sie stehen, meine Damen und Herren, vor einem sozialen Problem allererster Ordnung; denn es steht fest und der Herr Berichterstatter hat es schon erwähnt, daß es sich um eine Menschenmenge von immerhin einer Viertelmillion handelt, die durch die Gestaltung ihrer Rentenversorgung in der Währungsreform in bitterste Not geraten und demzufolge in großem Umfange der Fürsorge an-heimgefallen sind. Es ist bereits gesagt worden, daß 90% dieser Rentenempfänger über 60 Jahre alt sind; 84% der Renten haben unter 50 Mark gelegen. Es war also schon verständlich, wenn sich die Währungsabteilung der Bank deutscher Länder bereits im September 1948 mit der Frage befaßt hat. Damals lag der Währungsabteilung bereits ein entsprechender Entwurf vor, der nur vom Zentralbankrat abgelehnt worden ist. Als sich die Diskussion um dieses Thema daraufhin nicht beruhigte, haben die Versicherungsaufsichtsbehörden die Frage aufgegriffen. Es ist dann erneut zu Besprechungen gekommen, die merkwürdigerweise von denselben Ministerien, die uns in den elf Monaten, in denen um dieses Gesetz gekämpft worden ist, soviel Schwierigkeiten gemacht haben, in bejahendem Sinne geführt worden sind und die schließlich am 7. September 1949 in Königsstein zu dem Entwurf
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einer Verordnung führten, deren Formulierung sowohl der Bundesarbeitsminister als auch der Bundesjustizminister und der Bundesfinanzminister zugestimmt haben. Gleichwohl hat der Zentralbankrat nicht nachgegeben, sondern hat sich dann auf den Standpunkt gestellt, daß die Allied Banc Commission nach der Verkündung des Grundgesetzes nicht mehr zuständig sei. In diesem Augenblick erst haben wir denselben Entwurf aufgegriffen und als Gesetzentwurf initiativ eingereicht, der, von den Versicherungs-Aufsichtsbehörden und unseren eigenen Ministerien unterstützt, nicht ergehen konnte, weil die Zuständigkeit des alliierten Gesetzgebers in Wegfall gekommen sein sollte.
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Mir ist also nicht recht verständlich, wieso die vielen Schwierigkeiten nachher aus denselben Ressorts gerechtfertigt werden, die vorher durchaus in der Lage und bereit waren, die Dinge zu befürworten.
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Ich will mich hier nicht mehr mit den Argumenten des Herrn Bundesfinanzministers herumschlagen. Sie sind heute von ihm nicht vorgetragen worden, der Herr Berichterstatter hat sie in der sachlichsten Form dargelegt. Ich will mich auch nicht mit den neuerdings erhobenen verfassungspolitischen Bedenken des Herrn Bundesjustizministers auseinandersetzen, sondern will nur noch die Punkte behandeln, die der Herr Bundesarbeitsminister hier angeschnitten hat.
Jeder von uns wird der Auffassung sein, daß in der allernächsten Zeit. die Mittel und Wege gefunden werden müssen, um die Frage der Dekkungsrücklagen der Sozialversicherung in Ordnung zu bringen.
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So töricht wird niemand von uns sein; aber das ändert doch an einer Tatsache nichts, nämlich an einer Überlegung, die wir auch im Ausschuß gepflogen haben. Man muß ja doch schließlich vom Menschen ausgehen, wenn man ein soziales Problem betrachtet.
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Hier steht doch fest, daß die Sozialversicherungsrenten im Verhältnis 1 : 1 und etwas höher gezahlt werden und daß der Kreis, um den wir uns kümmern wollen, einstweilen noch in der bittersten Notlage ist, weil man ihm seine Renten nur im Verhältnis 10 : 1 abgewertet gibt. An dieser Tatsache kommen wir nicht vorbei; und wir sind verpflichtet, diese Dinge in Ordnung zu bringen.
Es ist auch völlig falsch - beim Herrn Bundesarbeitsminister bedaure ich eine so mangelhafte Kenntnis der Versicherungstechnik -, wenn der Herr Bundesarbeitsminister sagt, die Versicherungsgesellschaften oder Werkpensionskassen wären in der Lage, aus ihrem verbliebenen Vermögen diese Dinge zu regulieren. Der Herr Bundesarbeitsminister übersieht, daß man bei den Werkpensionskassen und Versicherungsgesellschaften bei der Währungsreform den Lastenausgleich vorweggenommen hat, indem diese Unternehmen über vier Milliarden D-Mark echter Dekkungswerte an die Länder abführen mußten, Dekkungswerte, die heute erfreulicherweise zum großen Teil im sozialen Wohnungsbau arbeiten; aber Deckungswerte, die immerhin dazu bestimmt waren, den Leuten, die sie zusammengebracht haben, ihre Renten zu geben.
({8}) Das hätte der Herr Bundesarbeitsminister loyalerweise mit vortragen müssen.
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist leider abgelaufen. Ich möchte - mit ein paar Bemerkungen nur - schließen. Ich appelliere an dieses Haus, den 250 000 Menschen, um die es sich hier handelt, zu helfen, unabhängig von der Frage, daß es auch noch andere Gruppen gibt, denen man helfen muß, was von keinem von uns bestritten wird. Ich möchte auch an die Regierung einen Appel richten. Es ist paradox und gefährlich, wenn der Staat an den Staatsbürger die Aufforderung richtet, sparsam zu leben und zu sparen, und es gleichzeitig zuläßt, daß eine Viertelmillion Menschen als lebende Beispiele der möglichen Folgen eines solchen Sparens und als lebende Beispiele eines sozialen Unrechts dahinvegetieren. Die bisherigen Argumente der Vertreter der Bundesregierung gegen die Aufwertung der hier in Rede stehenden Versicherungsrenten sind ein gefährliches Plädoyer für eine negative Belohnung des Sparens.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisherige Debatte hat bereits ergeben, daß es sich hier um ein Problem handelt, das erhebliche Hintergründe hat und auch weitgreifende Perspektiven eröffnet. Der akute Anlaß zum vorliegenden Gesetzesvorschlag war, daß die Währungsreform im wesentlichen nach währungstechnischen und finanzpolitischen Erwägungen durchgeführt worden ist und daß die sozialen Belange viel zu kurz gekommen sind.
Hier geht es um einen Personenkreis, bei dem die unsozialen Auswirkungen der Währungsreform ganz besonders kraß in Erscheinung getreten sind. Es handelt sich um diejenigen Kreise, die gewohnt waren, ihr Leben aus eigener Verantwortung zu gestalten, abseits der sozialen Versicherungen, die sich aus eigener Vorsorge und aus eigener Kraft ihren Lebensabend zu sichern gedachten, und zwar um diejenigen Personen, die diese Alterssicherung in der Form der Pensions- oder Rentenversicherung vorgenommen haben. Die Renten, die auf diese Weise versichert waren und als Rückhalt für den Lebensabend dienen sollten, sind nun durch die Währungsreform zu 90% entwertet worden und haben dadurch ihren Sinn verloren. Auf diese Weise sind weite Kreise des früheren Mittelstandes der öffentlichen Fürsorge anheimgefallen; statt daß sie mit einem festen, juristisch begründeten Rechtsanspruch rechnen konnten, sind sie jetzt auf das Verwaltungsermessen angewiesen, das ihnen das karge Brot der Fürsorge zuteilt. Das bedeutet für diese Kreise auch noch eine zusätzliche psychologische Belastung.
Aus diesen Gründen hat man versucht, für den übersehbaren Kreis der Rentenversicherten die schärfsten Härten der unsozialen Währungsreform einigermaßen zu beseitigen. Das ist der Sinn und der Zweck des zur Debatte stehenden Gesetzes. Nun ist aber ganz zweifellos und darf nicht übersehen werden, daß über die Gestaltung des Einzelschicksals der bezeichneten Personenkreise hinaus dieses Gesetz sich auf die allgemeine finanzpolitische und sozialpolitische Ebene erhebt. Es ist nicht einzusehen, warum nur der Personenkreis, der gerade die Form der Pensionsversicherung als Möglichkeit einer Alterssicherung gewählt hat, in dieser Weise einseitig bevorzugt werden soll. So sehr wir diesen Menschen eine Berücksichtigung gönnen,
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so sehr sind wir doch der Meinung, daß dieses Gesetz nur der Auftakt dafür sein kann, das allgemeine Problem einer sozialen Aufwertung der Altsparerguthaben in Bewegung zu bringen.
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Wir sind der Ansicht, daß die Form des Sparens, wie sie sich etwa in der Kapitalversicherung, in dem Erwerb sogenannter mündelsicherer Wertpapiere oder Hypotheken darstellt, besonders aber auch in der Ansammlung von Sparguthaben ebenfalls der Fürsorge des Bundes durchaus würdig und bedürftig ist.
Ich darf in diesem Zusammenhange darauf hinweisen, daß gerade die größte Gruppe der Sparer, nämlich die Sparer bei den öffentlichen Sparkassen, bei den Volksbanken und Kreditgenossenschaften und auch bei den Privatbanken durch die unsoziale Währungsreform ganz besonders schlecht behandelt, ja geradezu schwer mißhandelt worden ist; denn diese Sparguthaben sind ja nicht einmal auf 10% reduziert worden, sondern auf nur 6 1/2%. Was aber ganz erstaunlich ist und was jedem sozialen Empfinden auf das schärfste widerspricht, ist das zusätzliche Unrecht, das man nur diesem Sparer-kreis angetan hat, nämlich auch noch die Kopfquote von 60 DM vorher anzurechnen, bevor man die Reichsmarkguthaben in DM umwandelte. Das hat die Wirkung gehabt - und es beleuchtet die Tragweite dieser Frage -, daß von den rund 30 Millionen Sparkonten in Reichsmark, die vor der Währungsreform bestanden haben, durch die Umstellung auf 6 1/2% und durch die Anrechnung der Kopfquote, was sich insbesondere bei den kinderreichen Familien katastrophal auswirkte, nicht weniger als 19 Millionen Sparguthaben und Sparbücher einfach erloschen sind. Sie können sich vorstellen, daß durch diese Behandlung eine ungeheure Entrüstung und Erbitterung in den Sparerkreisen entstanden ist, die sich betrogen fühlen. Die volkswirtschaftlich bedenkliche Reaktion zeigt sich augenfällig darin, daß die Spareinlagen sich nur langsam wieder anreichern und wir dadurch in weitem Umfange die Möglichkeit verlieren, die dringend benötigten Investitionskredite aus eigener Kraft unserer Wirtschaft zur Verfügung zu stellen.
Aus diesen Gründen sind wir der Auffassung, daß das vorliegende Gesetz, aus den zutreffend angeführten sozialpolitischen Gründen angenommen werden sollte, daß es aber darüber hinaus als Wegbereiter und Schrittmacher für eine allgemeine Wiedergutmachung des schweren Unrechts dienen soll, das man den Geldsparern und unter ihnen in besonderer Härte den Inhabern von Sparguthaben im Zuge der Währungsreform zugefügt hat.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Günther.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich begrüße es, daß dieses Gesetz Wegbereiter für künftige Gesetze sein soll, die all das Unrecht, das durch die Währungsreform entstanden ist, beseitigen sollen. Ich begrüße es außerordentlich, daß man vorläufig wenigstens einem Personenkreis helfen will. Aber ich vermisse bei diesem Gesetz das, was der Herr Bundesarbeitsminister Storch eben gesagt hat, nämlich daß man in diesem Gesetz nicht auch der Handwerker gedacht hat. Ich weiß, daß allerhand Konsequenzen damit verbunden sind. Aber, meine verehrten Anwesenden, ich möchte Sie doch bitten, in Erwägung zu ziehen, daß es ein Zwangsgesetz für die Handwerker war, das gegen den Willen der Mehrheit den Handwerkern oktroyiert worden ist, und daß es große Personenkreise gibt, die durch die Währungsreform in die größte Not geraten sind. Wenn wir zu diesem Gesetz ja sagen, dann muß auch das Handwerk eine entsprechende Berücksichtigung finden. Ich möchte die Regierung bitten, in Kürze entsprechende Vorschläge nach der Richtung hin zu machen, daß der Personenkreis der Handwerker, der versicherungspflichtig war, auch Berücksichtigung findet.
Es war im Handwerk ja so, daß jeder einzelne die Wahl hatte, entweder eine Angestelltenversicherung einzugehen oder sich privat zu versichern. Wenn er sich versicherte, lag eine Verpflichtung für jeden einzelnen Handwerker vor. Für denjenigen, der nun die Angestelltenversicherung in Anspruch genommen hat, ist im wesentlichen 1 zu 1 aufgewertet worden, wenn er auch erhöhte Beiträge zahlen muß. Aber auf der andern Seite ist derjenige, der eine hohe Prämie in der Lebensversicherung zu zahlen hatte, heute der Dumme. Vom Staat müssen meines Erachtens Wege gezeigt werden, um auch diesem Personenkreis Rechnung zu tragen. Wenn Sie heute dem vorliegenden Gesetz ihre Zustimmung geben, möchte ich Sie bitten, auch einer späteren Gesetzgebung, die hoffentlich nicht allzulange auf sich warten lassen wird, ebenfalls zuzustimmen, damit wir unseren Freunden im Handwerk sagen können, daß sie entsprechend behandelt werden.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist hier festgestellt worden, daß es Sache der Deutschen ist, die Auswirkungen der unsozialen Währungsreform und die Rechtsunsicherheit in dieser so wichtigen Frage nun endgültig zu beseitigen. Meine Fraktion, die das gleiche Anliegen in ihrem Antrag Nr. 433 unter Abs. 1 zum Ausdruck gebracht hat, begrüßt es, daß wir endlich noch in der Woche vor Weihnachten zur Erledigung dieses Antrages kommen. Wir glauben, daß es eine sozialpolitische Notwendigkeit ist, gerade in der Frage der Altersversorgung mit allen Konsequenzen und unter voller Verantwortung hier etwas vorwegzunehmen und zu einer Lösung zu gelangen, die das Vertrauen und den Glauben an die Rechtssicherheit wieder weckt und erhält. Wir glauben - und das ist die Auffassung meiner Fraktion in allen sozialpolitischen Dingen -, daß diejenigen, die aus eigener Kraft und Verantwortung in irgendeiner Einrichtung, die für die Alterssicherung und für die Altersversorgung geschaffen ist, für sich und die Ihren etwas getan haben, deshalb gestützt werden sollten, weil sie gerade die positiven Kräfte im deutschen Volke sind, die sich nicht auf die endgültige und letzte Versorgung durch die Fürsorge des Staates verlassen.
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Insofern steckt in dieser Frage eine ganz außerordentlich wichtige moderne sozialpolitische Auffassung. Wir glauben, daß jeder Mensch, der ohne Rücksicht darauf, ob er die Zahlungen für seine Altersversorgung freiwillig in der Sozialversicherung, freiwillig in der Lebensversicherung, freiwillig in der Rentenversicherung, oder wie die Einrichtung auch sei, fortgesetzt hat, nun auch dafür belohnt werden muß. Es ist für mich unverständlich, daß gerade die vielen Alten und Kranken, die am meisten unter den Verlusten zweier Kriege
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und den Trümmern unserer Zeit zu leiden haben, heute für eine Altersversorgung neben ihrer Sozialversicherung, die ihnen einmal dienen sollte, drei Mark, vier Mark und sechs Mark im Monat erhalten. Wenn ich mir nur die vielen Rentnerinnen unter den weiblichen Angestellten vorstelle, die - um einmal eine ganz andere Kasse zu nennen - aus einer Rentenversicherungskasse des Verbandes der weiblichen Angestellten, die zusätzlich zur Angestelltenversicherung für einen Anteil 20 Mark im Monat zahlten, heute 2 Mark oder bei zwei Anteilen 4 Mark bekommen, dann glaube ich, daß wir mit der Annahme dieses Gesetzes vor Weihnachten vielen alten Menschen eine ganz besondere Freude machen können.
Ich kann die Bedenken des Herrn Arbeitsministers teilen. Aber er wird hier im Hause niemanden finden, der nicht davon überzeugt sein wird, daß die Kapitaldeckung der Sozialversicherung wiederhergestellt werden muß. Man kann aber nicht einen Vergleich ziehen zwischen der Rentenversicherung in der Sozialversicherung und den Beamtenpensionen; denn es ist bekannt, daß der Staat und die Länder verpflichtet sind, der Rentenversicherung, wenn sie nicht mehr in der Lage wäre, die Renten aus den Beiträgen zu zahlen, zu helfen. Genau so ist der Staat verpflichtet, seinen Beamten, die einen Rechtsanspruch haben, ihre Pensionen nach dem Maße seiner Möglichkeiten zu geben. Die Länder können sich der Verpflichtung in diesem Falle nicht entziehen, und ich glaube, daß es besser ist, wenn die Länder aus diesem sozialen Argument die Zinsen für die Ausgleichsforderungen aufbringen, als wenn sie in gleicher Weise Fürsorgeleistungen über die Fürsorgeämter denen zur Verfügung stellen müssen, denen es nicht um Fürsorge, sondern um die endliche Gewährung eines Rechtsanspruches geht.
Darum bittet auch meine Fraktion Sie, diesem Antrage nicht etwa mit Bedenken, sondern mit ganzem Herzen aus dem Gefühl, daß etwas wiedergutzumachen ist, aus dem Gefühl der Gerechtigkeit und aus dem Gefühl der sozialen Verantwortung zuzustimmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen der Geldumstellung hatten wirtschafts- und finanzpolitische Zielsetzungen. Ungerechtigkeiten wurden bewußt in Kauf genommen. Uns ist der Auftrag erteilt worden, die Härten, die sich damit ergeben haben, durch soziale Hilfsbereitschaft zu korrigieren. Die Härten der Geldumstellung haben sich nicht nur auf dem hier vorliegenden Gebiet gezeigt. Die Zahl der Währungsgeschädigten ist außerordentlich groß. Es wurde bereits erinnert an die Handwerkerversicherung und an die Altsparer. Es muß auch an die anderen Währungsgeschädigten gedacht werden, die im Lastenausgleich noch Berücksichtigung finden sollen. Aber ein Gesichtspunkt scheint mir doch nicht zutreffend zu sein, und das ist der Gesichtspunkt, daß nun alle Korrekturen der Geldumstellung auf einmal durchgeführt werden müssen. So habe ich den Herrn Bundesarbeitsminister verstanden, obwohl er sich nicht ganz klar ausgedrückt hat. Ich habe ihn jedenfalls dahin verstanden, daß er dieser Maßnahme wohl zustimme, wenn gleichzeitig eine andere Maßnahme durchgeführt würde, nämlich die Aufstockung des Deckungskapitals der Sozialversicherung. Diese Gleichzeitigkeit wird sich bei der Vielzahl der Maßnahmen, die zur Korrektur der Währungsumstellung notwendig sind, auf keinen Fall erreichen lassen. Wir werden gar nicht darum herumkommen, hier Schritt für Schritt und nach und nach vorzugehen.
Die Bedenken, die vom Bundesarbeitsminister vorgetragen worden sind, sind vielleicht auch insofern nicht ganz durchschlagend, als er erklärte, diejenigen, die sich freiwillig versichert haben, waren früher einmal reicher als die anderen, die zur Zwangsversicherung herangezogen worden sind. Das mag sein. Aber der entscheidende Punkt dieser Gesetzesvorlage ist doch gerade der, daß diese Menschen ihr Vermögen verloren haben und jetzt hilfsbedürftig geworden sind. Ich finde, es ist nicht richtig, jemandem vorzuwerfen, daß er früher nicht zur Zwangsversicherung herangezogen worden ist, sondern selbst für sich gesorgt hat, und ihm zu sagen: Deshalb müssen wir dich heute auch im Stich lassen! Man sollte gerade im Gegenteil aus dieser Tatsache nun auch die moralische Verpflichtung anerkennen, daß wir diese Menschen heute nicht im Stich lassen dürfen.
Die Bedenken, die, glaube ich, viel schwerer wiegend gegen dieses Gesetz sprechen, sind die verfassungsrechtlichen Bedenken, die wahrscheinlich noch sehr schwierige Verhandlungen im Verlaufe der Beratung dieses Gesetzes nach sich ziehen werden. Ich will aber, auch mit Rücksicht auf meine kurze Redezeit, dazu nicht eingehend Stellung nehmen. Ich glaube, diese Bedenken lassen sich überwinden, wenn eine Zustimmung des Bundesrats zu diesem Gesetz zu erzielen sein wird. Hier wird, glaube ich, die größte Schwierigkeit und die größte Klippe noch vor uns liegen, die wir dann am leichtesten überwinden können, wenn der Bundestag diesem Gesetz möglichst einstimmig seine Zustimmung gibt. Ich appelliere an Sie, gerade diesem Gesetz möglichst einstimmig Ihre Zustimmung zu geben, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die das Gesetz im Bundesrat noch vor sich sieht.
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Vizepäsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die von der FDP eingebracht ist, wird hier von dem Ausschuß für Geld und Kredit vertreten, also von einem nicht gerade als sozialpolitisch anzusprechenden Ausschuß. Als das Gesetz zum ersten Male das Hohe Haus passierte, haben wir dazu gesagt, daß es unserer Meinung nach viel mehr darum geht, die privaten Versicherungsanstalten zu sanieren, als die unverkennbare Notlage gewisser Personen, die durch dieses Gesetz herabgemindert werden soll, zu lindern. Wir haben auch heute noch den Eindruck, daß nicht vom Menschen ausgegangen worden ist, sondern von den Profitbedürfnissen, den Werbebedürfnissen der privaten Versicherungsanstalten.
({0})
Das ist unser Eindruck. Es kommt nicht oft vor, daß man sich eines Arbeitsministeriums, seines Systems bedienen kann, um etwas zu beweisen, was in diesem Falle sehr leicht zu beweisen ist.
Was ist los? Es ist doch unverkennbar so, daß die Personen, die heute angeblich auf diese Pensionen und Renten angewiesen sind, vor dem Zusammenbruch auf Grund ihrer Vermögenslage und nach ihrem Einkommen nicht versicherungs({1})
pflichtig waren, weil ihr Vermögen oder ihr Arbeitseinkommen so hoch war, daß sie freigestellt waren, daß sie nicht unter die Zwangsversicherung fielen.
({2})
Sonst hätten sie Mitglieder der Sozialversicherung sein müssen; das waren sie nicht.
Man komme uns auch nicht mit der ganz allgemeinen und nur scheinbar richtigen Feststellung, wie niedrig die Pensionen waren, die seit dem Zusammenbruch wirklich gezahlt worden sind. Haben wir eine Gewähr dafür, daß neben den Pensionen, auf die diese Personen heute noch ein Anrecht haben, nicht noch ein anderes Einkommen vorhanden ist? Diese Gewähr haben wir keineswegs.
Wie sieht es nun bei den Sozialversicherten aus? Ihre Rentenrechte, ihre wohlerworbenen Rentenansprüche unterliegen seit 1930 noch den Kürzungsbestimmungen der Notverordnungen. Die derzeitigen Leistungen sind nur zu halten, weil die in Arbeit stehenden Versicherten mit ihren erhöhten Sozialbeiträgen es ermöglichen. So liegen doch die Dinge. Der Sprecher der Sozialdemokratie hat heute gesagt: Wir erwarten, daß die Regierung mit Vorschlägen kommt, dieses offensichtliche Unrecht zu beseitigen, das darin besteht, daß man den staatlichen Sozialversicherungsträgern noch nicht die Kapitaldeckung für die verlorenen 12 Milliarden DM garantiert hat. - Ich hätte erwartet, daß er gesagt hätte: Ehe man ein solches Gesetz schafft, muß man an die Angehörigen der Personenkreise herangehen, die notorisch ärmer sind als die dieses Kreises.
({3}) Auch wir stimmen diesem Gesetz zu,
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weil wir in ihm den Versuch einer kleinen Wiedergutmachung des Raubes sehen, den Sie seinerzeit unter dem Namen Währungsreform vorgenommen und damals in den Himmel gehoben haben. Aber wir sind der Meinung, daß dieses Gesetz nicht unwidersprochen das Haus passieren darf. Richtiger, sozialer wäre es gewesen, wenn das realisiert worden wäre, was der Herr Arbeitsminister gesagt hat, wenn man nämlich erst einmal bei den staatlichen Sozialversicherungsträgern etwas wiedergutgemacht hätte.
Wie gesagt, wir werden dem Gesetz zustimmen. Aber wir werden darum kämpfen, daß das Unrecht, das den in der staatlichen Zwangsversicherung Versicherten geschehen ist, schnellstens gutgemacht wird. Wir werden Ihnen in den nächsten Tagen bereits Gelegenheit geben, sich zu diesem Personenkreis zu bekennen.
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- Was haben S i e aus diesen Versicherungen für die Partei eingesteckt?
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- Wieso unverschämt? Das ist doch gerichtsnotorisch.
Meine Damen und Herren, es ist nicht üblich, daß hier Zwiegespräche geführt werden.
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- Bitte, Herr Dr. Seelos!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Gesetz vorbehaltlos zu, da es geeignet ist, eine der Unzulänglichkeiten, Ungerechtigkeiten und Härten der Währungsreform zu beseitigen. Bei dieser Angelegenheit hat uns sehr befriedigt, daß von den verschiedenen Rednern der Parteien darauf hingewiesen worden ist, daß es dabei nicht bleiben kann, sondern daß auch die anderen Gruppen, die bei der Währungsreform benachteiligt worden sind, berücksichtigt werden müssen, also vor allem die Altsparer, für deren gerechte Behandlung wir seit Beginn der Arbeiten dieses Bundestages kämpfen. Wir hoffen, daß ein solches Gesetz zur Beseitigung dieses Unrechts bald nachfolgen wird.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache über den Entwurf dieses Gesetzes geschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich rufe die einzelnen Paragraphen auf: § 1, - § 2, - § 3, -§ 4. - Ich bitte diejenigen, die den eben aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit sind die §§ 1 bis 4 angenommen.
Zu § 5 liegt ein Abänderungsantrag Scharnberg und Genossen auf Umdruck Nr. 23 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zu § 5 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Abänderungsantrag angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem abgeänderten § 5 zustimmen, die Hand zu erheben. - Bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
§ 5 ist angenommen.
Ich rufe auf § 6. Zu § 6 liegt, ebenfalls auf Umdruck Nr. 23, ein Abänderungsantrag vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Abänderungsantrag zu § 6 angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem abgeänderten
§ 6 zustimmen, die Hand zu erheben. - Bitte um die Gegenprobe. - Der Paragraph ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache zur dritten Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem in zweiter Beratung angenommenen Gesetz zustimmen, die Hand zu erheben. - Bitte um die Gegenprobe. - Damit ist das Gesetz in dritter Beratung gegen wenige Stimmen angenommen.
Es kommt dann hinzu die Abstimmung über die Drucksache Nr. 1474 ({0}), Ziffer 2, die zu dieser Frage eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich bitte diejenigen, die der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Ausschußantrag angenommen.
Ich rufe nunmehr den zurückgestellten Punkt 2 der heutigen Tagesordnung auf.
({1})
({2})
- Ja, es besteht zwischen den Punkten 9 und 10 ein innerer Zusammenhang.
Ich rufe zunächst Punkt 10 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geld und Kredit ({3}) über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Betriebliche Altersversorgung ({4}).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Richter ({5}).
Richter ({6}) ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Grund des Antrages Drucksache Nr. 433 haben der Ausschuß für Geld und Kredit und der Ausschuß für Sozialpolitik sich mit dem gleichen Problem befaßt, das uns auch bei dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt beschäftigt hat. und zwar mit dem Problem der betrieblichen Altersversorgung. Durch die Altersversorgungen sollen all die Arbeitnehmer betreut werden, die von einer Pensionskasse oder auf Grund von freiwilligen Leistungen des Arbeitgebers, ganz gleich, ob Beiträge der Arbeitnehmer hinzugesteuert wurden oder nicht, Leistungen zu erwarten haben.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat dem Ausschuß für Geld und Kredit hierbei Hilfe geleistet und den Antrag, der dem Mündlichen Bericht zugrunde liegt, ausgearbeitet. Sie ersehen aus dem ersten Teil dieses Antrages, daß zum Ausgleich von Härten im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung im Haushalt des Bundesarbeitsministers bereits für das Haushaltsjahr 1950 ein Fonds von 10 Millionen DM bereitgestellt werden soll. Das ist das gleiche System, auf Grund dessen nach der Inflation 1924 dem damaligen Reichsarbeitsminister ein Fonds zur Verfügung gestellt wurde, aus dem er die Betriebe oder die betrieblichen Altersversorgungseinrichtungen, ganz gleich welcher Art, mit Mitteln versehen hat, wenn sie nicht aus eigener Kraft in der Lage waren, ihren Verpflichtungen, sei es, daß diese auf Grund eines Rechtsanspruchs oder freiwilliger Leistung bestanden, nachzukommen. Wir glauben, daß die 10 Millionen für dieses Haushaltsjahr zum Ausgleich von Härten ausreichen werden.
Es handelt sich hierbei zum Teil auch um Betriebe, die nicht mehr bestehen oder die nicht im Bundesgebiet bestanden haben. Ganz gleich, ob nun die Betriebe und die Unternehmungen noch oder nicht mehr vorhanden sind, ob die Unterstützungseinrichtungen nun aufgelöst worden sind dadurch, daß der Betrieb in der Ostzone nicht mehr besteht oder daß der Betrieb in der Bundesrepublik demontiert wurde, sollen den Personen, die Anspruch auf Leistungen haben, Mittel gewährt werden.
Bei den Beratungen des Ausschusses wurde auch festgestellt, daß im Jahre 1933 und später Arbeitnehmer aus politischen Gründen aus ihrer Arbeitsstätte entlassen wurden. Diesen Arbeitnehmern bzw. den Pensionseinrichtungen sollen Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit die durch die Entlassung verlorengegangenen Anwartschaften oder Ansprüche wiederhergestellt werden, und so die Pensionseinrichtungen die Möglichkeit haben, den Betroffenen Unterstützungen auszuzahlen.
Im letzten Abschnitt des Antrags wird zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung gehalten ist, einen Höchstbetrag für die Leistungen festzusetzen. Wir sind der Meinung gewesen, daß die Leistungen für den einzelnen, ob sie nun kraft alten Rechts oder Richtlinien und sonstiger Regelungen gewährt werden, nicht allzu hoch bemessen sein sollen im Verhältnis zu den Leistungen aus der Sozialversicherung und im Verhältnis zu den Leistungen auf Grund des Gesetzes, das wir beim vorigen Punkt der Tagesordnung beschlossen haben. Wir haben es deshalb der Bundesregierung überlassen bzw. sie beauftragt, einen Höchstbetrag für die Leistungen an den einzelnen festzusetzen. Der Ausschuß hält es weiter, da die Verhältnisse verschieden gelagert sind und nicht durch diesen Beschluß allein realisiert werden können für notwendig, daß die Bundesregierung gehalten ist, Richtlinien zu erlassen.
Nachdem der Ausschuß für Sozialpolitik nach eingehender Beratung und Erwägung aller mit diesem komplizierten Problem zusammenhängenden Umstände diesen Beschluß einstimmig gefaßt hat und nachdem auch der Ausschuß für Geld und Kredit dem zugestimmt hat, bitte ich auch Sie, meine Damen und Herren, dem Antrag des Ausschusses Ihre Zustimmung zu geben.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. - Da ich keinen Widerspruch höre, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem ich schon zu dem vorherigen Punkt die grundsätzliche Stellungnahme meiner Fraktion bekanntgegeben habe, möchte ich nur betonen, daß die Fraktion der Deutschen Partei besonderen Wert darauf gelegt hat, daß die Rentner der demontierten Betriebe und die Vertriebenen unter den Rentnern - also Rentner aus solchen Betrieben, die in der Ostzone, in den abgetrennten Gebieten beheimatet waren - besonders und bevorzugt behandelt werden. Es besteht keine Möglichkeit, ihnen im Rahmen der Sozialversicherung mit ihrer Solidarhaftung - zu der Arbeiter und Angestellte seit dem Sozialversicherungsanpassungsgesetz durch erhöhte Beiträge verpflichtet sind - zu helfen. Wir glauben, daß es keiner weiteren Worte bedarf, um hier im ganzen Hause warmes Verständnis für die Notwendigkeit dieser Hilfe zu wecken! Ich möchte nur noch hinzufügen: wir hoffen, daß der Herr Bundesarbeitsminister uns sehr bald auch das Fremd-Rentengesetz vorlegen wird, damit auch denjenigen, die nicht unter dieses Gesetz fallen, geholfen werden kann.
