Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 104. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Wir haben wieder die Pflicht, eines heimgegangenen Abgeordneten zu gedenken.
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Aus unserem Kreis ist durch einen plötzlichen Tod der Abgeordnete Erich Klabunde abberufen worden.
Der Abgeordnete Klabunde wurde 1907 in Hamburg geboren und ist Journalist gewesen. Er hat in den Schwierigkeiten und Nöten des Dritten Reiches für seine Überzeugung eingestanden und manche Bedrängnis auf sich genommen. Er ist in dieser Zeit, 1939, in die Arbeit am gemeinnützigen Wohnungsbau eingetreten, die den Rest seines Lebens im wesentlichen ausgefüllt hat. Daneben hat er eine weiträumige Tätigkeit als Vorsitzender des deutschen Journalistenverbandes ausgeübt sowie als Mitglied und Vorsitzender der sozialdemokratischen Fraktion der Hamburger Bürgerschaft. In unserem Hause hat er als Vorsitzender des Ausschusses für Bau- und Bodenrecht und als Mitglied des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen eine vom ganzen Hause anerkannte wichtige und für weiteste Kreise unseres Volkes förderliche Tätigkeit ausgeübt.
Ich habe namens des Deutschen Bundestages an der Feier seiner Beisetzung in Hamburg teilgenommen und den Dank des Deutschen Bundestages für seine Arbeit zum Ausdruck gebracht.
Sie haben sich zur Ehrung des Andenkens des Abgeordneten Erich Klabunde von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich habe sodann zu begrüßen den für den ausgeschiedenen Abgeordneten Lübke eingetretenen Abgeordneten Ernst Majonica. Ich begrüße den Herrn Abgeordneten Majonica in unserem Kreis und wünsche ihm für seine Arbeit guten Erfolg.
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An Stelle des Herrn Abgeordneten Klabunde ist die Abgeordnete Frau Gertrud Lockmann in den Bundestag eingetreten. Ich wünsche der Frau Abgeordneten Lockmann ebenfalls eine erfolgreiche Arbeit im Deutschen Bundestag.
Ich habe weiterhin bekanntzugeben, daß der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens mit sofortiger Wirkung aus der Deutschen Reichspartei ausgetreten ist
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und sich der Fraktion der Deutschen Partei als Mitglied angeschlossen hat.
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Der Deutsche Gemeinschaftsblock BHE-DG meldet, daß der Herr Abgeordnete Friedrich mit dem 16. November als Hospitant dem Deutschen Gemeinschaftsblock BHE-DG beigetreten ist.
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Ich bitte weiter um Aufmerksamkeit für den Herrn Schriftführer zur Bekanntgabe der Entschuldigungen und amtlichen Mitteilungen.
Der Präsident hat Urlaub erteilt den Abgeordneten Zinn, Dr. Greve, Rische, Wagner für 2 Tage, den Abgeordneten Rahn und Dr. Brill für 3 Tage, dem Abgeordneten Dr. von Brentano für 5 Tage, dem Abgeordneten Dr. Baade für 6 Tage.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Feldmann, Schuler, Leonhard, Vesper, Fischer, Nowack ({0}) für 14 Tage wegen Krankheit, Dr. Gerstenmaier, Wehner für 14 Tage wegen Teilnahme an der UN-Tagung in New York, Morgenthaler, Graf von Spreti, Nuding für 4 Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Ollenhauer, Dr. Reismann, Kuhlemann, Dr. Horlacher, Knothe, Dr. Fink, Agatz.
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß den über eine Woche hinausgehenden Urlaubsgesuchen nicht widersprochen ist. Die Urlaubsgesuche sind damit genehmigt.
({0})
-Der Herr Abgeordnete Nuding ist mit aufgerufen, Herr Abgeordneter Renner: wegen Krankheit für 4 Wochen die Abgeordneten Morgenthaler, Graf von Spreti und Nuding.
Die Herren Abgeordneten Leonhard, Schuler und Graf von Spreti sind von ihrem Autounfall noch nicht wiederhergestellt. Sie befinden sich weiterhin im Krankenhaus.
Ich stelle fest, daß der Abgeordnete Dr. Greve nicht abwesend, sondern zu unserer Freude anwesend ist.
Ich bitte um Aufmerksamkeit für die weiteren Mitteilungen.
Der Deutsche Bundesrat teilt mit, daß er in seiner Sitzung am 1. Dezember 1950 beschlossen hat, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Personenstandsgesetzes,
Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Verschollenheitsrechts,
Gesetz über Schifferdienstbücher, Gesetz über den Ablauf der durch Kriegsoder Nachkriegsvorschriften gehemmten Fristen,
Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 27. November 1950 die Anfrage Nr. 130 der Fraktion des Zentrums über den Aufbau von militärischen und polizeilichen Dienststellen - Drucksache Nr. 1537 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 1663.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 21. November 1950 die Anfrage Nr. 132 der Faktion des Zentrums betreffend Einsichtnahme von Steuerbehörden in Volkszählungsunterlagen - Drucksache Nr. 1542 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 1652.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 24. November 1950 die Anfrage Nr. 136 der Fraktion der KPD betreffend Schließung des Eisenbahn-Ausbesserungswerks Heilbronn - Drucksache Nr. 1581 - beantwortet. Die Antwort trägt die Drucksachennummer 1656.
Das Bundeskanzleramt - Dienststelle für Auswärtige Angelegenheiten - hat unter dem 2. Dezember 1950 die Anfrage Nr. 139 der Fraktion des Zentrums betreffend Aufenthalt von Fremden in den USA - Drucksache Nr. 1593 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1673 vervielfältigt werden.
Gemäß der ihm in der 73. Sitzung des Deutschen Bundestags gemachten Auflage hat der Herr Bundeskanzler am 5. Dezember 1950 über den Reiseverkehr mit dem Saargebiet berichtet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 1675 vervielfältigt werden.
Meine Damen und Herren! Damit sind die Mitteilungen beendet.
Als Punkt 1 steht auf der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der
CDU/CSU betreffend Wiederbesiedlung der
Stadt Kehl ({0}).
Es war im Ältestenrat gestern vorgesehen, daß der ursprünglich eingereichte und Ihnen vorgelegte Antrag der Fraktion der CDU/CSU aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen mit Rücksicht auf die Frage der Deckungsvorlage als Interpellation eingebracht werden sollte. Ich bin von den Antragstellern darüber unterrichtet worden, daß sie keine Interpellation einzubringen gedenken, sondern der Auffassung sind, daß der Antrag behandelt werden sollte. Ich darf diesen Punkt um einige Nummern zurückstellen und darf zunächst mit Punkt 2 der Tagesordnung beginnen:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei, des Zentrums und der WAV betreffend Gesetzentwürfe über eine Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer ({1}).
({2})
- Der Begründer der Interpellation ist noch nicht da.
Ich darf Punkt 3 der Tagesordnung aufrufen: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend steuerlich abzugsfähige Mitgliedsbeiträge ({3}).
({4})
Wer wird die Interpellation für die antragstellende Partei begründen? - Offenbar ist der Begründer der Interpellation noch nicht anwesend.
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- Herr Abgeordneter Seuffert!
Darf ich darauf hinweisen, daß vom Ältestenrat eine Einbringungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vereinbart wurde. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Seuffert ({6}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 9 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes ist klar festgelegt, daß Beiträge zu Berufsständen und sonstigen Berufsverbänden, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, als Werbungskosten und demnach als Betriebsausgabe bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer abzugsfähig sind. Ebenso klar ist im Steuerrecht, daß freiwillige Zuwendungen irgendwelcher Art, auch zu politischen Zwecken, nicht steuerabzugsfähig sind. Ich darf am Rande darauf hinweisen, daß sogar die NSDAP, die ja gern und viel genommen hat und ein Monopol auf diesem Gebiete hatte, niemals zugelassen hat, daß die Spenden, die ihr zuflossen, auf dem Weg über Steuergelder verrechnet worden sind.
Den Steuerrechtlern ist bekannt, daß die Frage, wann bei Berufsverbänden ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, schon außerordentliche Schwierigkeiten verursacht hat. Unsere Interpellation bezieht sich auf eine Frage, die nicht in dieser Richtung gelegen ist, sondern in einer anderen. Offenbar haben sich Berufsverbände und ähnliche Vereinigungen in letzter Zeit - oder vielleicht nicht erst in letzter Zeit - in einem Maße mit politischen Aufgaben und mit der Aufbringung politischer Gelder beschäftigt, daß sie aus der Kategorie von wirklichen Berufsverbänden der Kategorie von politischen Organisationen oder Hilfsorganisationen von politischen Parteien außerordentlich nahegerückt sind. Offenbar wird sehr stark die Auffassung vertreten, daß die Politik eine Funktion der Wirtschaft oder genauer gesagt eine Funktion, eine Hilfsfunktion der Vertretung wirtschaftlicher, privatwirtschaftlicher Interessen sei. Es ist nicht mehr so sehr die Abgrenzung zwischen Berufsverbänden und wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, sondern die Abgrenzung zwischen Berufsverbänden und politischen Verbänden und letzten Endes die Frage der Abgrenzung zwischen Politik und Wirtschaft und Geschäftsbetrieb fraglich geworden.
Die konkreten Fälle, auf die sich unsere Interpellation bezieht, darf ich Ihnen kurz vortragen. Es liegt hier ein vertrauliches Rundschreiben des Verbandes der bayerischen Grundbesitzer e. V. vom 15. September 1950 vor. Der Verband der bayerischen Grundbesitzer e. V. ist praktisch die Vertretung des bayerischen Großgrundbesitzes, und ich möchte Ihnen das Dutzend außerordentlich erlauchter Namen, die unter diesem Schreiben stehen, nicht vorlesen, um mich nicht leichtfertig dem Vorwurf der Aufreizung zum Klassenhaß auszusetzen.
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In diesem Rundschreiben heißt es:
Die verantwortungsbewußte Erfüllung der
Aufgaben unseres Verbandes und die Wahrung
der Interessen der in ihm Zusammengeschlossenen macht es uns zur Pflicht, dem Wahlkampf und dem Ausgang der Wahlen nicht untätig zuzusehen. Als Verband kann es bei der gegebenen politischen Lage nur unser Ziel sein, den Bestrebungen der Linksparteien entgegenzuwirken, indem wir die bürgerlichen Parteien in ihrer Gesamtheit stärken. Wir fordern deshalb einstimmig die Mitglieder zur Schaffung eines möglichst starken Wahlfonds auf. Der Zweck dieses Wahlfonds ist eindeutig die Stärkung einer bürgerlichen Majorität.
Ich zitiere immer noch aus dem Schreiben! Es heißt weiter in dem Schreiben, daß der Wahlfonds dadurch aufgebracht werden soll, daß jedes Verbandsmitglied den doppelten jährlichen Beitrag in den Wahlfonds zahlt und daß man bei der nächsten Mitgliederversammlung den Mitgliedsbeitrag um diesen Betrag erhöhen würde, ohne das irgendeinem Zahlungszwang zu unterstellen. Es soll damit die Möglichkeit eröffnet werden, allenfalls die Zahlung als Mitgliedsbeitrag buchen, d. h. natürlich sie von der Steuer abziehen zu können.
Ein anderes, schon etwas älteres Schreiben, das uns vorliegt, ein Rundschreiben des Fachverbandes Nährmittelindustrie e. V. in Bayern vom 22. Mai 1950, teilt mit, daß der Landesausschuß der bayerischen Industrie beschlossen hat, bei den von ihm vertretenen Industrien eine Umlage von 1 DM pro Kopf der Beschäftigten einzuheben und daraus einen Fonds zu bilden, mit dessen Mitteln folgende Aufgaben erfüllt werden sollen: erstens die Presse für die Vertretung des Unternehmerstandpunktes zu gewinnen und ihr druckreife Artikel mit dieser Zielsetzung zuzuleiten - das ist eine Frage der finanziellen Einflußnahme auf die Presse, mit der sich die Presse auseinanderzusetzen hat -; zweitens in der Frage des Mitbestimmungsrechts alle verfügbaren Kräfte zur Erhaltung der Unabhängigkeit des Unternehmers einzusetzen - ein Ziel, das von dieser Seite her verständlich ist, ob man in dieser Weise finanziell dafür arbeiten soll und darf, mag aber eine Frage sein -; drittens die Wahlgelder für die Durchsetzung wirtschafts- und unternehmerfreundlicher Auffassungen in den bürgerlichen Parteien bei der bevorstehenden Landtagswahl sicherzustellen, und andere. Der Sonderfonds soll außerdem dazu dienen, um den bürgerlichen Parteien Zuwendungen für die Wahl in den Bayerischen Landtag zu machen.
Über den auf diese Weise tatsächlich zustande gekommenen Wahlfonds wissen wir inzwischen Näheres. Es ist derjenige Fonds, von dem Herr Bungartz, nunmehr neu gewählter Abgeordneter der Freien Demokratischen Partei im Bayerischen Landtag, urbi et orbi vor einigen Wochen verkündet hat, daß er über ihn disponiert und ihn bei den bayerischen Landtagswahlen eingesetzt hat.
Bei diesen Tatbeständen, meine Damen und Herren, taucht die erste Frage auf: Ist es Aufgabe eines Berufsverbandes, ist es mit dem Charakter eines Berufsverbandes, der für seine Beiträge steuerliche Abzugsfähigkeit in Anspruch nimmt, verträglich, in dieser Weise politische Gelder aufzubringen? Ich versage es mir, an dieser Stelle über die Zusammenhänge mit solchen politischen Geldern, die. festgestellt wurden, zu sprechen, weil das eine Frage ist, mit der sich der Untersuchungsausschuß dieses Hauses noch befaßt.
Die zweite Frage ist vor allem die, ob derartige sogenannte Beiträge oder Umlagen die Abzugsfähigkeit von den Steuergeldern in Anspruch nehmen können, wodurch es möglich wird, der({8})
artige Zuwendungen praktisch auf Kosten der Staatskasse - wenigstens zum größten Teil - zu machen.
Ich habe hier noch eine weitere Notiz vor mir. Darin ist von verschiedenen Konten die Rede: dem Konto FDP Wirtschaftsdienst Kontonummer 636 Frankfurter Bank, Frankfurt am Main; Konto CDU, Wirtschaftspolitische Beratungsstelle, Mitteldeutsche Kreditbank Frankfurt am Main; und als neutrales Konto ist hier aufgeführt das Konto A. Heinrichsbauer, Frankfurt am Main, Kontonummer 11 513 bei der Rhein-Main-Bank Frankfurt am Main, Sonderkonto Wirtschaftswerbung. Herrn Heinrichsbauer haben wir ja inzwischen näher kennengelernt, insbesondere wie neutral er ist.
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In dieser Notiz heißt es, daß die Verwendung der Beträge ausschließlich für den besprochenen Zweck gewährleistet ist und kontrolliert wird, daß die Überweisungen möglichst während der Rücksprache veranlaßt werden sollen, daß Verbandsfirmen, die mehreren Wirtschaftsverbänden angehören, den der Gesamtbeschäftigtenzahl entsprechenden Betrag zu zahlen und daß sie ihren Verbänden entsprechend zu melden haben, daß bei der Durchführung der Besuche auf möglichste Beschleunigung Wert zu legen ist, weil alle Überweisungen bis spätestens Mitte Oktober 1950 zur Verfügung stehen müßten. Kategorisch heißt es dann in dieser Notiz: „Überweisungen auf diese Konten sind als Betriebsausgaben steuerabzugsfähig".
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Wir möchten wissen, womit derartige Praktiken und derartige Ankündigungen gerechtfertigt werden können. Ich möchte noch einmal sagen, daß wir in diesem Augenblick darauf verzichten - weil uns das nicht an der Zeit scheint -, vor Abschluß der Untersuchungen des Untersuchungsausschusses auf die Beziehungen der Regierungsparteien oder einzelner Regierungsmitglieder zu solchen Wahlfonds zu sprechen zu kommen.
Wir möchten heute von dem Herrn Bundesminister der Finanzen wissen: erstens: Hält er es mit dem Charakter eines Berufsverbandes für verträglich, daß dieser Berufsverband politische Gelder sammelt und sie politischen Zwecken zuführt? Zweitens: Hält die Bundesregierung die Verbuchung derartiger Zahlungen als steuerlich abzugsfähige Mitgliederbeiträge für zulässig? Und wenn nein - ich kann mir an sich bei der klaren Sachlage im heutigen Recht keine andere Antwort vorstellen -: was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um einem solchen Mißbrauch der Bestimmungen über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Mitgliederbeiträgen entgegenzutreten?
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Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Sachund Rechtslage darf ich auf die aufgeworfenen Fragen hin folgendes feststellen.
Mitgliederbeiträge von Steuerpflichtigen an ihre Berufs- und Standesorganisationen stellen in der Regel Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes oder Werbungskosten nach § 9 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes dar. Es ist dabei aber unterstellt, daß die Mitgliederbeiträge zur Förderung der allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Belange der Mitglieder verwendet werden. Beiträge an politische Parteien und sonstige politische Organisationen sind keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten, sondern Spenden, die bei ,der Ermittlung ,der Einkünfte und des Einkommens nicht abzugsfähig sind. Das gilt auch dann, wenn die Beiträge nicht unmittelbar, sondern mittelbar über die Berufs- und Standesorganisationen an die politischen Parteien geleistet werden.
Wenn der Verband der bayerischen Grundbesitzer e. V. seine Mitglieder durch Rundschreiben aufgefordert hat, zur Bildung des Wahlfonds für die Stärkung einer bürgerlichen Majorität in der Weise beizutragen, daß Mitgliederbeiträge in doppelter Höhe gezahlt werden, so kann solchen Beiträgen, soweit sie aus diesem Anlaß erhöht worden sind, die Eigenschaft als Betriebsausgaben oder als Werbungskosten nicht zuerkannt werden. Die Gestaltung dieser Beiträge für politische Zwecke als Mitgliedsbeiträge einer Berufs- und Standesorganisation stellt einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts dar und ist nach § 6 des Steueranpassungsgesetzes steuerlich nicht zu beachten. Die erhöhten Mitgliedsbeiträge, die der Bildung eines Wahlfonds für politische Zwecke dienen, sind deshalb als nichtabzugsfähige Spenden zu behandeln. Ebenso ist zu verfahren, wenn andere Berufs- oder Standesorganisationen Mitgliederbeiträge in gleicher oder ähnlicher Weise mißbräuchlich verwenden.
