Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 105. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte um Aufmerksamkeit für den Herrn Schriftführer zur Bekanntgabe der amtlichen Mitteilungen.
Der Präsident hat Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Etzel ({0}), Dr. Baumgartner und Dr. Besold für zwei Tage, dem Abgeordneten Birkelbach für vier Tage. Entschuldigt sind die Abgeordneten Revenstorff, Dr. Dr. Höpker-Aschoff.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 30. November 1950 die Anfrage Nr. 134 der Fraktion des Zentrums betreffend Investitionsanforderungen des Bergbaues - Drucksache Nr. 1573 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1668 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 23. November 1950 die Anfrage Nr. 109 der Abgeordneten von Thadden, Dr. Richter und Genossen betreffend Silbersammlung deutscher Herkunft in New York - Drucksache Nr. 1267 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1682 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Ich muß Sie bitten, noch einige Änderungen der Tagesordnung freundlichst zur Kenntnis zu nehmen. Es ist nicht ganz einfach, vor Weihnachten die Tagesordnungen so zu gestalten, daß alles Dringende erledigt wird. Ich schlage vor, daß heute als Ergänzung der Tagesordnung die erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes - Drucksache Nr. 1683 - aufgenommen wird. Die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes soll dann in der kommenden Woche stattfinden.
Weiter bitte ich, auf Ihrer Tagesordnung den Punkt 11 einfach zu streichen, der für kommenden Freitag vorgesehen war und versehentlich im Druck in diese Tagesordnung geraten ist.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat den Bericht zum Überleitungsgesetz - Drucksache Nr. 1510
- noch nicht erstellt, so daß auch der Punkt 8 der Tagesordnung abzusetzen ist.
Es ist dann gestern eine Vereinbarung darüber zustande gekommen, daß die zweite und dritte Beratung des Preisgesetzes mit der dazugehörigen Interpellation - also die Punkte 6 a und b der Tagesordnung, Drucksachen Nrn. 1422 und 1384
- für nächste Woche vorgesehen werden sollen. Die Beratung über die Verlängerung des alten Preisgesetzes - Drucksache Nr. 1626 -, die aus Zeitgründen nötig ist, wird daher heute stattfinden müssen.
Dafür sollen an dieser Stelle die beiden Verordnungen über die Preise für Kohle und Stahl zusammen mit zwei sachlich dazugehörigen Anträgen der KPD behandelt werden. Es handelt sich um die Drucksachen Nrn. 1670, 1671, 1642 und 1643.
Weiter 'bin ich darüber informiert worden, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen noch nicht dazu gekommen ist, einen Bericht zum Punkt 7 der Tagesordnung - Notopfer Berlin - fertigzustellen. Ich bitte also, auch diesen Punkt der Tagesordnung zu streichen. Er wird für nächste Woche vorgesehen werden.
Ich bin gebeten worden, dafür auf die heutige Tagesordnung - ich schlage vor, an die gleiche Stelle - die zweite und dritte Beratung des - Verzeihung, jetzt wird es schwierig! - Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes - Drucksache Nr. 1541 - zu setzen.
({0})
({1})
- Ob außerhalb dieses Hauses noch jemand diese vielen Änderungen versteht, ist mir allerdings nicht ganz klar. Nachdem es sich hierbei um eine gesetzliche Regelung der Weihnachtsgratifikation handelt, hat der Finanzausschuß gebeten, die zweite und dritte Beratung heute noch stattfinden zu lassen. Da es sich um eine einmütige Meinung des Ausschusses handelt, nehme ich an, daß das Haus damit einverstanden ist.
({2})
Damit wären wir hoffentlich endgültig mit den Änderungen für heute fertig.
Ich habe die Frage, ob der Kollege Dr. Solleder bereits da ist.
({3})
- Dann darf ich vorschlagen, ,daß wir mit Punkt 2 der Tagesordnung beginnen und Punkt 1 aufrufen, sobald die Interpellanten da sind.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({4}) über den Entwurf eines Gesetzes über die Selbstverwaltung und über Änderungen von Vorschriften auf dem Gebiet der Sozialversicherung ({5}).
Berichterstatter des Vermittlungsausschusses ist
Herr Staatssekretär Dr. Grieser. Ich darf ihn
bitten, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 13. Oktober hat der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das für die Sozialversicherung lebenswichtig ist. Das Gesetz gibt den Versicherungsträgern das Recht der Selbstverwaltung wieder. Der Bundesrat beriet das Gesetz, er ist mit dem Gesetz im allgemeinen einverstanden, er hat aber an ein paar Stellen Bedenken geltend gemacht und wegen dieser Bedenken den Vermittlungsausschuß um Schlichtung der Streitfälle gebeten. Der Schlichtungsausschuß hat seinen Schiedsspruch gefällt, wenn ich dieses Wort gebrauchen darf; die Drucksache liegt Ihnen vor.
Zur Begründung darf ich Ihnen kurz vortragen: Die erste Änderung betrifft den § 14 des Gesetzes. Der § 14 hebt ein Verbot aus der Zeit des Nationalsozialismus auf, nach dem neue Krankenkassen nicht mehr gebildet werden dürfen. Das Verbot richtet sich in der Hauptsache gegen die Gemeindeverbände, die Betriebsunternehmer und die Innungen, sie dürfen keine Landkrankenkassen, keine Betriebskrankenkassen und keine Innungskrankenkassen errichten; betroffen wird auch das Selbstbestimmungsrecht der Versicherten. Bundestag und Bundesrat sind darin einig, daß dieses Gesetz als ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht aufgehoben werden muß. Die Meinungsverschiedenheit zwischen Bundestag und Bundesrat besteht nur darin, welche Voraussetzungen für die Errichtung von Betriebs- und von Innungskrankenkassen erfüllt werden müssen. Nach der Reichsversicherungsordnung kann eine Betriebskrankenkasse und eine Innungskrankenkasse nur gebildet werden, wenn sie mindestens 150 Mitglieder haben wird. Dem Bundestag erschien diese Mindestzahl zu gering, auch dem Bundesrat erschien die Zahl zu gering. Der Bundestag hat die Zahl verdoppelt, von 150 auf 300 Mitglieder. Der Bundesrat hat geglaubt, die Zahl vervierfachen zu müssen. Da hat nun der Vermittlungsausschuß ein, wenn ich so sagen darf, salomonisches Urteil gefällt; er hat die Zahl 150 nicht vervierfacht, sondern nur verdreifacht; das heißt für die Bildung einer Betriebskrankenkasse oder einer Innungskrankenkasse sind mindestens 450 Mitglieder notwendig. Der Vermittlungsausschuß hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt. Ich empfehle ihn Ihnen zur Annahme.
Aber nicht jede Kasse darf neu gebildet werden, wenn sie mindestens 450 Mitglieder hat. Das Oberversicherungsamt hat noch zu prüfen, ob durch die Gründung der Kassen nicht der Bestand der Ortskrankenkassen gefährdet wird. Stellt das Oberversicherungsamt fest, daß der Bestand der Ortskrankenkasse durch die neue Krankenkasse gefährdet wird, dann unterbleibt die Gründung der Betriebs- oder Innungskrankenkasse. Ich empfehle Ihnen, wie gesagt, die Annahme dieses Vorschlages.
Ein zweites Bedenken betrifft den Abs. 3 in § 18. Der § 18 des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes zählt in Abs. 3 die bestehenden Vorschriften auf, die mit dem neuen Selbstverwaltungsgesetz innerlich unvereinbar sind. Das gilt hauptsächlich für die Bestimmungen, die nationalsozialistisches Gedankengut enthalten, für die Bestimmungen, in denen der Führergrundsatz durchgeführt worden ist. Die einzelnen Bestimmungen sind in den Ziffern 1 bis 11 aufgezählt. Dagegen ist gar kein Bedenken. Nur e i n Bedenken besteht: Man hat das grundlegende Gesetz, auf dem das Führerprinzip beruht, in der Zusammenstellung nicht erwähnt. Das ist ein Versehen. Es ist das Gesetz vom 7. Juli 1934. In dem Bericht Ihres Ausschusses ist die Aufhebung dieses grundlegenden Gesetzes beantragt, bei der Zusammenstellung ist aber diese Bestimmung übersehen worden. Deshalb empfiehlt Ihnen der Vermittlungsausschuß, nicht bloß die Auswüchse zu beseitigen, sondern das Übel an der Wurzel zu fassen und das nationalsozialistische Grundgesetz aufzuheben, insbesondere Art. 2 § 2 und Art. 6 und Art. 7 im Abschn. II. Ich empfehle Ihnen auch die Annahme dieses Beschlusses.
Im § 18 Abs. 4 Ziff. 3 ist vorgeschrieben, daß Bestimmungen des Landes Bremen außer Kraft treten. Ich darf hier den Sachverhalt kurz schildern. Im Jahre 1945 entstand in BremerhavenWesermünde die Ortskrankenkasse BremerhavenWesermünde.
({0}) Diese Ortskrankenkasse hat alle Mitglieder aufgenommen, die anderen Kassen angehört haben. Wer bei der Landkrankenkasse, der Innungs- oder Betriebskrankenkasse war, der wurde in die Ortskrankenkasse Bremerhaven-Wesermünde eingegliedert. Diese Ortskrankenkasse hat auch das Vermögen der geschlossenen Versicherungsträger aufgenommen. Das Land Bremen ist nun damit einverstanden, daß jene Bestimmung aufgehoben wird. Die Bestimmung beruht auf einer Anordnung der Besatzungsmacht. Man kann nun sagen, für die heutigen Verhältnisse hat der Hinweis auf eine Anordnung der Besatzungsmacht in der Sozialversicherung wenig Bedeutung. Dem Bund und den Ländern ist die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis zur Ordnung der Sozialversicherung überlassen. Deshalb ist das Land Bremen damit einverstanden, daß die Bestimmung aufgehoben wird. Man hat nur eine redaktionelle Änderung vorgenommen. Die Worte „Ortskrankenkasse Bremerhaven-Wesermünde" in der runden Klammer werden gestrichen, weil sie überflüssig sind. - Eine andere Bestimmung wurde auch nur im Wortlaut
({1})
geändert. Es heißt: „Die Beschränkungen werden aufgehoben, soweit sie über die gesetzlichen Vorschriften hinausgehen." Die Worte „gesetzliche Vorschriften" sind ersetzt worden durch die Worte „Vorschriften der Reichsversicherungsordnung".
({2})
Der Sinn ist also der: Beschränkungen, welche über die Reichsversicherungsordnung hinausgehen, werden aufgehoben. Damit ist das Land Bremen einverstanden.
Das Land Bremen war aber mit der Art der Vermögensauseinandersetzung nicht einverstanden. Ich habe schon angedeutet, daß die Ortskrankenkasse Vermögen von geschlossenen Kassen übernommen hat. Nun ist die Frage die, nach welchen Regeln die Vermögensauseinandersetzung vorgenommen werden soll. Man hat im Vermittlungsausschuß eine sehr einfache Formel gefunden: Das Vermögen geht an die Versicherungsträger zurück, die geschlossen worden sind und von denen die Ortskrankenkasse das Vermögen übernommen hat, aber nur nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer grundlosen Bereicherung. Ich verweise auf die §§ 812 und folgende des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Meine Damen und Herren! Ich darf um etwas größere Aufmerksamkeit für den Herrn Vertreter des Bundesrats bitten.
({0})
Das Land Bremen ist damit einverstanden. Nun kann es aber vorkommen, daß Mitglieder, die früher einer geschlossenen Krankenkasse angehört haben, nicht mehr zur alten Krankenkasse zurückkehren, sondern bei der Ortskrankenkasse Bremerhaven-Wesermünde bleiben wollen. Man nimmt darum die Vermögensteilung in der Weise vor, daß man sagt: Die früheren Krankenkassen erhalten ihr Vermögen zurück, wenn sie binnen sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der Selbstverwaltung wieder errichtet werden. Bei der Ortskrankenkasse Bremerhaven-Wesermünde verbleibt aber der Teil des Vermögens, welcher der Zahl der Versicherten entspricht, die bei der Ortskrankenkasse Bremerhaven-Wesermünde bleiben wollen. Eine ganz einfache, natürliche und gerechte Lösung! Sie ist nur in eine etwas wortreiche Fassung gekleidet. Ich bitte also, auch hier dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen. Der Vermittlungsausschuß hat auch hier einstimmig Beschluß gefaßt.
Eine weitere Bestimmung haben das Land Bremen und die Länder Baden und Württemberg bitter empfunden. Am Schluß des § 18 ist bestimmt, daß Landesgesetze in Baden, Bremen und Württemberg aufgehoben werden, die im Jahre 1912 und 1913 beschlossen worden sind. Dabei handelt es sich um Bestimmungen, in denen die Bildung von Landkrankenkassen neben den Ortskrankenkassen untersagt worden ist. Das Gesetz bestimmt, daß diese Landesgesetze aufgehoben werden. Das ist ein ungerechtfertigter Eingriff in Landesrechte; denn in § 227 der Reichsversicherungsordnung ist festgelegt: Die Länder können bestimmen, daß neben Ortskrankenkassen keine Landkrankenkassen gebildet werden. Von dieser Befugnis haben Baden, Bremen und Württemberg Gebrauch gemacht. Es scheint mir nicht zulässig zu sein, daß der Bund ein Gesetz aufhebt, das mit bundesgesetzlicher Ermächtigung von den Ländern beschlossen worden ist. Auch hier war die Meinung im Ausschuß einheitlich. Man hat durchblicken lassen, daß es sich im Grunde genommen um einen Mißgriff, um ein Versehen gehandelt hat. Sie sehen, was ich Ihnen vorgetragen habe, beruht auf einer einmütigen Auffassung des Vermittlungsausschusses.
Ich darf Sie noch auf zwei redaktionelle Fehler aufmerksam machen. Der eine Fehler ist in § 2 Abs. 7 enthalten. Dort steht ein falsches Zitat. Es muß statt „Abs. 4 Satz 2" richtig heißen „Abs. 4 Satz 3". Das Versehen ist dadurch entstanden, daß ein Satz eingeschaltet und deshalb die Nummernfolge der Sätze verschoben wurde.
Der andere Fehler in § 8 Abs. 1 ist ein Druckfehler. Dort handelt es sich um die Befugnisse der Geschäftsführung. Die Geschäftsführer dürfen an den Beratungen der Organe teilnehmen; sie haben Sitz und Stimme bei bestimmten Angelegenheiten, bei Festsetzung des Haushalts, bei Festsetzung des Stellenplans und bei der Vermögensanlage. Das Gesetz schreibt hier „Vermögenslage". Das ist offenbar ein Druckfehler. Ich glaube, ein besonderer Beschluß darüber wird nicht notwendig sein; es genügt wohl die Feststellung, daß es sich hier um einen Druckfehler handelt, der bei der Drucklegung ohne weiteres beseitigt werden kann.
Meine Damen und Herren! Das sind die Beschlüsse des Vermittlungsausschusses. Ich glaube, der Bundesrat ist dem Vermittlungsausschuß dankbar für die Schlichtung der Streitigkeiten und dankbar dafür, daß die Beschlüsse einstimmig gefaßt worden sind.
Erlauben Sie mir zum Schluß noch einen Satz. Das Gesetz, das Sie beschlossen haben, kam spät, aber es kam. Das Gesetz räumt auf mit dem Führergrundsatz in der Sozialversicherung. Das Gesetz gibt den Versicherten und den Arbeitgebern das Wahlrecht, und es gibt den Organen der Versicherungsträger eine demokratische Verfassung.
Und nun eine Frage: Werden die Wähler die Erwartungen erfüllen, die an sie gestellt werden? Der Dienst in den Organen der Versicherungsträger erfordert eine sorgfältige Auslese von Männern und Frauen - die Frauen erwähne ich hier nicht bloß aus Höflichkeit -, eine sorgfältige Auslese von Männern und Frauen: klug, erfahren und gewissenhaft, getragen von Vertrauen und Ansehen, erfüllt von Entschlußfreude und Tatkraft, erfüllt von Mut, die Verantwortung zu übernehmen, selbst auf Kosten der Volkstümlichkeit.
Von den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden dürfen wir ohne weiteres annehmen, daß sie in den Wahlvorschlägen eine glückliche Hand haben. Ich darf zum Schluß sagen: Die Sozialversicherung ist für unsere Arbeiter und Angestellten eine Lebensform geworden. In ihr findet die Arbeit und ihr Träger eine gerechte Würdigung.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter des Vermittlungsausschusses.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Anträge des Vermittlungsausschusses gehört. Der Herr Berichterstatter hat gleichzeitig den mir vom Herrn Bundesminister für Arbeit zugeleiteten Antrag auf Berichtigung des redaktionellen Fehlers in § 2 Abs. 7, zweitletzter Absatz, letzter Halbsatz, begründet. Ich darf vorschlagen, daß über diese redaktionelle Veränderung zunächst abgestimmt
({0})
wird und dann über den Antrag des Vermittlungsausschusses. Zunächst frage ich: Werden zu dem Antrag des Vermittlungsausschusses Erklärungen abgegeben? - Das ist nicht der Fall. Eine Aussprache findet nicht statt.
Dann lasse ich zunächst über den Antrag des Herrn Arbeitsministers abstimmen, den redaktionellen Fehler in § 2 Abs. 7 dadurch zu berichtigen, daß es nicht; heißen soll „Abs. 4 Satz 2", sondern „Abs. 4 Satz 3". Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Berichtigung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit. Die Berichtigung ist angenommen.
Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Berichtigung des weiteren vom Herrn Berichterstatter erwähnten Druckfehlers keiner Beschlußfassung bedarf, sondern daß der Druckfehler einfach berichtigt werden kann.
({1})
Es liegt weiter der Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache Nr. 1632 vor. Ich nehme an, daß es dem Willen des Hauses entspricht, über die einzelnen Ziffern dieses Antrages einzeln abzustimmen. Wird das gewünscht?
({2})
- Es wird von der sozialdemokratischen Fraktion gewünscht.
({3})
- Es wird vom Herrn Kollegen Mellies darauf aufmerksam gemacht, daß im Ältestenrat dieser Wunsch ausgesprochen worden ist. Das ist richtig. Ich würde empfehlen, dieser Vereinbarung zu entsprechen und mit der Einzelabstimmung einverstanden zu sein.
({4})
- Wer wollte dazu sprechen? - Herr Abgeordneter Ewers. Bitte, Herr Kollege, zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Ich halte eine Einzelabstimmung aus dem Grunde geschäftsordnungsmäßig für nicht zulässig, weil der Bundestag einen Vermittlungsvorschlag nur im ganzen annehmen oder ablehnen kann, das Herausstreichen einer Einzelbestimmung also eine Änderung des Vorschlages wäre. Ich glaube daher, wir müssen entsprechend der Bestimmung unseres Grundgesetzes entweder ganz ablehnen oder ganz annehmen. Etwas anderes ist technisch nicht möglich. Wenn auch nur eine Bestimmung abgelehnt wäre, wäre also der Vermittlungsvorschlag ganz abgelehnt.
({0})
Soll dazu weiter das Wort genommen werden? Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos nicht ganz abwegig, wenn ein Vermittlungsausschuß zusammengesetzt wird, der diese Frage erörtert, daß dann sein Vorschlag ein Ganzes darstellt, so daß tatsächlich durch ein Herausbrechen einzelner Teile die Vorlage des Vermittlungsausschusses nicht mehr in ihrer Gesamtheit angenommen werden könnte, da die Situation sich wieder verändert hat.
Ich muß Ihnen also vorschlagen, über diesen Antrag des Vermittlungsausschusses nun einheitlich abzustimmen. Ich nehme an, daß der Herr Vorsitzende des Vermittlungsausschusses den gleichen Standpunkt vertritt.
Also, meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 1632 in ihrer Gesamtheit, und zwar die Ziffern 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist weitaus die Mehrheit. Der Antrag ist damit angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt. Ich kehre zurück zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. von BrentAno und Fraktion der CDU/CSU betreffend Frachterleichterung Ostbayern ({0}).
Der Abgeordnete Dr. Solleder wird die Interpellation begründen. Es wird Ihnen vorgeschlagen, für die Begründung der Interpellation 10 Minuten und für die Aussprache 40 Minuten zu verwenden. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Solleder!
Dr. Solleder ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 23. Juni hat der Bundestag folgenden Beschluß gefaßt:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Notlage der ostbayerischen Grenzgebiete durch Maßnahmen, wie sie früher für Ostpreußen im Rahmen des Osthilfegesetzes vom 31. März 1931 gewährt wurden, zu mildern und der Deutschen Bundesbahn einen Ausgleichbetrag bis zu 30 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, - -({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte sehr um Ihre Aufmerksamkeit, damit nicht der Eindruck entsteht, daß bestimmte Punkte der Tagesordnung von geringerem Interesse für das Haus wären.
Dr. Solleder ({0}), Interpellant:
- der es ermöglicht, die Berechnungen der Umwegsentfernung zum Umfahren der russischen Besatzungszone aufzuheben und insbesondere in dringenden Fällen die durch die mehrfachen Erhöhungen der Eisenbahngütertarife entstandenen Härten durch Sondertarife zu mildern, um die Existenzfähigkeit der einschlägigen Industriebetriebe in Ostbayern aufrechtzuerhalten.
Dazu noch der Nachtrag: Die Frachterleichterung bzw. der Umwegskilometerwegfall soll sich auch auf die unterfränkischen Landbezirke erstrecken, soweit sie an die Ostzone grenzen.
Dieser also schon 3/4 Jahre zurückliegende Beschluß des Bundestages hätte der Regierung Veranlassung geben müssen, alles in die Wege zu leiten, um die dort in diesen ostbayerischen Gebieten bestehende Notlage zu beheben. Gewiß sind verschiedene Vertreter der Regierung, der Ministerien in diese Gebiete gekommen und haben persönlich von den dortigen Verhältnissen Augenschein genommen. Geschehen ist bis heute soviel wie nichts. Es handelt sich aber hier um eine wirkliche Notlage eines deutschen Gebietes, die einerseits darauf zurückzuführen ist, daß dieses ost({1})
bayerische Gebiet durch die neuen Grenzziehungen von seinen Wirtschaftsgrundlagen, seinen Absatzgebieten und Rohstoffbezugsquellen abgeschnürt wurde. Dieses bayerische Gebiet war von Natur aus sowohl hinsichtlich des Bezuges der Rohstoffe wie auch hinsichtlich der Absatzgebiete nach Mitteldeutschland bzw. in der Richtung auf Osteuropa orientiert. Wie ja bekannt ist, sind durch die Grenzziehungen, die das neue Bundesgebiet über sich hat ergehen lassen müssen, Abschnürungen erfolgt, die einer wirtschaftlichen Einkesselung dieses Gebietes gleichkommen.
Während ehedem die Kohle vor der Haustüre lag, in der Tschechoslowakei, kaum einige 50 km weg, muß heute die Kohle, das Schlüsselprodukt für die dortige Gesamtwirtschaft, über 600 km herangeführt werden. Was das bedeutet, ist ganz klar, wenn man bedenkt, daß die dortige Industrie im wesentlichen auf Kohle eingestellt ist: ich erinnere an die Porzellanindustrie, an die eisenschaffende Industrie, die in der Oberpfalz besteht, und auch die anderen Industrien. Wenn man das bedenkt, dann ist ganz klar, daß diese Gebiete durch diese Abschnürung wirtschaftlich abgedrosselt sind. Die Mehrbelastung im Vergleich zum Jahre 1938 beträgt allein an Kohle für dieses Gebiet etwa 12 Millionen Mark im Jahr, die von der dortigen Industrie mehr aufgebracht werden. Dazu kommen die Mehrkosten für die anderen Rohstoffe, die ebenfalls etwa 10 Millionen DM betragen. Dazu kommen ferner die Mehrkosten für die neu zu gewinnenden Absatzgebiete in Westdeutschland die ebenfalls auf 10 bis 12 Millionen DM zu schätzen sind, so daß von diesem an und für sich armen Gebiet heute Mehrbelastungen von mehr als 30 Millionen DM getragen werden müssen.
Dazu kommt noch die Mehrauflage, die dadurch entsteht, daß Umwegkilometer gefahren werden müssen. Im Norden ist wie ein Riegel die russische Zone vorgeschoben, und deren Umfahrung verursacht Mehrfrachtkosten, unproduktive, nur politisch begründete Mehrfrachten von bis zu 200 km zu dem westdeutschen Industriegebiet und zu den Seehäfen.
Hieraus ist erkenntlich, daß dieses Gebiet zum Absterben verurteilt ist, wenn nicht wirklich durchgreifende Maßnahmen getroffen werden.
({2})
Diese durchgreifenden Maßnahmen liegen auf Grund der Ihnen eben geschilderten Situation in erster Linie auf dem verkehrspolitischen Gebiete. Die Umwegkilometer müssen wegfallen, und es muß eine Tarifregelung getroffen werden, die die dortigen Industrien lebensfähig erhält.
({3})
Bereits heute machen sich die Erscheinungen bemerkbar, daß die dortigen Industrien abwandern. Aus Oberfranken haben bereits fünfzehn Textilfabriken angemeldet, daß sie sich nach Westdeutschland verlagern werden. Die große Textilfabrik Witt, Weiden, mit so und soviel tausend Arbeitern trägt sich mit der Absicht, von Bayern wegzuziehen und sich nach Westdeutschland zu verlagern.
({4})
Wenn man sich auf die Höhen des Bayerischen Waldes begibt und in die Tschechoslowakei hinübersieht, so sieht man, daß dort deutsche Dörfer in die Luft gesprengt werden, daß ein Ödland geschaffen wird in einem Gebiet, das ursprünglich kerndeutsch war. Und wenden wir unseren Blick
nach Deutschland zurück, so müssen wir die Feststellung treffen, daß auf deutschem Boden ebenfalls eine Verödungspolitik getrieben wird durch Abwanderung der Industrien, daß eine Million Flüchtlinge, die sich dort seßhaft gemacht haben, nicht Heimat und Brot finden können, weil dieses Gebiet der Verelendung anheimfällt.
Wir haben seinerzeit - im Jahre 1931 - ein Osthilfegesetz gehabt, mit dem diese Randgebiete vom Reich her gestützt wurden. Es war die Bayerische Ostmark, und es war Ostpreußen. Bis heute hat man im Bundesgebiet noch nicht die Mittel und Wege gefunden, um dieses schwer notleidende Gebiet zu unterstützen. Das, was bisher in anderer Weise gemacht wurde, ist so wenig, daß es kaum irgendwie beachtenswert ist.
Das Kernproblem ist die Verkehrslage und ist die Lösung der Frachttarife. Dazu kommt - das will ich in aller Offenheit aussprechen -, daß die Tarifpolitik der Bundesbahn sich für die Randgebiete katastrophal auswirkt, Man ist abgegangen von jener organischen Tarifpolitik, wie sie ehedem bestanden hat, und man hat sich mehr oder weniger darauf eingestellt, mit linearen Zuschlägen das Defizit in der Kasse der Bundesbahn abzudecken. Die Folge ist, daß die Randgebiete, die ärmsten Gebiete, die so schon sehr betroffen sind, durch diese linearen Zuschläge am schwersten betroffen sind und daß diejenigen, die hier am Rande des Bundesgebiets automatisch schon die größeren Frachten zu tragen haben, durch eine schematische Tarifpolitik glatt abgewürgt werden. Hier wird durch eine derartige Tarifpolitik, die den Gedanken der Gemeinwirtschaft, der ja der Bundesbahn zueigen sein muß, außer acht läßt, systematisch mit herbeigeführt, daß die dortigen Industrien nicht mehr bestehen können.
Das ist die Lage, und es kommt darauf an, daß hier etwas geschieht. Infolgedessen hätte nichts näher gelegen, als daß der Beschluß des Bundestages hinsichtlich der Unterstützung, der Subventionen, durchgeführt wird. Der Herr Bundesfinanzminister beruft sich im wesentlichen darauf, daß er eigentlich nicht zuständig sei, sondern daß es Aufgabe der Länder wäre und dazu der Finanzausgleich gehöre, um diese Dinge zu klären und zu erledigen. Dem ist nicht so. Es handelt sich hier um eine echte, rechte Bundesaufgabe. Hier handelt es sich um ein deutsches Gebiet, das gehalten werden muß, und es handelt sich darum, daß dieses Gebiet wirtschaftlich eingegliedert werden muß.
({5})
Deshalb kann ich diese Argumentation nicht anerkennen.
({6})
Es muß daher von seiten der Regierung alles getan werden und möglichst rasch getan werden, damit hier Abhilfe geschaffen wird, damit nicht diese Abwanderung der Industrien erfolgt und ein Teil des Bundesgebietes der Verelendung anheimfällt und hier Schaden angerichtet wird, der nicht wieder gutzumachen ist.
Ich bitte daher, meine Interpellation dahin aufzufassen, daß alles getan werden muß, um im Sinne einer Regelung der Umwegkilometer-Entfernung wie auch einer Regelung der Frachtermäßigungen das Entsprechende zu veranlassen. Es geht nicht an, daß man, wie vom Herrn Bundesverkehrsminister als Standpunkt vertreten wird, nur ein Pflästerchen darauf pappt, indem man sagt: für Steine und Erden können wir vielleicht Frachterleichterungen gewähren, aber für die Kohle geht
({7})
das nicht. Die Kohle ist selbstverständlich der Ausgangspunkt für alle Erleichterungen, die für diese Gebiete frachtmäßig gewährt werden müßten. Es läßt sich auch durchführen, denn mit 8 Millionen in diesem Haushaltsjahr kann man das Schlimmste abwenden, und der Schaden, der dadurch entsteht, daß nichts geschieht, ist ungeheuer viel größer.
({8}) Deshalb bitte ich die Regierung im Sinne meiner Entschließung, sie möge das Weitere rasch und ehestens veranlassen.
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Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich gleichzeitig die Ehre habe, der Vertreter des Bundeswahlkreises Passau zu sein, glaube ich, dem Herrn Vorredner nicht eigens versichern zu müssen, daß ich persönlich für die Bedürfnisse der bayerischen Ostwirtschaft und für die gesamte Lage des Bayerischen Waldes das engste Interesse und wohl auch eine gewisse Sachkunde habe. Es wäre mir eine Freude gewesen, wenn es von vornherein möglich gewesen wäre, den Weg, den der Beschluß des Deutschen Bundestags vom 23. Juni 1950 vorgezeichnet hat, zu gehen. Die Bundesregierung hat sich auf Grund dieses Beschlusses sofort mit der bayerischen Landesregierung, dem Herrn bayerischen Ministerpräsidenten in seiner Eigenschaft als bayerischem Staatsminister der Finanzen und mit den Wirtschaftsvertretern der bayerischen Ostmark in das Benehmen gesetzt.
Der in dem Beschluß vorgesehene Weg, der Deutschen Bundesbahn 30 Millionen DM für Frachterleichterungen zugunsten der bayerischen Ostmark zur Verfügung zu stellen, ist aber leider in der Form nicht gangbar. Bei der äußerst angespannten Lage des Bundeshaushaltes muß ich grundsätzlich Wert darauf legen, daß die Deutsche Bundesbahn, die als Sondervermögen des Bundes eine eigene Haushaltsführung hat, nicht unmittelbar dem Bund und damit dem Steuerzahler zur Last fällt. Wenn ich im vorliegenden Falle einen Anspruch der Bundesbahn auf Schadloshaltung für einen unter den Selbstkosten liegenden Tarif anerkennen müßte, wäre es nicht möglich, gleichliegende Fälle anders zu behandeln. Die späteren Auswirkungen auf die Bundesfinanzen wären dann unübersehbar.
Wie die Debatte über den Haushalt dem Hohen Hause gezeigt haben dürfte, gelingt es bis heute nur mit der größten Anstrengung, den Bundeshaushalt auszugleichen. Wie sehr diese Befürchtungen berechtigt sind, hat sich in der Zwischenzeit gezeigt, weil unter dem Hinweis auf den Beschluß vom 23. Juni 1950 bereits verschiedene Anträge von anderen Gebieten, z. B. aus dem Land Schleswig-Holstein, dem Land Baden etc. etc., vorliegen, frachtmäßig genau so behandelt zu werden wie die bayerische Ostmark. Im Laufe der Untersuchungen haben sich dann aber auch erhebliche rechtliche Bedenken ergeben, da nach der im Grundgesetz vorgesehenen Aufgabenteilung die Betreuung wirtschaftlich schwach entwickelter Bezirke Länderaufgabe ist. Soweit das Land Bayern haushaltsmäßig nicht in der Lage ist, die hierfür erforderlichen Mittel aufzubringen, wäre der im
Grundgesetz vorgesehene Weg der, die Hilfsmaßnahmen aus Finanzausgleichszahlungen nach Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes zu bestreiten.
Wir haben in dem Entwurf über den horizontalen Finanzausgleich, also den Finanzausgleich unter den Ländern, für das Rechnungsjahr 1950 zwei Gesichtspunkte eingesetzt, die gerade auf die bayerische Ostmark abgestellt sind. Es ist die, insbesondere die ja dann im Bundesrat umstrittene Bestimmung wegen der Berücksichtigung der Dauerarbeitslosigkeit. Wir wollten damit die Nachteile, die durch die Lage der bayerischen Ostmark entstehen und die die Grundursache der Dauerarbeitslosigkeit sind, im Wege des horizontalen Finanzausgleichs ausgleichen.
Eine Untersuchung der Deutschen Bundesbahn hat sodann erwiesen, daß die Gewährung der vom Bundestag gewünschten Frachtverbilligung für ein halbes Jahr nicht den Betrag von 15 Millionen DM, sondern den Betrag von 7,5 Millionen DM erfordert. Für die besonders vordringliche Verbilligung der Frachten für Holz und Holzwaren sowie für Steine und Erden wird in der zweiten Hälfte des Rechnungsjahres ein Betrag von etwa 3 Millionen DM benötigt, so daß unter Einbeziehung einer Vergünstigung für Umwegentfernungen 4 bis 5 Millionen DM ausreichend sind.
Was die Frachtverbilligung für Kohle und Koks betrifft, so muß ich darauf hinweisen, daß diese Frage deswegen wesentlich erschwert ist, weil sie in einem inneren, psychologischen Zusammenhang mit der Frage der Küstenkohlentarife steht und diese Frage in der letzten Zeit im Sinne der Aufhebung der Küstenkohlentarife entschieden worden ist.
Im Hinblick auf die äußerst fragliche Zuständigkeit des Bundes und die Unmöglichkeit, Deckung für die genannten Beträge im Bundeshaushalt zu schaffen, habe ich einen anderen Weg versucht. Die Bundesregierung hat sich mit Bayern unmittelbar in das Benehmen gesetzt und hat Bayern eine Kassenhilfe von 2 Millionen DM für den Rest des Haushaltsjahres in Aussicht gestellt, um die Zeit bis zum Eingang der Finanzausgleichsbeträge zu überbrücken, wenn Bayern einen ähnlichen Zuschuß leistet. Der Herr bayerische Staatsminister für Finanzen hat geglaubt, diesen Vorschlag nicht annehmen zu können. Ich habe daraufhin die Verhandlungen weitergeführt, um unter allen Umständen die vom Bundestag verfolgten Absichten im Rahmen des Möglichen zu fördern. Mit Schreiben vom 27. 10. 1950 habe ich mich bereit erklärt, zunächst einmal als ersten Übergang einen Kassenkredit von 1 Million DM zum sofortigen Anlaufen der Maßnahmen zur Verfügung zu stellen und mich im Bundestag dafür einzusetzen, daß für einen neuen Ansatz im Einzelplan XII des ordentlichen Haushalts 1950 für Zuschüsse für Frachterleichterungen in Ostbayern Deckung erfolgt. Ich konnte mich dazu unter Zurückstellung verfassungsrechtlicher Bedenken deshalb entschließen, weil es im Bundeshaushalt 1950 ohnedies noch nicht restlos und überall gelungen ist, eine dem Grundgesetz entsprechende Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern bei den Haushaltsansätzen zu berücksichtigen. Ich habe jedoch zum Ausdruck gebracht, daß die wirtschaftliche Förderung der Industrie in erster Linie dem Sitzland obliegt und es deshalb weder nach dem Grundgesetz noch nach der Lage des Bundeshaushalts vertretbar ist, die Gesamtkosten durch den Bund tragen zu lassen. Dabei muß immer davon ausgegangen werden, daß
({0})
Bayern voraussichtlich aus dem Finanzausgleich einen Zuschuß erhalten wird, der sich auf der Grundlage der sogenannten Dauerarbeitslosigkeit und damit gerade auf der Grundlage der Verhältnisse der bayerischen Ostmark bemißt.
Auf den Vorschlag eines solchen Kassenvorschusses hat die bayerische Staatsregierung bis heute leider noch nicht entscheidend geantwortet. Ich hoffe, daß diese Verhandlungen in einem positiven Sinne geführt werden können. Ich möchte dazu bemerken, daß es sich bei dieser Sachlage nur um eine Überbrückung für das Haushaltsjahr 1950/51 handelt. Ich nehme an, daß wir die ganze Frage der Frachtverbilligung hinsichtlich der bayerischen Ostmark und anderer Grenzdistrikte in dem Haushalt des Haushaltsjahres 1951/52 einer grundsätzlichen Bereinigung zuführen müssen. Ich hoffe, daß es dann gelingt, nicht auf dem Wege eines Zuschusses für die Bundesbahn, sondern auf dem Wege der Dotierung eines Grenzlandfonds,
({1})
aus dem das betreffende Land u. a. auch Zuschüsse für Frachterleichterungen geben kann, die Schwierigkeiten, die hier bezeichnet sind und die in anderen Gegenden auch vorhanden sind, umso leichter beheben zu können.
({2})
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Ich frage, ob 50 Abgeordnete des Hauses die Besprechung der Interpellation wünschen. - Es haben sich inzwischen 50 Abgeordnete gefunden, die die Besprechung wünschen. Für die Besprechung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Redezeit von 40 Minuten vor.
Zunächst hat das Wort Herr Abgeordneter von Aretin. - Drei Minuten, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Die Interpellation des Kollegen Dr. Solleder berührt ein Problem, das nicht parteipolitisch gesehen werden darf, sondern das, wie ja auch der Bundesfinanzminister ausgeführt hat, tatsächlich die Lebensfrage eines wesentlichen Teiles unserer Heimat betrifft. Darf ich Ihnen einige Zahlen geben. Die Arbeitslosigkeit beträgt in Bayern durchschnittlich 11,3 %. In den Kreisen des Bezirksarbeitsamtes Deggendorf beträgt sie aber 23,5 °/o, also mehr als das Doppelte, und es fragt sich, ob diese erhöhte Arbeitslosigkeit nicht doch letzten Endes den Grund darin hat, daß eben die Konkurrenzfähigkeit der Industrie zu Lasten gerade der ärmsten Leute sich in großer Gefahr befindet.
Meine Damen und Herren, ich darf in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß die Industrie gerade in Niederbayern sich zwei Ziele gesetzt hat: ein Nahziel - dieses Nahziel befaßt sich in erster Linie mit dem Problem von Stein und Erde und Holz - und das Fernziel, das von größter Bedeutung ist, nämlich die Herbeischaffung der Kohle. Ich möchte Sie mit den Zahlen nicht langweilen; aber gestatten Sie mir einen Vergleich. Die Belastung der niederbayerischen und ostbayerischen Wirtschaft wirkt sich wie eine Sondersteuer aus, die die Konkurrenzfähigkeit in diesem Gebiete lähmt.
Wir haben gestern hier im Hause Gelegenheit gehabt, eine Sondersteuer eingehend zu besprechen, und wir haben es übernommen, im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen das Notopfer Berlin als eine Sondersteuer für ein besonders notleidendes Gebiet zu würdigen. Meine Damen und Herren, es ist festzustellen, daß die Berlin-Hilfe eine Sondersteuer ist, die von den Gebieten getragen wird, welche außerhalb Berlins liegen, also nicht betroffen sind, während sich die verweigerte Frachterleichterung für den ostbayerischen Raum als Sondersteuer für die niederbayerische Wirtschaft auswirkt und damit letzten Endes von dem notleidenden Teil selbst getragen werden muß.
Ich wollte diese Ausführungen machen, um noch einmal zu betonen, daß diese Frage durch alle Parteien hindurchgeht. Es ist hier wahrscheinlich auch der Kollege Höhne von der SPD anwesend, der mir recht geben wird, wenn ich sage, daß wir vor wenigen Wochen einmal Gelegenheit gehabt haben, in Pfarrkirchen in einer Sitzung, an der er selbst teilgenommen hat, diese Probleme zu besprechen, und zu dem Ergebnis gekommen sind, daß wir über alle Parteien hinweg heute den Appell an den Bundestag richten müssen, sich der Notlage in diesem Gebiet besonders anzunehmen.
Der Abgeordnete Zawadil hat das Wort. 5 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Ausführungen des Herrn Finanzministers entnommen, daß Schwierigkeiten vorhanden sind und vielfältige Bedenken von verschiedenen Seiten vorliegen und daß aus diesem Grunde noch nichts geschehen konnte. Was ist bisher geschehen? Erstens: die Interessengruppen selbst haben den ursprünglich errechneten Betrag von 30 Millionen in Anbetracht der Einsicht, daß die Finanzlage des Bundes äußerst angespannt ist, auf 15 Millionen heruntergesetzt. Zweitens: wir haben den Eindruck, daß auf Grund der Studienreise sowohl des Herrn Bundesverkehrsministers als auch des Grenzlandausschusses und des Verkehrsausschusses die Bundesbahn dort, wo es irgendwie möglich war - mir sind elf Maßnahmen bekannt -, weitgehende Frachterleichterungen durchgeführt hat. Diese elf Punkte beginnen mit Veranlassungen aus der Zeit vom Januar 1950 und reichen bis Juli. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, daß hier tatsächlich getan worden ist, was im Augenblick möglich war. Seitens des Herrn Bundesfinanzministers ist allerdings bis jetzt noch nichts geschehen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in Aussicht gestellt, zunächst einen Vorschuß in Höhe von einer Million zur Verfügung zu stellen. Von den insgesamt 8 Millionen, die für das zweite Halbjahr des Rechnungsjahres 1950/51 benötigt werden, war bisher noch nicht die Rede.
Diese 15 Millionen für das ganze Jahr, die man halbieren muß, gliedern sich auf, und zwar für die Eisenbahndirektionen Regensburg und Nürnberg für die Beseitigung der Umwegefrachten 5,1 Millionen, für Frachtermäßigungen für den Empfang von Kohle und Koks 4 Millionen, für Frachtermäßigungen, Frachterleichterungen bei dem Versand von Holz und Holzwaren 2,9 Millionen, für den Versand von Steinen und Erden 3,2 Millionen, macht zusammen 15,2 Millionen. Die Hälfte davon sind rund 8 Millionen. Das ist der Betrag, den Ostbayern unter allen Umständen für den Rest dieses Haushaltsjahres benötigt.
Nun ist die Frage noch offen, wieweit auch das Wirtschaftsministerium eingeschaltet werden müßte; denn es handelt sich hier weniger um eine verkehrstechnische Frage als vielmehr um eine
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Wirtschaftshilfe. Ich glaube, daß der Bundesfinanzminister sein Interesse auch mal nach dieser Seite hin ausdehnen müßte, wieweit das Wirtschaftsministerium herangezogen werden könnte. Wenn wir den Haushalt des Verkehrsministeriums mit beanspruchen, dann besteht die Gefahr, daß die katastrophalen Straßenverhältnisse in Oberfranken, die verschiedenartigen typischen Grenzlandverhältnisse, die Nord- und Ostbayern aufweisen, keine Änderung erfahren, da nur eine Verschiebung der Finanzmittel durchgeführt würde. Hier müssen zusätzliche Mittel eingesetzt werden.
Zusammenfassend darf ich sagen: es handelt sich bei der Lösung dieses Problems, bei dieser Normalisierung der Frachtenlage - sie soll keine Ausnahme sein, meine Damen und Herren, sondern eine Normalisierung - darum, daß erstens ein weiteres Absinken der Wettbewerbsfähigkeit der nord- und ostbayerischen Industrie verhindert wird; zweitens die überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit behoben und drittens die soziale Struktur nicht weiter verschlechtert wird. Was für einen politischen Gefahrenherd eine soziale Strukturveränderung in einem Grenzland darstellen kann, wird jedem Anwesenden in diesem Hause bekannt sein. Das Finanzministerium muß daher unbedingt und schleunigst den in Aussicht gestellten Betrag von einer Million auf den geforderten und nötigen Betrag von acht Millionen erhöhen, wozu das Wirtschaftsministerium mit eingeschaltet werden müßte.
({1}) Es würde hier zu weit führen, wenn ich die bisherigen Hilfsmaßnahmen der Bundesbahn anführen wollte; aber es sind elf Maßnahmen, die bereits wesentliche Hilfe für Ost- und Nordbayern gebracht haben.