Zum Schluß möchte ich es noch begrüßen, daß der Ausschuß für Sozialpolitik die Anwartschaften derjenigen wiederherstellen will, die durch unsoziale und durch politisch untragbare Ungerechtigkeit seit 1933 ihre Renten und ihren Anspruch verloren haben.
Wir sind in Deutschland immer stolz darauf gewesen, daß unsere Sozialversicherung keine Ausnahmegesetzgebung gekannt hat, und ich hoffe, daß auch die Stadt Berlin sich dieser unserer Auffassung anschließen und schnellstens jene Ausnahmegesetzgebung beseitigen wird, die dort noch besteht, wo es also möglich gewesen ist, daß eine Rentnerin die Rente so lange nicht bekam, so lange sie ihren toten Mann nicht hatte entnazifizieren lassen.
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Alles in allem hoffen wir, daß mit diesem Antrag eine große soziale Befriedung eintritt, die gleichermaßen Auftakt für die gemeinsame Verantwortung sein soll, die wir alle denen gegenüber tragen, die als Alte und Kranke nicht mehr die Kraft und die Möglichkeit haben, sich aus eigenen Kräften zu helfen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
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- Herr Abgeordneter Renner, ich wäre doch dankbar, wenn die Wortmeldungen möglichst gleich bei Eröffnung der Debatte kämen. Es wirkt immer merkwürdig, wenn man die Debatte schließt und sie dann wieder anfängt.
({1}) - Ich habe keine Wortmeldungen bekommen.
({2})
Meine Damen und Herren! Die Auffassung unserer Fraktion zu diesem uns heute vorliegenden Bericht ist folgende. Wir halten den Betrag, der in den Haushalt des laufenden Jahres eingesetzt werden soll, an und für sich für viel zu niedrig. Es kommt uns hier aber noch auf einige andere Dinge an. Ich habe in Essen nach dem ersten Weltkrieg den Zusammenbruch einer der größten deutschen Werkspensionskassen, der Kruppschen Arbeiter- und Angestellten-Pensionskasse erlebt. Es sitzen sicher hier in diesem Hause Mitglieder, die sich der damaligen Sanierungsmethoden und der Ergebnisse und Feststellungen aus dem damaligen Prozeß noch gut erinnern können. Was war los? Damals ist durch genau dieselben Umstände das Vermögen der Kruppschen Werkspensionskasse verlorengegangen, aber im Zuge der Sanierungsbestrebungen hat sich etwas sehr Eigenartiges, nämlich die Tatsache herausgestellt, daß das Werkspensionskassenvermögen werbend im Kruppschen Betrieb Jahr und Tag mitgearbeitet hat, wiewohl weder personell noch geschäftsmäßig irgendwelche Verbindungen zwischen Betrieb und Werkspensionskasse bestanden haben. Wir sind der Auffassung, daß in jedem einzelnen Fall, wo öffentliche Gelder an solche Werkspensionskassen abgegeben werden, geklärt werden muß, ob die betreffende Firma mit den Werkspensionsgeldern produktiv gearbeitet hat, ob sie daraus nicht einen Nutzen gezogen hat und ob man die Firma nicht verpflichten und haftbar machen kann, etwas zur Sanierung der Werkspensionskasse beizusteuern. Das ist die eine Seite.
Die andere Seite ist die: Wir sehen in dieser Vorlage ein etwas eigenartig weitgehendes Entgegenkommen gegenüber den Betrieben. Hier heißt es: Soweit die notwendigen Unterstützungseinrichtungen usw. noch vorhanden sind, sind die Mittel zur Zahlung an die in Betracht kommenden Personen zur Verfügung zu stellen. Wie kommt es, daß man da keine Kontrollinstanz eingebaut hat, daß man keine Kontrollorgane eingerichtet hat? Wie ist es zu erklären, daß man z. B. nicht vorgeschrieben hat, daß die alten Pensionäre, die heute dank Ihrer seinerzeit so gerühmten Währungsreform größtenteils um ihre Pensionen betrogen worden sind, zu der Mitwirkung und Kontrolle in diesen Dingen berechtigt sind und daß ihnen ein solches Recht nicht zugesichert ist? Wo bleiben die Gewerkschaften bei der Prüfung dieses ganzen Fragenkomplexes?
Wir werden also in der Zukunft darauf zu achten haben, daß die Gelder, die aus öffentlichen Mitteln gegeben werden, nicht in die Taschen gewisser privater Unternehmen fließen. Wir werden weiter zu prüfen haben, ob der Betrieb aus seiner Vermögensmasse heraus nicht für die Sanierung der Werkspensionskassen haftbar gemacht werden kann und muß, weil er Pensionsgelder in seinem Betrieb werbend hat arbeiten lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Degener.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Erörterung über den Gesetzentwurf, der vorhin verabschiedet worden ist, ist überall durchgeklungen: Hier wird ein Anfang für die Wiedergutmachung gemacht. Allseitig wurde der Ansicht Ausdruck gegeben, daß man auf dem Wege fortfahren müsse. Hier haben Sie die Möglichkeit, heute schon in der gleichen Sitzung auf diesem Wege fortzufahren und das zu realisieren, was bei der Beratung des Gesetzentwurfes über die Leibrenten gesagt wurde. Auch nach dem ersten Weltkrieg war auf dem Gebiet, das. der Antrag behandelt, große Not vorhanden, und man hat auf demselben Wege Hilfe geleistet. Es wird geholfen, ohne daß man nach einem Rechtsanspruch fragt. Aber es wird auch nur da geholfen, wo wirklich Not ist. Es werden keine Betriebe entlastet, die aus ihren Erträgen ihre Unterstützungseinrichtungen wieder auffüllen, also selber zahlen können. Dem Herrn Kollegen Renner möchte ich sagen: es wird Vorsorge getroffen werden, daß nicht da gezahlt wird, wo die Leistungsfähigkeit des Betriebes selbst zur Zahlung ausreicht. Entsprechende Kontrollen werden eingeschaltet.
Meine Fraktion bittet das Haus, diesem Antrag ebenso einmütig zuzustimmen, wie dem Gesetzentwurf über die Leibrenten zugestimmt wurde. Ich will nur noch erwähnen, daß im Ausschuß für Geld und Kredit und im Sozialpolitischen Ausschuß einhellig die Auffassung vertreten wurde, daß beides gleichzeitig geregelt werden solle.
Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich darf daher die Aussprache als geschlossen ansehen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt in Drucksache Nr. 1566 der Antrag des Ausschusses vor. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 2 der Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Belastung des Straßenverkehrs ({1}).
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu der Begründung des Gesetzentwurfs Stellung nehme, darf ich einige grundlegende Ziffern bekanntgeben, die sich auf die Leistungen des deutschen Volkes und des deutschen Steuerzahlers für das Straßenverkehrsgewerbe beziehen und die auf
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der anderen Seite die Leistungen des Straßenverkehrsgewerbes als Steuerzahler feststellen.
Wir müssen davon ausgehen, daß die Leistungen der öffentlichen Verwaltung für den Bau und den Unterhalt der Straßen schlechthin heute in erster Linie für den Kraftwagenverkehr in Frage kommen. Alle Straßen sind für den Kraftwagenverkehr eingerichtet und für ihn bestimmt. Das, was daneben an kleinen Wegen vorhanden ist, spielt hier keine Rolle; die Radfahrer zum Beispiel werden durch den Kraftwagenverkehr von der Straße immer mehr verdrängt.
Wenn ich die Ausgaben der öffentlichen Hand zusammenzähle, so ergibt sich, daß der Bund für den Straßenbau allein im letzten Haushaltsjahr 213 Millionen ausgegeben hat. Die Länder haben für ihre Straßenbauten einen Aufwand von 250 Millionen; bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden darf für die Straßen, die dem Kraftwagenverkehr dienen, ein Ansatz von wenigstens 250 Millionen im Jahr gemacht werden. Es kommt dazu, daß neben dem Straßenbau auch die Aufwendungen der öffentlichen Hand für die Verkehrspolizei zu rechnen sind; diese sind bei den Ländern mit 130 Millionen, bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden mit 36 Millionen anzunehmen. Die Planungsarbeiten, die mit dem Straßenbau und dergleichen insgesamt zusammenhängen, dürfen mit wenigstens 70 Millionen angesetzt werden, so daß die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Kraftwagenverkehr, also für Straßen und Verkehrspolizei, heute mit einer runden Summe von I 000 Millionen Mark, also einer Milliarde im Jahr anzusetzen sind.
Ich will die mittelbaren Wirkungen nicht berücksichtigen. Wir unterhalten uns ja häufig über die Frage der Unrentabilität des Milliardenvermögens, das das deutsche Volk in der Schienenbahn, in der Bundesbahn investiert hat. Ich darf und will gar nicht davon reden, daß die Beschaffung der Kraftwagen ja häufig ein Posten für Betriebsunkosten ist, der eine wesentliche Schmälerung des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuern darstellt. Ich lasse diese mittelbaren Zahlungen und Leistungen außer Betracht und bitte, Ihre Aufmerksamkeit nur auf die Gesamtzahl von 1 000 Millionen Mark Jahresaufwand für den Kraftwagenverkehr lenken zu dürfen. Dem steht das Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuern in den Ländern gegenüber, das jährlich 300 Millionen Mark beträgt, ferner das Aufkommen an Mineralölausgleichsteuer im Betrag von 70 Millionen - Abschöpfungsbeträge aus Mineralöl fallen nicht an -, Mineralölzölle, Umsatzausgleichssteuer, etwa 180 Millionen, so daß die Leistungen des Kraftfahrgewerbes an die öffentliche Hand - für Bund und Länder - jährlich etwa 550 Millionen DM betragen. Die Leistung, die der allgemeine Steuerzahler für den Kraftwagenverkehr im Bundesgebiet heute gibt, ist also ein Jahresbetrag von etwa 450 Millionen DM. Wird die Mineralölsteuer eingeführt, deren Ertrag ich auf rund 450 Millionen DM jährlich schätze, und ziehe ich davon das ab, was für Verwendungen von Mineralölen bestimmt ist, die außerhalb des Kraftwagenverkehrs liegen, so wird für den Kraftwagenverkehr höchstens noch eine Belastung von 350 Millionen DM jährlich zu schätzen sein, so daß also auch künftig einer Leistung des deutschen Steuerzahlers im Betrag von 1 000 Millionen DM eine Belastung des Kraftfahrverkehrsgewerbes und der Privatfahrer von höchstens 900 Millionen DM gegenübersteht.
Ich wollte diese Ziffern lediglich der Sachlage wegen und auch, damit die Öffentlichkeit ein klares Bild über die Zusammenhänge bekommt, dem vorausschicken, was ich nunmehr zur Vorlage des Gesetzes über die Änderung des Mineralölsteuergesetzes zu sagen habe.
Das Gesetz hat den Sinn, die Abgleichung des Haushalts in Einnahmen und Ausgaben aufrechtzuerhalten. Ich habe gestern von dieser Stelle aus schon erwähnt, von wie wesentlicher Bedeutung es für die gesamte deutsche Volkswirtschaft ist, daß das Ausland den festen Eindruck und die feste Überzeugung behält, daß das deutsche Volk im Bundesgebiet entschlossen ist, seine Finanzen in Ordnung zu halten und dem verfassungsmäßig vorgeschriebenen Grundsatz der Abgleichung von Einnahmen und Ausgaben zu entsprechen. Es ist richtig, daß durch gewisse Gesetze wie das Bundesversorgungsgesetz die Abgleichung, die in Einnahmen und Ausgaben im Haushalt geschaffen war, beeinträchtigt worden ist und infolgedessen Maßnahmen zur Wiederherstellung des Gleichgewichts im Haushalt nötig geworden sind. Ziel und Zweck des Gesetzes ist, diese Abgleichung wieder herzustellen und zu erhalten. Nachdem durch das Bundesversorgungsgesetz, die Weihnachtsbeihilfe und das geplante Jugendwerk usw. die Abgleichung des Haushalts zerstört worden ist, war es verfassungsmäßige Pflicht der Bundesregierung, den Haushaltsausgleich wiederherzustellen; eine Pflicht, sich die aus dem Grundgedanken des Art 113 des Grundgesetzes und aus dem Wortlaut des Art. 110 des Grundgesetzes ohne weiteres ergibt. Der Mehrbedarf, der allein durch das Bundesversorgungsgesetz für den Rest dieses Haushaltsjahres zu erwarten ist, wird von uns auf 130 Millionen DM geschätzt, die Weihnachtsbeihilfe auf über 12 Millionen DM, und auch das sogenannte Jugendwerk wird eine Belastung des Haushalts bringen, die für 1950 zwischen 10 und 20 Millionen DM liegt.
Ich muß die Notwendigkeit der Abgleichung des Haushalts heute um so stärker betonen, als es nur dann möglich sein wird, die großen Mehrlasten, die das neue Haushaltsjahr bringen wird - wobei ich von den Ausgaben und Aufwendungen für die Sicherheit vollkommen absehe -, zu übernehmen, wenn wir das Haushaltsjahr 1950/51 geordnet abgeschlossen haben. Aber allein die großen Mehrausgaben für soziale Zwecke, die wir heute schon auf eineinhalb Milliarden Mark schätzen können, in denen die Aufwendungen für das Bundesversorgungsgesetz mit etwa 690 Millionen DM enthalten sind, machen es, wenn wir dieses neue Jahr meistern wollen, notwendig, daß wir das alte Rechnungsjahr geordnet abschließen können.
({1})
Der Haushalt selbst enthält keine Reserven mehr, aus denen die beschlossenen Mehrausgaben geleistet werden konnen. Das Finanzministerium sieht mit Sorge einer Entwicklung entgegen, die auf verschiegenen Posten vielleicht bis zum Jahresende noch außerplanmäßige Ausgaben bringen kann. Die Steuereingänge werden den gewunschten und vorausgesehenen Betrag erreichen, dürften aber Mehreinnahmen, die zur Abgleichung der Mehrausgaben dienen könnten, nicht bringen.
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Infolgedessen hat sich die Bundesregierung am 19. Oktober 1950 veranlaßt gesehen, eine Dekkungsvorlage auszuarbeiten, die damals in der Form der Benutzungsgebühr für Autobahnen und einer Treibstoffsteuer geplant worden ist. In den Verhandlungen mit dem Bundesrat ist dann der Wunsch ausgesprochen worden, daß die Vorlage dahin geandert werden möchte, daß die Steuerlast auf breitere Schultern gelegt wird. Der Weg wurde in der Vorlage gesehen, die Ihnen nunmehr als Drucksache übergeben worden ist, in der Vorlage über die sogenannte Mineralölsteuer. Das wurde in der Sitzung des Bundesrats am 15. Nov ember beschlossen. Ich bemerke, daß in der Sitzung des Bundesrats vom 15. November eine Einigung unter den Ländern erfolgt war und daß nicht etwa nur die Finanzminister, sondern auch die Wirtschaftsminister der Länder grundsätzlich ihre Zustimmung zu dem Gesetz gegeben hatten. Ein einziges Land hat im Bundesrat dagegen gestimmt, das im Finanzausschuß in der vorausgegangenen Beratung noch dafür gestimmt hatte, aber mit der ausdrücklichen Erklärung, daß es sich nicht gegen das Gesetz, nicht gegen den Grundgedanken und gegen die Art der Besteuerung wendet, sondern daß ihm lediglich die Frist innerhalb der ihm das Gesetz zugesandt worden ist, zu kurz gewesen sei und es aus diesem formalen Grunde seine Zustimmung nicht geben konnte. Das war die Stadt Hamburg. Es war also die einzige Stimme im Bundesrat, die Stadt Hamburg, die gegen das Gesetz gestimmt hat. Die anderen Länder haben sich zum Teil der Stimme enthalten, vor allem solche Länder, die damals ihre Landtagswahlen vor der Tür hatten. Die anderen aber haben ihre Zustimmung ausgesprochen.
Durch die Verteilung auf breitere Schultern ist es möglich gewesen, die Belastung der Kraftstoffe selbst um etwa ein Drittel zu senken. Die neue Belastung der Dieselkraftstoffe braucht nicht mehr 10 Pfennig, wie zuerst in Aussicht genommen, zu betragen, sondern nunmehr nur noch 7 Pfennig je Kilo. Für Benzin sind nicht mehr 15, sondern als neue Steuer lediglich 10 Pfennig Belastung vorgesehen.
Die alte Mineralölsteuer ist durch das Gesetz über Zolländerungen vom 15. April 1930 eingeführt worden. Sie belastet nur im Inland hergestellte Mineralöle und trifft im wesentlichen Benzin, Petroleum, Dieselkraftstoff und leichte Steinkohlenteeröle. Sie ist als Ausgleichssteuer eingeführt worden und erfaßte ursprünglich nur Benzin, Petroleum und Benzol mit einem Steuersatz von 3,80 Mark, als 1930 für Benzinkraftstoffe der Zollsatz erhöht und für Benzol ein Zollsatz neu eingeführt wurde, denn ohne diese Ausgleichssteuer wäre dem inländischen Hersteller ja ein ungerechtfertigter Gewinn zu geflossen. Als 1936 die entsprechenden Zollsätze erhöht wurden, wurde auch der Mineralölsteuersatz erhöht, und zwar für Benzin und Petroleum auf 6 Mark, für leichte Steinkohlenteeröle auf 8,80 Mark. Mit Bekanntmachung vom 22. März 1933 wurde das Mineralölsteuergesetz neugefaßt. Im September 1939 wurde auch Dieselöl steuerbar und erhielt den Steuersatz von 3,90 Mark, soweit es aus Mineralölen stammte, und den Steuersatz von 4,90 Mark, soweit es aus Braunkohle hergestellt wurde.
Der Entwurf sieht nun bestimmte sachliche Änderungen vor. Erstens: bei den bisher steuerbaren Mineralölen werden die Steuersätze erhöht. Zweitens: der Kreis der steuerbaren Gegenstände wird erweitert. Es werden namentlich die Schmieröle und die Nebenerzeugnisse und Rückstände aus der Mineralölverarbeitung neu zur Steuer herangezogen. Drittens: die in den Geltungsbereich des Gesetzes eingehenden Mineralöle werden der Steuer unterworfen.
Der Charakter einer Ausgleichssteuer soll erhalten bleiben. Bei den bisher schon steuerbaren Mineralölen ergeben sich daher zwei verschiedene Steuersätze, je nachdem, ob sie im Inlande hergestellt oder in den Geltungsbereich des Gesetzes eingeführt werden.
Die Zusätze in §§ 3, 4 und 5 sind formeller Art und ergeben sich aus der Tatsache, daß auch eingehende Mineralöle steuerbar sind. Um einer unwirtschaftlichen Vorratsbildung zum Zwecke der Steuerersparung vorzubeugen und sie zwecklos zu machen, ist in § 11 die Nachversteuerung der Mineralöle des freien Verkehrs vorgesehen.
Das Steueraufkommen ist nach dem Verbrauch von Mineralölen im Jahre 1950 auf 466 Millionen D-Mark geschätzt. Davon entfallen auf Benzin bei einer Gesamtmenge von rund 1,5 Millionen Tonnen 202 Millionen D-Mark, auf Dieselöl bei einer gesamten Verbrauchsmenge von 1,5 Millionen Tonnen 105 Millionen D-Mark, auf Schmieröl mit 350 000 Tonnen 115 Millionen D-Mark, auf Benzol mit 120 000 Tonnen 13,2 Millionen D-Mark, der Rest, insbesondere Heizöl, Bitumen, Teer, Pech, Paraffin und Vaseline rund 30 Millionen D-Mark, so daß sich die 'Gesamtsumme von 460 Millionen D-Mark ergibt. Das Aufkommen aus der Nachversteuerung wird auf 34 Millionen DM geschätzt. Der Ertrag für das Rechnungsjahr 1950/51 richtet sich nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens.
Soll das Ziel des Gesetzes erreicht werden, so muß ich die gesetzgebenden Körperschaften bitten, dafür zu sorgen, daß das Gesetz möglichst bald in Kraft treten kann. Das Bundesfinanzministerium hatte damit gerechnet, daß das Gesetz im Januar in Kraft treten kann, und ich möchte bitten, dieses Bestreben zu unterstützen.
Nur durch die Heranziehung sämtlicher Mineralöle und deren Nebenerzeugnisse und Rückstände zur Steuer ist es möglich, die Steuersätze niedrig zu halten. Bei der Prüfung von Anträgen auf Senkung von Steuersätzen und Freistellung von einzelnen Mineralölprodukten sollte im Interesse von niedrigen Steuersätzen von völliger Freistellung grundsätzlich abgesehen werden. Wesentliche Senkungen von Steuersätzen und Steuerbefreiungen größeren Ausmaßes würden das Aufkommen beeinträchtigen und damit den Zweck des Gesetzes vereiteln. Nachdem alle Wirtschaftsverbände in den Besprechungen, die ich mit ihnen hatte, zugegeben haben, daß der Gesetzentwurf in seinem Grundsatz nicht bestritten werden könne und die Notwendigkeit dieses Steuergesetzentwurfes anerkannt werden müsse - selbstverständlich hatte jeder einzelne Verband einen Sonderwunsch, der in seinem Interessenbereich gelegen ist - möchte ich Sonderwünschen gegenüber dringend bitten, an den Zweck und an die Aufgabe des Gesetzes zu denken. Was ich auf der einen Seite geben würde, müßte ich auf der anderen Seite nehmen, um den Gesamtzweck des
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Gesetzes, die Abgleichung des Haushalts, nicht zu verfehlen.
Ich darf das Hohe Haus daher dringend bitten, diesem Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben und den Gesetzentwurf möglichst rasch der Beratung in den Ausschüssen und der zweiten und dritten Lesung zuzuführen. Das Hohe Haus empfindet es immer als eine soziale Verpflichtung, die sozialen Aufgaben, die dem Bund gestellt sind, zu erfüllen. Es gehrt aber weniger Entschlußkraft dazu, soziale Ausgaben zu bewilligen, als die Mittel aufzubringen, mit denen die sozialen Ausgaben erfüllt werden können.
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Ich möchte an das soziale Gewissen des Hohen Hauses appelieren, dem Bund die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit er die von dem Hohen Hause beschlossenen sozialen Aufwendungen leisten könne.
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Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Herrn Finanzministers habe ich eine Erklärung abzugeben. Mit dem Inkrafttreten des neuen Mineralölsteuergesetzes wird das Bundesministerium für Wirtschaft erstens die sofortige Liquidatiorf des ZB - Zentralbüro für Mineralöl GmbH - anordnen und bis spätestens 31. 3. 1951 durchführen,
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zweitens die gesetzlichen sowie verwaltungstechnischen Maßnahmen treffen, um mit der Liquidation des ZB die Preise sowohl für Vergaserkraftstoff als auch für Dieselkraftstoff freigeben zu können.
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Das Wort zur Begründung des Antrages hat jetzt Herr Abgeordneter Dr. Koch.
Dr. Koch ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte mir zu erlauben, die Begründung des Antrages meiner Fraktion - Drucksache Nr. 1588 - betreffend die Belastung des Straßenverkehrs mit unserer Stellungnahme zu dem von dem Herrn Finanzminister vorgelegten Gesetzenwurf zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes zu verbinden.
Der Herr Finanzminister hat heute mit besonderer Betonung von der Notwendigkeit einer Abgleichung der Einnahmen und Ausgaben des Haushalts gesprochen. Auch wir erkennen durchaus die Schwierigkeiten, vor die der Herr Finanzminister sich gestellt sieht. Wir wissen um die 4,5 Milliarden Besatzungskosten; wir wissen um die 6 Milliarden, die die Versorgung der Kriegsopfer weiter kostet; wir kennen die sonstigen zusätzlichen Forderungen, die heute an den Herrn Finanzminister gestellt werden. Aber bei allem Verständnis, das wir für die Härte dieser Tatsachen aufbringen, haben wir als Opposition kein Verständnis für die Formen unserer Steuerpolitik und für die Steuerarten, mit denen man uns hier immer wieder bedenkt. Wir würden gerne der Wirtschaftspolitik des Herrn Wirtschaftsministers Professor Erhard eine klare und geradlinige
Steuerpolitik entgegenstellen, und wir haben das Gefühl und vermuten, daß auch der Herr Finanzminister eine solche Steuerpolitik will und daß ihm eine solche Steuerpolitik vorschwebt. Aber ich glaube, wir können doch nicht immer wieder die großen Lücken, die sich in unserem Etat notwendigerweise zeigen, mit den Eingängen aus lauter kleinen Steuern zu füllen versuchen, bei denen der Verwaltungsaufwand in aller Regel in keinem Verhältnis steht zu den Eingängen, bei denen aber auch weiter der Anreiz zur Umgehung der Steuer und zur Steuerhinterziehung größer ist als die Möglichkeiten zu ausreichender Kontrolle.
Vor allem aber müssen wir immer wieder darauf hinweisen, daß wir die Methode ablehnen, stets zu versuchen, gerade durch indirekte Steuern unseren Etat abzugleichen. Denn diese indirekten Steuern, meine Damen und Herren, richten sich in allerletzter und allererster Linie, möchte ich sagen, immer wieder gegen die Verbraucher, gegen die breite Masse der Bevölkerung. Sehen wir uns doch einmal das Aufkommen aus den einzelnen Steuerarten an. Aus der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer, der Lohnsteuer, der Vermögensteuer und aus dem Notopfer Berlin sind im Rechnungsjahr 1949/50 6 Milliarden DM eingegangen, während aus der Umsatzsteuer, aus der Tabak-, Kaffee-, Tee-, Sprit- und Zuckersteuer und aus den Zöllen - das sind also die indirekten Belastungen der breiten Masse - mehr als 8 Milliarden DM eingegangen sind. Das ist ein ungesundes, das ist ein unsoziales Verhältnis, und wir möchten gerade den Herrn Finanzminister, der eben von dem sozialen Empfinden gesprochen hat, auf dieses ungesunde und unsoziale Verhältnis hinweisen.
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Ich glaube, daß sich gerade im letzten Jahr dieses Verhältnis noch sehr zu Ungunsten der direkten Steuern verschoben hat, und zwar durch die Einkommensteuerreform des Frühjahrs und die vielen indirekten Steuern, die wir hier aufzählen konnten.
Wir erkennen durchaus die Schwierigkeiten, mit denen der Herr Finanzminister infolge des allzu föderalistischen Grundgesetzes zu kämpfen hat, das ihm im wesentlichen nur die indirekten Steuern belassen hat, während die sozial gestaffelten direkten Steuern fast ausschließlich den Ländern zufließen. Wir haben zwar gestern gehört, wie der Herr Finanzminister ein Loblied auf den Föderalismus gesungen hat; aber wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben, daß man das bekannte alte Wort auch etwa so zitieren kann: Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem gibt er auch einen unitarischen Verstand.
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Wir wollen hoffen, daß das vor allen Dingen auch für die Steuerpolitik gilt.
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Bei fortschreitenden sozialen Vorstellungen sollten wir immer mehr und mehr von Besteuerungsformen absehen, die auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Staatsbürger keine Rücksicht nehmen; und Verbrauchsteuern - das sei immer wieder grundsätzlich und gerade auch aus Anlaß dieser Verbrauchsteuervorlage gesagt - sind letzten Endes stets Aufschläge auf Konsum({4})
güter, treffen also die letzten Verbraucher. Heute kann man sagen, daß ein Steuersystem um so rückständiger und um so unsozialer ist, je mehr Wert es auf die indirekte Besteuerung legt. Ein solches System aber - das muß mit Bedauern festgestellt werden - hat die Bundesregierung geradezu in Reinkultur entwickelt.
Nun legt man uns diese neue Steuervorlage, dieses Mineralölsteuergesetz vor. Unser Antrag Nr. 1588 richtete sich zunächst gegen die Autobahngebühr. Wir haben zu unserer Freude gehört, daß man von dem Gedanken, eine Autobahngebühr zu erheben, inzwischen abgegangen ist, vielleicht weil die Erinnerungen an das Mittelalter und an die Zustände in Deutschland bis zur Gründung des Zollvereins doch wohl allzu abschreckend gewesen sind. Ich brauche mich heute darum mit der Autobahngebühr nicht mehr zu beschäftigen.
Aber wie der Herr Finanzminister muß auch ich mich, glaube ich, vor allen Dingen mit der Treibstoffsteuer oder mit der Benzinsteuer, wie wir wollen, beschäftigen, da ja auch hierauf der Finanzminister das Hauptgewicht gelegt hat. Wir sollten, wenn wir uns über dieses Mineralölsteuergesetz unterhalten, immer bedenken, daß die Hauptträger auch dieser Mineralölsteuer vor allen Dingen die Besitzer von Kraftfahrzeugen, von Verbrennungsmotoren und - das geht insbesondere auch die Landwirtschaft an - von Traktoren sind.
Wenn das Gesamtaufkommen auf rund 500 Millionen geschätzt wird, so werden auf flüssige Kraftstoffe etwa 65% und auf Schmieröle etwa 20 % des Aufkommens entfallen. Ich habe nun leider zu den Zahlen, die uns der Herr Finanzminister genannt hat, nicht die Gegenzahlen zur Hand. Ich kann mich lediglich darauf beschränken, aus einer Aufstellung, die der hessische Verkehrsverband gemacht hat, die Zahlen zu entnehmen, wonach die Aufwendungen für Straßenbauunterhaltung im Jahre 1950 etwa 400 Millionen DM ausmachen, und dabei handelt es sich - die Zahlen decken sich ungefähr - um die Bundesstraßen und um die Länderstraßen, und wo gesagt ist, daß dieser Betrag zu etwa 87 % aus der Kraftfahrzeugsteuer aufgebracht wird und daß dann dazu noch das Mineralölzollaufkommen zu rechnen ist. Das sind Zahlen, die uns immer wieder von den Verkehrsverbänden genannt worden sind, so daß wir daraus schließen können, daß die Aufwendungen für den Straßenbau und für die Straßen schon jetzt durch das Aufkommen an Kraftfahrzeugsteuer und durch das Mineralölzollaufkommen gedeckt werden.
Wir sollten aber auch bedenken, welche besonderen Belastungen den Kraftverkehr im vergangenen Jahr schon getroffen haben. Das wissen wir; darüber brauche ich mich nicht im einzelnen zu äußern. Wir sollten bedenken, daß der gewerbliche Güterverkehr bereits an der untersten Grenze der Tarife liegt. Wir sollten ferner bedenken, daß in Deutschland heute fast jeder Zwölfte vom Straßenverkehr lebt, wenn wir nicht nur an die Herstellung, sondern auch an den Vertrieb, an die Unterhaltung und an die Instandsetzung der Kraftfahrzeuge denken. Und wir sollten dabei nicht vergessen, welche Bedeutung auch in Deutschland vor allen Dingen die Kraftverkehrswirtschaft für den Export hat. Das ist vielleicht auch der Grund dafür gewesen, daß sich der Wirtschaftsminister - es ist ganz gut, daß Herr Professor Erhard hier ist - noch vor wenigen Wochen beim Verband der
Automobilindustrie in Frankfurt am Main für eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer und aller Steuern, die mit dem Kraftwagenverkehr zusammenhängen, eingesetzt hat. Er hat es damit begründet, daß das Altwagengeschäft gehoben werden müsse. Aber ich glaube, wir werden es bald müde, uns hier immer wieder mit den Widersprüchen zu beschäftigen, die sich aus den vielerlei Reden des Herrn Bundeswirtschaftsministers hier und dort ergeben.
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Meine Damen und Herren, wir haben es hier mit einer typischen Verbauchssteuer zu tun, mit einer Verbrauchssteuer mit allen Mängeln und Fehlern, die nun einmal Verbrauchssteuern anhaften. Besteuerung eines Rohstoffes, wie es hier der Fall ist, bedeutet, da diese Besteuerung ja nicht irgendwie aufgefangen werden kann, zweifellos eine Preiserhöhung des Rohstoffes, und das bedeutet in diesem Falle - und nun möchte ich mich nur auf eine ganz kurze Aufzählung beschränken - Gefährdung des Exports, insbesondere auch unserer chemischen Fertigwarenindustrie; das bedeutet eine Belastung gerade einheimischer Fertigerzeugnisse, während ja importierte Fertigerzeugnisse von dieser Steuer nicht betroffen werden. Das bringt also eine Verschiebung zu Ungunsten des innerdeutschen Marktes. Das führt zu einer Belastung aller Transportmittel. Wir wissen, daß diese Belastung bestimmt an den letzten Verbraucher weitergegeben wird. Es bedeutet aber auch, weil in dem Gesetz irgendwelche Ausnahmevorschriften nicht enthalten sind, eine Belastung der Schiffahrt und der Landwirtschaft, die beide bisher steuerbegünstigt waren. Wir sollten uns hier daran erinnern, wie unerhört notwendig für uns in der Landwirtschaft Rationalisierung, Technisierung, überhaupt Modernisierung sind und wie entscheidend diese Fragen in den nächsten Jahren für uns werden können.