Das gleiche gilt, wenn politische Parteien wirtschaftliche Mitteilungsblätter oder wirtschaftliches Informationsmaterial gegen Unkostenerstattung herausgeben. In solchen Fällen muß geprüft werden, ob die Höhe des Unkostenbeitrags sich im Rahmen einer angemessenen Gegenleistung bewegt. Liegt der Unkostenbeitrag über der angemessenen Gegenleistung, so ist zu vermuten, daß der Mehrbetrag den politischen Zwecken der Parteien zu dienen bestimmt ist. In diesem Fall kann der Mehrbetrag nicht mehr als abzugsfähige Betriebsausgabe angesehen werden. Wird festgestellt, daß eine andere Organisation, z. B. eine Berufs- und Standesorganisation auf diesem Wege Mittel zur Bildung eines Wahlfonds für politische Zwecke aufbringen will, so ist den erhöhten Aufwendungen die Abzugsfähigkeit zu versagen.
Das Bundesministerium der Finanzen hat sich aus Anlaß des in der Interpellation erwähnten Falles mit dem bayerischen Staatsministerium der Finanzen ins Benehmen gesetzt. Das bayerische Staatsministerium der Finanzen hat daraufhin Abdruck einer Verfügung, die an die beiden Oberfinanzdirektionen München und Nürnberg unter dem 15. November 1950 ergangen ist, betreffend steuerliche Behandlung von Mitgliedsbeiträgen usw. an Berufs- und Standesorganisationen, übersandt. Diese Verfügung lautet - ich darf sie verlesen:
1. Die Mitgliedsbeiträge von Steuerpflichtigen an ihre Berufs- und Standesorganisationen stellen in der Regel Betriebsausgaben oder Werbungskosten dar. Es ist dabei unterstellt, daß die Mitgliedsbeiträge zur Förderung der allgemeinen ideellen und wirtschaftspolitischen Belange der Mitglieder verwendet werden. Beiträge an politische Parteien und sonstige politische Organisationen sind daher keine Betriebsausgaben oder Werbungskosten, sondern
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Spenden, die bei der Ermittlung der Einkünfte, des Einkommens, nicht abzugsfähig sind. Dies gilt auch dann, wenn die Beiträge nicht unmittelbar sondern mittelbar über die Berufs- und Standesorganisationen an die politischen Parteien geleistet werden.
Der Standpunkt des bayerischen Staatsministeriums der Finanzen ist also genau der gleiche wie der des Bundesfinanzministeriums.
2. Nach einer Interpellation der Fraktion der SPD im Bundestag vom 26. Oktober 1950 soll der Verband der bayerischen Grundbesitzer e. V. mit Rundschreiben vom 15. September 1950 seine Mitglieder aufgefordert haben, zur Bildung eines Wahlfonds für die Stärkung einer bürgerlichen Majorität beizutragen. Nach dem Rundschreiben soll der Wahlfonds durch Erhöhung der Mitgliedsbeiträge auf das Doppelte aufgebracht und dadurch die Möglichkeit eröffnet werden, die Zahlung als Mitgliedsbeitrag buchen zu können.
Solchen Beiträgen, die einem bestimmten politischen Zweck zu dienen bestimmt sind, kann trotz ihrer Bezeichnung als Mitgliedsbeiträge an Berufs- und Standesorganisationen die Eigenschaft als Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zuerkannt werden. Die Gestaltung dieser Beiträge für politische Zwecke als Mitgliedsbeiträge einer Berufs- und Standesorganisation stellt einen Mißbrauch im Sinne des § 6 Steueranpassungsgesetz dar und ist daher nicht zu beachten. Die erhöhten Mitgliedsbeiträge, die der Bildung eines Wahlfonds für politische Zwecke dienen, sind deshalb als nicht abzugsfähige Spenden zu behandeln. Ebenso ist zu verfahren, wenn andere Berufs- oder Standesorganisationen Mitgliedsbeiträge in gleicher oder ähnlicher Weise mißbräuchlich verwenden.
3. Wenn politische Parteien wirtschaftliche Mitteilungsblätter oder wirtschaftliches Informationsmaterial gegen Unkostenerstattung herausgeben, muß geprüft werden, ob die Höhe des Unkostenbeitrags sich im Rahmen einer angemessenen Gegenleistung bewegt. Liegt der Unkostenbeitrag über der angemessenen Gegenleistung, so ist zu vermuten, daß der Mehrbetrag den politischen Zwecken der Partei zu dienen bestimmt ist. In diesen Fällen kann der Mehrbetrag nicht mehr als abzugsfähige Betriebsausgabe angesehen werden. Wird festgestellt, daß auch andere Organisationen, z. B. Berufs- oder Standesorganisationen, auf diesem Wege Mittel zur Bildung eines Wahlfonds für politische Zwecke aufbringen wollen, so ist den erhöhten Aufwendungen die Abzugsfähigkeit ebenfalls zu versagen.
4. Ich bitte, die Veranlagungsbeamten und insbesondere die Betriebsprüfer anzuweisen, erhöhte Ausgaben der vorbezeichneten Art auf ihre Zweckbestimmung und Angemessenheit zu überprüfen und bei Feststellung von Mißbräuchen die Abzugsfähigkeit abzulehnen.
Soweit besondere Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht werden, bitte ich zu berichten.
Folgt Unterschrift.
Der Standpunkt des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen ist in allen Fragen genau derselbe wie der des Bundesministeriums der Finanzen. Das Bundesministerium der Finanzen wird die
Finanzminister der übrigen Länder ersuchen, gleichmäßig vorzugehen.
({1})
Meine Damen und Herren, die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Ich frage, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird.
({0})
- Es haben sich keine 50 Abgeordnete gemeldet, die eine sofortige Besprechung wünschen. Damit ist die Beratung der Interpellation beendet.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, zur Besprechung der Interpellation nicht! Denn diese findet nur statt, wenn 50 Abgeordnete es wünschen.
({2})
- Ich habe die Frage gestellt. Sie ist nicht positiv
beantwortet worden, Herr Abgeordneter Renner.
({3})
Die Besprechung der Interpellation ist nicht gewünscht; damit ist der Punkt der Tagesordnung erledigt.
Nachdem der Herr Begründer der Interpellation zu Tagesordnungspunkt Nr. 2 eingetroffen ist, rufe ich auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei, des Zentrums und der Fraktion der WAV betreffend Gesetzentwürfe über eine Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer ({4}).
Der Herr Abgeordnete Dr. Etzel wird die Interpellation begründen.
Der Ältestenrat schlägt vor: für die Begründung der Interpellation 10 Minuten, für die Aussprache 40 Minuten. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Dr. Etzel ({5}) ({6}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 11. Ausschuß, dem die Anträge der Drucksachen Nr. 865, 868, 538, 800 und 877 über die Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer sowie der Zigarettenpapierpreise bei Mitbeteiligung des 13. Ausschusses überwiesen worden waren, hat in der Plenarsitzung vom 2. Juni unter gleichzeitiger Einbeziehung des Antrags Drucksache Nr. 927 beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 1. August 1950 Gesetzentwürfe über eine ausreichende Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer vorzulegen, die, wie ich hinzufügen darf, durch Besatzungsbefehl seinerzeit in einer jedes berechtigte Maß übersteigenden Weise erhöht worden sind.
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Meine Damen und Herren, darf ich um Aufmerksamkeit für den Herrn Redner bitten!
Dr. Etzel ({0}) ({1}), Interpellant: Da die entschlossene Inangriffnahme und Lösung des Problems verzögert zu werden drohten und da es angezeigt schien, gewisse retardierende Momente,
({2})
die sich im Bundesfinanzministerium zeigten, zu überwinden oder überwinden zu helfen, wurde diese Interpellation eingebracht. Es sollte gleichzeitig verhindert werden, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstand oder die Meinung aufkam, das Parlament könne beschließen, was es wolle, die Exekutive tue ihrerseits, was sie wolle. Diesem Eindruck und dieser Meinung vorzubeugen, lag gleicherweise im Interesse der Legislative wie der Exekutive selbst.
Die Debatten, die im Zusammenhang mit der Beratung der erwähnten Anträge und der Interpellation der Drucksache Nr. 690 betreffend den Schmuggel und Schwarzhandel in Genußmitteln stattfanden, haben den Sachstoff so ausgiebig behandelt, daß es sich erübrigt, auf die Gesamtheit der Gesichtspunkte nochmals zurückzukommen.
Inzwischen hat der Herr Bundesfinanzminister dem 11. Ausschuß Unterlagen zugehen lassen, in denen er die Auffassung vertritt, daß eine Steuersenkung kaum verantwortet werden könne, weil nach den in seinem Ministerium angestellten Untersuchungen und Berechnungen dann nicht mit dem. gleichen Steueraufkommen wie bisher gerechnet werden könne. Bei den Zigarren und beim Bier seien die auf die Steuersenkung gesetzten Erwartungen enttäuscht worden, in beiden Fällen sei das frühere Aufkommen nicht erreicht worden. Dagegen sei das Sollaufkommen in der nicht gesenkten Banderolensteuer für Zigaretten in den Monaten Mai bis Juni ständig gestiegen, der Erfolg der Schmuggelbekämpfung sei hier unverkennbar.
Es soll nicht bestritten werden, daß einer energischen Bekämpfung von Schmuggel und Schwarzhandel mit polizeistaatlichen Mitteln gewisse Erfolge nicht versagt bleiben, und ich gebe zu, daß hier durch eine energische Aktion tatsächlich positive Ergebnisse erzielt worden sind. Aber es sind nur vorübergehende Erfolge. Hier entsteht der Wettlauf zwischen dem Geldschrank und dem Geldschrankknacker. Ich sage nicht, daß der Herr Bundesfinanzminister ein Geldschrankknacker sei,
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obwohl an und für sich irgendwo die Meinung entstehen könnte, daß die Geldschränke nicht bloß der Bürger, sondern auch der Länder von dem Bundesfinanzminister geknackt werden. Aber bei diesem Wettlauf siegt sehr häufig der Geldschrankknacker, und bei dem Wettrennen zwischen dem Schmuggler und dem Schwarzhändler einerseits und den Zollwächtern und den Polizeiorganen andererseits ist sehr häufig der Erfolg nur vorübergehend auf der Seite der letzteren. So ist auch zu erklären, daß vor allem aus den besonders gefährdeten und unter dem Schwarzhandel und Schmuggel leidenden südöstlichen Bereichen des Bundesgebietes erneut Klagen darüber kommen, daß nach der Durchführung und seit dem Ende der sogenannten Hummel-Aktion sich die skandalösen Verhältnisse im Schmuggelwesen und auf dem Schwarzmarkt wieder wie früher eingestellt hätten.
Vor allem aber besteht keine Möglichkeit, diese Dinge nur unter dem Gesichtspunkt der polizeistaatlichen Mittel zu betrachten. Bei der Beurteilung des vermehrten Aufkommens aus der Banderolensteuer darf nicht außer acht gelassen werden, daß ja in der Zwischenzeit eine weitgehende Vermehrung der Beschäftigtenzahl, und zwar eine echte Zunahme der Beschäftigtenzahl, unter gleichzeitiger Abnahme ,der Arbeitslosenziffer stattgefunden hat und daß erfahrungsgemäß gerade auf dem Gebiet des Zigarettenkonsums sich eine solche Verbesserung der Arbeitsmarktlage äußert. Gewisse Voreindeckungen, die im Zusammenhang mit dem Korea-Konflikt stattfinden konnten, müssen hier ebenfalls mit in Betracht gezogen werden, so daß nicht alles ausschließlich auf die polizeistaatlichen Mittel abgestellt werden kann. Insbesondere aber ist eine Vergleichsmöglichkeit deswegen nicht gegeben, weil es sich bei Kaffee und Zigaretten um die Rücklenkung illegaler Märkte zur legalen Bedarfsdeckung handelt, ein Problem, das bei Bier und Zigarren nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Schärfe besteht. Außerdem darf dem Einwand des Herrn Bundesfinanzministers, daß sich bei der Senkung der Banderolensteuer vermehrtes Aufkommen eingestellt habe, entgegengehalten werden, daß bei Bier und Zigarren zweifellos gewisse fiskalische Fehler gemacht worden sind. Bei der Senkung der Steuer auf Zigarren wurde ein Durchschnittspreis von 22 Dpf zugrunde gelegt, gleichzeitig aber versäumt, durch Schaffung einer Mindestpreislage einem Durchrutsch des Preises, der dann auch tatsächlich bis auf 18 Pfennig stattfand, vorzubeugen. Dabei war die Festsetzung eines Mindestverkaufspreises von 22 Pfennig durchaus vertretbar, weil die Hauptverbraucher von Zigarren den wirtschaftlich besser gestellten Kreisen angehören, im Gegensatz zur Zigarette, die vor allem auch in Arbeiterkreisen, die die Zigaretten neben dem Pfeifentabak verbrauchen, beliebt ist.
Bei der Zigarettensteuer sind ähnliche Enttäuschungen, wie ich noch darlegen werde, nicht zu erwarten.
Die Senkung der Biersteuer ist verhältnismäßig spät, erst nach dem Ende der heißen Jahreszeit erfolgt. Außerdem bestehen hier die Preisbindungen nicht, wie sie bei der Zigarette 'eingeführt sind. Eine Reihe von Wirkungen der Steuersenkung auf Bier ist zweifellos erst im Laufe der weiteren Monate zum Ausdruck gekommen.
Bei der Zigarettensteuer ist aus fiskalischen Gründen stets ein Mindestverkaufspreis fest- und zugrunde gelegt. Im übrigen handelt es sich hier um einen Markenartikel mit vorgeschriebenen Kleinverkaufspreisen.
Außerdem ist bei den Tabakwaren, vor allem bei der Zigarette, damit zu rechnen, daß noch starke Reserven bei den Verbrauchern zur Verfügung stehen, außer bei denen, die sich auf den illegalen Märkten eindecken. Ferner handelt es sich auch um die Rückgewinnung und Rückwanderung der sogenannten Selbstdreher zur fabrikmäßig hergestellten Zigarette. Schließlich ist noch zu sagen, daß die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums auf einem Kleinverkaufspreis von 6 2/3 Dpf statt des durch die Industrie vorgeschlagenen Satzes von 7 1/7 Pfennig beruhen.
Auch die vom Bundesministerium bezüglich des erhöhten Steueraufkommens aus Kaffee gezogenen Schlußfolgerungen sind meines Erachtens nicht zu halten. An und für sich hätte man erwarten können, daß im Zusammenhang mit dem Koreakonflikt Voreindeckungen stattgefunden haben, so daß auch aus diesem Grunde erklärlich wäre, daß ein erhöhtes Aufkommen erzielt wurde. Aber nun zeigen sich bei einer genauen Durchprüfung des Aufkommens in den zwei wesentlichen Teilen des Bundesgebietes, in Süddeutschland und in Nordwestdeutschland, bedeutende Unterschiede. Gerade in den durch den Schmuggel und den Absatz von amerikanischem Dosenkaffee am meisten betroffenen süddeutschen Ländern einschließlich des Lan({4})
des Rheinland-Pfalz, deren Bevölkerung 48 % der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes ausmacht, betrug das Aufkommen erstens an Verbrauchssteuern im Fiskaljahr 1949/50 16,1 %, im ersten Vierteljahr 1950 15,8 %, im Juni 1950 11,43 % und zweitens an Verzollungen im Juli 1950 14,89 %, im August 12,79 5, im September 13,24 % und im Oktober 13,22 %.
Man kann nun nicht einwenden, daß der Kaffeehandel, die Röstereien, der Großhandel übergebietlich orientiert seien; denn es wird seitens der nordwestdeutschen Großröstereien zugegeben und festgestellt, daß ihr Absatz nach Süddeutschland sehr gering ist, so daß also der Schluß erlaubt, ja notwendig ist, daß gerade die durch den Schmuggel und durch den Schwarzhandel am stärksten gefährdeten Südost- und Südbezirke des Bundesgebietes unter der Fortdauer des Schmuggels besonders gelitten haben, während im ganzen wohl eine Zunahme der Eindeckungen stattgefunden hat, dort aber eben nicht auf legalen, sondern auf illegalen Märkten.
Einen wesentlichen Punkt bildet weiterhin die Frage der Devisen. Ich habe bereits in der Sitzung vom 12. Mai kurz hierauf hingewiesen. Gewiß erfordern legale Einfuhren Devisen, und eine vermehrte Ablenkung des Verbrauchs auf die legale Einfuhr wird einen vermehrten Devisenbedarf zur Folge haben; bei unserer heutigen Zahlungsbilanz, die uns genötigt hat, soeben einen weiteren Kreditvorschuß von 120 Millionen DM bei der EPU zu beantragen, ein wichtiger Gesichtspunkt, das gebe ich zu. Aber es darf nicht übersehen werden, daß die illegale Einfuhr durch illegale Ausfuhr von Waren, und zwar von besonders wertvollen, heute in der Regel strategisch erwünschten Waren, oder durch illegale Ausfuhr von D-Mark bezahlt werden muß. In beiden Fällen entzieht sich so ein wesentlicher und umfangreicher Abschnitt unseres Außenhandels der deutschen Devisenkontrolle, und die legale Ausfuhr erleidet hier eine ständige starke Verkürzung zugunsten der illegalen. Auch aus diesen Gründen muß danach gestrebt werden, daß Schwarzmarkt und Schmuggel über die Zonen- und politischen Grenzen unbedingt durch organische - nicht polizeistaatliche Mittel, die zum Teil überhaupt versagen, zum Teil nur vorübergehender Natur sind - unterbunden werden.
Herr Abgeordneter, die für die Begründung vorgesehene Zeit ist abgelaufen. Darf ich Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Dr. Etzel ({0}) ({1}), Interpellant: Der Bundesfinanzminister selbst hat in der Plenarsitzung vom 2. Juni zugegeben, wie dringend im Bundeshaushalt der Betrag von etwa 800 Millionen DM hinterzogener Zölle und Steuern benötigt würde, und er hat es beklagt, daß diese Mittel fehlen, durch welche vor allem den Kriegsopfern und ihren Hinterbliebenen rechtzeitig die angemessene Hilfe zuteil werden könnte. Stände dieser Betrag im Bundeshaushalt zur Verfügung, dann wäre nicht notwendig gewesen, das vor längeren Wochen bereits verabschiedete Versorgungsgesetz erst in den letzten Tagen der Hochkommission vorzulegen.
Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß der soeben abgeschlossene Handelsvertrag mit Griechenland die legale Einfuhr von Orienttabaken in einem Betrage von 35 Millionen DM bis zum Jahre 1953 vorsieht. Diese Einfuhr gegen den Verkauf deutscher Industrieausrüstungen ist nur dann möglich, wenn die Industrie durch eine Senkung der Zigarettensteuer und der Steuer auf sonstige Tabakwaren in den Stand gesetzt wird, auf der Grundlage einer Umsatzsteigerung die Bezüge aus dem Orient zu finanzieren.