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Der Abgeordnete Behrisch hat das Wort. 8 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was der Herr Bundesfinanzminister hier dargelegt hat, hat uns außerordentlich interessiert. Befriedigt hat es uns nicht; es kann uns auch nicht befriedigen, weil er Hilfe ankündigt, die in wesentlichen Stücken noch in der Ferne steht. Wir brauchen aber die Hilfe, um die wir nachgesucht haben, sofort.
Diese ganze Interpellation wäre eigentlich nicht nötig gewesen; denn wir haben noch nie in einer deutschen Regierung eine so mannstarke Delegation aus Bayern gehabt wie in dieser Bundesregierung.
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Und dabei sind die Vertreter Bayerns in dieser Regierung in die zentralen Positionen eingedrungen. Es ist doch der Herr Finanzminister, es ist der Herr Wirtschaftsminister, es ist der Herr Ernährungsminister, es ist der Herr Minister der Justiz; und außerdem hätten die vier bayerischen Herren ja noch Verstärkung bekommen können von ihrem Vertreter im Verkehrsministerium, der ja als „Verbündeter" aus dem benachbarten Böhmen sicher unsere Probleme versteht;
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zum mindesten hat der Herr Verkehrsminister bei seinen Besuchen in unserem Gebiet das unter Beweis gestellt.
({2}) Er weiß durchaus, woran es uns fehlt.
Nun, meine Damen und Herren, sind wir in dieser Sache etwas schief gekommen durch einen Antrag der Bayernpartei ganz zu Beginn unserer Arbeit, der etwas über das Ziel hinausgegangen ist.
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- Sie hören es gleich, Kollege Seelos. - Die Kollegen der Bayernpartei haben damals ,den Antrag gestellt, ein Notstandsgebiet zu schaffen.
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Meine Damen und Herren, ein Notstandsgebiet wollen wir in Oberfranken gar nicht sein. Wir bitten die Bundesregierung um die Maßnahmen, die hier gefordert worden sind, um zu verhindern, daß wir Notstandsgebiet werden.
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- Nein, Herr Seelos. Ich bin der Vertreter zum Beispiel von Hof. Wir liegen in puncto Steuerleistung an zweiter Stelle in Bayern. Sie werden doch nicht sagen können, daß das ein Notstandsgebiet ist! Man muß da besser differenzieren. Es gibt in Oberfranken Notstände im Frankenwald; es gibt auch Notstände in Teilen des Fichtelgebirges. Aber man kann doch nicht, wenn die Decke überall zu kurz ist, sagen: nun wollen wir etwas haben. Die Füße schauen überall unter der Decke hervor, und mir ist das völlig klar. Worum wir bitten, ist etwas ganz anderes. Wir wollen mit unserer ausgezeichneten Industrie mithelfen, das Gewebe der Decke größer zu machen, damit wir die kalten Füße zudecken können, die es an anderen Ecken des Bundesgebietes auch gibt.
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Ich habe in meiner Broschüre „Oberfranken im Würgegriff" ausdrücklich dargestellt: Wir sind kein Notstandsgebiet und wir wünschen keines zu werden. Aber wir sind ein Verkehrs notstandsgebiet erster Ordnung.
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- Sehr geehrter Herr Kollege Seelos, über diese Dinge weiß die Bundesregierung, glaube ich, sehr gut Bescheid. Ich weiß, daß die Struktur zum Beispiel des Bayerischen Waldes eine ganz andere ist als in Oberfranken.
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Aber ich darf Sie doch auf die Bedeutung unserer Industrie aufmerksam machen. Wir unterhalten uns zum Beispiel über die Frage eines Außenministeriums. Wir haben aber schon einen Außenminister gestellt, und zwar 1946: Das war das erstklassige Porzellan, das aus unserem Gebiete kommt. Das hat uns, glaube ich, in der Welt schon seit Jahren eine Menge von Sympathien eingetragen.
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Dieses Porzellan hat uns nicht nur Sympathien erworben; es hat uns auch Dollars gebracht. ({10})
- Herr Seelos, Sie können doch anschließend reden!
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- Ja, Herr Seelos zerscheppert das Porzellan immer; das ist aber seine Sache.
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Meine Damen und Herren, ich darf zu dieser Sache folgendes sagen. Bei uns sind die Porzellanindustrie und die Baumwollindustrie vorherrschend. In Hof laufen 1/2 Million, in Oberfranken laufen eine Million Spindeln. Wir stellen ein Fünftel der gesamten Baumwollverarbeitung im Bundesgebiet. Wir sind das einzige nennenswerte Porzellanerzeugungsgebiet des Bundes nach dem Verlust von Meißen und Sorau, und 30 % unserer gesamten Produktion gehen ins Ausland. Es kommen also eine Menge Dollars herein. Nun haben wir aber die Kohle früher aus dem benachbarten Sachsen und Böhmen bezogen. Jetzt kommt aus Böhmen auch noch Kohle, aber da sind in den Waggons oft Sprengpatronen drin. Sie können sich leicht vorstellen, was solche kleinen Scherze für die Industrie bedeuten, die die Aufgabe hat, alle solche Ladungen nach derartigen kleinen Geschenken durchzupulen.
Aber, meine Damen und Herren, worauf es uns ankommt, ist folgendes. Unser Umweg zu den Seehäfen und zu den neuen Kohlengebieten beträgt auf einer Strecke bis zu 220 km. Sie wissen, daß man die Baumwolle von den Seehäfen herbefördern muß, und wir müssen unsere Kohle aus dem Ruhrgebiet holen, weil die Kohle aus Sachsen und aus Böhmen in der erforderlichen Menge nicht mehr kommt. Wir bitten also, weil sich die Wettbewerbsbedingungen für unsere Industrie verheerend verschoben haben und weil eine etwaige Abwanderung solcher Industriebetriebe wie Siemens oder Witt, wie die Herren Kollegen Aretin und Solleder, glaube ich, gesagt haben, eine verheerende Arbeitslosigkeit zur Folge haben muß, nicht um irgendein Geschenk; wir bitten lediglich um einen Lastenausgleich innerhalb der Bundesbahn selbst, weil ,diesen Betrieben bei uns die Wettbewerbschancen natürlich in einer Weise verschoben worden sind, die sie aus jedem fairen Wettbewerb ausschaltet. Wir bitten also um diesen Lastenausgleich in Form von Tarifausgleich, Vergeltung der Umwegfrachten, und wir bitten vor allem auch, daß man die Tarife für Kohle und für Koks in einer Weise gestaltet, daß wir diese nunmehr aus doppelter und dreifacher Entfernung zu beziehenden Güter zu alten Frachtsätzen heranbekommen können.
Ich darf Sie auf eines aufmerksam machen. Oberfranken und das Grenzgebiet in Niederbayern sind empfindliche Gebiete. Ich habe in meiner Broschüre angedeutet: In einer Kette ist das schwächste Glied immer das entscheidende Glied. Wir sind einem politischen Druck ausgesetzt wie sicher nicht viele Gebiete. Worum ich bitte, ist nicht irgend etwas Unnötiges und Unmögliches; worum wir bitten, ist nicht irgendein Geschenk; worum wir bitten, ist weiter nichts, als daß man die alten Wettbewerbsbedingungen, wie sie waren, wiederherstellt und daß man uns eine faire Chance gibt, unser Gebiet nicht erst zum Notstandsgebiet werden zu lassen, sondern daß man das Verkehrs-Notstandsgebiet, zu dem wir geworden sind, aus seiner Verkehrsferne durch entsprechende Maßnahmen der Bundesregierung herausreißt.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}). - Bitte drei Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob sich die Herren von der CDU/CSU darüber im klaren sind, welch schallende Ohrfeige sie sich mit dieser Interpellation selbst versetzt haben; denn nachdem sie selbst feststellen, daß am 23. Juni der einstimmige Beschluß gefaßt worden ist, wenden sie sich an diese Regierung, in der die CDU/CSU maßgebend und ausschlaggebend beteiligt, ja führend ist. Sie hätten also selbst die Möglichkeit gehabt, mit allem Nachdruck von dieser Regierung zu verlangen, daß in diesem Gebiet in Ostbayern eingegriffen und geholfen wird. Aber es betrifft ja nicht nur allein die Bundesregierung, in der die CDU/CSU entscheidend beteiligt und führend ist, sondern genau so die Regierung in Bayern selbst.
Ich glaube, wenn ich nur mit wenigen Worten auf die Ursachen dieser Entwicklung eingehe, dann ist die heutige Lage in Ostbayern zweifellos einmal begründet in der Tatsache der Trennung Deutschlands und 'der Behinderung derjenigen Entwicklungen, wie sie früher in einem Warenaustausch insbesondere zwischen den ostbayrischen Gebieten und der tschechoslowakischen Volksrepublik möglich gewesen sind und vorhanden waren. Aber es greifen auch hier eine Reihe anderer Fragen hinein. In den ostbayrischen Gebieten haben die Maßnahmen, die andeutungsweise heute schon erwähnt worden sind. nämlich die Kriegsvorbereitungen, dahin geführt, daß Hunderte von Bauernihre Grundstücke z. B. für den Truppenübungsplatz Grafenwöhr verloren und für andere Truppenübungs- und Flugplätze zur Verfügung stellen mußten, daß infolge dieser Vorbereitungen eine tote Zone gegenüber der tschechoslowakischen Volksrepublik geplant ist. Die Folgeerscheinungen sind auch, daß in den Landkreisen - um nur einige zu nennen - Nabburg, Oberviechtach und Vohenstrauß viele Betriebe stillgelegt worden sind, weil sie trotz vorhandener Aufträge nicht exportieren durften. Wenn nach Erklärungen von Betriebsleitern einer Reihe von Betrieben. die darauf hinweisen, daß sie anstatt der jetzt beschäftigten zehn Arbeiter und Angestellten 150 und mehr beschäftigen könnten, die Ausführung der vorhandenen Aufträge nicht genehmigt und die Exportlieferungen verboten worden sind, dann trifft es wiederum insbesondere die CSU-Regierung in Bayern selbst; denn von Bürgermeistern und Landräten wurden solche Anträge wiederholt Dr. Ehard übergeben. Geschehen ist nichts!
Ich glaube also, wenn für das ostbayrische Gebiet und besonders den Bayrischen Wald überhaupt eine Entwicklung in günstigem Sinn - wir unterstützen natürlich alle Maßnahmen zur Überbrückung bzw. Linderung des Notstandes -, eine grundlegende Änderung herbeigeführt werden soll, dann ist es nur dann möglich, wenn die Trennung Deutschlands überwunden wird, wenn die Eingriffe der amerikanischen Besatzungsbehörden insbesondere in 'der Entwicklung des Warenaustausches zwischen den ostbavrischen Gebieten und der tschechoslowakischen Volksrepublik beseitigt werden und wenn durch eine unabhängige Regierung die Voraussetzung für ganz Deutschland geschaffen wird. daß auch in diesem Notgebiet endlich eine gesunde Entwicklung Platz greifen kann.
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Das Wort hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte, die hier eben geführt worden ist, gibt noch Gelegenheit zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, daß die mit Recht hier angeführte Notlage der Gebiete um den Bayrischen Wald und daß die gefahrdrohende Lage für die industriellen Gebiete Ober- und Mittelfrankens
({0}) keinesfalls verkannt werden dürfen, daß es aber andererseits nach meiner Auffassung nicht richtig ist, wenn man diese Probleme immer nur regional sieht und regional behandelt. Die Verelendung und die Sorge um eine weitergehende Verelendung betrifft nicht nur jeweils die einzelnen Gebiete, über die hier debattiert wird, sondern sie betrifft den ganzen Bereich entlang des Eisernen Vorhangs und der Grenze zu den Satellitenstaaten im Osten. Sie betrifft die ganze Zone, die ich als „Schwarze Zone" bezeichnen möchte und die deshalb auch nur einheitlich gesehen und behandelt werden sollte.
Dieser Bereich liegt gewissermaßen im Vorfeld der großen Industriegebirge, die sich an RheinRuhr, Rhein-Main und im westlichen Süddeutschland emportürmen und die durch die jetzige Konjunkturentwicklung immer stärker heraufwachsen, während die davor liegenden Gebiete, die durch den Abbruch nach dem Osten begrenzt sind, immer stärker absinken und dadurch in immer größere Gefahren geraten. Dieses Problem kann man uns natürlich nicht dadurch etwa schmackhaft machen, daß man darauf hinweist, daß gewisse Industriebezirke dadurch geschädigt werden könnten, daß Industriebetriebe abwandern; denn meiner Ansicht nach läßt sich mit derartigen „Vorwärtsversicherern" keine Wirtschaftspolitik betreiben. Ich bin vielmehr der Auffassung, daß derartige Tendenzen schon aus gesamtpolitischen Gründen unbedingt zurückgewiesen werden müssen und daß wir uns diese Herren sehr eingehend ansehen sollten.
Aber wir müssen auch eine andere grundsätzliche Bemerkung in diesem Zusammenhang machen, und das ist die, daß es nicht die Bundesbahn sein kann, die die Schwierigkeiten in der Wirtschaftspolitik, die aus diesen politischen Gegebenheiten folgen, auffängt. Es ist durchaus denkbar, daß man Verkehrstarife als Impuls in der konjunkturellen Wirtschaftspolitik benützt, aber nur dann, wenn die Verkehrsunternehmen in sich so stark sind, daß sie wirklich die Möglichkeit haben, durch Gewährung von niedrigeren Tarifen eine Erhöhung des Umsatzes herbeizuführen, und so auf die Dauer dem Grundsatz Rechnung getragen wird, der schon seit vielen Jahrzehnten besteht, daß die niedrigen Tarife eine Quelle steigender Einnahmen und steigenden Wohlstandes sind. Das konnten wir in früheren Zeiten machen. Es ist aber heute deswegen unmöglich, weil das Tarifniveau so abgesunken ist, daß alle Verkehrsträger - nicht nur die Eisenbahn, sondern ebenso die Straße und die Wasserstraße - zu einer langsamen, aber sicheren Auszehrung der Substanz gezwungen werden. Deswegen sind diese Verkehrsträger, gleichgültig, welcher Art sie sind, nicht in der Lage, aus ihrer Tarifgestaltung heraus aus eigener Kraft die Lage zu beeinflussen.
Diese Erkenntnis soll nicht hindern, daß die Tarifpolitik unserer Verkehrsträger trotzdem auf solche Fragen Rücksicht nehmen muß. Der Herr Abgeordnete Dr. Zawadil hat darauf hingewiesen, daß sich die Bundesbahn mit einer ganzen Reihe von Erleichterungen - elf Maßnahmen insgesamt - für dieses hier besonders besprochene Gebiet eingesetzt hat. Darüber hinaus hat die Bundesbahn gerade diesen Gebieten - und ich meine, hier in einer entscheidenderen Weise - dadurch geholfen, daß sie von dem Kredit, der ihr für dieses Jahr zur Verfügung stand, einen sehr erheblichen Teil für Bauten und Materialbeschaffung in diesen Bezirken aufgewendet hat. Sie wird wahrscheinlich dazu im kommenden Jahr nicht wieder in der Lage sein, falls ihr nicht entsprechende neue derartige Kredite zur Verfügung gestellt werden sollten, wenn wir uns nicht entschließen, für diese Randgebiete zur Wirtschaftsförderung etwas Besonderes zu tun, und dabei auch die Verkehrsbelange nicht vergessen. Denn es ist hier mit Recht ausgeführt worden, daß es sich in diesen Gebieten um einen Verkehrsnotstand handelt und daß die Bekämpfung dieses Verkehrsnotstandes richtig angefaßt werden sollte.
Ich weiß, daß zur Zeit ein großer Bericht in Ausarbeitung ist, den die Industrie- und Handelskammern entlang des Eisernen Vorhangs gemeinsam verfassen und der Ihnen, meine Damen und Herren, in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen wird, aus dem Sie eingehendes Material über den Gesamtbereich dieser schwarzen Zone sowohl nach der sozialpolitischen wie nach der wirtschaftspolitischen und insbesondere auch nach der verkehrspolitischen Seite gewinnen können. Sie werden daraus aber auch ersehen, wie dringend notwendig es ist, daß in diesen Gebieten Bauten der öffentlichen Hand auf dem Gebiete des Verkehrswesens ausgeführt werden, nicht nur wegen der Arbeitsbeschaffung, die damit verbunden ist und die die Möglichkeiten schafft, die Menschen in diesen Bezirken so lange zu beschäftigen, bis eine ständige, eine Dauerbeschäftigung aufgebaut werden konnte, sondern vor allen Dingen deshalb, weil die ständige, die Dauerbeschäftigung in diesen Gebieten abhängig ist von der vorher erfolgten Verkehrserschließung. Die Tendenz aber, die Verkehrsträger durch tarifliche Maßnahmen zu schwächen, die ihre Einnahmemöglichkeiten weiter herabsetzen und dadurch natürlich die Fähigkeit der Verkehrsträger mindern, aus eigener Kraft in Richtung der Verkehrserschließung etwas zu tun, ist nicht nur falsch, sondern den Interessen dieser Gebiete ausgesprochen abträglich. Denn wir können von den Verkehrsträgern aus um so weniger für diese Bezirke tun, je mehr die Verkehrsträger auf der Tarifseite zu Gunsten dieser Gebiete ausgehöhlt werden. Hier müssen wir doch einmal klar den Unterschied erkennen, der sich zwischen Verkehrs- und Wirtschaftspolitik ergibt. Bei ihrer Lage ist die Bundesbahn doch nicht fähig - und sie soll es ja auch nach dem damals angenommenen Antrag nicht sein -, die Lasten zu tragen, sondern diese Lasten sollen ihr ersetzt werden; aber man kann diese Lasten ja auch so regulieren, daß man den Ausgleich sofort den betreffenden Stellen zuleitet.
Das Hohe Haus ist offenbar nicht ganz konsequent in seiner Einstellung. Denn wenn ich an den gestrigen Beschluß über die Küstenkohlentarife denke, muß ich feststellen, daß er logisch vollständig das Gegenteil dessen ist, was man hier bei diesen Fragen nach langen Besprechungen ver({1})
einhart hat, und daß man sich offenbar wieder einmal in dem Widerspruch befindet, der sich immer ergibt, wenn es sich um Probleme insbesondere der Verkehrstarife und dabei wieder der Bundesbahn handelt. Denn man möchte auf der einen Seite die Bundesbahn als ein wirtschaftliches Unternehmen haben, sie aber doch auf der anderen Seite als eine Kuh betrachten, die man beliebig melken kann, selbst wenn das Euter nichts mehr enthält. Ich muß immer wieder von neuem warnen, solche Wege zu gehen. Nur wenn wir die staatlichen Mittel zusammennehmen und in diesen Notstandsgebieten die Verkehrswege, also sowohl die Straßen wie auch das, was an Wasserstraßen notwendig ist, und die Eisenbahneinrichtungen auf den Stand bringen, der diesen Gebieten insbesondere durch ihre Abschneidung zukommt, schaffen wir die Voraussetzungen für Neuanlagen und für die Erhaltung der dort befindlichen Industrie.
Wenn wir dagegen ständig Tarifermäßigungen fordern und sie durch politische Entscheidungen durchsetzen, dann vernichten wir den Anspruch, der immer wieder in der Öffentlichkeit erhoben wird, daß die Verkehrsbetriebe aus ihrer eigenen Kraft sich erhalten und leben sollen. Dann schieben Sie die Verkehrsbetriebe in die Subventionswirtschaft hinein, und dann werden Sie niemals zu einer gesunden Verkehrspolitik, zu gesunden Verkehrsbetrieben kommen. Ich möchte das Hohe Haus also ausdrücklich bitten, doch in diesen Fragen konsequent zu sein und nicht den einen Tag in dieser Richtung und den anderen Tag in einer anderen Richtung - jedes Mal womöglich einstimmig - zu beschließen.
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß ich durchaus der Ansicht bin, daß die Tarifpolitik, wie wir sie gerade von der Bundesbahn in den letzten Jahren erlebt haben, den besonderen Erfordernissen dieser Gebiete nicht entspricht. Ich habe in diesem Sommer bei meinem Aufenthalt in Franken Wege gewiesen, wie dem Gebiet nach meiner Auffassung ohne zu große Belastung der Bundesbahn geholfen werden könnte, nämlich einmal, indem die Umwegtarife für dieses ganze Gebiet über die Strecke der Werra-Talbahn, die heute durch die russische Zone gesperrt ist, berechnet werden könnten, und zum zweiten, daß man für die für den bayerischen Wald so wichtigen Produkte des Holzes und der Steine bei Entfernungen über 200 km Ausnahmetarife erstellt. Die Bundesbahn hat sich bis heute geweigert, diesen Vorschlägen nachzukommen - trotz all meines Drängens. Sie sehen daraus, wie wenig Einflußmöglichkeiten der Bundesverkehrsminister auf dieses Institut hat.
({2})
Die Bundesbahn hat bei den Holztransporten fast alles an den Lastkraftwagen verloren, nur weil sie nicht bereit war, zu erkennen, daß die größeren Entfernungen, die ihr ja in erster Linie zustehen, auch entsprechend tarifmäßig berücksichtigt werden müssen. Wir haben bei der Beratung der jetzt vorgelegten, leider notwendigen Tariferhöhungen, die sich infolge der Lohnerhöhungen, der Aufhebung der 6%igen Kürzung der Gehälter, der Kohlen- und Eisenpreiserhöhung und all dieser Belastungen nicht vermeiden lassen, von der Bundesbahn nicht die Vorschläge bekommen, die wir erwarten konnten. Aber es ist gelungen, mit Hilfe des Wissenschaftlichen Beirates - das mag das Hohe Haus in diesem Zusammenhang immerhin interessieren - bei den erhöhten Krisenzuschlägen eine Form zu finden, durch die die weiten Entfernungen und damit die frachtfernen Gebiete ausdrücklich und entscheidend entlastet werden. Aber das ist nicht ein Arbeitsergebnis, das von der Bundesbahn kommt, sondern es ist ein Arbeitsergebnis, das wir dann der Bundesbahn freundlich nahelegen mußten, damit sie es ihren Anträgen zugrunde legen konnte. Ich lege Wert darauf, daß man diese Zusammenhänge einmal klar und nüchtern erkennt, weil man daran sieht, was für eine Tarifpolitik eine Bundesbahn machen würde, der man diese Aufgabe völlig allein überließe.
Es ist also nicht so, daß man diese Frage nur von dem heute vorgetragenen Standpunkt aus behandeln kann, sondern man muß wirklich unterscheiden, was man verkehrspolitisch zu machen in der Lage ist und was man wirtschaftspolitisch tun muß. Besonders gefährdete Gebiete müssen durch allgemeine und besondere wirtschaftspolitische Maßnahmen zu Lasten der Gesamtheit unterstützt werden. Was wir für Berlin tun, ist auch für diese Gebiete zu tun notwendig, wenn auch in einem entsprechend abgestimmten Ausmaß,
({3})
aber nicht auf dem Rücken der Verkehrsträger, die heute bereits weitgehend einem Substanzverzehr ausgesetzt sind und die deswegen nicht weiter geschädigt werden dürfen, weil es von ihrem weiteren Ausbau abhängt, ob in diesen Gebieten auf die Dauer wirklich gesunde wirtschaftliche Unternehmen angesiedelt und die bisher gesunden wirtschaftlichen Unternehmen weiter gesund gehalten werden können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solleder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sache hat eine außerordentlich grundsätzliche Bedeutung. Aus den Erklärungen der beiden Herren Minister habe ich entnommen, daß einerseits der Herr Bundesfinanzminister erklärt, er sei nicht derjenige, der die Mittel hierfür aufzubringen hätte, sondern das seien die Länder, und daß auf der anderen Seite der Herr Bundesverkehrsminister erklärt, er sei nicht zuständig, da es sich um eine echte Notlage handele und es nicht Aufgabe des Herrn Verkehrsministers sein könne, diese Dinge irgendwie abzustellen. Wenn der Bundestag einen Beschluß gefaßt hat, daß diese Subvention wegen des bestehenden Notstandes zu leisten ist, so stehe ich schon auf dem Standpunkt, daß die Regierung nicht mit derartig gegenseitigen Meinungsverschiedenheiten die Sache der Verwirklichung entziehen darf, sondern daß die Regierung auch verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß dieser Beschluß in die Tat umgesetzt wird.
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Nachdem es sich um eine gesamtdeutsche Angelegenheit handelt, weil Ostbayern bei Gott zum Wirtschaftsgebiet des Bundes gehört und weil es bisher abgeschnürt war, so ist es eine echte Bundesaufgabe.
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Dieser Einwand schlägt meines Erachtens nicht durch. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt, daß die Regierung verpflichtet ist, hier rasch zu handeln. Es ist eben mit Aufgabe der Regierung, Mittel und Wege zu finden, durch die ein derartiger Antrag die entsprechende rechtzeitige Berücksichtigung im Haushaltsplan findet.
({2})
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- Darauf kommt es nicht an, Herr Kollege Seelos! Ich spreche hier um der Sache willen. Es handelt sich für uns darum, die Regierung auf das hinzuweisen, was notwendig ist. Wenn Sie keinen Zwischenruf machen, ist es im Interesse Bayerns besser.
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Ich stehe auch auf dem Standpunkt, daß der Bundesverkehrsminister in diesem Falle eine gewisse Initiative schon hätte entwickeln müssen, nachdem erkannt ist, daß es sich um ein verkehrspolitisches Problem handelt, auf dem die ganze Notlage zunächst basiert. Eine Initiative des Bundesverkehrsministers wäre außerordentlich notwendig gewesen. Andererseits verstehe ich den Herrn Bundesfinanzminister, wenn er dem Herrn Bundesverkehrsminister das Geld nicht nachträgt; das ist nicht die Aufgabe des Bundesfinanzministers. Nachdem hier ein verkehrspolitisches Problem vorliegt, glaube ich, daß es die erste Aufgabe des Bundesverkehrsministers ist, die Lösung des Problems vorwärtszutreiben. Allein ich teile seine Auffassung nicht, daß etwa die Situation in Ostbayern der in allen anderen Gebieten gleichzustellen ist, die an die Ostzone grenzen. Der Herr Bundesverkehrsminister weiß ganz genau, daß zwei Gesichtspunkte insbesondere Ostbayern besonders schwer treffen: einerseits die unheilvollen Umwegkilometerfrachten und andererseits der Verlust der Standorte von ehedem.
Die Umwegkilometerfrachten, meine Damen und Herren! Ich bin noch nicht hinter deren Geheimnis gekommen. Es heißt, es würden durch sie rund 5 Millionen der Bundesbahn verlorengehen. Ich bin den Dingen etwas weiter nachgegangen und habe festgestellt, daß irgendwann einmal, ich glaube vor zwei Jahren, bei der Direktion in Nürnberg am grünen Tisch errechnet wurde, was es ausmachen würde, wenn man die Umwegfrachten wegfallen ließe. Man hat theoretisch errechnet, daß dies einen Betrag von 5 oder 7 Millionen ausmachen würde, ohne dabei zu berücksichtigen, was durch die unwirtschaftliche Tarifregelung der Umwegfrachten von der Schiene auf die Straße gedrängt wird. Es ist selbstverständlich, daß natürlich die Straße hier eine willkommene Gelegenheit hat, den geraden Weg zu fahren und dabei noch etwas billiger zu sein als die Bundesbahn. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß hier zu sehr fiskalisch gedacht wird. Mit nur fiskalischen Momenten können wir nicht Wirtschaftspolitik und Bundespolitik treiben, sondern wir müssen von der Regierung verlangen, daß sie wirklich in die Probleme hineinsteigt, nicht nur von beamtenmäßigen, bürokratischen Gesichtspunkten aus, sondern von der souveränen Ebene eines Ministers her.
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Ich hoffe, daß die heutige Aussprache dazu geführt hat, daß die Regierung weiß, was ihre Pflicht ist.
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Das Wort hat nochmals der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Solleder hin muß ich mich noch einmal zum Wort melden. Er hat mir vorgeworfen, daß ich nicht die nötige Initiative entwickelt hätte. Ich glaube, der Herr
Abgeordnete Dr. Solleder braucht sich nicht zu beklagen, daß die Initiative, die von meinem Ministerium aus gerade für diese Gebiete entwickelt worden ist, zu gering sei. Ich darf ihn vielleicht an gewisse Dinge erinnern, die ich vorhin hier schon vorgetragen habe. Abgesehen von den Sondermaßnahmen, die die Bundesbahn im letzten Jahre durchgeführt hat und auf die der Herr Abgeordnete Dr. Zawadil schon eingegangen ist, haben wir dafür gesorgt, daß in diesen Gebieten durch die Maßnahmen der Bundesregierung im Wege der Arbeitsbeschaffung Entscheidendes für die Beschäftigung der Arbeiter des Bayerischen Waldes und seiner Umgebung sowohl in der Steinindustrie wie in der Holzindustrie geschehen ist.
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Ich möchte mir verbitten, daß hier gesagt wird, daß das keine Initiative gewesen sei.
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Ich habe die Initiative gehabt.
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Ich habe Initiative gehabt und habe sie mit aller Energie durchgeführt.
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- Man kann sich eine Kritik verbitten, wenn man sie für ungerecht hält.
Und dann möchte ich noch eins sagen, Herr Kollege Solleder: Die Frage der Umwegfrachten ist eine verhältnismäßig klare Angelegenheit. Die Bahn hat grundsätzlich immer denjenigen Tarifweg zu berechnen, den sie wirklich fährt. Aber man hat dabei im Laufe der Jahre schon viele Ausnahmen getroffen und zum Beispiel bei der Strecke nach Schleswig-Holstein über die zerstörte Lauenburger Brücke nicht den Umweg über Hamburg berechnet, sondern hat zur Unterstützung dieser Gebiete die Fracht ohne Umweg so berechnet, als ob man die Lauenburger Strecke fahren könnte.
Das ist auch in Bayern geschehen; denn man hat nicht die tatsächlich gefahrenen Kilometer über Würzburg berechnet, sondern die Abkürzungsstrecke über Kissingen-Gemünden. Ich möchte aber noch darüber hinausgehen und möchte die Werratalstrecke für die Umwegberechnung zugrunde legen. Daß man dabei natürlich theoretisch ausrechnen kann, wieviel Millionen der Bundesbahn infolgedessen verlorengehen, das ist selbstverständlich. Aber bedenken Sie bitte den Zusammenhang dabei auch wieder, daß andererseits Mehrfrachten, die durch den weiteren Transport von Material der Bahn zukommen, ja letzten Endes auch auf der Einnahmeseite zu Buche stehen und daß deswegen schon in dieser Umwegfrachtangelegenheit die Möglichkeiten für ein Entgegenkommen gegeben sind, wenn auch nicht in der Weise, daß man - was ich persönlich für das wünschenswerteste halte und was wir in Zukunft, wenn wir einmal die Selbstkostenfrachten ganz eindeutig geklärt haben, auch anstreben möchten - zur luftkilometerischen Frachtentfernung kommt. Damit würde sich gerade für diese Gebiete eine ganz erhebliche Erleichterung ergeben. Also es ist schon so, daß wir uns sowohl nach der theoretischen wie nach der praktischen Seite bemühen, den Problemen nachzukommen. Aber das sind Fragen, die sich leider nicht von heute auf morgen lösen lassen, weil sie dafür zu kompliziert sind.
Aber eines muß ich noch dazu sagen. Der Umweg auf der Straße ist praktisch genau so weit wie der auf der Bahn. Da ist nicht sehr viel zu
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ersparen wegen der Steigungen, die die Fahrzeuge durchzuführen haben, und wegen der sehr schlechten Straßenverhältnisse. Denken Sie an den schlechten Anschluß von Coburg und an den damit verbundenen Umweg. Denken Sie an die schlechten Straßenverhältnisse zwischen Marktredwitz, Hof und Selb. Sie kennen die Lage genau so gut wie ich. Es ist also so, daß für die Straßenfahrzeuge nicht nur durch den Umweg, sondern auch durch die Mehrreparaturen, die durch die Befahrung der schlechten Straßen mit großen Unfallgefahren verursacht werden, insbesondere bei den schmalen und kurvenreichen Straßen, schon nicht so viele günstige Momente für die Straße gegenüber der Bahn existieren, daß man hierin ein Problem von Schiene und Straße sehen könnte. - Das darf man nicht; denn die Umwege sind für beide Teile gleich belastend. - Natürlich ist das Straßenfahrzeug, weil es anpassungsfähiger ist und sich stärker bemüht, Rückfracht zu bekommen, wenn es aus dem süddeutschen Raum herausfährt, deswegen gerade für die Bahn entscheidend. Daß es im Interesse dieser Gebiete wichtig ist, daß bestimmte Massengüter wie Holz. und Steine bei weiteren Frachtentfernungen entsprechende Verbilligungen bekommen, das ist allerdings ein Problem, das mit dieser Frage zusammenhängt und dessen Lösung bei einer gerechten Aufteilung der Transporte auf beide Teile zugleich auch der Unterstützung der dort ansässigen Industrien dienen soll.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge sind nicht gestellt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Der Berichterstatter für die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung, der Herr Abgeordnete Kunze, der augenblicklich durch eine Kommissionssitzung verhindert ist, hat gebeten, diesen Punkt bis nach 14 Uhr zurückzustellen. Ich komme diesem Wunsche nach und rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Fideikommiß- und Stiftungsrechts ({0})
Ich nehme an, daß der Herr Bundesjustizminister dieses Gesetz begründen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch ein Gesetz vom 6. Juli 1938 ist das Erlöschen der Familienfideikommisse und der sonstigen gebundenen Vermögen beschlossen worden. Seit dieser Zeit läuft die Abwicklung dieser Fideikommisse und der sonstigen gebundenen Vermögen. Sie ist noch nicht restlos erledigt. Es sind durch reichsrechtliche Bestimmungen, nach 1945 durch Ländergesetze laufende Fristen verlängert worden. Eine der wesentlichsten Fristen ist im § 18 des Gesetzes enthalten. Durch den § 18 wird diesen Fideikommissen und ähnlichen Rechtspersonen die Pflicht auferlegt, land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz zu veräußern. Die Frist hierfür läuft in fast allen Ländern bis zum Ende dieses Jahres. Nach Fristablauf erlöschen die Stiftungen, die bis zum Ende der Frist diese Veräußerungen nicht vorgenommen haben. Sie verlieren also nicht nur ihren land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitz, sondern auch ihre Rechtspersönlichkeit.
Deswegen die Notwendigkeit des Ihnen jetzt vorliegenden Gesetzes, das die Frist verlängert und im übrigen die Länder ermächtigt, je nach ihren
Bedürfnissen die geltenden Vorschriften über die Auflösung und das Erlöschen der Fideikommisse gesetzlich anders zu regeln, die Bestimmungen zu ändern oder aufzuheben. Notwendig ist, meine Damen und Herren, daß das Gesetz noch vor Ende des Jahres in Kraft tritt. Deswegen meine Bitte um beschleunigte Behandlung. Im übrigen darf ich zur Begründung auf den vorliegenden Entwurf verweisen.
Meine Damen und Herren, der Altestenrat schlägt Ihnen vor, dieses Gesetz ohne Aussprache dem Ausschuß zu überweisen. Es ist die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgesehen. Nachdem gestern in einer Frage des Fideikommißrechts gleichzeitig die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt worden ist, frage ich, ob das auch in diesem Falle gewünscht wird. - Der Vorsitzende dieses Ausschusses ist offenbar nicht hier. Ich nehme an, daß das Haus mit Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einverstanden ist.
({0}) Damit ist dieser Punkt erledigt.
Ich rufe weiter auf den eingeschalteten Punkt, meine Damen und Herren:
Erste Beratung eines Gesetzes über die Verlängerung des Bewirtschaftungsnotgesetzes ({1}).
Wer wird das Gesetz begründen? - Es liegt der Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({2}) und Genossen Nr. 1683 der Drucksachen vor. Herr Abgeordneter Dr. Müller befindet sich nicht hier. Will jemand anders von den Antragstellern das Gesetz begründen, Herr Abgeordneter Kahn oder Herr Abgeordneter Gerns? - Offenbar nicht. Ich darf vorschlagen, daß wir diesen Punkt der Tagesordnung zurückstellen, bis der Herr Antragsteller eingetroffen ist.
Ich rufe weiter auf den auf der Tagesordnung als Punkt 6 c bezeichneten Punkt:
Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes ({3}).
({4})
- Nein, er ist nicht abgesetzt. Die Verlängerung des Preisgesetzes, Herr Abgeordneter, ist ausdrücklich davon ausgenommen, da das Preisgesetz im Dezember abläuft. Abgesetzt sind die Punkte 6 a) und b), das Preisgesetz und die dazugehörige Interpellation. Der Antrag des Abgeordneten Etzel ({5}) und Genossen ist nicht abgesetzt worden.
Ich sehe, daß Herr Abgeordneter Etzel auch nicht hier ist. Soll das Gesetz anderweitig begründet werden? - Ich muß vorschlagen, auch diesen Punkt der Tagesordnung zurückzustellen, bis der Antragsteller eingetroffen ist.
({6})
- Meine Damen und Herren, es ist gebeten worden, die Besprechung des Punktes 6 der Tagesordnung auszusetzen.
({7})
Ich mache den Herren, die nicht hier sind, keinerlei Vorwürfe, meine Damen und Herren, ich muß
nur feststellen, daß die Herren nicht hier sind. Es
({8})
läßt sich nicht verheimlichen, daß die Herren nicht zum Kaffeetrinken sind, sondern sie sind augenblicklich durch Ausschußverhandlungen verhindert.
({9})
- Also ich stelle das ausdrücklich fest. Ich glaube, es ist in der Öffentlichkeit wiederholt zum Ausdruck gebracht worden, daß die geringe Besetzung des Hauses nicht auf Interesselosigkeit zurückgeht, sondern daß während des Plenums eine große Zahl von Ausschüssen tagen, die dringend notwendige Arbeiten erledigen. Ich möchte das aber ausdrücklich hier einmal gesagt haben, damit nicht ständig das Mißverständnis auftaucht, daß ein Teil der Abgeordneten zu bequem wäre, ihre Pflichten zu erfüllen.
({10})
Ich habe dann aufzurufen den auch einzuschiebenden Punkt:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({11}),
die heute morgen, wie ich annehme, verteilt worden ist. Berichterstatter für dieses Gesetz ist der Herr Abgeordnete Pelster. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Der Ältestenrat hat gestern keine Vereinbarung darüber treffen können; ich schlage dem Hause eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. Das Haus ist damit einverstanden.
Pelster ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Bundestages am 16. 11. 1950 wurden dem Hause vorgelegt die Anträge Drucksache Nr. 1525 Degener, Pelster und Genossen, Drucksache Nr. 1534, ein Antrag der Kommunistischen Partei, und Nr. 1587, ein Antrag der SPD, die alle des gleichen Inhalts waren. Der erstgenannte Antrag schlug dem Hause vor, eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 200 DM steuerfrei zu lassen. Der Antrag der KPD verlangte 300 DM und der Antrag der SPD ebenfalls 300 DM. Es lag dem Hause gleichzeitig eine Gesetzesvorlage der Zentrumspartei vor, die ebenfalls eine Änderung der Durchführungsrichtlinien für die Einkommensteuer/Lohnsteuer dahingehend vorschlug, daß statt 100 DM -300 DM steuerfrei blieben. Angenommen wurde damals in der Sitzung vom 16. 11. der Antrag Degener, Pelster und Genossen, daß 200 DM steuerfrei bleiben sollten, und die Bundesregierung wurde ersucht, dem Bundesrat mitzuteilen bzw. dem Bundesrat zu bedeuten, daß 200 DM steuerfrei bleiben sollten. Der Finanzausschuß des Bundesrates hat keine Neigung, diesem Antrage oder diesem Ersuchen des Bundestages Rechnung zu tragen. Der Finanzausschuß des Bundestages hat sich gestern abend spät in seiner Sitzung nochmals mit der Frage befaßt. Er hat zu dem von der Zentrumspartei vorgelegten Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1541 Stellung genommen und einstimmig beschlossen, festzulegen, daß dem § 3 des Einkommensteuer- und Körperschaftssteuergesetzes vom 29. April 1950 ein Punkt 15 eingegliedert wird, der besagt:
Weihnachtszuwendungen ({13}), soweit sie im einzelnen Falle insgesamt 200 DM nicht übersteigen, sollen steuerfrei bleiben.
Ursprünglich betrug die Summe 300 DM; sie wurde von den Antragstellern auf 200 DM herabgesetzt. Der Finanzausschuß bittet Sie durch mich, in zweiter und dritter Lesung - die erste Lesung war am 16. 11. - diesem Vorschlag auch Ihre Zustimmung zu geben, wonach Zuwendungen bis 200 DM aus Anlaß des Weihnachts- oder Neujahrsfestes, die in der Zeit vom 15. 11. dieses Jahres bis 15. 1. nächsten Jahres gegeben werden, steuerfrei bleiben. Sie haben den Umdruck vorliegen. Es muß nur noch eine Änderung im Art. II eintreten. Dort heißt es: „Dieses Gesetz tritt am Tage seiner Verkündung in Kraft". Es ist da ein Fehler unterlaufen, weil es in den späten Abendstunden während der Beratungen des Ausschusses geschrieben worden ist. Dieser Art. II muß heißen: „Dieses Gesetz tritt am 15. 11. 1950 in Kraft."
Ich bitte Sie, dem Beschluß des Ausschusses auch Ihre Zustimmung zu geben.
Sie haben den Bericht des Herrn Berichterstatters gehört. Ich danke ihm.
Ich eröffne die Aussprache der Zweiten Beratung des Gesetzes. Wird das Wort dazu gewünscht?
({0})
- Der Ausschußantrag geht dahin: „Artikel II. Dieses Gesetz tritt am 15. 11. 1950 in Kraft".
({1})
- Herr Abgeordneter Ewers, ich habe nicht die Möglichkeit, den Ausschußantrag zu verändern. Will der Ausschuß seinen Antrag so verändern, daß es heißt„ mit Wirkung vom 15. 11."?
({2})
- Der Ausschuß stellt also den Antrag, daß Art. II heißen soll „Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 15. November 1950 in Kraft". Damit sind die Bedenken wohl ausgeräumt.
({3})
Wird das Wort gewünscht? - Herr Staatssekretär Hartmann wünscht das Wort dazu. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mir zunächst erlauben, zur technischen Seite zwei Anregungen zu geben. Ich glaube, im Art. I sollte es heißen - man kann nämlich nicht das Gesetz vom 29. April ändern -, daß das Einkommensteuergesetz in der Fassung des Gesetzes vom 29. April geändert wird. Ich würde also empfehlen, im Art. I zu sagen:
In § 3 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes vom 29. April 1950 ({0}) wird folgende Ziffer 15 neu angefügt,
und dann bleibt der vorgeschlagene Text.
Art. II müßte nach den Grundsätzen, die das Bundesministerium der Justiz aufgestellt hat, etwa so lauten - ich darf mir, wenn das Hohe Haus zustimmen sollte, erlauben, dann noch den Wortlaut dem Herrn Präsidenten vorzulegen -: „Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 15. November 1950 in Kraft. Die Vorschrift gilt erstmals für Weihnachtszuwendungen, die in der Zeit vom 15. November 1950 bis" - das wäre dann noch zu bestimmen - „aus Anlaß des Weihnachtsfestes ({1}) gezahlt werden". Dann wäre, glaube ich, die Fassung korrekt.
({2})
Zur Sache hat Herr Minister Schäffer, der leider zu einer Besprechung zu dem Herrn Bundeskanzler abberufen worden ist, mich gebeten, folgendes zu sagen: daß erstens die Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes notwendig ist und daß zweitens wegen der Fristen, die für den Bundesrat und bei der Hohen Kommission laufen, eine Verkündung des Gesetzes vor dem Weihnachtsfeste wahrscheinlich nicht möglich sein wird, daß sich dadurch beträchtliche technische Schwierigkeiten für die Lohnbüros der Arbeitgeber und für die Finanzämter ergeben werden, und daß er doch bittet, noch einmal zu überprüfen, ob die Regelung nicht im Rahmen der demnächst vom Bundesfinanzministerium vorzulegenden umfangreichen Gesetzgebungsarbeiten und dann endgültig und nicht nur für ein einmaliges Fest erfolgen sollte.
Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade die Fragen der Fristen sind gestern abend im Finanzausschuß eingehend besprochen worden. Der Bundesrat tritt noch vor dem 15. einmal zusammen, und es ist möglich, dieses Gesetz, wenn wir es heute in zweiter und dritter Lesung annehmen, morgen dem Bundesrat vorzulegen. Es ist also dann durchaus möglich, daß das Gesetz noch vor Weihnachten in Kraft tritt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß gerade bei dieser gesetzlichen Bestimmung die Hohen Kommissare ihre Einspruchsfrist sollten wahrnehmen wollen, sondern es ist wahrscheinlich, daß auch von dieser Seite her keinerlei Schwierigkeiten gemacht werden.