Ich darf daran erinnern, daß, wenn wir das Schmieröl mit einer derartig hohen Steuer belasten, wie es hier vorgesehen ist, in allererster Linie die Bundesbahn davon betroffen wird; denn bisher kosten 100 kg Schmieröl 24 DM, und diese 100 kg Schmieröl sollen mit 33 DM Steuer belastet werden, so daß das eine Preiserhöhung allein um 140 % ist.
Auch das Heizöl soll belastet werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang an die Anträge erinnern, die das Land Schleswig-Holstein im Bundesrat mit Rücksicht darauf gestellt hat, daß in diesem Land wegen der Ruhrferne sehr viele Betriebe allein auf Heizölgrundlage aufgebaut worden sind.
Besteuert werden soll erstmalig Bitumen. Das trifft den Wohnungsbau, insbesondere natürlich auch wieder den uns vor allen Dingen am Herzen liegenden sozialen Wohnungsbau. Und die Teerölverteuerung wieder trifft, glaube ich - das ist uns in vielen Eingaben vorgerechnet worden -, in allererster Linie den Straßenbau, von dem der Finanzminister heute auch gesprochen hat. Also diese neue Steuer trifft damit in erster Linie die öffentlichen Verkehrsträger.
Es wäre noch einiges über die Höhe der Steuersätze zu sagen. Der Herr Finanzminister hat an dieser Stelle einmal bekannt, daß er seine Schätzungen auf die Verbrauchsziffern vom Jahre 1950 stütze. Wir stehen auf dem Standpunkt, es wäre richtiger gewesen, Schätzungen des Jahres 1951 zugrunde zu legen; denn dann könnte man mit ganz anderen, wesentlich niedrigeren Steuersätzen arbeiten.
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Meine Damen und Herren, lassen Sie mich das kurz zusammenfassen. Wir haben hier eine neue, eine typische Verbrauchssteuer vor uns; sie muß und sie wird wie alle Verbrauchssteuern auf die letzten Verbraucher abgewälzt werden. Der letzte Verbraucher wird diese Mineralölsteuer aus seiner Tasche bezahlen müssen, aus der Tasche, in der der Staat seine Hand schon so tief hat. Wir befürchten von dieser neuen Steuer - und gerade das ist in diesem Augenblick besonders gefährlich - einen neuen Antrieb für die Preis-LohnSpirale, die ja nun an sich längst in Bewegung gesetzt ist, in Bewegung gesetzt - das möchte ich aber vor allen Dingen auch noch einmal in Gegenwart des Herrn Bundeswirtschaftsministers als unsere Ansicht sagen - durch die Freigabe der Preise nach der Währungsreform und nicht etwa durch irgendwelche Lohnforderungen.
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Wir lehnen es grundsätzlich ab - das möchte ich noch mit besonderer Betonung sagen -, daß man diese Steuerforderungen in Verbindung bringt mit der uns allen obliegenden Verpflichtung, für die Kriegsopfer zu sorgen.
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Meine Damen und Herren, die Erfüllung dieser Aufgabe sollte für uns alle eine Ehrenpflicht sein, und ich glaube, wir sollten sie nicht von dem Aufkommen an Mineralölsteuer abhängig machen. Leider wurde das zuerst getan. Ich sehe jetzt allerdings aus der Begründung des Gesetzes, daß man versucht hat, diese Steuer nicht mehr, wie es der Herr Bundesfinanzminister zunächst getan hatte, mit den sozialen Verpflichtungen für die Kriegsopfer zu begründen, sondern mit der allgemeinen Lage des Bundeshaushalts.
Aus all den Gründen, die wir Ihnen genannt haben, halten wir es nicht für richtig, diese Steuer schon jetzt zu beraten. Wir legen vor allen Dingen - das möchte ich im Auftrag meiner Fraktion sagen - Wert darauf, daß der Herr Finanzminister uns endlich seine umfassenderen Steuerpläne vorlegt. Ich glaube, es ist ein unmöglicher Zustand, daß wir Tag für Tag in den Zeitungen über die Steuerpläne des Bundesfinanzministeriums lesen; einmal ist es die Umsatzsteuer, einmal ist es die Einkommensteuer, bei der Änderungen und Erhöhungen vorgenommen werden sollen.
Während dieser Zeit der Hochspannung, in der ständig von neuen Steuern die Rede ist, beschert man uns immer wieder neue Steuervorlagen wie die vorliegende. Man verzögert, oder ich möchte beinahe sagen, man verweigert uns längst beantragte und längst fällige Steuersenkungen wie etwa die Tabak-, die Tee- oder die Kaffeesteuersenkung unter Hinweis auf die künftigen größeren Steuerpläne des Bundesfinanzministeriums. Ich darf daran erinnern, daß wir dafür Verständnis gezeigt haben, weil auch wir ein Interesse daran haben, alle diese kleineren Steuerfragen zu beantworten, wenn wir wissen, wie der Herr Bundesfinanzminister, wie die Bundesregierung sich die künftige Steuergestaltung und Steuergebarung der Bundesrepublik vorstellen. Ich sagte Ihnen, wir haben dafür Verständnis gehabt. Wir bitten Sie aber auch, jetzt dafür Verständnis zu haben, wenn wir unter Hinweis auf die bevorstehenden größeren Steuerpläne unsere Mitarbeit an diesem Mineralölsteuergesetz verweigern. Wir bitten Sie, diese Vorlage abzulehnen.
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Nachdem die Begründung erfolgt ist, treten wir jetzt in die Aussprache ein. Für die Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung fest.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ein wohl sehr ungewöhnlicher Zustand, daß sich dieses Hohe Haus nach wenigen Monaten schon wieder mit einer Regierungsvorlage zu befassen hat, die wiederum eine enorme Preiserhöhung für so wichtige Rohstoffe wie Benzin, Dieselöl usw. fordert.
({0})
Vor wenigen Monaten erst mußten wir es erleben, daß die Preise für Benzin von 40 Pfennig auf 60 Pfennig erhöht und dann auf 55 Pfennig festgesetzt wurden, was ebenfalls nichts anderes war als eine verkappte Steuererhöhung. Heute sagt man es mit nackten Worten: eine Steuererhöhung, die nochmals die Preise für Benzin und die übrigen Treibstoffe in die Höhe treiben wird.
Ich wüßte keinen anderen Gegenstand des Verbrauchs, bei dem so etwas schon vorgekommen wäre. Das ist vor 1933 nicht der Fall gewesen und auch bis jetzt nicht wieder, daß ein und derselbe Rohstoff - Treiböl - durch die Schuld der Regierung in wenigen Monaten zweimal im Preise hinaufgesetzt worden ist.
Meine Damen und Herren, der Herr Finanzminister hat uns heute Zahlen darüber vorgetragen, welche Kosten die Unterhaltung und der Ausbau des Straßennetzes in Westdeutschland verursachen. Er nannte eine Zahl von summa summarum etwa einer Milliarde DM, wenn ich ihn recht verstanden habe. Es ist völlig unmöglich, Herr Finanzminister, daß diese Summen, die der Straßenbau und die Unterhaltung der Straßen uns verursachen, lediglich von den Kraftfahrzeugen getragen werden.
({1})
Sie können das unter keinen Umständen vom Kraftfahrgewerbe verlangen.
({2})
- Entschuldigen Sie, wollen Sie doch solche Zwischenrufe unterlassen.
({3})
Ich habe noch nichts davon gehört - scherzhafterweise gesprochen -, daß man eine Steuer von denen einheben wollte, die per Pferdefuhrwerk oder sonst irgendwie die Straßen benutzen, etwa von den Fußgängern.
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Auch sie benutzen die Straßen und müßten eigentlich auch herangezogen werden, nicht wahr, darüber sind wir uns doch einig.
({5})
Es geht nicht an, daß man es lediglich den Kraftfahrern überläßt, für die Unterhaltung, für die gesamten Straßenbau- und Straßenausbesserungsarbeiten aufzukommen.
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({7})
- Herr Neuburger, ich kenne die Verhältnisse ganz genau.
({8})
Diese Erhöhungen allein bringen rund 500 Millionen D-Mark ein. Dazu kommen die Beträge, die vor wenigen Monaten schon durch die Steuererhöhungen in die Staatskasse eingeflossen sind. Das sind Summen, die ungefähr schon an 700 Millionen DM insgesamt heranreichen. Weitaus der größte Teil, fast alles, möchte ich sagen, was an Straßenunterhaltungskosten anfällt, wird einseitig vom Kraftfahrzeuggewerbe getragen. Das ist ein ungerechter Zustand.
Sie werden mich vielleicht fragen, welche Vorschläge w i r machen würden, um den Haushalt auszugleichen? Ich will Ihnen das mit aller Offenheit namens der Fraktion der WAV sagen: Solange die Steuerermäßigungen für große Einkommen heute noch in Kraft sind, die der Herr Finanzminister Schäffer vor wenigen Monaten den Großverdienern so generös gewährt hat - 900 Millionen DM sind durch die Schäffersche Einkommen- und Körperschaftsteuerreform verlorengegangen -, so lange die noch in Kraft sind, meine Herren von den Regierungsparteien, so lange kommen Sie uns bitte nicht mit einer Steuerbelastung, die ein Gewerbe kaputt macht und die von dem Gewerbe wenigstens zum Teil auf breite Schichten der Bevölkerung abgewälzt werden muß. Ganz wird das dem Gewerbe nicht möglich sein, das kann ich Ihnen heute schon sagen.
({9})
Diese 900 Millionen DM Einsparungen, die hier Herr Schäffer denen geschenkt hat, die es nicht verdienen - wenigstens ein großer Teil von denen verdient das nicht -, und die zuerst hätten herangezogen werden müssen - ({10})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist - auch bei Anrechnung der Unterbrechungen - schon eine ganze Weile abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Ich möchte Ihnen eines sagen. Diese Steuererhöhung ist sozial ungerecht gegenüber der Allgemeinheit. Sie ruiniert vollends das gesamte Kraftfahrgewerbe, das eines der wichtigsten Unternehmungen der privaten Mittelstandswirtschaft ist.
({0})
Sie dürfen hier diese Steuererhöhung nicht bewilligen, meine Herren von den Regierungsparteien, sondern Sie müßten Ihrem Finanzminister nahelegen, zuerst durch Einsparungsmaßnahmen aller möglichen Art und zweitens durch eine Rückgängigmachung der Vergünstigungen, die man den Beziehern von großen Einkommen durch die Schäffersche Steuernovelle gegeben hat,
({1})
diese Summen hier zu gewinnen, die zur Ausbalancierung des Bundeshaushaltsplans notwendig sind.
({2})
Meine Damen und Herren, die Unruhe fördert das Tempo unserer Verhandlungen nicht.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Ich habe mich eines Auftrags der Fraktionen der CDU/CSU, DP und FDP zu entledigen, indem ich zu Punkt 2 a der Tagesordnung beantrage, den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes - Nr. 1680 der Drucksachen - an den Finanzausschuß - federführend - und außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Verkehrswesen zu verweisen.
Sodann habe ich drei Bemerkungen sachlicher Art namens der FDP zu den Ausführungen des Kollegen Koch zu machen, und ich glaube, annehmen zu dürfen, daß alle drei Bemerkungen auch von unseren anderen Freunden - DP und CDU/CSU - geteilt werden.
Ich spreche nicht für oder gegen das Gesetz, sondern ich mache nur Bemerkungen zu den Ausführungen von Herrn Koch.
Einmal sind wir der Auffassung, daß, wenn es zu einem Gesetz kommt, die Steuerbegünstigungen für Landwirtschaft und Schiffahrt aufrechterhalten werden müssen.
({0}) Dann lehnen wir - ebenso wie Herr Koch - eine innere, auch eine äußere Verbindung zu dem Bundesversorgungsgesetz ab. Man kann solche Konstruktionen nur vorbringen, um daraus politische Konsequenzen zu ziehen, vielleicht auch parteipolitische. Das wollen wir nicht. Drittens erwarten wir - und ich glaube, diese Erwartung wird bald erfüllt werden -, daß der Herr Finanzminister seine umfassenden Steuerpläne hier vorlegt.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Nachdem der geschäftsordnungsmäßige Antrag von meinem Kollegen Wellhausen gestellt ist, will ich mich bemühen, so wenig wie möglich auf das Mineralölsteuergesetz einzugehen. Ganz wird sich das natürlich im Zusammenhang mit dem SPD-Antrage nicht vermeiden lassen. Daß die Autobahngebühr durch einen klugen Beschluß des Bundesrats gefallen ist, ist allgemein bekannt. Ich darf vielleicht einen Satz aus der Verkehrspolitik hinzufügen. Wenn man die Bundes- und Länderstraßen vom Verkehr entlasten und den Verkehr auf die Autobahn bringen will, wäre es natürlich das Verkehrteste, nun die Benutzung der Autobahn zu besteuern. Dieser Satz schien mir notwendig zu sein, weil vielleicht doch noch die Absicht besteht, diese Gebühr gleichwohl zu erheben.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat an das Gewissen des Hohen Hauses appelliert, nicht nur bei Ausgaben bewilligungsfreudig zu sein, sondern auch Verantwortung zu zeigen, wenn es sich um Deckungsvorlagen handelt. Ich möchte hierzu einmal sagen, daß diese Pflicht in meiner Fraktion selbstverständlich anerkannt wird, daß wir aber der Auffassung sind - und dieses Junctim zwischen Bundeskriegsopfergesetz und diesem Mineralölsteuergesetz ist nun eben einmal bekannt geworden -, daß man nicht einen Teil der Steuerzahler für eine Mehrausgabe vorweg belasten kann, die die ganze Nation betrifft.
({0})
Der Herr Bundesfinanzminister hat hier Zahlen über die Belastungen des Straßerverkehrs bekanntgegeben und hat dabei die Behauptung aufgestellt, der Straßenverkehr würde erst dann, wenn das neue Mineralölsteuergesetz in Kraft ist, die Summen aufbringen die für den Straßenbau erforderlich sind. Ich muß die Bedeutung der Zahlen, die Kollege Koch hier genannt hat, unterstreichen; ich kenne ähnliche Zahlen. Alle diese sorgfältig errechneten Angaben stammen aus den Unterlagen des Bundesverkehrsministeriums. Danach ist für das kommende Haushaltsjahr vorgesehen, den Straßenbau mit 620 Millionen Mark in Ländern und im Bund zu bedenken, wohingegen heute schon, ohne die geplanten Erhöhungen, vom gesamten Straßenverkehr Beträge aufgebracht werden, die nach Verabschiedung des Beförderungssteuergesetzes rund 750 Millionen Mark ausmachen, also bereits um 130 Millionen Mark die Kosten für den Straßenbau, wie er geplant ist, überschreiten. Aber ich halte es doch für völlig abwegig, nun auch noch die Kosten der Verkehrspolizei in diese Betrachtungen einzubeziehen, denn es besteht doch kein Zweifel darüber, daß es kaum so etwas wie eine besondere Verkehrspolizei gibt. Sie gehört zu dem Gesamtkörper der Polizei und wird eben von Fall zu Fall für besondere Aufgaben abgestellt.
Meine Damen und Herren! Offenbar ist auch vom Herrn Bundesfinanzminister übersehen worden, daß bei der ungeheuer starken Belastung, die der Straßenverkehr bis heute schon zu tragen hat, diese Erhöhungen mit einem Sinken der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die den Ländern zufließt, verbunden sind und dadurch zwangsläufig wieder eine neue Grundlage für den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern gesucht werden müßte. Untragbar ist auch, daß bei den vorgesehenen neuen Belastungen beispielsweise die Binnenschifffahrt, die hier noch nicht erwähnt wurde - die Seeschiffahrt wurde bereits genannt - mit Frachterhöhungen für Kohle und Getreide bis zu 17 % rechnen muß, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt.
Sehr häufig wird mit den neuen Belastungen des Straßenverkehrs und mit den höheren Sätzen in anderen europäischen Ländern argumentiert. Ich will die anderen Länder nicht alle anführen, will aber feststellen, daß höhere Treibstoffpreise nur in Italien und in Spanien vorhanden sind.
({1})
Wenn nun Deutschland hinzukommt, hätten wir so etwas ähnliches wie die alte Achse hergestellt, allerdings vorläufig nur die Benzinachse.
({2})
Von 1930 bis 1950 haben wir eine Erhöhung der Treibstoffpreise auf das 8 1/2fache zu verzeichnen, allein von 1936 bis 1950 auf das Dreifache. Das sind alles Zahlen, die die Erhöhung, wie sie beabsichtigt ist, noch nicht berücksichtigen.
Dann, meine Damen und Herren: schon Herr Kollege Koch hat die Ausführungen, die Herr Minister Erhard vor dem Allgemeinen Deutschen Automobil-Club gemacht hat, hingewiesen. Ich sehe zu meiner Freude auch den Herrn Bundesverkehrsminister auf der Regierungsbank und würde es doch außerordentlich begrüßen, wenn er von seinem Ressort her mit den nötigen Sachkenntnissen, die ihm ja zur Verfügung stehen, hier einmal erklären wollte, wie es nach meinen Informationen auch im Kabinett geschehen sein soll, daß es unmöglich ist, eine deutsche Verkehrspolitik unter gleicher Behandlung aller Verkehrsträger fortzusetzen, wenn immer wieder ein einzelner Verkehrsträger, in diesem Fall der Straßenverkehr, ungebührlich belastet wird.
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist nahezu abgelaufen, ich muß mich kurz fassen und möchte nur eines noch erwähnen: Der Herr Bundesfinanzminister hat die Dinge so dargestellt, als ob die Mineralölindustrie mit diesen Erhöhungen und mit dem neuen Gesetz einverstanden sei. Ich glaube, er ist falsch unterrichtet. Es ist so, daß die Mineralölindustrie nun versucht, die volkswirtschaftlichen Schäden des neuen Entwurfs durch Eingaben abzuwenden. Im Prinzip steht sie aber zu der Stellungnahme von 18 Organisationen zuzüglich der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, die ganz deutlich erklärt haben, daß die vorgesehene Belastung für den Straßenverkehr untragbar sei.
Nach Auffassung meiner Freunde wird es also notwendig sein, in den betreffenden Ausschüssen - die Überweisung hat Kollege Wellhausen bereits beantragt - sehr eingehende Untersuchungen anzustellen, wieweit das geplante Mineralölsteuergesetz überhaupt durchzuführen ist, um eine gleichmäßige deutsche Verkehrspolitik, die ja die Voraussetzung für eine Wirtschaftspolitik ist, überhaupt noch aufrechterhalten zu können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Diese Vorlage hat die Öffentlichkeit schon seit langer Zeit beschäftigt. In zahlreichen Zusammenkünften haben sich die Vertreter des Verkehrsgewerbes gegen die Erhöhung der Benzin- und Treibölpreise gewandt. Mit Erstaunen mußten wir hören, daß der Herr Finanzminister heute hier erklärte, dieses Gewerbe sei im großen und ganzen und prinzipiell mit dieser Vorlage einverstanden. Ich habe jedenfalls Kenntnis von zahlreichen Entschließungen und Erklärungen dieses Gewerbes, die sich gegen diese Vorlage wenden. Ich denke nur an die große Versammlung der Vertreter des Verkehrsgewerbes von Rheinland-Pfalz in Mainz, auf der man sich eindeutig gegen die Erhöhung der Benzin- und Dieseltreibstoffpreise wandte. Mit Recht wendet sich dieses Gewerbe gegen weitere Belastungen. Es hat schon sehr schwer um seine eigene Existenz zu kämpfen.
Wenn der Kollege Koch der Meinung ist, daß der Bundesfinanzminister den Hinweis der Notwendigkeit dieser erhöhten Benzinpreise durch die mit dem Bundesversorgungsgesetz verbundenen Ausgaben in seiner Begründung hätte fallen lassen, so muß ich sagen: das stimmt nur sehr bedingt. Ich muß sagen, es war ein Zeichen für den Mangel an Fingerspitzengefühl bei der Regierung, daß sie überhaupt die erhöhten Ausgaben mit dem verabschiedeten Bundesversorgungsgesetz in Verbindung bringt. Aber in der Begründung spricht der Finanzminister von neuen Verpflichtungen, die der Bund zu erfüllen hat. Was sind das für neue Verpflichtungen, die der Bund zu erfüllen hat und wofür er Mittel aufzubringen hat? - Das sind jene Verpflichtungen, die hier schamhaft verschwiegen werden, die aber bei der Remilitarisierungsdebatte
({0})
schon deutlich von seiten unserer Fraktion angesprochen wurden. Das sind die erhöhten Kosten
für die Besatzung; das sind die erhöhten Kosten
für die Polizei und für die kommende Söldner({1})
truppe im Rahmen der Atlantikpakt-Armee, die uns ja gnädig zugestanden werden soll.
({2})
Wir wenden uns gegen die Erhöhung dieser Preise, weil diese Vorlage, wie mit Recht bereits gesagt wurde, eine neue Massenbelastung mit sich bringen wird.
Aber diese Vorlage ist nicht einmalig, sondern wir haben bereits mehrere Steuervorlagen hier erlebt, und neue Steuervorlagen sind angekündigt. Durch die Presse gehen seit Tagen Ankündigungen des neuen sogenannten Wirtschaftsprogramms, das im Schoße der Regierung entwickelt werden soll. In diesem Wirtschaftsprogramm wird ganz deutlich von der Aufhebung der Getreidesubventionen, von der Beseitigung der Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau, von der Erhöhung der Altbaumieten um 20 % usw. usw. gesprochen. Wir sehen hier also eine Kette von Angriffen auf die Lebenshaltung der breiten Volksmassen, und wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen eine neue Belastung des Konsums der breiten Massen. Wir werden dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht geben, und wir werden auch bei der Ausschußberatung bei dieser Auffassung verbleiben. Ich wünschte nur, daß der Herr Rademacher - und seine Fraktion - nach seinen Ausführungen, in denen er sich hier prinzipiell gegen die Vorlage ausgesprochen hat, auch den Mut aufbrächte, dann im Plenum gegen diese Vorlage zu stimmen. Er hat früher schon einmal gegen Preiserhöhungen für Benzin und Treiböl gesprochen, aber zum Schluß dann doch dieser Erhöhung zugestimmt.
({3})
Diesen Widerspruch zu lösen, muß ihm selbst überlassen bleiben; er kennzeichnet nur seine politische Haltung zu diesen ganzen Belastungen des Verkehrsgewerbes.
Wir möchten also im Interesse der Verbraucher bitten, diese Vorlage abzulehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Standpunkt des Bundesfinanzministers, der neue Finanzquellen erschließen will, ist verständlich. Er muß sehen, wo er das Geld auftreibt, das ihm in seinem Haushalt fehlt. Deshalb wird man wohl zugeben müssen, daß der Standpunkt, den verschiedene Interessenverbände vorgetragen haben, für die Beurteilung dieser Vorlage bei uns nicht wird maßgebend sein dürfen. Nicht Interessentenstandpunkte, sondern volkswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Standpunkte sind maßgebend, wenn wir uns fragen, ob diese Steuererhöhung möglich ist oder nicht.
Da sind zunächst die Gefahren, die der Preisbildung drohen, wenn die Steuer in dem vorgesehenen Maße erhöht wird. Eine solche Erhöhung des gesamten Preisniveaus würde sich lediglich dann verhindern lassen, wenn es gelänge, die Überpreise, die zur Zeit für Schwarzmarktbenzin bezahlt werden, zu erfassen. Eine solche Steuer würde volkswirtschaftlich nicht bedenklich sein. Aber ist das denn so lange möglich, solange die Bewirtschaftung noch fortbesteht? Solange die Bewirtschaftung fortbesteht, muß eine solche Steuer einfach dazu führen, daß das allgemeine Preisniveau sich erhöht und daß den Schwarzmarkthändlern noch ein zusätzlicher Gewinn zugeschanzt wird.
({0})
- Ich sage ja, eine entsprechende 'Steuer dürfte also frühestens in Kraft treten, wenn zuvor die Bewirtschaftung aufgehoben wäre. Es kommt hinzu, daß die Kosten des Straßenverkehrs durch das bisherige Aufkommen gedeckt werden.
Wenn wir also diese Steuer erheben, so dient sie offenbar nur dazu, ein Haushaltsdefizit zu decken. Ob wir aber ein Haushaltsdefizit zweckmäßig dadurch decken, daß wir gerade eine Mineralölsteuer erhöhen, läßt sich nur dann überprüfen, wenn uns ein Gesamtüberblick über sämtliche beabsichtigten steuerlichen Maßnahmen der Regierung vorliegt. Nur wenn wir den Gesamtüberblick haben, können wir insbesondere beurteilen, ob sich das Verhältnis zwischen der Belastung der Konsumenten durch indirekte und Verbrauchsteuern erhöht und ob sich das Verhältnis wieder zurückverschiebt, wie es früher gewesen ist, ungefähr im Verhältnis von 1 : 1 zwischen den Einkommen- und Körperschaftsteuern einerseits und den Verbrauchsteuern andererseits. Das können wir aber nicht übersehen, wenn wir hier nur eine einzelne Verbrauchsteuer vorgelegt bekommen und uns die notwendigen Ergänzungen auf dem Gebiete des Einkommensteuerrechts und des Körperschaftsteuerrechts vorenthalten bleiben. Erst wenn ein Gesamtüberblick vorliegt, ist überhaupt eine Beurteilung dieser Steuer möglich.
Vom finanztechnischen Standpunkte aus kommt hinzu, daß die Steuer sehr schnell bearbeitet worden ist, so daß sich eine große Anzahl von technischen Fehlern in dieser Steuer befinden. So ist beispielsweise die Tatsache festzustellen, daß die Belastung der öffentlichen Verkehrsträger entweder ertragsmindernd auf die Steuer wirken muß, indem wir Befreiungen gewähren, oder aber zu Tariferhöhungen oder Ausfällen an anderen Stellen führen muß. Infolgedessen kann auch die Ertragsberechnung nicht richtig sein. Die Überprüfung dieser Auswirkungen sowohl auf wirtschaftspolitischem wie auf finanzpolitischem Gebiet erfordert Zeit, meines Erachtens sehr viel Zeit. Diese Zeit will uns aber die Regierung nicht lassen. Wir sollen mit dieser Steuer förmlich überrumpelt werden. Wie ich gehört habe, soll noch heute abend eine Sitzung des Finanzausschusses stattfinden, und, wenn möglich, soll morgen noch die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzes vorgenommen werden. Das ist völlig ausgeschlossen, wenn wir nicht erhebliche Fehler mit in Kauf nehmen wollen.
Wir müssen deshalb der Behandlung dieser Steuer im gegenwärtigen Zeitpunkt auf das entschiedenste widersprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Volkholz.
Meine Damen und Herren! Die Bayernfraktion
({0})
lehnt jede Treibstoffpreiserhöhung ab. Wir sind der Ansicht, daß diese Preiserhöhung nicht Kreise trifft, die Luxusfahrten machen, sondern das Transportgewerbe und gerade die Landwirtschaft. Wir stimmen für Überweisung der Vorlage an den Ausschuß.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Ich darf dem Herrn Kollegen Dr. Koch, der den Antrag unter anderem so schön poetisch mit dem Satz begründet hat: „Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem gibt er auch einen unitarischen Verstand", doch eine kleine Antwort geben. Wem Gott ein Bundesamt gibt, dem muß er den Verstand und daneben das Pflichtgefühl geben, das Grundgesetz, nach dem ihm das Bundesamt übertragen worden ist, zu vollziehen.
({0})
Das scheint mir der ausschlaggebende Gesichtspunkt zu sein. Ob dieses Grundgesetz nun unitarisch oder föderativ ist - es ist föderativ, und deshalb kann der, dem ein Bundesamt übertragen worden ist, sehr gut ein innerlich überzeugter Föderalist bleiben, nebenbei bemerkt -, derjenige, dem ein Bundesamt übertragen wurde, hat es nach dem Grundgesetz zu vollziehen.
Ich habe nun die Debatte, die hier geführt wurde, verfolgt, und ich greife einen Punkt heraus. Etwas erstaunt bin ich darüber, daß man es in diesem Hause so ängstlich vermeidet, einen Zusammenhang zwischen diesem Gesetz und den sozialen Ausgaben des Bundes zuzugestehen. Warum soll es denn eine Schande sein, vor dem deutschen Volke zu gestehen, daß der Bundestag es als seine Pflicht betrachtet, von dem deutschen Volke die Beiträge zur Erfüllung der sozialen Aufgaben einschließlich der Aufgaben für die Kriegsversehrten zu verlangen?
({1})
Was ist dagegen zu sagen? Es ist doch ganz selbstverständlich, daß wir diese Ausgaben aufbringen müssen. Hätten wir nicht für die anderen Aufgaben so und soviel verbraucht, dann wäre eine solche Deckung für die Kriegsversehrtenversorgung allein nicht notwendig gewesen. Aber weil wir schon für andere Aufgaben so viel verbraucht haben und noch verbrauchen müssen, darum müssen wir uns an das deutsche Volk wenden und müssen das deutsche Volk um seinen Beitrag zur Erfüllung neuer Aufgaben bitten.
Ich weiß auch nicht, warum man einen Vorwurf erheben will, wenn die Bundesregierung aus den Einnahmequellen, die das Grundgesetz zur Verfügung steilt, eine Erhöhung vorschlägt. Ich weiß nicht, warum man mit dem Vorwurf kommt, daß das immer eine Belastung der Allgemeinheit, eine indirekte Steuer sei.
({2})
Ja, meine Herren, dann hätte das Grundgesetz anders gestaltet werden müssen.
({3})
Sie haben im Grundgesetz dem Bund letzten Endes nur indirekte Steuern zugemessen, und nun wollen Sie dem Mann, der das Grundgesetz zu vollziehen hat - und auch Sie haben es zu vollziehen - einen Vorwurf machen, wenn er sich an die Steuerverteilung hält. Sie wollen mir nicht zugeben, daß, wenn ich aus diesem Anlaß eine Änderung des Grundgesetzes anstreben würde, inzwischen die Finanzen des Bundes zusammengebrochen wären und die sozialen Aufgaben nicht mehr hätten erfüllt werden können. Ich kann mich
nur im Rahmen des Möglichen und im Rahmen des Tatsächlichen bewegen. Möglich ist d a s , was mir das Grundgesetz erlaubt, und tatsächlich sind die Verhältnisse, wie sie in unserer Finanzwirtschaft eben nach dem Grundgesetz geschaffen worden sind. Ehern ist für mich der Zwang, keine inflatorische Politik zu treiben,
({4})
sondern die Ausgaben, die wir leisten müssen, aus den laufenden Einnahmen zu decken.
Wenn ich das weiß - und jeder im Hause wird mir darin zustimmen -, wenn ich eine inflatorische Politik nicht betreiben will, dann weiß auch jeder ganz genau, daß man die Wahl zu treffen hat, ob man die Zukunft belastet oder die Gegenwart. Wenn man diese Wahl getroffen hat und keine Inflationspolitik betreiben will, dann ist es klar, daß man an eine Konsumeinschränkung irgendwie herangehen muß. Tertium non datur; einen dritten Weg gibt es nicht. Wenn Sie sich heute in der ganzen Welt umsehen - ist denn Deutschland das einzige Land, in dem man über die Schaffung neuer Einnahmen spricht? Sind nicht die reichsten Länder der Erde diejenigen, die zuerst an die Schaffung neuer Einnahmen herantreten müssen, um das Leben ihrer Nation zu gewährleisten?
({5}) Letzten Endes ist ,das auch bei uns die Aufgabe, die hinter allem steht.
Ich bitte dabei aber, die Dinge wirklich nicht zu übersteigern. Wenn z. B. hier gesagt wurde, daß der Wohnungsbau durch die Besteuerung von Bitumen oder Teeröl verteuert würde, so kann ich dazu nur folgendes sagen: Wir haben ausgerechnet, daß diese Verteuerung bei einem Hausbau nur mit 3 DM zu berechnen ist, die sich aus der Steuer für Teer und Bitumen ergibt. Also von einer Verteuerung des Wohnungsbaus kann keine Rede sein. Ich bitte, doch die Kirche im Dorf zu lassen.