Der Herr Bundesfinanzminister hat wiederholt die Zunahme der Steuerhehlerei beklagt. Ich darf demgegenüber darauf hinweisen, daß die Menschen ja nicht bloß Engel sind. Pascal sagt, der Mensch sei weder Engel noch Tier, und man kann füglich von einem Menschen mit armseliger Börse nicht ohne weiteres erwarten, daß er einer Verlockung, sich auf dem Schwarzmarkt einzudecken, widersteht.
Es handelt sich, das darf ich zum Schluß sagen, um die Beseitigung einer auf Besatzungsbefehl auferlegten übermäßigen Besteuerung eines Massenverbrauchs, um die Wiederherstellung einer in unerträglicher Weise gestörten Ordnung und, soweit es um die Tabakbesteuerung geht, um die Wiedereinführung einer lange bewährten Relation zwischen den einzelnen Gruppen der Tabakwaren und um die Hebung der allgemeinen Steuermoral. Ich bin der Auffassung, daß die Frage der Senkung dieser Steuern nicht deswegen zurückgestellt werden darf, weil eine allgemeine Erhöhung der Umsatzsteuer in Betracht kommt oder erwogen wird.
Ergänzend möchte ich noch sagen, daß eine Nachprüfung des Aufkommens aus der gesenkten Zuckersteuer ergeben hat, daß die Senkung dieser Verbrauchssteuer nicht auch zu einer Minderung des Steueraufkommens geführt hat.
Ich stelle den Antrag, der Bundestag möge beschließen, daß die Interpellation zu einer weiteren Beratung und Behandlung dem 11. Ausschuß überwiesen wird.
({2})
Die Begründung der Interpellation ist erfolgt. Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei, des Zentrums und der WAV werden der Bundesregierung drei Fragen vorgelegt:
1. aus welchen Gründen die termingemäße Einbringung der vom Bundestag geforderten Gesetzentwürfe über eine Senkung der Kaffee-, Tabak- und Teesteuer unterblieben ist;
2. was die Bundesregierung zu tun gedenkt, um nunmehr alsbald dem Ersuchen des Bundestages zu entsprechen;
3. bis zu welchem Zeitpunkt die Bundesregierung glaubt, die Gesetzentwürfe einbringen zu können.
Ich darf zu diesen drei Fragen Stellung nehmen.
Erstens. Die Gründe, aus denen die termingemäße Einbringung der vom Bundestag durch Entschließung vom 2. Juli 1950 gewünschten Gesetzentwürfe über eine Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer unterblieben ist, hat die Bundesregierung durch ein Schreiben vom 27. Juli 1950 an den Herrn Präsidenten des Bundestages dargelegt. In diesem Schreiben ist folgendes ausgeführt worden - ich wiederhole es -:
Nach dem 2. Juni 1950 sind die vorbereiteten
Maßnahmen zur verstärkten Bekämpfung des
Schmuggels angelaufen. Außerdem ist sofort
({0})
mit den Vorarbeiten für die Entwürfe der Gesetze zur Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer begonnen worden.
Der verstärkte Kampf gegen den Schmuggel hat bereits zu beachtlichen Erfolgen geführt, obwohl erst ein Teil der eingeleiteten Maßnahmen sich hat auswirken können. Die Bemühungen, den Schmuggel zu unterdrücken, werden mit allen Mitteln fortgesetzt. Nach den erfreulichen Anfangserfolgen ist zu hoffen,
a) daß ein höheres Steueraufkommen erzielt wird,
b) daß der drohenden Gefährdung des redlichen Handels Einhalt geboten werden kann.
Bei der Kürze der verflossenen Zeit lassen sich die Auswirkungen des Kampfes gegen den Schmuggel noch nicht genau überblicken. Insbesondere ist noch nicht zu übersehen, wie sich die verstärkte Schmuggelbekämpfung auf die Schwarzmarktpreise auswirkt. Statistische Unterlagen werden beschleunigt beschafft. Die weitere Entwicklung muß daher abgewartet werden.
Im gegenwärtigen Augenblick läßt sich auch nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussagen, wie sich bei einer Steuersenkung das Aufkommen der Verbrauchsteuer entwickeln wird. Jede Senkung der Steuersätze bedeutet deshalb ein gewagtes Experiment, das zu Einnahmeausfällen führen kann. Die ernste Haushaltslage des Bundes gestattet aber derartige Maßnahmen nicht. Die Bundesregierung verweist dazu auf die Übersicht über die Finanz- und Haushaltslage des Bundes und der Länder im Rechnungsjahr 1950, Drucksache Nr. 1000 des Deutschen Bundestages.
Außerdem darf auch bei allen steuerlichen Maßnahmen die Entwicklung der Ausgabenseite des Bundeshaushalts nicht außer acht gelassen werden. Es ist noch ganz offen, welche Belastungen für den Bundeshaushalt unter anderem das Gesetz zur Durchführung des Art. 131 GG, die ungelösten Fragen der Subventionierung und der Lastenausgleich bringen werden.
Die Bundesregierung vertritt deshalb den Standpunkt, daß die Weiterentwicklung sowohl der Einnahmeseite ,des Bundeshaushalts als auch der Ausgabenseite abgewartet werden muß, ehe die -Gesetzentwürfe zur Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer eingebracht werden können.
Der Bundesminister der Finanzen wird die
Gesetzentwürfe weiter bearbeiten lassen und
vorlegen, sobald Klarheit über die Auswirkung
der Schmuggelbekämpfung und die Entwicklung des Bundeshaushalts gewonnen ist.
Ich darf betonen, daß in der Zwischenzeit die Verhandlungen insbesondere mit den Antragstellern der Entschließung vom 2. Juli 1950 und ebenso Besprechungen mit den beteiligten Wirtschaftskreisen fortlaufend geführt worden sind. Daß die beteiligten Wirtschaftskreise es an Eifer in der Verfolgung ihrer Wünsche nicht fehlen lassen, brauche ich ja nicht zu betonen. Darüber hinaus ist dieses Schreiben der Bundesregierung in einer Sitzung des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen am 27. September 1950 Gegenstand der Erörterung gewesen. In der Diskussion sind dem Ausschuß genaue Zahlen über die Tabaksteuer, Kaffeesteuer und Teesteuer und ihre voraussichtliche Entwicklung im Falle einer Steuersenkung gegeben worden. Das Zahlenmaterial ist dem Ausschuß auf seinen Wunsch schriftlich zur Verfügung gestellt worden. Ferner hat das Bundesfinanzministerium in einem Schreiben vom 8. November 1950 dem Herrn Vorsitzenden des Finanz-und Steuerausschusses nochmals eine eingehende Darstellung gegeben. Nach der darin aufgemachten Berechnung muß im Falle einer Steuersenkung mit Mindereinnahmen auf alle Fälle gerechnet werden. Die Verhandlungen mit dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen dauern noch an.
Zweitens. Bei den Verhandlungen vor dem Ausschuß hat das Bundesfinanzministerium grundsätzlich zur Frage der Senkung der Steuern für Tabakwaren, Kaffee und Tee Stellung genommen. Es hat dabei folgende Erklärung abgegeben.
Unabdingbare Voraussetzung einer Steuersenkung ist, daß das Steueraufkommen nach der Senkung nicht absinkt, d. h. daß der Verbrauch an den steuerpflichtigen Erzeugnissen erheblich ansteigt. In diesem Zusammenhang mahnen die Erfahrungen nach der Steuersenkung für Zigarren zur Vorsicht. Es hat sich gezeigt, daß die Verbraucher nach der Steuersenkung nicht mehr den gleichen Geldbetrag für den Zigarrenkonsum anlegen wie vorher. Sie haben ihren Verbrauch zahlenmäßig zwar stark gesteigert, aber nicht um das volle Ausmaß der Verbilligung. Der Verbrauch liegt vielmehr, wertmäßig ausgedrückt, etwa in der Mitte des Verbilligungsbetrages.
Nebenbei bemerkt: es ist natürlich für das Bundesministerium der Finanzen unmöglich, eine Politik zu betreiben, die eine Verbilligung von Nahrungs- und Genußmitteln, wie in der Begründung der Interpellation gesagt worden ist, verhindert. Der Zweck der Senkung der Verbrauchssteuern ist, die Lebenshaltung des kleinen Mannes zu erleichtern. Infolgedessen ist es gerade der Zweck, verbilligte Lebensmittel zur Verfügung zu stellen.
Die gemachten Erfahrungen verpflichten das Bundesfinanzministerium zur Vorsicht vor ungewissen Experimenten, um so mehr. als die Maßnahmen zur Schmuggelbekämpfung bisher erfolgreich sind, so daß die Steuererträge von dieser Seite her gegenwärtig nicht mehr so gefährlich beeinflußt werden wie bisher. Es muß insbesondere angestrebt werden, die Frage der Verbrauchssteuersenkung im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt zu sehen. dessen angespannte Lage keinerlei Verzicht auf der Einnahmeseite zuläßt.
Ich muß betonen, daß ich es gerade aus dem letzten Grund nach wie vor für nicht möglich halte. Gesetzentwürfe über die Senkung der Steuern für Tabak, Kaffee und Tee schon jetzt vorzulegen. Das könnte allenfalls nur im Rahmen eines großen Steuerprogramms geschehen, bei dem es vielleicht möglich ist, Einnahmeausfälle durch Mehreinahmen bei anderen Steuern auszugleichen. Ich sage diesem Hohen Haus nichts Neues, wenn ich darauf hinweise, daß ich vermutlich schon in sehr kurzer Zeit genötigt sein werde, mit einem großen Steuerprogramm an dieses Haus heranzutreten.
({1})
Der Punkt 3 der Interpellation dürfte sich damit erledigen.
Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß auch in der Zwischenzeit laufend mit den beteiligten Gewerbekreisen Verbindung gehalten worden ist. Die Vorlage der Gesetzentwürfe ist technisch so weit vorbereitet, daß sie in relativ kurzer Zeit erfolgen kann.
({2})
Noch ein Wort. In diesem Zusammenhang wird immer davon gesprochen, daß der Kampf gegen den Schmuggel zwar anerkennenswert sei, daß er aber nicht zu einem Erfolg führen könne und daß deswegen der Weg der Steuersenkung doch unvermeidlich sei. Ich muß dagegen Stellung nehmen. Wenn der Kampf gegen den Schmuggel von Erfolg sein soll, dann muß er von der gesamten Stimmung der deutschen Öffentlichkeit mit getragen werden.
({3})
All die Momente, die immer unter dem Gesichtspunkt in die Öffentlichkeit getragen werden, daß der Mensch schließlich nur ein Mensch und kein Engel sei und daß man infolgedessen mit der Neigung zum Schmuggel, zur Gewinnsucht, zur Hehlerei und zum Betrug gegenüber dem Staat und gegenüber den sozialen Schichten, deren Not durch die Mittel des Staates abgeholfen werden soll, rechnen müsse und dazu ein Auge zudrücken müsse, könnten in der Öffentlichkeit mißverstanden werden. Ich möchte den Deutschen Bundestag bitten, die Bundesregierung im Kampf gegen den Schmuggel vorbehaltlos zu unterstützen; denn der Kampf gegen den Schmuggel ist nur ein Ausschnitt aus dem Kampf gegen die Mißachtung der Gesetze auf dem gesamten Gebiet der Steuern und Zölle. Ich glaube, der ganze Deutsche Bundestag wird mit mir darin einig sein, daß gerade die kommenden Zeiten es erfordern, daß die bestehenden Gesetze von dem Steuerzahler in allen Schichten der Bevölkerung restlos befolgt werden - und so auch die Gesetze, die das Verbrauchsteuergebiet und die Zölle betreffen.
Der Kampf gegen den Schmuggel wird fortgesetzt werden. Ich wäre dem Deutschen Bundestag sehr dankbar, wenn er die Bundesregierung z. B. in dem Bestreben unterstützen wollte, die deutsche Gerichtsbarkeit über die DPs endlich zu erhalten,
({4})
weil gerade dies unvermeidlich ist, wenn der Kampf gegen den Schmuggel zu einem Erfolg führen soll. Ich muß zu meinem Bedauern feststellen, daß es kaum einen einzigen Fall von großer Steuerhehlerei und Schmuggel gibt, an dem nicht wenigstens eine Person aus dem Kreise der DPs beteiligt ist.
({5})
Also ich möchte den Deutschen Bundestag bitten, die Bundesregierung im Kampf gegen den Schmuggel zu unterstützen und mit der Bundesregierung auf die Besatzungsmächte einzuwirken, daß die Gerichtsbarkeit über alle deutschen Inlandsbewohner, ob sie DPs sind oder nicht, endlich dem deutschen Volk voll zuerkannt wird.
({6})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage, ob 50 Abgeordnete des Hauses die sofortige Besprechung der Interpellation wünschen. - Ich kann nicht feststellen, daß das 50 Abgeordnete sind. Damit wird offenbar keine Besprechung der Interpellation gewünscht.
Es ist von Herrn Abgeordneten Dr. Etzel ({0}) beantragt worden, die Interpellation dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zur Beratung zu überweisen. Dieser Antrag müßte von 30 Abgeordneten unterstützt werden. Darf ich fragen, ob das der Fall ist? - Der Antrag wird hinreichend unterstützt. Ich lasse über den Antrag auf Überweisung dieser Interpellation an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen abstimmen. Wer ist dafür, daß diese Interpellation dem 11. Ausschuß überwiesen wird? - Das ist unzweifelhaft die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP betreffend Ufi-Auktion in Wiesbaden ({1}).
Wer wird die Interpellation begründen? - Herr Abgeordneter Muckermann.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 30 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Muckermann ({2}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Sprecher der an dieser Interpellation beteiligten Fraktionen darf ich vielleicht dem Hohen Haus zunächst den historischen Ablauf dieses Problems noch einmal kurz ins Gedächtnis zurückrufen.
Der damalige Oberdirektor der Frankfurter Wirtschaftsverwaltung, Herr Abgeordneter Dr. Pünder, hätte es sich wohl auch nicht träumen lassen, als er am 21. Juli 1949 in einem eindeutigen Bericht über die lex Ufa zu diesem Problem Stellung nahm, daß es heute noch ungelöst vor uns steht. Er bekam damals, am 9. August 1949, eine ablehnende Antwort von den Alliierten, und am 7. September 1949 ist dieses Gesetz Nr. 24 von der damaligen Militärregierung noch in Kraft gesetzt worden. Am 27. September 1949, also wenige Wochen nach Zusammentreten dieses Bundestages, lag ein Antrag der CDU-Fraktion - Nr. 34 - vor. Dieser Antrag wurde gemäß Drucksache Nr. 63 an zwei Ausschüsse überwiesen: federführend an den Wirtschaftsausschuß und ferner an den Ausschuß für Presse, Film und Funk.
({3})
Meine Damen und Herren! Es dient der Förderung unserer Verhandlungen, wenn die Privatunterhaltungen etwas eingeschränkt werden.
({0})
Muckermann ({1}), Interpellant: Am 27. Januar 1950 hat dieses Hohe Haus eine Debatte über dieses Problem geführt. Unter anderem sprach damals der jetzige Bundesinnenminister Lehr sehr eingehend zu diesen Fragen. In dieser Sitzung konnte- aber kein Beschluß gefaßt werden, weil das Haus damals nicht beschlußfähig war. In der folgenden Sitzung am 1. Februar 1950 wurde aber ein einstimmiger Beschluß dieses Hohen Hauses zu der Drucksache Nr. 63 bzw. zu der Drucksache Nr. 34 gefaßt.
Jetzt haben wir ungefähr ein Jahr später. Nun liegt die Drucksache Nr. 1590 als Interpellation vor, und das Problem ist noch nicht gelöst. Es handelt sich hierbei um zwei Fragen: erstens: haben die Vertreter des deutschen Volkes im Bundestag ein wirkliches Interesse daran, eine deutsche Filmwirtschaft wiederaufzubauen? Zweitens: ist es möglich, dieser Filmwirtschaft entsprechende Kapitalsubstanz zuzuführen? Beide Fragen wurden vom Hohen Hause bereits durch die praktischen Beschlüsse positiv beantwortet.
Bei diesem Ufa-Komplex handelt es sich um einen Betrag von etwa 50 Millionen DM, d. h. um
({2})
einen Betrag, der für die Neuordnung der deutschen Filmwirtschaft von ausschlaggebender Bedeutung sein könnte. Dieses Hohe Haus hat durch die Genehmigung einer Ausfallbürgschaft in Höhe von 20 Millionen DM am 30. April 1950 bekundet, daß es an einem ordnungsmäßigen Wiederaufbau einer deutschen Filmindustrie interessiert ist. Wir haben inzwischen von dem zuständigen Ausschuß aus beobachten können, daß ein wesentlicher Fortschritt in der Filmwirtschaft zu verzeichnen ist. Es liegt eine ganze Reihe guter deutscher Filme vor; aber die Bürgschaft des Bundes ist bereits zur Hälfte vergeben, und das Haushaltsjahr läuft in Kürze ab.
Es ist immer das Bemühen der Ausschüsse, sowohl des Ausschusses für Wirtschaftspolitik als auch des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films gewesen, in Verbindung mit den zuständigen Verwaltungsstellen des Innen-, Finanz- und Wirtschaftsministeriums für diese Frage der lex Ufa bzw. der Entflechtung des UfiVermögens eine im deutschen Interesse liegende Lösung zu finden, nachdem der Standpunkt der Alliierten durch ihr eigenes Gesetz festgelegt ist. Durch den Vorsitzenden des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films, Herrn Abgeordneten Dr. Vogel, wurde bereits am 1. August 1950 ein informatorischer Vorentwurf an das alliierte Komitee zur Reorganisation der Filmwirtschaft geleitet. Der Präsident des Deutschen Bundestags erhielt darüber eine Bestätigung.
Am 10. November ging nun durch die Presse die Nachricht, daß die erste Auktion bundeseigenen Vermögens ohne Beteiligung deutscher Stellen in Wiesbaden stattfinden sollte. Das ist der unmittelbare Anlaß zu dieser Interpellation gewesen. Die Interpellanten hätten gewünscht, daß in der Plenarsitzung am 14. November, einen Tag vor der bewußten Auktion in Wiesbaden, dieses Hohe Haus sich mit der Frage beschäftigt hätte; es hätte in der Öffentlichkeit sowohl in Deutschland wie auch nach außen hin sicherlich einige Aufmerksamkeit erregt. Es ist leider nicht dazu gekommen, daß sich das Hohe Haus schon damals mit dieser Interpellation befaßte. Die Interpellanten bedauern diese Verzögerung.
Nun hat diese Auktion stattgefunden. Die Kosten für diese Versteigerung betrugen zunächst schon einmal 50 000 DM. Es wurden ganze zwei Filme zu je 5000 Mark an einen kleinen Hamburger Verleih versteigert. Der Versteigerungsleiter erklärte, wie eine Fachzeitschrift „Der neue Film" mitteilt: „Ich habe nicht die Absicht, mich vor einem künftigen Revolutionstribunal zu verantworten"; er verrichte dieses traurige Geschäft nur, weil er auch deutsche Männer hinter sich wisse. Diese Auktion war also eine vollendete Pleite. Aber es ist bedauerlich, daß sie stattfand 5 1/2 Jahre nach Waffenruhe, ohne daß deutsche Stellen die Möglichkeit hatten, dabei mitzuwirken.