Unter diesen Umständen sind die Bedenken, die der Herr Bundesfinanzminister hier hat vortragen lassen, glaube ich, nicht durchschlagend. Das hier vorgeschlagene Gesetz soll ja das Einkommensteuergesetz definitiv ändern. Es handelt sich also nicht nur um eine Regelung für das Jahr 1950, sondern auch für alle folgenden Jahre. Wir haben dann dieses leidige Kapitel, das den Bundestag nun schon seit über einem Jahr wieder und wieder beschäftigt hat und in dem eigentlich alle Fraktionen einig sind, definitiv abgeschlossen.
Das Wort wird weiterhin nicht gewünscht.
Wir müssen zunächst feststellen, in welcher Weise das Haus auf den Abänderungsantrag des Herrn Bundesfinanzministers reagieren will. Herr Staatssekretär, ich habe den Wortlaut von Ihnen noch nicht bekommen. Darf ich fragen, wie der Art. I beginnen sollte?
({0})
- Bitte, Herr Staatssekretär!
({1})
- Ich darf das aufnehmen:
In § 3 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 ({2}) wird folgende Ziffer 15 neu angefügt: und dann folgt der unveränderte Wortlaut des Ausschußantrages.
In Art. II heißt es:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 15. November 1950 in Kraft. Diese Vorschrift findet
erstmalig Anwendung auf Zuwendungen in Geld, die von einem Arbeitgeber an einen Arbeitnehmer in der Zeit vom 15. November 1950 bis 15. Januar 1951 aus Anlaß des Weihnachtsfestes ({3}) gezahlt werden.
Ich glaube, daß durch diese Formulierung die Bedenken des Herrn Kollegen Dr. Bertram ausgeräumt sind. Das macht deutlich, daß es sich um
eine endgültige Regelung handelt, die nur jetzt
erstmalig angewandt wird. - Ich darf annehmen,
daß das Haus mit den vorgeschlagenen Abänderungen, die technischer Art sind, einverstanden ist.
({4})
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung in zweiter Lesung.
Ich lasse abstimmen über Art. I und II, Einleitung und Überschrift dieses Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist einstimmig angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes.
Ich rufe auf Art. I und II, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist damit in der abgeänderten Fassung angenommen.
Inzwischen ist weder der Abgeordnete Dr. Müller noch der Abgeordnete Dr. Etzel eingetroffen.
({5})
- Ich bitte, das zu veranlassen!
Meine Damen und Herren, ich rufe dann zunächst, da es noch nicht 12 Uhr ist, den Punkt 9
der Ihnen gedruckt vorliegenden Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung über den Warenverkehr und das Protokoll vom 17. August 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Brasilien ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({7}) ({8}).
({9})
Vom Ältestenrat ist vorgesehen, diesen Gesetzentwurf ohne Aussprache anzunehmen.
Berichterstatter ist der Herr Abgeordnete Dr. Weiß. Ich bitte den Herrn Abgeordneten, das Wort zu nehmen.
Dr. Weiß ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Handelsvertragsverhandlungen mit den Vereinigten Staaten von Brasilien, die zum Abschluß des vorliegenden Abkommens geführt haben, wurden am 25. April d. J. in Rio de Janeiro begonnen und am 7. Juni 1950, also in der kurzen Zeit von sechs Wochen, zum Abschluß gebracht. Im allgemeinen dauern derartige Verhandlungen sechs Monate und mehr. Die Verhandlungen verliefen in einer sehr günstigen Atmosphäre; sie wurden seitens der brasilianischen Delegation in einem durchaus deutschfreundlichen Geist geführt. Dies soll auch an dieser Stelle anerkennend hervorgehoben werden.
({11})
Das Handelsabkommen wird, wie es in der Begründung zu dem vorgelegten Gesetzenwurf heißt, deshalb als „Vereinbarung über den Warenverkehr" bezeichnet, weil dieses erste deutsche Vertragswerk nach dem zweiten Weltkrieg einerseits gewisse Fragen regelt, die zeitlich bedingten Charakter tragen, andererseits infolge der noch ungeklärten politischen und völkerrechtlichen Lage gewisse Fragen nicht regelt, die an sich in einen Handelsvertrag hineingehören, zum Beispiel das Konsularwesen und das Niederlassungsrecht.
Das Einfuhr- und Ausfuhrvolumen beträgt bei diesem Abkommen auf jeder Seite 115 Millionen Dollar. Das sind etwa 5 °/o des Außenhandels der Bundesrepublik Deutschland im laufenden Jahr. Der Handelsverkehr zwischen den Vereinigten Staaten von Brasilien und der Bundesrepublik Deutschland soll, wie es in dem Art. 12 der Vereinbarung heißt, im Laufe der Zeit noch ausgebaut werden. Dazu bietet die Wirtschaft beider Länder große Möglichkeiten. Brasilien, ein Land von etwa 50 Millionen Einwohnern und einer Bodenfläche von 8,5 Millionen Quadratkilometern, hat große Rohstofflager, besonders an Eisenerzen und Ölen, sowie einen großen Holzreichtum in seinen allerdings noch nicht erschlossenen Landesteilen aufzuweisen. Die Landwirtschaft Brasiliens liefert wichtige Erzeugnisse, für die gerade in der Bundesrepublik Deutschland dringender Bedarf vorliegt. Für die von der brasilianischen Regierung angestrebte Industrialisierung des Landes und für das in einem Fünfjahresplan festgelegte Arbeitsprogramm zur Förderung von Volksgesundheit und Ernährung, Transportwesen und Energie werden Investitionsgüter benötigt, die die Bundesrepublik Deutschland zu liefern in der Lage ist, vor allem auch in einer Qualität, die den deutschen Waren auf dem Weltmarkt von jeher einen guten Absatz gesichert hat. So ergänzen sich die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Länder in ausgezeichneter Weise, und bei der bereits erwähnten günstigen Einstellung Brasiliens Deutschland gegenüber ist eine rasche Steigerung des Handelsverkehrs zu erwarten. Beweise ihrer deutschfreundlichen Einstellung hat die brasilianische Regierung vor kurzem dadurch gegeben, daß sie ein Gesetz über die Freigabe der Vermögenswerte von Deutschen erlassen hat, die in Brasilien wohnen, weiterhin durch die wohlwollende Behandlung der deutschen Schutzrechte, der deutschen Einwanderung, des Reiseverkehrs.
Die aus den Vereinigten Staaten von Brasilien nach der Bundesrepublik einzuführenden Waren umfassen einen Gesamtwert von 115 Millionen Dollar für den Zeitraum eines Jahres und im ganzen 50 verschiedene Produkte, und zwar 50 bis 60 % industrielle Rohstoffe und 30 bis 40% Ernährungsgüter. An erster Stelle steht Rohkaffee im Wert von 30 Millionen Dollar. Die brasilianische Regierung befürchtet allerdings, daß dieser Posten nicht voll abgenommen werden wird wegen der Belastung dieses Produktes durch Steuern und Zölle in Höhe von 11,60 DM je Kilogramm. An zweiter Stelle folgt Baumwolle im Wert von 25, Millionen Dollar. Infolge der ungünstigen letzten Ernte wird dieser Posten allerdings voraussichtlich nicht ganz geliefert werden; eine etwaige Fehlmenge wird von der nächsten Ernte nachgeliefert werden. Es folgen weiter an wichtigen Erzeugnissen Rinderhäute im Wert von 10 Millionen Dollar, Rohtabak und Sisal im Wert von je 5 Millionen Dollar, Holz und Eisenerze mit je 3 Millionen Dollar, Kakao und Mais mit je 4 Millionen Dollar.
Bei weiterer Entwicklung der Landwirtschaft Brasiliens besteht gute Aussicht für eine stärkere Ausfuhr von Sojabohnen. Dies ist deshalb wichtig, weil die Einfuhr von Sojabohnen aus der Mandschurei in Wegfall gekommen ist und die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten von Nordamerika aus Dollargründen erschwert ist. Auch mit verstärkten Reis- und Zuckerlieferungen kann in der Zukunft wohl gerechnet werden. Für Weizenausfuhr besteht zur Zeit keine Möglichkeit, da Brasilien selbst große Mengen Weizen aus Argentinien einführen muß.
Die deutsche Ausfuhrliste umfaßt 164 Positionen aus den verschiedensten Gebieten, hauptsächlich der gewerblichen Wirtschaft. Erfreulicherweise erreicht die Ausfuhr an Fertigwaren in diesem Abkommen den Vorkriegsstand, während sie sich im Durchschnitt dieses Jahres bis jetzt erst bei 63 % der Gesamtausfuhr befindet. Unter den deutschen Ausfuhrwaren stehen, entsprechend den auf Erschließung des Landes gerichteten Bestrebungen der brasilianischen Regierung, Verkehrsmittel aller Art im Gesamtwert von 12 1/2 Millionen Dollar mit an erster Stelle. Einen großen Posten nehmen die Chemieerzeugnisse im Wert von 13,8 Millionen Dollar ein. Textilien werden im Wert von 5 Millionen Dollar ausgeführt.
Die Warenlisten können nach Art. 4 der Vereinbarung in beiderseitigem Einvernehmen jederzeit geändert werden. Die Warenkontingente können nach Art. 3 je nach Lage herab- oder heraufgesetzt werden. Von den festgelegten Warenkontingenten sind vierteljährlich mindestens 25 % zur Ein- und Ausfuhr freizugeben. Die Vorlage von Ursprungszeugnissen kann nach Art. 5 der Vereinbarung verlangt werden.
Für langfristige Vereinbarungen bleiben Ein- und Ausfuhrbewilligungen nach Art. 7 und 8 auch dann in Kraft, wenn die Vereinbarung außer Kraft getreten ist.
Der Transitverkehr bedarf gemäß Art. 9 von Fall zu Fall besonderer Genehmigung.
Das in Art. 10 erwähnte Zahlungsabkommen, das zwischen dem Banco do Brasil und der Bank deutscher Länder abgeschlossen wurde, sieht eine Kreditmarge von 10 % des Warenvolumens, also von 11,5 Millionen Dollar vor. Nach Erschöpfung des Kredits kann sofortige Bezahlung des überschießenden Betrages gefordert werden.
Die in Art. 12 vorgesehenen gemischten Kommissionen sollen die Durchführung der Vereinbarung verfolgen und erleichtern sowie Vorschläge für den Ausbau des Handelsverkehrs machen.
Es ist zu bgrüßen, daß in absehbarer Zeit in Brasilien eine deutsche Handelsvertretung errichtet werden soll, was zur Förderung des Warenverkehrs zwischen den beiden Ländern sicherlich wesentlich beitragen wird.
Das Protokoll, das außer der Vereinbarung mit Gesetzeskraft veröffentlicht werden soll, schließt die westlichen Sektoren von Groß-Berlin in die Vereinbarung ein, außerdem enthält es eine umfassende Meistbegünstigung für Zölle und Steuern und die Seeschiffahrt beider Länder.
Vereinbarung und Protokoll bleiben ein Jahr in Kraft und verlängern sich stillschweigend um jeweils ein weiteres Jahr, falls nicht 60 Tage vor Ablauf gekündigt wird.
Der Bundesrat hat in seiner 37. Sitzung am 20. 10. dieses Jahres gemäß Art. 76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen, gegen den vorliegenden Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben.
({12})
Der Ausschuß für Außenhandel schlägt dem Hohen Hause vor, dem Gesetzentwurf ebenfalls zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Besprechung der zweiten Beratung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich darf zusammen aufrufen: Art. I, - Art. II,
- Art. III des Gesetzes, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung: Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte um Zustimmung. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der gedruckten Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Heimarbeitsgesetzes ({0}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}).
({3})
Vom Ältestenrat war vorgesehen, daß eine Aussprache zu diesem Punkt nicht stattfindet. Es. ist inzwischen ein Änderungsantrag der Fraktion der Kommunistischen Partei eingegangen. Umdruck Nr. 29 befindet sich in Ihrer Hand. Ich weise gleich darauf hin, daß die kommunistische Fraktion gebeten hat, aus diesem Umdruck die Ziffer 3 zu streichen. Ich bitte, das in Ihrem Handexemplar zu vermerken.
Ich bitte zunächst den Berichterstatter Herrn Abgeordneten Karpf, das Wort zu nehmen.
Karpf ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 89. Sitzung des Bundestags am 5. Oktober 1950 wurde der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Heimarbeitsgesetzes in erster Lesung verabschiedet und dem Ausschuß für Arbeit überwiesen. Von allen Seiten des Hauses wurde dabei dem Wunsche Ausdruck verliehen, der zuständige Ausschuß möge in möglichst kurzer Zeit seine Beratungen beginnen, um dem Erfordernis einer baldigen Verabschiedung dieses so dringenden Gesetzes zu entsprechen.
Der Entwurf der Bundesregierung hat sich bemüht, das Heimarbeitsrecht auf der Grundlage der früheren gesetzlichen Regelungen organisch weiter zu entwickeln. Der Personenkreis der in Heimarbeit Beschäftigten entspricht im wesentlichen dem des Gesetzes über die Heimarbeit von 1939. Es ist anzuerkennen, daß sowohl der Entwurf der Bundesregierung als auch die im Ausschuß geleistete Mitarbeit der vom Bundesarbeitsministerium beorderten Referenten zu einer außerordentlich dankbaren Ergänzung der Ausschußberatungen beigetragen haben.
Der Ausschuß hat sich bemüht, dem zum Ausdruck gebrachten Wunsch auf möglichst schnelle Verabschiedung in weitestgehender Weise Rechnung zu tragen. In drei Sitzungen hat der Ausschuß für
Arbeit eine eingehende Beratung des Regierungsentwurfs vorgenommen. Das Ergebnis liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 1543, in dem Mündlichen Bericht des Ausschusses vor, der die Änderungen enthält.
Ich kann mich darauf beschränken, Ihnen die Änderungen zu erläutern. Da dem Regierungsentwurf eine sehr eingehende Begründung beigegeben ist, ist nur noch sehr wenig hinzuzufügen.
Nach Abschluß der Ausschußberatungen nahm der Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrats zu der Drucksache Nr. 1543 und dem Ergebnis der Ausschußberatungen Stellung und machte gegenüber einigen Formulierungen erhebliche Bedenken geltend. Er richtete seine Einwände insbesondere gegen § 3 des Gesetzes betreffend die zuständige Arbeitsbehörde. Der Unterausschuß des Ausschusses für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrats nahm am 29. November 1950 noch einmal eine Beratung der vorgelegten Ausschußergebnisse vor und erarbeitete unter Hinzuziehung von zwei Vertretern des Ausschusses für Arbeit eine geänderte Fassung, die der Ausschuß für Arbeit in einer nochmaligen Sitzung zur Beratung stellte und die in der Ergänzung zum Mündlichen Bericht dem Hohen Hause vorliegt.
Zunächst darf ich darauf hinweisen, daß der Ausschuß sich bemüht hat, eine neue Fassung des Begriffs „Geltungsbereich" zu schaffen, die den Wünschen und den dringenden Bedürfnissen der in Heimarbeit Beschäftigten besser entspricht. Zwecks einer besseren Klarstellung der immer noch umstrittenen Begriffe Heimarbeiter und Hausgewerbetreibender hat der Ausschuß in § 1 Abs.1 Ziffer 2 zweiter Halbsatz bezüglich der Hausgewerbetreibenden die Worte gestrichen: „die in der Regel allein oder mit ihren Familienangehörigen . . . arbeiten." Er wollte damit klarstellen, daß der da und dort immer wieder herrschende Streit, wo die Abgrenzung zwischen Heimarbeiter und Hausgewerbetreibendem liegt, einer eindeutigen Klärung zugeführt werden soll. Nach der Neufassung. des § 2 ist nun Heimarbeiter im Sinne dieses Gesetzes, wer in selbstgewählter Arbeitsstätte mit seinen Familienangehörigen arbeitet. Die Zusätze „ohne Gewerbetreibender zu sein" in Abs. 1 bzw. „als Gewerbetreibender" in Abs. 2 wurden fallengelassen; damit wurde erklärt, daß alle, die mit fremden Hilfskräften arbeiten, als Hausgewerbetreibende zu betrachten sind.
Die Neufassung ides § 3, gegen den der Bundesrat Bedenken wegen der Zuständigkeit erhoben hatte, liegt Ihnen, wie ich bereits bemerkte, in der Ergänzung zur Drucksache Nr. 1543 vor. Nach dieser Neufassung soll der Abs. 1 des § 3 lauten:
({5}) Zuständige Arbeitsbehörde im Sinne dieses Gesetzes ist die Oberste Arbeitsbehörde des Landes. Für Angelegenheiten ({6}), die nach Umfang, Auswirkung oder Bedeutung den Zuständigkeitsbereich mehrerer Länder umfassen, wird die Zuständigkeit durch die Obersten Arbeitsbehörden der beteiligten Länder nach näherer Vereinbarung gemeinsam im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Arbeit wahrgenommen. Betrifft eine Angelegenheit nach Umfang, Auswirkung oder Bedeutung das gesamte Bundesgebiet oder kommt eine Vereinbarung nach Satz 2 nicht zustande, so ist der Bundesminister für Arbeit zuständig.
({7})
Mit dieser Neuformulierung sind die Bedenken des Bundesrats ausgeräumt.
In derselben Sitzung wurde ferner beschlossen, den Abs. 3 des § 3 zu streichen, weil ihm die Bedeutung, die man ihm unterstellt hatte, nicht zukommt und weil ihn der Bundesrat für bedenklich gehalten hat.
§ 4 wurde unverändert übernommen.
In § 5 wurde hinzugefügt, daß, wenn zuständige Vereinigungen nicht vorhanden sind, von den Spitzenorganisationen Vorschläge eingereicht werden können, um damit jede Möglichkeit zu schaffen, die Berufung von Beisitzern nach möglichst sachgerechten Grundsätzen durchzuführen. Die Worte „sachkundige Personen" wurden geädert in „geeignete Personen", um keinen Streit über den Begriff „Sachverständige" heraufzubeschwören. Die Worte „geeignete Personen" bedeuten im Prinzip das gleiche; aber es ist damit die Möglichkeit gegeben, daß zu den Sachverständigen auch noch sonstige geeignete Personen in Vorschlag gebracht werden können.
Der § 6 bezüglich der Listenführung mußte eine Änderung erfahren auf Grund der allseitigen Meinung des Ausschusses, daß die Vorlage der Listen, die nach der Regierungsvorlage nur einmal jährlich vorgesehen ist, nicht den Bedürfnissen einer geordneten Überwachung der Heimarbeit entspricht. Bei der starken Fluktuation, die in der Heimarbeit immer wieder festzustellen ist, würde eine Liste, die nur einmal im Jahre abgegeben wird, sehr bald unbrauchbar werden und keine Handhabe mehr dafür bieten, daß eine geordnete Überwachung der Heimarbeit durchgeführt werden kann. Es wurde ferner hinzugefügt, daß diese Listen an die zuständige Arbeitsbehörde in je drei Abschriften einzureichen sind und daß von dieser je eine Abschrift der zuständigen Gewerkschaft und der zuständigen Vereinigung der Auftraggeber zuzuleiten ist. Hier ist ebenfalls eine Abweichung gegenüber der Regierungsvorlage, die vorgesehen hatte, daß in diese Listen Einsicht genommen werden könnte. Eine solche Einsichtnahme ist bei dem teilweise außerordentlich weit ausgedehnten Heimarbeiterkreis nicht geeignet, die nötige Unterstützung der zuständigen Organisationen zu gewährleisten, die für die Durchführung des Gesetzes dem Ausschuß als unerläßlich erscheint.
Das gleiche gilt für die Anzeige bei erstmaliger Ausgabe von Heimarbeit im § 7.
§ 8 blieb unverändert.
Im § 9 wurde vorgesehen, daß bei der Festsetzung der Entgeltbelege auch der Heimarbeitsausschuß mitzubestimmen hat, also angehört werden muß, bevor eine Genehmigung erfolgt. Der Ausschuß war der Auffassung, daß diese Frage von sehr großer Bedeutung ist, ob man Entgeltbelege, Entgeltbücher oder sonst eine andere Form der Unterlagen an die Heimarbeiter herausgibt, und daß das geeignete Organ dafur, um hier seine Meinung zum Ausdruck zu bringen, der zuständige Heimarbeitsausschuß sein muß.
Bezüglich der Verteilung der Heimarbeit im § 11 wurde ebenfalls eine Änderung im Hinblick auf die Arbeit für Jugendliche vorgesehen. Es wurde die Neufassung eingeführt:
Für jugendliche Heimarbeiter ist eine Arbeitsmenge festzusetzen, die von vergleichbaren jugendlichen Betriebsarbeitern in der für sie üblichen Arbeitszeit bewältigt werden kann.
Diese Bestimmung entspricht den Vorschriften auch des Jugendschutzgesetzes, nach dem sich Arbeit für Jugendliche im Rahmen der zulässigen Arbeitszeit halten muß. Es erschien dem Ausschuß als die beste Lösung, bei der Ausgabe von Heimarbeit die vergleichbaren jugendlichen Betriebsarbeiter, die häufig im selben Betriebe arbeiten, und die von ihnen zu bewältigende Arbeitsmenge zugrunde zu legen.
Die Regelung der §§ 12, 13, 14, 15, 16, 17 wurde in der Fassung der Regierungsvorlage unverändert übernommen.
§ 18 - die Aufgaben des Heimarbeitsausschusses auf dem Gebiete der Entgeltregelung - wurde ebenfalls im wesentlichen unverändert übernommen; desgleichen die Frage der bindenden Festsetzungen im § 19. § 19 Abs. 3 wurde lediglich auf Wunsch des Bundesrates dahingehend geändert, daß nicht das Tarifvertragsgesetz der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes sinngemäß gilt. Vielmehr lautet die Neufassung:
({8}) Soweit sich aus den Absätzen 1 und 2 sowie aus dem Fehlen der Vertragsparteien nicht etwas anderes ergibt, gelten für die bindende Festsetzung die gesetzlichen Vorschriften über den Tarifvertrag sinngemäß.
Diese Neufassung mußte deswegen gewählt werden, weil das Tarifvertragsgesetz nur für die amerikanische und britische Zone Gültigkeit hat, während in den Ländern der französischen Zone eine andere tarifgesetzliche Regelung gilt. Daher war eine Änderung der Regierungsvorlage erforderlich.
Die Entgeltregelung für Zwischenmeister hat ebenfalls keine Änderung erfahren, desgleichen der § 22 über die Mindestarbeitsbedingungen für fremde Hilfskräfte. Es muß bei diesem Paragraphen anerkannt werden, daß gegenüber früheren Regelungen eine sehr wertvolle neue Möglichkeit für Mindestarbeitsbedingungen für. fremde Hilfskräfte geschaffen wurde. Dieser Anregung des Entwurfs ist der Ausschuß gefolgt in der festen Überzeugung, daß nicht nur die Heimarbeiter bzw. die in Heimarbeit Beschäftigten, sondern auch die bei diesen beschäftigten fremden Hilfskräfte eines Lohnschutzes bedürfen.
Weiter hat es der Ausschuß für dringend notwendig gehalten, einen neuen sehr bedeutsamen Paragraphen über die Möglichkeit von Kündigungen in den Ihnen vorliegenden Entwurf der Regierung einzufügen. Es erscheint uns außerordentlich bedeutsam, daß der vom Ausschuß für Arbeit als selbständiger Abschnitt neu eingefügte § 29 erstmalig eine Kündigungsfrist festlegt. Die Vorschrift dürfte zu einer neuen Konzeption des Heimarbeitsverhältnisses, insbesondere zu einer Annäherung des Heimarbeitsverhältnisses an das Arbeitsverhältnis führen. Die Meinungen all der verantwortlichen Behörden und Organisationen, die mit dem Heimarbeiterschutz zu tun haben, ist weithin die, daß sich das Heimarbeitsverhältnis einem wirklichen Arbeitsverhältnis mehr und mehr angleicht und zum großen Teil bereits ein solches ist. Es erschien untunlich, die in Heimarbeit Beschäftigten im Falle der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Willkür der jeweiligen Auftraggeber zu überlassen. Aus diesem Grunde hat der Ausschuß in der Neufassung zu Drucksache Nr. 1543 nun die Fassung beschlossen:
Ein Auftraggeber oder Zwischenmeister kann
das Beschäftigungsverhältnis eines in Heimarbeit Beschäftigten, den er mindestens ein
({9})
Jahr ausschließlich oder überwiegend beschäftigt hat, nur mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen lösen, wenn der Beschäftigte seinen Lebensunterhalt überwiegend aus dem Beschäftigungsverhältnis bezieht. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der zur Lösung des Arbeitsverhältnisses eines vergleichbaren Betriebsarbeiters ohne Einhaltung der Kündigungsfrist berechtigen würde. Für die Kündigungsfrist hat der Beschäftigte auch bei Ausgabe einer geringeren Arbeitsmenge Anspruch auf Arbeitsentgelt in Höhe von einem Zwölftel des Gesamtbetrages, den er in den der Kündigung vorausgehenden vierundzwanzig Wochen als Entgelt erhalten hat.
Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn ein Auftraggeber oder Zwischenmeister die Arbeitsmenge, die er mindestens ein Jahr regelmäßig an einen Beschäftigten, auf den die Voraussetzungen des Absatzes 1 zutreffen, ausgegeben hat, um mindestens die Hälfte verringert.
Von einigen Mitgliedern des Bundesrats wurden
zunächst gegen diese Fassung Bedenken erhoben.
Sie befürchteten, daß, wenn der Zwischenmeister
verpflichtet wird, eine Kündigungsfrist einzuhalten,
es ihm selbst - das heißt dem Zwischenmeister an dem erforderlichen Schutz mangele. Diesen Bedenken hat der Ausschuß mit dem weiteren Absatz 4 Rechnung getragen, indem er auch für die
Zwischenmeister folgende Sicherung eingebaut hat:
Teilt ein Auftraggeber einem Zwischenmeister,
der überwiegend für ihn Arbeit weitergibt,
eine künftige Herabminderung der regelmäßig
zu verteilenden Arbeitsmenge nicht rechtzeitig
mit, so kann dieser vom Auftraggeber Ersatz
der durch Einhaltung der Kündigungsfristen
({10}) verursachten Aufwendungen
insoweit verlangen, als während der Kündigungsfrist die Beschäftigung wegen des Verhaltens des Auftraggebers nicht möglich war.
Ich darf dazu noch einen kurzen Satz anfügen. Es wurde bereits in der ersten Lesung ausgesprochen, daß die Willkür in dem Verhältnis zwischen Auftraggeber und dem in Heimarbeit Beschäftigten zu außerordentlichen sozialen Härten führt. Die in der Heimarbeit Beschäftigten, die sowohl in die Arbeitslosen- wie Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung eingebaut sind, erfahren häufig erst nach einer längeren Frist, daß sie keine Arbeit mehr erhalten. Sie sind dadurch nicht nur selbst geschädigt; soweit sie nämlich als Hausgewerbetreibende tätig sind und fremde Hilfskräfte beschäftigen, besteht diesen Hilfskräften gegenüber die Verpflichtung, zu kündigen und ihnen für weitere zwei Wochen den Lohn weiterzubezahlen. Hier liegt ein offenes Unrecht vor, weil der schwächere Teil wohl dazu verpflichtet ist, den von ihm beschäftigten Hilfskräften gegenüber die Kündigungszeit einzuhalten, während ihm selbst gegenüber das Arbeitsverhältnis willkürlich gelöst werden könnte. Aus diesem Grund hat es der Ausschuß für Arbeit für dringend erforderlich gehalten, dem Hohen Hause diesen neuen § 29 vorzuschlagen.
Der Ausschuß für Arbeit hat eine strengere Fassung der Bestimmungen über Strafen, Ausgabeverbot und Vergehen - § 30 und § 31 des Entwurfs, § 31 und § 32 nach den Beschlüssen des 20. Ausschusses - für erforderlich gehalten. Die Möglichkeit der Verhängung von Strafen bietet bei der milden Handhabung, die wir heute auf weiten Gebieten unseres Rechtswesens zu . beklagen haben, häufig nicht genügend Anlaß, sich an die
Bestimmungen dieser Schutzgesetze zu halten. Aus
diesem Grund hielt es der Ausschuß für Arbeit für
erforderlich, den § 31 Abs. 1 neu zu fassen:
Mit Geldstrafe bis zu fünfhundert Deutsche Mark wird bestraft, wer vorsätzlich und aus Gewinnsucht oder in der Absicht, den in Heimarbeit Beschäftigten Schaden zuzufügen, eine der in § 30 Buchstaben a bis c bezeichneten Handlungen begeht.
Der sozialpolitische Ausschuß des Bundesrats hielt diese Fassung noch nicht für weit genug. Er befürchtete, sie habe doch in der Hauptsache mehr einen abschreckenden, deklamatorischen Wert, während sie eine konkrete Bedeutung in den seltensten Fällen erlangen könnte. Im Unterausschuß des sozialpolitischen Ausschusses des Bundesrats wurde daher eine neue Fassung vorgeschlagen, der sich dann der Ausschuß für Arbeit angeschlossen hat. Der Absatz erhielt folgenden Wortlaut:
Mit der gleichen Strafe wird bestraft, wer eine
der in § 30 Buchstaben a bis c bezeichneten
Handlungen begeht, obwohl er wegen einer
gleichartigen Verfehlung in den letzten der
Bestrafung vorausgehenden fünf Jahren rechtskräftig verurteilt wurde.
Es handelt sich hier um die Vorschriften über Listenführung, die Anordnung zum Schutze der Heimarbeiter vor Zeitversäumnis und die Unterlassung, die Verrichtung von Heimarbeit anzuzeigen, die anzeigepflichtig ist.
Das bezieht sich auf drei Verpflichtungen, deren Anführung mit Absicht unterlassen wird. Ist wegen eines gleichen Vergehens schon eine Strafe ausgesprochen worden und hält der Auftraggeber es immer noch nicht für notwendig, hier die unbedingt erforderliche Ordnung einzuhalten, erscheint dem Ausschuß im Wiederholungsfall eine höhere Strafe notwendig.
Ein längerer Meinungsaustausch fand statt über die Frage des § 33, über die Vereinigungen der Hausgewerbetreibenden. In der Fassung des Regierungsentwurfes wurde vorgeschlagen:
Den Gewerkschaften stehen bei Anwendung des § 1 Absatz 5, des § 5 Absatz 1 sowie der §§ 6, 7 und 17 bis 19 Vereinigungen der Hausgewerbetreibenden gleich, die zur Wahrnehmung der Interessen der Hausgewerbetreibenden gegenüber den Auftraggebern berufen sind.
Hiergegen wurden vom Bundesrat Bedenken geäußert, weil seinem Vorschlag, hier müsse gewährleistet sein, daß diese Vereinigungen unabhängig vom Auftraggeber sind, nicht Rechnung getragen wurde. In einer neuerlichen Beratung hat der Ausschuß dann beschlossen, folgende Form zu wählen:
Die wirtschaftlichen Interessen der Hausgewerbetreibenden den Auftraggebern gegenüber
werden durch Gewerkschaften wahrgenommen.
Im übrigen blieb das Gesetz in der Fassung des Regierungsentwurfs bestehen.
Aufgabe dieses Hohen Hauses heute ist, dem Entwurf des Ausschusses für Arbeit zuzustimmen. Als Berichterstatter darf ich Sie herzlich bitten, die dringend notwendige Arbeit zum Schutz der Heimarbeiter zu unterstützen. Tausende von Heimarbeitern warten auf diese Bestimmungen. Infolge des Wegfalls wichtiger Einzelbestimmungen des alten Heimarbeitsgesetzes von 1939 besteht weithin Rechtsunsicherheit; selbst die geltenden Vor({11})
schriften werden nicht mehr eingehalten. Man muß feststellen, daß abgesehen von der Lohnfrage, die bereits in der ersten Lesung gebührend geschildert wurde, auch die sonstigen Schutzbestimmungen für die in Heimarbeit Beschäftigten in weiten Gebieten umgangen werden. Dort fehlen nicht nur die Entgeltbücher, die so gut wie unbekannt sind, sondern auch die gesetzlichen Bestimmungen über Urlaubsvergütung, Feiertagsvergütung usw. werden in den seltensten Fällen eingehalten. So sind wir in einen Zustand zurückgefallen, wie er lange vor der Schaffung des ersten Heimarbeitsgesetzes bestand. Aus diesem Grunde darf ich Sie im Namen des Ausschusses nochmals bitten, dem Vorschlag des Ausschusses heute Ihre Zustimmung zu geben.
Auch weite Kreise von Auftraggebern, die sich um geordnete Verhältnisse auch gegenüber ihren Heimarbeitern bemühen, haben es bedauert, daß durch das Fehlen einer gesetzlichen Regelung auf Kosten sowohl der ärmsten Volkskreise wie des Ansehens ordnungsliebender Unternehmer unsaubere Machenschaften weithin verbreitet sind.
Es war mir persönlich eine hohe Ehre, vor diesem Hause die Interessen der Heimarbeiter vertreten zu dürfen. Es handelt sich um einen Personenkreis, der, wie ich schon einmal ausführte, der Öffentlichkeit nicht so bedeutungsvoll erscheint, der aber immerhin so viele Beschäftigte zählt wie unsere gesamte chemische Industrie und der zugleich durch seine Verteilung über das ganze Bundesgebiet nicht die Beachtung und beim Fehlen der gesetzlichen Bestimmungen auch nicht den notwendigen Schutz gefunden hat.
An die zuständigen Arbeitsbehörden der Länder und des Bundes darf ich im Namen des Ausschusses auch von dieser Stelle aus die dringende und 1 herzliche Bitte richten, dem Gesetz das bei der Vorbereitung gezeigte Interesse auch nach seinem Inkrafttreten durch eine ebenso rasche wie gründliche Durchführung zu bewahren, denn nur dann wird der Wunsch nach einer durchgreifenden Abstellung der offen zutage liegenden Schäden bei den in Heimarbeit Beschäftigten und ihren Familienangehörigen erfüllt sein. Ich darf Sie deswegen im Namen des Ausschusses noch einmal bitten, dem vorliegenden Entwurf in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.
Darf ich den Herrn Präsidenten bitten, nun noch ein Wort als Redner für die Fraktion sagen zu dürfen?
- Wir haben keine Generalaussprache. Wir diskutieren zu den einzelnen Paragraphen!
Ich wollte gerade einen Paragraphen noch kurz anführen!
Erst nachdem die Paragraphen aufgerufen sind!
Ich wollte einen Antrag stellen, weil es in letzter Stunde noch Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des § 33 gegeben hat. Mehrere Ausschußmitglieder sind der Meinung, daß der § 33 verschiedene Auslegungen zuläßt. Ich darf im Namen dieser Mitglieder des Ausschusses den Antrag stellen, den § 33 zu streichen.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zum Aufruf der Paragraphen. Ich bitte, mir zu gestatten, die
Paragraphen, bei denen keine Abänderungsanträge angekündigt sind, summarisch aufzurufen.
§ 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
§ 2. Hier ist zwar kein Antrag gestellt, aber es wird eine Berichtigung vorgeschlagen, nämlich in der vierten Zeile im Abs. 2 die Worte „§ 2" zu streichen. Das ist ganz offensichtlich ein Druckfehler. - Das Haus ist damit einverstanden.
Dann liegt zu § 2 ein Antrag der KPD vor, im Abs. 5 als Buchstabe d) den Satz einzufügen:
Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen über das Verbot von Kinderarbeit treffen auch auf dieses Gesetz zu.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Es ist allgemein bekannt, daß in der Heimarbeit die Kinderarbeit zur Aufbesserung der zu niedrigen Löhne allgemein üblich ist und auch stillschweigend geduldet wird. Daher ist meine Fraktion der Auffassung, daß es trotz des gesetzlichen Verbotes der Kinderarbeit notwendig ist, dieses Verbot im Gesetz noch einmal festzulegen. Meine Fraktion beantragt daher, im Anschluß an den Katalog der als Familienangehörige geltenden Mitglieder der häuslichen Gemeinschaft den folgenden Absatz einzufügen:
Die geltenden gesetzlichen Bestimmungen über das Verbot von Kinderarbeit treffen auch auf dieses Gesetz zu.
({0})
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Herr Abg. Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Parteien der Regierungskoalition erkläre ich, daß wir sämtliche Abänderungsanträge der KPD ablehnen.
({0})
Ich möchte dazu aber noch eine Erklärung abgeben: In sämtlichen Ausschuß-Sitzungen, in denen das Heimarbeitsgesetz behandelt wurde, war die KPD nicht vertreten.
({1})
- Nein, die Abgeordneten waren da. - Bei keiner Ausschußberatung wurden von der KPD Anträge gestellt. Wir bedauern es, daß man nun in der letzten Minute versucht, die schnelle Verabschiedung des Heimarbeitsgesetzes durch solche Anträge zu stören.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Zusatzantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen abgelehnt.
Dann lasse ich abstimmen über den § 2 in der richtiggestellten Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
({0})
§ 3. Hier ist in der Drucksache „Zu Drucksache Nr. 1543" in einem Ergänzungsantrag beantragt, den Abs. 3 von § 3 zu streichen und dem Abs. 1 des § 3 eine andere Fassung zu geben. Es handelt sich offensichtlich nur um eine redaktionelle Änderung des Textes, nicht um eine inhaltliche Änderung. Ich lasse zunächst - es hat sich niemand zum Wort gemeldet, dann kann ich wohl gleich so verfahren - über die andere Fassung des Abs. 1 abstimmen. Wer für die Neufassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. - Wer für die Streichung des Abs. 3 des § 3 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. - Nunmehr lasse ich über den § 3 im ganzen in der nunmehr festgestellten Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, ,den bitte ich, ,die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - § 3 ist in der neuen Fassung angenommen.
§ 4. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Zu § 5 ist ein Abänderungsantrag Dr. Atzenroth eingegangen. Der -Abs. 1 soll geändert werden. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wir haben schon bei der ersten Beratung erklärt, daß wir die Vorlage dieses Gesetzes begrüßen und die schnelle Verabschiedung wünschen. Aus diesem Grunde haben wir eine Anzahl von Bedenken, die wir gegen die jetzige Fassung haben, zurückgestellt. Aber in einigen Punkten können wir dieser Fassung doch nicht zustimmen.
Das Gesetz beseitigt im wesentlichen die undemokratischen Bestimmungen, .die im Jahre 1935 oder 1936 in das frühere Hausratsgesetz hineingekommen sind. Dem stimmen wir wohl alle zu. Man ist aber auf diesem Wege zur Demokratie auf halber Strecke stehen geblieben. Für die Heimarbeit sind die Heimarbeitsausschüsse von ganz entscheidender Bedeutung; sie übernehmen praktisch die Aufgaben, die früher die Treuhänder der Arbeit gehabt haben. Wir wollen also diese Heimarbeitsausschüsse so demokratisch wie möglich machen. Sie sollen in voller Selbstverantwortung die Aufgaben für die Kreise, die sie vertreten, durchführen. Wenn der § 5 in seinem ersten Absatz dazu den Vertretungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber das Vorschlagsrecht für die Benennung der Beisitzer gibt, so ist das klar und verständlich. Nicht demokratisch aber ist die Bestimmung, daß dann, wenn solche Organisationen nicht bestehen, die Spitzenorganisationen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vorschläge einreichen sollen. Wie soll eine Arbeitgeber-Spitzenorganisation in Wiesbaden oder Nürnberg Vorschläge für die Benennung von Beisitzern, meinetwegen in der Eifel, einreichen? Dort fehlt jeder Zusammenhang zwischen dem, der die Vorschläge macht, und den Kreisen, die betroffen sind. Diese Fassung halten wir für undemokratisch. Wir schlagen deswegen vor, den 2. Absatz des § 5 wie folgt zu fassen:
Soweit solche Organisationen
- die vorher im ersten Absatz genannt worden sind nicht bestehen, werden die Beisitzer von den zu betreuenden Heimarbeitern und Hausgewerbetreibenden bezw. den Auftraggebern in geheimer Urwahl gewählt. Der Bundesminister für Arbeit erläßt eine Wahlordnung.
Wir bitten, dieser veränderten Fassung zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir teilen nicht die Bedenken, die Herr Dr. Atzenroth hier vorgetragen hat. Der Grundgedanke ging dahin, daß bei der Bestellung der Beisitzer für die zu schaffenden Ausschüsse zunächst einmal die örtlichen Organisationen herangezogen werden sollten. Nur dann, wenn diese Organisationen ihrer Aufgabe nicht gerecht werden, sollen die Spitzenorganisationen eintreten und Personen in Vorschlag bringen. Niemand dachte aber dabei daran, daß beispielsweise nur die Spitze der Spitzenorganisationen in Wiesbaden oder in Düsseldorf gemeint sei, sondern man dachte daran, daß auch die örtlichen oder bezirklichen Verbände, die eben eine Reihe von Arbeitnehmerorganisationen oder von Arbeitgeberorganisationen zusammenfassen, zur Vorlage von Vorschlägen für die Besetzung der nun zu schaffenden Ausschüsse mit herangezogen werden sollen. Ich darf also erklären: Wir teilen die Bedenken nicht, die Herr Dr. Atzenroth vorgetragen hat; wir bitten, der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse über den Abänderungsantrag abstimmen. Wer für seine Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 5 abstimmen. Wer für seine Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 6. Hier liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor. Wer begründet? Frau Abgeordnete Thiele.
Ich möchte mich zuerst gegen die Auffassung des Herrn Abgeordneten Sabel verwahren, daß unsere Anträge eine Verzögerung der Verabschiedung dieses Gesetzes herbeiführen sollen. Ich möchte die Frage stellen, welchen Sinn überhaupt eine Beratung in der zweiten Lesung haben soll,
({0})
wenn es nicht jeder Fraktion möglich ist, in der zweiten Lesung - unabhängig von den Beschlüssen des Ausschusses - Anträge zu stellen. Ebenso wie der Vertreter der FDP im Interesse der Arbeitgeberverbände Anträge stellen kann, muß es uns möglich sein, im Interesse der Heimarbeiter sachliche Anträge zu stellen.
({1})
- Sie wissen ganz genau, wie wenig Abgeordnete wir auf Grund Ihrer Beschlüsse haben, und daß es uns nicht möglich ist, in allen Ausschüssen tätig zu sein.
({2})
Nach § 6 ist das örtliche Arbeitsamt nachgeordnete Dienststelle der obersten Arbeitsbehörde des Landes und muß jederzeit die Möglichkeit zur Kontrolle der Arbeitsbedingungen haben. Meine Fraktion beantragt, bei § 6 den folgenden Satz anzufügen:
Das örtliche Arbeitsamt kann diese Liste, falls erforderlich, jederzeit zu Kontrollzwecken anfordern.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Abänderungsantrag liegen nicht vor.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich lasse über § 6 abstimmen. - Wer für die Annahme des § 6 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 7, - § 8. - Keine Abänderungsanträge.
({0})
- Sie haben ihn ja gestrichen.
({1})
- Sie waren voreilig!
Wer für die Annahme der beiden Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 9. Hier liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Die kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß die Gewerkschaften auch die Möglichkeit der Kontrolle der Entgeltbücher haben müssen, und beantragt daher, in der 4. Zeile des Abs. 3 hinter den Worten „Obersten Arbeitsbehörde" die Worte „und der zuständigen Gewerkschaft" einzufügen. Ich bitte Sie, diesen Antrag anzunehmen.
Wer für die Annahme des Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 9 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§§ 10,- 11,- 12,- 13,- 14,- 15,- 16,17, - 18. Wer für die Annahme der aufgerufenen Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 19. - Hier liegt ein weiterer Abänderungsantrag vor.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Nach diesem Paragraphen besteht die Gefahr, daß abgeschlossene Tarife in bestimmten Gebieten aufgehoben oder geändert werden können. Die kommunistische Fraktion ist aber der Auffassung, daß der Heimarbeitsausschuß in Tarifvertragsabmachungen zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaften nicht eingreifen dürfe.
Wir beantragen daher, einen Abs. 4 einzufügen, der folgenden Wortlaut hat:
Abgeschlossene Vereinbarungen zwischen der Gewerkschaft und dem Arbeitgeberverband können vom Heimarbeitsausschuß weder aufgehoben oder geändert werden, solange der Tarifvertrag noch in Kraft ist.
Es liegt keine Wortmeldung hierzu vor.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 19 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Paragraph ist angenommen.
§ 20. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 21. Hier liegt ein Abänderungsantrag vor. Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Zu § 24 weisen wir darauf hin, ({0})
- Entschuldigung, ich habe 21 gemeint. - Zu § 21 weisen wir darauf hin, daß die Lohndrückerei in Ausnutzung der sozialen Notlage der Heimarbeiter hier ganz besonders groß ist. In Oberfranken z. B. sind noch Lohnsätze von 15 bis 25 Pfennig üblich. Darum beantragt die kommunistische Fraktion, daß dem § 21 der folgende Absatz angefügt wird:
Dort, wo zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband für Heimarbeiter Tarife bestehen, darf an Zwischenmeister und Gewerbetreibende usw. auch dann nicht, wenn auf Rechnung gearbeitet wird, ein niedrigeres Entgelt bezahlt werden, als die abgeschlossenen Tarife vorsehen.