Ich bitte, mir auch keinen Vorwurf daraus zu machen, wenn ich lediglich um der Wahrheit willen feststelle, daß die Leute aus den Wirtschaftskreisen, die mit mir gesprochen haben, ohne weiteres zugaben, daß diese Steuer in der Gesamtsituation notwendig ist und daß augenblicklich zur Abgleichung des Haushalts wohl ein besserer Weg nicht gefunden werden könnte, sie jedenfalls keinen anderen Weg vorschlagen könnten, und sie ehrlich genug gewesen sind zu sagen: Wenn ich keinen anderen Weg weiß, dann muß ich um der Gesamtheit willen den vorgeschlagenen Weg wählen. Daß sie dabei noch Wünsche haben, ist selbstverständlich und habe ich erwähnt. Aber es scheint mir fast, als ob man in diesem Hause verwundert wäre, daß auch Wirtschaftsverbände ein Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit haben. Ich freue mich, wenn Wirtschaftsverbände Lasten auf sich nehmen um der Allgemeinheit willen, und ich bin doppelt bereit, ihren Wünschen, die sie daneben vortragen, ein Ohr zu schenken, wenn ich erkannt habe, daß hier Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Allgemeinheit lebendig ist.
({6})
- Ich spreche von den Herren aus den Wirtschaftsverbänden, mit denen ich gesprochen habe, und es waren maßgebende Herren dieser Wirtschaftskreise.
({7})
Aber es scheint, als ob es in diesem Hause unerwünscht klänge, wenn Wirtschaftsverbände die Not({8})
wendigkeit zugeben, für die Allgemeinheit Lasten zu übernehmen.
Ich möchte aber nur noch einen Gesichtspunkt - und nur deswegen habe ich das Wort ergriffen - hervorheben. Es wird davon geredet, dieses Gesetz müsse lange beraten werden, und wir müßten uns viel Zeit lassen. Meine Damen und Herren, ich muß Sie dringend bitten, dieses Gesetz zwar intensiv, aber ohne unnötigen Zeitverlust zu beraten. Denn es ist die einzige Quelle, die in diesem Haushaltsjahr noch fließen kann und infolgedessen die einzige Quelle, die zur Abgleichung dieses Haushalts zur Verfügung steht. Alles andere, was hier erwähnt worden ist, sind ja Gedanken, die letzten Endes nicht neu sind und die in den letzten Wochen in der Presse immer als Gedanken des Bundesfinanzministeriums ausgesprochen worden sind, Einkommensteuerreform etc. etc. Ich stelle also mit Befriedigung fest, daß diese Gedanken einen fruchtbaren Boden zu finden scheinen.
({9})
Aber ich muß sagen, es ist unmöglich, heute zu verlangen, daß der Bundesminister der Finanzen Ihnen ein neues Steuerprogramm entwickelt. Er wäre der törichtste aller Menschen, wenn er das tun würde, denn er kennt ja nur einen Teil der neuen Aufwendungen, die das neue Haushaltsjahr an ihn herantragen wird. Er kann ungefähr berechnen, was die neuen sozialen Aufwendungen des nächsten Jahres als Mehr bringen werden. Er hat diese Ziffer auch schon genannt. Diese Ziffer allein würde ausreichen, um mit Sorgen an das nächste Haushaltsjahr zu denken und daran zu denken, daß das nächste Haushaltsjahr das Bundesministerium der Finanzen und die Bundesregierung vor große Aufgaben stellt und vom Deutschen Bundestag ein großes Verantwortungsgefühl gegenüber der Allgemeinheit fordert. Aber heute Ziffern zu nennen, um vielleicht Ansprüche, die an das deutsche Volk herangetragen werden, die noch gar nicht genannt und noch gar nicht bekannt sind, zu steigern und ihnen noch einen Boden zu geben, das wäre das Törichtste, was ein Bundesminister der Finanzen tun könnte. Ich bitte, die rechte Zeit abzuwarten. Der Bundesminister der Finanzen wird über die neuen Aufgaben des neuen Jahres zur rechten Stunde mit Ihnen sprechen.
({10})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 1680. Da ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß sowie weiterhin an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Verkehrswesen beantragt. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir stimmen dann über den Antrag Drucksache Nr. 1688 ab. Da ist die Überweisung in gleicher Weise beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 5 der Tagesordnung: Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Etzel ({0}), Dr. Preusker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der
Geltungsdauer von Anordnungen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft ({1}) ({2}).
Das Wort hat zur Begründung Herr Abgeordneter Etzel.
Etzel ({3}) ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1690 betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer von Anordnungen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft, das sogenannte Verlängerungsgesetz, ist ein vorsorgliches Gesetz. Die Bundesregierung hat mit Drucksache Nr. 1510 dem Bundestag das Gesetz für Sicherungsund Überleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft vorgelegt. Diese Vorlage trägt das Datum vom 26. Oktober 1950. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich mit dem Gesetz befaßt und hat Ihnen mit der Drucksache Nr. 1679 seine Ausarbeitung vorgelegt. Ich bin nicht ganz sicher, ob das Gesetz am heutigen Tage zur Verhandlung kommt. Sicher ist aber, daß das Gesetz vor dem 1. Januar 1951 keine Rechtswirksamkeit erlangen wird. Es ist daher notwendig, auf einigen wichtigen Gebieten den derzeitigen Zustand, nämlich auf dem Gebiete der Bewirtschaftung von Mineralöl, der Bewirtschaftung von Edelmetallen zur Sicherung der Ansprüche der Besatzungsmächte, bis zum Erlaß dieses neuen Gesetzes fortzuführen. Ich bitte daher, meinem Antrag stattzugeben.
Meine Damen und Herren, das Wort zur ersten Beratung wird nicht weiter gewünscht. Damit ist die erste Beratung geschlossen.
Wir treten in die
zweite Beratung
ein. Ich rufe auf: § 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den vorhin aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung -und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Wir kommen nun zur
dritten Beratung.
Das Wort zur Aussprache ist nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen wenige Enthaltungen in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Deutscher Bundestag
Arndgen ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die in der 103. Sitzung des Bundestages eingebrachte Drucksache Nr. 1480, Entwurf eines Gesetzes über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen, hat sich der Ausschuß für Sozialpolitik eingehend berichten lassen.
Da der Herr Bundesarbeitsminister bei der Einbringung des Gesetzes den Inhalt des Allgemeinen Abkommens wie auch den der vier Zusatzvereinbarungen und der drei Protokolle behandelt hat und da Ihnen die Drucksache Nr. 1480 vorliegt, würde es heute eine Wiederholung sein, wenn ich nochmals auf die Bestimmungen dieser Vereinbarungen einginge. Der genaue Einblick in die Abmachungsbestimmungen hat im Ausschuß zu der Auffassung geführt, daß neben den Wirtschaftsverträgen, die sich mit den internationalen Wirtschaftsbeziehungen und mit dem Zahlungsverkehr beschäftigen, auch die sozialen Abkommen für die arbeitende Bevölkerung, die zwischen den einzelnen Ländern abgeschlossen werden, Grundpfeiler für den europäischen Zusammenschluß bilden.
Mit aus diesem Grunde war der Ausschuß für Sozialpolitik einmütig der Meinung, daß dem Abkommenswerk mit Frankreich zugestimmt werden müsse.
Der Ausschuß hat ferner beschlossen, den Gesetzentwurf, durch den der Bundestag seine Zustimmung zum Ausdruck bringt, zur Annahme zu empfehlen. Der Sozialpolitische Ausschuß hat diesen Beschluß gefaßt, da das Abkommen in seiner Gesamtheit sowohl vom allgemeinpolitischen Standpunkt als auch aus sozialen Gründen begrüßt werden kann. Wenn auch die eine oder andere Bestimmung, insbesondere in der Krankenversicherung, auch in der Invalidenversicherung, zu gewissen Bedenken Anlaß gibt, so war der Ausschuß doch der Meinung, daß das deutsche Parlament dem Abkommen die Zustimmung nicht versagen könne. Dies gilt um so mehr, als durch die vierte Zusatzvereinbarung zu dem Abkommen im Bereich der Sozialversicherung gewissermaßen eine Liquidierung der Kriegszeit und der unmittelbaren Nachkriegszeit zu erblicken ist.
Die französische Regierung hat durch die Übernahme der Ansprüche, die französische Arbeitnehmer während des Krieges in Deutschland erworben haben, eine anerkennenswerte Großmütigkeit bewiesen. Andererseits muß auch der Bundesregierung bescheinigt werden, daß sie durch den Abschluß dieses Abkommens unter Zurückstellung gewisser Bedenken grundsätzlicher Art bestrebt war, einen wertvollen Baustein in die deutschfranzösischen Beziehungen einzubauen.
Einen Wunsch hat der Sozialpolitische Ausschuß an die Bundesregierung, nämlich zu überprüfen, ob nicht schon während der Vertragsverhandlungen der Ausschuß für Sozialpolitik über den jeweiligen Stand der Beratungen ins Bild gesetzt werden kann. Der Ausschuß ist der Meinung, daß eine solche Praxis geübt werden müsse, da solche internationalen Abkommen nur in ihrer Gesamtheit abgelehnt oder angenommen werden können.
Im übrigen ist, wie schon erwähnt, der Ausschuß der Auffassung, daß, nachdem die Hohe Alliierte Kommission dem Abkommen bereits zugestimmt und auch der Deutsche Bundesrat keine Bedenken erhoben hat, zu empfehlen, dem Abkommen zuzustimmen. Sollte sich im Laufe der Zeit durch Erfahrungen erweisen, daß die eine oder andere Bestimmung geändert werden muß, so besteht dazu leicht die Möglichkeit, weil das Abkommen zunächst nur auf ein Jahr befristet ist und sich nur dann stillschweigend verlängert, wenn es nicht fristgemäß gekündigt wird.
Als Berichterstatter des Ausschusses würde ich es daher begrüßen, wenn es der Bundesregierung gelänge, mit der französischen Regierung möglichst bald zu einer Verständigung über einen nahen Zeitpunkt des Inkrafttretens zu gelangen. Hierfür ist allerdings Voraussetzung, daß auch die französischen gesetzgebenden Körperschaften das Abkommen möglichst bald ratifizieren. Der Antrag des Ausschusses für Sozialpolitik, niedergelegt in der Drucksache Nr. 1649, hat folgenden Wortlaut:
Der Bundestag wolle beschließen, dem Entwurf
eines Gesetzes über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei
Protokollen unverändert nach der Vorlage
zuzustimmen.
Diesem Antrag, meine Damen und Herren, bitte ich zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat bat für diesen Gegenstand keine Aussprache vorgesehen. Da Wortmeldungen nicht eingegangen sind, schließe ich die Debatte zur zweiten Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf: Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln des Gesetzes zustimmen, die Hand zu erheben. - Bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz über das Allgemeine Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Soziale Sicherheit nebst vier Zusatzvereinbarungen und drei Protokollen zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe nun Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Anwerbung von deutschen Arbeitskräften für Frankreich vom 10. Juli 1950 ({0}). Mündlicher Bericht ,des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Ludwig.
Ludwig ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 24. November 1950 befaßte sich der Ausschuß mit der Drucksache Nr. 1481 betreffend Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Anwerbung von deutschen Arbeitskräften für Frankreich vom 10. Juli 1950. Die Begründung und Erläuterung erfolgte in der 103. Sitzung durch den Herrn Arbeitsminister. Nach einem übersicht({4})
lichen Bericht über den Verlauf der Verhandlungen und über den Sinn der einzelnen Bestimmungen wurde das Abkommen als ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Zustand anerkannt. Dabei wurde besonders betont, daß es zweisprachig abgefaßt werden konnte.
Es wurde im Ausschuß der Wunsch geäußert, zu überlegen, in welcher Weise der Ausschuß in Zukunft vor solchen Abschlüssen informiert werden kann, damit noch Wünsche und Anregungen vorgebracht werden können. Da Änderungen nicht vorgeschlagen wurden, empfiehlt der Ausschuß die Zustimmung in der vorliegenden Fassung.
({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Entsprechend der Voraussicht des Ältestenrats liegen Wortmeldungen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich rufe auf: Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, -Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den eben aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift des vorliegenden Gesetzentwurfs zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der Fassung, wie sie in der zweiten Beratung angenommen worden ist, zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 13 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über Gastarbeitnehmer vom
10. Juli 1950 ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
Zur Berichterstattung hat das Wort der Herr Abgeordnete Ludwig.
Ludwig ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die Vereinbarung vom 10. Juli zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich über die Beschäftigung von 1000 Gastarbeitern in den beiden Ländern wurde am 24. 11. 50 vom Ausschuß für Arbeit behandelt. Auch hier wurde in der 10. Sitzung vom Herrn Arbeitsminister die eingehende Begründung und Erläuterung gegeben. Die Vereinbarung lehnt sich an eine frühere Regelung ähnlicher Art, bei der nur 500 Gastarbeiter gegenseitig zugelassen waren, an. Änderungen wurden auch hier im Ausschuß nicht in Vorschlag gebracht, so daß er die Annahme in der vorliegenden Fassung empfiehlt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst habe ich eine Druckfehlerberichtigung vorzunehmen. In
Art. 1 muß es in der dritten Zeile von oben statt ,, Gastarbeiter" „Gastarbeitnehmer" heißen. Ich rufe nun auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe nun auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Fassung der zweiten Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe nun, nachdem Punkt 14 bereits heute vormittag erledigt worden ist,. Punkt 15 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes ({0}) in Verbindung mit dem mündlichen Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Rademacher ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! In Verhinderung meines Kollegen Rümmele habe ich die Berichterstattung zum Entwurf eines Allgemeinen Eisenbahngesetzes übernommen. Die Notwendigkeit, ein Allgemeines Eisenbahngesetz zu schaffen, ist bereits in der ersten Lesung zum Ausdruck gekommen. Sie ist außerdem in der Begründung des Regierungsentwurfs vorzüglich dargestellt. Die Zuständigkeit ergibt sich aus den betreffenden Artikeln des Grundgesetzes. Ich darf nochmals aus der Begründung darauf hinweisen, daß das Allgemeine Eisenbahngesetz die Materie nicht erschöpfend behandelt, dagegen den Ländern einen weiten Spielraum läßt, also nur das Notwendige regelt, das unbedingt geregelt werden muß.
Der Ausschuß hat sich bei der Behandlung der einzelnen Paragraphen auch mit den Gegenvorschlägen des Bundesrats befaßt, der aus dem § 1 die Formulierung „im Einverständnis mit dem Bundesminister für Verkehr" herausgenommen haben wollte. Eine solche Herausnahme bei der Definierung von Straßenbahnen und ähnlichen Bahnen - Bergbahnen und sonstigen Bahnen besonderer Bauart - hätte aber die Gefahr der Zersplitterung in sich, und da das gesamte Eisenbahnwesen technisch und verkehrspolitisch eine einheitliche Angelegenheit ist; hat der Ausschuß für Verkehrswesen beschlossen, bei der ursprünglichen Fassung des § 1 zu bleiben.
Bei § 2 ist er dem Wunsch des Bundesrats insofern entgegengekommen, als er aus dem „Einvernehmen" des Bundesministers für Verkehr „Benehmen" gemacht hat, weil ja die Frage, was ein öffentlicher Verkehr - sowohl beim Gütertransport als auch beim Personentransport - ist, von vornherein absolut feststeht.
Im § 3, wo die Rechtsverordnungen über Bau, Betrieb und Verkehr behandelt werden, hat der Ausschuß für Verkehrswesen auf Vorschlag der Bundesregierung den Wunsch des Bundesrats berücksichtigt, hier die Formulierung „mit Zustimmung des Bundesrats" hereinzunehmen.
({3})
Im § 4 werden Ausbau und Ergänzung des Eisenbahnnetzes behandelt. Dort ist im Abs. 2 ursprünglich vorgesehen, daß die Bundesbahn Einspruch erheben kann, wenn ein Privatunternehmen irgendeine Strecke betreiben will. Uns, den Kollegen des Ausschusses, schien es notwendig, hier einzufügen „innerhalb eines angemessenen Zeitraums". Das ist zwar auch eine etwas dehnbare Angelegenheit, aber es wird doch zum mindesten der Bundesbahn und dem Bundesverkehrsministerium auferlegt, innerhalb einer angemessenen Zeit zu erklären, ob sie an dieser Strecke selbst Interesse haben oder nicht.
Schließlich haben wir uns noch sehr eingehend mit dem § 9 befassen müssen. § 9 betrifft die Übergangsbestimmungen und geht dabei auf die verschiedenen Eisenbahn-Bau- und -Betriebsordnungen ein. Dort hieß es ursprünglich: „Die Bundesbahn wird vorn Bundesminister für Verkehr beaufsichtigt. Er kann bestimmte Aufgaben der Aufsicht auf die Leiter der Eisenbahndirektionen usw. übertragen." Es schien uns, als ob diese Fassung im Eisenbahn-Bau- und -Betriebsordnungsgesetz ein gewisses Präjudiz für die Stellung des Bundesverkehrsministers gegenüber der Bundesbahn darstellen könnte. Wir haben daher beschlossen, unter ,,Aufsichtsbehörden" des § 4 dieser Verordnungen zu sagen: „Die Deutsche Bundesbahn wird hinsichtlich der Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und -Betriebsordnung, der Eisenbahnsignalordnung usw. vom Bundesminister für Verkehr beaufsichtigt." Es ist also nochmals ausdrücklich gesagt worden, welche Funktionen der Bundesverkehrsminister im Rahmen dieser Eisenbahn-Bau- und -Betriebsordnung hat.
Ich muß dann noch einmal auf den § 2 zurückkommen. Da hat der Bundesrat nachträglich den Wunsch angemeldet, daß es in § 2 Abs. 2 heißen soll:
Die Entscheidung darüber, ob eine nicht zu den Bundesbahnen gehörende Eisenbahn dem öffentlichen Verkehr dient . . .
Es ist also noch einmal ausdrücklich eingefügt worden: „ob eine ,nicht zu den Bundesbahnen gehörende' Eisenbahn ...". Meine Damen und Herren, nach Abstimmung mit dem Ministerium für Verkehr wäre nichts dagegen einzuwenden, sondern es wäre sogar zu begrüßen, wenn diese klare Definition gewählt würde. Ich darf, Herr Präsident, das Schreiben des Bundesrates, das diese Änderung enthält, Ihnen zur Abstimmung mit überreichen.
Damit hätte ich meine Berichterstattung beendet. Da sich diese Berichterstattung im wesentlichen mit der Auffassung meiner Fraktionsfreunde - bis auf zwei geringfügige Unterschiede - deckt, darf ich vielleicht, Herr Präsident, zur Vereinfachung des Verfahrens einen Abänderungsantrag, der Ihnen im Umdruck vorliegt, gleichzeitig für meine Fraktion mit begründen. Es handelt sich um den § 6, wo es ursprünglich geheißen hat:
Ziel der Tarifpolitik der öffentlichen Eisenbahnen ist, gleichmäßige und niedrige Tarife für alle Eisenbahnen zu schaffen ...
Unter dem Begriff „niedrig" können wir uns wenig vorstellen. Wir schlagen daher vor, daß statt des Wortes „niedrige" gewählt wird „volkswirtschaftlich vertretbare Tarife". Denn in der
Fortsetzung des § 6 ist ja noch einmal begründet worden, daß die wirschaftlichen Notwendigkeiten der Eisenbahnen selbst zu berücksichtigen sind.
Nun muß ich allerdings sagen, daß der Ihnen vorliegende Abänderungsantrag nach Abstimmung mit dem Bundesverkehrsministerium noch eine kleine Änderung erfahren muß: „einheitlich" ist auch nicht ein ganz klarer Ausdruck; dort möchten wir also auf den ursprünglich vorgesehenen Begriff „gleichmäßig" zurückgreifen, und statt „niedrige" sagen wir dann „volkswirtschaftlich vertretbare".
Bei § 8 sind wir der Meinung, daß man bei diesem Hauptparagraphen des Gesetzes, der weit über dieses Gesetz hinausgeht und die Stellung des Herrn Bundesverkehrsministers einmalig festlegt - nämlich seine Aufgabe, die Interessen der verschiedenen Verkehrsträger aufeinander abzustimmen -, wenn man von Leistungen spricht, nach unserer Auffassung selbstverständlich gleichzeitig von Entgelten sprechen muß. Diese eine nachträgliche kleine Änderung, Herr Präsident, ergibt sich aus diesem Antrag hier.
Damit, meine Damen und Herren, darf ich Sie im Auftrage des Ausschusses für Verkehrswesen bitten, dem Gesetz in der zweiten und dritten Lesung zuzustimmen. Wir haben dann einen weiteren erheblichen Schritt auf dem Gebiete der Ordnung des Verkehrs, insbesondere auf dem Gebiete der Ordnung des Eisenbahnwesens getan, und ich hoffe, daß das Bundesbahngesetz so schnell wie möglich folgen kann.
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter.
Für die Aussprache hatte der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen; ich glaube aber, wir brauchen davon keinen Gebrauch zu machen, da Wortmeldungen nicht eingegangen sind.
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter Harig! ({1})
- Dann, meine Damen und Herren, da die Aussprache beginnt, nehme ich Ihre Zustimmung zu dieser Festsetzung der Redezeit an.
({2}) - Wollen Sie Einzelberatung?
({3})
- Dann, meine Damen und Herren, glaube ich, ist es das beste, daß wir von einer Generalaussprache absehen und gleich in die Einzelberatung eintreten.
Ich rufe also zunächst § 1 auf. Wünschen Sie dazu das Wort, Herr Abgeordneter Harig?
({4})
- Zu § 1 wird das Wort nicht gewünscht.
§ 2. Wortmeldungen? - Zu § 2 keine Wortmeldungen.
§ 3. Herr Abgeordneter Harig
({5})
und Herr Abgeordneter Ewers.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur ganz wenige Bemerkungen, die zugleich unseren Standpunkt kennzeichnen
({0})
sollen, wie wir ihn bei einer sich hier erübrigenden Generaldebatte dargelegt hätten.
Wir sind der Meinung, daß der Bundestag Ermächtigungen, wie sie § 3 vorsieht, nicht aus der Hand geben sollte. Wir sind der Meinung, daß diese Dinge dem Plenum des Bundestags überlassen bleiben sollten. Die Ermächtigungen, die hier Abs. 1 des § 3 der Bundesregierung erteilt, werden im Abs. 2 auf eine einzelne Person, auf den Bundesverkehrsminister, abgestellt. Wir glauben, die in dem Katalog angegebenen Befugnisse sind zu wichtig, als daß man sie nicht der Entscheidung einer einzelnen Person überlassen könnte. Da heißt es zum Beispiel: „einheitliche Vorschriften für die Beförderung der Personen und Güter" sind zu erlassen. Man kann das nicht. Es handelt sich hier um Tarife bei der Eisenbahn, und da kann man die Entscheidung über die Höhe der Tarife nicht in die Hand einer einzelnen Person legen. Man kann das nicht, weil es für das Preisgefüge des ganzen Bundesgebiets nachteilige Folgen haben kann.
Wir sind, ohne auf die anderen Dinge einzugehen, der Meinung, man kann der Vorlage in dieser Fassung nicht zustimmen. Man sollte den Entwurf wieder in den Ausschuß zurückverweisen und dort die notwendigen Korrekturen vornehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Darf ich dem Herrn Vorredner nur kurz erwidern: Die Maßnahmen nach § 3 sind stets im Verordnungswege getroffen worden. Sie müssen auf Zeit und Umstände abgestellt und daher variabel sein. Zum anderen bestimmt das nicht eine einzelne Person, sondern die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats. Ich glaube also, man kann von diesem altüberkommenen Brauch nicht abweichen.
Ich habe für meine Fraktion zu § 3 Abs. 1 Buchstabe c einen kurzen Zusatzantrag eingereicht, den ich mit wenigen Worten begründen möchte. Im § 3 sind bekanntlich ,diejenigen Materien aufgezählt, die durch Rechtsverordnung der Bundesregierung einzelnen Bahnen auferlegt werden können und, wie gesagt, auch auferlegt werden müssen. Solche Verordnungen hat es immer gegeben. Zur Zeit gilt z. B. noch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 18. Juli 1938, die nur in einigen Punkten überholungsbedürftig ist.
In § 3 Abs. 1 Buchstabe c - auf diese Bestimmung bitte ich zu achten - heißt es, daß die Regierung ermächtigt wird, Verordnungen zum Schutz der Anlagen und des Betriebs der Bahn gegen Störungen und Schäden zu erlassen. Also die Bahn soll sich durch geeignete Anlagen selbst vor Störungen und Schäden schützen. Die bisherigen Eisenbahnbetriebsordnungen enthielten immer aber auch Bestimmungen, durch die Dritte, also zum Beispiel Leute, die in der freien Natur spazierengehen, geschützt werden. Wir haben weniger diese Spaziergänger als etwa in Schleswig-Holstein und Hannover die Anlieger der Bahn im Auge, insbesondere also die Landleute und die Waldbesitzer. Da hat es schon wiederholt Schwierigkeiten gegeben: Vieh kam mangels hinreichender Einzäunungen auf den Bahnkörper und verunglückte auf dem Eisenbahndamm. Es gibt heute keinen Rechtsanspruch und es wird auch in Zukunft keinen geben, wenn es bei c) bleibt.
Denn der Schutz gilt ja nur der Eisenbahn und ihren Anlagen. Wir möchten ihn durch Einfügung folgender Worte auf die Anlieger ausdehnen:
und zum Schutze forst- und landwirtschaftlicher Anlieger.
Der Buchstabe c) würde dann lauten:
die notwendigen Vorschriften zum Schutze der Anlagen und des Betriebs der Eisenbahn wegen Störungen und Schäden und zum Schutze landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Anlieger enthalten.
Diese Ergänzung halten wir für notwendig, ,weil es nämlich insbesondere beim Neubau, aber auch bei der Unterhalung einer Bahn auf folgende Vorkehrungen ankommt: erstens natürlich auf die Einfriedigung, zweitens - bei Weideland außerordentlich wesentlich! - auf die Wasserhaltung, drittens auf die Überquerungsmöglichkeiten. Diese Anlagen, die ja durch einen Bahndamm in Mitleidenschaft gezogen werden, müssen vom Standpunkt der Bahn aus dauernd überwacht werden, da der Anlieger - natürlich nur der land- und forstwirtschaftliche Anlieger - vor Schäden geschützt sein muß. Das ist ein landwirtschaftliches Anliegen. Für mich ist es aber auch ein rechtliches Anliegen; denn wenn wir ein solches Schutzgesetz schaffen, müssen wir den § 823 Abs. 2 des BGB berücksichtigen: „Wer gegen ein Schutzgesetz verstößt, ist zum Schadenersatz verpflichtet.". Deswegen ist die Frage, ob wir die Ermächtigung zu einem solchen Schutzgesetz geben, sehr wichtig. Inwieweit das Kabinett und der Bundesrat von der Ermächtigung Gebrauch machen, ist eine Sache für sich. Wir möchten sie heute nur ermächtigen, bei der Betriebsordnung nicht an die Bedürfnisse der Eisenbahn allein, sondern entsprechend dem Geiste des Reichshaftpflichtgesetzes daran zu denken, daß die Eisenbahn für jeden Dritten ein gefährliches Ungeheuer ist. Denn die Anlieger müssen auch geschützt werden. Daher die Ergänzung.
Ich bitte, dem Antrag, der dem Herrn Präsidenten vorliegt, Ihre Zustimmung zu geben. Es handelt sich nur um die Einfügung weniger, aber entscheidender Worte im § 3 Buchstabe c.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schlage Ihnen im Interesse der Übersichtlichkeit vor, immer gleich über die besprochenen Paragraphen abzustimmen. - Sie sind damit einverstanden.
Ich rufe also zunächst § 1 auf. Dazu hatten wir keine Debatte. Ich bitte diejenigen, die § 1 zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. § 1 ist angenommen.
Zu § 2 wurde von dem Herrn Berichterstatter ein Antrag des Bundesrats aufgenommen, dem Abs. 2 des § 2 folgende Fassung zu geben:
Die Entscheidung darüber, ob eine nicht zu den Bundesbahnen gehörende Eisenbahn dem öffentlichen Verkehr dient, oder ob sie die Eigenschaft als Eisenbahn des öffentlichen Verkehrs verloren hat, treffen die beteiligten obersten Landesverkehrsbehörden im Benehmen mit dem Bundesminister für Verkehr.
Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war zweifellos die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
({0})
Ich bitte diejenigen, die dem § 2 in der jetzt beschlossenen abgeänderten Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den § 3. Hierzu liegt zum Abschnitt c der Antrag vor, den der Herr Abgeordnete Dr. Ewers soeben begründet hat. Abschnitt c soll folgende Fassung erhalten:
c) die notwendigen Vorschriften zum Schutze der Anlagen und des Betriebs der Eisenbahnen gegen Störungen und Schäden und zum Schutz landwirtschaftlicher oder forstwirtschaftlicher Anlieger enthalten,
Ich bitte diejenigen, die diesem Abänderungsantrage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere war zweifellos die Mehrheit. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 3 in der Fassung des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. § 3 ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nunmehr § 4 auf. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme des § 4 sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 4 ist angenommen.
Wir kommen zu § 5. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist. geschlossen. Ich bitte diejenigen, die § 5 zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. § 5 ist angenommen.
Zu § 6 liegt ein Abänderungsantrag der Abgeordneten Rademacher und Genossen auf Umdruck Nr. 40 vor. Hierzu ist vom Antragsteller eine textliche Änderung vorgenommen worden. Er wünschte, in der Ziffer 1 seines Abänderungsantrages zu § 6 Abs. 1 statt „einheitlich" „gleichmäßig" zu sagen.
({1})
Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag des Antragstellers in der abgeänderten Form zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Abänderungsantrag ist einstimmig angenommen.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 6 in der abgeänderten Form zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe § 7 auf. Wortmeldungen liegen nicht vor; die Beratung ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem § 7 ihre Zustimmung geben, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. § 7 ist angenommen.
Ich rufe § 8 auf. Wortmeldungen liegen nicht vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen zunächst über einen Abänderungsantrag zu § 8 ab, der in Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 40 enthalten ist. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem § 8 in der abgeänderten Form zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; er ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr § 9, Einleitung und Überschrift auf. Ich bitte diejenigen, die § 9, Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind so beschlossen.
Ich rufe jetzt zur
dritten Beratung
auf. Dazu ist ein Antrag .des Herrn Abgeordneten
Harig auf Zurückverweisung in den Ausschuß zu
berücksichtigen. Ich bitte diejenigen, die der Rückverweisung in den Ausschuß zustimmen, die Hand
zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({2})
Dieser Antrag ist zweifellos mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die der Vorlage in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung zustimmen, die hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Vorlage ist in dritter Beratung gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf:
a) Fortsetzung der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs eines Preisgesetzes ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({4}) ({5});
({6});
b) Beratung der Interpellation der Fraktion des Zentrums, der Bayernpartei und der WAV betr. Preissteigerung ({7}).
Die Berichterstattung ist schon erfolgt. Wir treten in die Aussprache ein.
Meine Damen und Herren, bis die Wortmeldungen eingegangen sind, darf ich einige Mitteilungen machen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen bittet um Bekanntgabe, daß heute abend 19 Uhr 30 im Zimmer 104 ({8}) eine Sitzung des Finanzausschusses stattfindet.
Außerdem bittet das Tagungsbüro die Damen und Herren um Mitteilung, ob sie die für sie eingehende Post nachgeschickt erhalten wollen.
Ehe wir in die Aussprache zum Preisgesetz eintreten, darf ich zunächst dem Antragsteller zu Punkt 16b das Wort zur Begründung erteilen.
Dr. Bertram ({9}), Antragsteller: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wo stehen wir preispolitisch? Die Preise sind seit dem Datum unserer Interpellationen auf vielen Gebieten weiter gestiegen. Die Preise für Lebensmittel sind zwar im allgemeinen stabil geblieben. Der Index ist im Laufe des letzten Monats und des Vormonats nur geringfügig angestiegen. Kartoffeln sind sogar billiger, aber Schweinefleisch ist erheblich teurer geworden. Der Versuch, die Fleischpreise durch Einfuhr von Rindfleischkonserven zu drücken, muß im wesentlichen als gescheitert angesehen werden. Die Dosen sind kistenweise gehamstert worden, offenbar weil die Verbraucher an eine nachhaltige Senkung der Fleischpreise nicht geglaubt haben.