({3})
Darum scheinen uns diese beiden Fragen der Interpellation an die Regierung äußerst aktuell zu sein. Wir bemerken allerdings eine erhebliche zeitliche Diskrepanz zwischen dem aufmerksamen Bemühen dieses Hohen Hauses vom ersten Tage seines Bestehens an, seit dem 7. September 1949, und den der Verwaltung vorbehaltenen praktischen Ergebnissen.
({4})
Nun liegen inzwischen weitere Vorgänge vor, auf die ich jetzt beim Einbringen der Interpellation noch nicht eingehen möchte. Wir haben uns aber im Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film bereits mit diesen Vorgängen befaßt. Es sind mysteriöse Vorgänge hinter den Kulissen. Vielleicht bekommen wir bei der Beantwortung dieser Interpellation durch die Regierung darüber einige Aufklärungen.
Die beiden Fragen, die zu beantworten wären, lauten also:
1. Hat die Bundesregierung eine Antwort auf den der Hohen Kommission übermittelten deutschen Gesetzesentwurf über die UfiLiquidation erhalten?
2. Hat die Bundesregierung bei der Hohen Kommission Schritte unternommen, um Verluste an Bundesvermögen durch eine Auktion von Bundeseigentum ohne Mitwirkung deutscher Stellen zu verhindern?
Ich glaube, die Abgeordneten dieses Hohen Hauses haben ohne Zweifel darüber zu wachen, daß alles geschieht, um bundeseigenes Vermögen dem Bund, dem deutschen Volk zu erhalten.
({5})
Namens der Bundesregierung wird die Interpellation Herr Staatssekretär Dr. Schalfejew beantworten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den Entwurf, den wir der alliierten Hohen Kommission zugestellt haben, haben wir zunächst unter dem 28. Oktober einen Zwischenbescheid des Inhalts erhalten, daß unser Entwurf der Prüfung unterzogen werde. Wir haben dann am 9. November von der alliierten Hohen Kommission eine Note erhalten, in der ausgeführt wird, daß der deutsche Entwurf den Grundsätzen des Gesetzes Nr. 32 nicht ausreichend entspreche, um ihn zu einer annehmbaren Grundlage für Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik und der Hohen Kommission über diese Angelegenheit zu machen. Dabei sind von der alliierten Seite folgende Punkte angeführt worden, die von deutscher Seite aus zunächst berücksichtigt werden müßten.
Es ist erstens zum Ausdruck gebracht worden, das frühere reichseigene Filmvermögen solle sobald wie möglich in Privateigentum übergeführt werden. - Meine Damen und Herren, dazu ist zu sagen, daß das durchaus der Auffassung der Bundesregierung entspricht und auch in unserem Entwurf zum Ausdruck gekommen ist.
Zweitens wurde betont, die neuen Eigentumsverhältnisse sollten in Übereinstimmung mit den allgemeinen, von den alliierten Behörden angenommenen Grundsätzen über die Entflechtung jegliche Form einer monopolisierten Kontrolle oder übermäßigen Zusammenballung von Machtbefugnissen vermeiden. - Auch nach dieser Richtung hat, glaube ich, unser Entwurf keinen Zweifel an der Übereinstimmung gelassen. Im Gegenteil; das ist sogar im § 1 unseres Entwurfs ausdrücklich als Zweck hervorgehoben und ferner noch dadurch unterstrichen worden, daß zwei Dachgesellschaften, Cautio-Treuhand und Universum-Film-GmbH., in dem deutschen Entwurf bereits als aufgelöst bezeichnet wurden. Darüber hinaus sah der Entwurf sogar die Auflösung weiterer ehemals reichseigener Filmgesellschaften durch die zuständigen Gesellschaftsorgane vor, soweit der Zweck der Sache es
({0})
erforderlich erscheinen ließ. Auch diese Bestimmung unseres Entwurfs steht also durchaus im Einklang mit der alliierten Anregung.
Drittens ist verlangt worden, daß zur Durchführung der genannten Forderungen die Aufteilung der Vermögenswerte beginnen soll, ehe die Schuldforderungen festgesetzt und geregelt sind. Meine Damen und Herren, auch dazu ist die Bundesregierung von vornherein bereit gewesen.
Weiterhin ist gefordert worden, daß niemand mehr als ein ehemals reichseigenes Filmatelier erwerben soll. Ferner sollen Käufer von Filmateliers der Bavaria-Kunst-AG. kein Eigentum an irgendeinem anderen Atelier erhalten. Grundsätzlich wäre die Bundesregierung nicht abgeneigt, Bestimmungen darüber zu treffen, wieviel Filmateliers in einer Hand aus diesem Vermögen erworben werden könnten.
Schließlich wird gesagt: Die Aufteilung des reichseigenen Filmvermögens soll in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der sogenannten Monopolanordnung Nr. 1 erfolgen. - Meine Damen und Herren, das wird allerdings zu erheblichen Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit den alliierten Behörden führen. Dabei ist nämlich vorwiegend die Frage zu entscheiden, inwieweit nun in den einzelnen Verarbeitungsstufen noch eine Querverbindung möglich ist, ob und inwieweit nämlich eine Betätigung eines Unternehmens in mehr als einer derartigen Stufe erfolgen kann, d. h.: in der Filmherstellung, im Filmvertrieb und in der Filmvorführung. Es wird dabei in konsequenter Anwendung dieser Monopolanordnung Nr. 1 von den Alliierten noch folgendes gewünscht: Ein Filmunternehmen darf nur seine eigenen Erzeugnisse selbst oder durch ein ihm vollständig gehörendes Tochterunternehmen vertreiben, das nicht außerdem die Erzeugnisse eines anderen Filmproduzenten vertreibt. Es darf ferner höchstens ein Lichtspieltheater besitzen und betreiben. Unternehmen, die Filmgeräte oder Rohfilme herstellen oder im Groß- oder Kleinhandel vertreiben, dürfen daneben nur ein Lichtspieltheater besitzen und betreiben. Ein Unternehmen, das sich nur im Geschäftszweig der Filmvorführung betätigt, darf nur eine bestimmte Anzahl von Lichtspieltheatern besitzen oder betreiben oder daran beteiligt sein. Die Anzahl soll betragen in einem Land- oder Stadtkreis mit bis zu 100 000 Einwohnern ein Theater, bis zu 200 000 Einwohnern zwei Theater, bis zu 500 000 Einwohnern drei Theater, bis zu einer Million Einwohnern vier Theater und darüber hinaus fünf Theater.
Daneben bestehen noch absolute Beschränkungen wie das Verbot des Eigentums an mehr als einem Lichtspieltheater mit über 1000 Sitzen in einem Stadt- oder Landkreis und an mehr als 10 Lichtspieltheatern im ganzen Bundesgebiet.
Wir sind zur Zeit dabei, mit der Filmwirtschaft gerade diese Bestimmungen durchzuprüfen, um zu sehen, inwieweit wir eine Grundlage finden, die nun zu einer brauchbaren Unterhaltung mit den Alliierten führen kann. Die Erwägungen über diese ziemlich schwierigen Tatbestände sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen.
Meine Damen und Herren! Nun ist inzwischen diese Versteigerung vor sich gegangen, wie mein Herr Vorredner das bereits ausgeführt hat. Zu der Zeit, als dieser Versteigerungstermin anberaumt wurde, lag der deutsche Entwurf gerade bei der Hohen Alliierten Kommission.
Die Bundesregierung hat nach sorgfältiger Erwägung des Für und Wider davon Abstand genommen, gegen die Durchführung dieses Versteigerungstermins Einspruch zu erheben, weil sie nicht wollte, daß ihr Entwurf durch einen derartigen Schritt beeinträchtigt wurde, durch den vielleicht der Anschein erweckt werden konnte, als ob es der Bundesregierung nicht daran gelegen sei, nun die Durchführung dieser Entflechtung und der Privatisierung dieses reichseigenen Filmvermögens mit der erforderlichen Schnelligkeit durchzuführen. Das ist der Grund gewesen, weswegen damals, abgesehen von gewisser persönlicher Vorfühlung, irgendein offizieller Schritt der Bundesregierung nicht erfolgte.
Der Ausgang dieses Versteigerungstermins hat aber ganz zweifellos den Beweis geführt, daß eben eine Durchführung dieser Verwertung ohne eine angemessene Beteiligung der deutschen Stellen tatsächlich nicht erfolgen kann. Das wird die Bundesregierung, wie sie das auch bereits getan hat, in der Note, die nun nach Abschluß der Untersuchungen an die Hohe Kommission gehen soll, zum Ausdruck bringen.
Die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Meine Damen und Herren, darf ich annehmen, daß 50 Abgeordnete eine sofortige Besprechung wünschen? Ich stelle die Frage. - Das ist der Fall.
Ich eröffne die Aussprache über die Interpellation. Als erster hat sich Herr Abgeordneter Brunner gemeldet. Im Rahmen der vorgesehenen 90 Minuten 18 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer über diesen Komplex, der erneut in dem Hohen Hause zur Debatte steht, einigermaßen Bescheid weiß, weiß leider, daß man eben wenig Bescheid weiß; und an diesem Zustand hat das Bundeswirtschaftsministerium auch einen Teil Schuld. Es bleibt auf alle Fälle bedauerlich, daß sich das Wirtschaftsministerium so wenig Mühe gibt, hier die erforderliche Klarheit zu. schaffen. Dem Vorsitzenden unseres Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films, meinem verehrten Kollegen Dr. Vogel, kann man, wenn man meint, es tun zu müssen, vorwerfen, was man will; eines kann man ihm nicht vorwerfen: Mangel an Emsigkeit. Wenn es selbst ihm als Anhänger der Regierungskoalition, also gewissermaßen als Freund, bei seinem Temperament nicht gelungen ist, Klarheit über die Absichten und die einzelnen Schritte des Wirtschaftsministeriums in dieser Angelegenheit für die Arbeit des Ausschusses zu gewinnen, so scheint mir das sehr aufschlußreich zu sein. Die Schweigsamkeit und Langsamkeit in einer Angelegenheit, in der man nach unserer Meinung besonders mitteilungsfreudig sein müßte und in der man sich um einen besonders hohen Grad von Publizität bemühen müßte, nährt begreiflicherweise den Verdacht, daß der Hintergrund dieser Dinge nicht unbelebt ist, sondern daß da Interessenten stehen, die auf einen geeigneten Augenblick warten, um sich wieder einschalten zu können.
All dies ist sehr bedauerlich, da es sich ja hier um eine Angelegenheit umfassenden deutschen Interesses handelt, bei der Differenzen zwischen Regierung und Opposition nicht in Erscheinung zu treten brauchten. Auch wir bedauern außerordentlich, daß die heutige Interpellation nicht zu dem Zeitpunkt behandelt werden konnte, zu dem
({0})
das vorgesehen war, also v o r der Versteigerung. Ich glaube, das, was uns der Herr Staatssekretär heute vorgetragen hat, hätte sich damals ebensogut sagen lassen. Es handelt sich ja hier nicht um eine Kritik an der Regierung, um einen Angriff auf sie, sondern darum, der Regierung vor dem Hohen Hause Gelegenheit zu geben, über ihre Sorgen und ihre Stellung zu sprechen und das Hohe Haus zu ihrer Unterstützung aufzurufen; und diese Unterstützung wäre einhellig und wirksam gewesen. Aber wie der Herr, so's Gescherr! Man kommt offenkundig ganz allgemein in diesem Kabinett nicht auf den Gedanken, daß das Hohe Haus zur Tribüne einer politischen Auseinandersetzung werden könnte, ja daß es in wichtigen Angelegenheiten zur Entscheidung aufgerufen werden könnte.
Als zweites möchte ich zu dem Verhalten des Wirtschaftsministeriums hervorheben, daß das Gesetz Nr. 52 der Alliierten am 1. August der Regierung zugeleitet worden ist. In diesem Gesetz befindet sich die Anregung, einen deutschen Gesetzentwurf vorzulegen. Obwohl man von dieser Anregung schon vorher wußte, hat es bis zum 18. Oktober gedauert, ehe endlich ein solcher Entwurf von der Bundesregierung vorgelegt wurde.
Zum dritten haben die Alliierten nach der Überreichung ihres Gesetzes vorgeschlagen, einen deutschen Beirat zu bilden. Das Wirtschaftsministerium hat es nicht eilig gehabt, diesen Beirat einzuberufen. Es ist dabei auch sehr zögernd vorgegangen, und wieweit der Beirat bisher zusammengestellt werden konnte, weiß ich im Augenblick noch nicht. Dabei ist dieser Beirat auf alle Fälle wichtig dafür, die deutsche Stellungnahme zu diesen Dingen zur Geltung zu bringen. Es könnte unter Umständen so sein, daß er aus dem Ablauf der Dinge heraus wenig Neigung zeigt, bei der Abwicklung der alliierten Gesetzgebung mitzuwirken; dann hätte er aber die Möglichkeit des Protestes, und dann könnte man durch ihn diesen ganzen Komplex vor die deutsche Öffentlichkeit bringen. Die Diskussion auch der Interpellation damals am 14. November hätte die Gelegenheit gegeben, hier im Hause über den deutschen Gesetzesvorschlag zu sprechen, ehe er mit der alliierten Zensur „mangelhaft" zurückgereicht worden wäre.
Es geht ja doch hier um wichtige allgemeine, wirtschaftliche und auch soziale Interessen. Die Alliierten haben ihr Mißfallen an dem Entwurf geäußert, der ihnen von der Bundesregierung vorgelegt worden ist, und ihn gewissermaßen mit Rotstiftanstrichen zur Verbesserung zurückgegeben. Sie haben erklärt, daß sie mit dem deutschen Entwurf unzufrieden seien. Wir möchten hier in aller Offenheit auch einmal aussprechen, daß wir mit den alliierten Gesetzgebungsübungen auf diesem Gebiet durchaus nicht zufrieden sind.
({1})
Erst hat man die Befriedigung von Ansprüchen gegen das Ufa-Vermögen anerkannt und zur Anmeldung von Restitutionen aufgerufen. In dem neuen Gesetz Nr. 52 ist von diesen Restitutionen gar nicht mehr die Rede. Eine vorherige Begleichung der Forderungen der Ufa-Gläubiger würde mit dahin wirken, daß eine Verschleuderung dieser Vermögenswerte gehemmt und gehindert wird. Man hält es offenkundig für praktischer, die Käufer nachher dem Andrang der Fordernden zu überlassen, die sie vielleicht dann nicht werden befriedigen können. Das mag leichter sein. Es ist aber nicht besser. Es ist vor allen Dingen nicht
rechtens; denn zu diesen Ansprüchen der Gläubiger gehört unter anderem die Ufa-Pensionskasse, die die Ansprüche der früheren kleinen Angestellten und der Arbeiter befriedigen soll, die inzwischen alt geworden und zumeist arbeitslos sind. Die Befriedigung dieser Ansprüche, für die die Arbeiter und Angestellten ihre Beiträge in die Pensionskasse gezahlt haben, hängt auch vorn Erlös der Liquidation ab. Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist schon verschiedentlich in dieser Angelegenheit sowohl an die Bundesregierung wie an die Hohen Kommissare herangetreten, um sie auf diese Ansprüche und das soziale Gewicht dieser Dinge aufmerksam zu machen.
Wir stehen überhaupt auf dem Standpunkt, daß die ganze in dieser Gesetzgebung vorgesehene Form der Versteigerung ein sehr fragwürdiges Verfahren ist. Man versteigert in der Wirtschaft große Objekte nicht mehr, und gerade in unserer heutigen Lage ist das noch weniger als bisher angebracht. Man überlege nur einmal: Was soll mit der „Bavaria" geschehen, die man aus dem Gesamtkomplex herausgelöst hat? Ein Käufer müßte einen Kapitalbetrag von 16 Millionen bis 20 Millionen aufbringen, um die Kaufsumme erstellen zu können, und er müßte dann vielleicht noch einmal Kapital in dieser Größenordnung aufbringen, um mit der Produktion beginnen und sie durchführen zu können. Wenn man nicht die Absicht - die wohlgefaßte Absicht - hat, hier das deutsche Filmeigentum zu vergeuden, würde eine Änderung des Verfahrens am Platze sein. In welcher Form das vor sich gehen müßte, braucht, glaube ich, im Augenblick hier nicht erörtert zu werden; man könnte an Auffanggesellschaften oder ähnliche Organisationen denken.
Auch auf der alliierten Seite pflegt man die Dinge sehr dilatorisch zu behandeln. Unklarheit und Zögern sind auch dort zu beobachten. Unklarheit und Zögern begünstigen aber in dem einen wie in dem andern Falle die Machenschaften von Interessenten. Die Aufsplitterung in Kleinstobjekte ist nicht gerade das wirksamste Mittel, die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht, vor der die Alliierten so große Angst haben, zu verhindern; sie schafft vor allen Dingen Unübersichtlichkeit und dadurch auch Unkontrollierbarkeit.
({2})
Ein solches Verfahren begünstigt ein Strohmännersystem, ja es fordert es geradezu heraus. Da könnte es dann eines Tages so weit sein, daß doch praktisch wieder ein Konzern da ist; nur würde der Herr nicht mehr Hugenberg heißen, sondern vielleicht Pommer.
({3})
Wenn wir uns heute mit diesen Dingen beschäftigen, so scheint es mir auch angebracht zu sein, die Art alliierter Gesetzgebung, mit der wir es hier zu tun haben, einmal vom allgemein-politischen Standpunkt zu charakterisieren. Freundlich betrachtet - ich sage absichtlich: freundlich betrachtet - ist diese Ufa-Gesetzgebung gewissermaßen eine Art Naturschutzdenkmal der Besatzungspolitik im Stile von 1945 und 1946; man hat sie bis heute erhalten, damit auch die Kinder sehen, wie es war, als man uns noch nicht den westeuropäischen Verteidigungsgürtel umbinden wollte.
({4})
Es ist wie so viele dieser Gesetze als ein Gesetz
aufgemacht worden, das uns vor seelischem Schaden bewahren sollte: nie wieder einem staatlichen
({5})
Filmkonzern anheimzufallen und nie wieder den scheußlichen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zu erleben. Daher, so erklärte man, habe man die Ufa zerschlagen.
Was ist denn die Ufa gewesen? Wenn man die Diskussion dieses Themas auf der Gegenseite verfolgt, dann erhält man den Eindruck: nicht Goebbels hat die Ufa zu einem Instrument der Regierungspropaganda gemacht, sondern die Ufa hat das Nazisystem geschaffen, vielleicht um Völker zu unterwerfen, die sich dann Ufa-Filme ansehen müßten.