Des weiteren haben wir zu diesem Paragraphen zu sagen, daß in diesem Gesetz auch keinerlei Urlaubsregelung vorgesehen ist. Auch der Heimarbeiter hat Anspruch auf Urlaub. Sonst gerät er in Gefahr, ganz besonders ausgebeutet zu werden, worunter seine Gesundheit ungeheuer leidet. Meine Fraktion beantragt daher, in diese Entgeltsregelung einen zusätzlichen Absatz wie folgt aufzunehmen:
Der Heimarbeiter erhält mindestens 15 Werktage bezahlten Urlaub. Die Bezahlung des Urlaubs errechnet sich auf der Grundlage des Jahresbruttoverdienstes, der in der Zeit vom 1. Mai des vorhergehenden Jahres bis zum 30. April des laufenden Jahres verdient wurde. Das Urlaubsgeld muß bei der ersten Entgeltszahlung nach dem 1. Mai ausgezahlt werden.
Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen nicht vor. Dann lasse ich darüber abstimmen.
Wer für die Annahme des Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Abgelehnt.
Nunmehr § 21. Wer für die Annahme dieses Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf §§ 22, - 23. - Wer für die Annahme dieser beiden Paragraphen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Sie sind angenommen.
Ich rufe auf § 24. Auch hier ist ein Abänderungsantrag angekündigt.
Frau Abgeordnete Thiele, Sie haben das Wort.
Der § 24 ist mit der Kann-Bestimmung völlig bedeutungslos. Soll die Entgeltsregelung nach §§ 17 bis 19 überhaupt Geltung haben, dann muß der § 24 eine Muß-Bestimmung sein. Wir beantragen daher, das Wort „kann" durch das Wort „muß" zu ersetzen.
Keine Wortmeldungen dazu.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Abgelehnt.
({0})
§ 24 in der alten Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Der Paragraph ist angenommen.
§ 25. Hier ist ein Abänderungsantrag angekündigt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Da der Personenkreis der Heimarbeiter nach den bisher gemachten Erfahrungen von sich aus selten den Klageweg beschreitet, so muß durch die Einschaltung der Gewerkschaften unter allen Umständen ein Rechtsschutz sichergestellt werden, der in diesem Gesetz nicht vorhanden ist. Die KPD-Fraktion bittet daher, den § 25 so zu fassen, daß nach dem Wort „Stelle" die Worte „sowie die Gewerkschaften" eingefügt werden.
Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 25 in der alten Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Er ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 26, - 27, - 28. - Wer für die Annahme dieser drei Paragraphen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Sie sind angenommen.
Zu § 29 liegt in Drucksache Nr. 1543 ein Ergänzungsantrag des Ausschusses vor. Danach soll der Paragraph einen anderen Wortlaut erhalten. Eine besondere Begründung hierzu braucht wohl nicht gegeben zu werden. Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen. § 29 ist damit in der auf Drucksache Nr. 1543 vorgeschlagenen Fassung angenommen.
§ 30. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
§ 31. Auch hier ist auf Drucksache Nr. 1543 ein Ergänzungsantrag des Ausschusses vermerkt. Abs. 1 soll durch den auf der Drucksache verzeichneten Satz ergänzt werden. Eine besondere Begründung braucht wohl nicht gegeben zu werden. Wer für die Ergänzung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Der Abänderungsantrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den § 31 in der veränderten Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
§ 32. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
§ 33. Hier wird auf dem Umdruck Nr. 28 der Abänderungsantrag gestellt,
({0})
die Worte „6, 7 und" zu streichen. Das ist erledigt durch die Ziffer 4 in der Ergänzung zu Drucksache Nr. 1543. Es soll aber ein weiterer Antrag auf Streichung gestellt werden. Dazu hat das Wort der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Karpf.
Karpf ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Ich stelle den Antrag, den ganzen § 33, und zwar beide Entwürfe, sowohl in der vom Ausschuß zuerst vorgelegten wie in der veränderten Fassung zu Drucksache Nr. 1543, zu streichen. Dieser Paragraph hat sich auf Grund des Textes, der im Gesetz vorher genau festgelegt ist, als nicht erforderlich erwiesen. Ich beantrage im Namen meiner Freunde die Streichung dieses Paragraphen.
Wer für die Streichung des § 33 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Die Streichung ist beschlossen.
§ 34 der Ausschußfassung wird jetzt in § 33 umnumeriert, und § 35 wird § 34. Wer für beiden Paragraphen, die Einleitung und Überschrift ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Lesung
und eröffne die allgemeine Aussprache. -Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Die Veränderung der Bezugnahmen, die sich aus den Streichungen ergibt. wird man wohl der redaktionellen Arbeit überlassen können.
({0})
Ich rufe auf die S§ 1 bis 34 in der Fassuni der Beschlüsse zweiter Beratung, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig beschlossen.
({1})
Nunmehr rufe ich auf den zurückgestellten Punkt 6 c der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes ({2}).
Der Entwurf sollte ursprünglich durch den Kollegen Etzel ({3}) begründet werden, der aber offenbar nicht anwesend ist. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Naegel.
Naegel ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Preisgesetz kommt auf Grund der Bestimmungen, die wir vor einiger Zeit beschlossen haben, am 31. Dezember dieses Jahres zum Auslauf. Wir hatten die Hoffnung. ein neues Preisgesetz an seine Stelle treten lassen zu können. Die Beratungen im Ausschuß sind weitgehend abgeschlossen. Neue Situationen waren aber in der letzten Zeit aufgetaucht, so daß eine rockmalige Beratung notwendig ist. Vor allen Dingen scheint es uns auch notwendig zu sein, eine Abstimmung zwischen dem neuen Preisgesetz und dem heute zurückgestellten Gesetz für Sicherungsund Überleitungsmaßnahmen ruf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft herbeizuführen.
Da bei einem Auslauf des bestehenden Preisgesetzes die rechtliche Grundlage für das gesamte Preisgefüge fehlen würde - soweit man nach den bisherigen Feststellungen sagen kann, würden damit alle Preise, die noch ex officio geordnet und geregelt sind, nicht mehr nach den gesetzlichen Grundlagen behandelt werden können-, so scheint es notwendig zu sein, heute noch einmal eine Verlängerung des alten Preisgesetzes zu beschließen.
Ich darf um Verständnis für die Wichtigkeit dieser Maßnahme bitten, weil es sich hier nicht nur um die Preise der gewerblichen Wirtschaft, soweit
({5})
sie noch gebunden sind, handelt, sondern auch um die Preise in der Ernährungswirtschaft, die Post, die Bahn, die Mieten und alle diese vielen Dinge, die damit zusammenhängen. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen und das Gesetz in erster, zweiter und dritter Lesung hier zu behandeln.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
§ 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache. §§ 1, - 2, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
({0})
- Bei einigen Stimmenthaltungen angenommen; ich bitte um Entschuldigung.
Dann rufe ich auf den früher zurückgestellten Punkt:
Beratung des Bewirtschaftungsnotgesetzes ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Müller ({2}).
Dr. Dr. Müller ({3}) ({4}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Gesetzesverlängerungen sind an und für sich eine unschöne und unerwünschte Sache. Aber die Gesamtentwicklung und die Arbeit hier im Hause machen es notwendig, noch einmal das Bewirtschaftungsnotgesetz für 3 Monate zu verlängern, da das Milch- und Fettgesetz nicht fristgerecht verabschiedet werden kann.
Über Sinn und Zweck des Gesetzes ist im Wirtschaftsausschuß entschieden, es muß aber morgen noch im Ernährungsausschuß beraten werden und kann erst nächste Woche dem Plenum zur zweiten und dritten Lesung vorgelegt werden. Das Gesetz wird damit am 1. Januar noch nicht in Kraft sein können, und am 1. Januar läuft das Bewirtschaftungsnotgesetz aus. Wir würden nach dem 1. Januar auf dem Milchmarkt eine absolute Freiheit haben und damit eine Unordnung, die man, wenn sie nur acht Tage gedauert hat, schwer wieder beseitigen kann.
Deshalb haben meine Freunde und ich den Antrag gestellt, das Bewirtschaftungsnotgesetz für drei Monate zu verlängern und zu beschränken auf die Erzeugnisse Milch, Milcherzeugnisse, Öle und Fette tierischer und pflanzlicher Herkunft sowie Ölsaaten und Ölfrüchte und Eier. Wenn das entsprechende Gesetz in Kraft tritt, dann wird die Verlängerung dieses Bewirtschaftungsnotgesetzes von selber aufhören. Ich bitte Sie, dieser Verlängerung Ihre Zustimmung zu geben, damit wir Ordnung auf dem Milchmarkt behalten.
Sie beantragen, alle drei Lesungen heute vorzunehmen?
Dr. Dr. Müller ({0}) ({1}), Antragsteller: Möglichst alle drei Lesungen!
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache und die erste Beratung.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
§ 1, - § 2, - § 3. Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ist angenommen. Ich schließe die zweite Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache. § 1, - § 2, - § 3. Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Es war die Mehrheit.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
({0})
- Einige wenige Enthaltungen. Das Gesetz ist angenommen.
Dann rufe ich auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend ERP-Kredite für die Landwirtschaft ({2}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Herrn Dr. Pfleiderer zur Berichterstattung.
({3})
- Kann Herr Dr. Pfleiderer nicht hergerufen werden?
({4})
- Dann stellen wir diesen Punkt zurück.
Dann rufe ich auf Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Antrages der Fraktion der SPD betreffend Eigentumsregelung in der Kohlen-, Eisen- und Stahlwirtschaft ({5}).
({6})
- Herr Abgeordneter Schröter zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Ich habe den Herrn Präsidenten vorhin bitten lassen, die Debatte über die Vorlagen, die Herrn Professor Erhard angehen, etwas hinauszuschieben. da der Herr Bundeswirtschaftsminister augenblicklich in Verhandlungen mit dem Kanzler steht. Er ist bereit, sofort zu erscheinen, sobald die Verhandlungen dort zu Ende sind.
Das wären die
Punkte 13 und 14. Dann kommen Immunitätsanträge, wenn wir die anderen Dinge zurückstellen. Welche Sachen haben Sie gemeint, Herr Abgeordneter Mellies?
({0})
({1})
- Punkt 13!
({2})
- Das soll bis 14 Uhr zurückgestellt bleiben.
Dann werde ich jetzt die Immunitätsangelegenheiten aufrufen. Ich hoffe, daß die Herren Berichterstatter anwesend sind.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({3}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Tichi gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. Oktober 1950 ({4}).
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz. - Auch nicht da? Dann stelle ich diesen Punkt zurück.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({5}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Strauß gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 16. November 1950 ({6}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Saßnick als Berichterstatter.
({7})
- Ich bitte um Entschuldigung. Es ist mir nichts gesagt worden.
Punkt 17:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({8}) betreffend Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Heiland und Genossen gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 31. August 1950 ({9}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Horlacher.
({10})
- Dann erteile ich das Wort dem Abgeordneten Kahn zur Erstattung des Mündlichen Berichtes des Ausschusses.
Kahn ({11}), Berichterstatter: Der Geschäftsordnungsausschuß hat in zwei Sitzungen eingehend zu der Vorlage Stellung genommen, und in der zweiten Sitzung wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, die Immunität des Kollegen Heiland wegen des Vergehens gefährlicher Körperverletzung nicht aufzuheben. Ich bitte gemäß dem Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses, auch hier im Hohen Hause unserem Antrage stattzugeben.
Soll weiter keine Begründung gegeben werden? - Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Kann nicht eine Begründung dazu gegeben werden? Ich glaube, wir können doch nicht so verfahren, daß wir einfach ohne jede Begründung so etwas beschließen!
({0})
Kahn ({1}), Berichterstatter: Der Geschäftsordnungsausschuß hat in seiner letzten Sitzung einstimmig den Beschluß gefaßt, heute zu allen zur Debatte stehenden Fragen betreffend Aufhebung der Immunität keine Begründung zu geben, und ich glaube, daß dem einstimmigen Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auch hier im Hohen Hause stattgegeben werden sollte.
Ich kann Ihnen noch weiter mitteilen, daß auch im Ältestenrat diese Auffassung vertreten worden ist und einmütig gebilligt wurde.
Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
({0}) Ich rufe auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({1}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schäffer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. September 1950 ({2}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Bromme. Ist er im Saal?
({3})
Punkt 19:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({4}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Wirths gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950 ({5}).
Berichterstatter ist ebenfalls der Abgeordnete Bromme, der nicht anwesend ist.
Punkt 20:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({6}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Zawadil gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950 ({7}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Müller ({8}). Ich erteile ihm das Wort zur Abgabe des Mündlichen Berichts.
Müller ({9}) ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das bayerische Justizministerium hat mit Schreiben vom 23. Mai dieses Jahres an das Bundesjustizministerium ein Ersuchen des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Bayreuth vorgelegt mit der Bitte, bei dem Bundestag eine Entscheidung über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Zawadil herbeizuführen. Diesem Ersuchen liegt ein Vorfall vom 9. April dieses Jahres zugrunde, bei dem es zu einem gewissen Rencontre zwischen dem Abgeordneten Dr. Zawadil und einem Beamten der Gendarmerie kam, der damals pflichtgemäß auf die Einhaltung der Sperrstunde aufmerksam machen mußte. Nach einer eingehenden Überprüfung des Vorfalls auf Grund der vorgelegten Akten war hier bei aller Berücksichtigung des Grundsatzes, daß die Immunität dem Abgeordneten keinen Freibrief für sein Privatleben und keine Sonderrechte gibt, zu prüfen, ob die dem Abge({11})
ordneten zur Last gelegte Straftat, unabhängig davon, ob sie überhaupt hundertprozentig erwiesen ist, derartig ist, daß ihre strafrechtliche Nichtverfolgung oder Nichtaufklärung die Interessen der Allgemeinheit mehr verletzen würde als die zeitweilige Behinderung des Abgeordneten in der Ausübung seines Mandats durch eine Strafverfolgung.
Diese Frage hat der Ausschuß angesichts der Harmlosigkeit des Vorfalls im allgemeinen unter besonderer Berücksichtigung einer gewissen bayerischen Mentalität in diesen Dingen im besonderen
({12})
verneint und kam deshalb einstimmig zu dem Beschluß, das Ersuchen des Oberstaatsanwalts vom Landgericht Bayreuth um Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Zawadil abzulehnen.
Ich habe daher das Hohe Haus zu bitten, im Sinne der Drucksache Nr. 1602 zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den zurückgestellten Punkt 16 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Strauß gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 16. September 1950 ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Saßnick zur Berichterstattung.
Saßnick ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Oberstaatsanwaltschaft in München hat über den Bundesjustizminister dem Hohen Hause den Antrag zugeleitet, die Immunität des Abgeordneten Strauß aufzuheben. Es handelt sich bei dieser Sache um eine sogenannte Pressebeleidigung. Stadtrat Ludwig Lallinger in München fühlte sich durch einen Artikel, der im „Bayern-Kurier" - im Wochenblatt der CSU - erschienen ist, beleidigt und stellte Strafantrag. Der besagte Artikel trug keinen Verfassernamen. Aber im Impressum des „BayernKurier" zeichnete verantwortlich für den Inhalt der Kollege Strauß. Es wurde also gegen ihn das Verfahren eingeleitet und an den Bundestag herangetreten, die Immunität aufzuheben.
Der Geschäftsordnungsausschuß hat sich eingehend mit dieser Angelegenheit befaßt und ist zu der Auffassung gekommen, daß es sich um eine politische Angelegenheit und um eine sogenannte politische Bagatellsache handelt, bei der man im allgemeinen die Neigung hat, die Immunität nicht aufzuheben. Es kommt noch hinzu, daß der Abgeordnete Strauß an dem betreffenden Tage gar nicht mehr verantwortlicher Redakteur gewesen ist. Bei den Akten befindet sich eine Erklärung der CSU, daß einige Wochen vorher der Abgeordnete Strauß aus der Redaktion des „Bayern-Kurier" ausgeschieden und statt dessen Verleger des „Payern-Kurier" geworden ist. Nach dem bayerischen Pressegesetz ist hier eine saubere Trennung vollzogen, d. h. ein Chefredakteur kann nicht zugleich Verleger oder umgekehrt ein Verleger nicht Chefredakteur sein. Der Stoß des Herrn Stadtrats Lallinger und seine Anzeige gehen also ins Leere. Herr Strauß war an jenem Tage überhaupt nicht mehr verantwortlich. Die Druckerei hat allerdings, wie sie zugibt, aus einem Versehen das Impressum nicht rechtzeitig geändert, so daß in der betreffenden Ausgabe tatsächlich noch als verantwortlicher Redakteur Herr Abgeordneter Strauß genannt wurde, der er aber in Wirklichkeit nicht mehr war.
Der Geschäftsordnungsausschuß schlägt deshalb dem Hohen Hause vor, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Strauß abzulehnen. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität bittet das Hohe Haus, diesem Antrage beizutreten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 21 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Behrisch gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950 ({1})
und erteile dem Herrn Abgeordneten Kahn das Wort zur Berichterstattung.
Kahn ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnungsausschuß hat in seiner Sitzung am 10. November einstimmig beschlossen, dem Antrag des Bundesministers der Justiz, Schreiben vom 18. Juni 1950, auf Aufhebung der Immunität des Kollegen Behrisch nicht stattzugeben. Es handelt sich auch hier um eine politische Angelegenheit, nicht um eine kriminelle Sache, und ich bitte, auch hier so zu verfahren, wie der Geschäftsordnungsausschuß es in seiner letzten Sitzung einstimmig beschlossen hat, und ohne lange Debatte dem Antrag auf Nichtaufhebung der Immunität des Kollegen Behrisch stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wer für die Annahme des Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 22 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Brunner gemäß Schreiben des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 13. Juli 1950 ({1})
und erteile auch hierzu dem Herrn Abgeordneten Kahn das Wort als Berichterstatter.
Kahn ({2}), Berichterstatter: Der Auschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat in seiner Sitzung am 10. November 1950 mit allen gegen eine Stimme beschlossen, dem Antrag des Herrn
({3})
Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Brunner nicht stattzugeben. Hier lag ein Strafantrag wegen Beleidigung gegen das Mitglied des Hohen Hauses Herrn Chefredakteur Karl Brunner aus Essen vor. Es handelt sich hier um eine Anzeige wegen öffentlicher Beleidigung, Verleumdung und falscher Anschuldigung. Die Sache ist auch eine rein politische Bagatellsache. Wir haben auch in dieser Sache entsprechend Beschluß gefaßt und mit allen gegen eine Stimme dem Hohen Hause vorgeschlagen, dem Antrage auf Aufhebung der Immunität des Kollegen Brunner nicht stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wir stimmen ab. Wer für die Annahme des Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 18 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schäffer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. September 1950 ({1})
und erteile das Wort dem Abgeordneten Bromme als Berichterstatter.
Bromme ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1562 behandelt den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schäffer gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. September 1950. Die Angelegenheit wird dadurch kompliziert, daß anscheinend eine Personenverwechslung vorliegt, da der angebliche Beleidiger, wie sich nachträglich herausstellte, den sich beleidigt Fühlenden, der die Anzeige erstattete, gar nicht gemeint haben will.
({3})
Nur dieser Umstand veranlaßt mich, einiges zur Sachlage zu sagen.
Der Abgeordnete Schäffer hat in einer Wahlversammlung am 11. Juni 1950 in Gronau in Westfalen sinngemäß die Äußerung getan, daß die Heimatvertriebenen sich ihre Wortführer ansehen mögen, die an seinem Verhalten und seinen Äußerungen Kritik üben. So sei beispielsweise von einem gewissen Dr. G. bekannt, daß es sich um einen „besonders übel beleumdeten Gestapoagenten" handle. Herr Dr. Gille, wohnhaft in Lübeck, Vorstandsmitglied des BHE, des Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten, Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein und seit einigen Monaten parlamentarischer Vertreter des Landesfinanzministers, wandte sich brieflich an den Bundesfinanzminister und fragte ihn, ob dieser mit „Dr. G." ihn, Dr. Gille, gemeint habe. Die Anfrage war erklärlich; denn Dr. Gille hat sich in politischen Reden mehrfach mit der Person und der Politik des Bundesfinanzministers befaßt. Wie aus dem Schreiben des Bundesjustizministers vom 12. September 1950 hervorgeht, hat Dr. Gille den Bundesfinanzminister unter anderem einen „törichten Schwätzer" und einen „Bürgerkriegsminister" genannt, „den man an die Ohren nehmen müsse". Dr. Gille soll weiter behauptet haben, der
Bundesfinanzminister „sei im Wahlkampf hinterhältig und schmutzig und würde den Lastenausgleich hintertreiben". So ist es zu erklären, daß Dr. Gille annahm, daß vielleicht der Bundesfinanzminister ihm eine Antwort erteilen wolle.
Aus dem Brief des Bundesjustizministers geht weiter hervor, daß ein Verfahren gegen Dr. Gille vor dem Immunitätsausschuß in Schleswig-Holstein noch schwebt. Der Abgeordnete Schäffer bestätigte Herrn Dr. Gille auf Anfrage, daß er in der Tat ihn gemeint habe. Dieser Brief liegt jedoch dem Aktenmaterial nicht bei.
In einer Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität vom 26. September 1950 gab der Abgeordnete Kahn von der CDU/CSU zu Protokoll, daß der Bundesfinanzminister ihn schriftlich und mündlich ermächtigt habe, zu erklären, daß er „in der fraglichen Versammlung nicht Dr. Gille, sondern den Abgeordneten Goetzendorff aus Passau gemeint habe,
({4})
der sich in Bayern des öfteren als Dr. Goetzendorff bezeichnet haben soll".
({5})
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität vertritt bekanntlich den Grundsatz, daß bei Beleidigungen politischer Art Anträge auf Aufhebung der Immunität abzulehnen sind.
Unbeschadet der möglichen Personenverwechslung, die für die Beurteilung der Sachlage ja nicht erheblich ist, beantragt der Ausschuß, und zwar einstimmig:
Der Bundestag wolle beschließen, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schäffer abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorweg erklären, daß ich nicht aus irgendeiner Gegnerschaft zum Bundesfinanzminister Schäffer spreche. Es geht darum, vor diesem Hause die von Schäffer angegriffene Ehre eines Mannes zu verteidigen, der mir parteipolitisch nahesteht. Es geht um den Landtagsabgeordneten Dr. A. Gille in Lübeck, einen der Führer des BHE in Schleswig-Holstein, Sprecher der Landsmannschaften, einen ehrenwerten, anständigen Menschen, den ich kenne.
Schon aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters geht klar hervor, daß es sich nicht um eine übliche Beleidigungsbagatelle handelt, von der hier gesprochen worden ist, sondern daß es um mehr geht. Als Dr. Gille von den Angriffen des Bundesfinanzministers Schäffer erfuhr, hat sich folgender Briefwechsel ergeben:
Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister! Wie mir aus Kreisen der Heimatvertriebenen mitgeteilt wird, haben Sie auf einer Wahlkundgebung der CDU am 11. 6. 1950 in GronauWestfalen etwa folgendes geäußert:
Die Heimatvertriebenen mögen sich die Sprecher genau ansehen, die an Ihrem Verhalten und Ihren Äußerungen Kritik üben. So sei Ihnen beispielsweise von befreundeter Seite die Nachricht zugegangen, daß ein gewisser Dr. G. ein besonders übel beleumdeter Gestapo-Agent gewesen sei.
Da Ihre andeutende Bezeichnung auf meinen Namen zutrifft und ich seit Wochen in öffent({0})
lichen Versammlungen schärfste Kritik an Ihnen geübt habe, muß ich Sie bitten, den vollen Namen des Sprechers der Heimatvertriebenen zu nennen, dem Sie diesen diffamierenden Vorwurf machen wollen. Sie werden verstehen, daß ich angesichts des Wahlkampfes in Schleswig-Holstein Wert darauf legen muß, daß Sie unverzüglich den vollen Namen des Sprechers der Heimatvertriebenen nennen, den Sie als Gestapo-Agenten bezeichnet haben. Solange diese Klarstellung nicht erfolgt ist, beziehe ich den Vorwurf auf mich und nehme für mich das Recht in Anspruch, in öffentlichen Versammlungen diese hinterhältige Verleumdung gebührend zurückzuweisen.
gez. Dr. Gille.
Darauf antwortete Schäfer:
({1}) - Ich meine schon den Richtigen!
({2})
Es ist richtig, daß ich bei einer Wahlkundgebung der CDU in Gronau geäußert habe: „Ich bedaure, daß die Heimatvertriebenen sich ungeeignete Wortführer nehmen, die ihre Sache schlecht vertreten."
Es ist richtig, daß mir über Ihre Person im Zusammenhang mit der Rede, die Sie auf der ostdeutschen Woche gehalten haben, von einem Versammlungsteilnehmer ein Bericht zuging, der, wenn er richtig ist, Sie schwer belastet.
Es ist richtig, daß ich daraufhin die in dem Schreiben benannten Zeugen gehört habe und diese die Angaben des Schreibens bestätigt haben. Ich habe daraufhin die Unterlagen der Justizbehörde übergeben und ich bitte, die Nachprüfung abzuwarten.
gez. Schäffer.
Herr Dr. Gille hat darauf folgende Feststellung getroffen:
Aus dem Antwortschreiben des Bundesfinanzministers Schäffer entnehme ich folgendes:
Seine Bemerkung über den „besonders übel beleumdeten Gestapoagenten" bezog sich auf mich.
Herr Schäffer behauptet, im Besitz von Zeugenaussagen zu sein, die diese Angabe bestätigen, und erklärt, sein Beweismaterial der Justizbehörde zur Nachprüfung übergeben zu haben.
Ohne diese Nachprüfung abzuwarten, hat er es für vertretbar gehalten, mich in einer öffentlichen CDU-Wahlversammlung als übel beleumdeten Gestapoagenten zu bezeichnen.
Herr Schäffer dürfte sich darüber klar sein, daß er sich nunmehr wegen öffentlicher Verleumdung vor dem Strafrichter zu verantworten haben wird.
Die Heimatvertriebenen haben den Politiker Schäffer gewogen und zu leicht befunden. Es wird nunmehr auch in Kürze das Bild des Menschen Schäffer in die richtige Beleuchtung gerückt sein.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Tatsache ist, daß alle Versammlungsteilnehmer der damaligen Kundgebung, wie Schäffer in der breiten Öffentlichkeit erklärt hat, der Überzeugung waren, es ginge nur um Dr. Gille, den er als übel beleumdeten Gestapoagenten bezeichnet hat. Sie werden verstehen, was es bedeutet, im Wahlkampf unter einer so schweren Beschuldigung zu kämpfen.
({3})
- Ich glaube, es könnte niemand den Mut haben, diese Sache hier zu vertreten und zu verteidigen.
Als nun im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität über die Aufhebung der Immunität Schäffers verhandelt wurde, war dieser Sachverhalt nicht bekannt. Ausschlaggebend war jedoch die von dem Kollegen Kahn wiedergegebene Erklärung Schäffers, daß er nicht Dr. Gille, sondern Goetzendorff gemeint habe. Mir ist weiter bekannt, daß Schäffer wiederholt auch im privaten Verkehr Dr. Gille als denjenigen bezeichnet hat, den er damals gemeint hat. Es ist mir vollständig klar, daß eine solche Beschuldigung untragbar erscheint. Ich glaube, es wäre richtig gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister Schäffer, nachdem er seinen Irrtum erkannt hat, daß er schlecht informiert worden war, zu Gille gegangen wäre und gesagt hätte: Ich bin schlecht informiert worden, ich ziehe meine Beschuldigung zurück. Er hat es nicht getan. Das sind Methoden, die wir unbedingt ablehnen müssen. Wenn Schäffer jetzt als den Blitzableiter seiner Beleidigung Goetzendorff nennt, dann ist zu sagen: es ist richtig, daß gegen Goetzendorff tatsächlich noch ein ähnliches Strafverfahren wegen irgendeiner Anzeige läuft. Aber das sind keine Methoden. Ich glaube, daß diese Verteidigung des Herrn Finanzministers Schäffer vollständig unfair und unrichtig ist. Das sind Methoden, die sich irgendein politischer Gangster erlauben kann, aber nicht ein Volksvertreter.
({4})
Diese Bemerkung bezog sich auf den Herrn Bundesfinanzminister. Sie ist ungehörig. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({0})
Ich glaube, man kann nicht scharf genug sein in der Abweisung einer solchen Methode.
Da die Sache im Immunitätsausschuß nicht klar war, beantrage ich die Zurückverweisung an den Ausschuß, um die Sache dort zu klären.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Wahlkampf fallen manchmal Worte und Satzstellungen, die bestimmt nicht ganz auf der parlamentarischen Ebene liegen.
({0})
Ich darf feststellen, daß ich in der Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses im Oktober, als die Frage der Aufhebung der Immunität des Herrn Bundestagsabgeordneten Fritz Schäffer zur Debatte stand, die Ehre hatte, einen Brief des Herrn Finanzministers kurz vorzulesen, aus dem sich sachlich ergab, daß der Herr Kollege Schäffer nicht den Landtagsabgeordneten Dr. Gille aus Schleswig-Holstein, sondern unseren Kollegen Goetzendorff aus Passau- gemeint hat. In dem Brief stand
({1})
ganz scharf präzisiert, daß er Goetzendorff gemeint hat, der sich in verschiedenen Wahlversammlungen als D r. Goetzendorff ausgegeben hat. Sie alle wissen, daß der Herr Kollege Goetzendorff in Passau wohnt und daß der Bundeswahlkreis Passau der Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten Schäffer ist.
Ich bitte daher, dem Antrag des Kollegen Tichi nicht stattzugeben, sondern heute Beschluß zu fassen und die Sache nicht noch einmal an den Geschäftsordnungsausschuß zurückzuverweisen. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, dem Antrag des Berichterstatters, des Kollegen Bromme, zu folgen und den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Kollegen Fritz Schäffer abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
({0})
von Thadden ({1}): Meine Damen und Herren! Es zeigt sich hier, daß die Geschäftspraktiken des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität doch etwas zu wünschen übrig lassen.
({2})
Die Ausführungen, die der Herr Kollege Tichi hier soeben gemacht hat und dessen Antrag ich unterstütze, zeigen ganz klar, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht Herrn Goetzendorff, sondern Herrn Dr. Gille gemeint hatte. Daran ist gar kein Zweifel. Nachdem Herr Dr. Gille nun aber einen massiven Protest losläßt, da sagt man: Ja, ich habe nicht den gemeint, sondern ich meine den, dessen Name zufällig auch ein G als Anfangsbuchstabe hat.
({3})
Es ist unerhört, wenn hier gegen Mitglieder des Hauses Dinge gesagt werden, die zumindest außerordentlich dubios sind, wie wir das schon einmal hier festgestellt haben. Ich möchte meine Behauptung, daß die Geschäftspraktiken dieses Ausschusses zweifelhaft sind, aufrechterhalten und werde Ihnen nachher noch ein ganz eklatantes Beispiel dafür bringen.
Ich unterstütze den Antrag des Kollegen Tichi und bitte, den Antrag des Ausschusses abzulehnen und an den Ausschuß zurückzuverweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bromme. Als Berichterstatter oder als Abgeordneter?
({0})
- Als Abgeordneter.
In meiner Eigenschaft als Abgeordneter, aber gleichzeitig in meiner Eigenschaft als Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität glaube ich die Behauptung des Kollegen von Thadden zurückweisen zu müssen. Es ist selbstverständlich, daß der Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß seine Entscheidungen nur auf Grund des vorliegenden Materials treffen kann und treffen muß. Es war uns bekannt, in welcher Form diese angebliche Beleidigung geäußert worden war; es war uns bekannt, daß der Bundesfinanzminister Herrn Dr. Gille bestätigt hatte, er habe in der Tat ihn gemeint. Aber wir mußten uns gleichzeitig an die Erklärung halten, die dem Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß vom Abgeordneten Kahn zu Protokoll gegeben worden ist. Auf Grund des vorliegenden Materials - ich habe das bereits in meinen Ausführungen gesagt - konnte die Entscheidung gar nicht anders lauten, als daß bei einer Beleidigung politischer Art der Antrag auf Aufhebung der Immunität hier abgelehnt werden mußte. Ob es sich dabei um Herrn Dr. Gille oder um Herrn Goetzendorff handelt, ist für die Beurteilung unerheblich.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde werden den Antrag des Kollegen Tichi ablehnen. Ich glaube, wir sollten doch eins nicht vergessen. Der Beschluß im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ist einmütig gefaßt worden,
({0})
also von allen Mitgliedern und von allen Parteien, und das sollte meines Erachtens auch für das Haus verpflichtend sein.
Dem Kollegen von Thadden darf ich das eine sagen. Ich glaube, es ist bisher nicht üblich gewesen, von der Tribüne des Hauses Ausführungen eines Kollegen zu bezweifeln, wenn er diese seine Äußerung noch dazu schriftlich bestätigt hat.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Gengler. - Verzichten Sie?
({0})
Es liegt weiter keine Wortmeldung zur Sache vor. Dann schließe ich die Aussprache und erteile das Wort zu einer persönlichen Bemerkung dem Abgeordneten Goetzendorff.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ein hohes Maß von Verdächtigungen und Lügen gewöhnt.
({0})
Ich möchte mich hier darauf beschränken und feststellen, - ({1})
- Meine Herren, wir können zusammen singen, aber nicht gemeinsam reden!
({2})
Ich möchte hier nur feststellen, daß ich mich niemals als Doktor ausgegeben habe. Es ist ein hinterhältiger Schachzug, mit dem sich jemand aus der Verantwortung ziehen will. Herr Präsident, darf ich mir die Frage erlauben, ob der Ausdruck Lügenbold parlamentarisch ist oder nicht?
Ich habe von diesem Platze aus keine Gutachten zu erstatten.
({0})
Wenn ich der Meinung wäre, der Ausdruck Lügenbold sei parlamentarisch üblich, würde ich den Herrn Finanzminister als einen solchen bezeichnen.
Ein Gutachten habe ich Ihnen nicht erstattet, aber jetzt will ich Ihnen sagen, Herr Goetzendorff, daß solch billige Versuche, sich aus der Verantwortung für seine Worte zu ziehen, von mir nicht durchgelassen werden. Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
({0})
({1})
Ich lasse abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag auf Zurückverweisung an den Ausschuß. Wer für die Zurückverweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des Antrages des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Gegen ein'ge wenige Stimmen angenommen.
Dann rufe ich Punkt 15 auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Tichi gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. Oktober 1950 ({3}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. von Merkatz zur Berichterstattung.
Dr. von Merkatz ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat in seiner Sitzung vom 19. Oktober 1950 beschlossen, dem Bundestag zu empfehlen, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Tichi abzulehnen.
Dem Begehren liegt folgender Tatbestand zugrunde. Es liegen zwei Anträge vor: ein Antrag der Rechtsanwälte Dr. Meyer I und Kelch aus Bayreuth als Vertreter des Eugen Lachomski vom 20. 9. 1950, der unmittelbar an den Bundestag gerichtet worden ist, und ein gleicher Antrag. der über das Amtsgericht in Kulmbach und das bayrische Staatsministerium der Justiz an den Bundestag gelangt ist. Der Privatkläger, Eugen Lachomski, hat gegen den Abgeordneten Tichi Strafantrag wegen Beleidigung - § 185 StGB - erhoben, weil ihn Tichi in einem Brief vom 31.8.1950 durch abfällige Äußerungen beleidigt habe.
Nach sorgfältiger Prüfung hat der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität festgestellt, daß die gegen den Eugen Lachomski gemachten Äußerungen nach Art und Ursprung nur aus ihrem politischen Zusammenhang zu verstehen sind, also politisch infiziert, politischen Charakters sind. Nach der ständigen Praxis des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ist ein solcher Fall nicht geeignet, dem Bundestag die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten zu empfehlen.
Namens des Ausschusses darf ich diesen Beschluß dem Hohen Hause unterbreiten. die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Tichi abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr rufe ich Ziffer 19 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Wirths gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950 ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Bromme
als Berichterstatter.
Bromme ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1601 betrifft den Antrag der Oberstaatsanwaltschaft in Wuppertal auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Wirths gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Juni 1950.
Der Abgeordnete Wirths hat in einem Zeitungsartikel am 22. November 1949 wegen einer sachlich falschen Entscheidung die Mitglieder eines Entnazifizierungsausschusses in beleidigender Form angegriffen. Diese Beleidigungen sind ohne Zweifel politischer Art. Entsprechend der Praxis des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität beantragt der Ausschuß, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Wirths abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Wer für die Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ist der Herr Abgeordnete Mende da?
({0})
Wer tritt für ihn als Berichterstatter ein? Es müßte ein Mitglied des Immunitätsausschusses sein. Können Sie das, Herr Kollege Gengler?
({1})
Es handelt sich um die Ziffern 23 und 24 der Tagesordnung.
Für den Abgeordneten Ritzel müßte auch jemand eintreten; denn er ist wohl auch nicht da.
Ist der Abgeordnete Striebeck da?
({2})
Dann rufe ich Ziffer 26 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({3}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Richter ({4}) gemäß Schreiben der Oberstaatsanwaltschaft Hannover vom 6. Januar 1950 und 27. Mai 1950 sowie Schreiben des Oberstaatsanwalts Oldenburg vom 8. Juni 1950 ({5}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Striebeck als Berichterstatter.
Striebeck ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 6. Januar 1950 hat der Oberstaatsanwalt in Hannover über den Bundesjustizminister die Bitte ausgesprochen, gemäß Art. 46 des Grundgesetzes einen Beschluß des Bundestags über die Genehmigung zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Dr. Richter herbeizuführen.
Diesem Antrag des Oberstaatsanwalts liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Der Staatsminister der niedersächsischen Landesregierung Albertz hat mit Schreiben vom 12. Dezember 1949 Strafantrag gegen Dr. Richter gestellt und dazu vorgetragen, daß Richter am 5. Dezember 1949 auf einer Versammlung der Flüchtlingsvereinigung in Hameln unter anderem erklärt hat:
Über die völlige Unmöglichkeit und Unfähigkeit des Herrn Albertz sind wir Vertriebenen uns alle einig. Wir haben in Niedersachsen einen Mann als Flüchtlingsminister, der ein Verbrecher gegen die Menschenrechte ist.
({7})
({8})
Minister Albertz gibt in seinem Strafantrag vier Bürger aus Hameln als Zeugen dafür an, daß Dr. Richter diese Ausführungen gemacht hat.
({9})
Ein zweites Schreiben des Oberstaatsanwalts in Hannover mit der Bitte um Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Richter datiert vom 27. Mai dieses Jahres. Auch hier handelt es sich um einen Strafantrag des Staatsministers der niedersächsischen Landesregierung Albertz. Dr. Richter soll, wie von drei Zeugen aus Wilhelmshaven behauptet wird, in einer am 9. März 1950 in Wilhelmshaven durchgeführten öffentlichen Versammlung gesagt haben, Minister Albertz sei wegen seines Verhaltens gegen die Flüchtlinge ein Verbrecher gegen die Menschlichkeit. Der Oberstaatsanwalt steht auf dem Standpunkt, daß hier strafbare Beleidigung bzw. üble Nachrede und Verleumdung vorliegen und zieht dafür neben den §§ 185 bis 187 des Strafgesetzbuches auch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 8. Dezember 1931 an, die sich in § 1 Achter Teil, Kap. III, mit dem erweiterten Ehrenschutz befaßt.
Über den Bundesjustizminister und den Präsidenten des Bundestags ist dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität weiter ein Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht Oldenburg vom 8. Juni 1950 zugegangen, worin dieser ebenfalls den Bundestag um Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Richter ersucht.
In diesem Falle, meine Damen und Herren, ist es so, daß der Niedersächsische Minister für Arbeit, Aufbau und Gesundheit Alfred Kubel am 28. März 1950 gegen Dr. Richter einen Strafantrag wegen verleumderischer Beleidigung gestellt hat. Dr. Richter soll sich nach den Aussagen der verschiedensten Zeugen, darunter Redakteure einiger Zeitungen, am 9. März 1950 in einer in Wilhelmshaven stattgefundenen Kundgebung der Deutschen Reichspartei in hemmungslose Beschimpfungen führender deutscher Persönlichkeiten verstiegen und dabei, wie es wörtlich heißt, von Albertz bis Adenauer keinen ausgelassen haben. Nach Aufzeichnungen der Pressevertreter hat Dr. Richter u. a. gesagt, daß Minister Kubel ein Mann sei, der mit übelsten Güterschiebungen und Betrügereien in Verbindung stehe. Andere Zeugen sagen aus, daß Dr. Richter den Minister Kubel als den größten Güterschieber aller Zeiten und Niedersachsens bezeichnet habe. Meine Damen und Herren, ein Zeuge D i e r m a n n gibt an, daß Dr. Richter in dieser Kundgebung auch gesagt hat, daß Minister Albertz wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit vor ein Gericht gestellt werden müsse. Der Oberstaatsanwalt ist der Auffassung, daß die angeführten Äußerungen den Tatbestand der verleumderischen Beleidigung eventuell in Tateinheit mit falscher Anschuldigung erfüllen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich in seiner Sitzung vom 6. November mit den drei Anträgen der Oberstaatsanwaltschaft befaßt und kam zu der Auffassung, daß die neuen Tatbestände gesehen und beurteilt werden müssen im Zusammenhang mit dem in Hildesheim anstehenden Verfahren, auf das der Oberstaatsanwalt in seinem Schreiben besonders hinweist und für das die Immunität des betreffenden Abgeordneten bereits in der 72. Sitzung des Bundestags aufgehoben wurde. Der Ausschuß kam zu dem einstimmigen Beschluß, auch für die hier neu zur Debatte stehenden Tatbestände den Weg zur Einleitung eines Ermittlungs- und Strafverfahrens freizugeben und dem
Hohen Haus zu empfehlen, dafür die Immunität des Abgeordneten Dr. Richter aufzuheben. ich bitte Sie im Namen des Ausschusses, entsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Ist Herr Abgeordneter Mende da?
({0})
- Wer tritt für ihn ein? Der Abgeordnete Ritzel ist ebenfalls entschuldigt. Ich glaube, Herr Gengler war in solchen Fällen immer menschenfreundlich genug, einzutreten.
({1})
- Dann müssen wir diese Sache zurückstellen. - Da kommt er schon; er ist immer da, wenn man ihn braucht.
Ich rufe auf Punkt 24:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Ermächtigung des Bundestages zur Strafverfolgung gegen Ernst Willy Freitag und Ernst Maria Lang wegen Beleidigung einer gesetzgebenden Versammlung gemäß § 197 StGB ({3}).
Das Wort hat der Abgeordnete Gengler zur Berichterstattung.
Gengler ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 18. Oktober 1950 legte der Bundesminister der Justiz einen Antrag der Staatsanwaltschaft München I vor mit der Bitte, eine Entscheidung des Bundestags gemäß § 197 des Strafgesetzbuches darüber herbeizuführen, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung des Ernst Willy Freitag und des Ernst Maria Lang wegen Beleidigung einer gesetzgebenden Versammlung erteilt wird.
Der Sachverhalt in dieser Angelegenheit ist kurz folgender. In der Zeitschrift „Der Simpl", die, wie ich hinzufügen darf, in der Zwischenzeit simplhaft eingegangen ist, wurde im Heft vom 1. Januar 1950 auf Seite 12 ein von dem Beschuldigten Lang gezeichnetes Bild mit der Überschrift „Nachtsitzung in Bonn" veröffentlicht. Dieses Bild stellt eine Flucht von Sitzungszimmern dar. An einer Tür hängt ein Schild mit der Bezeichnung: „Konferenz! Nicht stören!", und vor der Tür stehen 30 Weinflaschen. Ein uniformierter Angestellter besieht sich die Weinflaschen und das Schild und sagt nach der dem Bild zu entnehmenden Unterschrift: „Richtig, heute wird ja die Flüchtlingsfrage verhandelt." Es handelt sich hier um ein typisches Hetzbild, eine Verdächtigung der Arbeit hier im Bundestag und eine vollständige Entstellung der Tatsachen. Man kann sagen, das Bild ist nur gezeichnet und entspricht in keiner Form irgendwelchen Vorgängen. Das Bild bringt an sich zum Ausdruck, daß die Abgeordneten des Bundestags sich im Gegensatz zu dem Beratungsgegenstand und seiner Wichtigkeit bei der Beratung Trinkgelagen hingeben.
Der Beschuldigte Freitag gibt zu, daß das Heft von ihm in Kenntnis des Bildes herausgegeben wurde. Die Staatsanwaltschaft betont, daß die Handlungen des Lang und des Freitag den Tatbestand der verleumderischen Beleidigung nach §§
({5})
187 und 197 des Strafgesetzbuches und der Staatsverleumdung nach § 131 des Strafgesetzbuches erfüllen.