Die Preise für industrielle Rohstoffe sind dagegen ganz erheblich gestiegen. Vor allem Nichteisenmetalle haben ihren Preisstand gegenüber dem Vorjahr vervielfacht. Kohle und Stahl sind teurer geworden; Gas und Strom, Bahntarife, Benzin und Beförderungsentgelte werden folgen. Der Weltmarktpreisindex für Industrierohstoffe steht auf 474 gegenüber 346 in der gleichen Woche des Vorjahrs. Die Erzeugerpreise für Industrieprodukte haben bisher leicht angezogen, ebenso, wie ich bereits sagte, der Gesamt-Lebenshaltungsindex, obwohl die statistische Situation hier noch verhältnismäßig günstig ist. Wenn man aber von dem soeben veröffentlichten Programm des Wirtschaftspolitischen Ausschusses der Regierungsparteien ausgeht, so sollen auch die Mieten um 20 % teurer
({10})
werden. Die Subventionen sollen fortfallen und - dadurch bedingt - die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse auf den höheren Stand des Auslandes gebracht werden. Durch die Heraufsetzung des Diskontsatzes ist das Geld teurer geworden. Mit einem Wort, eine allgemeine Preissteigerung ist unverkennbar. Die Auswirkungen der Kohle- und der kommenden Mietpreiserhöhung sowie der Lebensmittelpreissteigerung werden sich sehr schnell im Lebenshaltungsindex niederschlagen. Die Auswirkungen der Rohstoffpreissteigerung auf den Weltmärkten werden sich erst nach und nach im Index widerspiegeln.
Die Hoffnung, daß diese Preissteigerung wenigstens teilweise durch die Produktionsverbilligung auf Grund der allgemeinen Produktionsausweitung aufgefangen werden könnte, wird sich kaum erfüllen, nachdem der Produktionsausweitung durch Kohle-, Energie- und Rohstoffmangel Grenzen gesetzt sind.
Daß die Preissteigerung vor allem der Industrierohstoffe sich sehr schnell auch auf das allgemeine Preisniveau auswirken wird, zeigt am deutlichsten bereits der Baumarkt. Hier sind Preissteigerungen für Ziegel, für Dachpfannen, für Bauholz, für Installationsmaterial bereits deutlich zu erkennen. Insgesamt dürfte ja bereits eine 20%ige Erhöhung der Baukosten gegenüber dem Frühjahr dieses Jahres eingetreten sein. Die Finanzierung vieler Bauten ist dadurch in Frage gestellt. Der zusätzliche Kapitalbedarf, der für die Restfinanzierung notwendig ist und der noch nicht gedeckt ist, dürfte mehrere Hundert Millionen für das Bundesgebiet betragen.
Als Ursachen der Preissteigerung wurden zunächst Spekulation, Hortungskäufe, mangelnde Preisdisziplin, Preistreiberei beim Erzeuger - so das Landwirtschaftsministerium - und überhöhte Handelsspannen angegeben. Diese Gründe können jedoch für sich allein als durchschlagend nicht anerkannt werden. Das Bundeswirtschaftsministerium beispielsweise hat gegenüber einer Verlautbarung des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärt, es sei unbillig, vom Verkäufer zu verlangen, er solle Produkte billiger abgeben, als er Preise am Markt erzielen könne.
Der Versuch, angeblicher Preistreiberei der Landwirte beim Verkauf von Schlachtschweinen strafrechtlich entgegenzutreten, ist gescheitert, da § 1 des Preistreibereigesetzes voraussetzt, daß die unlautere Ausnutzung einer Mangellage vorliegen muß, um unangemessene Entgelte zu erhalten. Und wem wollen Sie diesen Tatbestand denn nachweisen?
Auch der Hinweis auf angeblich überhöhte Handelsspannen dürfte in dieser Allgemeinheit kaum durchschlagen. Vor allem, welche sogenannten marktkonformen Mittel will denn der Bundeswirtschaftsminister anwenden, um überhöhte Handelsspannen zu reduzieren? Wo bleibt das bis heute erwartete Monopolmißbrauchgesetz?
Daß gewisse Hortungskäufe gemacht worden sind, ist zwar zutreffend. Diese Hortungskäufe sind aber volkswirtschaftlich gesehen, soweit es sich um Rohstoffeinkäufe des Großhandels in den Küstenplätzen gehandelt hat, nützlich gewesen. Wenn die Regierung rechtzeitig in diesem Frühjahr zu den billigeren Weltmarktpreisen eine umfassende Vorratspolitik getrieben hätte, wozu sie von mancher Seite aufgefordert worden ist, dann würde sich die Mangellage bei Zucker, Nichteisenmetallen und Futtermitteln, die wir zur Zeit zu verzeichnen haben, gar nicht erst eingestellt haben.
Die Preisbewegung hat in entscheidender Weise die Finanzierung des Bundesdefizits in diesem Sommer durch Geldschöpfung mit rund 1 1/2 Milliarden ausgelöst. Die erhöhte Umlaufgeschwindigkeit des Geldes in Verbindung mit der Korea-Krise ist natürlich auch von Bedeutung. - Die bisher vorgeschlagenen Mittel der Bundesregierung dürften eine Preisstabilisierung nicht herbeiführen können. Die eingeschlagene Kreditpolitik trifft Einfuhr und Produktion verteuernd, erhöht die Knappheit, wirkt preissteigernd im Inland und stärkt damit die Absatzfähigkeit ausländischer Fertigwaren. Die Forcierung von Rohstoff- und Halbwarenausfuhr verschließt der deutschen verarbeitenden Industrie zahlreiche Möglichkeiten der Ausfuhr von deutschen Fertigwaren. Es ist bisher nicht bekanntgeworden, was die Regierung getan hat oder zu tun gedenkt, um dieser Ausblutung der deutschen Volkswirtschaft entgegenzutreten.
Der wiederholte Appell an die Hohen Kommissare bezüglich des Kohlensektors kam verspätet, nachdem mit Zustimmung des deutschen Vertreters oder der deutschen Vertreter in der Ruhrkohlenbehörde die Exportquoten zu hoch festgesetzt worden waren. Die Mittel für das sogenannte Einfuhrsicherungs-Programm in Höhe von 1,7 bis 2 Milliarden D-Mark sind nicht vorhanden, die Preise auf dem Weltmarkt inzwischen auch erheblich angestiegen. Die Steuerpolitik hat durch die übermäßige Begünstigung der Betriebskapitalbildung und die Entlastung der Körperschaften und Großgewinne die Möglichkeit zu gewissen Spekulationskäufen begünstigt.
Wir wollen mit unserer Interpellation nicht sagen, daß wir unter allen Umständen eine Politik der starren Preisbildung befürworten. Wir sind uns darüber klar, daß die Abhängigkeit Deutschlands vom Weltmarkt eine völlige starre Preisbildung unmöglich macht. Es war seit langem aber jedem Einsichtigen klar, daß die internationale Aufrüstungswelle gewisse Preissteigerungen auch für Deutschland mit sich bringen würde.
Die Regierung hat in einer beschönigenden Propaganda den Ernst der Situation wegzudisputieren versucht. So kommt es, daß in der Bevölkerung eine gewisse Inflationsangst zu bemerken ist, die sachlich nicht gerechtfertigt ist, da unser innerdeutsches Geldwesen intakt ist. Die preissteigernden Einflüsse kommen in ganz überwiegendem Maße vom Weltmarkt her zu uns.
Daß Opfer gebracht werden müssen, daß sie unvermeidlich sind, hätte die Regierung rechtzeitig der Bevölkerung sagen und durch Beweglichkeit jetzt eingetretene starke Verzerrungen und Engpässe rechtzeitig bekämpfen sollen.
Nicht jeder Eingriff gefährdet die Marktwirtschaft. Die Marktwirtschaft wird nur erhalten bleiben, wenn sie in diesen Notzeiten ihre Überlegenheit beweisen kann. Dazu sind Eingriffe und Lenkungsmaßnahmen auf bestimmten Wirtschaftsgebieten unerläßlich. Es sind rechtzeitig Rohstoffeinkäufe zu tätigen. Rechtzeitige Rohstoffeinkäufe zu billigen Preisen sind unterlassen worden. Laufende Einfuhrkontrakte sind durch Restriktionen behindert, und es sind vor allem keine Vorkehrungen getroffen worden, um unvermeidliche Preissteigerungen dadurch sozial tragbar zu machen, daß diejenigen Bevölkerungskreise, die ein besonders geringes Einkommen haben, eine Erhöhung ihrer Bezüge erfahren, als da sind Rentenempfänger, Wohlfahrtsunterstützte, Arbeitslosenunterstützungs- und Arbeitslosenfürsorgeunterstützungsempfänger, aber auch die große Zahl der öffentlichen Bediensteten. Es ist zwar
({11})
richtig, daß der Lohnindex dem Preisindex teilweise nachgefolgt ist; aber all die von mir eben aufgeführten Kategorien von Unterstützungsempfängern liegen mit ihren Unterstützungen auf dem Preisindex von 1938, während der Warenindex um 50 % über dem Index von 1938 liegt. Das heißt also: all diese Bevölkerungsgruppen mußten die Preissteigerung dadurch büßen, daß ihnen ihre Kaufkraft im Verhältnis zu 1938 um ein Drittel weggenommen worden ist.
Wir fragen deshalb die Regierung: wie will sie, wenn sie Änderungen des Preisniveaus nicht verhindern kann, die sozialen Schäden beheben? Ich will keine Einzelbeispiele geben - meine Redezeit erlaubt es mir nicht -, ich kann aber feststellen: die Not ist groß, und die Regierung muß schnell handeln.
({12})
Sie haben die Begründung der Interpellation gehört.
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung war bestrebt, Preise und Löhne möglichst stabil zu halten. Die tatsächlich eingetretene Entwicklung der Lebenshaltungskosten hat den Erfolg dieser Politik bestätigt. Die amtliche Indexziffer der Lebenshaltungskosten auf der Grundlage von 1938 hat sich von 168 im Januar 1949 während des Jahres 1949 im ganzen rückläufig bewegt und im Januar 1950 einen Stand von 154 erreicht. In den bisher vergangenen Monaten des Jahres 1950 hat diese Entwicklung bis auf eine saisonal bedingte Spitze im Mai angehalten. Die gegenwärtige Indexziffer der Lebenshaltungskosten beträgt 150 und liegt damit 18 Punkte unter dem Höchststand nach der Geldreform im Januar 1949 und vier Punkte unter dem Stand zu Anfang dieses Jahres. Die seit Ausbruch der Korea-Krise eingetretenen Preiserhöhungen für Lebensmittel und andere Güter des lebenswichtigen Bedarfs wurden somit durch entsprechende .Senkungen bei anderen Gütern des lebensnotwendigen Bedarfs aufgewogen.
Diese Entwicklung ist eingetreten, obwohl die Weltmarktpreise seit Ausbruch der Korea-Krise im Juni 1950 scharf angezogen haben. Der Index für USA-Rohstoffe stieg von 394,4 seit Mitte Juni 1950 auf 486,8 Ende November 1950, also um über 23 %. Im gleichen Zeitraum ist der deutsche Grundstoffpreisindex von 198 auf 221, d. h. nur um etwas über 10 % gestiegen.
Ich darf dazu anführen, daß der Grundstoffindex für Frankreich im gleichen Zeitraum um 21 % und der Grundstoffindex, also der Preisindex für Grundstoffe, in England um 40 % gestiegen sind.
Die deutschen Grundstoffpreise haben also die steigende Entwicklung der Weltmarktpreise nur teilweise, und zwar im wesentlichen nur insoweit mitgemacht, als eine unmittelbare Weltmarktpreisabhängigkeit besteht. Diese aber ist für Deutschland bekanntlich besonders groß.
Wenn demgegenüber die Lebenshaltungskosten während des gleichen Zeitraums nicht angestiegen sind, so ist damit das Ergebnis erzielt, daß im Schnitt die erhöhten Weltmarktpreise durch Senkung in den Verarbeitungs- und Handelsspannen für die Verbrauchsgüter aufgefangen wurden, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Subventionierung einzelner Nahrungsmittel trotz der beengten Finanzlage des Bundes in begrenztem Umfange fortgesetzt wurde. Insbesondere werden für eingeführtes Getreide weiterhin Subventionen gewährt, um die Lieferung des Konsumbrotes zu dem amtlich festgesetzten Preis zu sichern und bei den im Preis freigegebenen Brotsorten die Preiserhöhungen in erträglichen Grenzen zu halten. Prüfungen meines Ministeriums und der zuständigen Behörden der Länder sowie auch Untersuchungen, die unter Hinzuziehung von Vertretern der Presse angestellt wurden, haben immer wieder ergeben, daß das Konsumbrot entgegen anders lautenden Behauptungen dem Verbraucher in ausreichendem Maße zum Kauf zur Verfügung steht. Nach den letzten Feststellungen hat sich ergeben, daß der Anteil des Konsumbrots am Gesamtbrot-umsatz angestiegen ist und in einzelnen Gebieten über 50 % bis sogar 80 % beträgt.
In Verhandlungen mit der Öl- und Margarineindustrie ist es gelungen, dahin zu wirken, daß trotz gestiegener Weltmarktpreise für Margarinerohstoffe und andere Rohfette die gesetzlich zulässigen Preise für Margarine, Plattenfette und Kunstspeisefette gehalten wurden.
Die Preiserhöhungen auf dem Fleischsektor, insbesondere bei Schlachtschweinen und Schweinefleisch, haben zu einem wesentlichen Teil ihren Grund in einer offenbar durch gesteigerte Kaufkraft erheblich gestiegenen Nachfrage. Dieser erhöhte Bedarf hat dazu geführt, daß selbst bei größerem Marktauftrieb die Preise angezogen haben. Ich habe mich daher um verstärkte Einfuhr von Schlachtvieh und Fleisch bemüht; insbesondere ist es gelungen, eine größere Partie Rindfleischkonserven von 22% Millionen Dosen einzuführen, für welche von meinem Ministerium der Verbraucherpreis von 95 Pfennig für 567 Gramm knochenloses Fleisch festgelegt wurde. Meine Bemühungen um weitere Vieh- und Fleischimporte und um eine größtmögliche Verbilligung des Warenverkehrs vom Importeur bis zum Verbraucher werden fortgesetzt. In Verbindung mit einer festgestellten sehr erweiterten Aufzucht von Schweinen im Inland ist nach Meinung aller Sachverständigen zu erwarten, daß in absehbarer Zeit ein verstärktes Marktangebot zu Preisrückgängen auf dem Vieh- und Fleischmarkt führen wird.
Die im Sommer aufgetretenen Schwierigkeiten auf dem Zuckersektor waren in erster Linie psychologisch bedingt. Durch Angstkäufe im Inland war bei den bei normaler Entwicklung ausreichenden Zuckervorräten eine solche Verknappung eingetreten, daß stellenweise die gesetzlich geregelten Inlandspreise nicht gehalten wurden und die Ware auf den schwarzen Markt wanderte. Von seiten der Preisüberwachung ist sofort dagegen eingeschritten worden. Ferner ist der zu erhöhten Preisen aus dem Ausland hereinkommende Zucker subventioniert worden, so daß nunmehr seit Beginn der Zuckerkampagne im Inland die Zuckerknappheit überwunden ist und damit die Gefahr der Überschreitung der gesetzlichen Zuckerpreise gegenwärtig nicht mehr gegeben ist.
Die Eierpreise haben sich nicht über das saisonbedingte Ausmaß erhöht. Es ist ein üblicher Vorgang, daß die Eierpreise im Herbst anzuziehen beginnen, während sie dann im Frühjahr wieder absinken werden. Sie liegen weit unter den jahreszeitlich entsprechenden Preisen des Vorjahres.
Was die Kartoffelpreise betrifft, so haben eingehende Untersuchungen ergeben, daß sowohl die Erzeuger- wie auch die Verbraucherpreise dieses Jahres im Schnitt um etwa 1 Mark unter den entsprechenden Erzeuger- und Verbraucherpreisen des vergangenen Jahres liegen, wobei allerdings
({0})
gewisse regionale Verschiedenheiten des Vorjahres in diesem Jahre zum Ausgleich gelangt sind.
Im Ergebnis darf festgestellt werden, daß die Bundesregierung ihre Zusage stabiler Lebenshaltungskosten einzuhalten in der Lage war, obwohl die Weltmarktpreise in den letzten 5 Monaten erheblich angestiegen sind.
Die Bemühungen um die Aufrechterhaltung eines angemessenen Preisstandards durch die Anwendung marktkonformer Mittel - insbesondere preisausgleichender Einfuhren - werden fortgesetzt. Auch werden die angelaufenen krediteinschränkenden und kaufkraftbegrenzenden Maßnahmen dazu beitragen, daß die Erhöhung einzelner Grundstoffpreise nicht etwa zum Anlaß genommen wird, weitere über das Ausmaß eingetretener echter Kostensteigerungen hinausgehende Preiserhöhungen vorzunehmen. Um Mißbräuchen vorzubeugen, hat das Kabinett in seiner Sitzung vom 4. Oktober 1950 beschlossen, daß von meinem Hause und von den beteiligten Bundesministerien für Justiz und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die notwendigen Schritte eingeleitet werden, um das Vorgehen der Preisüberwachungsstellen gegen Preistreiberei nach Maßgabe der Bestimmungen des Wirtschaftsstrafgesetzes zu aktivieren.
Insbesondere möchte ich den Ausführungen meines Vorredners noch hinzufügen, daß ich niemals die Auffassung vertreten habe, d e r Preis wäre gerechtfertigt, der sich am Markt aus spekulativen Erwägungen bilden kann und realisierbar ist, sondern umgekehrt: ich habe nachweisbar zu wiederholten Malen auf die höhere Preisdisziplin hingewiesen, um zu erreichen, daß sich die Preiskurve nicht in hektischen Sprüngen entwickelt, sondern organisch.
Bezüglich der Kohle möchte ich folgendes sagen: Es ist billig, nachträglich zu sagen, man habe schon im Frühjahr alle Entwicklungen voraussehen können. Das hat kein Land gekonnt. In der ganzen Welt sind Bewegungen eingetreten, wie wir sie in Deutschland zu verzeichnen haben, und ich kann Ihnen verraten, daß immer mehr europäische Länder an uns herantreten, um sich zu erkundigen, mit welchen Mitteln wir es bewerkstelligt haben, daß bei uns die Preise stabiler geblieben sind als im ganzen europäischen Ausland.
({1})
- Soweit Sie daran Zweifel hegen, stehen Ihnen bei einigen Bemühungen die amtlichen Indexziffern aller europäischen Länder zur Verfügung. Wenn Sie die gelesen haben, können wir uns über den Gegenstand weiter unterhalten.
({2})
Wir haben selbstverständlich alle Einfuhren bis zum Äußersten ausgenutzt. Wenn gesagt worden ist, für das Einfuhrsicherungsprogramm stünden keine Mittel zur Verfügung, so kann ich Ihnen sagen: Das Einfuhrsicherungsprogramm ist praktisch durchgeführt. Nach einer neuen Regelung zwischen der Bank deutscher Länder und der Bundesregierung ist auch Vorsorge getroffen, daß die weiteren Ausschreibungen, die Abwicklung der Handelsverträge zusammen mit den liberalisierten Einfuhren noch in diesem Monat ordnungsgemäß fortgesetzt werden.
({3})
Die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Meine Damen und Herren, ich habe formell zu fragen, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. Ich frage, ob 50 Abgeordnete eine Besprechung dieser Interpellation wünschen. - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Punkt 16 b der Tagesordnung erledigt.
Ich eröffne die Besprechung der zweiten Beratung zu Punkt 16 a der Tagesordnung.
Ich rufe zunächst auf § 1 des Entwurfs eines Preisgesetzes. Ich schlage vor, zunächst Abschnitt I § 1 Abs. 1 die Ziffern 1 bis 7 zu erörtern. Wird hierzu das Wort gewünscht?
({0})
- Also ich rufe, um die Sache klarer werden zu lassen, zunächst einmal § 1 Abs. 1 Ziffern 1 bis 3 auf. - Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich lasse über diese drei Ziffern abstimmen. Ich bitte die Damen fund Herren, die den Ziffern 1 bis 3 in Abs. 1 des § 1 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich eröffne die Besprechung über die Ziffer 4 des Abs. 1.
Dazu hat Herr Abgeordneter Preusker ums Wort gebeten.
Meine Damen und Herren! Die Ziffer 4 des Abs. 1 des § 1 befaßt sich mit den noch für notwendig gehaltenen Preisregelungen auf dem Gebiete der Wohnungs- und Grundstückswirtschaft. Dabei ist einmal klar, daß
- Buchstabe a dieser Ziffer 4 - die Vermietung von Wohnräumen unbeschadet des § 27 Abs. 2 des ersten Wohnungsbaugesetzes, also mit Ausnahme der völlig frei finanzierten Wohnungen, weiterhin den Preisregelungen und Preisbindungen unterliegen soll. Darüber hat auch im Ausschuß zu keiner Zeit eine verschiedenartige Auffassung bestanden. Wohl aber ist unsere Fraktion der Auffassung gewesen, daß man in der Frage der Vermietung und Verpachtung von gewerblich genutzten Räumen weitergehen sollte, als das hier unter Buchstabe b geschieht. Nach der Fassung, wie sie vom Ausschuß vorgelegt worden ist, sollen nur die gewerblich genutzten Räume, die nach dem 1. Januar 1950 bezugsfertig geworden sind, aus der Preisbindung herausgenommen werden.
Im Ausschuß bestand weitgehend Einmütigkeit darüber, daß auf dem Gebiet der gewerblich genutzten Räume eine völlig andere Situation hinsichtlich der Mangellage gegeben ist, als bei den Wohnungen. Wir haben in den letzten Jahren gesehen, daß überall in den Städten gewerblich genutzte Räume, zum Teil noch als Holzbaracken, zum Teil aber auch durch Ausbau gerade der Untergeschosse der Häuser, wiedererstanden sind, in die als erstes die Läden wieder hineinkamen. Wir sind der Meinung, daß das Gewerbe nicht zu Lasten des Hausbesitzers, der gern wieder die darüberliegenden Wohnungen aufbauen möchte, das Privileg bekommen soll, weiterhin unter Stoppmieten leben und arbeiten zu können, die gemessen an den Erlösen und Preisen, wie sie sonst gegeben sind, nicht gerechtfertigt sind, sondern daß das Gewerbe dann auch die Mieten tragen soll, die sich nach der Marktlage ergeben, um dadurch dem Hausbesitz etwas erhöhte Einnahmen zufließen zu lassen. Damit kann das Bild aus unseren Städten schneller verschwinden, daß die Häuser über dem ersten Stock aufhören, es können endlich darüber auch die Wohngeschosse wieder aufgebaut werden.
({0})
Die Ausschußfassung, wie sie hier angenommen worden ist, halten wir deshalb für unglücklich, weil zwei Kategorien von gewerblich genutzten Räumen geschaffen werden: diejenigen, die nach dem 1. Januar 1950 bezugsfertig werden, also nach der freien Mietbildung dementsprechend wahrscheinlich auch mit einer erhöhten Auftriebstendenz, als sie bei genereller Freigabe entstehen würde - daraus könnten sich dann wirklich unangenehme Rückwirkungen für die Preisbildung einzelner Erzeugnisse ergeben -, und diejenigen, die weiterhin gestoppt bleiben. Es gibt also dann privilegierte und nichtprivilegierte Ladeninhaber, Rechtsanwälte, Zahnärzte und was Sie sich sonst denken können; die einen, die den Genuß dieser Stoppmieten haben, und die andern, die ihn nicht haben. Das kann nur zu Unzuträglichkeiten und womöglich sogar zu korruptiven Erscheinungen bei der Vergebung dieser Räume führen, und das wünschen wir nicht. Deshalb hat unsere Fraktion beantragt, nun auch den Schritt der Freigabe ganz zu tun aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, und den 'Buchstaben b zu streichen.
Dann kommen als nächstes die Buchstaben d und f, die in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Es ist die einstimmige Meinung des Ausschusses gewesen, daß die völlig erhaltenen oder zu nicht mehr als 10 % zerstörten Häuser aus der Preisbindung freigegeben werden könnten, weil schließlich der Verkaufswert der Häuser durch die weiterhin einstimmig gebilligte Bindung der Mieten festgelegt ist, da zum zweiten auch dafür gesorgt ist, daß die Preise nicht in den Himmel steigen können, weil ja auf allen Häusern der Lastenausgleich ruht, der zweifellos nicht dazu beiträgt, den Verkaufswert oder die Preise auf diesem Gebiete in die Höhe zu treiben, sondern eher zu einer sehr realistischen Überlegung führt: was ist denn der Haus- und Grundbesitz überhaupt noch als kaum ertragbringender Faktor der Volkswirtschaft wert?
Wenn man diesen Schritt schon tut, dann sollte man sich auch hier zum Ganzen entschließen und ebenso die unbebauten oder die Trümmergrundstücke freigeben. Nach unserer Überzeugung tritt sonst eine sehr unangenehme Entwicklung in unseren zerstörten Städten ein. Es entstehen Mondkraterlandschaften, da die inneren Stadtteile nicht wieder aufgebaut werden, weil dort die derzeitigen effektiven Marktpreise weit unter den Stopppreisen liegen. Kein Mensch ist bereit, dafür die Stoppreise von Anno Tobak zu zahlen, während umgekehrt an den Stadträndern neue Viertel entstehen, wie um einen Mondkrater herum, die fern von den Arbeitsplätzen, fern von den Zentren neues Bauland in Anspruch nehmen, das unter Umständen agrarwirtschaftlich genutzt werden könnte. Hier vollzieht sich eine Entwicklung, die über die Stoppreise hinausgeht.
Im übrigen ist es allgemein bekannt: niemand kann verhindern, daß sich diese Dinge trotz der Stoppreise vollziehen. Es wird dann eben außerhalb der Kaufverträge in dem einen Fall ein Abschlag gemacht, in dem andern Fall gibt es auf eine irgendwie vertretbare Weise noch irgend etwas dazu.
Das sind alles unerfreuliche Erscheinungen, die doch an der gegebenen Situation nichts ändern können. Das, was gebaut wird, ist nach wie vor in den Mietpreisen gestoppt, ist in der Bewertung durch den Lastenausgleich beeinflußt. Es kann also nicht das Geringste passieren, außer daß eine Bürokratie, die der Bauförderung sehr hinderlich ist, abgebaut wird und daß unerfreuliche Erscheinungen unserer Wirtschaft - die weiß Gott nicht zu den moralischsten gehören - verschwinden. Aus diesen Gründen bitten wir auch hier darum, daß der Bundestag die volle Konsequenz zieht und die Buchstaben d und f streicht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Zur Begründung unseres Antrages, in dem wir die Wiederherstellung der Fassung des Regierungsentwurfs beantragt haben, möchte ich folgendes ausführen. Zunächst ist es nicht richtig, was eben gesagt worden ist, die Aufrechterhaltung des Regierungsentwurfs bedeute, daß nun sämtliche Grundstückpreise und Mieten absolut fest sind, sondern die Aufrechterhaltung der Ermächtigung der Regierung, Grundstückpreise, Mieten und Pachten weiter zu regeln, bedeutet, daß sie Bestimmungen auf diesem Gebiet treffen kann. Ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt auf diesem Gebiet nachgeben will, z. B. bei den landwirtschaftlichen Pachten, liegt dann in der Hand der Regierung. Ob sie z. B. die Preise für Grundstücke an den Randgebieten der Städte etwas höher gehen lassen will als im Zentrum, liegt völlig in der Hand der Regierung, hat aber mit dem Preisgesetz und den dort gegebenen Ermächtigungen gar nichts zu tun. Insofern kann also nicht gesagt werden, daß, wenn diese Bestimmungen aufrechterhalten würden, wir dann unbedingt damit im Innern der Städte vereinsamte Ruinen behielten und nur am Rande Wohnungen gebaut würden. Nach wie vor ist es also möglich, daß, wenn wir diese Ermächtigungen geben, Grundstückpreise, Mieten und Pachten den jeweiligen Notwendigkeiten angepaßt werden. Unser Ziel ist aber nach wie vor, eine ungehemmte Bodenspekulation zu vermeiden. In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine sehr interessante Angabe, die von einem Regierungsvertreter im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gemacht worden ist, hinweisen. Dort ist uns mitgeteilt worden: nachdem bekannt wurde, daß im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Bundestages über diese Fragen diskutiert worden sei, sei der Preis für ein Grundstück am Kölner Marktplatz von 1000 DM pro qm auf 5000 DM heraufgegangen.
({0})
Der zweite Gesichtspunkt - darin 'stimme ich vollkommen mit dem Kollegen Preusker überein - ist, daß wir unter allen Umständen eine Marktspaltung vermeiden müssen. Er hat das sehr eindringlich auf dem Gebiete der gewerblichen Räume nachgewiesen. Ich stimme ihm darin vollkommen zu, möchte aber nur die Argumentation auf das gesamte Gebiet der Grundstückpreise, Mieten und Pachten anwenden. Es ist ja ganz klar, daß überall dort, wo die freien Preise und die gebundenen Preise aneinander grenzen, Schwierigkeiten, Korruption, Umgehungsversuche und ähnliche Dinge auftreten müssen. Darum verlangen wir Sozialdemokraten, daß entsprechend dem Regierungsentwurf alle Grundstücke und sämtliche Vermietungen und Verpachtungen von Grundstücken und Räumen jeder Art weiterhin dem Preisgesetz unterworfen bleiben.
Ich möchte noch besonders auf die landwirtschaftlichen Pachten hinweisen und möchte mich da insbesondere, meine Herren von der CDU/CSU, auf das Urteil Ihrer eigenen Vertreter im Bundesrat berufen. Da hat z. B. Ihr Kollege Lübke aus Nordrhein-Westfalen in den Beratungen des Bundesrates davon gesprochen, daß ein uferloses Hin({1})
aufgleiten der landwirtschaftlichen Pachtpreise unbedingt verhindert werden müsse. Er hat darauf hingewiesen, daß z. B. in Holland die Pachtpreise etwa die Hälfte von denen bei uns betragen und daher die Landwirtschaft bei uns in einem ganz besonders schwierigen Konkurrenzkampf gegenüber der holländischen Landwirtschaft steht. Er hat schließlich darauf hingewiesen, daß in Belgien, wo die Pachten freigegeben worden sind, die landwirtschaftlichen Pachten sich nach der Freigabe verdoppelt und verdreifacht haben. - Meine Damen und Herren, diese Dinge sollten uns doch nachdenklich stimmen und uns veranlassen, die landwirtschaftlichen Pachten vorläufig noch im Preisgesetz zu belassen.
Schließlich haben wir den nicht ganz unbegründeten Verdacht, daß die teilweise Herausnahme von einzelnen Grundstücken, von einzelnen Räumen und Mieten letzten Endes doch nur die Freigabe des gesamten Gebietes einleiten soll. Damit kommen wir dann zu dem großen Problem des sozialen Wohnungsbaues. Ich glaube, wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, daß der soziale Wohnungsbau letzten Endes durch diese Dinge nicht noch weiter verteuert wird, als dies jetzt schon durch die Verteuerung der Baustoffe der Fall ist.
Ich bitte Sie also, unserem Antrag zuzustimmen und den Antrag der FDP abzulehnen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Etzel.
Etzel ({0}), ({1}): Meine Damen und Herren! Für die Freunde meiner Fraktion beantrage ich, beiden Abänderungsanträgen die Zustimmung zu versagen. Wir haben mit Ziffer 4 a den Versuch gemacht, im Rahmen des Möglichen und für uns zweckvoll Erscheinenden die übersteigerte Bewirtschaftung und Bindung aufzuheben. Wir waren vollkommen darüber einig - das ist ja eine völlige Einigkeit auch im Hause -, daß bei Wohngrundstücken, mit Ausnahme der unter § 27 Abs. 1 des ersten Wohnungsbaugesetzes fallenden, sämtliche Wohnungen in der Preisbildung bleiben müssen. Ich brauche darüber nichts zu sagen. Insofern ist der Ausschußantrag ein Antrag, der die Zustimmung aller findet.
§ 4 b betrifft die Preisbindung der Pachten von gewerblich genutzten Räumen. Wir waren ursprünglich geneigt, hier eine totale Freigabe vorzunehmen; aber nachdem vom Städtetag der Wunsch ausgesprochen worden war, das mindestens hinsichtlich der gewerblichen Grundstücke, die vor dem 31. Dezember 1949 fertiggestellt waren, doch noch nicht zu tun, haben wir uns dem Argument gebeugt, als dort erklärt wurde: es gibt vor allem in zerstörten und teilzerstörten Städten noch keineswegs genügend gewerblich genutzte Räume, als daß man sie schlechthin freigeben könnte. Deswegen ist Ziffer 4 b in den Antrag des Ausschusses mit Mehrheitsbeschluß hineingekommen. Ich bitte, es auch hier bei der Ausschußfassung zu belassen.