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Die Ufa ist in einer Zeit wirtschaftlicher Entwicklung emporgekommen, die wir auf anderen Gebieten so auch auf dem Filmgebiet zur Zusammenfassung größerer Produktionseinheiten geführt hat. Das ist ein Vorgang, der jenseits von Gut und Böse steht. Zu einem politischen Instrument ist sie erst allein durch Hugenberg geworden, der eben nicht wirtschaftliche, sondern ganz bestimmte und bedenkliche politische Absichten mit der Leitung der Ufa verfolgte, und nachher infolge der Unterstellung und Zusammenfassung mit den anderen Filmgesellschaften durch das Propagandaministerium. Aber dieser sogenannte Machtkomplex ist ja 1945 allein schon durch die Verhältnisse, die der Ausgang des Krieges geschaffen hatte, zum großen Teil zerschlagen worden. 70% dieses Vermögenskomplexes liegen in der Ostzone; sie sind ohnehin nicht mehr erreichbar. Was geblieben ist, ist vom Standpunkt wirtschaftlicher Machtzusammenballung gar nicht mehr so bedrohlich.
Mein Kollege Muckermann hatte vorhin ausgeführt, daß es sich um einen Wert von ungefähr 50 Millionen DM handelt. Dieser Wert hätte aber immerhin ausgereicht, um der Filmwirtschaft die Grundlage für einen Neubau zu geben, ähnlich, möchte ich fast sagen, wie die Rotationsmaschinen, die die Nazizeitungen druckten, dazu benutzt werden konnten, technisch den Neubau einer demokratischen Presse zu ermöglichen.
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Es ist aber alles geschehen, um dieses sinnvolle Funktionieren der Ufa-Liquidationsmasse zu verhindern. So liegt der Gedanke bedenklich nahe: nicht die Wiederherstellung der Ufa wollte man in erster Linie unterbinden - wie sollte die überhaupt wiederhergestellt werden? -, sondern den Neuaufbau eines konkurrenzfähigen deutschen Films hemmen und hindern.
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Das eine stimmt schon: der Sieger von heutzutage nutzt die Wehrlosigkeit des Besiegten aus, um ihm seine Filme vorzuführen.
({9})
Die amerikanische Produktion erdrückt weiter steigend den deutschen Markt. Die Unterhandlungen hier und die Besprechungen auf der anderen Seite des Ozeans haben gezeigt, daß man noch immer nicht mit dem zufrieden ist, was man hier an Märkten hat. Diese edle Absicht scheint durch die Art der Gesetzgebung im Rechtlichen mit jenem Scharfsinn verfolgt zu werden, den die Welt noch heute im Zeichen Koreas an der Nürnberger Jurisdiktion bewundert, die auch durch die freudige Zustimmung und Mitwirkung der Russen hinreichend charakterisiert worden ist.
Wir haben endlich einmal genau erfahren - das hat wohlgetan -, wo der Mißbrauch wirtschaftlicher Macht anfängt und wo die Grenzen liegen. Wenn jemand 26 % Aktien eines Filmstudios besitzt, dann ist bei ihm die große Versuchung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht evident; oder wenn er vier Filmtheater kauft; mit 25 % geht es noch, und mit drei Filmtheatern ist es auch noch erträglich. Ich weiß nicht, ob man diese Begrenzungen etwa aus amerikanischen Erfahrungen genommen hat. Es scheint, daß hier ein Experte am Werke ist, der irgendwie Verdrossenheit darüber zeigt, daß er in Amerika selbst mit seinem Anti-Trust-Gesetz auf dem Filmgebiet praktisch nicht weiterkommt und hier einmal in Reinkultur vorführen will, was er sich eigentlich gedacht hat.
({10})
Und da waren wir immer so stolz und dachten, die Sturheit von Kommiß und Bürokratie sei ein deutsches Privileg.
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Es gibt offenkundig nichts mehr, was uns allein gehört.
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Zur Charakterisierung der . Bestrebungen, die hier beabsichtigt sind, darf ich zur Erheiterung des Hohen Hauses mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze aus der Pressenotiz vorlesen, mit der dieses Gesetz Nr. 52 vor einiger Zeit angekündigt wurde. Wer ein Freund des trockenen angelsächsischen Humors ist, wird sich freuen, daß er von dieser Kundgebung erfährt. Zur Begründung der Vorzüglichkeit dieses Gesetzes heißt es da:
Es wird erwartet, daß eine freie und konkurrenzfähige Filmindustrie in Deutschland geschaffen wird, um das starre Gefüge zu ersetzen, das sich aus dem erzwungenen Erwerb und der Mobilisierung der Filmindustrie durch die nationalsozialistische Regierung ergab. Eine in Privatbesitz befindliche und konkurrenzfähige deutsche Filmindustrie kann wieder ein Mittel zum freien Ausdruck individueller Ansichten und zum Austausch von Gedanken werden, die eine demokratische Gesellschaft stärken. Der Wettbewerb wird die Filmgesellschaften anspornen, eine Vielzahl von Programmen und Diensten anzubieten. Daher wird der Kinobesucher in der Lage sein, die Filmkunst durch seine freie Entscheidung zu beeinflussen.
Wenn die Entwicklung auf dem deutschen Filmgebiet von Maßnahmen und Bestrebungen dieser Art bestimmt wird, dann wird er freilich sehr bald in der Lage sein, durch seine freie Entscheidung jeweils zu bestimmen, welchen amerikanischen Film er sich ansieht.
Ich wollte abschließend nur noch das eine sagen. Die Politik der Alliierten zur angeblichen Herbeiführung unserer Gleichberechtigung hat unser Dr. Schumacher einmal sehr treffend als die Politik der kleinen Geschenke charakterisiert. Hier haben wir ein Beispiel dafür, daß man auch heute noch nicht zu stolz dazu ist, eine Politik der kleinen Rebbachs zu treiben. Ich finde: in einer Zeit, da die gemeinsame Bedrohung zur gemeinsamen Verteidigung gemeinsamer Interessen zwingt, wirkt solche Praxis anachronistisch.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem uns alle sicherlich erfreuenden Feuerwerk, das mein sehr verehrter Kollege Brunner zu dieser Frage, die uns ernstlich bewegt, aufsteigen ließ, darf ich Ihnen zunächst einmal einige rein rechtliche und auch völkerrechtliche Fragen vorlegen, die mit diesem Komplex in sehr engem Zusammenhang stehen.
Die Liquidierung des Ufa-Komplexes wirft naturgemäß zuerst einmal die Frage auf: welchen Sinn hatte überhaupt dieses Gesetz Nr. 32? - Damit erhebt sich zugleich auch eine zweite Frage: welchen Sinn hat dann überhaupt die Besetzung Deutschlands? - Unter den Argumenten, die uns von alliierter Seite über den Sinn dieser Besetzung dauernd vorgehalten werden, spielt das der reeducation, der Erziehung Deutschlands zum demokratischen Gedanken, und der Sicherheit der Besatzungstruppen eine vorherrschende Rolle. Aber ich werde wohl sicher die Zustimmung des ganzen Hauses finden, wenn ich frage, was denn um alles in der Welt und im Grunde genommen die Vorenthaltung von Bundeseigentum auf dem Filmwirtschaftsgebiet mit der Frage der Sicherheit der Besatzungstruppen in Deutschland noch zu schaffen hat.
({0})
Das ist die Kernfrage, um die es hier geht.
Wenn wir seinerzeit, am 14. November, gehofft hatten, die Interpellation hier schon durchbringen zu können, um meinem Empfinden nach etwas zu verhindern, was eine Blamage geworden ist, nämlich diese Auktion vom 15. November, dann ging es uns wahrhaftigen Gottes nicht darum, ob hier 7 Filme zur Auktion gestellt wurden, sondern es ging uns um die prinzipielle Frage, ob 5 Jahre nach Aufhören der Kampfhandlungen noch Bundeseigentum ohne Mitwirkung deutscher Stellen veräußert werden darf.
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Das ist das Entscheidende an diesem Problem, und damit wird zugleich auch die ganze Frage lebendig, die uns ja alle bewegt: inwieweit wird dieser neuen deutschen Demokratie von der Seite der alliierten Behörde Vertrauen oder Mißtrauen entgegengebracht?
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Ohne Vertrauen können wir nun einmal weder dieses Staatswesen aufbauen noch auf der andern Seite die Beziehungen zu den Besatzungsmächten herstellen, die uns am Herzen liegen und die wir im Interesse der gemeinsamen Verteidigung für absolut notwendig halten. Aber wenn jedes Gesetz und jede Anordnung nur von äußerstem Mißtrauen diktiert wird, dann kann auf der andern Seite die logische Folgerung nur die sein, daß auch wir mit äußerstem Mißtrauen dem entgegensehen, was uns von der andern Seite geboten wird.
Ein Akt solch ausgesprochenen Mißtrauens der andern Seite war dieses Gesetz Nr. 32, das uns am 1. August offiziell durch den Amtsanzeiger der alliierten Besatzungsbehörde geboten worden ist. Es wäre wahrscheinlich sehr erheiternd und belustigend, die Ausführungen, die mein sehr verehrter Herr Vorredner hier gemacht hat, Ausführungen über die Konzentration der Industrien gleichen Charakters in den Vereinigten Staaten noch zu vertiefen. Es wäre wahrscheinlich sehr amüsant, darzustellen, daß gerade in den Vereinigten Staaten, die uns als Beispiel vorgehalten werden, riesige Theaterketten existieren, Tausende von Theatern in einer Hand vereinigt sind und die Konzentration von Theaterbesitz, von Verleih und Produktion in einer Hand oder in ganz wenigen Händen zu einem in der ganzen Welt sichtbaren Symbol der amerikanischen Filmwirtschaft geworden ist. Man könnte weiter darauf verweisen, daß sogar in England der größte und wertvollste Teil des Theaterbesitzes in drei Ketten vereinigt und konzentriert ist und daß auch dort ganz wenige Gruppen einen beherrschenden Einfluß auf die Filmproduktion haben.
Um so erstaunlicher ist nur die Zähigkeit, mit der man sich auf alliierter Seite gerade in dem Gesetz Nr. 32 auf die Atomisierung der deutschen Filmwirtschaft konzentriert hat. Denn es handelt sich in Wirklichkeit nicht um ein Gesetz zur Dekartellisierung, sondern es handelt sich um ein Gesetz zur Atomisierung der deutschen Filmwirtschaft.
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Das muß einmal mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
Umgekehrt wirft naturgemäß ein solches Verhalten die Frage auf, welches Vertrauen denn eigentlich die breite Masse der Deutschen in ihre eigene Regierung setzen soll, wenn dieser von der anderen Seite Gesetze, die im besten Geist der Zusammenarbeit eingereicht worden sind, als in solcher Form nicht tragbar zurückgegeben werden, wie das in dem Schreiben der Hohen Kommission vom 9. November der Fall war.
Ich darf hier vor allen Dingen auf einen Punkt hinweisen, den mein Herr Vorredner noch nicht näher begründet hat und den auch der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums meinem Empfinden nach nicht eingehend genug dargelegt hat. Es handelt sich um die Zumutung an die Bundesregierung und an das deutsche Parlament, eine Maßnahme zu treffen, die einen glatten Verfassungsbruch darstellt.
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Es wird nämlich verlangt, daß in das kommende deutsche Gesetz, das dieses Gesetz Nr. 32 ablösen soll, eine Bestimmung aufgenommen wird, wonach ein bestimmter Personenkreis von dem Erwerb von Bundeseigentum ausgeschlossen werden soll. Die alliierte Seite, die das Grundgesetz ja schließlich sanktioniert hat, weiß ebenso genau wie die deutsche Seite, daß eine solche Bestimmung in ein deutsches Gesetz aufzunehmen einen glatten Verfassungsbruch darstellen würde. Das ist die übereinstimmende Meinung aller Juristen, und ich glaube, daß man sich auch auf seiten der alliierten Juristen über die Tragweite einer solchen Bestimmung nicht im unklaren war. Warum man nun also auch in dem Schreiben vom 9. November darauf bestanden hat, der Bundesregierung die Aufnahme einer solchen Bestimmung in das neue Gesetz zuzumuten, bleibt völlig unerfindlich.
Was die Frage der Monopolgesetze anlangt, so hat der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums das Notwendige bereits ausgeführt. Aber wir stehen noch vor einer Reihe von anderen Fragen, die uns in diesem Zusammenhang bewegen. Wie mein sehr verehrter Herr Vorredner Muckermann bereits ausgeführt hat und Kollege Brunner im weiteren noch unterstrich, haben wir in der Zwischenzeit die Existenz eines „Beirates" zu verzeichnen, der die Ausführung des Gesetzes Nr. 32 unterstützen soll. Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß dieser Beirat im Gesetz Nr. 32 überhaupt nicht vorgesehen ist, daß es sich hier somit um eine Maß({5})
nahme des freien Ermessens seitens der alliierten Hohen Kommission gehandelt hat, und daß also dieser „Beirat", selbst wenn er die ihm nach den Ausführungsbestimmungen zukommende Aktivität entfalten würde, nicht in der Lage wäre, an wirklichen Beschlüssen der alliierten Hohen Kommission irgend etwas zu ändern. Er ist also ein schmückendes Ornament zu diesem Gesetz, hat aber praktisch nichts zu bedeuten.
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Worauf wir uns nach wie vor konzentrieren müssen, ist die Frage: Inwieweit und wie schnell ist die Hohe Kommission bereit, jetzt mit den deutschen Stellen in Verhandlungen einzutreten, um diesen unwürdigen Zustand so rasch wie möglich zu beenden? Bis zum Beweise des Gegenteils nehme ich immer noch an, daß eine Einigung möglich und auch sehr schnell möglich ist. Aus diesem Grunde möchte ich auf die Einzelheiten nicht näher eingehen, weil diese in den Verhandlungen, die hoffentlich in aller Kürze beginnen werden, zu klären sein werden.
Aber in zwei Punkten, glaube ich, wird der Bundestag sich geschlossen zusammenfinden, in zwei Mahnungen an die alliierte Seite. Die erste Mahnung ist die: Wir alle würden es als unerträglich empfinden, wenn während der Zeit, in der hier Verhandlungen über den Ersatz des alliierten Gesetzes Nr. 32 durch ein deutsches Gesetz geführt werden, noch weitere Veräußerungen von Bundeseigentum vorgenommen werden.
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Eine solche weitere Verschleuderung von Bundeseigentum würde für uns bedeuten, daß man auf alliierter Seite eben diese Verhandlungen nicht so ernst nimmt, wie wir sie nehmen, und daß man weiter auf alliierter Seite unter Umständen mit dem Gedanken spielen könnte, das Bundeseigentum inzwischen zu verkaufen und danach einem Bundesgesetz die Regelung der Forderungen an dieses Bundeseigentum zu überlassen.
Zweitens, glaube ich, haben wir alle ein Interesse daran, daß die 'Bundesregierung und dieses Hohe Haus so rasch als möglich über den derzeitigen Vermögensstand dieses Bundeseigentums unterrichtet werden. Ich muß hier feststellen, daß weder die Bundesregierung noch dieses Hohe Haus bis zur Stunde eine Bilanz oder irgend etwas, was einer Vermögensaufstellung von Bundeseigentum in Fragen Filmwirtschaft ähnlich sein würde, zur Hand haben. Wir wissen also gar nicht, was in den letzten fünf Jahren mit diesem Eigentum geschehen ist, wie groß es ist und welche Belastungen darauf ruhen. Dieser Zustand ist für ein Volk, das sich jetzt anschicken soll, seinen Beitrag für die gemeinsame Verteidigung des Westens zu leisten, unerträglich.
Ich möchte mit einem Ausblick schließen, der sich zwangsläufig aus dem hier erörterten Komplex für uns ergeben muß. Was sich im Laufe des letzten Jahres in unserem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film deutlich bemerkbar gemacht hat und was sich gerade in diesem Komplex der Liquidation des Ufa-Vermögens doppelt peinlich bemerkbar gemacht hat, das ist das Fehlen einer deutschen Stelle, die die Anstrengungen auf dem Gebiete der Filmwirtschaft irgendwie koordiniert.
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Wir erleben hier auch auf seiten der Bundesregierung - und ich scheue mich nicht, das offen
auszusprechen - ein Nebeneinander an Stelle
einer straffen Koordinierung der notwendigen Unterstützung, die die Filmindustrie haben müßte und sollte.
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Es wäre also notwendig, daß die Bundesregierung die Frage ihrer eigenen Organisation auf diesem Gebiete einer Prüfung unterzieht, und es wäre weiter notwendig, daß auch die Bundesregierung einmal ernstlich überprüft, ob die bisherigen Wege der Übermittlung von Noten und Bekanntmachungen der Hohen Kommission über das Bundeskanzleramt, die Verbindungsstelle des Bundeskanzleramtes zu den einzelnen Ministerien, in bezug auf die Geschwindigkeit dieser Übermittlung den Erfordernissen des Tages entspricht.
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Auch in dieser Beziehung haben wir bestimmte Wünsche an die Organisation der Bundesregierung, und ich glaube, daß diese Erörterung mit dazu beitragen sollte, hier auch einmal eine Gewissenserforschung anzustellen.
Meine Damen und Herren, ich bin am Ende meiner Ausführungen. Ich kann nur wünschen, daß dieses unerfreuliche Kapitel so rasch wie möglich abgeschlossen wird im Geiste wirklichen Vertrauens in diese junge Bundesrepublik von seiten der alliierten Behörden und daß dieser Geist des Vertrauens seinen Ausdruck darin findet, daß man uns die Möglichkeit gibt, auch vor unseren Wählern und vor dem deutschen Volke darzulegen, daß wir tatsächlich jenes Maß an politischer Selbständigkeit besitzen, das uns nach außen hin so oft zugeschrieben wird, das auf der anderen Seite aber durch derartige Gesetzesmaßnahmen ebensooft in Frage gestellt wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oskar Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Muckermann hat bei der Begründung der Interpellation davon gesprochen, daß bei der Behandlung dieses Komplexes einige mysteriöse Vorgänge vorhanden wären, die noch in einem späteren Zeitpunkt, wie er meinte, zu beleuchten und zu klären wären. Ich glaube, Herr Kollege Muckermann hätte doch sicherlich Veranlassung gehabt, auf das, worum es sich hier handelt, näher einzugehen, also zum mindesten an- und auzusprechen, welches die Triebkräfte und die Motive sind, die bei dem Gesetz Nr. 32 seitens der Amerikaner eine maßgebende Rolle spielen. Herr Kollege Brunner hat in einer etwas ironisierenden, aber angesichts des Petersberges doch nicht so offen zum Ausdruck kommenden Sprache einige Hinweise gegeben.