Im Ausschuß wurde hervorgehoben, daß die Ermächtigung zur Strafverfolgung nur in besonders schweren Fällen gegeben werden sollte. Der Reichstag habe früher in ähnlichen Fällen eine Ermächtigung nicht erteilt. Aus diesem Grunde und insbesondere, nachdem in der Zwischenzeit die verleumderische Zeitschrift ihren Heimgang gefunden hat, War der Ausschuß der Auffassung, daß wir die Ermächtigung zur Strafverfolgung nicht erteilen sollten. Der Antrag des Ausschusses geht dahin, eine Ermächtigung - gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. Oktober 1950 - zur Strafverfolgung des Ernst Willy Freitag und des Ernst Maria Lang wegen Beleidigung des Bund es-tags nicht zu erteilen. Jedoch sollte in einer Pressenotiz darauf hingewiesen werden, daß dies für künftige Fälle kein Freibrief sein sollte
({6})
und daß Wert darauf gelegt werden müsse, eine wahrheitsgemäße Berichterstattung über die Arbeiten des Bundestags und seiner Ausschüsse gesichert zu sehen. Ich möchte mit allem Nachdruck hervorheben, daß wir uns für die Zukunft in ähnlichen Fällen eine andere Entscheidung vorbehalten müssen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war wohl die Mehrheit.
({0})
- Ich darf um Wiederholung der Abstimmung bitten. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann rufe ich auf Punkt 23 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({1}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Arndt gemäß Schreiben des Redakteurs Gerst vom 13. Oktober 1950 ({2}).
Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz als Berichterstatter.
Dr. von Merkatz ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Arndt gemäß einem Schreiben des Redakteurs Gerst vom 13. Oktober 1950. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität empfiehlt dem Bundestag, dem Ersuchen des Redaktours Gerst nicht stattzugeben, da schon durch die Bestimmungen des Grundgesetzes Art. 46 Abs. 1 über die parlamentarische Immunität der Antrag als gegenstandslos und damit für erledigt zu betrachten ist.
Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Im Untersuchungsausschuß ist in der Sitzung vom 13. 10. 1950 vom Abgeordneten Dr. Arndt ein diffamierender Kommentar des Redakteurs Gerst in der „Berliner Zeitung" verlesen worden. Wegen dieser diffamierenden Veröffentlichung hat der Abgeordnete Dr. Arndt den Redakteur Gerst mit einem Schimpfwort belegt und beantragt, ihn von der weiteren Teilnahme an den öffentlichen Verhandlungen des Ausschusses auszuschließen.
Um die Frage zu. prüfen, ob auf Grund dieses Tatbestandes eine Aufhebung der Immunität stattfinden kann, ist auf Art. 46 des Grundgesetzes zurückzugehen. Die Absätze 2 bis 4 des Art. 46 regeln die sogenannte außerberufliche Immunität oder Indemnität, während sich Art. 46 Abs. 1 des Grundgesetzes mit der beruflichen Immunität der Abgeordneten befaßt. Der Abgeordnete kann gemäß Art. 46 Abs. 1 wegen einer nicht verleumderischen Äußerung im Parlament oder in einem seiner Ausschüsse nicht zur Verantwortung gezogen werden, da die berufliche Immunität einen persönlichen Strafausschließungsgrund darstellt. Der Gebrauch eines Schimpfwortes stellt keine verleumderische Beleidigung dar im Sinne des Art. 46 Abs. 1, so daß eine Möglichkeit, die Immunität aufzuheben, nicht besteht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldung. - Ich schließe die Aussprache.
Wer für die Annahme dieses Antrages des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Nunmehr rufe ich auf Punkt 25 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff gemäß Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 2. Februar 1950 und 27. Februar 1950 ({1}).
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Striebeck, der als Berichterstatter für den Abgeordneten Ritzel einspringt.
Striebeck ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um zwei Ersuchen auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Goetzendorff wegen Vergehens nach § 111 oder § 126 in Verbindung mit § 305 des Strafgesetzbuches auf Grund von Anzeigen zweier Bürger aus Rothenburg o. d. T. Die Akten wurden über das Bayerische Staatsministerium der Justiz und den Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 18. Juni 1950 an den Bundestag überwiesen.
Dem Abgeordneten Goetzendorff wird vorgeworfen, daß er in einer Versammlung geäußert habe: Der Lastenausgleich kommt, er muß kommen, und wenn die Häuser der Besitzenden brennen, aber er kommt!
Der Ausschuß war einstimmig der Ansicht, daß in dieser Äußerung nicht unbedingt eine Aufforderung zu einem Verbrechen gesehen werden kann, und hat, da es sich außerdem um eine Angelegenheit mit vorwiegend politischem Charakter handelt, beschlossen, die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff nicht aufzuheben. Ich bitte das Hohe Haus, sich diesem Beschluß anzuschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldung. - Ich schließe die Aussprache.
Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
Dann rufe ich auf Punkt 27 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
({1})
Der Umdruck Nr. 22 liegt den Damen und Herren vor. - Wer für die Annahme der dort gemachten Vorschläge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Nunmehr sind sämtliche Immunitätssachen und ähnliche Dinge erledigt. Es bleiben noch die Sachen mit ausgesprochen wirtschaftspolitischem Charakter übrig. Es ist vereinbart worden - so wurde mir gesagt -, daß diese Dinge nicht vor 14 Uhr aufgerufen werden sollen. Ich meine aber, daß Punkt 12 jetzt aufgerufen werden könnte. Einverstanden? ({2})
Ich rufe dann auf Punkt 12 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen ({3}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend ERP-Kredite für die Landwirtschaft ({4}).
Dann erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Pfleiderer als Berichterstatter.
Dr. Pfleiderer ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen heute im Auftrag des Ausschusses für ERP-Fragen kurz über den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend ERP-Kredite für die Landwirtschaft Bericht zu erstatten. Der Antrag ist in der Drucksache Nr. 1003 enthalten. Er wurde federführend dem ERP-Ausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen. Danach hat der Antrag durch den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ziffer 2 folgende Erweiterung erfahren:
Der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu ersuchen, Verhandlungen aufzunehmen, damit verbilligte ERP-Kredite zur Verfügung gestellt werden, damit in den Landgemeinden probeweise Anlagen errichtet werden, um Erfahrungen über die Entlastung der Arbeit der Bauersfrau zu sammeln.
Der ERP-Ausschuß war der Ansicht, daß die Verwendung der Gegenwertmittel nach einem einheitlichen Plan durchzuführen sei und daß nicht Mittel für irgendwelche Teilgebiete herausgegriffen werden sollten. Bei voller Würdigung der Bedeutung der Abänderung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat der ERP-Ausschuß beschlossen, den Antrag zu stellen, den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen der Bundesregierung als Material zu überweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Dann schließe ich die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, dann bleiben nur noch die wirtschaftspolitischen Dinge übrig, bezüglich derer Sie vereinbart haben, sie nicht vor 14 Uhr zu beraten. Ich mache Ihnen den Vorschlag, daß wir die Sitzung bis 14 Uhr unterbrechen und dann fortfahren. Sie sind einverstanden?
({0})
- Ist Ihnen 14 Uhr 30 lieber? Dann unterbreche ich die Sitzung bis 14 Uhr 30.
({1}).
Die Sitzung wird. um 14 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Ich rufe auf die Punkte 3 und 4 der heutigen Tagesordnung, die zusammen behandelt werden sollen:
Beratung des Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes ({0});
Beratung des Entwurfs einer Verordnung zur Ergänzung der Durchführungsverordnung zum Zweiten und Dritten Teil des Soforthilfegesetzes ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Kunze.
Kunze ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß § 83 des Soforthilfegesetzes bedürfen Durchführungsverordnungen zu diesem Gesetz der Zustimmung des Wirtschaftsrates und des Länderrates. An die Stelle des Länderrates ist der Bundesrat getreten, und an Stelle des Wirtschaftsrates hat der Deutsche Bundestag zu entscheiden.
Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat sich mit beiden Verordnungen, sowohl mit der Drucksache Nr. 1612 als auch mit der Drucksache Nr. 1613, befaßt und schlägt dem Hohen Hause einstimmig vor, beiden Verordnungen die Zustimmung zu geben. Um bestimmte Fehler oder Mängel in den Verordnungen zu beseitigen, liegt der interfraktionelle Antrag vor, dem sämtliche Parteien und Fraktionen dieses Hohen Hauses, die im Ausschuß vertreten sind, zugestimmt haben; ich darf ihn verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen, bei der Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes, Drucksache Nr. 1612, in § 1 an die Stelle von „31. Dezember 1950" zu setzen „30. Juni 1951".
Es bedarf keiner Begründung, warum dieses Datum gewählt werden muß: Diese Verordnung kann jetzt erst in Kraft treten, und sie würde ihren Sinn verlieren, wenn sie bereits mit Monatsschluß wieder außer Kraft träte.
Weiter wurde zu § 6 vorgeschlagen, in Abs. 6 folgenden Schlußsatz anzufügen:
Die Vergünstigung gilt nicht für Veräußerungen, die auf Grund der Bodenreformgesetze erfolgen.
Dieser Zusatz soll lediglich Zweifel ausschließen, die bei der allgemeinen Fassung der vorhergehenden Sätze auftauchen könnten. Materiell bedeutet er keine Änderung, sondern nur eine Klarstellung für die Bevölkerung, die von den Möglichkeiten dieser Durchführungsverordnung Gebrauch machen will. Das wäre zu der Frage in Drucksache Nr. 1612 zu sagen.
In Drucksache Nr. 1613 sind lediglich redaktionell - möchte ich annehmen - nach den Worten „zum Zweiten und Dritten Teil des Soforthilfegesetzes" die Worte „vom 8. August 1949" hinzuzufügen, damit das Inkrafttreten dieses Gesetzes auch in der Durchführungsverordnung in Erscheinung tritt. Die Bundesregierung ist zu bevollmächtigen, auch das Datum des Inkrafttretens dieser Verordnung einzufügen, der das Hohe Haus seine Zustimmung geben soll.
({3})
Lassen Sie mich zu einem einzigen Punkt, der Gegenstand der Aussprache im Ausschuß gewesen ist, kurz etwas sagen. Es war von Interessentenseite die Bitte gekommen, man möge bei der Verpachtung von landwirtschaftlichem Grundbesitz, dem nunmehr auch gewerblicher und handwerklicher Besitz gleichgestellt wird, an Geschädigte statt der Höchstsumme von 20 000 DM die Höchstsumme von 50 000 DM setzen. Der Ausschuß ist der Vorlage der Regierung gefolgt und hat es zunächst bei 20 000 DM belassen, weil wir erst Erfahrungen sammeln müssen und mit der Einräumung besonderer Rechte gerade auf diesem neuen Gebiet sehr behutsam vorgehen müssen, da wir die Konsequenzen nicht übersehen können. Der Ausschuß tat sich leicht bei dieser Entscheidung, da ja diese Durchführungsverordnung zum Soforthilfegesetz automatisch dann außer Kraft tritt, wenn das vom Bundeskabinett gestern verabschiedete Gesetz über den Lastenausgleich durch die gesetzgebenden Körperschaften beraten und angenommen worden ist. Der Ausschuß empfiehlt daher dem Hohen Hause, mit der Annahme der Abänderungsanträge auf dem Umdruck 33 als Einfügung die Zustimmung zu beiden Verordnungen zu erteilen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 1612. Ich rufe auf § 1. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag auf dem Umdruck Nr. 33 Ziffer 1 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist also so beschlossen.
Ich rufe weiter auf §§ 2, - 3, - 4, - 5. - Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die den §§ 2 bis 5 zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Angenommen.
§ 6. Hierzu liegt auf Umdruck Nr. 33 der Abänderungsantrag Ziffer 2 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist also so beschlossen.
Wir stimmen nun ab über den § 6 in der abgeänderten Form. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe weiter auf §§ 7, - 8, - 9, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Damit ist die Verordnung angenommen.
Ich rufe nun auf die Drucksache Nr. 1613, Art. 1, - 2. - Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich rufe auf Einleitung und Überschrift und bitte auch da um Zustimmung. - Das ist die Mehrheit; Einleitung und Überschrift sind auch angenommen. Damit ist die Verordnung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu dem zurückgestellten Punkt, der heute morgen in die Tagesordnung eingefügt worden ist:
Beratung der Entwürfe von Verordnungen über die Preise für Kohle und Stahl ({0}).
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Wirkung vom 1. November sind im Bergbau eine 10%ige Lohnerhöhung, desgleichen die Einführung von Regelmäßigkeitsprämien im Ausmaß von 3% und erhöhte Löhne für die in der Zwischenzeit vereinbarten Sonderschichten beschlossen worden.
Zwischen der Deutschen Kohlenbergbauleitung, der Industriegewerkschaft Bergbau und dem Bundeswirtschaftsministerium haben Verhandlungen stattgefunden, in denen unwiderleglich zum Ausdruck kam, daß die in der Zwischenzeit verfügte Lohnerhöhung nicht ohne Auswirkung auf die Preise für Kohle bleiben könne. Es ist zu berücksichtigen, daß im Frühjahr dieses Jahres bereits eine 9%ige Lohnerhöhung durchgeführt wurde und damit bei den Zechen die letzten Möglichkeiten preispolitischer Art ausgeschöpft wurden.
Die Deutsche Kohlenbergbauleitung hat die notwendigen Preiserhöhungen in einem Schema dargelegt. Die Untersuchungen und Nachprüfungen durch das Wirtschaftsministerium haben ergeben, daß dieses nicht bereit sein konnte, den Forderungen der Deutschen Kohlenbergbauleitung in vollem Umfang zu entsprechen. Diese Forderungen der DKBL bezifferten sich pro Tonne verwertbarer Kohle auf 7,54 DM, während das Wirtschaftsministerium selbst nur 3,46 DM anzuerkennen bereit war. Die starke Differenz ergibt sich daraus, daß auf Grund der Rentabilitäts- bezw. der Ertragslage im Bergbau starke Unterschüsse bei allerdings größeren Streuungen zwischen den einzelnen Zechen auftraten. Die Deutsche Kohlenbergbauleitung hat dafür Beträge von 3,70 plus 1,18 DM angesetzt. Von diesen Unterschüssen war das Wirtschaftsministerium selbst nur 80 Pfennig anzuerkennen bereit, nicht deshalb, weil es etwa die Unrichtigkeit der Angaben der Deutschen Kohlenbergbauleitung nachweisen konnte, nicht auch, weil es nicht notwendig wäre, den Bergbau mit entsprechenden Mitteln zu einer Verzinsung und Abschreibung seiner Anlagen zu befähigen. Diese Erträge wirken hier nicht in Richtung einer privatwirtschaftlichen Gewinnsteigerung, sondern dienen der weiteren Erschließung des Bergbaues. Rationalisierung ist unbedingt notwendig, um die Kohlenförderung in dem Maße zu steigern, daß die übrige Industrie - die gewerbliche Wirtschaft -weiter eine glückliche Entwicklung nehmen kann.
Bei der Annahme von 3,46 DM Preiserhöhung pro Tonne verwertbarer Kohle entfallen 1,76 DM auf die zehnprozentige Lohn- und Gehaltserhöhung, 36 Pfennig auf die Regelmäßigkeitsprämie von 3% und 54 Pfennig auf die Mehrlöhne bei den monatlich anfallenden zwei Sonderschichten. Für den teilweisen Ausgleich des Unterschusses wurden selbst nur 80 Pfennig pro Tonne verwertbarer Kohle in Anrechnung gebracht. Auf der Basis von 3,46 DM Mehrlasten pro Tonne verwertbarer Kohle errechnet sich dann eine Kohlenpreiserhähung für den Inlandabsatz von 6 DM. Würde man annehmen, daß nur die reinen Preiserhöhungen aus der Erhöhung der Löhne in Anrechnung gebracht werden sollen, dann würde das rechnerisch für den Inlandsabsatz einen Mehrpreis von 4,80 DM pro Tonne bedingen.
Im einzelnen sind dann selbstverständlich zwischen den Kohlensorten wesentliche Unterschiede gemacht worden, so z. B. eine besondere Schonung der Hausbrandkohle und ein relativ höherer Preis für Feinkoks, der vor allen Dingen für den Export in Frage kommt.
({0})
Es ist mir bekannt, daß sowohl der Bundesrat als auch der Bundestag in beiden Wirtschaftsausschüssen dem Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums in Höhe von 6 DM pro Tonne Inlandabsatz von Kohle nicht zugestimmt haben, daß sich die beiden Ausschüsse nicht dazu verstehen konnten, jene 80 Pfennig zu einem teilweisen Ausgleich des Unterschusses anzuerkennen. Die Bundesregierung würde sich gegebenenfalls den Auffassungen der Wirtschaftsausschüsse von Bundestag und Bundesrat anschließen.
Die Erhöhung der Kohlenpreise hat dann selbstverständlich auch Wirkung auf die Eisen- und Stahlpreise. In dieser Industrie konnten die Lohnerhöhungen, die zwischenzeitlich aus der besseren Ergiebigkeit durch höhere Ausnützung eingetreten sind, aufgefangen werden, so daß sich die Situation in der Eisen- und Stahlindustrie derartig darstellt, daß lediglich die Erhöhungen aus der Kohle, aus dem Schrott und aus dem Erz zur Anrechnung kommen. Die Forderungen von Eisen und Stahl lauteten zunächst, d. h. in dem ersten Antrag, auf 38,85 DM je to Stahl. Von diesen 38,85 DM hat das Wirtschaftsministerium selbst bei der letzten Überprüfung nur 30 DM anerkannt. 2 DM konnten bei Koks durch die entsprechende Verbilligung eingespart werden, die wir bei Kohle verfügt hatten. Wir haben weiter eine alte Forderung der Eisen- und Stahlindustrie hinsichtlich des Hochofengaspreises in Höhe von 3,35 DM nicht anerkannt, so daß sich insgesamt ein Betrag von 33,50 DM errechnet hat. Wir waren der Auffassung, daß weitere 3,50 DM von der Eisen- und Stahlindustrie selbst durch weitere Rationalisierung, durch bessere Ergiebigkeit im Zuge der Ausweitungen aufgefangen werden konnten, so daß der Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums auf insgesamt 30 DM pro to lautete.
Allerdings ist dabei noch folgendes zu berücksichtigen: Wir waren gezwungen, eine Schrottpreiserhöhung vorzunehmen in Höhe von 19 DM, um das Schrottaufkommen nicht nur für den heimischen Verbrauch, sondern vor allen Dingen auch für den Export sicherzustellen. Der deutsche Schrottexport hat eine immer größere Bedeutung im Rahmen der europäischen Wirtschaft erlangt, und wir müßten uns dazu verstehen, hier Wünschen an die deutsche Wirtschaft nachzukommen. Wir sind aber der Meinung, daß diese Schrottpreiserhöhung nicht auf die Dauer Gültigkeit erhalten soll oder mindestens nicht unbedingt erhalten muß, so daß wir die daraus resultierende Erhöhung der Stahlpreise in Höhe von rund 10 DM nicht als festen Preiszuschlag zur Anwendung bringen wollen, sondern daß in Höhe der Schrottpreisverteuerung ein Saisonzuschlag von 10 DM gewährt wird. Der Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums stellt sich also so dar, daß eine echte Preiserhöhung im Umfang von 20 DM Platz greift, während, befristet bis zum 31. März nächsten Jahres, ein Saisonzuschlag von 10 DM auf Grund der höheren Schrottpreise gewährt wird.
Auch hier haben die beiden Ausschüsse zu dem Antrag des Bundeswirtschaftsministeriums Stellung genommen. Wenn selbstverständlich die Verteuerung des Kohlenpreises nicht mit 6 DM, sondern auf Grund der Auffassung der beiden Ausschüsse entsprechend geringer angenommen wird, ergeben sich natürlich auch wieder Einsparungen bei Eisen und Stahl etwa in der Größenordnung von 2 DM auf den Kokspreis. Auf der anderen Seite ist vor allen Dingen von den Ländern der revierfernen Gebiete die Auffassung "vertreten worden, daß ein Frachtausgleich gegeben werden müßte, der sich pro to Stahl mit ungefähr 2 DM errechnet. Es würde sich dann also insgesamt so darstellen: es bleibt bei einer Erhöhung von 20 DM plus 10 DM Saisonzuschlag für Schrott. In den 20 DM Eisen- und Stahlpreiserhöhung befindet sich aber eine Spanne von 2 DM, die jeweils zum Frachtausgleich für die revierfernen Gebiete benutzt werden muß. Die Bundesregierung würde auch hier einem Änderungsvorschlag nach den Auffassungen der beiden Ausschüsse zustimmen.
Verbunden werden mit diesem Beratungsgegenstand der
Antrag der Fraktion der KPD betreffend Sicherung des deutschen Kohlenbedarfs ({0}) und der
Antrag der Fraktion der KPD betreffend Inlandspreise für Kohle und Stahl ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Harig.
Harig ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben zu der Kohle- und Stahlpreiserhöhung zwei Anträge eingebracht. Zur Begründung dieser unserer Anträge möchte ich folgendes ausführen.
Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung - den Abgeordneten noch sehr gut bekannt - ausgeführt, daß keinerlei Grund zur Beunruhigung vorhanden sei, daß die Preise sich nur geringfügig verschieben werden und daß es die vornehmste Pflicht der Bundesregierung sei, soziale Ungerechtigkeit zu verhüten. Es hat sich bis jetzt schon erwiesen, wer hier soziale Ungerechtigkeit verhütet. Es ist im Bundestag schon des öfteren der Unwille gegen die unsoziale Handlungsweise der Regierung zum Ausdruck gebracht worden. Was stellen wir fest? Wir stellen fest, daß die vornehmste Pflicht, die soziale Ungerechtigkeit zu verhüten, darin zu erblicken ist, daß laufend die Preise nach oben klettern, die Preise für die Dinge des täglichen Bedarfs, die der arme Mann draußen erwerben soll; das sind Brot, Fleisch, Fett, Kartoffeln, Eier und so fort. Noch heute habe ich in einer Zeitung gelesen, man habe im Regierungsprogramm vorgesehen, daß die Altbaumieten um 20 % erhöht werden sollen. Das trifft wiederum den armen Mann. Mit den Kohlenpreisen werden auch die Strom- und Gaspreise in die Höhe gehen, und nicht unwesentlich. Der Ausschuß für Wirtschaft hat bereits an das Ministerium die Bitte gerichtet, doch möglichst bald eine Vorlage einzubringen. Jetzt ist man dazu übergegangen, die Kohlenpreise um 4,50 DM zu heben. Die Auswirkungen auf ' sozialem Gebiete werden katastrophal sein. Es ist doch nicht damit getan, daß der Arbeiter nun für den Zentner Kohle meinetwegen 25 Pfennig mehr zahlen muß, sondern auch der Bäcker wird die Kohlenmehrpreise auf das Brot abwälzen. Ich habe heute morgen noch erfahren, daß die Bauern in der Umgebung von Bonn ihre Zuckerrüben an die Zuckerfabriken nicht abliefern können, weil die Fabriken erklärt haben, infolge des Kohlenmangels seien sie nicht in der Lage, die Zuckerrüben abzunehmen. Das wird dazu führen, daß eine ganze Reihe Betriebe Einschränkungen vornehmen müssen, und das wird die Herstellungskosten der Produkte ungemein erhöhen. Selbstverständlich wird man versuchen, die Erhöhung der Selbstkosten auf den Konsumenten abzuwälzen. Die Fernwirkung dieser Kohlenpreiserhöhung
({3})
ist unabsehbar. Dabei müssen wir sehen, daß die Kohlenpreise für den Sozialrentner, den Arbeitslosen, den Arbeiter mit niedrigem Einkommen unerschwinglich sind. Aber vornehmste Pflicht dieser Regierung ist eben, soziale Ungerechtigkeiten zu verhindern! Ich kann nur sagen: Macht ruhig so weiter! Das Volk wird erkennen, wo Freund und wo Feind steht.
Es geht bei der Kohlenpreiserhöhung doch darum, den Besitzern der Kohlengruben zu helfen. Man will ihnen helfen, aus dem Dilemma herauszukommen. Diejenigen, die während des Krieges Raubbau getrieben haben an Menschen und Maschinen, wollen jetzt die Folgen auf die breiten Kreise des Volkes abwälzen. Das müssen nicht nur wir erkennen, das werden auch draußen die breitesten Massen des Volkes erkennen.
Dabei müssen wir aber auch noch folgendes sehen: Der Export der Kohle ist laufend gesteigert worden, obwohl man weiß, daß pro Tonne sich ein Defizit von 4,35 DM ergibt. Meine sehr verehrten Anwesenden! Im Interesse des deutschen Volkes liegt es nicht, den Kohlenexport zu steigern, wenn wir von vornherein feststellen, daß wir unter Verlust Handelsbeziehungen mit den anderen pflegen. Und so stellen wir jetzt fest, daß der Export im kommenden Quartal auf 6,83 Millionen Tonnen steigen wird. Rechnen Sie selbst aus, welche Unsummen das ausmacht. Dazu hätte die Regierung nein sagen müssen. Es genügt da nicht, nur zum Petersberg hinzugehen und dort die Bitte vorzutragen, doch diese Quote zu vermindern. Das tut man auch nur zum Schein; denn wer zu den New Yorker Beschlüssen ja gesagt hat, ja gesagt hat dazu, daß die deutsche Grundstoffindustrie dem Rüstungsplan Europas zur Verfügung gestellt wird, der kann zu der Erhöhung der Kohlenexportquote nicht nein sagen.
Der Petersberg wird dem Bundeskanzler wohl gesagt haben: Was willst du eigentlich? Du kannst doch nicht kalt und zu gleicher Zeit warm sein!
({4})
Die Politik, die da betrieben wird, führt - das sagen wir ganz offen - ins Unglück. Diese Politik wird das ganze deutsche Volk ins Unglück führen. Diese Politik der Abwälzung der Lasten auf die Schultern der breiten werktätigen Massen wird sich einmal bitter rächen.
Es ist auch nicht nett, wenn der Bundeskanzler vor einigen Tagen erklärte - anläßlich seiner Rede auf dem SED-,
({5})
auf dem CDU-Parteitag -, die Steuern der arbeitenden Menschen seien niedriger als im Jahre 1932. Der DGB hat festgestellt, daß gegenüber 1932 eine ungeheure Belastung zu verzeichnen ist. Allein die Belastung an Steuern betrage rund 36 % des Einkommens.
Es tst daher unverständlich, daß sich die IG.-Bergbau bei den Verhandlungen um die Lohnerhöhungen zu dem Kompromiß verleiten ließ, zu einer eventuellen Kohlenpreiserhöhung ja zu sagen. Ich muß von dieser Stelle aus erklären, daß dieser Kompromiß nicht mit dem Willen der Bergarbeiter zustande gekommen ist. Die Bergarbeiter, die Kumpels, sind an diesem Kompromiß unschuldig.
({6})
Der Bergarbeiterverband hatte es gar nicht nötig, einen solchen Kompromiß einzugehen. Der Bergarbeiterverband konnte sich auf die Mitglieder seiner Organisation stützen; er brauchte nur zu
rufen, da wären sie da gewesen, und die Lohnerhöhung wäre auch ohne dieses Zugeständnis erfolgt.
({7})
Dabei müssen wir folgendes sehen. Es wird - und das hat eben auch der Bundeswirtschaftsminister zum Ausdruck gebracht - darauf hingewiesen, daß die Lohnerhöhungen eine Kohlenpreiserhöhung notwendig gemacht hätten. Dabei ist festgestellt worden, daß die Lohnerhöhung eine Belastung von 2,66 DM pro Tonne gebracht hat; den Kohlenpreis aber erhöht man um 4,50 DM.
({8})
- Ich weiß, warum. Ich weiß, daß die vielen hundert Millionen Defizit gedeckt werden sollen. Ich weiß, daß man das Defizit abwälzen will, das durch die Politik der DKBL und dieser Regierung zustande gekommen ist. Man muß den Exportverpflichtungen nachkommen, diesen Exportverpflichtungen, die uns alle schwer treffen, die nicht nur das Volk im kommenden Winter frieren lassen werden, sondern die auch große Teile der weiterverarbeitenden Industrie zum Erliegen bringen. Vor einigen Tagen noch hat ein süddeutscher Minister gesagt, daß die gesamte Bauindustrie zum Erliegen kommen und das Wiederaufbauprogramm über den Haufen geworfen wird. Es wird dazu führen, daß die Arbeitslosigkeit anwachsen, daß die Zahl der Feierschichten steigend größer wird. Man spricht jetzt schon davon, daß man Feierschichten über ganze Wochen einführen will. Wo soll das denn hinführen?
Deswegen haben wir den Antrag Drucksache Nr. 1642 gestellt, der hiermit begründet ist. Unter dem Deckmantel der Lohnerhöhung will man eine willkommene Gelegenheit benutzen, die Politik der Bankrotteure zu sichern.
({9})
Auch die Wirkung der Stahlpreiserhöhung wird katastrophal sein. Wir wollen uns doch nicht so oberflächlich über die Dinge hinwegsetzen.
({10})
Die Walzwerkerzeugnisse sollen um 26,50 DM pro Tonne teurer werden. Darunter befinden sich eine ganze Reihe von Produkten, die die weiterverarbeitende Industrie dringend braucht.
Es fallen darunter Materialien für den Eisenbahnoberbau. Die gesamte Zubringerindustrie für den Eisenbahnbau wird vor die Hunde gehen. Wir werden erleben, daß man zuerst versuchen wird, die Erhöhung der Selbstkosten auf die Arbeiterschaft abzuwälzen. Die Arbeiterschaft wird sich das nicht gefallen lassen, sie wird sich zur Wehr setzen. Sie wird dem begegnen, indem sie Lohnforderungen stellt. Es wird zu sozialen Kämpfen kommen, auch gegen den Willen einiger Gewerkschaftsführer. Das muß einmal gesagt werden. Es war nicht notwendig, daß die Eisenpreise in dem Umfang erhöht wurden. Das hat das Material gezeigt, das uns im wirtschaftspolitischen Ausschuß über die Einnahmen und Ausgaben der entflochtenen Werke vorgelegt worden ist. Ich will darauf nicht im einzelnen eingehen, ich will nur folgendes sagen. Es war den Werken in den vergangenen Jahren möglich, die großen Kriegsschäden aus eigener Kraft zu beseitigen. Die Kapazität der Werke der eisenschaffenden Industrie hat den Stand von 1939 schon wieder erreicht. Außerdem war es möglich, Hunderte von Millionen zu investieren. Man hat 4,5 % an Abschreibungen verbucht und trotzdem
({11})
noch 3,5 % für Betriebsbenutzung abführen können. Wenn außerdem noch 60 Millionen DM als Erfolg ausgewiesen sind, dann besagt das alles.
Auch in dieser Beziehung kann man sagen, man hat hier gedacht: Es ist ein Aufwaschen. Unter dem Motto: Die Löhne der Bergarbeiter sind erhöht worden, deshalb werden die Kohlenpreise erhöht, will man auch die Erzpreise und die Schrottpreise erhöhen und jetzt die hohen Frachten bereinigen. Dem Kumpel will man das in die Schuhe schieben. Die Bevölkerung draußen wird erkennen, daß das ein Betrug ist.
Alle diese Maßnahmen sind notwendig, weil man zu den New Yorker Beschlüssen ja gesagt hat. Infolge der Rüstungspolitik sind die Weltmarktpreise gestiegen. Deshalb sind die Schrottpreise so hoch, deshalb sind die Frachten höher, und deshalb sind die Kohlenpreise höher. Man will die Kohlenindustrie und die Stahlindustrie sanieren, um sie denjenigen in die Hand zu geben,
({12})
die schon mehrmals ein Unglück über das deutsche Volk gebracht haben. Diese Politik führt ins Unglück. Und ich sage ganz offen: Dieser Regierung keinen einzigen Pfennig!
({13})
Die Folgen der Eisenpreiserhöhung werden für die weiterverarbeitende Industrie maßlos sein. Diese Eisenpreiserhöhung wird zu einer Arbeitslosigkeit führen.
({14})
Sie wird den Ruin der weiterverarbeitenden Industrie bedeuten - das sage ich auch nach der Rechten hin -, sie wird die Arbeitslosigkeit vermehren.
({15})
Unsere Arbeiter wollen nicht für den Krieg arbeiten, sie wollen nicht für die Rüstung arbeiten.
({16})
Unsere Arbeiter wollen für friedliche Zwecke arbeiten. Das hat die Betriebsratsvollversammlung gezeigt, die dieser Tage in Dortmund stattgefunden hat. Die Arbeiter wollen diese Politik nicht mitmachen. Die Urabstimmung hat des weiteren gezeigt, daß die Arbeiterschaft gewillt ist, für die Forderungen der Arbeiter in den Kampf zu gehen. Zu diesen Forderungen gehört nicht nur das Mitbestimmungsrecht, dazu gehört auch, daß die Eigentumsverhältnisse geklärt werden. Zu diesen Forderungen gehört auch, daß die Löhne
({17})
erhöht werden.
({18})
Dazu gehört auch, daß eine Friedenswirtschaft betrieben wird. Für diese Politik
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werden die Arbeiter in Zukunft in den Kampf gehen, worauf Sie sich verlassen können!
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Das Wort hat nun als Berichterstatter des Ausschusses der Herr Abgeordnete Lenz.
Lenz ({0}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Bundestages hat sich ebenso wie der wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundesrates in mehreren Beratungen mit der Frage der Steinkohlenpreise beschäftigt. Aufgabe dieser Beratungen war, Maßnahmen zu erwägen, die ein Absinken der inzwischen herbeigeführten Fördersteigerung mit all ihren bedenklichen Folgen zu verhindern geeignet wären. Im Ausschuß waren sich die Vertreter aller Parteien darüber klar, daß eine Veränderung der Kohlenpreise nach oben sehr weitgehende Auswirkungen auf das gesamte Wirtschaftsgefüge haben müßte. Demzufolge hat der Ausschuß zuerst die Frage erwogen, ob von einer Erhöhung Abstand genommen werden könnte. Es ist die Ansicht vertreten worden, daß auch ohne eine Preiserhöhung die derzeitige Förderung gehalten werden könnte und eventuell noch weiter zu steigern wäre. In der Mehrheit aber war der Ausschuß der Auffassung, daß das nicht möglich ist und daß es, wenn die Steinkohlenpreise nicht erhöht werden, zu sehr ernsten Erscheinungen hinsichtlich der Förderergebnisse kommen müßte. Die Folgen, die aus einer Versagung der notwendigen Preiserhöhung erwachsen müßten, würden noch weit schwerwiegender sein als die Auswirkung einer Preiserhöhung an sich.
Der Ausschuß hat sich der vom Bundeswirtschaftsministerium vorgeschlagenen Erhöhung um 6 DM je Tonne nicht anschließen können. Diese Erhöhung war vorgesehen auf der Preisebene von 37 Mark 14 pro Tonne. Er hat die Kostenaufstellung der Deutschen Kohlenbergbauleitung und die Ergänzungen des Bundeswirtschaftsministeriums geprüft und ist zu der Auffassung gekommen, daß einen Erhöhung von 4 Mark 50 als angemessen zu betrachten sei. Zwischenzeitlich aber hat sich auch der wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundesrates mit der Materie beschäftigt und ist auf Grund anderer Ermittlungen zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kohlenpreis um 4 Mark 87 pro Tonne erhöht werden müsse. Die Differenz gegenüber dem Vorschlag des Wirtschaftsministeriums ergibt sich aus der Berücksichtigung des Umstandes, daß bei der erwarteten Fördersteigerung noch eine erhebliche Kostendegression eintreten wird.
In einer weiteren Sitzung hat der Wirtschaftsausschuß sich dann, wenn auch mit knapper Mehrheit, weitgehend dem Vorschlag des wirtschaftspolitischen Ausschusses des Bundesrates genähert, indem er seinen früheren Standpunkt revidiert und nunmehr eine Preiserhöhung von 4 Mark 80 in Vorschlag gebracht hat. Des weiteren hat der wirtschaftspolitische Ausschuß beschlossen, die Preiserhöhung bis zum 31. März 1951 zu befristen. In der Zwischenzeit sollen noch einmal alle Faktoren überprüft werden, insbesondere auch unter Berücksichtigung der in dieser Zeit zu erwartenden allgemeinen Veränderung in der Wirtschaft.
Der Auffassung, eine Kohlenpreiserhöhung sei nicht erforderlich, vielmehr sei die Lösung des zweifellos ernsten Problems der unrentabel arbeitenden Zechen ausschließlich von der Seite der Neuordnung des Kohlenbergbaues her zu erwarten, konnte sich der Ausschuß nicht anschließen. So berechtigt es erscheint, darauf zu hoffen, daß sich bei einer anderen Felderabgrenzung, bei Durchführung der in Aussicht genommenen Neuordnungsmaßnahmen eine andere Ertragslage ergeben wird, so schlüssig war andererseits der Beweis, daß zur Zeit an einer Erhöhung nicht vorbeizukommen ist.
Was nun die Auswirkungen der Preiserhöhung für- Kohle auf die gesamte Wirtschaft betrifft, so hat sich der wirtschaftspolitische Ausschuß auch mit dieser Frage sehr eingehend beschäftigt. Er ist
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sich darüber klar, daß der Kohlenpreis den Schlüsselpreis für die gesamte Wirtschaft darstellt, weil schließlich alle Erzeugung direkt oder indirekt mit dem Verbrauch von Kohle und Energie zusammenhängt und somit auch vom Kohlenpreis abhängt. Er glaubt aber, daß die Erhöhung, die seitens des Bundeswirtschaftsministeriums im Mittel, im Schnitt mit etwa 0,5 bis 0,6 % angegeben wird, in der Wirtschaft zu verkraften ist, notwendigerweise, weil davon, daß der Kohlenbergbau intakt ist, schließlich alles andere abhängt.
Es ist insbesondere auch berücksichtigt worden, daß die Erhöhung hinsichtlich des Hausbrandes im Anhangverfahren durchgeführt wird, daß es dabei also nicht zu einer Erhöhung der Handelsspannen kommen soll.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Ausschuß beschlossen, dem Hause eine Kohlenpreiserhöhung von 4,80 DM vorzuschlagen.
Mit der Frage der Eisenpreiserhöhung haben sich der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Bundestages und der wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundesrates beschäftigt. Es ist klar, daß die Eisenpreiserhöhung eine Funktion der Kohlenpreiserhöhung darstellt. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Bundestages hat sich nach mehrfacher Behandlung dieser Materie mit Mehrheit entschlossen, .Ihnen eine Erhöhung von 18 DM pro Tonne für Walzwerkerzeugnisse vorzuschlagen, des weiteren von 10 DM als Schrottaufschlag und von weiteren 2 DM, die als Frachtausgleich für die revierfernen Gebiete hinzugerechnet werden müssen, so daß sich eine Gesamterhöhung von 30 DM ergibt. Dieser Auffassung hat sich der Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Bundesrates angeschlossen. Ich habe Ihnen daher im Auftrage des Ausschusses vorzuschlagen, auch die Erhöhung der Eisenwalzwerkserzeugnisse in der angegebenen Höhe anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zur Aussprache. Der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Etzel.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen zu dem Problem, das hier zur Debatte steht, zunächst zwei Abänderungsanträge zu den Anträgen der Bundesregierung vorzulegen.
Zunächst ein Abänderungsantrag zu der Drucksache, welche die Erhöhung der Kohlenpreise beinhaltet. Dieser Abänderungsantrag liegt Ihnen vor. Er wird aber von mir nicht in der vorliegenden Form gestellt, sondern ich ändere ihn in Ziffer 2 ab. Es ist der Änderungsantrag des Abgeordneten Etzel zur Beratung des Entwurfs einer Verordnung zur Änderung von Preisen für Steinkohle, Steinkohlenkoks und Steinkohlenbriketts aus den Revieren Ruhr und Aachen - Umdruck Nr. 31 -, den ich auch für meine Fraktion stelle. Bisher werden in Ziffer 2 statt 6,- DM 4,80 DM beantragt. Ich beantrage nunmehr, die Ziffer 2 zu ändern, wie folgt:
2. Die den Preisen in § 1 zugrunde liegende Durchschnittspreiserhöhung von DM 6.- je Tonne beträgt nur DM 4.50 je Tonne. Der Bundesminister für Wirtschaft wird ermächtigt, die in der Tabelle des § 1 aufgeführten Einzelpreise entsprechend abzuändern. Dabei ist von einem Koksfeinkohlenpreis von DM 37.50 je Tonne, von einem Stückkohlenpreis von DM 40.- je Tonne und von einem
Hochofenkokspreis von DM 48.- je Tonne auszugehen.
Dieser Änderungsantrag - Umdruck Nr. 31 - entspricht zwar nicht dem letzten Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik dieses Hohen Hauses. Da ich aber erkannt habe, daß in diesem Haus für diesen Antrag keine Mehrheit zu erreichen sein wird, bin ich bereit, auf den Preis von 4,50 DM zu gehen und außerdem die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu ziehen. 4,50 DM ist ja ein Durchschnittspreis. In der Tabelle, die Ihnen in der entscheidenden Drucksache vorliegt, sind die Preise, die zu dem damals gedachten Durchschnittspreis von 6 DM führen, gestaffelt. Es muß also eine entsprechende Änderung stattfinden. Dabei ist zu beachten, daß in dieser Tabelle sogenannte Eckpreise vorgesehen sind. Ein solcher Eckpreis ist der Preis für Stückkohle von 40 DM und außerdem der Koksfeinkohlenpreis und der Hochofenkokspreis. Die von mir jetzt beantragten Änderungen der Eckpreise bedeuten für den Hochofenkokspreis 6 DM je Tonne und bedeuten dementsprechend für den Koksfeinkohlenpreis 5,50 DM und für den Stückkohlenpreis 5 DM. Das sind die entsprechenden Relationen. Zur Begründung dieses Änderungsantrags werde ich die notwendigen Ausführungen gleich im Zusammenhang mit dem zweiten Änderungsantrag machen.
Der zweite Änderungsantrag, der gestellt wird - Umdruck Nr. 32 -, sieht in § 1 vor:
1. Die Preise für Walzwerksfertigerzeugnisse dürfen um 18 DM je Tonne im Durchschnitt aller Sorten erhöht werden.
Ich ändere diesen Antrag dahin, daß statt „18 DM" „16,50 DM" einzusetzen sind. Das ist die notwendige Konsequenz, die sich aus der Verbilligung des Hochofenkokspreises ergibt und die in den Anträgen eine entsprechende Berücksichtigung finden muß.
Meine Damen und Herren! Das Thema, das heute hier zur Behandlung steht, ist von größter Wichtigkeit, und ich glaube, wir sollten, wenn wir unserer Demokratie einen Dienst erweisen wollen, dieses Thema sehr sachlich und sehr nüchtern behandeln. Wenn wir soeben vom Herrn Kollegen Harig gehört haben, diese ganzen Preiserhöhungsanträge hätten keinen anderen Sinn als den, den Großmagnaten an Rhein und Ruhr erhöhten Gewinn zuzuschanzen, dann kann man eine solche Bemerkung ja schon deswegen nicht ernst nehmen, weil Herr Harig ganz genau weiß, daß die gesamten Kohlenbergwerke seit langer Zeit beschlagnahmt sind
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und die Eigentümer überhaupt nichts mehr zu sagen haben. Herr Kollege Harig weiß ganz genau, daß die Verwaltung der Kohlenzechen unter der Combined Coal Group erfolgt, und zwar durch die Deutsche Kohlenbergbauleitung, in die die deutschen Gewerkschaften zur entsprechenden Kontrolle gebührend eingebaut sind. Es kann sich also gar nicht um die Bereicherung der bestimmten Personengruppe, die hier angegriffen worden ist, handeln.
Ich möchte nun auch darauf hinweisen, daß ich es persönlich nicht verstehen würde, wenn man hier sagte, daß irgendein System - sagen wir, das System der Marktwirtschaft - versagt hätte; denn gerade der Raum, der hier zur Diskussion steht, unterliegt ja von vornherein nicht den Gesetzen der Marktwirtschaft, sondern der Kohlenpreis ist von vornherein gebunden gewesen.
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Wir haben - wenn auch vorübergehend, weil nicht entsprechender Absatz da war, irgendwelche Lenkung nicht nötig war - in dem Augenblick, als ein Engpaß auftrat, in der Person des Herrn Dr. Sogemeier gleich Maßnahmen zur Lenkung ergriffen in der Erkenntnis der Tatsache, daß marktwirtschaftliche Grundsätze dort nicht durchzuführen sind, wo ein Markt überhaupt nicht besteht.