Bei Ziffer 4 c besteht, so glaube ich, keine wesentlich abweichende Meinung. Wir sind allerdings der Auffassung, daß im Beherbergungsgewerbe eine Preisbindung nicht mehr erforderlich ist. Die Entwicklung in diesem Gewerbe hat gezeigt, daß im allgemeinen ein genügendes Angebot da ist. Soweit es noch fehlt, würde gerade die Freigabe der Preisbindung dazu führen, daß weiterer Raum zur Verfügung gestellt wird, was auf die Dauer zu einer richtigen Auspendelung der Preise führt. Hier muß aber hinsichtlich der früher zu Beherbergungszwecken genutzten Grundstücke, welche für Dauerwohnzwecke, sprich: für Flüchtlinge benutzt werden, eine Ausnahme gemacht werden. Ich bitte, auch insofern dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Was unbebaute Grundstücke und Grundstücke mit mehr als 10 % beschädigten Gebäuden anlangt, so sind wir der Meinung gewesen, daß wir den in Vorbereitung befindlichen Gesetzen nicht vorgreifen sollen, daß wir deswegen sowohl die Preisbindung der unbebauten Grundstücke als auch der mit mehr als 10% beschädigten Gebäuden weiterhin in der Preisbindung belassen müssen, weil ja die endgültige Regelung hier demnächst vor der Türe steht.
Was die Preisbindung bei bebauten Grundstücken betrifft, so sind wir der Auffassung: hier ist eine Preisbindung nicht nötig, weil ja die Mieten und Pachten im wesentlichen gebunden sind; und wenn der Ertrag gebunden ist, reguliert er von selbst den Preis des Mietobjekts. Das Beispiel wegen der Preissteigerung in der Gegend des Kölner Markts, das der Herr Kollege Kurlbaum hier anführte, kann ja nach unserem Antrag nicht vorkommen. Insofern, glaube ich, werden wir diesen Bedenken nach unserer Auffassung in vollem Umfange Genüge tun.
Die Frage der landwirtschaftlich und gewerblich genutzten Grundstücke haben wir so gesehen, daß bei gewerblich genutzten Grundstücken der Gewerbeertrag durchaus in der Lage ist, einen Marktpreis aufzunehmen.
Was die landwirtschaftlich genutzten Grundstücke angeht, so sind diese Grundstücke ohnehin insofern im Preisschutz, als bei ihnen zu prüfen ist, ob unter volkswirtschaftlich gerechten Gesichtspunkten der vereinbarte Preis angemessen ist. Hier ist also die Preisbindung praktisch in einem anderen Gesetz stipuliert, so daß wir sie in das Preisgesetz nicht hereinzunehmen brauchten. Dort, wo ein solcher Schutz nicht vorhanden ist, bei der Verpachtung von Grundstücken im Sinne der Kleingarten- und Kleinpachtland-Verordnung, haben wir ausdrücklich die Preisbindung in das Gesetz hereingenommen.
Das Erbbaurecht an Grundstücken unter Buchstabe g im Sinne von Buchstabe d wollen wir genau so behandeln wie das Problem der unbebauten Grundstücke.
Wir sind also der Meinung, wir sollten es bei dem Ausschußantrag belassen. Ich bitte das Hohe Haus, sowohl den Antrag der FDP, der praktisch auf eine noch weitere Freigabe abzielt, wie auch den Antrag der SPD abzulehnen, der darauf abzielt, es beim alten Zustand zu belassen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 4 des Abs. 1 des § 1. Wir kommen zur Abstimmung.
Meine Damen und Herren, der am weitesten vom Auschußantrag abweichende Antrag ist der der SPD, der an Stelle des gesamten Abs. 4 lediglich den aus Umdruck Nr. 6 Ziffer 1 ersichtlichen Text der Ziffer 4 einsetzen will:
4. Grundstücke sowie die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Räumen jeder Art.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der FDP nach dem Umdruck Nr. 3, der zunächst beantragt, nach Ziffer 4 a den Satz einzufügen:
Wohnräume, die vorübergehend zu gewerblichen Zwecken benutzt werden, stehen Wohnräumen gleich. § 27 Abs. 1 des Ersten Wohnungsbaugesetzes vom 24. April 1950 ({1}) bleibt unberührt.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Ergänzungsantrag zu 4 a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Der weitere Antrag besagt:
§ 1 Abs. 1 Ziffer 4 b ist zu streichen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der FDP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit zweifelsfreier Mehrheit abgelehnt.
Ein weiterer Antrag unter Ziffer 3 auf Umdruck Nr. 3 besagt:
§ 1 Abs. 1 Ziffer 4 d ist zu streichen.
Ich bitte um die Abstimmung darüber. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch dieser Antrag scheint mir abgelehnt zu sein.
({2})
Ziffer 4 auf Umdruck Nr. 3 beantragt:
§ 1 Abs. 1 Ziffer 4 f ist zu streichen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit der gleichen Mehrheit abgelehnt.
Damit sind die Abstimmungen über diese Ziffer, soweit Abänderungsanträge vorliegen, erledigt. Wir kommen also zur Abstimmung über die Ziffer 4 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußfassung von Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist angenommen. - Enthaltungen? - Gegen sehr wenige Stimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist Ziffer 4 erledigt.
Ich darf weiterhin zusammenfassen: Ziffer 5,
- Ziffer 6. - Da liegt ein Antrag vor. Also zunächst Ziffer 5, da hier kein Abänderungsantrag vorliegt. Wünscht jemand, das Wort zu nehmen?
- Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 5 in der Ausschußfassung zustimmen wollen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ziffer 5 ist angegenommen.
Wir kommen zu Ziffer 6. Ich bitte Herrn Abgeordneten Rademacher!
Meine Damen und Herren! Ziffer 6 ist Gegenstand sehr eingehender Verhandlungen im Ausschuß für Wirtschaftspolitik gewesen. Stundenlang und tagelang sind eine Unzahl von Interessentenverbänden vernommen worden, und schließlich ist es dann über die Ziffer 6 zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Ausschuß für Verkehrswesen und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik gekommen. Während der Ausschuß für Verkehrswesen der Auffassung war, daß nur die Haftpflichtversicherung preislich gebunden sein soll, hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik die Auffassung vertreten, daß alle vier Kategorien, die unter den Begriff Kraftfahrzeugversicherung fallen, preisgebunden bleiben sollen.
Man hat sehr stark damit argumentiert: da es sich um denselben Gegenstand handelt - und mit „Gegenstand" meinte man in diesem Falle das Fahrzeug -, müßte doch auch die Einheitlichkeit der Preisbindung bei der Kraftfahrzeugversicherung bleiben. Wenn man nach diesem Prinzip gehen würde, meine Damen und Herren, daß nämlich die Dinge einheitlich in einer Police zusammengefaßt sein müßten, dann muß ich demgegenüber das Beispiel einer getrennten Krankenversicherung, einer getrennten Lebensversicherung anführen. Ich glaube nicht, daß eine Notwendigkeit besteht, die Kasko-Versicherung, die Unfallversicherung usw. in der Preisbindung zu belassen, und ich glaube auch nicht, daß dadurch die Argumente treffend geschildert werden, die die Versicherer fortgesetzt angeführt haben, indem sie sagen, der ganze Bestand der Versicherungsgesellschaften, jedenfalls soweit es sich um die Kraftfahrzeugsteuer handelt, sei gefährdet, wenn man diesen Teil, der keine Pflichtversicherung ist, herausnehmen würde.
Meine Freunde sind der Auffassung, daß dort, wo es sich um eine Pflichtversicherung handelt, selbstverständlich die Preisbindung bestehen bleiben muß, daß überall dort, wo es sich nicht um eine Pflichtversicherung handelt, der freie Wettbewerb zum Zuge kommen kann.
Meine Damen und Herren! Wir haben ja heute schon einmal über eine besondere Belastung des Straßenverkehrs gesprochen. Durch eine neue Preisanordnung im Zusammenhang mit der Prämienfestsetzung sind wieder ungeheuerliche Erhöhungen für den Straßenverkehrtreibenden, für den PkW-Fahrer, für den LkW-Fahrer eingetreten. Es muß ihm hier eine Möglichkeit gegeben werden, durch eine Freiheit der Preise den freien Wettbewerb auf dem Gebiete des Versicherungsmarktes zum Zuge kommen zu lassen.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß unter den Versicherern selbst die Meinung darüber geteilt ist. Es gibt durchaus beachtliche Versicherungskonzerne, die der Meinung sind, man sollte diese drei Kategorien der Kraftfahrzeugversicherung nicht mehr preisbinden, damit sich die Dinge entsprechend auswirken und entwickeln; wegen der sehr hohen Sätze, die bisher angesetzt worden sind, habe sich so etwas ähnliches wie Selbstversicherungsverbände, die bereits bestehen, noch durch Neugründungen weiterentwickelt. Auch sie sind alle der Meinung, daß eine unbedingte Zusammengehörigkeit dieser vier Kategorien berechtigt ist.
Meine Damen und Herren! Aus diesen Gründen darf ich - ich glaube, von der Linken des Hauses ist schon einmal in der Vergangenheit ein ähnlicher Antrag eingebracht worden - das Hohe Haus bitten, nur das in der Kraftfahrzeugversicherung preisgebunden zu halten, was Pflichtversicherung ist, und das übrige aus der Preisbindung herauszunehmen. Daher der Antrag, der von der FDP eingebracht worden ist.
Der Herr Abgeordnete Etzel ({0}) hat das Wort.
Meine Fraktion bittet das Hohe Haus, den Abänderungsantrag, der eben von dem Herrn Kollegen Rademacher begründet worden ist, nicht anzunehmen. Wir sind der Meinung: wenn die Haftpflichtversicherung, die eine Zwangsversicherung ist, in der Bindung bleiben soll, dann geht das nur, wenn auch die übrigen zwangsläufig dasselbe Objekt betreffenden Ver({0})
sicherungen in einer entsprechenden Bindung bleiben.
({1})
-Die Begründung haben wir nicht einmal, sondern zehnmal gegeben, Herr Kollege Oellers.
({2})
- Ich bin gern bereit, Ihre Neugierde zu befriedigen.
({3})
- Verzeihen Sie! Sie müssen es schon mir überlassen, was ich will. Ich bin nicht gewillt, mich Ihrem Diktat zu beugen. Wenn Sie einen Wunsch haben, werde ich den Wunsch gern erfüllen. Im übrigen darf ich annehmen, daß diese Dinge in Ihrer Fraktion besprochen worden sind und daß Sie durchaus in der Lage waren, die Argumentation, wie Sie uns Herr Abgeordneter Rademacher vorgetragen hat und die uns auch tagelang beschäftigt hat, in der Zwischenzeit zur Kenntnis zu nehmen.
Es ist also folgendes zu sagen. Das Objekt Auto ist in mancher Hinsicht versichert. Es ist z. B. zwangsversichert in der Haftpflichtversicherung. Das ist klar. Wenn nun der betreffende Autohalter nicht nur in der Haftpflichtversicherung, sondern darüber hinaus in einer freiwilligen Versicherung, also z. B. in einer Kasko- und Unfallversicherung sich gleichzeitig versichert, dann wird im Zweifel derselbe Unfall, der dasselbe Objekt betrifft, ein dreifach gegliedertes Versicherungsrisiko betreffen.
({4})
- Ja, ich weiß, Herr Oellers, ich bin nach Ihrer Meinung offenbar nur ein halber Jurist.
({5})
Wenn nun die Dinge so liegen, daß derjenige, der außer der Haftpflichtversicherung eine Unfallversicherung wünscht und außerdem eine Kaskoversicherung, daß in der Konkurrenz der Versicherungunternehmungen die Möglichkeit von Unterbietungen gegeben ist, daß sowohl die Kasko-Versicherung wie die Unfallversicherung sich unterbieten, dann ist der Gedanke, mit dem die Preisbindung die Haftpflichtversicherung schützen soll. nämlich die Versicherungsgesellschaften vor einer sogenannten Schmutzkonkurrenz zu bewahren und entsprechend angemessene Prämien zu nehmen, gefährdet, indem dieser Gedanke bei den nicht preisgebundene Versicherungen untergraben werden kann. Das war der Gedanke, der auch das Aufsichtsamt veranlaßt hat, es bei einer totalen Bindung zu belassen.
Wir haben diese Dinge sehr eingehend und sehr ernsthaft diskutiert. Wir sind nicht einig geworden. Dieselbe Uneinigkeit scheint auch jetzt im Hause zu bestehen. Für meine Fraktion darf ich aber dem Hause vortragen, daß wir auf dem Standpunkt der totalen Preisbindung in allen drei Gruppen bestehen. Ich bitte daher, dem Antrage nicht zu entsprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Da wir eben von dem Herrn Abgeordneten Rademacher zitiert worden sind, möchte ich doch noch einmal unseren Standpunkt in dieser Angelegenheit bekanntgeben. Wir haben bekanntlich vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht, der die Überprüfung der Erhöhungen der Versicherungsprämien zum Gegenstand hat, und wir hoffen, daß dieser Antrag, der dem wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen worden ist, nun möglichst bald nach Neujahr zur Behandlung kommt. Wir behalten uns daher vor, die ganze Frage noch einmal zu prüfen.
Ich halte den Vorschlag, wie er von der FDP gemacht wurde, praktisch nicht für sehr günstig. Er kommt nämlich darauf hinaus, daß etwaige Ermäßigungen der Versicherungsprämien durch die Konkurrenz ausschließlich der Vollkasko-Versicherung, also nicht den Zwangsversicherten zugute kommen, und das ist bekanntlich - das werden Sie mir zugeben - eine Auswahl unter den Versicherten im negativen Sinne. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es nicht eine wirklich praktische, gute Lösung wäre, wenn wir diesen Weg gehen würden, der also etwaige Ermäßigungen der Prämien ausschließlich diesem Kreise zugute kommen ließe. Wir glauben, daß, wenn man überhaupt das Argument gelten läßt, daß eine freie Konkurrenz die Auszahlung der Haftpflichtversicherungssummen nicht gefährdet, man dann alle Kraftfahrzeugversicherungsprämien freigeben kann und nicht nur einen Teil davon. Aber diese Frage wollen wir im Ausschuß nach Neujahr nochmals genau prüfen, und da, wie ich ja vorhin sagte, dieses Gesetz lediglich ein Ermächtigungsgesetz ist und damit bedeutet, daß nicht unbedingt in diesem Sinne geregelt werden muß, daß alle Kraftfahrzeugversicherungen preisgebunden bleiben, greifen wir ja einer zukünftigen vernünftigen Lösung in keiner Weise vor. Ich bitte Sie alle, den Beratungen des wirtschaftspolitischen Ausschusses nicht vorzugreifen, sondern die Regierungsvorlage in dieser Form anzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß die offenbar übliche Rednergarnitur jetzt ausgesprochen hat und daß weitere Wortmeldungen nicht vorliegen. - Das ist der Fall.
Ich komme also zur Abstimmung über den Antrag der FDP, Umdruck Nr. 3 Ziffer 5: § 1 Abs. 1 Ziffer 6 zu ändern, wie es auf dem Umdruck vermerkt ist. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der FDP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich darf dann über die Ziffer 6 in der Fassung des Ausschußantrages abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Es werden langsam mehr. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Jetzt war das erste zweifellos die Mehrheit.
({1})
- Es steht in der Geschäftsordnung nicht, Herr Abgeordneter, wie lange eine Abstimmung dauern muß.
({2})
Ich darf mangels weiterer Abänderungsanträge gemeinsam aufrufen Abs. 1 Ziffer 7 und den ganzen Abs. 2 des § 1. Ich eröffne darüber die Einzelbesprechung. Liegen Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
({3})
- Herr Abgeordneter Kurlbaum!
Ich bitte nur darum, da der Antrag, den wir bezüglich der Neueinfügung eines § 6 a gestellt haben, in gewissem Zusammenhang mit dem § 2 steht - ({0})
Herr Abgeordneter Kurlbaum, ich habe eben Nr. 7 und dann Abs. 2 aufgerufen.
({0})
Dann bitte ich um Entschuldigung.
Ich schließe die Besprechung also nochmals und lasse gemeinsam abstimmen über Ziffer 7 des Abs. 1 und über den ganzen Abs. 2 des § 1. Ich hoffe, daß es jetzt klar ist. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern bzw. Absätzen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen einige Stimmen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist der § 1 erledigt.
({0})
- Herr Abgeordneter Preusker, darf ich fragen, wozu wollen Sie als Berichterstatter sprechen?
({1})
- Ich bitte um Entschuldigung; Sie haben vollkommen recht. Ich rufe also weiter auf den Abs. 3 des § 1.
Herr Abgeordneter Preusker als Berichterstatter!
Dr. Preusker ({2}), Berichterstatter: Ich darf in Fortführung meiner Berichterstatterpflicht für das Preisgesetz - den Bericht habe ich schon vor sehr langen Wochen erstattet - bitten, in der endgültigen Fassung des Gesetzes die Zustimmung dazu zu geben, daß der Termin „erstmalig zum 1. Januar 1951", der in der vorletzten Zeile des Abs. 3 steht, geändert wird in „zum 1. April 1951", da das Gesetz ja zweifelsohne zum 1. Januar 1951 überhaupt noch nicht in Kraft sein kann.
Ich verstehe das als einen Antrag des Ausschusses, Herr Abgeordneter.
({0})
Wir kommen zum Abs. 4. Wird zu Abs. 4 das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir können also über die Absätze 3 und 4 des § 1 offenbar zusammen abstimmen, und zwar Abs. 3 in der vom Herrn Berichterstatter eben vorgeschlagenen Fassung. Ich bitte die Damen und Herren, die den Absätzen 3 und 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Absätze sind angenommen. Damit ist der § 1 also erledigt.
Ich rufe auf § 2.
({1})
- Ich hatte aufgerufen, Herr Abgeordneter, den § 2, und zwar zunächst Abs. 1. - Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Wir haben hierzu einen Abänderungsantrag gestellt, der allerdings nur von Interesse ist, wenn nachher der § 6 a angenommen werden sollte. Ich bitte also den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, dann später nochmals, wenn der § 6 a angenommen werden sollte, einen Antrag zum § 2 zu stellen.
Das bedeutet also, Herr Abgeordneter, daß Sie wünschen, daß die Abstimmung über den § 2 Abs. 1 zurückgestellt wird. - Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist. Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.
Ich rufe auf den Abs. 2 des § 2. Wird dazu das Wort gewünscht?
({0})
- Zu den Ziffern 1 bis 4 liegen keine Abänderungsanträge vor. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen über § 2 Abs. 2 Ziffern 1 bis 4. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Ziffern sind angenommen.
Ich rufe auf Ziffern 5 und 6. Wird dazu das Wort gewünscht?
({1})
- Es wird auf die Begründung der Anträge verzichtet. Es liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen in Umdruck Nr. 15 vor:
In § 2 Abs. 2 sind die Ziffern und Texte 5 und 6
ganz zu streichen. Ziffer 7 wird Ziffer 5. Weiter liegt der Antrag der Abgeordneten Etzel ({2}) und Genossen im Umdruck Nr. 21 vor, daß § 2 Abs. 2 Ziffern 5 und 6 eine andere Fassung erhalten.
({3}) Dieser Antrag ist nicht als erledigt erklärt. Es ist lediglich der Antrag auf Umdruck Nr. 11 durch Beschluß zu Punkt 1 als erledigt erklärt worden.
Herr Abgeordneter Etzel!
Wenn ich mich nicht irre, dann ist der Umdruck Nr. 15 durch den Umdruck Nr. 21 überholt. Da er nicht zurückgenommen worden ist, müßten wir ihn wohl ablehnen und den Umdruck Nr. 21 annehmen.
Sie erwarten also, Herr Abgeordneter, daß die Antragsteller gegen ihren eigenen Antrag stimmen. Herr Abgeordneter Hilbert, wird der Antrag zurückgenommen? - Er ist nicht hier, Abgeordneter Hilbert gibt keine Erklärung ab. Ich muß also riskieren, daß die Antragsteller ihren eigenen Antrag ablehnen. Wird weiter das Wort gewünscht? Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen, in § 2 Abs. 2 die Ziffern und Texte 5 und 6 ganz zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt der Änderungsantrag Etzel und Genossen in Umdruck Nr 21 vor, zu § 2 Abs. 2 den Ziffern 5 und 6 eine neue Fassung zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Offenbar einstimmig angenommen. Damit sind die Ziffern 5 und 6 erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 7. Ein Änderungsantrag liegt nicht vor. Das Wort wird offenbar nicht gewünscht. Ich lasse abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Hand({0})
zeichen. - Gegenprobe! - Ziffer 7 ist ebenfalls angenommen.
({1})
Zurückgestellt ist der Abs. 1, Herr Abgeordneter Preusker.
Ich rufe auf Abschnitt II § 3.
({2})
-Das ist ein reiner Druckfehler. Das Wort wird offenbar weiter nicht gewünscht. Es liegt vor der Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen, in Abschnitt II § 3 den Absatz 2 zu streichen. Wird dazu das Wort gewünscht? - Offenbar nicht!
Weiterhin ist beantragt in Umdruck Nr. 37 ({3}), in § 3 an die Stelle der Absätze 1 und 2 folgende neue Absätze 1, 2 und 3 treten zu lassen. Darf ich die Frage stellen, ob etwa mit diesem Antrag der Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen erledigt ist.
({4})
Der Antrag der Abgeordneten Hilbert und Genossen im Umdruck Nr. 15 zu Ziffer 2 wird zurückgezogen. Ich kann also abstimmen lassen.
({5}) - Herr Abgeordneter Dr. Müller!
Zu dem Antrag Nr. 37 ({0}) hatte ich zur Begründung um das Wort gebeten.
Jawohl, Herr Abgeordneter, Sie haben recht. Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Müller, das Wort zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag gestellt, in diesem § 3 die Zuständigkeit, soweit landwirtschaftliche Erzeugnisse usw. in Frage kommen, zu ändern und die Federführung dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu geben, so daß er die Regelung im Einvernehmen mit dem Wirtschaftsminister zu treffen hat.
Wir sind zu diesem Antrag aus der Erkenntnis heraus gekommen, daß die Preisbildung landwirtschaftlicher Erzeugnisse von einer Reihe von Faktoren und Elementen abhängig ist, deren Unterlagen am besten im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft erarbeitet werden und erarbeitet werden können, weil das die Werkstatt ist, wo das gesamte Material zusammenläuft. Es handelt sich hier nicht etwa um den Ausdruck einer Abneigung gegen den Herrn Wirtschaftsminister, sondern es handelt sich hier darum, die zweckmäßigste Ordnung nach dieser Richtung hin zu treffen. Ich bitte Sie, dem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie, den Antrag der CDU/CSU abzulehnen, und zwar aus folgendem Grunde. Die Preispolitik ist, wie wir heute wieder gesehen haben, eine so wichtige Angelegenheit innerhalb der Wirtschaftspolitik, daß wir den Wunsch haben, daß e i n Minister dafür verantwortlich ist.
({0})
Wir haben gerade auf diesem Gebiet in der bisherigen Arbeit des Bundestages die allerschlechtesten Erfahrungen gehabt. Wir haben erleben müssen, daß zum Beispiel bei der Frage der Arbeitsbeschaffung überhaupt nicht festzustellen war, welcher Minister des Kabinetts zuständig war. Wir fragen uns soundsooft: Wer ist für die Kreditpolitik verantwortlich? Immer wieder erleben wir, daß die Verantwortlichkeiten innerhalb des Bundeskabinetts nicht eindeutig geklärt sind. Wir bestehen darauf, daß die Verantwortlichkeit für die Preispolitik eindeutig dem Bundesminister für Wirtschaft aufgebürdet wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horlacher.
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Frage, die hier vom Herrn Abgeordneten Müller angeschnitten worden ist, ist vom Standpunkt der Landwirtschaft und der Bauern aus von entscheidender Wichtigkeit. Denn ein Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist nach meiner Überzeugung nicht denkbar, wenn nicht die Führung der gesamten Agrarpolitik in Händen dieses Ministeriums bleibt. Ein wesentlicher Teil der Agrarpolitik ist eben auch, die Frage der Erzeugungsbedingungen der Landwirtschaft entsprechend in der Hand zu halten und die Produktionsförderung, die für das ganze Volk notwendig ist, auch in der Preisbildung der landwirtschaftlichen Produkte zum Ausdruck kommen zu lassen. Ich rede jetzt praktisch. Ich habe eine Reihe von Fällen mitgemacht, wo Referenten des Wirtschaftsministeriums zu Fragen der Landwirtschaft Stellung genommen haben. Ich erinnere nur an die Frage der Milchpreisbildung. Das ist eine Frage, die vom landwirtschaftlichen sachverständigen Standpunkt aus zunächst vorgeprüft werden muß. So gibt es eine ganze Reihe von Fragen auf dem Gebiet der Agrarpolitik, die von der Gesamtbetrachtung der landwirtschaftlichen Verhältnisse nicht losgelöst werden können unter Fortführung einer Politik, die zur Erhaltung der Erzeugungssteigerung in der Landwirtschaft beiträgt.
Deshalb ist es von außerordentlicher Bedeutung, daß hier die Federführung bei den landwirtschaftlichen Erzeugnissen usw. bei dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verbleibt. Es handelt sich ja hier nur um die Frage der Federführung. Daß die beiden Ministerien miteinander in dieser Frage reden müssen, das ist von keiner Seite bestritten worden, sondern es handelt sich nur darum, daß die Federführung, das heißt die sachliche und fachliche Bearbeitung der Dinge vorher zunächst durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten erfolgt.
Die Dinge sind von so wichtiger Bedeutung, daß auch der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf diese Frage ganz entscheidendes Gewicht gelegt hat, so daß ich die Damen und Herren bitte, und zwar dringend bitte, diese Gesichtspunkte bei der Abstimmung im Auge zu behalten.
Ich darf zu der SPD folgendes sagen. Ich bin ein alter parlamentarischer Hase - das werden Sie mir nicht bestreiten - und wir haben doch viel miteinander mitgemacht in Kummer und Sorge. Ich bin auch oft Referent der Regierungskoalition des alten Reichstags gerade für landwirtschaftliche Fragen gewesen, und ich erinnere mich an die Zeit zurück, wo Sie ({0}) in der freundschaftlichsten Weise mit uns zusammengearbeit haben, wo
({1})
es Ihnen aber nie eingefallen ist, aus dem seinerzeitigen Reichslandwirtschaftsministerium die Frage der Preisbildung für landwirtschaftliche Produkte herauszunehmen. Denn damals haben Sie sogar entscheidendes Gewicht darauf gelegt, daß hier die Federführung bei diesem Ministerium bleiben soll. Ich erinnere unter anderem nur an die Festsetzung der Futtermittelpreise für die Landwirtschaft. Das war eine wichtige Angelegenheit, wo Sie in dankenswerter Weise damals mitgewirkt haben.
Lassen Sie der Landwirtschaft und den Bauern das, was ihnen gehört, und übertragen Sie dem Bundesministerium für Wirtschaft, das ohnehin so viel Aufgaben hat, nicht mehr, als der Herr Bundesminister für Wirtschaft vertragen kann.
({2})
Ich habe gesagt: wenn der Wirtschaftsminister die richtige Stellung beziehen würde, dann müßte er eigentlich seine Kollegen von der Landwirtschaft unterstützen. Beides habe ich ihm gesagt. Deswegen sollte man diesem Vorschlag um so eher folgen, als er aus gutmeinendem Herzen kommt. Eine andere selbstherrliche Auslegung ist hier nicht angebracht. Er ist Bundeswirtschaftsminister, und deswegen soll er aber auf seinen Kollegen von der Landwirtschaft entsprechende Rücksicht nehmen.
Ich bitte jedenfalls das Hohe Haus, den Anträgen der Fraktionen der CDU/CSU die Zustimmung zu erteilen.
({3})
Herr Abgeordneter Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich darf doch wohl noch ein paar Worte zu dieser Frage sagen, die offenbar die Verzögerung der Fortführung der zweiten Lesung im wesentlichen verschuldet hat.
({0})
Ich muß nun sagen: die kleinen Eifersüchteleien, die hier irgendwie entstanden sind, verstehe ich nicht so ganz. Denn in jedem Einzelfalle bedarf es des Einvernehmens beider Minister, und die einzige Frage, um die es sich gedreht hat, ist offenbar die, wer nun zuerst seinen Namen daruntersetzt.
({1})
- Das ist ja wohl vollkommen klar: Die sachliche Arbeit für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten hat der Landwirtschaftsminister, und die sachliche Arbeit für die wirtschaftlichen und gewerblichen Dinge hat der Wirtschaftsminister zu leisten.
Aber eins ist wohl auf alle Fälle nicht zu bestreiten: daß es in einer Volkswirtschaft immer nur eine einheitliche Preispolitik geben kann. Ich muß sagen: Mir ist es völlig egal, welche Fassung angenommen wird, und, ich glaube, auch in unserer Fraktion wird es Liebhaber für diese oder für jene Regelung geben. Entscheidend ist für uns die Tatsache, daß sich Gott sei Dank beide Minister in jedem Fall einigen müssen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, wir stimmen zunächst ab über den Antrag auf Umdruck Nr. 37 ({0}), an Stelle der Absätze 1 und 2 drei neue Absätze -1, 2 und 3 - treten zu lassen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Nachdem auch Herr Vizepräsident Dr. Schäfer jetzt dagegen stimmt, scheint es mir nicht möglich zu sein, festzustellen, wo die Mehrheit ist.
({1})
Ich darf bitten, die Abstimmung zu wiederholen.
Wer für den Antrag der CDU/CSU ist, den bitte
ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ja, meine Damen und Herren, es ist
wirklich nicht festzustellen. Ich muß Sie schon um
die Bewegungsübung des Hammelsprungs bitten.
({2})
Meine Damen und Herren, damit kein Zweifel besteht: wer für den Antrag der CDU/CSU ist, geht durch die Ja-Tür. Es geht hier nicht um eine Abstimmung für oder gegen die Landwirtschaft, sondern um einen Antrag.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({3})
Ich bitte, die Abstimmung zu beenden und die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag der CDU/CSU haben 138 Abgeordnete gestimmt, dagegen 133;
({4})
Enthaltungen 6. - Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß bei diesem Abstimmungsergebnis niemand dem Präsidium einen Vorwurf machen kann, weil wir die Differenz nicht haben erkennen können.
({5})
Meine Damen und Herren, es besteht Einmütigkeit darüber
({6})
- darf ich um Ruhe bitten! -, daß durch die Annahme dieses Antrages die bisherigen Absätze 3 und 4 die Ziffern 4 und 5 erhalten.
({7})
- Meine Damen und Herren, ich darf bitten, die landwirtschaftlichen Siegesfeste einen Augenblick zu unterbrechen.
({8})
Weiter liegt ,der Antrag der CDU/CSU, Ziffer 2, vor:
Im § 3 neue Absätze 4 und 5 und im § 9 Abs. 1 des obengenannten Gesetzentwurfs sind die Worte „im Einvernehmen mit dem fachlich zuständigen Bundesminister der Bundesminister für Wirtschaft" zu ersetzen durch die Worte „im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft der fachlich zuständige Bundesminister".
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
({9})
- Ich wäre dankbar, wenn sich die Damen und Herren, die stehen und sich unterhalten, hinsetzten. Es ist wirklich nicht zu übersehen, wie die Abstimmung ausfällt, wenn die Damen und Herren stehen. - Ich wäre dankbar, wenn auch Herr Pfleiderer und Herr Freudenberg dem Folge leisten würden.
Nachdem sich alle Damen und Herren gesetzt haben, komme ich wieder zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 2 des Antrages der CDU/CSU betreffend § 3 Abs. 4 und
({10})
5 und § 9 Abs. 1 zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Unter Berücksichtigung dieser Abänderung lasse ich über den § 3 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem § 3 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 3 ist angenommen.
Ich rufe weiter auf § 4. Dazu liegt ein Antrag der Fraktion der SPD vor, in Zeile 5 des Abs. 1 zwischen den Ziffern 2 f) und 2 h) die Ziffer 2 g) einzufügen.