Ich möchte in diesem Zusammenhang an das erinnern, was ich vor kurzer Zeit bei der Behandlung des Gesetzes Nr. 35 des Petersberges, als es sich um die IG-Farben-Industrie und der mit ihr zusammenhängenden Unternehmungen handelte, zum Ausdruck brachte, als ich hier einleitend erklärte, der Raubzug der amerikanischen Beutemacher findet kein Ende. Damals gab es eine Reihe von Kollegen in diesem Hause, die darüber lachten. Aber diese Interpellation beweist nicht nur allein die Richtigkeit der von der kommunistischen Fraktion getroffenen Feststellungen, sie erhärtet sie nur noch.
Ich glaube, es muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß das, was in Verfolg und bei der Durchführung des Gesetzes Nr. 32 beabsichtigt
({0})
und in der Realisierung begriffen ist, nichts anderes ist, als daß die Herren Amerikaner die deutsche Filmwirtschaft und die deutschen Filmtheater in ihre Hände bekommen wollen und damit das deutsche Volk und insbesondere die deutsche Jugend mit den amerikanischen Kitsch- und Gangsterfilmen bescheren wollen; daß sie mit dieser Ausplünderung aber nicht nur allein ihr wirtschaftliches Interesse im Auge haben, sondern in der Konsequenz naturgemäß auch eine Verseuchung der deutschen Jugend herbeizuführen beabsichtigen. Eine ganze Reihe von Tatsachen, auch Gerichtsverhandlungen über Jugendliche in der letzten Zeit, beweisen, wie und in welchem Umfange das Überschwemmen der westdeutschen Kinos mit amerikanischen Gangster- und Kitschfilmen dazu geführt hat, daß die Jugend oder zum mindesten einige Jugendliche, dadurch beeinflußt, in eine Situation geraten sind, daß sie vor dem Richter und vor dem Gericht nicht mehr zu retten waren. Also sowohl das wirtschaftliche Interesse der Herren Amerikaner wie auch das Ziel, die deutsche Jugend zu verseuchen, sind die Triebkräfte, die bei diesem Gesetz Nr. 32 eine entscheidende Rolle spielen.
({1})
Ich glaube, dagegen muß sich unser deutsches
Volk zur Wehr setzen. So, wie ich im Zusammenhang mit dem Gesetz Nr. 35 gesagt habe, daß sich alle guten Deutschen zusammenfinden müssen, um sich dagegen zu wehren, daß das, was dem deutschen Volke gehört, von den Amerikanern nicht an sich gerissen und gestohlen wird, müssen sich auch in diesem Zusammenhang alle zusammenfinden, um zu verhindern, daß seitens der amerikanischen Interessenten und der Profitjäger auf dem Wege über die Inbesitznahme und den Ankauf der Filmindustrie und der Theater eine Entwicklung begünstigt wird, die nur zum Schaden unseres deutschen Volkes und unserer deutschen Jugend sein kann.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge sind nicht gestellt. - Herr Abgeordneter Brunner!
Ich möchte, da die Verhandlungen in der Ufa-Frage zwischen Regierung und Alliierten weitergehen, die Frage also gewissermaßen schwebt, beantragen, die Interpellation federführend an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Films und des Rundfunks und dann an den Wirtschaftsausschuß zu überweisen.
Ich frage, ob dieser Antrag von 30 Abgeordneten unterstützt wird. - Das ist der Fall.
Es ist beantragt worden, die Interpellation federführend an den Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film und weiterhin an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Ich frage, welche Damen und Herren diesem Antrage zustimmen. - Das ist zweifellos die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, damit ist Punkt 4
der Tagesordnung erledigt, und ich darf jetzt auf
Punkt 1 der Tagesordnung zurückkommen: Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Wiederbesiedlung der Stadt Kehl ({0}).
Ich habe Sie bereits darauf aufmerksam gemacht, daß die Herren Antragsteller des Antrages Drucksache Nr. 1493 nicht gewünscht haben, diesen Antrag in eine Interpellation umzuwandeln, sondern bei dem Antrag zu verbleiben wünschten. Es besteht ein gewisser Zweifel darüber, ob dieser Antrag nach § 48 a der Geschäftsordnung mangels einer Deckungsvorlage erörtert werden kann. Ich schlage dem Hause vor, diesen Antrag zu begründen und zu besprechen. Da er zweifellos dem Haushaltsausschuß überwiesen werden muß und vom Haushaltsausschuß im Zusammenhang mit dem Haushaltsplan erörtert werden wird, dürften dagegen kaum sachliche Bedenken bestehen.
({1})
- Herr Abgeordneter Oellers, bitte zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns im Ältestenrat gestern darüber geeinigt, daß dieser Antrag heute nicht auf der Tagesordnung stehen sollte. Die Begründung war eine doppelte. Einmal die, daß ein Deckungsvorschlag überhaupt nicht gemacht worden ist, und zum anderen die, daß sich die Fraktionen, insbesondere auch meine Fraktion, mit dem sachlichen Inhalt des Antrags auf Grund dieser Tatsache noch nicht befaßt hatten. Wenn derartige Verabredungen im Ältestenrat einen Sinn haben sollen, müssen sie auch eingehalten werden. Ich widerspreche jedenfalls namens meiner Fraktion der Verhandlung aus einem doppelten Grunde, einmal, weil ein Deckungsvorschlag nach § 48 a der Geschäftsordnung fehlt, und zum anderen, weil ich Wert darauf lege, daß meine Fraktion den sachlichen Inhalt dieses Antrages in einer Fraktionssitzung zu besprechen in der Lage ist.
Herr Abgeordneter
Rümmele zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag ist schon seit Wochen von den Antragstellern eingereicht. Er ist schon eingereicht gewesen, ehe die Vorlagen zum Haushalt diesem Hause unterbreitet und verteilt worden waren. Er ist also fristgerecht eingereicht worden, denn er bezieht sich darauf - und deswegen waren die Deckungsvorschläge gar nicht notwendig -, daß in den Haushaltsplan diese erste Summe eingestellt werden soll und die zweite Summe, die auf einem Versprechen des Herrn Bundesfinanzministers beruht, wegen der Notopfer-Angelegenheit Berlin-Kehl überwiesen werden soll. Aus diesen Gründen ist es im Grunde nicht nötig, einen Deckungsvorschlag zu verlangen oder die Angelegenheit von der Tagesordnung abzusetzen.
Ich darf weiter darauf hinweisen: dieser Antrag berührt ein Problem, das im Grunde genommen eine Kriegsfolgelast darstellt. Kriegsfolgelasten sind auf Grund der uns bekannten Umstände überwiegend vom Bund, je nach einem Interessenquotenanteil der Länder, zu tragen. Auch von diesem Standpunkt aus kann man den Antrag nicht absetzen und einen Deckungsvorschlag verlangen, weil im Ursprung der Sache gar keine Notwendigkeit dazu besteht.
Herr Abgeordneter Mellies, ebenfalls zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion habe ich bereits gestern im Ältestenrat darauf hingewiesen, daß wir die Behandlung der Angelegenheit dringend wünschen. Ich habe darauf aufmerksam gemacht, daß von uns bereits eine Interpellation vorbereitet war und wir nur deshalb auf die Einbringung verzichtet haben, weil der Antrag der CDU-Abgeordneten vorlag. Ich bedaure auch außerordentlich, daß die Vereinbarung nicht eingehalten werden konnte, die wir gestern getroffen haben. Es wäre doch wirklich wünschenswert gewesen, daß der Antrag in Form einer Interpellation heute morgen vorgelegen hätte. Dann hätten wir sehr schnell in die Verhandlung der Angelegenheit eintreten können. Ich möchte aber doch jetzt glauben, wir sollten uns dem Vorschlag des Herrn Präsidenten anschließen; denn die Angelegenheit ist so dringend, daß weiterer Aufschub wirklich nicht mehr verantwortet werden kann.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich schlage dasselbe noch einmal vor, weil ich der Auffassung bin, daß es sich zwar um eine Finanzvorlage handelt, die einen Deckungsvorschlag nach § 48 a der Geschäftsordnung erfordert, daß aber die Überweisung an den Haushaltsausschuß, die selbstverständlich ist, eine Behandlung sichert, die ohne weiteres im Zusammenhang mit der Beratung des Haushaltsplans erfolgt. Eine sachliche Erschwerung erfolgt also nicht. Ich würde also vorschlagen, so zu verfahren.
({0}) - Herr Kollege Oellers, bitte!
1 Dr. Oellers ({1}): Ich widerspreche dem ausdrücklich. Ich stelle fest, daß eine entgegenstehende Vereinbarung gestern im Ältestenrat getroffen worden ist. Meine Fraktion ist nicht gewillt, es zu dulden, daß Abreden, die am Abend vorher getroffen worden sind, am folgenden Morgen umgestoßen werden, es sei denn, daß das Plenum dieses Hauses es beschließt.
Im übrigen mache ich darauf aufmerksam, daß selbst der Herr Präsident soeben gesagt hat, daß es sich um eine Vorlage handelt, die nach § 48 a der Geschäftsordnung behandelt werden müsse. Solange ein Deckungsvorschlag nicht gemacht ist, sind wir nach der Geschäftsordnung gar nicht in der Lage, die Vorlage zu behandeln, so dringlich sie sein mag. Ich habe nichts dagegen, wenn sich auf der morgigen Tagesordnung die Vorlage wiederfindet; dann mit einem Deckungsvorschlag. Aber ich muß dagegen protestieren, daß dieses Haus gegen die eigene Geschäftsordnung verfährt.
Herr Bundesminister Schäffer!
Meine Damen und Herren! Nachdem im Laufe der Debatte von einem Versprechen des Finanzministers die Rede war, möchte ich folgendes feststellen. Der Finanzminister hat seinerzeit erklärt, daß er auf die besonderen Verhältnisse in der Stadt Kehl Rücksicht nehmen und sich für die Angelegenheit einsetzen will. Das ist geschehen. Der horizontale Finanzausgleich und der Gesetzentwurf darüber ist dem Hohen Hause bekannt. Dem Hohen Hause ist bekannt, daß bezüglich der Stadt Kehl unter ausdrücklicher Benennung der Stadt Kehl eine Bestimmung in den horizontalen Finanzausgleich eingesetzt worden ist. Dorthin gehört die Hilfsmaßnahme. Aber es ist unmöglich, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß sämtliche Sorgen und Schmerzen, die in den Ländern vorhanden sind und innerhalb der Länderzuständigkeit
gen, vom Bund aus finanziell behoben werden können. Das zerstört vollkommen das Finanzgefüge und das Finanzverhältnis zwischen Bund und Ländern; und wenn wir hier nicht klare Grenzen halten, kommen wir beiderseitig ins Uferlose hinein.
Außerdem möchte ich das Hohe Haus dringend bitten, sich an den § 48 a seiner eigenen Geschäftsordnung zu halten.
({0})
Meine Damen und Herren! Es fördert die Beratungen nicht, wenn jetzt noch private Aussprachen im Hause stattfinden. Ich vertrete den Standpunkt, daß es sich um eine Finanzvorlage handelt. Dennoch schlage ich dem Hause vor, die Beratung vorzunehmen, da dieser Antrag auf jeden Fall dem Haushaltsausschuß überwiesen werden müßte.
Ich frage also das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir in die Beratung des Antrags eintreten. Ich bitte die Damen und Herren, die diese Meinung vertreten, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifellos die Mehrheit.
Wer wünscht den Antrag zu begründen?
({0})
- Herr Abgeordneter Rümmele! Eine Redezeit ist nicht vorgesehen. Ich darf dem Hause vorschlagen, eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten vorzusehen.
In dem Antrag sind zwei Punkte enthalten. Der eine Punkt geht dahin, zur Wiederbesiedlung der Stadt Kehl solle der Bund eine erste Rate von etwa 10 Millionen DM bereitstellen. Der zweite Punkt sieht vor, die Bundesregierung zu ersuchen, den Ablösungsbetrag aus dem Notopfer Berlin - damals in Baden „Notopfer Berlin-Kehl" genannt - entsprechend der Zusage des Bundesministers der Finanzen, die er in der 22. Sitzung des Deutschen Bundestages gegeben hat, beschleunigt zur Auszahlung zu bringen.
Nun gibt es leider viele Schadensgebiete. Die Herren von der Grenzlandkommission haben die Gegenden ja bereist. Der Fall Kehl stellt aber einen Sonderfall dar. Kehl ist die einzige deutsche Stadt, die, 1944 auf deutsche Veranlassung von einer Stunde zur anderen geräumt, nach Beendigung des Kriegszustandes - er ist allerdings auch jetzt noch nicht durch Vertrag beendet nicht wieder besiedelt werden durfte. Die Herren der Besatzungsmacht haben die Stadt Kehl für französische Familien, die in Straßburg ihre Wohnstätten durch den Krieg verloren haben, zurückbehalten. Abgeordnete aller Parteien, die Delegierten von Straßburg, konnten sich davon überzeugen, daß dieser vorsintflutliche Zustand noch besteht. Mitten durch Kehl geht die Hauptstraße entlang ein Stacheldrahtverhau, der die inzwischen zurückgekehrten deutschen Familien und die Bewohner aus Frankreich trennt. Dadurch, daß seiner Zeit die ganze Stadt geräumt wurde, daß nichts mitgenommen werden konnte, daß alle von Haus und Hof gingen und ihr Gewerbe aufgeben mußten, dadurch, daß später, nachdem der Krieg an sich beendet war, durch Brände große Zer({0})
störungen eintraten, dadurch, daß auch bis zum Jahre 1949 kein Deutscher zurückkehren konnte, noch nicht einmal um etwa die Erhaltung des noch Vorhandenen irgendwie zu betreiben oder sonst etwas zu unternehmen, sind die Schäden besonders groß geworden.
Wenn Sie diesen Tatbestand berücksichtigen, dann haben Sie damit die Besonderheit des Falles. Bei allen Zerstörungen, bei allen Kriegsschäden überall in Deutschland ist doch nirgends dieser Zustand einer völlig annektierten Stadt vorhanden, und jetzt erst, nach einem Abkommen, das im April 1949 in Washington geschlossen wurde, kann die Wiederbesiedlung in gegenseitigem Einvernehmen langsam erfolgen. Etwa ein Drittel der deutschen Bewohner ist jetzt wieder nach Kehl zurückgekommen. Das Abkommen sieht vor, daß in der Hafenangelegenheit die Franzosen den Kehler Hafen solange unter Verwaltung haben, bis ein Friedensvertrag andere Verhältnisse schafft, und dann ist wohl vorgesehen, daß eine gemeinsame Hafenverwaltung eingesetzt würde. Kehl ist der südlichste brauchbare Rheinhafen. Er hatte vor dem Kriege einen Umschlag von über 2 Millionen Tonnen. Er ist wichtig für Baden, für Württemberg, für die gesamten süddeutschen Länder für den Verkehr zwischen Deutschland und Frankreich und den Verkehr auf dem Rhein mit dem Umschlagplatz eben in Kehl. Es ist der Schnittpunkt zwischen Schwarzwald und Vogesen und auch im Gefüge der Nachbarschaft nach jeder Hinsicht von Bedeutung.
Das müßten vor allem auch die Herren der Besatzungsmächte stärker berücksichtigen, die jetzt sehr wohl da und dort Entgegenkommen und auch ihren guten Willen zeigen. So hat kürzlich der Herr Kommissar Pène einen Scheck von 100 000 Mark zum Wiederaufbau von Wohnungen gegeben, damit die französischen Verwaltungen dann Wohnungen räumen könnten. Auch der badische Staatspräsident hat bei dieser Gelegenheit 100 000 Mark gestiftet. Aber, meine Damen und Herren, das sind natürlich nur wenige Tropfen auf einen heißen Stein.
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Ich will Ihnen nachher an Hand einer amtlichen Denkschrift nur einige Zahlen bekanntgeben, nicht etwa wörtlich vorlesen, was da steht - das liegt mir nicht, und das würde das Hohe Haus wahrscheinlich langweilen -; aber Sie ersehen dann doch aus dieser Zusammenstellung, daß ein Schaden von rund 140 Millionen entstanden ist und daß nur wenig gegeben werden konnte, um diesen Schaden auch nur teilweise gutzumachen. Die Denkschrift stellt die besonderen Notstände heraus und zeigt auf, daß der Bundestag wohl verpflichtet sein dürfte, zu helfen, soweit er kann. Dies ist meiner Meinung nach auch eine Verpflichtung des Bundesfinanzministers, der trotz seiner Sorgen und Nöte auch hier etwas versprochen hat. Als wir im Dezember vorigen Jahres mit Wirkung vom 1. Januar das Notopfer beschlossen haben, das damals in Baden mit voller Absicht „Berlin-Kehl" geheißen hat, damit diese Schäden mindestens teilweise wiedergutgemacht werden konnten, hat der Herr Finanzminister positiver gesprochen als heute. Der Finanzminister sagte damals, er wäre gern bereit, zwar nicht im Rahmen des Notopfers, aber im Rahmen der allgemeinen Mittel des Bundes, wenn ihm von der badischen Regierung entsprechende Nachweisungen geliefert würden, im Rahmen des Möglichen zu helfen.
Meine Damen und Herren, man hört selten von einem Finanzminister, daß er gern bereit ist. Man hört das von dem unsrigen natürlich auch sehr selten, und wir müssen ja auch gerechterweise sagen: er hat viele Sorgen auf dem Gewissen, und es wird viel von ihm gefordert. Aber außergewöhnliche Notstände rechtfertigen schließlich auch eine außergewöhnliche Forderung.
Nach der erwähnten Statistik ist es so, daß an total zerstörten und leicht zerstörten Gebäuden Schäden in Höhe von 18 Millionen Mark nachweisbar sind. Es ist weiter so - bedenken Sie das immer! -, daß alles zurückgelassen werden mußte, nicht nur in Privatwohnungen, sondern auch von Handel, Landwirtschaft und Gewerbe. Es konnte gar nichts herausgenommen werden, und die Dinge sind heute, nach vier, fünf Jahren nicht mehr da. Es ist dadurch bei rund 3600 Haushaltungen und etwa 435 Gewerbebetrieben ein Schaden von etwa 57 Millionen Mark nachweisbar. Allein die eine große bekannte Fabrik Trick-Zellstoff, die in ihrer Art einzig ist - in ganz Europa gibt es nur noch eine zweite Fabrik, die ähnliche Zellulose hergestellt hat -, hat einen Verlust von etwa 6 Millionen Mark. Es ist bis jetzt durch Mietausfall bei gewerblichen und anderen Räumen ein Verlust von 15 Millionen DM, durch Einkommensminderung bei der betroffenen Bevölkerung ein Verlust von rund 45 Millionen DM seit 1945 festzustellen.