Das vorausgeschickt, meine Damen und Herren, dreht es sich meines Erachtens um folgendes Problem. Die Kohle ist ein wesentlicher Grundstoff für die gesamte deutsche Produktion. Dieser Grundstoff muß in genügender Menge vorhanden sein, dazu gehören Menschen. Die Schwierigkeit ist aber die, daß wir im deutschen Kohlenbergbau nicht genügend Menschen haben, welche dieses Handwerk gelernt haben. Von 300 000 unter Tage beschäftigten Bergleuten sind insgesamt 140 000 neu angelegt worden. Diese 140 000 neu angelegten Menschen haben naturgemäß nicht die handwerkliche Fertigkeit, die der gelernte Bergmann hat. Es wäre ein gefährlicher Irrtum, zu glauben, daß der Bergmann im wesentlichen ein ungelernter Arbeiter sei. An seine handwerkliche Fähigkeit werden sehr viel höhere Anforderungen gestellt als an die der meisten anderen handwerklichen Berufe. Wenn also 140 000 Menschen zusätzlich angelegt sind, dann führt das dazu, daß die Förderungsleistung nicht so mitkommt, wie das z. B. in anderen Industriezweigen der Fall ist. Wir haben in der deutschen Volkswirtschaft im Augenblick eine Leistung pro Mann und Schicht von 95,3 %; im deutschen Kohlenbergbau liegt sie aus diesen und anderen Gründen zur Zeit nur bei 72 %.
Wenn ich Ihnen weiter sage, daß von den 300 000 unter Tage angelegten Menschen zur Zeit noch 45 000 gar keine eigene Wohnung haben und von ihren Familien getrennt sind, wodurch sich Sonntagsbesuche mit zwangsläufigen Fehlschichten ergeben, dann möge Ihnen das auch eine Erklärung für die Schwierigkeiten sein, die hier bestehen.
Es war nun, um den Bergbau aktiv zu machen, den Bergleuten versprochen worden, daß sie in der Bezahlung an der Spitze der deutschen Industriearbeiter liegen sollten. Durch Entwicklungen auf dem Lohnmarkt, auf die ich im einzelnen nicht eingehen will, war es dazu gekommen, daß sie zuletzt nicht mehr an der Spitze lagen, und die ursprüngliche Absicht der Bergarbeitergewerkschaft, die Tarife nicht zu kündigen, war angesichts anderer Vorkommnisse, welche die Bergarbeiterlöhne zurückschwimmen ließen, nicht durchzuführen, so daß schließlich die Tarife gekündigt wurden. Man war dann in neue Verhandlungen getreten und hatte schließlich eine zehnprozentige Lohnerhöhung zugebilligt. Diese zehnprozentige Lohnerhöhung, niedergelegt im Abkommen vom 26. Oktober 1950, war zwischen der Kohlenbergbauleitung einerseits und der Industriegewerkschaft Bergbau andererseits vereinbart worden. Es war vorgesehen, daß das Abkommen nur dann Geltung haben sollte, wenn die zuständigen Instanzen das sind die Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat - entsprechende wirtschaftliche Maßnahmen treffen würden. Entsprechende wirtschaftliche Maßnahmen heißt, „daß die Lohnerhöhung in entsprechendem Maße durch Preiserhöhungen abgewälzt wird". Im Abkommen vom 26. Oktober 1950 heißt es deswegen wörtlich: „Daß ab 1. 11. 50 die Bundesregierung durch geeignete wirtschaftliche Maßnahmen die Durchführung ermöglicht, ist, Voraussetzung für diese Tarifvereinbarung".
Ich bemerke ausdrücklich, daß diese zehnprozentige Tariferhöhung nicht in eine Relation zu einer Steigerungsleistung gesetzt war; eine Erhöhung der Steigerungsleistung war also nicht Voraussetzung für diese zehnprozentige Lohnerhöhung.
Da wir im Zusammenhang mit den durch den Koreakonflikt entstandenen Verhältnissen auf dem Weltmarkt usw. etwa ab September in die Situation gekommen waren, daß unsere Haldenbestände von fast 21/2 Millionen Tonnen Kohle abgefahren wurden und wir in einen Kohlenengpaß gerieten, war es darüber hinaus notwendig, Vereinbarungen zu treffen, welche dazu führen sollten, die Kohlenförderung zu steigern und auf diese Art und Weise als Beitrag der Kohlenwirtschaft, also Industrie und Arbeiterschaft, zu erreichen, daß die übrige deutsche Volkswirtschaft nicht zurückfallen würde und daß die erforderlichen Kohlen möglichst vorhanden seien. Deswegen hat eine Besprechung unter Vorsitz des Herrn Bundeswirtschaftsministers stattgefunden, bei der die Industriegewerkschaft Bergbau auf der einen Seite und die deutsche Kohlenbergbauleitung auf der andern Seite zugezogen war. Hier ist dann am 9. November 1950 ein Abkommen getroffen worden, in dem es im Eingang ausdrücklich heißt:
Zur Behebung der derzeitigen Schwierigkeiten in der Kohlenversorgung im Bundesgebiet, insbesondere zur Vermeidung drohender Stilllegung von zahlreichen Betrieben und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit ist in einer Verhandlung am 9. November 1950 unter Vorsitz des Bundesministers für Wirtschaft zwischen der IG-Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung eine grundsätzliche Verständigung über eine Reihe von Maßnahmen erzielt worden.
Dieses Abkommen bezweckte folgendes. Mit den Mitteln, die vorhanden waren, und mit der Anzahl Bergleute, die vorhanden war, sollte eine Steigerung der Produktion erreicht werden, und zwar zunächst dadurch, daß im Steinkohlenbergbau monatlich zusätzliche Schichten an zwei Arbeitstagen in regelmäßiger Mehrarbeit gefahren würden. Weiter sollte für diese Mehrarbeit eine fünfzigprozentige Lohnerhöhung gewährt werden, und soweit diese Mehrarbeit in Sonntagsschichten gefahren wurde, sollte noch eine weitere fünfundzwanzigprozentige Lohnerhöhung eintreten. Schließlich sollte eine Anwesenheitsprämie von 3 % auf den Lohn für diejenigen Arbeiter gezahlt werden, welche alle angesetzten Schichten gefahren haben, und dann sollte noch ein besonderes Erfolgsanteilsystem ausgearbeitet werden, das ebenfalls die Förderungsleistung steigern sollte.
Das Ganze, meine Damen und Herren, war ein Abkommen, von dem diejenigen, die an ihm teilgenommen haben - und ich habe an ihm teilgenommen - insofern sehr beeindruckt waren, als nämlich, wenn ich das einmal so nennen darf, beide Sozialpartner in einem hohen Maße von Verantwortungsbewußtsein es auf sich genommen haben, auf der einen Seite durch Sonderschichten den Förderungsanteil zu erhöhen und auf der anderen Seite an diesem erhöhten Anteil die Bergarbeiter entsprechend teilnehmen zu lassen.
Es ist dann in Verfolg dieses Abkommens eine weitere Tarifvereinbarung vom 16. November 1950 getroffen worden. Wir haben die Hoffnung - und ich glaube, sie wird sich erfüllen -, daß der Weg,
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den wir beschritten haben, einen Teil der vorhandenen Probleme insofern löst, als mit den vorhandenen Mitteln und Arbeitskräften eine sehr wesentliche Förderungssteigerung erreicht und so ein erheblicher Teil des Engpasses beseitigt werden kann. Ich glaube nicht, um das hier an dieser Stelle zu sagen, daß der ganze Engpaß beseitigt werden kann; und wir müssen und dürfen von der Hohen Kommission, von den Alliierten erwarten, daß sie ihre - ich will es einmal so nennen - Überforderungen an auszuführender Kohle so weit einschränken, wie das notwendig ist, um unsere deutschen Menschen nicht ins Hintertreffen geraten und einen Teil unserer Wirtschaft teilweise zum Erliegen kommen zu lassen, wie das sonst eintreten könnte. Das ist das entscheidende Problem.
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Nun, meine Damen und Herren, habe ich Ihnen gesagt, wir haben Abkommen getroffen, und diese Abkommen kosten natürlich etwas; und zwar sind hier folgende Preise zu sehen.
Die zehnprozentige Lohnerhöhung, die primär vereinbart worden ist, hat nach den Rechnungen, die uns vorgelegt worden sind, im Durchschnittsverfahren eine Erhöhung von 1,76 DM pro Tonne an Unkosten eingeschlossen. Die dreiprozentige Lohnerhöhung als Anwesenheitsprämie bedeutet eine Erhöhung von 0,36 DM, die Sonderschichten im allgemeinen mit der fünfzigprozentigen Lohnerhöhung - immer pro Tonne im Durchschnittsverfahren gerechnet - 44 Pfennig und die Sonntagsschichten noch einmal einen Zuschlag von 10%; das macht zusammen 2,66 DM. Wenn der Herr Kollege Harig hier gesagt hat: Wenn die Löhne also nur 2,66 DM bedingen, warum verlangt ihr dann 4,50 DM?, dann ist dazu doch folgendes zu sagen, - was nebenbei bemerkt der Herr Kollege Harig natürlich ganz genau weiß; denn er ist ja Sachverständiger.
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- Doch, er war sogar einmal da, das weiß ich.
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Meine Damen und Herren, wir müssen folgendes sehen. Die Förderung, die im deutschen Ruhrkohlenbergbau, im Aachener Bergbau usw. herausgebracht wird, wird ja nicht in voller Höhe verkauft. Herausgebracht wird etwas, was man verwertbare Förderung nennt. Von dieser verwertbaren Förderung werden nur 75,9 % verkauft. Die verbleibenden 24,1 % sind wie folgt aufzuschlüsseln. Zunächst hat der Kohlenbergbau einen Eigenverbrauch. Dieser Eigenverbrauch beträgt 11 %. Dann werden an den deutschen Bergmann von alters her Deputate geliefert, die nicht bezahlt werden. Diese Deputate betragen 2 %. Der restliche Betrag ergibt sich durch Gewichtsverluste, die dadurch entstehen, daß an Stelle von Kohle Koks verkauft wird. 24,1 % also werden weniger verkauft, als die verwertbare Förderung beträgt.
Der Verkauf erstreckt sich nun nicht nur in das Inland, sondern auch in das Ausland. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß die Auslandspreise bisher bereits wesentlich höher gelegen haben als die Inlandspreise. Wenn wir also jetzt eine Erhöhung von 4,50 DM vorschlagen, dann ist diese Erhöhung praktisch nur auf dem Inlandsmarkt zu erreichen, weil der Auslandsmarkt bereits um 5,15 DM insgesamt über dem bisherigen Satz liegt. Der Inlandsabsatz beträgt aber nur 55,6 %. Wir müssen also erkennen, daß die Lohnerhöhungen von der Kohle hereingebracht werden müssen, die im Inland verkauft werden kann. Das ist etwas mehr als die Hälfte. Im Umrechnungsverfahren auf diese im Inland abzusetzende Kohle betragen die Mehrkosten von 2,66 DM, die sich aus der Lohnerhöhung ergeben, auf diese verringerte Menge von insgesamt 55 % rund 5 DM.
Wir haben nun bei unseren Untersuchungen im wirtschaftspolitischen Ausschuß festgestellt, daß in dieser ganzen Summe, die da zur Diskussion stand, noch rund 2 Millionen Tonnen zur Selbstversorgung der Kohlenwirtschaft zusätzlich enthalten waren, die, umgelegt auf die Tonne Kohle zugunsten der Wirtschaft, 17 Pfennig betragen würden. Diese 17 Pfennig muß man von 5 DM absetzen, bleiben 4,83 DM.
Nun ist ausgeführt worden, daß die erhöhte Kohlenförderung ja insofern kostendegressiv wirke, als sich bei einer Steigerung der Förderung die Generalien nicht ohne weiteres erhöhen und eine gewisse Beschränkung der Generalien eintritt. Es waren außerdem Bedenken erhoben worden, ob die zehnprozentige Lohnerhöhung tatsächlich 1,76 DM beinhalte. Um das, was da nun in den kalkulatorischen Durchschnittsrechnungen als Auffangmöglichkeiten enthalten war, noch irgendwie mit abzusetzen, ist der wirtschaftspolitische Ausschuß in der ersten Sitzung auf 4,50 DM gekommen.
Der Ausschuß des Bundesrates hat nachher in einer erneuten Nachrechnung 4,87 DM gesagt. Wir haben uns in der zweiten Sitzung dann wieder auf 4,80 DM geeinigt. Aber wenn ich heute in meinem Antrag 4,50 DM beantrage, brauche ich die Problematik, die in diesen Dingen steckt, nicht besonders vorzutragen. Ich glaube, 4,50 DM ist derjenige Betrag, der politisch erreichbar ist und den - und das scheint mir unbestreitbar zu sein -die im Inland abzusetzende Kohle für die Aufbringung der Lohnerhöhung notwendigerweise aufzubringen hat.
Die Frage ist nun: Ist die Kohlenwirtschaft als solche in der Lage, diese 4,50 DM aus ihren bisherigen Erträgnissen zusätzlich zu verkraften? Wir haben nach sehr eingehenden Untersuchungen f est-gestellt, daß das unserer Ansicht nach nicht der Fall sein kann. Es ist über die Ertragslage im Kohlenbergbau ein großes Enquetegutachten gemacht worden, welches auf September 1948 abstellte. Damals ist festgestellt worden, daß der gesamte Bergbau pro Tonne Kohle mit einem Unterschuß von 3,70 DM arbeitet. Diese damaligen Errechnungen sind nun vom Bundeswirtschaftsministerium und auch von der Kohlenbergbauleitung weitergeführt worden. Die Kohlenbergbauleitung hat uns in ihrer Standardrechnung eingehende Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß auch sie heute noch hier in diesem Punkt auf 3,70 DM Unterschuß kommt. Sie ist allerdings der Meinung, daß außerdem noch 1,18 DM für Abschreibungen im Kapitaldienst erforderlich seien. Das Bundeswirtschaftsministerium hat seinerseits die Zahlen weitergeführt, untersucht und festgestellt, daß, auf das Erträgnis des ersten Quartals 1950 umgerechnet, sich auch bei dieser Untersuchung immer noch ein Mindererlös von 1,34 DM ergäbe und, wenn man den gesamten Bergbau der Nordgruppe nimmt, sogar von 1,70 DM. Es ist also festzustellen, daß man auch bei diesen Untersuchungen - man mag die Dinge drehen und wenden, wie immer man will - dazu kommt, daß
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unsere deutsche Kohlenwirtschaft im Augenblick mit einem Unterschuß von 1,70 DM arbeitet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine kleine Abweichung. Ich sehe in dieser Tatsache einen sehr großen Gegenstand unserer Sorge. Wir arbeiten doch praktisch seit 1939 im Bergbau im Raubbauverfahren, indem wir weitgehend die besten Flöze abbauen und schwierige Stellen und Flöze umfahren. Wir müssen, um auf die Dauer zu entsprechenden Leistungen in der Kohlenwirtschaft zu kommen, eine große Menge Schachtanlagen niederbringen. Im Augenblick werden im gesamten Ruhrgebiet Schachtanlagen im wesentlichen überhaupt nicht niedergebracht. Nur ganz vereinzelt werden Schachtanlagen auf bereits angeritzten Feldern niedergebracht. Es ist vorgesehen, insgesamt 25 Anlagen niederzubringen. Wenn wir die für diese Dinge notwendigen Kapitalien nicht aufbringen, kommen wir - vielleicht nicht von heute auf morgen, aber doch später - in eine schwierige Lage. Aber seien wir uns darüber klar: eine Kapitalinvestition im Bergbau ist nicht von heute auf morgen in ein Ergebnis umzudeuten, weil man im Bergbau immer nur beim Schacht - also an einer Ecke - anfangen kann und nicht wie bei einer Fabrik vielleicht an zehn Stellen. Wenn wir aber auch bei sehr gewissenhafter Untersuchung sowohl im Wirtschaftspolitischen Ausschuß als auch im Bundeswirtschaftsministerium - aufbauend auf das damalige Enquetegutachten - feststellen, daß im gesamten deutschen Kohlenbergbau mit Unterschuß gefahren wird, kann man nicht auf die Idee kommen, diese mindestens 4,50 DM, die ich eben errechnet habe, noch auf 'die Wirtschaft umzulegen. Aus diesem Grunde muß ich also für mich und auch für meine Freunde die Frage verneinen, ob diese notwendige Lohnerhöhung im Bergbau selbst verkraftet werden könnte. So bin ich zu dem Antrag gekommen, den ich Ihnen hier vorgelesen habe.
Was die Stahlseite anlangt, so muß folgendes gesehen werden. Die durch die Korea-Ereignisse bedingten Verhältnisse haben sehr bald zu einer Erschwernis in der Beschaffung von Erzen geführt. Eisen kann nicht ohne Erz hergestellt werden. Wir brauchen Auslandserze. Die Erzpreise sind wesentlich gestiegen. Außerdem war auf dem deutschen Markt eine sehr große Schrottverknappung eingetreten. Der deutsche Schrottpreis, der bei etwa 72 lag, lag bei einem Schrottpreis auf dem internationalen Markt, ich glaube, von 130 DM wesentlich unter dem internationalen Preis. Auch der deutsche Schrottmarkt war nicht mehr ergiebig. Aus diesem und noch einem anderen Grunde wurde es nötig, die Schrottherstellung bzw. Schrottbeibringung - das ist der richtige Ausdruck - zu vergrößern. In einer eingehenden Verhandlung, bei ,der ich zugegen war, ist man zu dem Ergebnis gekommen, vorübergehend - d. h. bis zum 31. März 1951 - eine Schrottpreiserhöhung um 19 DM zu bewilligen, die aber nicht dem Handel zugute kommen soll, wenigstens nicht dem Großhandel, sondern die dazu dienen soll, draußen bei den vielen - etwa 5 000 - kleinen Schrottsammelstellen durch eine Preiserhöhung einen größeren Schrottanfall zu ermöglichen. Diese Erhöhung um 19 DM ist, wie gesagt, zeitbedingt und bis zum 31. März begrenzt.
Aus diesem Grunde war aber nun hier für die Eisenherstellung ein zweiter Unkosten erhöhender Faktor gegeben. Die Kohlenpreiserhöhung bedeutet eine Erhöhung für den Hochofenkoks von 6,- DM. Alle diese Preiserhöhungen bedeuten, daß auch der Preis für Stahlstabeisen höher werden muß, und zwar um 26,50 DM; dabei sind 10 DM von der Schrottpreiserhöhung abhängig - diese Erhöhung um 10 DM ist temporär -, die restlichen 16,50 DM sind echte Eisenpreiserhöhung. Weil die Schrottpreiserhöhung bis zum 31. März 1951 begrenzt ist, weil außerdem weitere Ermittlungen über die Ertragslage des Bergbaues laufen, haben beide Anträge den Grenztermin des 31. März 1951, d. h. wir wollen erst einmal über die nächsten Wintermonate hinwegkommen. Inzwischen sollen sehr genaue Unterlagen beigebracht werden, damit festgestellt werden kann, ob die heute von uns zu treffende Entscheidung wirklich richtig ist. Diese Erhöhung soll also nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, damit das Hohe Haus sich dann erneut mit diesen Dingen beschäftigen kann.
Ich darf abschließend noch darauf aufmerksam machen, daß bei der Kohlenpreiserhöhung gerade auf den sogenannten kleinen Mann besondere Rücksicht genommen worden ist. Die Kohlenpreiserhöhung ist am niedrigsten - sie ist ja gestaffelt - bei den Positionen, welche die Hausbrandversorgung und Kleingewerbetreibende betreffen. Beim Braunkohlenbrikettpreis tritt überhaupt keine Erhöhung ein, im übrigen eine von zwei und vier Mark und beim Stückkohlenpreis von nur drei Mark die Tonne. Das sind also zehn, fünfzehn und zwanzig Pfennig für den Zentner.
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir sind hier vor die Notwendigkeit gestellt, die Erhöhungen, die ich Ihnen eben begründet habe - die auf den Lohnerhöhungen beruhen, wie sie mit den Gewerkschaften abgesprochen sind -, in der von mir vorgeschlagenen Weise abzuwälzen. Ich bitte daher, die Änderungsanträge im Zusammenhang mit dem Gesamtantrag der Bundesregierung anzunehmen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer mit der gebotenen Objektivität an den Verhandlungen im Wirtschaftsausschuß über die Erhöhung des Kohlen- und Stahlpreises teilgenommen hat, wird mir bestätigen müssen, daß die Beschlüsse dieses Ausschusses nicht auf Grund sorgfältiger Prüfungen gefaßt werden konnten, sondern daß die vorgeschlagenen Preise mehr oder minder über den Daumen gepeilt werden mußten. Sie mußten über den Daumen gepeilt werden, weil die von der Verwaltung vorgelegten Unterlagen nicht nur völlig unzureichend waren, sondern weil sie sich auch bei einer genaueren Durchleuchtung als nicht stichhaltig erwiesen. Aus diesen nicht stichhaltigen Unterlagen ergeben sich auch die stark voneinander abweichenden Vorstellungen über den Umfang der Preiserhöhungen.
Die Deutsche Kohlenbergbauleitung hatte eine Preiserhöhung von etwa 12,50 DM je Tonne Inlandsabsatz gefordert. Das Bundeswirtschaftsministerium hat diesen Preisvorschlag ermäßigt auf 6 DM die Tonne. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages hat sich dann auf 4,50 DM je Tonne herunter-„gepeilt". Der Fachausschuß des Bundesrats ist auf Grund wiederum anderer Berechnungen auf 4,87 DM gekommen. Daraufhin hat sich der wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestags erneut mit dieser Frage beschäftigt,
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seinen Beschluß umgestoßen und die Erhöhung von 4,50 DM auf 4,80 DM festgesetzt. Neuerdings wird wieder ein Preis von 4,50 DM vorgeschlagen.
Wenn wir uns diese Bewegung in Form einer Kurve vorstellen, dann ergibt sich: von 12,50 DM ist man auf 6 DM, auf 4,50 DM heruntergegangen, hat auf 4,87 DM erhöht, hat auf 4,80 DM und dann schließlich auf 4,50 DM abgesenkt. Das ist doch eine ziemlich bizarr verlaufende Preiserhöhungskurve.
Ähnlich lagen die Verhältnisse bei den Stahlpreisen. Die Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie hatte zunächst eine Erhöhung des Preises für Walzwerkerzeugnisse um 38,85 DM je Tonne verlangt. Das Bundeswirtschaftsministerium ermäßigte diese Erhöhung auf 30 DM je Tonne. Der wirtschaftspolitische Ausschuß peilte sich auf 26,50 DM herunter, und der Fachausschuß des Bundesrates ermittelte 28 plus 2, also 30 DM. Der wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages ging jetzt wiederum von seinem ursprünglichen Entschluß ab und erhöhte auf . 28 plus 2, also auf 30 DM. Hier haben wir eine ähnliche bizarr verlaufende Preiskurve von 38,85, herunter auf 30 DM, auf 26,50 DM, wieder erhöht auf 28 bzw. 30 DM und dann wieder angepaßt auf 28 DM.
Diese außerordentlich bizarren Preiserhöhungskurven scheinen mir ein schlüssiger Beweis dafür zu sein, daß der Bundestag Hals über Kopf eine Preiserhöhung beschließen soll, deren Höhe und Notwendigkeit aus dem vorgelegten dürftigen und nicht stichhaltigen Zahlenmaterial keineswegs zu begründen ist. Wenn den Vorschlägen des wirtschaftspolitischen Ausschusses stattgegeben werden sollte, dann sind für Kohle und Stahl Preiserhöhungen im Betrage von mindestens 600 Millionen DM jährlich erforderlich, und ich muß hier schon in aller Öffentlichkeit feststellen, laß derartige Preiserhöhungen von der Verwaltung -entschuldigen Sie bitte den etwas harten Ausdruck! - mit einer Oberflächlichkeit begründet werden, die einfach nicht tragbar ist. Leider erlaubt mir die Kürze meiner Redezeit nicht, auf Einzelheiten einzugehen. Auf verschiedene Tatbestände werde ich mir aber im Laufe meiner weiteren Ausführungen zurückzukommen erlauben.
Genau so, wie es mir erforderlich erschien, darauf hinzuweisen, daß das -vorgelegte Zahlenmaterial die Notwendigkeit und die Höhe der Preissteigerung nicht schlüssig beweist, scheint es mir notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Kostenverteuerungen im Kohlenbergbau zu einem wesentlichen Teil darauf zurückzuführen sind, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister unseren wertvollen Rohstoff Kohle in einer nicht zu verantwortenden Weise in den Dienst seiner Politik der freien Wirtschaft einbezogen hat.
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Mein Parteifreund Dr. Koch hat in der Aussprache über die Kohlenversorgungslage schon eindrucksvoll darauf hingewiesen, daß man in diesem Sommer im Ruhrgebiet geradezu von einer Kohlenschwemme sprechen konnte und daß erhebliche Mengen auf Halde genommen werden mußten. Dann kam die Koreakrise. Sie führte zu den bekannten konjunkturellen Belebungen. Alle Länder deckten sich damals mit Kohle ein und trieben eine Kohlenvorratswirtschaft. Der Herr Bundeswirtschaftsminister machte genau das Gegenteil. Um aus der durch die Liberalisierung des Außenhandels entstandenen Dollarklemme herauszukommen, wurden Kohlen exportiert und unsere Haldenbestände geräumt.
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Ohne wesentliche Vorräte sind wir in die Herbstsaison mit einem gesteigerten Kohlebedarf hineingegangen. So kam zu der n i c h t behobenen Dollarklemme jetzt noch die Kohlenversorgungskrise. Um diese Krise zu beseitigen, muß der Kumpel Sonderschichten verfahren, und durch diese Sonderschichten entsteht ein Teil der Mehrkosten, der jetzt von dem Verbraucher bezahlt werden soll.
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Im übrigen dürfen wir bei dieser Gelegenheit erneut feststellen, daß nicht die Lohnerhöhung im Bergbau die Ursache der Kostenerhöhung ist, sondern daß die Lohnerhöhung zwangsläufig bedingt ist durch Preisauftriebstendenzen, die sich aus der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ergeben.
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Wir sind der Meinung, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Sie die neuen Preiserhöhungen zu einem Zeitpunkt ankurbeln, der für die gesamte Preisbewegung psychologisch außerordentlich gefährlich ist. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Bundesregierung es sich nicht hat nehmen lassen, auch in diesem Falle der Beschlußfassung des Bundestages vorzugreifen. Sowohl der Herr Vizekanzler als auch der Herr Bundeswirtschaftsminister haben seit Wochen in ihren Reden die Kohlenpreiserhöhung verbindlich in Aussicht gestellt, und ich bin der Meinung, daß ihre Mitteilungsfreudigkeit mit dazu beigetragen hat, daß die Kohlen zurückgehalten werden und daß einer Hortungspolitik wieder Tür und Tor geöffnet wird. Die Folge dieser Hortungspolitik ist, daß der Hausbrand und die Industrie seit etwa drei Wochen nicht mehr beliefert werden und daß sich daraus unerträgliche Spannungen im Wirtschaftsleben ergeben.
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So treffen in diesem psychologisch gefährlichen Zeitpunkt mit der nervösen Zuspitzung des Marktes nicht nur die verteuerten Importe, nicht nur die beabsichtigten Tariferhöhungen der Bundesbahn und die geplanten Preiserhöhungen für Treibstoff aufeinander, sondern es gesellen sich dazu die wesentlich höheren Kohlen- und Stahlpreise. Ich glaube, es sollte für jeden Einsichtigen klar sein, daß aus einer so spannungsgeladenen Atmosphäre sich eine Preisbewegung entwickeln muß, die in steigendem Maße quer durch das gesamte Wirtschaftsleben laufen wird. Heute schon liegen die Verordnungen für eine Erhöhung der Preise für Gas und Strom fix und fertig im Tischkasten des Herrn Bundeswirtschaftsministers.
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Es ist nach meiner Auffassung als geradezu weltfremd zu bezeichnen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister in einer seiner vielen Tabellen den Nachweis zu führen versucht, daß die Kohlenpreiserhöhunginsgesamt nur eine Verteuerung von 0,62 % ausmacht. Ich möchte die Fehlerhaftigkeit dieser Theorie schon auf der ersten Fertigungsstufe nachweisen.
Nach einer Faustregel in der Stahlindustrie braucht man für eine Tonne Walzwerkserzeugnisse drei Tonnen Kohle. Wenn sich der Preis für die Tonne Kohle um 4,80 DM erhöht, dann ergibt das eine Weitergabe der Verteuerung um 14,40 DM.
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Der Stahlpreis wird aber um 30 DM, d. h. auf das Doppelte erhöht. Wenn wir von der prozentualen Erhöhung ausgehen, dann ergibt sich nach der Tabelle des Herrn Bundeswirtschaftsministers eine Steigerung von 3,27 0/o, während die effektive Steigerung durch die Stahlpreiserhöhung etwa 10 °/o, d. h. mehr als das Dreifache davon ausmacht. Und so wie das in der ersten Verarbeitungsstufe der Fall ist, so wird sich das in den anderen, weiteren Verarbeitungsstufen noch verstärkt fortsetzen.
Ich glaube, daß sich hier eine Preiswelle ergeben wird, die zu einer wesentlichen Verteuerung besonders der letzten Bedarfsgüter führen muß. Steigende Preise bedeuten eine Verminderung des Reallohns. Die beabsichtigten Preiserhöhungenmeine Damen und Herren, das möchte ich besonders den Gewerkschaftskollegen der Koalitionsparteien sagen -, diese beabsichtigten Kohlenpreiserhöhungen werden einen erheblichen Prozentsatz all der Lohnerhöhungen und all der Rentenverbesserungen, die wir im letzten Jahr durchsetzen konnten, illusorisch machen.
({8})
Angesichts dieser gefährlich psychologischen Momente warnen wir mit allem Nachdruck vor der Erhöhung der Grundstoffpreise in diesem Zeitpunkt.
Man kann uns entgegenhalten, daß die Erhöhung der Bergarbeiterlöhne in irgendeiner Weise verkraftet werden muß.
({9})
Es ist uns auch bekannt, Herr Kollege Preusker, daß es eine Reihe von Zechen gibt, die unrentabel arbeiten. Es ist uns aber auch bekannt, daß Vorschläge über eine Neuordnung der Kohlewirtschaft seit Monaten fertiggestellt sind. Wir möchten bei dieser Gelegenheit den Herrn Bundeswirtschaftsminister dringend bitten, daß er sich mit aller Energie für eine Realisierung dieser Vorschläge einsetzt, denn er wird dabei erfahren können, daß sich aus der Neuordnung des Kohlenbergbaus eine erhebliche Verbesserung gegenüber der heute bestehenden Verlustwirtschaft ergeben wird.
({10})
- Wir wissen auch, daß eine Reihe von Vereinfachungsmaßnahmen möglich sind, und das wird, glaube ich, nicht bestritten werden können.
({11})
Wir wissen auch, daß ein erheblicher Teil der Zechenbetriebe investitionsbedürftig ist. Wir haben auf die Notwendigkeit dieser Investitionen seit Jahr und Tag immer wieder hingewiesen und die Bereitstellung von Mitteln für die Grundstoffindustrien verlangt. Wir erheben auch heute erneut die Forderung, Investitionskredite für den Bergbau vorzusehen,
({12})
und wir möchten darum bitten, daß
({13})
bei der Vergebung der ECA-Mittel auch der Bergbau berücksichtigt wird. Wenn Sie fragen: „Woher?", dann ein kurzer Hinweis: Versuchen Sie bitte etwas konsequenter die Steuern einzuziehen, dann werden sie beträchtliche Mittel zur Verfügung haben.
Meine Damen und Herren! Aus den dargelegten Gründen: wegen der völlig unzureichenden und nicht stichhaltigen zahlenmäßigen Unterlagen, der psychologisch gefährlichen Wahl des Zeitpunktes der Preiserhöhung, der Möglichkeiten einer Verlustminderung durch eine Neuordnung der Kohlewirtschaft sehen wir uns veranlaßt, im gegenwärtigen Zeitpunkt eine Erhöhung der Kohlenpreise in dem vorgeschlagenen Umfange abzulehnen. Wir wünschen eine Gesundung des Bergbaus, aber wir wünschen, daß eine solche Gesundung durch eine vernünftige Neuordnungs- und Planungspolitik erreicht wird und daß sie nicht ausschließlich auf dem Rücken der Verbraucher zum Schaden der Gesamtwirtschaft durchgeführt wird.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute im Bundestag vor einer so schwerwiegenden Entscheidung stehen, wie sie die Erhöhung von Kohle- und Stahlpreisen bedeutet, dann ist es nach unserer Auffassung unsere Pflicht, die Gründe, die unsere Entscheidung unabweisbar gemacht haben, vor dem deutschen Volke darzulegen.
Ich habe mich darüber gefreut, daß der Vertreter der SPD in seinen Ausführungen doch schon einen erheblich . größeren Grad von Sachlichkeit in der Behandlung dieses Problems an den Tag gelegt hat, als das leider in den vergangenen Wochen und insbesondere in den Wahlkämpfen der Fall gewesen ist.
({0})
Meine Herren, auch hier in Bonn hängen jetzt die Plakate: „Keine Kohlen im Keller? Bedankt euch bei Professor Erhard und bei der sozialen Marktwirtschaft"! Meine Herren von der SPD, Sie wissen ganz genau, daß es gerade auf dem Gebiet des Kohlenbergbaues nach wie vor keine Marktwirtschaft gibt, daß es gerade auf diesem Gebiet noch nicht einmal eine deutsche Verfügungsgewalt gibt,
({1})
sondern daß wir hier weitgehend ausländischen Befehlen und Eingriffen ausgesetzt sind.
({2})
Meine Herren, seien Sie doch erst einmal ruhig. Wir haben Sie ja ebensowenig unterbrochen.
({3})
Ich darf Ihnen nur einmal die einzelnen Punkte anführen, die Sie ja wohl nicht bestreiten können. Wenn von der Neuordnung des Kohlenbergbaues gesprochen worden ist: nach wie vor haben sich die Alliierten trotz aller deutschen Forderungen die Entscheidung darüber vorbehalten, wie die Kohle neu geordnet werden soll. Wir haben ja in den vergangenen fünf Jahren gar nicht die Möglichkeit gehabt, das zu tun.
({4})
Zum zweiten: Auch Sie wissen genau so gut, daß die Frage des mehr oder weniger großen deutschen Kohlenexports keine Angelegenheit der Liberalisierungspolitik ist, sondern daß im Jahre 1947 zwischen den damals noch einigen vier Alliierten eine sogenannte Moskauer Skala vereinbart wor({5})
den ist, nach der uns eine ganz bestimmte Zwangsauflage an Kohlenexport auferlegt worden ist.
({6})
Und Sie wissen auch ganz genau so gut, daß es immer noch über unserem Kohlenbergbau ein Ruhrstatut und eine Ruhrbehörde gibt, in der Deutschland
({7})
von 18 Stimmen nur über ganze 3 Stimmen verfügt.
({8})
Ich darf Sie auch noch auf eines hinweisen. Mit einer mit keinem Völkerrecht zu vereinbarenden Handlungsweise hat man die Saar von unserem Vaterlande abgetrennt
({9})
und hat uns die Verfügungsgewalt über diese Kohle genommen.
({10})
Meine Damen und Herren! Zwischenrufe sind ganz gut zur Würzung der Debatte. Aber Sprechchöre sind nun einmal in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Außerdem besteht die Kunst der parlamentarischen Tätigkeit auch einmal im Zuhören.
Meine Herren! Wenn Sie diese Tatsachen, die leider auf unserem Vaterlande lasten, bestreiten wollen, dann habe ich kein Verständnis dafür,
({0})
und ich möchte einmal sagen: Wenn es unter derartigen Beschränkungen unserer eigenen Verfügungsgewalt gelungen ist, zwischen 1947 und 1950 trotzdem unsere monatliche durchschnittliche Steinkohlenförderung von 5,9 Millionen Tonnen damals auf im Durchschnitt etwas über 9,3 Millionen Tonnen pro Monat jetzt zu erhöhen, dann ist gerade das ein besonders hoch zu wertender Erfolg der sozialen Marktwirtschaft, die sich unter diesen Erschwerungen hat durchsetzen können.
({1})
Nun ist die Situation da, die ja niemand ({2})
- Meine Herren, ich darf Sie doch nun auch wohl einmal bitten, hier zuzuhören; wir haben Ihnen ja auch zugehört.
({3})
- Wenn Sie die Wahrheit nicht hören wollen und sie als Unsinn bezeichnen, dann reden wir zwei verschiedene Sprachen.
({4})
Meine Herren! Ich weiß nicht, ob es notwendig ist, die Ausführungen des Redners ständig mit Unruhe zu begleiten. Das Wesen der Aussprache im Parlament besteht darin, daß eine Überzeugung ausgesprochen wird und daß die anderen sie nun anhören, ob sie ihnen gefällt oder nicht. Wir müssen auch anhören können.
({0})
Das Maß habe ich, glaube ich, in absolut sachlicher Weise eingehalten.
({0})
Ob das auch bei Ihnen immer der Fall gewesen ist, das steht wohl auf einem anderen Blatt.
({1})
- Herr Mellies, ich bitte! - Wir haben nun trotz dieser Steigerung der Produktion auf immerhin 9,3 Millionen Tonnen pro Monat eine Kohlenknappheit.
Das steht angesichts des Winters als eine große und schwere Sorge vor uns. Wenn wir nach den Gründen fragen - und das müssen wir auch noch einmal vor der Öffentlichkeit darlegen -, so finden wir drei; einmal, daß die allgemeine Beschäftigung und die Produktion im letzten Jahre erfreulicherweise wesentlich stärker angestiegen ist als in allen vorhergehenden Zeiträumen, daß dieses erfreuliche Ansteigen in der letzten Zeit aber infolge der Auswirkungen des Überfalls auf Korea eine nicht erwünschte Übersteigerung erfahren hat. So hat denn unsere gesamte industrielle Produktion um 33 % zugenommen, unsere Kohlenproduktion aber nur um 11%.
Trotzdem hätte die Kohlenförderung ausreichen können, um unseren Inlandsbedarf zu decken, wenn wir nicht die uns durch die Moskauer Skala auferlegten Exportverpflichtungen hatten. Sie wissen auch, daß von der Regierung. der Deutschen Bundesrepublik Anträge gestellt worden sind, die Exportquote zu verringern, und daß diese Bemühungen fortlaufend fortgesetzt werden. Es ist gerade auch unser Anliegen an die Bundesregierung, mit diesen Bemühungen unvermindert fortzufahren.
Nun zum dritten Grund. Da muß ich speziell etwas zum Herrn Kollegen Dr. Bleiß sagen. Er spielte auf das Thema der Preiserhöhungen an, die er als eine Folge der sozialen Marktwirtschaft bezeichnet hat. Herr Kollege Bleiß, Sie werden nicht bestreiten können, daß bis zum Ausbruch des Korea-Konflikts die Lebenshaltungskosten in Deutschland bei stetig steigender Produktion, ja bei einer mehr als verdoppelten Produktion, bei einer stetig steigenden Erhöhung der Leistungsfähigkeit um insgesamt zehn Punkte zurückgegangen sind. Man mag zu den Berechnungsgrundlagen der Lebenshaltungskosten stehen wie man will, auf alle Fälle sind sie nirgendwo gestiegen. Das ist, wenn man berücksichtigt, daß gleichzeitig eine durchschnittliche Erhöhung der Reallöhne um 50 % zu verzeichnen ist, wirklich eine ganz erhebliche Leistung, die ganz und gar nichts mit den von Dr. Bleiß dargestellten Dingen zu tun hat.
({2})
({3})
Ich darf noch das eine sagen - und auch das möchte ich gerade an Ihre Adresse richten, Herr Dr. Bleiß, denn Sie waren ja auch im Wirtschaftsrat -: hätte man damals vor der Währungsreform den Mut gehabt, alle in der deutschen Wirtschaft aus einer zehnjährigen Zwangswirtschaft übriggebliebenen Brüche in den Preisverhältnissen zwischen der Landwirtschaft, dem Kohlenbergbau und der gewerblichen Wirtschaft zu beseitigen - damals wäre es sehr einfach gewesen -, dann würde man heutzutage vor vielen der Schwierigkeiten, mit denen wir uns herumzuschlagen haben, nicht mehr stehen.
({4})
Wir haben es damals gewollt, und es war unter anderem Ihre Fraktion, die es verhindert hat.
Aber ich darf Ihnen sagen: wenn gerade in Anpassung an solche Disproportionalitäten die inländischen Getreidepreise im Juni nur z. T. an die viel höheren Weltmarktpreise herangeführt wurden, nämlich auf 32 DM, während die Weltmarktpreise nach wie vor 38 DM betragen, so geschah das dennoch unter Aufrechterhaltung des alten Brotpreises für das Konsumbrot.
({5})
Ich glaube, auch das können Sie nicht aus der Welt schaffen.
({6}) Erfreulicherweise - obwohl es uns devisenwirtschaftlich Schwierigkeiten macht - ist die Förderung des allgemeinen Wohlstandes und die Hebung der Kaufkraft schon so nachhaltig gewesen, daß dieses Konsumbrot nur zu einem ganz geringen Teil gekauft wird, daß der weitaus größte Teil Unseres Volkes es sich leisten kann, Weizenbrot zu kaufen. Genau so ist es eine unbestreitbare Tatsache, daß breite Schichten unserer Bevölkerung den Fleischverbrauch der Vorkriegszeit erreicht und den Zuckerverbrauch der Vorkriegszeit sogar schon wieder überschritten haben. Das sind doch wirklich Leistungen.
({7})
- Ich möchte Ihnen nur das eine sagen, Herr Mellies: Die große Not, die es zu beheben gilt und die wir gerade - wenn wir einmal an das Kriegsopferversorgungsgesetz zurückdenken ({8})
auf einigen Gebieten jetzt erfolgreich behoben haben, liegt gerade bei den Kriegsbeschädigten, bei den Rentenempfängern.
Ich meine, daß gerade der Zeitpunkt des Korea-Konfliktes der für unsere Volkswirtschaft bei weitem ungünstigste Zeitpunkt war und daß es auch angesichts der Ihnen soeben aufgezeichneten Entwicklung nicht die höchste Verantwortung beinhaltete, Streiks und Lohnkämpfe anzufangen.
({9})
Eines ist natürlich klar, und damit komme ich jetzt wieder auf den Zusammenhang, um den es hier geht. In dem Augenblick, in dem man den deutschen Bergbau durch die anderen Lohnsteigerungen von der Spitze der Lohnpyramide verdrängte, mußte das eintreten, was in dem Bericht der Deutschen Kohlenbergbauleitung dargelegt ist, daß bis Ende Oktober 5000 Arbeitskräfte aus dem
Bergbau wegwanderten und daß dadurch eine monatliche Förderminderung um rund 200 000 to eintrat.
Um den verhängnisvollen Folgen, die sich aus dieser Entwicklung ergeben haben, zu begegnen und die Kohlenförderung wieder zu steigern, damit dieser Schlüsselrohstoff unserer Volkswirtschaft alle Motoren, alle Fabriken in Gang halten kann und unsere Menschen nicht zu frieren brauchen, mußte der Bergarbeiterlohn wieder an die Spitze der Lohnpyramide kommen. Was hier in Vereinbarungen zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung niedergelegt ist, wird hoffentlich weiter den Erfolg haben, der bis jetzt bereits sichtbar geworden ist. Auf einmal ist die Förderung von vorher 360 000, 370 000, knapp 380 000 to verschiedentlich schon auf über 400 000 to pro Tag gekommen.
Ich glaube, ich darf es hier aussprechen, daß wir alle und mit uns das deutsche Volk den Bergleuten dafür dankbar sein dürfen, daß sie es bei ihrer schon so schweren und harten Arbeit auf sich genommen haben, bis zum 31. März noch zusätzlich zwei Sonder- und Feiertagsschichten im Monat zu verfahren.
({10})
In dieser Vereinbarung ist von beiden Partnern, der Gewerkschaft und der Kohlenbergbauleitung, von vornherein ausgesprochen worden, daß diese Lohnerhöhungen - die ja später noch in ein Erfolgsanteilsystem ausmünden sollen, das wir wärmstens begrüßen und das wir schon des öfteren gefordert haben - nur durchzuführen sind, wenn die Erlöse entsprechend steigen.
Für die deutsche Volkswirtschaft und speziell für uns hier im Bundestag ist das in diesem Augenblick eine sehr schwerwiegende Entscheidung. Ich darf Ihnen das eine sagen, Herr Kollege Bleiß: wenn wir es geschafft haben, die ursprünglichen Forderungen der Kohlenbergbauleitung von 10,59 DM und die Vorlage der Bundesregierung mit einer Erhöhung von 6 DM jetzt auf unseren Antrag, der, wie ich erfreulicherweise feststellen kann, inzwischen auch von der CDU aufgenommen worden ist, auf 4,50 DM herunterzukriegen, dann ist das doch ein außerordentlicher Erfolg, der dadurch zustande gekommen ist, daß wir uns Gedanken darüber gemacht haben, was notwendig ist.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, abzuschließen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Diese 4 Mark 50 sind nach unserer Überzeugung tatsächlich nicht einmal das, was die Lohnerhöhung ausmacht, die den Bergarbeitern zugestanden worden ist. Wir haben in Rechnung gestellt, daß durch die steigende Förderung eine gewisse Degression eintritt, und wir glauben auch, daß eine Hausbrandverteuerung von 5 Pfennig je Zentner, die sich dann ergibt - Herr Etzel hat darüber schon berichtet -, noch zuzumuten ist.