Ich eröffne über § 4 die Einzelberatung. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Hierbei handelt es sich nur darum, daß auch die Preise für Erdöl, flüssige Treibstoffe usw. der Zustimmung des Bundesrates unterworfen werden sollen. Ich glaube, daß bei der Bedeutung dieser Preise für das allgemeine Preisniveau diese Angelegenheit für sich selbst spricht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich darf auf Grund der Ausschußberatungen nur noch einmal darauf hinweisen, daß die Ziffer 2 g) deswegen aus unserer Aufstellung herausgeblieben ist, weil die Treibstoffpreise durch ein Gesetz zu regeln sind und weil der Bundestag sich wegen der Bedeutung dieser Materie seinerzeit die gesetzliche Regelung vorbehalten hat, so daß hier eine zustimmungsbedürftige Rechtsverordnung gar nicht vorliegt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Meine Damen und Herren! Bei dieser Verordnung handelt es sich nur darum, daß sie außer Kraft tritt, wenn die Treibstoffe freigegeben werden sollten. Es geht jetzt hier aber darum, ein Gesetz für die Zukunft zu schaffen. Man kann sich auch einmal den Fall vorstellen, daß die Treibstoffe freigegeben sind und sich dann eine Situation ähnlich wie jetzt ergibt, durch die wir genötigt würden, auf diesem Gebiet neu etwas zu tun.
({0})
Ich vermute, daß eine weitere Klärung dieser Frage nicht nötig ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD, in Zeile 5 des Abs. 1 zwischen den Ziffern 2f) und 2h) die Ziffer 2g) einzufügen. - Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr lasse ich über § 4 abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 4 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 4 ist angenommen.
Weiter rufe ich auf § 5 des Gesetzes. Ich eröffne die Einzelberatung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - § 5 ist angenommen.
§ 6. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Paragraph ist angenommen.
Es liegt dann weiter der Abänderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 6 vor, einen § 6 a einzufügen.
Das Wort wird dazu nicht gewünscht.
({0}) - Herr Abgeordneter Kurlbaum, bitte.
Die Grundtendenz des Entwurfes, wie er von dem Ausschuß vorgelegt worden ist, läßt sich vielleicht durch zwei Dinge kennzeichnen. Es wird erstens eine möglichst weitgehende Einschränkung jeglicher Preisbindungen angestrebt; zweitens sollen Ausdehnungen der Preisbindungen lediglich durch Gesetz erfolgen, Einengungen dagegen schon durch Rechtsverordnungen. Wir glauben, daß ein solcher Optimismus, wie er aus einer solchen Konzeption spricht, unter den augenblicklichen Verhältnissen in keiner Weise gerechtfertigt ist. Wir haben sogar Zweifel, ob ein solcher Optimismus für uns in der weiteren Zukunft und in bezug auf unsere wirtschaftspolitische Lage überhaupt gerechtfertigt ist. Wir haben schon vor Monaten darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Optimismus in der Wirtschaftspolitik, wie er in den letzten Monaten - vor der Mitte dieses Jahres - zum Ausdruck gekommen ist, durch die Tatsachen nicht gerechtfertigt ist. Ich habe schon im Januar dieses Jahres, als über die Handelsspannen gesprochen worden ist, hier gesagt:
Wir müssen daher unter Umständen gerade auch bei der Frage der Preisüberwachung mit einer Verschlechterung der Versorgung in der Zukunft rechnen.
Meine Damen und Herren! Ich muß zugeben, ich bin selbst darüber verwundert gewesen, wie schnell sich diese Besorgnis erfüllt hat.
({0})
- Meine Damen und Herren, das ist es ja gerade, daß wir mit solchen Verwicklungen und Schwierigkeiten rechnen müssen. Wir leben ja gar nicht in einer friedlichen Welt, und wir wollen ja keine Wirtschaftspolitik des „als ob", sondern wir wollen eine realistische Wirtschaftspolitik betreiben. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich auch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß selbst die Meinung Bahn gebrochen hat, daß die ursprünglichen Ideen, von denen sich die Regierungsparteien im Ausschuß haben leiten lassen, doch nicht ganz richtig gewesen sind; denn sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß sich die Regierungsparteien im Laufe der Verhandlungen im Wirtschaftspolitischen Ausschuß entschlossen haben, nun auch die NE-Metalle wieder in die Preisbindungen einzubeziehen. Sie können daraus ersehen, wie außerordentlich labil diese ganzen Dinge sind. Ich brauche nur an die Stichworte Kautschuk, Papier, Baumwolle, Wolle, Zellstoff und alle diese Dinge zu erinnern, um Ihnen klarzumachen, daß sich wohl niemand unter uns befindet, der über diese Dinge im Augenblick etwas absolut Sicheres für die Zukunft sagen könnte.
Wir müssen also in Zukunft auch wieder mit neu auftretenden Engpässen rechnen. Wenn wir ein Gesetz schaffen wollen, das auch den zukünftigen Dingen gerecht wird, dann muß es ein Gesetz sein, das elastisch ist. Es wäre außerordentlich verkehrt, die augenblicklichen Zustände, wie sie sich gerade bei der Rohstoffversorgung herausge({1})
bildet haben, für eine vorübergehende Angelegenheit zu halten. Wir wissen alle, daß die Rüstungsperiode, die wir zur Zeit miterleben, schon heute auf mindestens zwei bis drei Jahre geschätzt wird.
({2})
Wir wissen nicht, ob sie durch irgendwelche außenpolitischen Ereignisse noch verlängert wird. Außerdem haben wir gerade die Erfahrung gemacht, daß wir in den letzten Monaten durch den sehr plötzlichen Übergang von den bilateralen Handelsabkommen zu dem europäischen Zahlungsabkommen in außerordentliche Schwierigkeiten geraten sind. Wir stehen also ganz offensichtlich vor der Tatsache einer völligen Marktleere auf ganz bestimmten Gebieten. Ich möchte nur an das Gebiet der NE-Metalle erinnern.
Die bisherigen Maßnahmen reichen aber unserer Ansicht nach nicht aus; nur mit ihnen kann man mit diesen Problemen nicht fertig werden. Wir sind selbstverständlich nicht der Meinung, daß etwa mit Preisbindungen allein das Problem zu meistern ist. Wir glauben aber, daß, um diese Probleme meistern zu können, ein elastisches Preisgesetz nötig ist, damit die Regierung eine Handhabe bekommt, mit der sie schnell dem Wechsel der Situation folgen kann. Dazu gehören allerdings noch weitere Verordnungen auf anderen Gebieten, dazu gehören Bestimmungen, wie sie in dem Sicherungs- und Überleitungsgesetz vorgesehen sind, wie es beim nächsten Tagesordnungspunkt behandelt werden sollte, aber offenbar nicht behandelt werden wird.
Wir glauben daher, daß wir ein Preisgesetz benötigen, das allen schwierigen Lagen der Zukunft gewachsen sein muß. Ein solches Preisgesetz gibt ja nur Ermächtigungen. Es bedeutet ja keineswegs einen Befehl oder eine Aufforderung an die Regierung, unter allen Umständen von diesen Ermächtigungen Gebrauch zu machen. Ich glaube aber, daß es durchaus im Interesse dieses Parlaments liegt, wenn wir ein Gesetz schaffen, was nicht kurzfristig wieder revidiert werden muß; denn das würde dem Ansehen dieses Parlaments schaden, und es würde den Eindruck entstehen lassen, daß dieses Parlament nicht in der Lage sei, wirklich weltschauende wirtschaftspolitische Maßnahmen zu treffen.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Kurlbaum hat schon mit Recht darauf hingewiesen, daß die weltpolitischen Spannungen infolge des Überfalls auf Korea auch auf die Entstehung dieses Preisgesetzes mit eingewirkt haben und daß der Ausschuß schließlich mit Mehrheit die Nichteisen-Metalle, die er vorher schon einmal aus dem Gesetz herausgelassen hatte, wieder hineingenommen hat. Es ist also tatsächlich während der Beratungen über dieses Gesetz die dazwischen gekommene Entwicklung in Korea in vollem Umfange mit überlegt worden, und ich möchte sagen, daß das Preisgesetz dementsprechend auch viel umfassender ausgefallen ist, als es sich etwa unsere Fraktion zu Beginn der Beratungen unter den damals noch gegebenen normalen Verhältnissen als notwendig vorgestellt hatte.
Wir waren bereit, die inzwischen unabweisbar gewordenen Folgerungen zu ziehen, und sie sind in dem Gesetz gezogen worden. Auf agrarischem Gebiet sind sämtliche wichtigen Nahrungsmittel der Preisregelung unterworfen geblieben. Auf dem Gebiete der gewerblichen Wirtschaft sind die gesamten Grundstoffe - Kohle, Koks, Eisen, Nicht-Eisenmetalle - sowie Elektrizität, Gas, Wasser und Treibstoffe in der Preisregelung geblieben. Ebenso ist die Regelung von Richtpreisen für das Holz, ist die Regelung der Preise für die Düngemittel als der wichtigsten Hilfsstoffe für die Landwirtschaft im Gesetz geblieben.
Herr Abgeordneter Kurlbaum zielte auf das Beispiel Kautschuk ab, und er nannte auch die Nichteisenmetalle, Zellstoff und alle diese Güter. Sehen Sie, meine Damen und Herren, das sind Sachen, die wir entweder ausschließlich oder doch zu einem ganz überwiegenden Teil durch Einfuhr beziehen müssen, bei denen wir also nicht den geringsten Einfluß darauf nehmen können, zu welchen Preisen es möglich ist, diese Güter hereinzubekommen. Wir wissen alle, welche finanziellen Schwierigkeiten der Bund zu überwinden hat, wie schwer es ihm fällt, schon auf dem Gebiete der agrarischen Nahrungsmittel und auf dem Gebiete des Wohnungbaus die Hilfen für die Mieter und für die Verbraucher zu leisten, die immerhin Milliardenbeträge im Haushalt aufmachen. Es ist kaum denkbar, daß noch von irgendwoher weitere Beträge für Kautschuk etwa oder für Textilien abgezogen werden können. Bei Dingen, deren Preisentwicklung man sowieso nicht ändern kann. würde eine Preisbindung - das haben wir in den vergangenen Jahren der Zwangswirtschaft zur Genüge kennengelernt - doch in einem Ernstfalle nur ins Leere stoßen. Es würde wieder einen schwarzen Markt geben, und das würde sich als sehr unsozial gerade gegenüber den ärmeren Bevölkerungsschichten erweisen, und zwar viel unsozialer als Preiserhöhungen, die im Augenblick von der deutschen Volkswirtschaft nicht beeinflußt werden können.
Darum bitte ich Sie, der Fassung des Preisgesetzes in dieser Form zuzustimmen, da bereits alles, was wirklich wichtig und von uns beeinflußbar ist, darin enthalten ist und diese generelle Ermächtigungsregelung, die durch Aufnahme des § 6a geschaffen werden soll, als nicht notwendig, ja als gefährlich abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 6, Ziffer 4, einen § 6a einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe weiter auf
({0})
- ich wollte es gerade aufrufen -: § 2 Abs. 1. ({1})
- Der Antrag der SPD ist erledigt. Ich kann also über § 2 Abs. 1 in der Ausschußfassung abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abs. 1 des § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Absatz ist angenommen.
Ich rufe weiter auf § 7, - § 8, - § 9 - unter Berücksichtigung der vorhin im Zusammenhang mit § 3 Abs. 4 und 5 auf Grund des CDU-Antrags beschlossenen Textänderung. Wird das Wort zu den drei Paragraphen gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 7, 8 und 9 unter Berücksichtigung der vorhin beschlossenen Abänderung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
({2})
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe § 10 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der SPD vor, in Zeile 3 die Worte „im Rahmen dieses Gesetzes" zu streichen. Herr Abgeordneter Kurlbaum!
Meine Damen und Herren! Bereits in den Ausschußsitzungen ist von einigen Abgeordneten zum Ausdruck gebracht worden, daß diese Worte „im Rahmen dieses Gesetzes" vielleicht so ausgelegt werden könnten, als ob in Zukunft diese Verordnung vom 13. Juli 1923 nur noch im Rahmen dieses Gesetzes angewendet werden könnte. Da aber die allgemeine Auskunftspflicht gegenüber staatlichen Behörden gerade auf wirtschaftspolitischem Gebiet außerordentlich wichtig ist, möchten wir vermeiden, daß hier eine falsche Auslegung zustande kommt. Wir haben daher den Antrag gestellt, die Worte „im Rahmen dieses Gesetzes" zu streichen, und bitten Sie, unserem Antrage stattzugeben.
Wird dazu das Wort gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag der SPD zustimmen, die Worte „im Rahmen dieses Gesetzes" zu streichen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Ich werde zunächst über § 10 abstimmen lassen, nachdem dieser Abänderungsantrag abgelehnt ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 10 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 10 ist angenommen.
Zu § 11 erteile ich Herrn Abgeordneten Preusker als Berichterstatter das Wort.
Dr. Preusker ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und- Herren! Hier noch einmal eine aus der Verzögerung in der Verabschiedung des Gesetzes notwendige Textänderung; statt: „am 1. Januar 1951" muß es heißen „am Tage nach der Verkündung in Kraft".
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung über § 11 und komme zur Abstimmung über ihn in der Fassung, wie sie sich aus dem Bericht des Herrn Abgeordneten Preusker ergibt. Ich bitte die Damen und Herren, die § 11 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 11 ist angenommen.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zustimmen, die Hand zu erheben. Gegenprobe! - Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, in den als Anlage z § 1 angenommenen Beschlüssen - Anlage 1 auf Seite 11 der Drucksache - in der ersten Gruppe „Getreidewirtschaft" unter „Getreidemahlerzeugnisse ({0})" das Wort „Brot" in „Schrot" zu verändern. Es darf nicht „Brot", sondern muß „Schrot" heißen.
({1})
Das bedarf wohl keiner besonderen Beschlußfassung. - Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die
dritte Beratung
des Gesetzes.
({2}) - Bitte, Herr Abgeordneter Rische!
({3})
Meine Damen und Herren! Der Behandlung des vorliegenden Gesetzes in der Fassung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik muß ich einige allgemeine Bemerkungen vorausschikken. Die westdeutsche Wirtschaft hat sich seit der Beratung des Gesetzes in eigentümlicher Art und Weise „verwandelt". Selbst Wirtschaftler sprechen in Westdeutschland bereits mit großem Unbehagen von der Konjunktur, die mit der Kriegswirtschaftspolitik seit der amerikanischen Aggression in Korea eintrat.
({0})
Für das vorliegende Gesetz läßt sich dazu folgende konkrete Feststellung treffen. Auf dem Gebiet der Preispolitik hat sich die Weltmarkthausse kriegswichtiger Rohstoffe besonders im westdeutschen Preisniveau außerordentlich bemerkbar gemacht. Für die Lebenshaltung der Werktätigen bedeutet die rund dreißigprozentige Heraufsetzung der Preise insbesondere für Kohle, für Stahl, für Lebensmittel und Verbrauchsgüter eine Belastung, die vom Volke nicht mehr getragen werden kann.
({1})
Um die weitere Einordnung der westdeutschen Wirtschaft in die Kriegswirtschaft zu beschleunigen, wird nun auch offen durch die Vorlage dieses Preisgesetzes die Gesetzesmaschinerie in Bewegung gesetzt.
({2})
Die Beschlüsse des 13er Ausschusses sollen offensichtlich den Weg dazu eröffnen. Der Regierung werden durch die Drucksache Nr. 1422 wichtige Ermächtigungen für eine willkürliche Preispolitik zur Verstärkung dieser unheilvollen Rüstungswirtschaft gegeben. In Anbetracht der allgemeinen Preissteigerungen für Kohle und Stahl, Butter und Brot ist darum dieses Preisgesetz in Wirklichkeit ein Gesetz zur Erhöhung der Preise, um weitere Mittel für die Aufrüstung freizubekommen.
({3})
- Nur so, werter Kollege, ist der Abschnitt II § 3 Abs. 1 und Abs.. 2 des vorliegenden Gesetzes zu verstehen. Über politisch nicht vertretbare Ermächtigungen hinaus sieht beispielsweise § 3 Abs. 3 die Bestimmung vor, daß die Regierung weitere Preisfreigaben verfügen kann. Es heißt da wörtlich unter anderem: „wenn die Entwicklung der Marktlage es gestattet". Diese Praxis ist uns nur allzu geläufig. Schon seit den Tagen des Wirtschaftsrats wurde der jeweiligen Marktlage folgend den Preisen freier Lauf gelassen. Die Formulierung im Gesetz: „wenn die Entwicklung der Marktlage es gestattet", öffnet faktisch der amtlichen Preistreiberei Tür und Tor.
Warum man überhaupt noch beliebt, diesen Gesetzesentwurf Preisgesetz zu nennen, hängt augenscheinlich nur mit der politischen Optik zusammen.
({4})
§ 5 Abs. 1 sieht für den Verkehrsminister die Möglichkeit vor, Tarife zu erhöhen. Er ist befugt - so
({5})
heißt es wörtlich -, dies zu tun. Das gleiche gilt für den Kraftverkehr und die Bereiche des Post- und Fernmeldewesens.
Nun zeigt sich auch, meine Damen und Herren, was im Grunde genommen hinter der famosen Zauberformel von der freien Marktwirtschaft Professor Erhards steckt.
({6})
Im Grunde genommen ist es ein riesiger Raubzug der maßlos Reichen auf die Taschen der Verbraucher. Die Preise pendeln, aber sie pendeln nach oben; und die Praxis hat ergeben, daß auch jene Versprechungen: „Preissenkungen werden Preisvorschriften gegenstandslos machen" mehr für die politische Optik, aber nicht für die Praxis des Lebens formuliert wurden.
Bei der Umstellung der westdeutschen Wirtschaft von der Produktion für den zivilen Bedarf auf die Rüstungswirtschaft ist darum die Bonner Preispolitik zu einer wesentlichen Feder im unheimlichen Uhrwerk des Krieges geworden.
({7})
Dies ist doch der eigentliche Sinn, meine Damen und Herren, der Erhard-Wirtschaft. Sie bestreiten dies, obwohl Sie innerlich genau wissen, daß es so ist.
Der gesetzlich sanktionierte Preiswucher der zur Rüstung drängenden Schwerindustrie, des Schwermaschinenbaues, der chemischen Industrie usw. ist darum zu einer ernsthaften Gefahr für den Frieden und den Lebensstandard der Werktätigen geworden. Angesichts der ganzen Praxis ist dieser Entwurf eines Preisgesetzes gelinde gesagt höchstens ein schamloses, - schamvolles Feigenblatt,
({8})
das die schamlose Wirtschaftspolitik der Rüstungsspekulanten noch nicht einmal zu verdecken vermag!
({9})
Es ist ein Gesetz zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Besatzungsstatut, des ECA-Vertrags, des sogenannten westdeutschen Verteidigungsbeitrags, der Politik der Remilitarisierung; und Herr Preusker hat das Stichwort gegeben!
({10})
Er erklärte: „Bei der Behandlung dieses Gesetzes wurde die Entwicklung in Korea mitberücksichtigt." Der Schatten Koreas, der Schatten des Krieges lastet auf diesem Gesetz. Im Interesse der Erhaltung des Friedens und wegen ihrer ernsten Bedenken gegen die gegenwärtigen Tendenzen in der Wirtschaftspolitik muß meine Fraktion dieses Gesetz ablehnen.
({11})
Ich halte es für unzweckmäßig, daß der Abgeordnete Rische dem in der Kulturgeschichte öfter vorkommenden Feigenblatt Schamlosigkeit in die Schuhe schiebt.
({0})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung der dritten Beratung.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung über den Gesetzentwurf: §§ 1 bis 11, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der aus der zweiten Lesung hervorgegangenen Fassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß dieses Gesetz erledigt ist; es hält bisher den Rekord in bezug auf Absetzung von der Tagesordnung.
Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes für Sicherungs- und Überleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({2}) ({3}).
({4})
({5})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Preusker!
Meine Damen und Herren! Diese Drucksache ist den Abgeordneten des Bundestages erst am heutigen Morgen vorgelegt worden. Unter Bezugnahme auf § 36 der Geschäftsordnung sieht sich meine Fraktion leider gezwungen, der Behandlung dieses bedeutsamen und sehr eingehende Überlegungen erfordernden Gesetzentwurfes am heutigen Tag zu widersprechen.
({0})
Sie haben den Widerspruch des Herrn Abgeordneten Preusker gehört. Meine Damen und Herren, soll dazu das Wort genommen werden?
Herr Abgeordneter Kurlbaum hat das Wort.
Meine Damen und Herren, wir von der SPD bedauern es außerordentlich, daß dieser Antrag gestellt worden ist. Wir sehen zwar formal keine Möglichkeit, etwas gegen diesen Antrag zu tun; aber wir glauben, daß damit der deutschen Wirtschaft kein guter Dienst geleistet wird. Es mögen Unvollkommenheiten in diesem Gesetz vorhanden sein; aber es bringt immerhin eine Ermächtigung zu Bestimmungen gegen übermäßige Hortung und gibt der Regierung die Möglichkeit, auch Verwendungsverbote zu erlassen. Wir würden uns außerordentlich freuen, wenn es möglich wäre, die Verwendungsverbote baldmöglichst auszuarbeiten und zu verkünden; denn sie sind bei unserer sehr schwierigen Rohstofflage dringend notwendig.
Wir würden es daher begrüßen, wenn dieser Antrag zurückgezogen würde.
Meine Damen und Herren, es handelt sich um keinen Antrag, über den abgestimmt werden kann. Die Vorschrift des § 36 ist zwingend. Die Frist kann nur verkürzt werden, wenn nicht zehn Mitglieder des Hauses widersprechen. Ich nehme an, daß die Fraktion der FDP widerspricht. Damit ist die Abkürzung dieser Frist nicht möglich. Ich bedauere also, diesen Punkt der Tagesordnung nicht zur Behandlung stellen zu können. Ich weise allerdings darauf hin, daß er morgen auch nicht behandelt werden kann, wenn dieser Widerspruch aufrechterhalten werden wird. Damit entfällt Punkt 17 der Tagesordnung.
Zu Punkt 18 der Tagesordnung
Zweite Beratung des von der Fraktion der
DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
({0})
zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten vom 18. Februar 1927 ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({2}) ({3});
({4})
habe ich zur Kenntnis zu bringen, daß die Fraktion der Deutschen Partei durch ein mir zugeleitetes Schreiben ihren eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten zurückgezogen hat. Damit dürfte der Bericht des Ausschusses, Herr Abgeordneter Bärsch, entfallen.
({5}) - Herr Abgeordneter Preusker, bitte!
Herr Präsident! Unter Berufung auf § 36 der Geschäftsordnung bitten wir um Zurückverweisung des Punktes 17 der Tagesordnung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
Der Herr Abgeordnete
Preusker bittet - ich habe ihn so verstanden - zu Punkt 17 der Tagesordnung um nochmalige Verweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Meine Damen und Herren, ich habe keinen Zweifel, daß das möglich ist. Da dieser Punkt heute nicht behandelt wird, steht es dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik frei, diese Frage weiter zu beraten.
Der Herr Abgeordnete Kurlbaum hat dazu das Wort.
Meine Damen und Herren! Wenn die Gesetzesvorlage nochmals an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik verwiesen werden soll, dann bitte ich, auch den Antrag, den wir zur zweiten Beratung gestellt haben, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik mit zu überweisen, damit er dort gleichzeitig behandelt werden kann.
Ich darf annehmen, daß Einverständnis darüber besteht, die Entschließung Umdruck Nr. 38 ebenfalls dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.
Damit ist der Punkt 17 der Tagesordnung erledigt, ebenso Punkt 18.
Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Strauß, Dr. Horlacher, Graf von Spreti und Genossen betreffend Auslandwerbung für den Fremdenverkehr in Deutschland ({1}).
Es war vom Ältestenrat in Aussicht genommen, nach der Berichterstattung keine Aussprache stattfinden zu lassen. Die Fraktion der SPD hat mich gebeten, eine kurze Aussprachezeit anzusetzen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, wenn wir äußerstenfalls 40 Minuten vorsehen.
Zur Berichterstattung hat das Wort der Herr Abgeordnete Cramer.
Cramer ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Verkehrswesen, der bei der Behandlung des Antrages Drucksache Nr. 490 der Abgeordneten Strauß, Dr. Horlacher, Graf von Spreti und Genossen federführend war, hat sich schon seit Monaten mit diesem Antrag beschäftigt und selbstverständlich auch die Stellungnahme des Bundesverkehrsministeriums eingeholt. Das Bundesverkehrsministerium stellt in seiner Stellungnahme fest, daß es die Notwendigkeit, den Fremdenverkehr in der Bundesrepublik aus ideellen und materiellen Gründen zu fördern und insbesondere im Ausland Fremdenverkehrswerbung zu betreiben, durchaus anerkenne und zweckentsprechende Maßnahmen bereits seit längerer Zeit getroffen habe. Im Bundesverkehrsministerium wurde auch ein besonderes Referat „Förderung des Fremdenverkehrs" eingerichtet. Das Bundesverkehrsministerium legt allerdings Wert darauf, für alle Fragen, die mit der Förderung des Fremdenverkehrs im Zusammenhang stehen, federführend zu sein, wobei es den anderen Bundesministerien deren besondere Kompetenzen, beispielsweise zur Regelung der Devisenangelegenheiten durch das Finanzministerium oder der speziellen Fragen des Hotel- und Gaststättengewerbes durch .das Wirtschaftsministerium, nicht streitig macht.
Wir haben im Ausschuß festgestellt, daß über die Frage der, Federführung im Kabinett bisher keine Einigung erzielt werden konnte. Soviel ich weiß. hat sich der Herr Bundeskanzler die Entscheidung darüber persönlich vorbehalten. Obwohl Monate darüber ins Land gegangen sind. ist diese Entscheidung bis heute - soviel ich weiß - noch nicht Gefallen. Nach Auffassung des Ausschusses für Verkehrswesen und auch nach der Auffassung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses. der meines Wissens sonst einen anderen Standpunkt vertritt, muß diese Frage im Interesse der Fremdenverkehrswerbung so schnell wie möglich geklärt werden.
Fremdenverkehrswerbung ist aber nicht möglich, ohne daß dafür entsprechende Mittel aufgewendet werden. Das Bundesverkehrsministerium kommt in seiner Stellungnahme auch zu der Feststellung, daß der Bund dafür Mittel bereitstellen muß. In den Jahren vor 1933 wurden allein für die Auslandswerbung via Reichsbahn jährlich ca. 4 Millionen Mark Zuschuß geleistet. Die frühere Verkehrsverwaltung hatte für 1949 hierzu leider nur einen Betrag von 250 000 Mark aus Mitteln der Bundesbahn und von 110 000 Mark aus eigenen Mitteln zur Verfügung stellen können.
Für 1950 ist, wie ich mich überzeugt habe, ein wesentlich höherer Betrag vorgesehen. Insgesamt sind 3 Millionen DM vorgesehen. Davon hat der Haushaltsausschuß vor einiger Zeit einen Betrag von 500 000 Mark vorweg bewilligt, nachdem vorher schon einmal 275 000 Mark vorweg bewilligt worden sind.
Nun, meine Damen und Herren. der Antrag hat sich, so wie er damals gestellt worden ist, im Laufe der Zeit wie so manche Dinge von selbst erledigt, wenigstens in seinen wesentlichsten Bestandteilen.
Der Bundesminister für Verkehr hat dem Verkehrsausschuß des Bundestages am 3. November zu den Punkten, die der Verkehrsausschuß als wichtig herausgestellt hatte, im einzelnen folgendes mitgeteilt. Der Einfachheit halber will ich diese Feststellung innerhalb des Berichts des Ausschusses zur Kenntnis bringen.
In USA ({3}) besteht mit Genehmigung der Hohen Kommission bereits ab 15. Februar 1950 ein Informations- und Werbebüro der vom Bundesministerium für Verkehr damit beauftragten Deutschen Zentrale für Fremdenverkehr. In Frankreich ({4}), in England ({5}), in der Schweiz ({6}), in Dänemark ({7}), in
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Schweden ({9}) und in Italien ({10}) nehmen nach Bereitstellung der erforderlichen Mittel durch das Bundesministerium für Verkehr Informations- und Werbestellen in diesen Tagen
- das war am 3. November nach erfolgter Genehmigung der Hohen Kommission ihre Arbeit ebenfalls auf, bzw. es haben entsprechende Vorarbeiten bereits eingesetzt.
Damit, meine Damen und Herren, ist in Übereinstimmung mit den Anschauungen des Verkehrsausschusses und des Wirtschaftspolitischen Ausschusses die Errichtung besonderer Fremdenverkehrsabteilungen in den konsularischen Vertretungen überflüssig geworden. Die von den Ausschüssen gewünschte Zusammenarbeit zwischen den wirtschaftlichen Außenvertretungen und den Vertretungen der Zentrale für Fremdenwerbung findet in der Praxis bereits statt.
Zu einer weiteren Anregung des Ausschusses stellt das Verkehrsministerium fest:
Die deutschen Reisebüros arbeiten jetzt bereits mit Agenturen im Ausland, z. B. das DER. Eigene deutsche Reisebüros im Ausland können zurzeit aus Kostengründen nicht errichtet werden. Im Zuge der Revision des Besatzungsstatuts bezw. der Beendigung des Kriegszustandes wird das bisherige Verbot eigener deutscher Reisebüros im Auslande von selbst hinfällig werden. Ein besonderer Vorstoß in dieser Frage bei der Hohen Kommission erscheint daher nicht zweckmäßig oder erforderlich, da ein aktueller Anlaß nicht vorliegt.
Von den Antragstellern und vom Ausschuß war angeregt worden, für Erleichterungen bei der Ein-und Ausreise Sorge zu tragen. Dazu stellt das Bundesverkehrsministerium fest, daß Maßnahmen zur Erleichterung von Ein- und Ausreise bei der Deviseneinwechselung durch Ausländer im Laufe der letzten Monate bereits weitgehend getroffen worden sind, bezw. es stehen weitere Erleichterungen bevor, beispielsweise die Errichtung eines Bundespaßamtes.
Auch war im Ausschuß der Wunsch ausgesprochen worden, für den Devisenumtausch Erleichterung zu schaffen. Auch da sollen inzwischen Erleichterungen eingetreten sein, z. B. dadurch, daß in führenden Hotels Devisen umgetauscht werden können.
Der Ausschuß hat noch einen besonderen Wunsch, den nämlich, daß bei der personellen Besetzung der Reise- und Informationsstellen im Ausland eine besonders sorgfältige Auswahl getroffen wird. Diese Auslandsstellen dürfen nicht wieder zu Propagandastellen unseligen Angedenkens werden, ebensowenig wie sie zu Pfründen für Leute werden dürfen, die wir auf solchen Posten nicht wieder zu sehen wünschen. Auch die Alliierte Hohe Kommission hat ja bei der Einrichtung der Auslandswerbestellen in den einzelnen Genehmigungsschreiben ausdrücklich angeordnet, daß in diesen Stellen eine kommerzielle oder politische Tätigkeit nicht stattfinden darf, daß sich diese Auslandsstellen also lediglich auf die Werbung für den Fremdenverkehr zu beschränken haben, während sie das Kommerzielle den ausländischen Reisebüros zu überlassen haben. Ihre Tätigkeit darf sich also lediglich auf die Werbung und auf die Beratung der ausländischen Reisebüros erstrecken. Diesen Wunsch des Ausschusses habe ich hiermit vorgetragen und ich hoffe, daß die
Bundesregierung, soweit sie Einfluß auf die Besetzung dieser Stellen hat, diesem Wunsche des Ausschusses Rechnung trägt.
Meine Damen und Herren! Ich habe es mir erspart, auf die Bedeutung des Fremdenverkehrs als Devisenbringer, soweit die Fremdenverkehrswerbung im Ausland dabei in Frage kommt, und auf die Bedeutung der Fremdenverkehrswerbung für die Volksgesundheit usw. einzugehen. Ich glaube, das alles sind Selbstverständlichkeiten, auf die man hier nicht besonders hinzuweisen braucht, ebensowenig wie auf die Notwendigkeit, daß alle Teile der Bundesrepublik, von den süddeutschen Hochgebirgskurorten bis zu den Seebädern im Norden unseres Bundesgebiets, gleichmäßig von dieser Werbung profitieren sollen. Daß dies geschieht, dafür werden, glaube ich, schon die Selbstverwaltungsorganisationen des Fremdenverkehrs sorgen.