Unser Antrag verlangt 10 Millionen DM. Ich darf noch einmal daran erinnern, daß es sich - es wird wahrscheinlich von einem Teil der Mitglieder des Hauses und vom Finanzministerium in diesem Zusammenhang nicht anerkannt - bei diesen Schäden um Kriegsfolgen handelt, gegen die man sich nicht wehren konnte, und daß die Hilfeleistung im Grunde genommen Aufgabe des Bundes ist, allerdings abzüglich einer Interessenquote der Länder. So ungefähr ist es ja doch gesetzlich geregelt.
Bisher konnten für Kehl etwa 5,1 Millionen DM aufgewendet werden, darunter zweieinhalb Millionen DM aus dem Notopfer Berlin-Kehl, 1,23 Millionen DM Flüchtlingsaufwendungen, 1 Million DM aus der Soforthilfe und etwa eine halbe Million DM für Mietentschädigungen, die inzwischen bezahlt wurden.
Die Summe von 140 Millionen Mark Gesamtschaden ermäßigt sich im Laufe der kommenden Monate vielleicht um etwa 15 Millionen DM, weil die Verständigung zwischen der Besatzungsbehörde und den badischen Regierungsstellen erfreulicherweise so weit zu einem Ergebnis geführt hat, daß Mietentschädigungen, die bis jetzt nur bis zu zwei Quartalen bezahlt wurden, nunmehr rückwirkend gegeben werden sollen. Der Finanzbedarf bis zum 31. März 1951 beträgt insgesamt etwa 18 Millionen DM ohne die Aufwendungen für den Hafen Kehl, für den noch große Beträge aufzuwenden sind, die weit über diese Summe hinausgehen.
Ich will damit die Aufführung von Zahlen beenden. Diese Zahlen dürften im großen und ganzen ein Bild von der Besonderheit dieser Schäden und der Situation geben.
Ich betone noch einmal: die Antragsteller lassen sich nicht etwa davon leiten, nun für das Land Baden, das naturgemäß nicht in der Lage ist, diese Schäden allein wiedergutzumachen, nachdem Baden immer ganz besonders hohe Besatzungsleistungen aufzubringen hatte, einen Sondervorteil herauszuholen. Es handelt sich einfach darum, einem besonderen Notstand mit besonderen Hilfsmaß({2})
nahmen, die sachlich sehr wohl begründet sind, zu begegnen; denn an der Wiederbesiedlung Kehls hat alles in Deutschland ein Interesse.
Ich darf von dieser Tribüne aus auch an die Besatzungsmacht einmal den Wunsch richten, die französische Besatzungsmacht möge entsprechend dem, was 1949 in Washington über die Zurücksiedlung in vier Jahren vereinbart wurde, in Verbindung mit den deutschen Stellen alle Anstrengungen machen, damit die Wiederbesiedlung schneller vor sich gehen kann. Man möge sich dabei auch daran erinnern, daß der Krieg fünf Jahre vorbei ist, sowie daran, daß für Kehl und Straßburg, die doch so eng beieinander liegen und nur durch den Rheinarm getrennt sind, deren Häfen früher durch die Hafenverwaltungen miteinander in Konkurrenz standen, doch irgendeine Gemeinschaftslösung gefunden werden muß und daß auch der Weg zu einem neuen Europa und nach Straßburg über Kehl geht.
({3})
Wenn man sich daran erinnert, die Stacheldrähte abbaut und den deutschen Menschen die Wiederbesiedlung schneller als bisher ermöglicht, dann hat man auf diese Art auch dem Frieden und dem neuen Europa gedient.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß die Kehler Frage, die bisher rein auf der Ebene lokaler und regionaler Behörden verhandelt wurde, nun endlich vor das Forum des Bundestags kommt und auf der Bundesebene verhandelt wird, wohin sie gehört; denn es liegt nicht nur ein Notstand zugrunde, dem man mit Geld abhelfen kann, sondern es liegt ein politischer Notstand zugrunde, der durch das Eingreifen einer der Besatzungsmächte, die gleichzeitig unser Nachbar ist, verursacht worden ist und dem man wahrscheinlich nur mit den Mitteln der außenpolitischen Verhandlungen wirksam begegnen kann.
Deshalb begrüßen wir es von ganzem Herzen, daß wir bei diesem Anlaß Gelegenheit haben, das Problem Kehl etwas mehr vom Grundsätzlichen her anzuschneiden, als es auf der badischen Ebene allein bisher möglich war.
Die Frage selbst ist schon öfter in der Öffentlichkeit behandelt worden, allerdings weniger im Bereich des ganzen Bundesgebiets, als vor allem in demjenigen Teil des deutschen Bundes, aus dem ich komme, nämlich im südwestdeutschen Raum. Meine Freunde haben im südbadischen Landtag schon vor langer Zeit einen Antrag eingebracht, der damals die einmütige Zustimmung des ganzen Landtags fand und durch den Kehl zum Notstandsgebiet erklärt wurde. Durch eine spätere Entscheidung des südbadischen Landtags wurde in diesen Kreis der Notstandsgebiete auch einbezogen die Stadt Breisach und eine Reihe von anderen schwer kriegsbetroffenen Gemeinden. Ich erwähne den Namen Breisach deshalb, weil ich in dem Schlußwort meines Vorredners einen Anklang an Straßburg als die europäische Hauptstadt fand und gerade Breisach ein Beispiel dafür gegeben hat, wie lebhaft und wachsam trotz aller Hemmungen im Wiederaufbau, die infolge der jetzigen Umstände dort bestehen, und trotz aller Zerstörungen, die die Stadt hat auf sich nehmen müssen, der europäische Geist dort ist. Sie entsinnen sich noch, daß es gerade Breisach war, das sich bei einer der Abstimmungen über den Zusammenschluß zur europäischen Föderation mit einer Mehrheit von über 90 % aller Stimmberechtigten für den Zusammenschluß ausgesprochen hat. Ich glaube, beiderseits des Rheins - ich betone: beiderseits - sollte man aus dieser Abstimmung etwas lernen, und darüber, was man auch auf der anderen Seite daraus lernen kann, werde ich Ihnen noch einige Gedanken vortragen.
Es haben damals schon eine Reihe von Besprechungen, an denen auch der jetzige Bundestagsabgeordnete Maier beteiligt war, stattgefunden mit dem derzeitigen französischen Hohen Kommissar Francois-Poncet, mit dem derzeitigen französischen Außenminister Schuman und auch mit dem damaligen franzöischen Deutschlandminister Alain Poher. In diesen Besprechungen sind ganz konkrete Vorschläge gemacht worden, wie man der Notlage Kehls zu Leibe gehen könnte: zum Beispiel dadurch, daß man drüben in Straßburg mit deutschen Arbeitskräften und deutschem Material etwas schneller, als das augenblicklich geschieht, Wohnraum schafft, damit die Bevölkerung aus dem evakuierten Straßburg, die heute noch in Kehl ansässig ist, in ihre Heimat zurückkehren kann und damit Kehl ganz den Deutschen zur Wiederansiedlung zurückgegeben werden kann. Denn was nützt uns das Geld für die Wiederansiedlung, wenn der Raum dafür nicht zur Verfügung steht! Leider ist man damals auf diese Vorschläge nicht eingegangen.
Es hat uns alle sehr erschüttert, als wir als deutsche Delegierte in der Beratenden Versammlung von dem wieder zum Leben erwachten blühenden Straßburg, dessen Hafen kaum nennenswerte Schäden erlitten und der heute wieder einen großen Teil seines Vorkriegsumschlags erreicht hat - ungefähr zwei Drittel der in Straßburg jeweils in den besten Jahren umgeschlagenen Gütermenge wird dort heute wieder umgeschlagen -, nach Kehl hinüberkamen und hier einen vollständig toten Hafen vorfanden. Kein Schiff ist zu sehen; keine Maschine rührt sich; die Kräne sind zerstört, sie funktionieren nicht; man kann gar kein Schiff ausladen; es sind kaum Menschen im Hafen; kein Schlot raucht; keine Fabrik, kein Eisenbahnwaggon ist zu sehen; ein völlig verödetes, riesiges Hafengelände, das durchaus imstande wäre, heute einen großen Teil des über den Oberrhein laufenden Schiffsverkehrs für die Bedürfnisse des südwestdeutschen Wirtschaftsraums bei sich aufzunehmen.
Ohne daß das Schicksal des Hafens mit entschieden wird, ist die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl allein verhältnismäßig sinnlos. Ich möchte Ihnen daher sagen, daß wir uns darüber freuen würden, wenn die Bundesregierung sich durch diesen Antrag, der zunächst rein finanzieller Natur zu sein scheint, bewogen fühlte, das Problem Kehl auf der Ebene der deutsch-französischen Aussprache und der Aussprache mit den Hohen Kommissaren mit dem Ziel anzuschneiden, daß der Hafen möglichst bald der deutschen Wirtschaft zurückgegeben wird; denn davon hängt Leben oder Tod dieser Stadt ab. Die Industrien, die in Kehl früher ansässig waren, sind unmittelbar um den Hafen herum gruppiert gewesen. Sie hängen in ihrer Zufuhr und in ihrer Abfuhr so mit dem Hafen zusammen, daß ohne ein Übergehen des Hafens in die deutsche Verwaltung an einen Wiederaufbau Kehls ernsthaft nicht gedacht werden kann.
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Kehl hat in und nach dem zweiten Weltkrieg viel stärkere Zerstörungen erlitten als Straßburg. Von 1740 Gebäuden, die im Jahre 1944 vorhanden waren, sind 501 total zerstört und 313 schwer bzw. leicht beschädigt. Nur 926 Gebäude sind überhaupt erhalten geblieben. Der Kehler Hafen hatte 1937 einen Umschlag von über 2 Millionen Tonnen. Er ist durch Kriegsschäden schwerstens betroffen, wird aber ohne Rücksicht auf die Schäden heute überhaupt nicht benutzt. Von den 12 400 Einwohnern Kehls im Jahre 1939 lebte der größte Teil vom Hafenbetrieb und der im Zusammenhang damit dort aufgebauten Industrie. Diese Industrie ist heute praktisch tot. Das können Sie an einer Zahl, nämlich an der Zahl über das Steueraufkommen erkennen. Das Steueraufkommen Kehls betrug im Jahre 1942 1 552 908 RM und erreichte im Jahre 1949 63 100 DM. Ich glaube, die Gegenüberstellung dieser Zahlen zeigt erschütternd, in welcher Lage sich die Stadt befindet, und zeigt uns, welche Verpflichtung wir auf uns nehmen müssen, um der Stadt zu helfen.
Sie wissen - Sie haben es vom Vorredner erfahren; irgendwelche Dokumente sind dem Bundestag darüber bisher nicht zugegangen -, daß die Alliierten das Washingtoner Abkommen geschlossen haben, in dem sie sich untereinander dahin absprachen, daß innerhalb weniger Monate ein Drittel der Stadt Kehl zu räumen sei und daß der Rest der Stadt nach und nach im Laufe von vier Jahren an Deutschland zurückgegeben werden solle.
Kehl ist ein Sonderfall in Deutschland. Es handelt sich nicht einfach um einen Bestandteil der französischen Besatzungszone, sondern der heute noch französische Teil Kehls ist aus der deutschen Verwaltung auch des Landes Baden ausgegliedert, ist französisches Zollgebiet, bildet praktisch auf einige Zeit einen mit Frankreich verbundenen Teil und bildet in der Verwaltung nicht einen ordentlichen Bestandteil des lediglich französisch besetzten Gebiets Deutschlands.
Ich glaube, man sollte alle Bemühungen darauf erstrecken, daß dieser Zustand baldmöglichst beendet oder mindestens seine Dauer nennenswert verkürzt wird. Das kann man tun, wenn man mit der französischen Regierung einmal durchspricht, welche konkreten Hindernisse denn überhaupt im Wege stehen. Im Kehler Hafen haben die französische Truppe und einige Holzfirmen ein sehr unbeträchtliches Lager. Das läßt sich verpflanzen. Der Straßburger Hafen ist groß genug, um das aufzunehmen. In der Stadt Kehl leben noch einige hundert französische Familien aus Straßburg. Auch darüber ließe sich reden, daß dann eben die Deutschen einen Beitrag zum Bau entsprechender Wohnungen drüben in Straßburg leisten, damit wir wieder nach Kehl hinein können und diese deutsche Stadt selber wiederaufbauen können. Aber das könnte wesentlich schneller gehen, als das augenblicklich durch die Gewalt der Umstände möglich ist.
Das Ganze ist damit wirklich eine Bundessache geworden. Die badische Regierung ist weder sachlich in der Lage, noch kommt es ihr nach dem Grundgesetz zu, außenpolitische Verhandlungen mit unseren Nachbarn zu führen. Das ist Sache der Bundesregierung. Man muß darüber hinaus ein Wirtschaftsprogramm entwickeln, damit dem zurückzugebenden Hafen wirklich wieder Blut und Leben zufließt, damit der Hafen wieder seine Rolle in der südwestdeutschen Wirtschaft spielen kann. Das kann nicht allein mit Geld geschehen, sondern wir werden uns überlegen müssen, welche früher dort ansässigen Industrien und welche neuen dazu rund um den Hafen herum angesiedelt werden können. Platz genug bietet er, und an Arbeitskräften dürfte es in der Nachbarschaft Kehls nicht allzu stark mangeln.
Damit wäre Kehl wieder zu einem Schwerpunkt, zu einem Mittelpunkt des südwestdeutschen Wirtschaftsraums geworden. Das Ganze ist nur möglich, wenn man auch den Wohnungsbau in Gang bringt. Vielleicht läßt sich darüber reden, wie man die Mittel des sozialen Wohnungsbaues, die ja nach bestimmten Schwerpunkten verteilt werden, auch in dieser Weise in den Wiederaufbau von Kehl bevorzugt hineinsteckt.
Nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Welches Problem ergibt sich für uns in bezug auf unsere Nachbarn? Kehl kann ein Beispiel werden, wie vernünftige europäische Gesinnung aussieht. Heute ist es ein Beispiel dafür, wie man europäische Parolen zur Ausnutzung sehr realer nationaler Interessen mißbrauchen kann.
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Das wollen wir ganz eindeutig und nüchtern ohne allzu große Enttäuschung hier feststellen. Kehl liegt Straßburg gegenüber. Die Bevölkerung ist voll guten Willens. Sie erhofft sich von der europäischen Neuordnung sehr viel. Aber das kann dann nicht so aussehen, wie es uns zum Beispiel der französische Hafendirektor sagte: „Nun ja, augenblicklich untersteht der Kehler Hafen französischer Verwaltung. Wir sind durchaus bereit, eine deutsch-französische Gesellschaft zu gründen." Und auf meine Gegenfrage: „Ja, für beide Häfen, für Straßburg und Kehl, dann sind wir damit einverstanden" : „Nein, natürlich nur eine deutschfranzösische Gesellschaft für den Kehler Hafen; aber der Straßburger Hafen, der geht euch nichts an, der bleibt ausschließlich in französischer Hand." Wenn die Europäisierung so aussieht, daß nur die Deutschen das Ihre nach Europa einbringen, die übrigen Länder aber auf ihren vollen nationalen Souveränitätsrechten beharren, dann ist das Ganze in Wahrheit eben kein Beitrag zu einer europäischen Neuordnung.
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Ich glaube, auch hier schaut Kehl nach Straßburg; und es schaut auf uns, ob Franzosen und Deutsche an diesem Beispiel demonstrieren können, daß man im Geiste vernünftiger europäischer Zusammenarbeit diese deutsche Stadt dem Wiederaufbau zuführen kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Pünder.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure aufrichtig, daß der Herr Bundesfinanzminister die sehr anschaulichen Ausführungen meines Herrn Vorredners nicht persönlich mit angehört hat. Ich habe selber auch zu den Kollegen und Kolleginnen gehört, die soeben entgegen seinem Wunsch für die Erörterung dieses Antrags gestimmt haben. Wenn ich und meine Freunde das getan haben, dann nicht, um unseren verehrten und vielgeplagten Herrn Bundesfinanzminister zu ärgern, noch auch, weil wir die Geschäftsordnung nicht kennten, sondern weil es so ist, wie Herr Erler eben mit Recht ausgeführt hat:
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Die Erörterung dieses Antrags bietet uns eben die einzige Möglichkeit, das Problem Kehl vor dem Forum überhaupt zur Erörterung zu bringen, wo es hingehört,
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das heißt hier vor dem Bundestag, hier vor der Bundesregierung, dem Bundesrat und darüber hinaus vor der ganzen Weltöffentlichkeit.
Ich will mich da nicht wiederholen, auch das nicht wiederholen, was Herr Erler sagte; aber es ist nicht ein badisches Problem allein. Es ist auch keineswegs ein finanzpolitisches Problem, dessentwegen sich nur der Herr Finanzminister angesprochen fühlen sollte, sondern es ist ein zentraldeutsches und darüber hinaus ein europäisches Problem. Ich habe selber mit veranlaßt, daß wir uns im August als Vertreter aller in der Delegation vertretenen Parteien von Straßburg nach Kehl begeben haben. Wir haben dort die Verhältnisse studiert, haben auch mit maßgeblichen französischen Vertretern den Kehler Hafen besucht und namentlich auch mit deutschen Herren in Kehl gesprochen. Wir waren übereinstimmend der Auffassung, daß hier nicht europäisch gehandelt worden ist, daß aber auf der anderen Seite gerade das Beispiel Kehl eine wunderbare Möglichkeit darstelle, um nun wirklich im europäischen Geiste einen friedlichen Ausgleich aller Interessen herbeizuführen. Das ist der Sinn der Debatte, die wir hier heute führen wollten.
Ich bin dafür, daß wir diesen Antrag dem Haushaltsausschuß überweisen. Er mag dort sachlich, gerade auch nach der finanziellen Seite hin, behandelt werden. Aber darüber hinaus bitte ich die Bundesregierung herzlich, daß sie diesen Vorgang zum Anlaß nehmen möchte, das Problem Kehl ganz nachdrücklich in den Kreis ihrer außenpolitischen Erwägungen zu ziehen und, wie auch Herr Erler vorhin sagte, recht bald in Verhandlungen mit der französischen Regierung zu treten, damit ein Zustand ein Ende findet, der wirklich dem europäischen Geiste nicht entspricht, sondern einen Zustand herbeizuführen, der einen ersten Ansatzpunkt zu einer freundschaftlichen und friedlichen Gemeinschaftsarbeit zwischen Deutschland und Frankreich darstellt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamacher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was an sachlichen Einzelheiten zur Begründung dieser Vorlage gesagt werden muß, ist von meinen Vorrednern bereits ausgeführt worden. Deshalb darf ich mich auf einige wenige allgemeine Gesichtspunkte beschränken. Wer in den letzten Jahrzehnten einmal in Kehl gestanden, westwärts auf das Straßburger Münster geschaut und dann zwischen Straßburg und Kehl den Rhein als die Lebensader der deutschen Nation gesehen hat, dem kommt zum Bewußtsein, daß Kehl und sein jetziger Zustand - die Notlage ist ja eingehend dargestellt worden - eine blutende Wunde am Körper des deutschen Volkstums gerade hier an der Grenze ist. Darum ist es notwendig, daß wir diesem Antrag möglichst einmütig unsere Zustimmung geben, damit diese blutende Wunde nicht zur schwärenden Eiterbeule wird. Diese Vorlage gehört mit in das auch vor einigen Wochen vom Bundestag behandelte Grenzlandproblem. Ich möchte im Anschluß an diese Einzelvorlage nochmals der Erwartung Ausdruck geben, daß wir möglichst bald ein Grenzlandgesetz auf Bundesebene haben. Kommt der Bundestag in dieser Vorlage zur Einmütigkeit, dann werden wir einen Schritt weiter tun können auf dem Wege zu diesem hoffentlich bald zustande kommenden Gesetz.