Wir möchten aber auch den Appell an die gesamte Wirtschaft richten, sich darüber klar zu sein, daß diese Mehrförderung, die uns über den Winter bringen soll, nur auf Grund der freiwilligen Bereitschaft der Bergarbeiter zustande kommt, zwei Sonderschichten zu verfahren, und daß das auch
({0})
der Wirtschaft in allen Teilen die Pflicht auferlegt, es sich zu überlegen, ehe sie irgendwo eine Preiserhöhung vornimmt, ob sie das angesichts dieses Opfers der Bergarbeiter verantworten kann.
({1})
Ich muß Sie bitten, jetzt abzuschließen.
Noch ein Satz!
Nein, es geht nicht mehr weiter. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich möchte nur noch einen Schlußsatz sagen.
Ja, aber nur einen Schlußsatz!
Wir haben weiter die entschiedene Forderung an die Bundesregierung zu richten, daß sie die notwendige Bereinigung der Verhältnisse auf dem Gebiet der Wirtschafts-; der Finanz- und der Agrarpolitik, der Preise und der Löhne in einem Gesamtprogramm vorlegt, damit das deutsche Volk weiß, wie ernst die Situation ist, zum zweiten aber, daß ,diese ernste Situation
({0})
auch tatsächlich in höchster Verantwortung gemeistert wird; denn dann sind wir sicher: dann wird das deutsche Volk auch durch den Schleier der Agitation hindurch
({1}) verantwortungsbewußt folgen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Bertram.
Meine Damen und Herren! Ich bin meinem Herrn Vorredner dankbar, daß er die Aufmerksamkeit des Hauses ganz besonders auf ein Kapitel gelenkt hat, und zwar ist das die Ausfuhrabhängigkeit und Auslandsabhängigkeit der gesamten Kohlenwirtschaft. Es ist doch so, daß die Exportquoten ebenso wie die Exportpreise im Schoße der Ruhrbehörde festgesetzt worden sind, und es ist so, daß in der Ruhrbehörde zwei deutsche Vertreter sitzen. Es ist ferner richtig - das wird meinem Vorredner ebenfalls noch in Erinnerung sein -, daß die Entsendung deutscher Vertreter in die Ruhrbehörde im Rahmen der Petersberger Abkommen abgemacht worden ist.
({0})
Die Folgerungen also, die aus der Tatsache zu ziehen sind, daß in der Ruhrbehörde auch Deutsche mitwirken Folgerungen, auf deren Gefahr wir von allem Anfang an hingewiesen haben -,
({1})
diese Folgerungen müßte heute auch die Regierung, die diese Maßnahmen gewünscht und hier nachdrücklichst vertreten hat, auf sich nehmen und nicht sagen: Das ist etwas, wozu wir nichts können.
({2})
Ich bin nach wie vor der festen Überzeugung, daß es ein gewaltiger Unterschied ist, ob deutsche Vertreter bei der Durchführung einer Moskauer Skala, die wir nicht unterschrieben haben, mitwirken, oder ob deutsche Vertreter nicht in diesen Stellen sitzen und nicht mitwirken.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, dem Redner zuzuhören. Es ist unmöglich, weiterzukommen, wenn der Redner nach jedem Satz unterbrochen wird. Das gilt für die eine Seite des Hauses, und es gilt für die andere.
Meine Damen und Herren, die Frage ist ja auch deshalb so von Bedeutung, weil behauptet wurde, der Kohlenmarkt sei kein echter Markt, es sei ein echter Engpaß vorhanden. Dieser echte Engpaß ist ja, wenn wir die deutsche Volkswirtschaft einmal ansehen, nicht vorhanden. Wir fördern in Deutschland für uns genügend Kohle, wir könnten mit der von uns geförderten Kohle ohne weiteres den gesamten deutschen Marktbedarf befriedigen. Und das scheint mir außer dem Mengenproblem noch wichtiger zu sein.
Es ist doch auch so, daß die Preise, die wir für unsere Exportkohle kriegen, keineswegs dieselben sind, die an anderer Stelle auf dem Weltmarkt gezahlt werden. Das bedeutet also, daß, wenn wir für unsere Exportkohle die Preise bekommen würden, die auf dem Weltmarkt gezahlt werden, die Ruhrzechen wahrscheinlich genügend Erlöse aus den Exporten hätten, daß sie uns heute mit Anträgen, wie sie die Deutsche Kohlenbergbauleitung gestellt hat, überhaupt nicht behelligen müßten. Die politischen Kohlenpreise gerade im Export wirken sich also dahin aus, daß wir den deutschen Konsumenten in breitester Schicht-verarbeitende Industrie und Kleinverbraucher - zumuten, den Mindererlös aus den Exporten dadurch auszugleichen, daß wir im Inland den Kohlenpreis erhöhen.
Ich glaube, dieses Problem ist vorhin von Herrn Dr. Preusker zu Recht angeschnitten, nur in seinen ganzen Konsequenzen nicht weiter verfolgt worden. Es ist ja nicht so, daß der Weg, der hier vorgeschlagen ist, der einzige sei. Es ist ja gar nicht richtig, daß man diesem Problem nur auf dem Wege der Preiserhöhung beikommen könnte, sondern man könnte ihm beispielsweise auch durch eine Änderung des Zwangskurses der D-Mark beikommen, eine Maßnahme, die wahrscheinlich oder vielleicht - ({0})
- Ich möchte dazu im einzelnen keine Ausführungen machen; denn ich bin nicht für die Regierungsgeschäfte verantwortlich.
({1})
Ich möchte aber darauf hinweisen, daß gerade auch diese Lösung des Problems ernsthaft erwogen werden könnte und erwogen werden müßte.
Herr Dr. Preusker hat verschiedene Dinge vorgetragen, auf die ich im einzelnen hier nicht eingehen kann; denn dann würde es um die Fragen von Erfolg oder Mißerfolg, von Schuld und Unschuld gehen, und das sind Dinge, die wir hier nicht im einzelnen zu erörtern brauchen. Auch steht hier nicht die gesamte Wirtschaftspolitik der Regierung, sondern es steht in erster Linie der Kohlenpreis zur Debatte. Und dabei ist noch auf folgendes Wichtige hinzuweisen. Wenn diese Preiserhöhung dazu führen würde, daß irgendwelche gehorteten Läger nunmehr tatsächlich zu den Verbrauchern fließen und
({2})
diese damit rechnen könnten, wesentlich mehr Kohle zu bekommen, dann würde vielleicht der eine oder andere Verbraucher sagen: Gut; wir beißen in den bitteren Apfel, wenn wir nur unsere Produktion nicht stillzulegen brauchen. Aber wo sind denn Vorräte an Kohle? Wir wissen doch alle, daß auf den Halden nichts liegt. Diese Preiserhöhung ist möglicherweise die erste, und es folgen weitere. Wir wissen ja gar nicht, ob die Deutsche Kohlenbergbauleitung, wenn wir jetzt ihrem Antrag mit 4,50 DM zum Teil nachkommen, nicht schon in wenigen Wochen auf uns zukommt und unter Hinweis auf genau dieselben Kostenrechnungen und aus genau denselben Kostengründen sagen wird: wir brauchen eine weitere Kohlenpreiserhöhung, dann wird aber endlich die Kohlenförderung steigen. Was soll diese Kohlenpreiserhöhung - und darauf kommt es doch letztlich an ({3})
zur Behebung der Kohlenkrise in Deutschland beitragen? Gar nichts! Und hierauf kommt es an.
Wenn der Herr Kollege Etzel sagt, es sei nicht der Zweck der Maßnahme, so darf ich erwidern: Wir sind nicht dafür da, hier das Kostenproblem zu erörtern, sondern wir sind dafür da, den Markt zu versorgen. Das Kostendenken, das sich hier in dieser Debatte bisher herausgestellt hat, ist nicht das Entscheidende,
({4})
sondern das Entscheidende ist die bessere Versorgung des Marktes.
({5})
Und wenn Sie darauf hinweisen,
({6})
daß eine Erhöhung der Förderung nur auf höhere Löhne folgen könne, so ist dazu doch zu sagen, daß zunächst aie Preissteigerungen eingesetzt hatten und die Lohnerhöhungen nur eine Folge der Preissteigerungen gewesen sind, und nicht umgekehrt.
({7})
Ein weiterer Gesichtspunkt! Es kann auch nicht richtig sein, daß, wenn sich in einem volkswirtschaftlichen Zweig Unternehmer und Arbeitnehmer zusammentun und vereinbaren, daß ein höherer Lohn gewährt werden soll, sich damit automatisch die Verpflichtung der übrigen Volkswirtschaft ergäbe, diese Lohnerhöhung zu übernehmen. Das Maßgebende muß immer sein das Wohl, d. h. die bessere Marktversorgung der gesamten Volkswirtschaft. Dieses Prinzip ist bei diesen Vorschlägen der Regierung bisher in keiner Weise berücksichtigt worden.
({8})
Die Lohnerhöhung muß von den Unternehmern, und das ist die Deutsche Kohlenbergbauleitung, aufgefangen - das sagte ich eben schon - oder, soweit die Kosten dadurch nicht gedeckt werden, durch außenwirtschaftliche Maßnahmen ausgeglichen werden. Es sind außenwirtschaftliche Umstände, die den Mindererlös des Kohlenbergbaus überhaupt erst herbeiführen.
Es ist nun einmal so, daß das Zusammenspiel von Marktwirtschaft und Zwangswirtschaft, wie wir es hier in einem klassischen Fall vor uns haben, praktisch eine Korruption der gesamten Marktwirtschaft nach sich zieht. Es führt dazu, daß in allen dahintergeschalteten Stufen infolge der entstandenen Knappheit zusätzliche Spannungserscheinungen auftreten, die zu zusätzlichen Kostenerhöhungen und. zusätzlichen Preiserhöhungen Anlaß geben und damit eine Preiserhöhungswelle zur Auslösung bringen werden, die unsere Volkswirtschaft in ihrem geschwächten Zustand unter keinen Umständen ertragen kann. Wir fordern die Regierung auf, den Hebel da anzusetzen, wo er angesetzt werden muß: nämlich bei der Erlangung des vollen Exporterlöses für unsere Ausfuhrkohle und damit bei der Zuführung der ihnen zustehenden Erlöse an die Gruben in voller Höhe. Wenn die Regierung es ernsthaft unternehmen würde, diesen Weg zu gehen, dann würde diese Vorlage überhaupt nicht erschienen sein. Namens meiner Fraktion lehne ich die Vorlage ab.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Meine Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen der Vertreter der CDU und der FDP gehört hat, dann hätte man den Eindruck gewinnen können, die Kohlenpreis- und Stahlpreiserhöhung würde uns heute nur in der Absicht empfohlen, die Förderung zu steigern,
({0})
um in der jetzigen Kohlenkrise die Versorgung der einzelnen Industriezweige und der Bevölkerung mit Hausbrand sicherzustellen. In Wirklichkeit sind die vorgeschlagenen Preiserhöhungen ein Teil des Wirtschaftsprogramms dieser Adenauer-Regierung. Schon werden weitere Maßnahmen angekündigt, die weitere Erhöhungen auf den verschiedensten Lebensgebieten vorsehen. Preiserhöhungen, Steuererhöhungen, Kriegspolitik sind von dieser Regierung nicht zu trennen, sondern das ist das Programm dieser Regierung, die sich den Anweisungen der Hohen Kommissare auf dem Petersberg gefügig gemacht hat.
Die Defizite, die unser Kohlenbergbau hat, könnten wesentlich behoben werden, wenn man einen entschiedenen Kampf gegen die uns durch das Ruhrstatut auferlegten Zwangsexporte führen würde.
({1})
Durch die Verarbeitung der Kohle in unserer Industrie, in der eisenschaffenden, der eisenverarbeitenden Industrie und in der chemischen Industrie, könnten wir zusätzliche Industriegüter und chemische Waren ausführen, die einen höheren Exporterlös einbrächten als die Ausfuhr von reiner Kohle.
Ich habe mich über die Stirn gewundert, mit der zum Beispiel der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei und der Vertreter des Zentrums hier gegen die Zwangsexporte aufgetreten sind. Aber ich entsinne mich noch jener Stunden der Auseinandersetzungen über das Ruhrstatut im Landtag Nordrhein-Westfalen. Selbst Herr Adenauer sagte damals: Dieses Ruhrstatut ist ein Kolonialstatut. Von seiten aller Parteien außer den Kommunisten sagte man trotzdem zum Ruhrstatut ja. Ich entsinne mich noch der Stunde, als man sich hier um die Vertreterentsendung in die Ruhrbehörde schlug. Wenn man mit den Maßnahmen der Ruhrbehörde nicht einverstanden ist, weshalb tritt man dann aus jenem Gremium nicht aus? Weshalb führt man keinen entschiedenen Kampf gegen das Ruhrstatut? Es ist doch inkonsequent, wenn man auf der einen Seite über den Zwangsexport und die Kohlenknappheit jammert und auf der anderen Seite immer und immer wieder sich den Anweisungen des amerikanischen Imperialismus fügt.
({2})
({3})
Ich sage Ihnen ganz deutlich: Wir brauchten diese Kohlenknappheit nicht zu haben. Sie ist die Auswirkung jener kriegsvorbereitenden Maßnahmen, die hervorgerufen wird durch die kriegstreiberische Politik des amerikanischen Imperalismus und die Einbeziehung Westdeutschlands in den Wirtschaftsplan des Westens, durch die Einbeziehung Westdeutschlands in den Plan der Kriegsvorbereitungen. Nur dadurch sind wir in eine solch erbärmliche Sackgasse auch auf dem Kohlengebiet geraten.
Wollen Sie mit den Defiziten vielleicht auch die Stahlpreiserhöhung begründen? Auch die Stahlpreiserhöhungen sind nur Auswirkungen der Kriegspolitik. Die Stahlpreiserhöhung wird ohne Zweifel genau so wie die Kohlenpreiserhöhung weitere Preiserhöhungen aller Waren nach sich ziehen. Die eisenverarbeitende Industrie wird die Preise umlegen. Wir erleben bereits, daß im Wirtschaftsministerium eine Verordnung zur Erhöhung der Preise für Elektrizität und für Gas vorbereitet wird. Auch diese Erhöhungen werden wiederum von den breiten Massen zu tragen sein. Die Eisenpreiserhöhung könnte von der Stahlindustrie selbst getragen werden. Sie erzielt ungeheure Profite. Ich möchte nur daran erinnern, daß zahlreiche metallschaffende Werke ihre Aktien 1 :1 umgestellt haben, daß sie hohe Dividende ausschütten und gewaltige Abschreibungen und Neuinvestierungen vorgenommen haben.
Wir müssen uns aus nationalen wie sozialen Gründen gegen eine Politik wehren, die auf diesem und anderen Gebieten von der Bundesregierung betrieben wird. Wir müssen uns dagegen wehren, daß man uns diesen Kohlenzwangsexport zu niedrigen Exportpreisen aufzwingt. Wir müssen dafür eintreten, daß die Kohle, die gefördert wird, in erster Linie zugunsten der deutschen Volkswirtschaft eingesetzt wird.
({4})
Wir müssen ankämpfen gegen die Wirtschafts- und Exportpolitik unter dem Oberbefehl der Hohen Kommissare. Ich sage Ihnen: wenn Sie es mit der Versorgung unserer Wirtschaft und unserer Verbraucher mit Kohlen ehrlich meinen, dann sollten Sie unserem Antrag Drucksache Nr. 1642 zustimmen. Wir verlangen, daß die Bundesregierung den Hohen Kommissaren mitteilt, daß wir nicht gewillt sind, weiter diesen uns auferlegten Zwangsexport durchzuführen. Dadurch würden Sie in der Tat einen wesentlichen Beitrag leisten, damit keine Unterbrechungen in der Arbeit unserer Industrie eintreten, damit nicht Kurzarbeit und vielleicht Massenentlassungen erfolgen müssen. Dann würden Sie dazu beitragen, daß in kürzester Frist auch das Schlangenstehen wegen Kohlen bei den Kohlenhändlern in unseren Großstädten aufhörte. Dann würden wir nicht vielleicht in die Zwangslage versetzt werden, Schulen zu schließen und Krankenhäuser ebenfalls nicht gesichert mit Brandkohle versorgen zu können.
Ich kann mit dem Kollegen Bertram nicht konform gehen, der sagt: Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist eine, und die Kohlenfrage ist die zweite Angelegenheit. Nein, die Fragen, die heute auf der Tagesordnung stehen, stehen in engster Verbindung mit der gesamten Politik dieser Regierung auf wirtschaftlichem wie auch auf politischem Gebiet. Wenn sich die Regierung entschließen würde, eine Politik einzuschlagen, die den Interessen des deutschen Volkes und der Sicherung des Friedens dient, wenn wir gemeinsam den Kampf gegen die Kriegspsychose und die imperialistischen Kriegstreibereien aufnehmen und uns für die Verteidigung des Friedens aktiv einsetzen würden, dann hätte unser Volk eine sichere Lebensgrundlage, auf der es aufbauen könnte.
In dieser Stunde, in der die Gefahren auf allen Gebieten riesengroß sind, in der den Massen neue Belastungen drohen, wäre es notwendig, daß man zu dem Vorschlag der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik ja sagt, der seinen Ausdruck in dem Brief des Ministerpräsidenten Grotewohl an den Bundeskanzler Dr. Adenauer gefunden hat.
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Sich gemeinsam als Vertreter von West- und Ostdeutschland an einen Tisch zu setzen und über den nationalen Notstand unseres Volkes zu reden, das wird unserem Volk auf allen Gebieten dienlich sein. Die Bundesregierung muß mit der gegenwärtigen Politik brechen, dann wird man auch der Forderung der breiten Volksmassen auf Lohnerhöhung, ihrer Forderung auf Wiederaufbau von Wohnungen, ihrem Wunsch auf ein besseres Leben Rechnung tragen. Diese Politik wird von uns vorgeschlagen. Wir sehen darin den einzigen Ausweg aus dem nationalen Notstand, in den wir geraten sind. Dieser Weg wird unserem Volk das Leben sichern, unserem Volk und der ganzen Menschheit zum Frieden und zum Nutzen sein!
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
({0})
Meine Damen und Herren, die Unruhe ist doch nicht nötig.
({1})
Meine Damen und Herren! Wir lehnen die Preiserhöhung für Kohle und Stahl aufs entschiedenste ab. Wir sind nicht überzeugt, daß das Zahlenmaterial, das vorgelegt wurde, eine Abwälzung der Lohnsteigerungen im Bergbau auf den Verbraucher notwendig machen würde. Denn wenn die Ziffern wie bei Kohle dermaßen weit auseinandergehen, daß zuerst ein Sachverständiger erklärt hat: 12 DM pro Tonne müsse die Erhöhung betragen, und dann ein anderer 8 DM und wieder ein anderer 4,50 DM nennt, dann geht aus dieser Divergenz, aus diesem ungeheuren Unterschied der Ziffern ganz klar hervor, daß die Sache, für uns zum mindesten, noch nicht geklärt ist. Das Mindeste, was wir erwarten konnten, war ein Antrag der Regierungsparteien, die Sache zur endgültigen Klärung an den Ausschuß zurückzuweisen.
({0})
- Doch, da bin ich da. Bei der letzten Debatte war ich nicht da, weil ich im Krankenhaus lag, lieber Freund, weil ich im Krankenhaus lag! Deswegen war ich entschuldigt.
({1})
Die Divergenz der Ziffern ist dermaßen, daß es uns absolut unmöglich ist, einer Abwälzung auf den Verbraucher zuzustimmen.
Dasselbe gilt für den Stahl. Wir hören von Ziffern um 38 DM; wir hören sofort darauf von Zif({2})
fern um 28 DM. Die Sache ist zumindest noch nicht geklärt, meine Herren! Wir gehen sogar noch weiter, indem wir sagen: Diese Erhöhungen braucht man gar nicht abzuwälzen; es wäre gar nicht nötig, den Verbraucher die Lohnerhöhungen im Bergbau zahlen zu lassen, wenn durch entsprechende Rationalisierungsmaßnahmen im Bergbau bei uns endlich einmal ungefähr dieselbe Leistung erreicht werden könnte, wie wir sie in anderen Ländern haben. Auch andere Länder leiden unter den Kriegsfolgen; auch andere Länder leiden darunter, daß sich ein Teil der Bergarbeiter entweder abgemeldet hat - in anderen Ländern, wo das möglich ist - oder aber im Krieg gefallen ist und so viele durch noch nicht genügend geschulte Kräfte ersetzt werden müssen. Das bitte ich auch zu berücksichtigen. Wenn bei uns die Förderziffern noch so weit zurückhängen, wie uns das heute ein Vorredner an Hand von Zahlen geschildert hat, so hat das ganz andere Gründe. Denn niemand wird wohl behaupten wollen, daß der deutsche Arbeiter in seinen Arbeitsleistungen gegenüber irgendeinem auswärtigen Arbeiter minderwertig sei! Nein, die Ursachen liegen wo anders. Sie liegen darin, daß der Bergbau nicht die nötigen Kredite zur Verfügung gestellt bekommen hat, um endlich einmal eine Modernisierung der Anlagen und Maschinen durchführen zu können. Sie werden mir sofort antworten: Ja, woher das Geld nehmen dazu? Und ich antworte Ihnen: Man hätte aus ERP-Mitteln die entsprechende Beträge rechtzeitig abzweigen können. Man hätte Einsparungen im Staatshaushalt dazu hernehmen können, um den wohl wichtigsten Industriezweig, den es gibt, nämlich den Bergbau, von dem mehr oder minder alles übrige abhängt, so zu modernisieren, wie das schon lange erforderlich ist.
({3})
- Wo ich das gehört habe, Herr Zwischenrufer? Es sind ausgezeichnete Expertengutachten aus Kreisen des Bergbaues selbst da, die Ihnen so gut bekannt sind wie mir, die Ihnen in Ihr Fraktionszimmer genau so geschickt wurden wie uns und die sich darüber beklagen, daß hier Versäumnisse übelster Art vorgekommen sind, daß man es unterlassen hat, rechtzeitig Mittel aus ERP-Geldern für die Modernisierung des Bergbaues und auch aus allgemeinen Staatsmitteln zur Verfügung zu stellen. Die Folgen davon tragen wir heute.
Das darf aber nicht dazu führen, daß wir unsere Zustimmung geben zu etwas, was das Übel noch mehr verschärfen könnte, nämlich zu einer Erhöhung des Kohlen- und Stahlpreises, die sich, wie heute Vorredner mit Recht schon gesagt haben, lähmend auf die ganze Wirtschaft auswirken würde und die der Beginn einer neuen Inflationswelle wäre. Wir können unter keinen Umständen einer Erhöhung des Kohlen- und Stahlpreises zustimmen.
({4})
Wir beantragen, daß die Regierung endlich einmal durch Zuweisung entsprechender Mittel, auch aus ERP-Geldern, dafür sorgt, daß der Bergbau bei uns nicht unter schlechteren Bedingungen arbeiten muß als in anderen Ländern, die auch durch den Krieg betroffen worden sind!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß. Drei Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Was sachlich zu der Notwendigkeit einer Kohlen- und Stahlpreiserhöhung zu sagen war, das habe ich mir erlaubt Ihnen vorhin darzulegen. Ich habe sehr eingehend darauf hingewiesen, daß weder brauchbare Unterlagen vorhanden sind noch daß eine Reihe anderer nützlichen und notwendigen Maßnahmen zur Minderung der Verlustwirtschaft eingeleitet werden.
Ich möchte mich aber mit einigen Argumenten des Herrn Kollegen Preusker auseinandersetzen. Der Herr Kollege Preusker verwechselt anscheinend Ursache und Wirkung. Er ist der Meinung, daß wir deswegen in die Kohlenkalamität hineingekommen sind, weil wir zuviel exportieren mußten. Diese Auffassung ist irrig. Wir sind in die Kohlenkrise gerutscht, weil wir freiwillig, ohne Zwang zuviel exportiert haben. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat diese freiwilligen Exporte angeordnet, weil er sich infolge der Liberalisierung des Außenhandels in eine Dollarklemme hat bringen lassen, die er durch Kohlenexporte wieder ausgleichen wollte.
({0})
Ich glaube, man hat noch Untersuchungen darüber anzustellen, wohin diese Kohlenexporte gegangen sind. Es besteht durchaus die Möglichkeit, daß sie quer durch Europa gewandert sind, um vielleicht eines Tages in Osteuropa zu landen.
({1})
Darüber wird man, wie gesagt, noch einige Untersuchungen anstellen müssen.
({2})
Darf ich um Ruhe bitten!
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auch noch darauf hinweisen, daß das Ruhrstatut von der FDP nicht etwa abgelehnt, sondern unterstützt wurde, daß man also auch in dieser Hinsicht nicht etwa von einer Zwangslage, sondern nur von einer durchaus freiwilligen Leistung sprechen kann!
({0})
Hinsichtlich der Versorgungslage möchte ich Ihnen nur noch ein Beispiel geben. Wir hatten im vergangenen Jahr eine tägliche Kohlenförderung von 360 000 Tonnen. Wir haben jetzt eine Kohlenförderung von 400 000 Tonnen täglich, also eine Steigerung um mehr als 10 %. In meinem Wahlkreis werden normalerweise 100 000 Tonnen Kohlen verbraucht. Im letzten Jahr 60 000 Tonnen zugeteilt. In diesem Jahr sind aber nur 30 000 Tonnen geplant. Das heißt, daß trotz erhöhter Förderung nicht einmal die Menge des vergangenen Jahres verteilt werden könnte, sondern auf die Hälfte beschnitten wurde. Gerade aus diesen Einschränkungen ergeben sich die Spannungen in der Versorgungslage. Hier, glaube ich, kurieren wir an falschen Symptomen.
Wenn Sie, Herr Kollege Preusker, den Bergarbeitern so viel Dank zollen, dann - entschuldigen Sie - erinnern Sie sich dieser Dankbarkeit auch gegenüber dem Kohlenbergarbeiter, auch gegenüber allen anderen Werktätigen, wenn es um die Neuordnung der deutschen Wirtschaft geht.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat die Behauptung aufgestellt, daß das Bundeswirtschaftsministerium in der Folgewirkung der Liberalisierung zu Kohleexporten gezwungen gewesen sei und von sich aus offenbar diese Kohleexporte sogar noch gefördert habe. Ich stelle fest, daß das eine objektive Unwahrheit ist.
({0})
Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich sogar zu wiederholten Malen und immer wieder gegen die überhöhten Kohleexporte gewandt. Es ist genau bekannt, daß wir in bezug auf die Exportlieferungen für Kohle nicht völlig frei sind. Seit langer Zeit kämpfen wir darum, und morgen werden diese Besprechungen fortgesetzt, um von den überhöhten Kohleexporten befreit zu werden. Die Behauptung, daß aus Gründen der Liberalisierung oder wegen der Devisensituation von der Bundesregierung bzw. vom Bundeswirtschaftsministerium Kohleexporte verstärkt worden seien, trifft nicht zu. Das Gegenteil ist der Fall. Es sind alle Anstrengungen gemacht worden, um die Kohleexporte einzuschränken.
({1})
Meine Damen und Herren! Damit scheint mir die Rednerliste endgültig erschöpft zu sein.
({0})
- Darf ich bitten, Herr Abgeordneter Bleiß. - Aber die Redezeit ist erschöpft; Sie hatten 13 Minuten.
({1})
- Ich hatte die Aussprache nicht geschlossen.
({2})
- Herr Abgeordneter Mellies zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Wir haben neulich im Altestenrat wegen eines ähnlichen Vorfalls Veranlassung genommen, über die Angelegenheit zu sprechen. Ich glaube, der Herr Präsident wird mir bestätigen müssen, daß wir uns darüber einig waren, daß in solchen Fällen die Aussprache wieder eröffnet sein muß, weil man das Haus unmöglich - ganz gleichgültig, welche Richtung in Frage kommt-der Gefahr aussetzen kann, daß die Bundesregierung das letzte Wort hat und somit ein Eindruck entsteht, der nicht entstehen darf. Letzten Endes hat das Parlament das letzte Wort und nicht die Regierung!
({0})
Meine Damen und Herren, ich muß zur sachlichen Klärung ein Wort sagen.
Das Anliegen des Herrn Abgeordneten Mellies muß durchaus ernst genommen werden. Wenn ich mich nach dem Wortlaut der Geschäftsodnung richte, wird die Aussprache lediglich dann wieder eröffnet, wenn nach Schluß der Aussprache ein Mitglied der Bundesregierung das Wort nimmt. Die Aussprache war nicht geschlossen.
({0})
- Meine Damen und Herren, es fördert unsere Arbeit, wenn Sie mich auch einmal aussprechen lassen.
({1})
Die von Herrn Abgeordneten Mellies vorgetragene
Ansicht würde bedeuten, daß jede Partei, die ihre
Redezeit ausgenutzt hat, noch einmal das Wort bekommen muß, wenn ein Mitglied der Bundesregierung im Zuge der Aussprache das Wort nimmt. Das widerspricht jedenfalls den Vereinbarungen, die wir getroffen haben. Aber ich meine, daß wir um der sachlichen Zusammenarbeit willen hier keine Formalisten sein sollten.
({2})
Ich bitte darum den Herrn Abgeordneten Bleiß, das Wort zu nehmen.
({3})
- Oder wer hat sich gemeldet? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nölting.
({4})
- Ich darf vermuten, Herr Abgeordneter Nölting, daß Sie sich auf eine kurze Erwiderung beschränken.
({5})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte keine Rede halten, sondern nur zu der Kontroverse zwischen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und dem Herrn Abgeordneten Dr. Bleiß eine Zahl beisteuern, die doch vielleicht etwas Klarheit in die Situation bringt. Ich darf gleich hinzusetzen, daß diese Zahl aus der Ruhrbehörde selbst stammt. Im dritten Quartal 1950 waren wir durch die Ruhrbehörde zu einem Kohlenexport von 6 148 000 Tonnen verpflichtet. Tatsächlich sind - wie bei einer Ausschußsitzung gesagt wurde - etwas mehr als 7 Millionen Tonnen, also 850 000 Tonnen mehr geliefert worden.
({0})
Um übrigen, meine Damen und Herren, interessiert es uns sehr, welche Stimmungseintrübung gegenüber der Ruhrbehörde inzwischen bei Ihnen wohl eingetreten ist. Was man einmal eine „historische Stunde" genannt hat, das wird leicht zu einem „historischen Katzenjammer".
({1})
Ich darf annehmen, daß nun die Aussprache über diesen Punkt beendet ist Ich schließe sie damit.
Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Anträge. Zur Klärung des Sachverhaltes darf ich Sie bitten, - ({0})
- Der Herr Abgeordnete Loritz hat namentliche Abstimmung beantragt. Dieser Antrag kann nur gestellt werden, wenn ihn 50 Abgeordnete unterstützen. Ich frage, ob das der Fall ist. - Der Antrag wird hinreichend unterstützt.
Ich lasse darüber abstimmen, ob namentlich abgestimmt werden soll.
({1})
Meine Damen und Herren, die Geschäftsordnung ist noch immer nicht geändert, und ich schließe mich der Praxis des Herrn Vizepräsidenten Dr. Schmid an.
({2})
Wer dafür ist, daß namentliche Abstimmung stattfindet, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; die namentliche Abstimmung ist abgelehnt.
({3})
({4})
Meine Damen und Herren, ich darf Sie um Ruhe bitten; Sie fördern dadurch unseren Geschäftsgang.
Sie haben zunächst die Drucksache Nr. 1670 vor sich. Zur Abstimmung rufe ich als erstes den § 1 auf. Es liegen folgende Abänderungsanträge vor:
Im Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Etzel - Umdruck Nr. 31 - ist unter Ziffer 2 beantragt:
Die den Preisen in § 1 zugrunde liegende Durchschnittspreiserhöhung von DM 6,- je Tonne beträgt nur DM 4,80 je Tonne.
Durch einen weiteren Antrag ist an die Stelle von „DM 4,80" die Zahl „DM 4,50" getreten.
({5})
- Ich habe es hier; ich bitte um Entschuldigung. Sie haben zuerst den Satz, der sich auf die 4,50 DM je Tonne bezieht, und fahren dann fort:
Der Bundesminister für Wirtschaft wird ermächtigt, die in den Tabellen des § 1 aufgeführten Einzelpreise entsprechend abzuändern. Dabei ist von einem Koksfeinkohlenpreis von DM 37,50 je Tonne, von einem Stückkohlenpreis von DM 40,- je Tonne und von einem Hochofenkokspreis von DM 48,- je Tonne auszugehen.
Im ersten Satz deckt sich Ihr Antrag mit dem des Herrn Abgeordneten Preusker:
Der Preis wird in Abänderung der Regierungsvorlage nur um durchschnittlich DM 4,50 je Tonne erhöht.
({6})
- Gleichlautend mit dem Antrag des Herrn Abgeordneten Etzel. Sind Sie auch mit dem zweiten Satz des Antrags des Herrn Abgeordneten Etzel einverstanden?
({7})
- Sie würden also Ihren Antrag zugunsten dieses Antrages zurückziehen, Herr Abgeordneter Preusker?
({8})
- Das vereinfacht die Abstimmung.
Ich lasse also zunächst abstimmen über den eben bekanntgegebenen Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Etzel zu § 1 der Verordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist angenommen. Der Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Preusker ist zurückgezogen.
Ich lasse jetzt unter Berücksichtigung dieser Abänderung über den § 1 der Verordnung abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die unter Berücksichtigung dieser Abänderung dem § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Mehrheit hat sich etwas verändert, meine Damen und Herren! Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen.
({9})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte noch einmal um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, es ist hier oben nicht eindeutig zu entscheiden, wie das Ergebnis ist. Ich muß Sie bitten, durch Hammelsprung zu entscheiden, also den Saal zu verlassen und durch die Ja-Tür und die Nein-Tür wieder hereinzukommen. Ich bitte,
die Abstimmung möglichst zu beschleunigen. Ich bitte die Herren Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen.
({10})
Meine Damen und Herren, ich wäre sehr dankbar, wenn Sie den Saal mit großer Beschleunigung räumen würden, im Interesse der Förderung der Abstimmung. Ich bitte, auch die Vorhalle zu räumen. - Sie tun der Abstimmung einen Dienst, wenn Sie den Saal so schnell wie möglich räumen.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte möglichst schnell durch die Türen zu gehen, je nachdem, wie Sie abzustimmen wünschen.
({11})
Darf ich um Beschleunigung der Abstimmung bitten. Bei allem Verständnis dafür, daß man eine kleine Pause einlegen möchte, aber es fördert unsere Arbeit. - Ich bitte nochmals. um Beschleunigung der Abstimmung.
Ich bitte die Herren Schriftführer, die Auszähzählung zu beenden.
({12})
Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis
der Abstimmung bekannt. Für den § 1 haben gestimmt 179 Abgeordnete, dagegen 145 bei zwei Enthaltungen. Damit ist der § 1 angenommen. ({13})
- Meine Damen und Herren, ich würde vorschlagen, die Aussprache jetzt nicht unkontrolliert fortzusetzen.
Ich komme zur Abstimmung über § 2. Zu § 2 liegt kein Abänderungsantrag vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die gleiche Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Zu § 3 liegt ein Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Etzel vor.
({14})
- Das steht auf diesem Antrag aber nicht drauf, Herr Abgeordneter Etzel!
({15})
- Also ich stelle fest: Abgeordneter Etzel und Fraktion. Der Antrag geht dahin, vor dem Worte „geahndet" in der letzten Zeile des gedruckten Textes von § 3 die Worte einzufügen: „in der Fassung des Gesetzes vom 29. März 1950, Bundesgesetzblatt Seite 78." Ich lasse über diesen Abänderungsantrag abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Zweifellos angenommen.
Ich lasse abstimmen über den § 3 unter Berücksichtigung dieser Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 ihre Zustimmung zu geben wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der § 3 ist angenommen.
Zu § 4 liegt ein Abänderungsantrag - Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 31 - des Abgeordneten Etzel und Fraktion vor:
({16})
§ 4: Diese Verordnung tritt mit Wirkung vom 1. Dezember 1950 in Kraft. Für Lieferungen, die über den Einzelhandel erfolgen und in Einzelmengen, nicht waggonweise, an Hausbrand- und Kleinverbraucher abgegeben werden, gilt sie erst vom Tage nach der Verkündung. Sie tritt mit Ablauf des 31. März 1951 außer Kraft.
Die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen. Damit erübrigt sich eine Abstimmung über den § 4 in der ursprünglich vorgesehenen Fassung.
Zur Einleitung hat der Abgeordnete Etzel beantragt, in der Eingangsformel nach dem Worte „wird" einzufügen: „mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates". Die Damen und Herren, die dieser Abänderung der Eingangsformel zuzustimmen wünschen, bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Abänderungsantrag ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über Einleitung und Überschrift unter Berücksichtigung dieser Abänderung. Ich bitte die Damen und Herren, die Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen.
Damit ist die Verordnung in ihrem gesamten Wortlaut unter Berücksichtigung dieser Abänderungen vom Bundestag gebilligt.
Meine Damen und Herren! Es liegt weiter vor die Drucksache Nr. 1671, Entwurf einer Verordnung über die Preise für Roheisen, Walzwerkserzeugnisse und Schmiedestücke. Dazu liegt ein Antrag des Herrn Abgeordneten Etzel vor, der eine völlig neue Fassung dieser Verordnung vorsieht, Umdruck Nr. 32. Bin ich darüber richtig unterrichtet, Herr Abgeordneter Etzel, daß es nach diesem Antrag in § 1 statt „18" „16,50" heißen muß?
({17})
Das wäre also offenbar die einzige Veränderung, die zu dieser Verordnung vorgesehen ist.
({18})
- § 2 also die unterstrichenen Sätze.
({19})
Ich komme also zunächst zur Abstimmung über § 1 entsprechend dem Antrage des Herrn Abgeordneten Etzel, Umdruck Nr. 32, und zwar unter Berücksichtigung der Tatsache, daß „16,50 DM" an die Stelle von „18,- DM" tritt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der vom Abgeordneten Etzel vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
({20})
- Jawohl, mit der Änderung. Ich prozediere im Augenblick nach 'dem Umdruck Nr. 32 mit der Änderung in „16,50 DM". Ich hatte mir bereits zweimal gestattet, darauf hinzuweisen, daß unter dieser Voraussetzung abgestimmt würde, Herr Abgeordneter Preusker. - Die Gegenprobe bitte! - Der § 1 ist in dieser Fassung angenommen.
§ 2 wiederum in der Änderung des Antrages des Herrn Abgeordneten Etzel, § 2 des Umdrucks Nr. 32. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen.
Über die §§ 3, 4, 5 darf ich gemeinsam abstimmen lassen. Ich weise darauf hin, daß der Umdruck 32 ebenfalls die Abänderung hinsichtlich der Termine hat. Wer den §§ 3, 4, 5, der Einleitung und der Überschrift der Verordnung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({21})
- Herr Abgeordneter Etzel zur Abstimmung!
Ich glaube, es hat jetzt der frühere § 2 in der ursprünglichen Vorlage den Absatz 3 bekommen. Ursprünglich hieß es . . .
({0})
- nein, ist nicht in Ordnung.
({1})
Meine Damen und Herren, darf ich vorschlagen, damit keine sachliche Panne eintritt, daß mir für einen Augenblick die Möglichkeit gegeben wird, mit dem Herrn Abgeordneten Etzel zu klären, was nun beantragt ist.
({0})
- Bitte, Herr Abgeordneter!
Der Irrtum beruht darin, daß die in meinem Änderungsantrag im Abs. 3 vorgesehene Ziffer auch hätte unterstrichen werden müssen. Sie ist neu. Sonst stimmt es.
Da wir, Herr Abgeordneter, nach dem Umdruck Nr. 32 Ihrem Antrag zugestimmt haben, scheint mir alles in Ordnung zu sein.
({0})
- Also, meine Damen und Herren, damit kein Zweifel besteht: Ich hatte bereits zweimal zum Ausdruck gebracht, daß ich nach dem Umdruck Nr. 32 vorgehe, und da dieser Umdruck den gesamten Antrag des Herrn Abgeordneten Etzel umfaßt, scheint hier kein Zweifel mehr möglich zu sein.
Ich hatte mir gestattet, abstimmen zu lassen über die §§ 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift der Verordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist angenommen. Damit ist die Verordnung in ihrem gesamten Wortlaut gebilligt.
Meine Damen und Herren, es liegt weiter vor die Drucksache Nr. 1642, Antrag der Fraktion der KPD. Die Aussprache über diesen Antrag ist mit der Erörterung der anderen Verordnung verbunden worden. Ich lasse über den Antrag der KPD auf Drucksache Nr. 1642 abstimmen. Wer für den Antrag der KPD ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der KPD auf Drucksache Nr. 1643. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag sind, die
({1})
Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen mit großer Mehrheit abgelehnt.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Der Abgeordnete Rademacher hat mich gebeten, die Mitglieder des Verkehrsausschusses zu ersuchen, sich sofort ins Sitzungszimmer zu begeben.
Ich rufe auf Punkt 13 der gedruckten Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Eigentumsregelung in der Kohlen-, Eisen- und Stahlwirtschaft ({2}).
({3})
Der Herr Abgeordnete Henßler hat das Wort.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen 20 Minuten zur Begründung und eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. - Darf ich bitten, Herr Abgeordneter.
Henßler ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundstoffindustrien angekündigt. Er gab dieser Ankündigung eine konkrete politische und soziale Tendenz durch die Bemerkung, daß diese Neuordnung durch die „soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft" notwendig sei. Dies Versprechen ist bis heute nicht eingelöst worden, obwohl der Bundestag am 8. Februar durch eine Entschließung nochmals ausdrücklich eine Vorlage zur Neuordnung der Eigentumsverhältnisse im Kohlenbergbau gefordert hat.
Es ist wert, an die kurze, aber sehr aufschlußreiche Diskussion zu erinnern, die damals geführt wurde. Der Kollege Blank von der CDU faßte diese Ankündigung im Sinne der Forderungen des Ahlener Programms der CDU auf, wonach Bergbau und Eisenindustrie „auf dem Wege der Vergesellschaftung in die Form der Gemeinwirtschaft" übergeführt werden sollen. Seine Rede fand damals heftigen Widerspruch bei den Koalitionspartnern der CDU. Es waren die Herren Euler und von Merkatz, die sich mit aller Leidenschaft dagegen wandten. Herr Euler besonders machte geltend, daß sich seit der Aufstellung des Ahlener Programms andere Entwicklungen durchgesetzt hätten. Unter Berufung auf das Wahlergebnis zum Bundestag stellte er fest, daß das deutsche Volk ganz eindeutig Stellung bezogen habe. Ich darf Herrn Euler daran erinnern: In einer der letzten Sitzungen des alten hessischen Landtages fand eine Sozialisierungsdebatte und -Abstimmung statt. Die Abstimmung verlief bei Stimmengleichheit negativ. Die Neuwahl in Hessen hat bewiesen, daß sich wieder „andere Entwicklungen" durchgesetzt haben und daß in diesem Fall das hessische Volk
({5})
ganz eindeutig Stellung bezogen hat.
({6})
Nach dieser Begründung müßte man annehmen dürfen, daß Herr Euler unserem Antrag heute aufgeschlossener gegenübersteht.
({7})
Aber das nur nebenbei.
Auch die Aufforderung durch den Bundestag blieb bis heute unbeantwortet. Ich will nicht behaupten, daß die Regierung in Untätigkeit verharrt. Man wird ihr sogar zuerkennen müssen, daß sie gegenwärtig auf diesem Gebiet sehr emsig ist, ihre kundgetane Absicht, den Hohen Kommissaren Vorschläge für die Durchführung des Gesetzes Nr. 27 zu machen, baldigst durchzuführen. Aber, meine Damen und Herren, was uns darüber bekannt ist, läßt kaum noch einen Zweifel daran, daß die Regierung bei dieser Neuordnung, wie sie sie auffaßt, sich so stark für die Wiederherstellung des Gestrigen und damit für eine Art Wiedergutmachung gegenüber den Altkonzernen einsetzt, daß für die Erfüllung des Versprechens, die Neuordnung im Sinne der „sozialen und gesellschaftspolitischen Anerkennung der Arbeitnehmer" durchzuführen, einfach kein Raum bleibt. Diese Sorge besteht nicht nur im Lager meiner Partei. Ich könnte dafür ganz interessante Beispiele geben. Ich will mich jedoch auf die Forderung beschränken, daß man über die soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft nicht nur redet, sondern daß man sie auch respektiert.