Es ergibt sich also, daß der Antrag der Abgeordneten Strauß, Dr. Horlacher, Graf von Spreti und Genossen durch die inzwischen eingetretene Entwicklung als überholt angesehen werden kann, so daß der Ausschuß Ihnen empfiehlt, den Antrag Drucksache Nr. 490 durch die inzwischen erfolgte Entwicklung und durch die vom Bundesverkehrsministerium getroffenen Maßnahmen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
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Herr Abgeordneter Jacobs.
Herr Präsident! Hohes Haus! Wenn es sich bei dem hier zur Debatte stehenden Antrag lediglich um die Erfüllung materieller Bedürfnisse handeln würde, die ursprünglich den Antragstellern Veranlassung waren, Forderungen nach dieser Richtung zu erheben, dann hätte sicherlich dem Bedürfnis dieses Hauses nach möglichst schnellem Auseinandergehen - d. h. für die Angehörigen der Regierungsparteien trifft das nur für den heutigen Tag zu - Rechnung getragen werden können. Aber die Erfahrungen in der Zwischenzeit insbesondere auf dem Gebiet der Fremdenverkehrswerbung berechtigen meine Fraktion leider nicht zu der Annahme, daß entscheidende Änderungen beabsichtigt seien, vor allen Dingen, daß erkannt worden sei, wie wir speziell auf diesem so wesentlichen Gebiet den Anschluß an die Bedingungen der Umwelt doch sehr weitgehend verloren haben.
Meine Fraktion ist in erster Linie auch sehr skeptisch, da die weitgehend personelle Frage, die damit angeschnitten wird, federführend in die Hände des Verkehrsministeriums gelegt wird, und zwar nicht deshalb, weil diese Angelegenheit materiell nicht zur Natur des Verkehrsministeriums gehören würde, sondern vor allem, weil die Person des Verkehrsministers im Hinblick auf die bekanntgewordenen nationalistischen Tiraden seiner Sonntagsausführungen uns nicht sonderlich geeignet erscheinen, das Aktivum der Fremdenwerbung auch als solches für uns benutzen.
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Ich hatte bereits gelegentlich der Einbringung dieses Antrages die Ehre, im Namen meiner Fraktion auf gewisse Notwendigkeiten hinzuweisen, und bitte auch jetzt wieder zu berücksichtigen, daß es im Interesse der Entwicklung einer so wichtigen, nicht nur vom Gesichtspunkt der Wirtschaft, sondern auch vom Gesichtspunkt der zwischenstaatlichen Beziehungen aus bestehenden Einrichtung
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unbedingt erforderlich ist, auf diesem Gebiet nach dringend notwendigen neuen Ideen Umschau zu halten. Es darf nicht sein, daß - diese Gefahr besteht - diejenigen Leute glauben, damit Entscheidendes für den Fremdenverkehr getan zu haben, die Goethe als Schießbudenfigur auf Plakaten bringen oder den Faltenwurf ehrwürdiger deutscher Madonnen neppisch mit einer umgedrehten Fahrradmütze enden lassen, ohne daß wir nun dem anderen Extrem das Wort reden, wie es seitens der Amerikaner gemacht wird, die in ihren Reisebüros die Reiselustigen auffordern, so schnell wie möglich Deutschland zu besuchen, ehe die Ruinen mit amerikanischem Geld wieder aufgebaut seien. Eine Änderung unserer Werbung braucht auch nicht etwa im Sinne des Mottos eines amerikanischen Beerdigungsinstituts zu erfolgen, das da schreibt: Warum halbtot herumlaufen, wenn Sie für 30 Dollar beerdigt werden können?!
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Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß wir vor der Notwendigkeit stehen, auf einem, wie mir scheint, uns wesensfremden Gebiete mehr zu unternehmen, als in der Vergangenheit geschehen ist. Vor allen Dingen kommt es auch in einem entscheidenden Ausmaß auf das Wie an. Wenn sich in der Vergangenheit unsere diplomatischen Vertreter und insbesondere die Angehörigen unserer Presse darüber beschweren mußten, daß die Verleger beispielsweise nicht genügend Verständnis für ihre Bedürfnisse hatten, die sie nun einmal als Auslandsjournalisten in Erfüllung ihrer schwierigen Aufgabe haben mußten, wenn sie vernünftige Arbeit leisten wollten, dann sollten wir daran denken, daß Fremdenwerbung so und so gemacht werden kann.
Insbesondere scheint sich aber auch die Bundesregierung nicht genügend um das bemüht zu haben, was damals Ausdruck der Debatte gelegentlich der Einbringung dieses Antrages gewesen ist, als auf den unmöglichen Zustand der immer noch vorhandenen Naturschutzparke hingewiesen wurde, die sich die Amerikaner insbesondere im bayerischen Gebiet zugelegt haben. Ich möchte nicht annehmen, daß dieses hermetische Abschließen und das Vorhandensein für die deutsche Bevölkerung verbotener Zonen innerhalb der landschaftlich schönsten Gebiete Deutschlands, die für die Fremdenwerbung besonders wichtig sind, Rudimente einer Politik darstellen, die im Jahre 1945 ein Fraternisierungsverbot vorgesehen hat. Wenn es auf der anderen Seite ein Sicherheitsbedürfnis vor Angriffen der deutschen Bevölkerung sein sollte, dann darf darauf hingewiesen werden, daß es im Jahre 1950 nicht mehr Gültigkeit haben dürfte, da nicht jeder das Glück hat, in der Neuen Welt geboren zu sein, und es sich allmählich herumgesprochen haben müßte, daß die Fälle von Kannibalismus im alten Europa auch nur noch verhältnismäßig selten sind.
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Auch aus diesem Grunde würden wir größten Wert darauf legen, daß die Frage der Fremdenwerbung für Deutschland im Ausland mit dem Ernst angesehen wird, die sie aus den verschiedensten Gründen verdient, einmal der wirtschaftlichen Voraussetzungen wegen, aber auch im Hinblick darauf, daß es notwendig ist, daß sich die Menschen der verschiedenen Völker in Zukunft möglichst in Massen kennenlernen, ohne gezwungen zu sein, einen Rock zu tragen, der mehr als vier Knöpfe hat und der stets nur Unglück über alle Nationen gebracht hat. Deshalb legen wir Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion Wert darauf, auch die Frage zu prüfen, welche Voraussetzungen geschaffen werden können, daß nicht nur dollarschwere Leute zu uns kommen, sondern auch derjenige Teil der Bevölkerung, der in seiner Vergangenheit meist gegen seinen Willen und zu einem schlechten Zweck in dieses andere Land hineingetrieben wurde.
Wenn es in der Vergangenheit im negativen Sinn als Ausdruck der Zerrissenheit Europas bei Kurt Tucholsky einmal geheißen hat, daß in Europa jeder einmal Inländer und zweiundzwanzigmal Ausländer sei und, wer klug sei, dreiundzwanzigmal, dann sollten wir das als positive Eigenschaft zur Grundlage unserer Handlungen machen und dafür besorgt sein, daß endlich die Möglichkeit eines Fremdenverkehrs in einem Ausmaße genutzt wird, wie es die voraussetzungen jeder sinnvollen Tätigkeit sein müßten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
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- Drei Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure unendlich, daß ich noch zu so später Abendstunde genötigt bin, auf die Ausführungen meines Herrn Vorredners einige kurze Worte zu sagen. Es ist selbstverständlich, daß wir alle in diesem Haus, die wir das Wohl des großen Ganzen wollen, über die Fremdenwerbung einer Meinung sind. Wir sind auch in diesem Hause derselben Meinung über die Tatsache, daß sich die Besatzungsmächte gerade an fremdenverkehrsmäßig besonders wesentlichen Orten noch eigene Paradiese vorbehalten haben und darüber, daß unter diesen Umständen der Fremdenverkehr sicherlich behindert ist. Wenn aber in diesem Zusammenhang der Herr Vorredner den meiner Fraktion angehörenden Verkehrsminister nannte, diese Debatte zum Anlaß nahm, in die richtige Besetzung des Ministeriums Zweifel zu setzen, und diese Besetzung als Behinderung für die Förderung des Fremdenverkehrs kennzeichnete. so meine ich, daß damit eine Schädigung gesamtdeutscher Interessen vorliegt.
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Wenn wir in Herrn Minister Seebohm Gott sei Dank einen außerordentlich temperamentvollen, beweglichen und geistig anregenden Menschen im Ministerium haben und wenn an seinen temperamentvollen Reden hier und da Anstoß genommen worden sein sollte, so hat er sich bestimmt nicht in ähnlicher, ich darf wohl sagen höhnisch-schnöder Schärfe gegen die Besatzungsmacht geäußert, wie es sich Herr Jacobs eben geleistet hat.
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Wir alle werden in der Beziehung verschiedene Vorbehalte gegenüber dem Verhalten der Besatzungsmächte zu machen haben. Daß es bei unserer allgemeinen Lage eines ungeheuren Maßes von Takt bedarf, um nicht Anstoß zu erregen, ist uns allen geläufig. Wenn diese Dinge aber der SPD-Mann Jacobs ausspricht, sind sie offenbar volksverbunden und unbeanstandbar, und wenn sie ein Seebohm sagt, sind sie „nationalistisch". Diese Unterscheidung müssen wir uns verbitten. Jeder macht die Politik, die er in seinem Herzen und nach gutem und bestem Wissen und Gewissen für
Deutscher Bundestag - 107: Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 14. Dezember 1930 4053
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richtig hält. Aber wir müssen es uns verbitten, einen Minister deswegen zu verdächtigen, weil er seine eigene Politik verfolgt, allerdings bestimmt nicht die SPD-Politik!
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Meine Damen und Herren, ein Bedürfnis nach einer Aussprache über diesen Punkt scheint nicht zu bestehen. Ich schließe die Besprechung. Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 1633. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit ist der Punkt 19 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({0}) über den Antrag der Abgeordneten Schuler und Genossen betreffend Verwendung von Naturwerksteinen für Bauvorhaben und über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Osterle, Kemmer, Dr. von Brentano und Genossen betreffend Förderung der einheimischen Steinindustrie ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Stegner. Für diesen Punkt ist eine äußerste Redezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich bitte, damit einverstanden zu sein, daß der Herr Berichterstatter 10 Minuten spricht.
Stegner ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Ich werde Ihre Aufmerksamkeit keine 10 Minuten in Anspruch nehmen müssen, denn das Thema „Natursteine" hat das Plenum des Deutschen Bundestags bereits in der 82. Sitzung beschäftigt. Damals allerdings hat das Plenum die Materie an den Ausschuß zurückverwiesen.
Die Schwierigkeit in der Behandlung der Anträge auf Förderung des Natursteingewerbes lag für den Wirtschaftsausschuß darin, daß derartige Anträge auf Gewerbeförderung nur sehr schwer in die Arbeit des Hauses eingeordnet werden können. Es gibt für solche spezielle Forderungen, sei es von Gewerbegruppen oder von Regionen, kaum gesetzliche Möglichkeiten. Man kann sich also immer nur auf Empfehlungen beschränken. Das macht die Sache von vornherein etwas schwierig. Da darüber hinaus zu gewissen Zeiten der Ausschuß für Wirtschaftspolitik von Gewerbegruppen mit Förderungsersuchen geradezu überschwemmt wurde, mußten wir dafür sorgen, daß Beispielsfälle ausgeschaltet wurden. Wir haben deswegen sehr genau die Frage des Natursteingewerbes überhaupt prüfen müssen, vor allen Dingen nach der Richtung, ob überhaupt ein öffentliches Interesse an der Förderung vorliegt.
Das Natursteingewerbe umfaßt 3 Gruppen: die Natursteinindustrie, das Natursteinhandwerk und das Steinbildhauerhandwerk. Es hat etwas über 30 000 Arbeitnehmer und ist zur Zeit mit etwa 40 % seiner Kapazität beschäftigt. Wir haben feststellen können, daß das Natursteingewerbe in den letzten 20 Jahren eine unnatürliche Ausweitung erfahren hat durch die Fülle von Bauten, die eben in dieser Zeit durchgeführt wurden, so daß eine gewisse Schrumpfung sicherlich ein natürlicher Vorgang ist. Wir waren uns aber auch darüber klar, daß zwei Gefahrenpunkte bestehen, nämlich einmal, daß im Natursteinhandwerk und im Steinbildhauerhandwerk durch starke Schrumpfung die Möglichkeit der Lehrlingsausbildung vollkommen verschwinden würde. Ein derartig traditionsgebundenes Gewerbe aufrechtzuerhalten, sollte schon der Förderung wert sein.
Zum zweiten war uns die Bedeutung der Natursteingewerbe für die Baukultur unserer Zeit schlechthin klar. Wir glaubten also aus diesen Gründen dem Plenum einen Ausnahmefall vortragen zu dürfen.
Die weitere Schwierigkeit der Materie liegt darin, daß die eigentliche Bauhoheit bei den Ländern liegt und wir nichts weiter tun können, als der Bundesregierung zu empfehlen, daß bei Bauten, die von ihr gefördert werden, oder bei Bauten der Bundespost und Bundesbahn, bei Kunstbauten des Wasserbaus und des Straßenbaus, das Natursteinhandwerk durch Heranziehung weitestgehend gefördert wird. Feste Grundlagen lassen sich dafür nicht schaffen, da ja derartige Aufträge ausgeschrieben werden und überdies haushaltsrechtlich eingeengt sind. Ich erwähne das, weil ein Land, und zwar das Land Bayern, diese Frage durch Gesetz geregelt hat und im Gesetz festlegte, daß eine bestimmte Quote der Bauaufträge für die Verwendung von Natursteinen freigehalten werden muß. Das können wir natürlich nicht machen, das ist logisch, aber wir haben doch feststellen können, daß die Förderung des Natursteingewerbes in weitestem Umfange erstens zur Erhaltung unserer Baukultur von ganz ausschlaggebender Bedeutung ist und zweitens auch die hier im Hause schon viel besprochene Lehrlingsnot in diesem wichtigen Zweige beseitigen hilft.
Ich möchte Sie deswegen bitten, den Antrag Schuler, den wir hier in dem Bericht, der Ihnen vorliegt, nach den einzelnen Möglichkeiten unterteilt haben, heute durch einen Beschluß anzunehmen und damit diesen Förderungsersuchen eine parlamentarisch beschlossene Grundlage zu geben, die einmal diesen 30 000 Arbeitern des Gewerbes, dann der Lehrlingsausbildung und der traditionsgemäßen Fortbildung unserer Baukultur zugute kommt.
Der zweite Antrag, der Antrag Dr. Solleder und Genossen, befaßt sich mit Außenhandelsfragen des Natursteingewerbes und ist durch die augenblickliche Entwicklung überholt. Ich bitte Sie, diesen Antrag für erledigt zu erklären.
Ich bitte Sie also, diesem mündlichen Bericht und dem Antrag zuzustimmen, und bitte ferner die Bundesregierung, diesen Antrag bei der Vergebung von Bauten und in der Empfehlung an Länder, Bundesbahn, Bundespost usw. mit dem nötigen Ernst zu berücksichtigen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Es meldet sich niemand zum Wort. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 1628, I und II.
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- Da nur mindestens fünf Abgeordnete die Beschlußfähigkeit bezweifeln können, ist diese Bezweiflung gegenstandslos. - Ich komme zur Abstimmung. Wer für den Antrag auf Drucksache Nr. 1628 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, im Einvernehmen mit dem Antragsteller schlage ich Ihnen vor, den Punkt 22 der Tagesordnung auf die morgige Sitzung zu vertagen, und rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf:
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Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung ({2}) betreffend Entnazifizierung ({3}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Brill.
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, diesen Punkt der Tagesordnung ohne Debatte zu erledigen. Es liegt allerdings ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor, der begründet werden muß. - Bitte, Herr Abgeordneter.
Dr. Brill ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Auch ich hoffe, mich sehr kurz fassen zu können. Der Herr Abgeordnete Dr. Menzel hat in der 92. Sitzung des Deutschen Bundestages am 18. Oktober 1950 einen sehr ausführlichen Bericht zu dieser Sache gegeben. Der Bericht bezog sich auf die Anträge Nr. 13, 27, 97, 99, 482, 609, 1057 und beinhaltete die Arbeiten der Ausschüsse für Rechtswesen und Verfassungsrecht und zum Schutze der Verfassung. In dieser Sitzung sind Abänderungsanträge seitens der Herren Abgeordneten von Thadden und Genossen und Dr. Oellers und Fraktion eingebracht worden. Sie waren die Veranlassung, die Sache noch einmal an den Ausschuß zurückzuverweisen. Der Ausschuß zum Schutze der Verfassung hat sich in seiner 18. Sitzung am 23. November dieses Jahres mit der Angelegenheit erneut befaßt und zuerst die Frage geprüft, ob die Sache nicht überhaupt durch den Zeitablauf erledigt ist; denn der erste Antrag, der Antrag Nr. 13, ist bereits am 8. September vorigen Jahres eingebracht worden. Die Gesetzgebung ist in dieser Zeit wesentlich fortgeschritten, und die Verhältnisse haben sich grundlegend geändert.
Zur Begründung der Fragestellung, ob die Sache nicht überhaupt auf sich beruhen könnte, wurde darauf verwiesen, daß die Spruchgerichte in der britischen Zone ihre Tätigkeit vollständig beendet haben. Außerdem wurde vermerkt, daß im amerikanischen Besatzungsgebiet in allen Ländern Gesetze zur Beendigung der Entnazifizierung erlassen und in Kraft gesetzt worden sind. Nach einer zur Verfügung stehenden Statistik gab es bereits am 30. November 1949 im ganzen amerikanischen Besatzungsgebiet nur noch 552 Fälle, die bei einer Zentralspruchkammer oder einer Zentralberufungskammer in jedem Lande anhängig waren. Seit dem 16. November dieses Jahres befindet sich niemand mehr in einem Arbeitslager. Die Begnadigungsakte haben in allen Ländern einen außerordentlich großen Umfang angenommen, wenn auch das. Begnadigungsrecht sehr verschieden gehandhabt worden ist, in Bayern nämlich so, daß es in einem erzieherischen Sinne mit Teilerlassen ausgeübt wurde, in Württemberg-Baden so, daß in großem Umfange alle Sühnen erlassen worden sind und in Hessen zu einem Teile so, daß. Totalbegnadigungen versagt worden sind, aber daß dann in späterer Zeit die Minderung der staatsbürgerlichen Rechte, die sich aus den Entscheidungen der Spruchkammern ergaben, fast vollständig aufgehoben wurde. Schließlich ist bemerkt worden, daß eine Beschlußfassung des Bundestages und eine darauf beruhende Tätigkeit der Bundesregierung bzw. des Bundesministers des Innern staatsrechtlich doch eigentlich ins Leere geht; denn zu irgendwelchen Rechtspflichten kann ein Beschluß des Bundestages in bezug auf die Tätigkeit der Spruchkammern oder der Abwicklungsstellen der Befreiungsministerien oder die Ausübung des Gnadenrechts durch die Ministerpräsidenten nicht führen.
Schließlich ist aber die Frage, ob die Sache weiter behandelt werden soll, doch bejaht worden. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Einstellung der Tätigkeit der Spruchgerichte im britischen Besatzungsgebiet das Thema noch nicht abschließt. Die Tätigkeit der Ausschüsse geht weiter; und wenn auch der britische Hohe Kommissar darauf verzichtet hat, tatsächlich von den Rechten, die ihm zustehen, Gebrauch zu machen, so ist es doch theoretisch möglich, daß sie von deutschen Ausschüssen in Anspruch genommen werden könnten. Weiter wurde gesagt, daß noch nicht in allen Ländern Abschlußgesetze vorliegen. In diesem Zusammenhang wurde auf die Gesetzgebung in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und vor allen Dingen in Württemberg-Hohenzollern hingewiesen. Ich darf in Ergänzung dessen, was ich aus der Ausschußberatung zu berichten habe, darauf aufmerksam machen, daß in Württemberg-Hohenzollern ein solches Abschlußgesetz erst in diesen Tagen zur zweiten und dritten Lesung in den Landtag kommen wird.
Besonders aber wurde betont, daß die Wirkungen von Entnazifizierungsbescheiden in bezug auf das Wahlrecht in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich sind und hier eine einheitliche Regelung sehr erwünscht wäre. Außerdem wurde betont, daß die Ziffer II, die in der ersten Tätigkeit des Ausschusses in den Beschluß hereingekommen ist, sehr wichtig sei und darauf nicht verzichtet werden könne.
So hat der Ausschuß also beschlossen, die Behandlung fortzusetzen, und ich darf Ihnen das Ergebnis in abgekürzter Weise vortragen, dabei die Antragsteller bitten, damit einverstanden zu sein, daß ich nicht alle Einzelheiten Ihrer Anträge berühre.
Es bleibt demnach -- wenn Sie so freundlich sein wollen, die Drucksache Nr. 1658 einmal zur Hand zu nehmen - bei I Ziffer 1 bei der ursprünglichen Ausschußfassung. Der weitergehende Antrag der FDP ist abgelehnt worden.
In den Ziffern 2-7 sind alle Termine vereinheitlicht worden. Soweit also Abschlüsse in Frage kommen, sind sie auf den 31. März festgesetzt worden, sonst auf den 1. April. Das ist praktisch dasselbe.
In Ziffer 5 hat der Ausschuß den besseren Wortlaut des FDP-Antrages akzeptiert. Er liegt Ihnen vor.
In Ziffer 8 ist eine wesentliche materielle Änderung zustande gekommen, und zwar in der Weise, daß sich SPD und FDP geeinigt haben. Die FDP hat die Anregung der Sozialdemokraten akzeptiert, daß Sühnegelder und Verfahrenskosten, die den Betrag von 2 000 Deutschen Mark übersteigen, eingezogen werden sollen, und die SPD ist damit einverstanden, daß die ganzen Bagatellsachen, die so unendlich viel Verwaltungsarbeit verursachen, dabei aber einen sehr geringen finanziellen Effekt haben, mit Wirkung vom 1. Januar 1951 ab eingestellt werden, damit die Vollzugsbehörden die Hände frei bekommen, um sich an die „fetten Brocken" zu machen.
Schließlich, meine Damen und Herren, ist die Nr.
II völlig unverändert geblieben.
Der Ausschuß hat aber dann in Nr. III, IV und V a und b einige neue Gedanken eingefügt. Ich darf, um abzukürzen, auf den Text verweisen. Nr.
III ({5}) ist vom Ausschuß einstimmig angenommen worden. Dasselbe gilt für Nr. IV ({6}).
Bei Nr. V a sind vom Bundesjustizministerium Bedenken gegen die Möglichkeit der praktischen
({7})
Durchführung erhoben worden. Man hat sich aber dahin verständigt, daß der Beschluß zu V a nur ein Beschluß im Prinzip sein soll und daß später eine Verständigung über die praktische Ausführung zwischen dem Bundesjustizministerium und dem Ausschuß bzw. dem Bundestag herbeigeführt werden solle.
Bei Nr. V b, Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes für alle im Bundesgebiet wohnenden politisch, rassisch oder religiös verfolgten Personen, bestand Einstimmigkeit im Ausschuß darüber, daß ein solches Gesetz sehr wünschenswert wäre. Der Ausschuß hat jedoch eine Erklärung eines Vertreters des Bundesfinanzministeriums entgegengenommen, in der darauf aufmerksam gemacht wurde, daß das Ministerium sich bereits mit der Sache beschäftigt habe; die Beschäftigung habe zu dem Ergebnis geführt, daß ein solches Gesetz vor außerordentlichen Schwierigkeiten stehe. Es wurde außerdem mitgeteilt, daß in der nächsten Zeit eine prinzipielle Entscheidung des Bundeskabinetts darüber herbeigeführt werden solle, ob die Arbeiten an einem solchen Vereinheitlichungsgesetz fortgeführt werden sollten oder nicht. Ich weiß nicht, ob das Bundeskabinett inzwischen diese Frage entschieden hat, Herr Minister. Es handelt sich bei V b um die Frage, ob das Bundesfinanzministerium die Arbeiten für das Wiedergutmachungsgesetz fortsetzen soll. Das Haus wäre Ihnen, glaube ich, dankbar, wenn Sie dazu eine Erklärung abgeben wollten.
Meine Damen und Herren! Ich darf also im Namen des Ausschusses bitten, dem Antrag in der Fassung der Vorlage Nr. 1658 jetzt zuzustimmen.
Darf ich dann, Herr Präsident, noch zwei Dinge erwähnen, die der Ausschuß noch nicht beraten hat,, die aber aktuell sind. Es handelt sich um zwei Petitionen, die nach dem 23. November, dem Tage, an dem der Ausschuß verhandelt hat, nämlich am 28. und 29. November eingegangen sind. Die Petition Nr. 7490 kommt von einem Mann aus Nordrhein-Westfalen. Er bittet den Bundestag, eine allgemeine Abschlußregelung zu treffen. Da das geschehen würde, wenn unser Antrag angenommen ist, schlage ich, nachdem ich mich mit den Kollegen aus den verschiedensten Fraktionen, die dem Ausschuß angehören, verständigt habe, vor, diese Petition durch den in Aussicht stehenden Beschluß für erledigt zu erklären.
In der Petition Nr. 7782 beschwert sich ein Mann aus Niedersachsen darüber, daß er, obwohl er einen Bescheid über die Eingruppierung nach Gruppe V erhaben hat, von einem Regierungspräsidenten nicht wieder in den Schuldienst eingestellt worden sei. Diese Petition kann im Bundestag überhaupt nicht behandelt werden, weil wir ja dafür nicht zuständig sind. Es gäbe aber die formale Möglichkeit, sie ebenfalls durch den zu fassenden Beschluß für erledigt zu erklären.
Ich bitte also das Hohe Haus, die beiden genannten Petitionen, wenn über den Ausschußantrag beschlossen sein wird, für erledigt zu erklären. Dann wäre damit die Sache endlich abgeschlossen.
Meine Damen und
Herren! Ich schlage Ihnen angesichts der Besetzung des Hauses nach 91/2 stündiger Sitzung vor, es bei der Berichterstattung zu diesem Antrage bewenden zu lassen und die weitere Besprechung dieses Antrages und der Abänderungsanträge für morgen vorzusehen.
({0})
Meine Damen und Herren, die Gruppe Deutsche Reichspartei hat mich gebeten, ihr Gelegenheit zu geben, im Laufe der heutigen Sitzung eine
Erklärung gemäß § 85 der Geschäftsordnung
zu der heute morgen von der SPD in ihrer Erklärung angeschnittenen Frage zum Vortrag zu bringen. Ich erteile dem Herrn Abgeordneten von
Thadden zur Abgabe dieser Erklärung das Wort.
von Thadden ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten versucht, die SPD dazu zu bewegen, das Wort „kriminell" aus ihrer Erklärung herauszustreichen. Nachdem dies nicht geschehen ist, sehen wir uns gezwungen, nunmehr unsererseits zu diesem Fragenkomplex folgende Erklärung abzugeben:
I. Dem Abgeordneten Hedler wurde heute von der SPD-Fraktion vorgeworfen, er habe unter Bruch seines am 13. 12. 1949 abgegebenen Versprechens, bis zur Erledigung der gegen ihn schwebenden Verfahren den Sitzungen fernzubleiben, mit dem heutigen Tage seine Teilnahme an den Sitzungen des Bundestages wieder aufgenommen. Wir weisen darauf hin, daß Herr Hedler sein freiwilliges Versprechen auf Nichtteilnahme an den Sitzungen - für dieses Haus zweifellos ein höchst nachahmenswertes Beispiel - unter der Voraussetzung abgegeben hat, daß seine Verfahren, der Forderung des Hauses entsprechend, schnellstens zum Abschluß gebracht würden. Nachdem Herr Hedler
({2})
ein Viertel der Zeit der gesamten Legislaturperiode - nämlich auf den Tag genau ein ganzes Jahr - auf den von ihm in keiner Weise verzögerten Abschluß der Verfahren gewartet hat, ist es nunmehr sein gutes Recht, den Gepflogenheiten des Hauses bei
Immunitätsaufhebungen entsprechend, ({3})
wieder an den Sitzungen teilzunehmen.
II. Die SPD-Fraktion hat behauptet, Herr Hedler habe sich sein Mandat unter Anwendung krimineller Mittel erschlichen. Wir weisen diese völlig unbewiesene und diffamierende Anschuldigung der SPD, die keine Kenntnis der Grundsätze der Beweis- und Rechtskraft verrat, entschieden zurück. Die Anwendung des Ausdrucks „kriminell" auf die Hedler unterstellte Fragebogenfälschung widerspricht den wiederholt publizierten Einlassungen des Entnazifizierungsexperten Dr. Arndt der SPD, wonach die Tatbestände des von ihm mit ausgearbeiteten Entnazifizierungsgesetz es keinen kriminellen Charakter trügen. Selbst, wenn man die Herren Hedler zur Last gelegte, inzwischen amnestierte Fragebogenfälschung als erwiesen ansehen würde, wäre hier der Ausdruck ..kriminell" völlig gegenstandslos.
({4}) - Meine Herren, wir haben Ihnen heute morgen auch schön zugehört.
Nach den vorliegenden fachärztlichen Gutachten und den einschlägigen Bestimmungen des Strafgesetzbuches steht fest, daß die schweren körperlichen Mißhandlungen, die Hedler von einigen Mitgliedern der SPD({5})
Fraktion des Hohen Hauses zugefügt worden sind,
({6})
den eindeutig kriminellen Tatbestand der schweren Körperverletzung erfüllen mit zivilrechtlicher Schadensersatzfolge. E_n entsprechender Strafantrag wird unter Beibringung neuer Beweismittel gestellt worden.
({7})
Die Diffamierung eines politischen Gegners unter Hinweis auf schwebende Verfahren verrät wenig juristische Sachkenntnis und mangelnde politische Fairneß.
({8})
Das letzte Urteil in Sachen Hedler sowie
die Aufdeckung ungewähnlicher Ermittlungspraktiken im Rahmen seines Entnazifizierungsverfahrens muß dem Spruch unabhängiger Richter überlassen bleiben. Die Erklärung der SPD-Fraktion, wonach sie den Abgeordneten Hedler
({9}) nicht als Mitglied dieses Hauses betrachtet, ist bedeutungslos, da vorab noch die Gesetze und nicht das Parteiinteresse über die Abgeordnetenqualifikation entscheiden:
Das Haus hat die Erklärung zur Kenntnis genommen.
Bevor ich die Sitzung schließe, habe ich noch auf folgendes hinzuweisen. Ich wiederhole die Bitte, dem Tagungsbüro mitzuteilen, wohin während der Weihnachtspause die Post nachgeschickt werden soll.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung wird morgen - ({0})
-Herr Minister, das Haus hat die Beratung auf
morgen vertagt. Ich glaube kaum, daß wir dazu
jetzt noch eine Erklärung hören wollen.
({1})
- Wünscht das Haus die Erklärung des Ministers
zu der Frage der Entnazifizierung jetzt noch zu hören?
({2})
-Ja. meine Herren, die Mehrheit scheint dafür zu sein.
({3})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, daß bei dieser bedeutsamen Frage eine Abstimmung wohl nicht erforderlich ist. Ich hatte dem Hause vorgesch agen, es in diesem Falle bei der Berichters.attung bewenden zu lassen. Ich nehme an, Herr Minister, daß Sie morgen bei der Beratung dabei sind und vielleicht die Gelegenheit benutzen werden, die Frage zu beantworten. Darf ich das vorschlagen? - Wir sind uns einig wie immer.
Dann habe ich mitzuteilen, daß der Ausschuß far innere Verwaltung morgen um 10 Uhr im ZImmer 106 zusammentritt. Die Mitteilung, daß der Finanz- und Steuerausschuß in Zimmer 104 im Südflügel zusammentritt, ist bereits bekanntgegeben worden.
Für die Mitglieder des Ausschusses für Kulturpolitik steht morgen um 14 Uhr ein Autobus bereit - ist das bereits bekanntgegeben worden? - zur Fahrt nach Königswinter zur gemeinsamen Besprechung mit der Konferenz der Kultusminister, und zwar vor dem Haupteingang des Bundeshauses. Der Omnibus wartet in Königswinter bis zum Schluß der Konferenz für die Rückfahrt.
Schließlich bin ich gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß die christliche Morgenfeier morgen, am Freitag, nicht um 8.40 Uhr, sondern bereits um 8.15 Uhr beginnt.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die Tagesordnung für heute erschöpft. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 15. Dezember, 9 Uhr 30 und schließe die 107. Sitzung des Deutschen Bundestages.