({8})
Von wem läßt sich die Regierung bei diesen Verhandlungen beraten? Man muß bis jetzt den Eindruck haben, in erster Linie und hauptsächlich von den Reprasentanten der Altkonzerne. Ich muß bedauernd feststellen: in dem Willen und Bemühen, den Kreisen der Altkonzerne zu Diensten zu sein, liegt Methode. Erinnern wir uns: der Herr Bundeskanzler fühlte sich nicht zu gering, Briefbeförderer für einen Kreditvorschlag der Vereinigten Stahlwerke zu sein.
({9})
Bei der Zusammensetzung des ersten Schumanplan-Ausschusses hatte man die Gewerkschaften völlig übersehen. Jetzt ist wieder die einseitige Bevorzugung der Konzernvertreter festzustellen.
Der Versuch zu einer sogenannten Neuordnung unter starker Heranziehung der Altkonzernleitungen als Faktor der Beratung wie der Durchführung - obwohl diese Neuordnung an die Stelle der Altkonzerne treten soll - und unter Zurücksetzung der Gewerkschaften - obwohl diese Neuordnung mit der Begründung der sozialen und gesellschaftspolitischen Anerkennung der Arbeitnehmerschaft angekündigt wurde - muß von vornherein größtes Mißtrauen hervorrufen.
({10})
Dieses Mißtrauen wird zweifellos noch durch die klar erkennbare Tatsache verstärkt, daß die Regierung bestrebt ist, den Konzernbesitz möglichst zusammenzuhalten, unter Zurückstellung volkswirtschaftlicher Interessen, die die Neubildung von Betriebseinheiten unbekümmert um die bisherige Konzernzugehörigkeit erwünscht sein lassen.
Unser Wollen ist nicht nur auf eine gleichberechtigte Einschaltung der Gewerkschaften gerichtet. Unbekümmert sogar darum, wie man sich dazu stellt, müßte anerkannt werden, daß es sich bei Festlegung der Grundsätze für die Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 27 doch auch um politische Entscheidungen handelt, die in den Aufgabenbereich des Bundestags gehören.
Die Regierung müßte es für eine selbstverständliche Verpflichtung gegenüber Parlament und Volk halten, ihre Auffassung über die Neuordnung, auch soweit sie im engeren Rahmen des Gesetzes Nr. 27 enthalten ist, dem Parlament vorzutragen und mit
({11})
ihm eine Verständigung herbeizuführen, ehe sie mit konkreten Vorschlägen an die Hohen Kommissare herantritt.
Es bleibt festzustellen, daß bis jetzt weder eine gebührende Heranziehung der Gewerkschaften zu den Vorberatungen erfolgt ist, noch daß der Bundestag unterrichtet und eingeschaltet wird. Das allein schon - ich wiederhole es - muß Mißtrauen erwecken, zumal begründeter Anlaß zu der Vermutung vorliegt, daß die Regierung im Benehmen mit den Altkonzernleitungen Vorschläge an die Hohen Kommissare erwägt, wonach die Regierung bzw. die Ministerialbürokratie Vollmachten in Fragen erhalten sollen, bei denen es sich um die Festlegung von Grundsätzen handelt, die als politische Entscheidung der Gesetzgebung vorbehalten bleiben müssen.
({12})
Wir legen jetzt schon Verwahrung dagegen ein, daß man Fragen der Gesetzgebung, deren Entscheidung dem Bundestag zusteht, zu bloßen Ermessensfragen zu bagatellisieren versucht, über die der Minister bzw. die Ministerialbürokratie zu bestimmen haben soll. Auf Grund verschiedener Veröffentlichungen ist anzunehmen, daß in den Durchführungsbestimmungen auch Aktienangelegenheiten, sei es Austausch von Aktien oder Neuausgabe oder Entschädigung, eine Regelung finden sollen. Darüber aber müßte doch eigentlich Einmütigkeit bestehen, daß diese Frage nur im Zusammenhang mit der Regelung der Eigentumsfrage gelöst werden kann. Sowohl nach dem Gesetz Nr. 75 wie nach dem Gesetz Nr. 27 steht die Entscheidung ausschließlich den zuständigen deutschen Instanzen zu. Das müßte die Regierung auch den Alliierten gegenüber ganz deutlich zum Ausdruck bringen.
({13}) Andererseits ist ebenso klar 'hervorzuheben: Die Regelung der Eigentumsfrage ist ein gesetzgeberischer Akt; zuständig ist der Bundestag.
Bei der Beurteilung dieser Fragen müßte entscheidender Wert auch darauf gelegt werden, daß klar ersichtlich wird, für was die Hohen Kommissare die Verantwortung tragen und für was die deutschen Stellen verantwortlich zu zeichnen haben. Bei dem Verfahren, wie es die Regierung bislang einschlägt, wird diese klare Herausstellung nicht erreicht, und sie bringt sich unter Umständen selbst in den Verdacht, über Gebühr und über Notwendigkeit Organ der Hohen Kommissare zu sein.
({14})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich schließlich noch einen kritischen Punkt berühren. Er betrifft das Mitbestimmungsrecht. Wir sind der Auffassung, daß das Mitbestimmungsrecht für die Grundstoffindustrie im Rahmen der Neuordnung der Grundstoffindustrie zu klären ist. Hier ist eine ganz besondere Lage, die es nicht ratsam sein läßt, diese Frage bis zu dem allgemeinen Gesetz über das Mitbestimmungsrecht zurückzustellen. Wenn irgendwo, dann muß hier eine Mitbestimmung gesichert werden, die nicht nur durch Belegschaftsvertretungen zu erfolgen hat, sondern auch durch die Anteilnahme der Gewerkschaften als den verantwortlichen Mitträgern unseres Wirtschaftslebens.
({15})
Wir haben in 'den entflochtenen Betrieben der Hüttenindustrie paritätisch zusammengesetzte Aufsichtsräte. Ich glaube, es wird keinen Menschen geben, der geltend machen könnte, daß diese Aufsichtsräte die Bewährungsprobe nicht bestanden hätten.
({16})
In Verbindung mit den Arbeitsdirektoren ist zweifellos ein viel engeres Vertrauensverhältnis zwischen Leitung und Belegschaft herbeigeführt worden. Die Spatzen pfeifen es aber von den Dächern, daß diese Mitbestimmung wieder beseitigt werden soll. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, daß es Kreise gibt, die sich von der Spekulation leiten lassen, man könnte die Belegschaften gegen die Gewerkschaften ausspielen. Für diejenigen, die es angeht, sollten die Abstimmungen in der Hüttenindustrie eine eindeutige Warnung sein.
({17})
Hier haben die Belegschaften mit entschieden, daß sie auch die Gewerkschaften bei dieser Mitbestimmung mit tätig sehen wollen.
({18})
Was in den entflochtenen Werken der Hüttenindustrie geschaffen wurde, muß auch für den Kohlenbergbau Beispiel sein. Und diese Regelung muß mindestens solange erhalten bleiben, bis eine endgültige Regelung der Eigentumsverhältnisse vorliegt.
Meine Damen und Herren, zum Thema der Gemeinwirtschaft will ich mich heute nicht ausführlich äußern. Dazu wird Gelegenheit sein, wenn die entsprechenden Gesetze vorgelegt werden. Aber damit es den Herren, und insbesondere de Herren in der Regierung, nicht so schwer fällt, will ich doch einige Erinnerungen bringen.
Das Ahlener Programm beginnt mit der Feststellung: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden."
({19})
Und dieser Feststellung gegenüber wird dann eine positive Forderung aufgestellt: „Durch ei e gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der Würde des Menschen entspricht, dem geistigen und materiellen Aufbau unseres Volkes dient und den inneren und äußeren Frieden sichert."
Ich darf feststellen, daß ich selber von Herrn Adenauer hörte, daß er und die ganze CDU sich auf dieses Programm verpflichtet fühlen. Ich würde sehr gerne sehen, daß das nicht nur eine Äußerung von damals war, sondern etwas ist, was auch heute noch gilt.
({20})
Ich darf noch eine andere Äußerung des Herrn Kollegen Adenauer bzw. des Herrn Bundeskanzlers Adenauer zur Eigentumsfrage erwähnen, die allerdings auch schon 1946 ausgesprochen ist: „Das Eigentumsrecht verdient den gleichen Schutz und erleidet die gleichen Einschränkungen wie andere Rechte. Es hat zu weichen gegenüber einem nach ethischen Grundsätzen höheren Recht." In diesem Fall völlige Übereinstimmung - unsererseits sogar eine echte - mit Herrn Dr. Adenauer.
Aber damit sich der Herr Dr. Adenauer als Bundeskanzler nicht bedrängt und nicht geniert fühlt gegenüber seinem Nachbar auf der Regierungsbank, möchte ich auch noch eine kleine Erinnerung an eine Stellungnahme des damaligen Herrn Abgeordneten Blücher, der heute Vizekanzler ist, im nordrhein-westfälischen Landtag bringen. Wir hatten am 23. und 24. Januar 1947
({21})
eine Sozialisierungsaussprache. Dabei erklärte der Herr Abgeordnete Blücher: „Was die Kohle betrifft, so wissen wir gut: es kann nicht sein; daß dieser ausgesprochene Mangelrohstoff, dieses wertvolle Erzeugnis deutschen Bodens, etwa so behandelt wird wie eine andere Produktion."
({22})
Er kündigte entsprechende Vorschläge an und legte dann die feierliche Versicherung ab: „Seien Sie jedoch versichert, da, wo die Zechen nur noch in der Hand eines namenlosen Kapitals waren, können sie auch nach unserer Ansicht nicht reprivatisiert werden."
({23})
Er unterstrich diese Feststellung noch durch einen besonderen Satz: „Sie werden uns nicht auf kapitalistischen Schleichpfaden finden!"
({24})
Meine Damen und Herren! Ich könnte eigentlich eine besondere Anerkennung beanspruchen, daß ich Sie in einem solchen entscheidenden Augenblick vor „falschen Pfaden" - gemäß den Versicherungen des Herrn Blücher - zu bewahren versuche.
({25})
Aber ich will auf eine Anerkennung verzichten; mir genügt es, wenn Sie mithelfen, Herrn Blücher auf den richtigen Weg zu bringen. Bitte, stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu!
({26})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe ähnlich wie mein Herr Vorredner, der Kollege Henßler, nicht die Absicht, in eine, sagen wir einmal, materielle Diskussion über die Regelung der Neuordnung einzutreten, halte es aber doch für notwendig, einige Anmerkungen über Form und Verfahren zu machen. Zumindest möchte ich die Hoffnung aussprechen, daß die heutige Diskussion hier in diesem Hohen Hause die Arbeit an der Neuordnung von Kohle und Eisen um ein ganz entscheidendes Stück weiter vorantreibt.
Herr Kollege Henßler hat mich an sich der Notwendigkeit enthoben, den historischen Zusammenhang herzustellen, und ich bin ihm durchaus dankbar dafür, daß er aus der parlamentarischen Vorgeschichte, die die Behandlung dieses Problems im Landtag von Nordrhein-Westfalen gehabt hat, einige charakteristische Punkte hervorgehoben hat. Wenn er mit solcher Wärme das Ahlener Programm und entscheidende Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers zitiert hat, so danke ich ihm für den Respekt, der damit vor unserem Programm als solchem gezollt wird.
({0})
- Sie werden uns gleich beim Handeln sehen, Herr
Neumann; Sie brauchen nur einen Augenblick zuzuhören. - Auch ich halte, wenn wir auf die
Regierungserklärung zurückgehen, es für den richtigen Ausgangspunkt dieser Debatte, und ich
möchte sagen, Herr Henßler, daß ich in diesem
Punkt eigentlich noch ein Stück über Sie hinausgehe. Ich glaube, daß nicht nur die sozial- und
gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundstoffindustrien erfordert, sondern daß es noch eine ganze gute Reihe von Gründen mehr gibt, die eine Neuordnung in den Grundstoffindustrien notwendig machen.
Aber gerade weil das unser Standpunkt war und weil wir diesem Teil der Regierungserklärung eine ganz besondere Bedeutung beigemessen haben, haben wir bereits am 18. Oktober 1949, also knapp vier Wochen nach der Regierungserklärung, wie Sie sich erinnern werden, den Antrag gestellt, der Bundestag möge die Bundesregierung auffordern, ein Gesetz über die Neuordnung der Kohle vorzulegen. Wir haben dann mit der Unterstützung, ich möchte beinahe sagen, der einhelligen Unterstützung des ganzen Hauses am 8. Februar dieses Jahres, nachdem eine Ausschußberatung vorhergegangen war, diesen unseren Antrag in einen Beschluß des Bundestags umgewandelt, und wir können nur mit einem gewissen Maß von Bedauern feststellen, daß - ich will mich zurückhaltend ausdrücken - in der Erledigung dieser Frage nichts Entscheidendes sichtbar geworden ist. Ich glaube, daß es eigentlich kein ganz gutes Zeichen ist, wenn das Haus, während es vorher bei der Debatte über den Kohlen- und Eisenpreis gefüllt war und sehr viele Persönlichkeiten sich deshalb hierher bemüht haben, der Diskussion dieses Antrags, der sich auf ein Grundproblem von Staat und Gesellschaft bezieht, offenbar ein wesentliches geringeres Interesse entgegenbringt.
({1})
Aber lassen Sie mich! Ich weiß sehr wohl, nach welcher Richtung das zu sagen ist, und es gilt sicherlich der richtigen Richtung.
({2})
Warum ist auf diesem Gebiet bisher nichts Entscheidendes geschehen? - Wir möchten nicht in den Verdacht kommen, daß wir der Regierung etwa ungerechtfertigterweise einen Vorwurf machen. Ich möchte sagen: Viele von uns kennen die Problematik der Neuordnung, wie sie sich im Zuge der Gesetze Nr. 75 und 27 ergeben hat, zu genau, als daß sie nicht wüßten, mit wie unendlich vielen Hypotheken politischer und sonstiger Art die Behandlung dieses Problems belastet ist. Und soviel ist einstweilen auch klar - und ich glaube, Herr Henßler wird dem nicht widersprechen -, daß der technisch-organisatorische Teil der Neuordnung ein Aufgabengebiet ist, das im wesentlichen noch nicht in deutscher Zuständigkeit liegt. Das bedauern wir; aber das ist eine Tatsache, mit der wir jedenfalls beim Stande dieser Diskussion zu rechnen haben.
Aber in der Sache ist ein Anderes außerordentlich wichtig. Wir nähern uns jetzt in etwa der Schlußphase der technisch-organisatorischen Neuordnung. Diese Schlußphase wird aller Wahrscheinlichkeit nach so aussehen, daß sich dann die Aktien zahlreicher neugegründeter Gesellschaften bei Kohle und Eisen in den Händen von Treuhändern befinden werden. Das ist ein Stadium der vorläufigen Eigentumslösung, das wir außerordentlich schnell abgestellt sehen möchten. Wir möchten dort kein allzu langes Übergangsstadium tolerieren, sondern wir haben den dringenden Wunsch - und deshalb begrüßen wir in dem Umfang, den ich gleich näher kennzeichnen werde, auch diesen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion -, daß durch die deutsche Gesetzgebung ein enger Gesamtzusammenhang zwischen dem Problem der technisch-organisatorischen Neuordnung und ihrer Verwirklichung, ihrer endgültigen Perfektion und Vollendung geschaffen wird. Hier ist in der Tat
({3})
ein Feld, das wir gerade von diesem hohen Hause her mit besonderer Hartnäckigkeit verteidigen müssen. Es war bereits nach den Gesetzen Nr. 75 und 27 der ausgesprochene Wunsch und Wille der Alliierten, daß dieser Teil der Neuordnung der Grundstoffindustrien eine Angelegenheit - wie es dort heißt - der deutschen Regierung, lies richtig: des Deutschen Bundestages sein sollte. Das ist ein so fundamentales Recht dieses Hauses, daß es selbstverständlich Anspruch darauf hat, schon in einem Stadium, in dem es noch nicht unmittelbar realisierbar ist, seinen energischen Willen anzukünden.
In diesem Sinne möchte ich gerade die Notwendigkeit, einen schnellen Übergang von einer vorläufigen in eine endgültige Lösung zu finden, unterstreichen und ganz klarstellen, daß diese endgültige Lösung nur mit dem Willen dieses Hauses geschaffen werden kann. Daß es schließlich einen sehr engen Zusammenhang zwischen den Problemen der Neuordnung der Grundstoffindustrien in technisch-organisatorischer und schließlich in eigentumsmäßiger Beziehung auch mit den Fragen des Mitbestimmungsrechts gibt, das weiß jeder, der sich mit dieser Problematik auch nur am Rande beschäftigt hat. Nicht zuletzt ist das allen, auch dem uninteressierten Teil der deutschen Öffentlichket, doch aus der Urabstimmung klar geworden, wie sie gerade in der eisenschaffenden Industrie stattgefunden hat.
Lassen Sie mich nun zum Antrag der Fraktion der SPD im einzelnen Stellung nehmen. Ich darf die Ziffer 3 vorweg nehmen. Sie unterstreicht das, was ich gerade gesagt habe: die Legitimation und den Willen dieses Hauses, eine Neuordnung bei Kohle und Eisen in eigener Zuständigkeit durchzuführen. Zu dieser Ziffer 3 sagen wir vorbehaltlos ja.
Zu den Ziffern 1 und 2 kann ich kein so vorbehaltloses Ja aussprechen. In der Ziffer 1 hat die sozialdemokratische Fraktion das wieder aufgegriffen, was ursprünglich Gegenstand unseres Antrags und dann des Beschlusses dieses Hauses war. Sie hat aber diesem Beschluß abweichend von seinem Text eine, sagen wir einmal, stärkere Profilierung gegeben, die, wie gesagt, damals unterlassen worden ist, die wir aber im Augenblick nicht für unausweichlich halten. Wir sind der Meinung, daß wir der Regierung, die sich in der Regierungserklärung zu einer solchen Neuordnung bekannt hat, einstweilen keine bindenden Richtlinien, möchte ich sagen, mit auf den Weg geben wollen. Dies ist ja mehr oder weniger ein Ermunterungsantrag; und ich glaube, es war auch die Absicht der Antragsteller - wenn ich Herrn Henßler richtig verstanden habe -, sich von einer eingehenderen Substantiierung der materiellen Rechtslage entfernt zu halten.
Ich darf folgenden Abänderungsantrag stellen: Wir werden zu Ziffer 1 beantragen, die Worte „Überführung in Gemeineigentum" zu streichen; zu Ziffer 2 die Worte „zur Durchführung des Artikels 15 des Grundgesetzes ({4}) ebenfalls zu streichen, und sind bereit, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion mit diesen Modalitäten anzunehmen.
Lassen Sie mich abschließend nur einige wenige Worte hinzufügen. Die verantwortliche deutsche Politik kann sich in diesen Fragen unter keinen Umständen einen unbegrenzt langen Schwebezustand erlauben. Diese Fragen sind Grundfragen unserer sozialen und wirtschaftlichen Neuordnung, und sie dürfen als solche nicht konserviert, sondern sie müssen gelöst werden. Daher verlangen wir von der Regierung die schleunige Entwicklung und Durchführung einer in sich geschlossenen Gesamtkonzeption. Diesem Ziel sollte nach unserer Meinung die heutige Debatte dienen; und wir haben daher den Wunsch, daß sich eine möglichst breite Mehrheit in diesem Hause für eine solche Aufforderung an die Regierung findet.
Ich darf abschließend der Überzeugung Ausdruck geben, die meine Freunde angesichts dieses Fragenkomplexes beseelt. Es ist diese: daß die innere Kraft unserer Abwehr und unseres Selbstbehauptungswillens als Volk und Staat von der Qualität unserer sozialen und wirtschaftlichen Ordnung abhängig ist. Diese Ordnung zu schaffen, ist einer unserer Beiträge zur Verteidigung unserer Heimat und Europas.
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Das Wort hat der Abgeordneter Willenberg. 8 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion darf ich der Erwartung Ausdruck geben, daß erstens bei der Neuordnung der Wirtschaft eine überspannte Bürokratie vermieden wird, zweitens, daß die zu schaffenden Gesellschaften so gestaltet werden, daß sie lebensfähig sind, drittens darf bei der Neuordnung der Wirtschaft eine vernünftige Verbundwirtschaft nicht übersehen werden. Insbesondere ist &ne vernünftige Verbundwirtschaft in der Chemie nötig.
Der Bergbau ist in der Zukunft nicht einfacher, sondern schwieriger. Der Abbau wird in immer größeren Täufen vollzogen werden. Während wir um die Jahrhundertwende noch eine Täufe von etwa 350 Metern hatten, haben wir heute eine Abbautäufe von ungefähr 650 Metern. Für die Zukunft werden sich die Verhältnisse dementsprechend schwieriger gestalten. Die Entwicklung zeigt, wie bedeutungsvoll es ist, daß in Zukunft die Bergbauwirtschaft vernünftig geleitet wird. In größeren Täufen ist mit stärkerem Gebirgsdruck zu rechnen und ebenfalls mit schlechteren Luftverhältnissen. An Menschen und Material werden größere Anforderungen gestellt werden. Unsere Auffassung, daß die Gesellschaften, die im Bergbau bestellt werden sollen, besonders leistungsfähig sein müssen, findet dadurch ihre Begründung. Die Neuordnung findet nun in einzelnen Kreisen der Industrie Bedenken. Das darf meines Erachtens - das erkläre ich auch im Auftrage meiner Fraktionsfreunde - kein Hinderungsgrund sein, eine gesunde Neuordnung zu vollziehen.
Meine Damen und Herren! Besteht denn nun heute die privatwirtschaftliche Ordnung vor allen Dingen im Bergbau? Ist sie nicht schon längst beseitigt? Ist es nicht so, daß das Wichtigste, der Preis, seitens des Staates geregelt wird? Kohle ist der wichtigste Rohstoff, den wir in Deutschland besitzen.
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Wir dürfen darüber froh sein. Dieser Rohstoff muß gehoben werden. Deutschland braucht ihn. Deutschland darf die Männer, die dort unten im Dunkel der Erde diesen Rohstoff heben, nie vergessen.
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Ich habe das Gefühl, als wenn diese Arbeit in der Vergangenheit nicht hinreichend gewürdigt worden ist.
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Jetzt lassen Sie mich noch ein Wort sagen zur Mitbestimmung. Auch wenn der Bergbau in Gemeinwirtschaft übergeführt wird, ist das Recht der schaffender Männer im Bergbau auf eine echte und gerechte Mitbestimmung unter allen Umstanden zu sichern, und wir erwarten, daß in der Gesetzesvorlage das in dem Sinne zum Ausdruck kommt, wie es dem sozialen Fortschritt gerecht wird. Die Bundesregierung darf bei der Gesetzesvorlage die arbeitenden Menschen in Kohle und Eisen nicht enttäuschen. Die Zentrumspartei wird wachsam sein, daß eine gesunde, dem sozialen Fortschritt entsprechende Neuordnung der Wirtschaft vollzogen wird.
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In diesem Sinne stimmen wir auch dem Antrag der SPD zu.
({4})
Meine Damen und Herren! Es gehört nicht zu den Voraussetzungen der Rede eines Abgeordneten, daß seine Fraktion zuhört! Das ist ein Irrtum.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Freiherr von Rechenberg.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD war insofern eine kleine Überraschung für mich, als er nicht mit der so vorbildlichen Sorgfalt abgefaßt ist, wie es sonst die Anträge von dieser Seite des Hauses zu sein pflegen. Denn es sind zumindest zwei absolut falsche Beziehungen in diesem Antrag enthalten. In dem Absatz 1 - es ist schon von Herrn Abgeordneten Schröder darauf hingewiesen worden - wird zur Durchführung des Beschlusses vom Februar verlangt, daß die Regierung nunmehr einen Gesetzentwurf zur Überführung der Kohle in Gemeineigentum vorlegt. Nun ist in dem Beschluß vom Februar mit keinem Sterbenswörtchen gesagt worden, was in was hinein überführt werden soll. Insofern ist also diese Beziehung falsch. Sie ist umso falscher, als der damalige Redner - es war auch der Herr Abgeordnete Henßler
- das Fehlen einer Richtung, in welcher sich die Neuordnung abspielen sollte, beklagt hat. Nun muß ich allerdings zugeben, daß es doch nicht so ganz an den Haaren herbeigezogen ist, wenn dieser kleine Zusatz gemacht ist. Denn wir haben in der damaligen Verhandlung erleben müssen, wie ein Abgeordneter der CDU den Sinn dieses Antrags richtig herausstellte: nämlich Überführung der Kohle in Gemeineigentum, während etwas vorher ein anderer Sprecher der CDU, der heute gesprochen hat, Herr Dr. Schröder, auf ein Eingesandt in der Zeitschrift „Die Zeit" mit Entrüstung verneint hatte, daß etwa der Sinn dieses Antrags der CDU auf irgendeine Enteignung im Kohlenbergbau hinginge.
({0})
- Genau so war es. Ich habe es mir heute morgen noch von meinem Sekretär vorlesen lassen, als ich die Freude hatte, zu hören, daß Sie zu dieser Sache sprechen würden.
({1})
- Oh, ich kann ja, wenn Sie das wollen, sehr deutlich sagen, was ich damals geschrieben habe. Ich
habe gefragt: Ist denn ein Abgeordneter, der als Anwalt sich darüber klar sein muß, wie der Durchschnittsleser seine Worte nach allgemeiner Rechtsprechung auslegen muß, berechtigt, Erklärungen abzugeben, die, wenn sie wahr wären, bedeuten, daß das Ahlener Programm der CDU nicht mehr besteht? Das war meine Antwort.
({2})
- Ich wüßte nicht, wozu ich zur Ordnung zu rufen wäre.
({3})
Im zweiten Absatz steht ebenfalls eine Beziehung die ich nicht richtig finde, meine Herren von der SPD. Da schreiben Sie nämlich „zur Durchführung des Art. 15 des Grundgesetzes". Nun ist im Art. 15 des Grundgesetzes zwar stipuliert, daß man in Gemeineigentum überführen kann, aber nur grundsätzlich. Wenn Sie gesagt hätten „in Ausnützung der in Art. 15 gegebenen Möglichkeiten", dann wäre das richtig gewesen.
({4})
- Ja, ich glaube, es ist notwendig, daß man das hier sagt. Es könnte sonst womöglich, Gott behüte, der Eindruck entstehen, wir hätten so etwas wie ein sozialistisches Grundgesetz.
({5})
Das haben wir nun Gott sei Dank nicht. Ich bin natürlich der Meinung, daß es Wirtschaftsunternehmungen, Wirtschaftszweige gibt, die in staatlicher Regie betrieben werden müssen. Ganz klar, daß ich der Mainung bin. Aber anderseits bin ich auch der Auffassung, daß das nach Möglichkeit nur Ausnahmefälle, gewissermaßen Notbehelfe, sein sollten. Es gibt eine Reihe von Gründen dafür. Einen Grund für diese meine Überzeugung möchte - ich will hier keine Grundsatzdebatte machen - ich Ihnen doch nennen. Ich bin überzeugt. daß die so erstrebte soziale Gerechtigkeit um so ferner rückt, je mehr man sozialisiert.
({6})
Ich gebe durchaus zu, daß auch die soziale Marktwirtschaft an sich in keiner Weise eine Gewähr dafür bietet, daß soziale Gerechtigkeit erreicht wird. Es kommt darauf an - und das scheint mir überhaupt das Vordringliche zu sen -, daß in der sozialen Marktwirtschaft jeder Teilnehmer des Wirtschaftsgeschehens, egal ob Arbeitnehmer, ob Arbeitgeber, egal ob Gewerkschaft, ob Unternehmerverband, gezwungen wird, sich sozial einwandfrei zu verhalten. Mir scheint das die allerdringlichste und wichtigste Aufgabe einer Gesetzgebung zu sein. Statt dessen erleben wir immer wieder, daß man den Versuch macht, sich in der Wirtschaft Machtpositionen zu erhalten oder zu schaffen, selbstverständlich immer unter der Versicherung, man tue das i a nur aus dem moralisch höchst einwandfreien Grunde, die Machtposition der verbrecherischen Anderen zu beseitigen.
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- Jawohl, mein Herr, da sind wir einig. - Ich bin der Meinung, es muß ein Wirtschaftssystem geschaffen werden, in dem jeder Tüchtige zum Zuge kommen kann. Jeder, der was kann. Allerdings tüchtig mit dem Können, dem Wissen, dem Köpfchen, nicht mit dem Maul!
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Nun kommt die CDU und bringt einen Abänderungsvorschlag. Ich muß schon sagen, das verstehe ich nicht ganz. Herr Dr. Schröder hat uns soeben überzeugend versichert, daß er auf dem Boden des Ahlener Programms steht.
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Gewiß, ich kann mit meinem Köpfchen durchaus verstehen, daß die SPD ihre klare Linie vertritt und diesen Antrag einbringt. Ich kann auch verstehen, daß ein Gegner sagt: Nein, den Antrag lehne ich ab, ja, daß er sogar zum Gegenschlag ausholt und erklärt: Ich beantrage Umänderung in Aufrechterhaltung des Privateigentums.
Warum sollen wir aber jetzt hier plötzlich wieder denselben Fehler machen, wie er schon damals gemacht wurde, also die Regierung ohne Richtung lassen? Das ist doch gewissermaßen so, wie wenn ich den Sekretär hier bitte, mir ein Billet zu kaufen, ihm aber nicht sage, wohin ich eigentlich fahren will.
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Nein, meine Damen und Herren, wir lehnen diesen Versuch, die klare Verantwortung zu umgehen und die Frage offenzulassen, absolut ab. Ich finde, der Wähler hat ein absolutes Recht, von all denen, die er hierher geschickt und, denen er sein Vertrauen geschenkt hat, zu wissen, wie sie hier ihr Versprechen verwirklichen wollen, für das Privateigentum, für die soziale Marktwirtschaft wirklich einzutreten.
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Meine Damen und Herren! Ich muß zum Schluß kommen. Im dritten Absatz ist von Ihnen, glaube ich, noch ein Denkfehler begangen worden, indem Sie etwas verbieten wollen, was meiner Ansicht nach gar nicht verboten werden darf. Sehen Sie: Die Bundesregierung ist von einer Mehrheit des deutschen Volkes gebildet worden. Sie erinnern sich, daß sich die Wähler bei der Bundestagswahl, bei 'der es um die Frage der Sozialisierung oder Nichtsozialisierung ging, mit ganz klarer Mehrheit gegen die Sozialisierung ausgesprochen haben.
Nun habe ich schon gehört: Herr Henßler denkt an die Wahlen der letzten Wochen. Ja, meine Damen und Herren von der SPD: Wir sind uns doch wohl alle darin einig, daß diese Wahlen das Verdienst eines Mannes sind, der nicht Ihrer Partei angehört!
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Ich glaube nicht, daß der Ausfall dieser Landtagswahlen irgendetwas in bezug auf die Stellung des deutschen Volkes zur Frage der Sozialisierung oder Nichtsozialisierung ausmacht. Daher würde die Bundesregierung nach meiner Überzeugung ihre Pflicht nicht erfüllen, wenn sie im Verfolg des Auftrags, den sie doch von uns, den Wählern, bekommen hat, jetzt nicht alles täte, um die Neuordnung auf einen Weg zu führen, der das Privateigentum nach Möglichkeit schützt. Das sind die Gründe, aus denen heraus die FDP sowohl die Zusatzanträge wie den Antrag der SPD ablehnen muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur einige ganz kurze Erklärungen abzugeben. Meine Fraktion lehnt das, was man mit einem Schlagwort „Sozialisierung" nennt, selbstverständlich ab. Das schließt nicht aus, daß angesichts der durch die totale Kapitulation herbeigeführten Zustände in der Großindustrie des Ruhrgebiets verschiedene Eigentumsverhältnisse neu zu regeln sind. Wir sind mit den Antragstellern darin einig, daß wir im Bundestag selbstverständlich noch nicht wissen und auch noch nicht gehört haben, wie die von meiner Fraktion mit gestützte Regierung sich im einzelnen eine Regelung denkt. Wir sind uns darüber einig, daß wir jedes autoritäre Verfahren im Verfolg „einsamer Beschlüsse" nicht billigen können. Ob wir allerdings dazu einen solchen Antrag wie den der SPD brauchen. ist zweifelhaft. Mit der Hereinnahme der Worte „Überführung in Gemeineigentum" ist der Antrag für uns selbstverständlich völlig unannehmbar. Ohne diese Einfügung - das gebe ich zu - bedeutet er eine Fahrkarte, auf der das Ziel nicht angegeben ist.
Ich will das Ergebnis der Debatte, wie ich es bisher sehe, dahin zusammenfassen, daß wir uns im Hause darüber einig sind: Wir können es als Parlament auf gar keinen Fall wünschen und dulden, daß irgendetwas Endgültiges geschieht, ehe wir die gesamte Konzeption der Regierung kennen und im Hause gebilligt haben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Harig.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrage zustimmen. Sie wird ihm zustimmn, wenn sie auch nicht so optimistisch ist, zu glauben, daß auf diesem Wege die Arbeiterklasse Deutschlands zum Sozialismus kommen könne. Die Frage ist von einer sehr großen Bedeutung, und sie spielt in alle Fraktionen hinein. Die Frage steht in der Arbeiterschaft an erster Stelle. Schon seit hundert Jahren wird die Sozialisierung von der Arbeiterklasse gefordert. Schon am 18. November 1918 hat die damalige Regierung einen Beschluß gefaßt, die Grundstoffindustrie zu sozialisieren. Es ist den meisten der hier Anwesenden bekannt, daß schon damals ein sogenannter Sozialisierungsausschuß eingesetzt worden ist. Der Sozialisierungsausschuß kam nicht zum Ziel, und dann hat die Arbeitsgemeinschaftspolitik der damaligen sozialdemokratischen Führer dazu beigetragen, daß der Klassenkampf der Arbeiterklasse für die Verwirklichung dieses ein Jahrhundert alten Zieles nicht durchgeführt werden konnte.
Im Jahre 1945 kam ein Buch heraus. Das Buch behandelte die Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung und ist geschrieben von Jack Schiefer. In diesem Buch hat Jack Schiefer schon damals festgestellt, daß die Arbeitsgemeinschaftspolitik auffliegen mußte, als sie ihre Abwehrfunktion gegenüber den Unternehmern erfüllt hatte. Ich bin überzeugt, daß diesmal wieder so verfahren wird, daß diese Arbeitsgemeinschaftspolitik, die wir heute vorfinden, wiederum in dem Moment auffliegt, wo sie ihre Abwehrfunktion erfüllt hat, und es ist dann das Unglück gekommen, von dem wir nun alle so viel reden und unter dem wir so viel zu leiden haben.
({0})
Die Gewerkschaften ganz Deutschlands haben sich in einer Reihe von Konferenzen zusammengesetzt, um auch zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es gibt Interzonenkonferenzen, auf denen einstimmige Beschlüsse angenommen worden sind, die Schlüsselindustrie in Gemeinbesitz zu überführen. Wir haben dergleichen Parallelen in den Land({1})
tagen. In den Landtagen sind Sozialisierungsbeschlüsse angenommen worden. Verwirklicht wurde nichts. Die Arbeitsgemeinschaftspolitik von heute verhindert wiederum, daß der Kampf für die Verwirklichung dieses jahrhundertealten Zieles organisiert wird.
Die Urabstimmung, die jetzt in den entflochtenen Werken durchgeführt worden ist, hat gezeigt, daß rund 96 % der Arbeitnehmer dieser Betriebe für den Kampf zur Verwirklichung des Mitbestimmungsrechtes sind. Ich gehe nicht fehl, wenn ich hier erkläre, daß diese 96 %, die sich für den Kampf für das Mitbestimmungsrecht entschieden haben, auch für den Kampf zur Vergesellschaftung der Schlüsselindustrien, der Grundstoffindustrien zu gewinnen sind, so wie es gefordert wurde. Ich weiß ganz genau: das Gesetz Nr. 27 wird uns dem Ziele, das da der Arbeiterschaft vorschwebt, niemals näherbringen. Ich weiß ganz genau: dieses Gesetz Nr. 27 ist nur die Folge der Anerkennung des Besatzungsstatuts und der Anerkennung des Petersbergs. Im Rahmen der Erfüllung der Aufgaben, die durch die New Yorker Beschlüsse von den Außenministern, die dort getagt haben, gestellt wurden, fällt der Grundstoffindustrie eine ungeheure Bedeutung zu, und die Frage der Besitzänderung ist eine Frage von Leben und Tod für das deutsche Volk.
Die Einheit der Arbeiterschaft herstellen heißt auch gleichzeitig, dafür zu sorgen, daß dieser Sehnsuchtstraum der deutschen Arbeiterklasse verwirklicht werden kann. in der Deutschen Demokratischen Republik zum Beispiel hat man die Schlüsselindustrien in die Hände des Volks überführt.
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Dort ist dem Monopolkapital die Macht genommen worden,
({3}) mit Hilfe dieser gewaltigen Konzentration an wirtschaftlicher Macht tun und lassen zu können, was es will. Das, glaube ich, ist auch hier notwendig. Aber die Arbeiterklasse Westdeutschlands kann ihre geschichtliche Aufgabe nur erfüllen, wenn sie den Einfluß der amerikanischen Gewerkschaften ausschaltet und den Kampf zur Verwirklichung der Forderungen der Arbeiterschaft organisiert.
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Ich erkläre hier im Namen meiner Fraktion, daß wir den Glauben an die Kraft der Arbeiterklasse nicht verloren haben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich hier nicht in eine längere Auseinandersetzung mit den literarischen Versuchen des Herrn von Rechenberg in der „Zeit" einlassen. Es würde vom Thema ablenken. Trotzdem aber: für diejenigen des Hauses, die es interessiert, vielleicht doch einen genaueren Eindruck von dieser Kontroverse zu bekommen, als Herr von Rechenberg ihn hier vermittelt hat, schlage ich vor, daß diesen Mitgliedern des Hauses mein Brief an die „Zeit", seine Antwort und meine leider nicht mehr abgedruckte Antwort gegeben werden. Damit können wir den Fall als erledigt ansehen.
Ich darf mich aber einem sachlichen Punkt zuwenden. Es ist gesagt worden, das alles sei dann nicht genügend präzisiert. Meine Damen und Herren! Das alles ist ebenso genau und bestimmt wie die Regierungserklärung, und wir haben an die Regierung die einzige Forderung, in diesem Punkte so schnell wie möglich, so klar und so gut wie möglich das Versprechen der Regierungserklärung vom vergangenen September zu honorieren.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. ({0})
- Herr Abgeordneter Henßler noch einmal? - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure sehr, daß auch heute die CDU-Fraktion darauf verzichtet, der Regierung eine Richtlinie zu geben, die sie auf Grund der früheren Erklärungen, Beschlüsse und feierlichen Versicherungen geben müßte. Aber das Wichtigste ist für uns heute die Ziffer 3. Wir können selbstverständlich für Ihre Abänderungsanträge nicht stimmen. Dadurch, daß Sie verhindern, der Regierung diese Richtlinien zu geben, haben wir nachher wahrscheinlich mehr Arbeit, um bei der Regierung zu erreichen, daß sie auch dem entspricht, was Sie fordern. Sie können sich heute noch von dieser Entscheidung freimachen. Aber um Ihnen zu Gefallen zu sein, daß die Regierung sehr schnell mit ihren Vorlagen herauskommt und wir uns dann mit Ihnen darüber auseinandersetzen können, werden wir uns der Stimme bei der Abstimmung über Ihre Anträge enthalten, weil uns das Wichtigste ist, daß die Ziffer 3 angenommen und damit der Regierung eine klare Weisung gegeben wird.
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Es liegt der Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder vor, in Ziffer 1 der Drucksache Nr. 1549 die in Klammern gesetzten Worte in der dritten Zeile ,,Überführung in Gemeineigentum" und in Ziffer 2 die Worte in den drei letzten Zeilen „zur Durchführung des Artikels 15 des Grundgesetzes ({0})" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 1549 unter Berücksichtigung der eben angenommenen Abänderungsanträge. Ich bitte die Damen und Herren. die unter dieser Voraussetzung dem Antrag Drucksache Nr. 1549 zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist der Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren! Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend innerdeutschen Handelsvertrag ({1}).
Wer wird den Antrag begründen?
({2})
- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der Komunistischen Partei ist gestellt wor({0})
den, als die Verhandlungen über den innerdeutschen Handelsvertrag abgebrochen waren. Inzwischen sind die Verhandlungen wieder aufgenommen, und soweit ich unterrichtet bin, stehen sie kurz vor dem Abschluß. Es würde deshalb zwecklos sein, im gegenwärtigen Augenblick über den Antrag zu verhandeln. Ich beantrage deshalb, ihn von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört, den Punkt 14 der gedruckten Tagesordnung heute abzusetzen. Ich nehme an, daß das Haus angesichts der Sachlage damit einverstanden ist.
({0})
- Ich lasse darüber abstimmen. Wer ist für den Antrag des Herrn Abgeordneten Mellies? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, es hat noch zur Geschäftsordnung ums Wort gebeten Herr Abgeordneter von Thadden.
({1})
von Thadden ({2}): Meine Damen und Herren! Ich danke für die Begrüßung! - Entschuldigen Sie, daß ich Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf einen Antrag lenken muß, den ich einbringen möchte; und zwar handelt es sich um folgendes: Das Haus hat heute vormittag, ohne zu wissen, worüber es abstimmte,
({3})
einem Antrage zugestimmt, dessen materiellen Inhalt es nicht kannte.
({4})
- Herr Kollege Mellies, es handelt sich darum ({5})
- Danke sehr!
Herr Abgeordneter von Thadden, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie zur Geschäftsordnung das Wort nur zu dem zur Verhandlung stehenden oder dem unmittelbar vorhergehenden Punkt oder zum Geschäftsplan des Hauses bekommen können. Sie sprechen zu einem Punkt, der weiter zurückliegt, und nicht zum Geschäftsplan des Hauses.
von Thadden ({0}): Ich spreche zum Geschäftsplan des Hauses. Ich möchte hier heute einen Antrag folgenden Wortlauts einbringen:
Der Ausschuß - ({1})
- Ja, zur Geschäftsordnung! Meine Damen und Herren, ich möchte nichts anderes, als Ihnen die Notwendigkeit vor Augen führen, daß das Haus sich noch einmal über eine Sache unterhält, über deren Inhalt es nicht orientiert war.
({2})
Nichts anderes möchte ich. Ich möchte hier einen Antrag einbringen
({3})
und das Haus darum bitten, zu diesem Antrag Stellung zu nehmen und über ihn zu befinden. Deswegen habe ich mich zur Geschäftsordnung gemeldet.
({4})
- Ich kann mich jederzeit zur Geschäftsordnung
melden und dem Hause den Antrag vorlegen, über
einen Antrag von mir in die Beratung einzutreten.
({5})
Herr Abgeordneter von Thadden, Sie täuschen sich über die Aufgaben des Redens zur Geschäftsordnung. Ich stelle fest, daß Sie ständig zu einem Punkt der Tagesordnung geredet haben, der heute morgen erledigt worden ist. Es steht Ihnen frei, in der üblichen und vorgeschriebenen Weise neue Anträge an dieses Haus zu richten,
({0})
aber nicht in der Form der Anträge zur Geschäftsordnung. Wenn Sie nichts anderes vorzubringen haben, bedaure . ich, Ihnen das Wort zur Geschäftsordnung entziehen zu müssen.
von Thadden ({1}): Herr Präsident! Ich möchte hier einen Antrag einbringen,
({2})
dessen schnelle Behandlung mir dringend scheint,
({3})
und Sie selbst werden ein außerordentlich es Interesse daran haben, dessen bin ich sicher,
({4})
daß diese Materie möglichst schnell hier behandelt wird.
({5})
Das will ich ja!
({6})
Ich habe ihn bereits eingereicht; ich wollte Ihnen hier nur den Vorschlag machen, über diesen Antrag insofern zu befinden, daß Sie beschließen, daß er heute noch behandelt wird; denn der Inhalt ist außerordentlich kurz, und es ist jederzeit zulässig, daß das Haus beschließt, über einen Antrag hier zu beraten.
Herr Abgeordneter von Thadden! Ich stelle fest, daß Sie einen Antrag zu einem Punkt der Tagesordnung gestellt haben. der heute morgen erledigt worden ist. Sie haben dazu gesprochen. Es steht Ihnen frei, diesen Antrag einzureichen. Er hat mit der Geschäftsordnung nichts zu tun. Ich entziehe Ihnen das Wort.
({0})
Ich bin gebeten worden, noch mitzuteilen, daß die Sitzung des Ausschusses für Jugendfürsorge ausfällt und daß die Mitglieder des Haushaltsausschusses gebeten werden, unmittelbar im Anchluß an die Plenarsitzung zu einer kurzen Besprechung im Sitzungszimmer zusammenzukommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf nächsten Mittwoch, 9 Uhr 30, und schließe die 105. Sitzung des Deutschen Bundestages.