In dieser Vorlage heißt es, daß von dem Notopfer Berlin 10 Millionen DM zur Unterstützung der Stadt Kehl abgetrennt werden sollen. Ich glaube, annehmen zu können, daß die Bevölkerung von Berlin für diese Abtrennung weitestgehend Verständnis hat und daß hier auch wieder für das Verhältnis zwischen Berlin und Kehl, zwischen dem Osten und dem Westen, ein eindeutiges und einmütiges Zeugnis dafür abgelegt wird, wie sehr West und Ost sich miteinander verbunden fühlen. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses einmütige Votum zustandekommt. Meine Freunde vom Zentrum stimmen dieser Vorlage zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Ich bin leider nicht in Übereinstimmung mit dem Herrn Kollegen Pünder und seinen Ausführungen über die formelle Behandlung dieses Gegenstandes. Wir haben hier bestimmte Normen für die geschäftsordnungsmäßige Behandlung aufgestellt. Wir hatten bisher auch die Gepflogenheit, daß bestimmte, im Ältestenrat getroffene Vereinbarungen eingehalten werden. Daß man diese Dinge dann durch Majoritätsbeschlüsse zufälliger Art, nachdem die Debatte noch dazu von Rednern bestritten wird, die an den Verhandlungen des Ältestenrats überhaupt nicht teilgenommen haben, so einfach umwirft und ändert, halte ich nicht für eine gute Sitte und einen nachahmenswerten Brauch in diesem Hause. Ich bin infolgedessen nicht in der Lage, das anzuerkennen, und bin sogar der Meinung, daß dieser Vorfall uns Anlaß geben muß, die Art und Weise der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung dieser Vorlage noch weiter zu erörtern und die Angelegenheit zu einer grundsätzlichen Klärung zu bringen.
Was den Gegenstand anlangt, so darf ich für meine Freunde sagen, daß sie von der Dringlichkeit und der Bedeutung der in diesem Antrage ausgedrückten Wünsche und Absichten durchaus überzeugt sind. Sie sind aber der Meinung, daß es sich hier nicht nur um einen Gegenstand rein materieller Fürsorge und Unterstützung handeln darf, sondern daß darüber hinaus der politische Zusammenhang und die Absonderlichkeit der politischen Verhältnisse in Kehl und in seinem Hinterland Gegenstand auch zwischenstaatlicher Gespräche sein müssen.
Wenn man über Kehl nach Straßburg zum Europarat fährt, dann hat man einen merkwürdigen Eindruck, meine Damen und Herren; dann kommt man nicht nur durch eine zertrümmerte und weithin verwüstete Stadt, sondern dann kommt man durch eine Zone von Stacheldraht. Dieser Anblick ist so seltsam und steht so in Widerspruch zu allen europäischen Deklarationen, er ist so unerträglich und so quälend, daß hier allerdings ein Fall vorliegt, um dessentwillen der europäische Geist eine Bewährungsprobe zu bestehen hat. Hier handelt es sich um eine Angelegenheit, die durchaus zwischen den zwei beteiligten Ländern ausgetragen und gelöst werden kann. Es bedarf da gar nicht einer großen
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gesamteuropäischen Organisation, sondern hier bedarf es der Bewährung des europäischen Geistes in der Praxis, um diese Stacheldrahtzone mit allen ihren unglückseligen Folgen zu überwinden, indem man sie als eine Sinnlosigkeit, als eine Monstrosität in der gegenwärtigen Zeit, angesichts der europäischen Notwendigkeiten überhaupt, begreift.
Es ist doch so, daß mit finanziellen Zuwendungen allein auf die Dauer diesem Gebiet gar nicht geholfen werden kann. Wir können hier noch so bereitwillig sein, Hilfe zu gewähren und Zuschüsse zur Verfügung zu stellen. Damit lösen wir das ganze Problem Kehl nicht. Das Entscheidende ist, diesen Wirtschaftsraum Kehl wieder existenzfähig zu machen. Es ist nicht allein damit getan, daß man Menschen zurücksiedelt. Man muß ihnen auch die Arbeitsplätze wiedergeben, die sie gehabt haben, das heißt also, man muß dies Gebiet wieder in die volle Handlungsfähigkeit versetzen, in der es sich einmal befunden hat.
Dazu gehört zunächst einmal der Anschluß an das deutsche Währungsgebiet. Ich brauche wohl nicht auszuführen, was es an Behinderung bedeutet für eine industrielle, für eine gewerbliche Entwicklung, für eine Ausnutzung des Hafengebietes, für die Entfaltung eines regen Speditionsgewerbes und dergleichen mehr, wenn man aus diesem Gebiet gegenüber Deutschland ein Zoll- und Währungsausland macht. Was wir zur Zeit sehen, ist nichts weiter als die künstliche Niederhaltung von Industriefirmen, von gewerblichen Betrieben, vor allen Dingen auch von Lagerhaus- und Transportunternehmen und dergleichen mehr. Hier ist mit irgendeiner gemeinsamen Hafenverwaltung, die sich ausschließlich auf Kehl erstreckt, keine Lösung zu finden. Bei den Beengungen der Wirtschaft im Kehler Gebiet, bei den Wettbewerbsbefürchtungen oder Wettbewerbsvorwänden der Straßburger Wirtschaftskreise ist doch niemals in einer gemeinsamen Verwaltung, die sich ausschließlich auf den Kehler Hafen erstreckt, eine ausgleichende Kraft zu sehen, weil in ihr diejenigen, die die Kehler Betriebe und die Kehler Entwicklung als Wettbewerb zu befürchten vorgeben, so etwas wie eine Vorherrschaft über den Wettbewerber ausüben könnten. Dabei möchte ich überhaupt Zweifel anmelden, ob dieser von Straßburg anscheinend erwartete Wettbewerb in Wirklichkeit eintreten würde und ob er nicht eine Fiktion ist, die gegenstandslos wäre, wenn die Schikanen wegfielen: diese zahllosen Beengungen und alles, was mit der Stacheldrahtzone und der Währungsenklave in Kehl zusammenhängt.
Wenn das alles wegfiele, würden sich die natürlichen Voraussetzungen für die wirtschaftliche Entwicklung des Kehler Raumes als so lebendig erweisen, daß gar nicht einmal eine Notwendigkeit bestünde, etwa zwischen dem Straßburger und dem Kehler Raum wirklich bedenkliche und gefährliche Wettbewerbsverhältnisse eintreten zu lassen, die dann für Straßburger Wirtschaftskreise ein Anreiz sein könnten, nun sich immer wieder um diese Dämpfung, um diese Beschränkungen gegenüber der Kehler Wirtschaft zu bemühen. Es würde damit zugleich die Möglichkeit bestehen, den Raum um Kehl herum, das Hinterland von Kehl, einer Gesundung entgegenzuführen. Die landwirtschaftlichen Verhältnisse in der Umgebung von Kehl sind deswegen empfindlich gestört, weil hier früher eine Stadt mit einer einstmals großen Zahl von Konsumenten war. Diese Konsumenten sind jetzt noch nicht wieder da. Denn die Stadt ist entvölkert worden, und die Rücksiedlung ihrer Bewohner kann sich unter den eben gekennzeichneten Verhältnissen nur sehr langsam vollziehen. Ergebnis ist, daß die umliegende Landwirtschaft, die gewohnt war, ihre Erzeugnisse in Kehl und Umgebung abzusetzen, nun nicht mehr in der Lage ist, zu günstigen, zu einigermaßen erträglichen Absatzbedingungen die Abnehmer für ihre Erzeugnisse zu finden.
Ich glaube, zusammenfassend sagen zu können, daß es sich hier allerdings um ein Anliegen handelt, bei dem eine gewisse Initiative der Bundesregierung dringlich ist, nicht nur hinsichtlich der finanziellen Hilfen, sondern im Hinblick auf die Lösung und Heilung der Verkrampfungen, die der europäischen Integration entgegenstehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Zur Abstimmung über diesen Antrag möchte ich nur einige Worte sagen, um unsere Haltung zu erklären. Wir billigen alles, was in diesem Antrag zur Sanierung der Stadt Kehl angeregt wird. Den hier angesetzten Betrag halten wir allerdings für völlig unzureichend. Wir werden uns bei der Abstimmung aber der Stimme enthalten, weil wir bekanntlich das Berliner Notopfer im Prinzip ablehnen und deshalb gezwungen sind, auch hier die Verquickung der Hilfe für Kehl mit dem Berliner Notopfer abzulehnen. Diese Erklärung wollte ich im Namen der Fraktion abgegeben haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist der Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß gestellt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Bei einigen Stimmenthaltungen so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Reichsautobahngesetzes vom 29. Mai 1941 ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten und unmittelbar nach der Begründung die Überweisung an den zuständigen Ausschuß vorzunehmen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Dr. Bertram ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte vor einiger Zeit Gelegenheit, hier auszuführen, daß der Bundesfinanzminister sehr viel damit zu tun habe, neue Steuern zu erfinden. Im vorliegenden Falle handelt es sich, formell gesehen, nicht um ein Ergebnis seines Suchens nach neuen Steuern, sondern um ein Ergebnis des Suchens nach einer alten Steuer, nämlich einer Steuer, die in § 6 des Reichsautobahngesetzes aus dem Jahre 1941 verankert gewesen ist. Seit dem Jahre 1941 hätte das Unternehmen Reichsautobahn das Recht gehabt, Benutzungsgebühren zu erheben. Von dieser Bestimmung ist aber bisher kein Gebrauch gemacht worden. Das hatte einen guten Grund und hat sich im Laufe der letzten Jahre auch als richtig erwiesen.
(Dr. Bertram;
Im Zuge der finanziellen Nöte des Bundeshaushalts hat man aber auf diese Bestimmung zurückgegriffen und dem Bundesrat eine Verordnung vorgelegt, wonach auf Grund des § 6 des Reichsautobahngesetzes Benutzungsgebühren für die Reichsautobahnen erhoben werden sollen. Der Bundesrat hat die Angelegenheit vertagt; eine Vertagung ist aber keine Ablehnung. Hier komme ich auf den Grund unseres Antrages.
Wir halten es für verkehrspolitisch untragbar, daß von dieser Bestimmung überhaupt jemals Gebrauch gemacht wird. Diese Bestimmung ist im Zusammenhang mit dem damals entstehenden Reichsautobahngesetz und den Reichsautobahnen noch verständlich, ist aber heute, nachdem diese Straßen längere Zeit dem allgemeinen Verkehr gedient haben, völlig gegenstandslos geworden und müßte deshalb schnellstens verschwinden. Wir alle kennen die Überlastung der Landstraßen mit Kraftfahrzeugen und würden durch die Erhebung von Gebühren für die Benutzung von Reichsautobahnen dazu beitragen, daß diese Überlastung der Landstraßen noch stärker werden würde. Wir würden den Verkehr von den Autobahnen auf die Landstraßen umleiten. Auch die Bundesbahn ist nicht in der Lage, den Verkehrsanforderungen in vollem Umfange zu genügen. Wir würden die sowieso engen Ortsdurchfahrten zusätzlich belasten und die Umgehungsmöglichkeit, die die Autobahn bei zahlreichen Ortschaften, in deren Nähe sie vorbeiführt, geschaffen hat, verhindern.
Es kommt hinzu, daß wir gerade auf dem Verkehrssektor eine außerordentliche Vielzahl von Steuern haben. Diese Vielzahl von Steuern würde noch durch eine neue Steuer erhöht werden.
Ein weiterer Gesichtspunkt ist die Frage der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Statt eine möglichst starke Integration aller Verkehrsbeziehungen zu fördern, würde man auf diese Art und Weise die Verkehrsbeziehungen, die sich eingespielt haben, noch zusätzlich gefährden, vielleicht sogar zerreißen. Eine Verlängerung der Laufzeiten wäre in vielen Verkehrsrelationen die Folge. Damit würden größere Kapitalien erforderlich sein als bisher, um das Mehr der zur Beförderung anstehenden Güter bezahlen zu können.
Aus allen diesen Gründen ist es meiner Ansicht nach untragbar, daß wir von dieser Steuermöglichkeit bzw. von der Möglichkeit, hier Gebühren zu erheben, überhaupt Gebrauch machen. Die Streichung dieses Paragraphen würde im Zusammenhang mit den zahlreichen anderen Steuererhöhungswünschen des Bundesfinanzministers hinsichlich des Aufkommens keinerlei Bedeutung haben.
Es kommt hinzu, daß auch niemand vorausschätzen kann, wie stark die Abwanderung von der Autobahn sein würde, so daß auch das Aufkommen aus dieser Steuer völlig ungewiß ist.
Aus diesen Gründen halte ich es für richtig, die Vorlage an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen, weil es sich in allererster Linie um verkehrspolitische Fragen handelt und die finanzpolitische Bedeutung dieser Vorlage so außerordentlich gering ist, daß der Verkehrsausschuß diese Dinge wird mitbehandeln können. Ich beantrage daher die Verweisung der Vorlage an den Verkehrsausschuß.
Meine Damen und Herren, auf Aussprache ist verzichtet worden. Wer für den Antrag auf Überweisung an den Verkehrsausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Die Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes ({0}).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, nach Begründung der Vorlage durch die Regierung auf die Aussprache zu verzichten und die Überweisung an die Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen sowie für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftssteuergesetzes enthält keine grundlegenden Änderungen der Erbschaftssteuer. Er will nur in mehreren Punkten den Bedürfnissen Rechnung tragen, die sich in der Praxis bei der Anwendung der bestehenden Vorschriften ergeben haben.
Das Gesetz Nr. 64 der Militärregierung hatte durch Einfügung eines § 17a in das Erbschaftssteuergesetz die Steuerfreiheit des Ehegattenerwerbs wiedereingeführt, um die doppelte erbschaftsteuerliche Belastung der Familie mit Kindern zu beseitigen. Dabei war aber bestimmt, daß der Erwerb des überlebenden Ehegatten nicht mehr steuerfrei bleibt, soweit der Nachlaß 500 000 DM übersteigt. Diese Vorschrift paßt nicht in das System des Erbschaftsteuergesetzes. Die Anwendung der Tarifvorschriften, der Freibeträge, der Besteuerungsgrenzen und der sonstigen Befreiungsvorschriften ist nicht von der Höhe des Nachlasses, sondern stets von der Höhe des einzelnen Erwerbs abhängig. Die Änderung dieser Bestimmung ist für die praktische Durchführung des Gesetzes unbedingt erforderlich. In der Verwaltung haben sich die größten Schwierigkeiten auf Grund der jetzigen Bestimmungen ergeben. Die bisherige Fassung regelt nämlich klar nur den seltenen Fall, daß der Ehegatte Alleinerbe ist, nicht aber den Fall, wo der Ehegatte lediglich Miterbe ist.
Es ergeben sich noch weitere Zweifel, auf die ich jetzt nicht im einzelnen eingehen will. Ich will nur auf die Fragen hinweisen, ob und wie die Steuerfreiheit in Fällen von Schenkungen an den Ehegatten gewährt werden soll, und wie die oft vorkommenden Fälle zu behandeln sind, wenn ein Ehegatte von dem anderen Ehegatten zunächst Vermögensteile geschenkt erhalten und ihn dann beerbt hat. Die Klärung dieser Fragen kann nicht der Rechtsprechung und Verwaltungsanordnungen überlassen bleiben; sie muß durch Gesetz erfolgen.
Es wird deshalb vorgeschlagen, die Steuerfreiheit nicht von der Höhe des Nachlasses, sondern von der Höhe des Erwerbes abhängig zu machen. Dadurch werden die geschilderten Unklarheiten beseitigt. Der Ehegatte kann dem anderen Ehegatten einen bestimmten Betrag steuerfrei zuwenden; was darüber hinausgeht, muß der erwerbende Ehegatte versteuern.
Der für den Nachlaß bisher maßgebende Betrag von 500 000 DM erscheint aber als Erwerbsfreibetrag zu hoch. Er soll deshalb auf 250 000 DM herabgesetzt werden. Das bedeutet im allgemeinen keine Verschlechterung, sondern oft sogar eine Verbesserung der Stellung des überlebenden Ehegatten, wenn er, wie das meistens der Fall ist, nicht Alleinerbe, sondern nur Miterbe ist.
Auch der durch das Gesetz Nr. 64 eingeführte § 18 a, der eine steuerliche Vergünstigung der so({0})
genannten Erbschaftsteuerversicherungen vorsieht, bedarf der Änderung. Der bisherige § 18 a ordnet im Abs. 2 an, daß die Steuervergünstigung nicht eintritt, wenn die Versicherungssumme vor dem Tode des Versicherungsnehmers fällig wird oder in dem Lebensversicherungsvertrag ein bestimmter Bezugsberechtigter genannt ist. Diese Vorschrift hat sich in der Praxis nicht bewährt. Es erscheint geboten, die Vergünstigung nicht auf reine Todesfallversicherungen zu beschränken, sondern auf Erlebensfallversicherungen auszudehnen. Es soll z. B. also zulässig sein, eine Lebensversicherung mit der Bestimmung abzuschließen, daß die Versicherungssumme beim Tode, spätestens aber bei Vollendung eines bestimmten Lebensalters des Versicherungsnehmers fällig wird, und daß ein Teil der Versicherungssumme an ihn selbst oder auch an einen zu bezeichnenden Bezugsberechtigten und ein anderer genau zu bestimmender Teilbetrag an das Finanzamt zur Bezahlung der Erbschaftsteuer abzuführen ist. Auch soll zur Empfangnahme eines die Erbschaftsteuer etwa übersteigenden Betrages ein Bezugsberechtigter bezeichnet werden können. In diesen Fällen muß aber gewährleistet sein, daß der an das Finanzamt zu zahlende Betrag bis zum Tode des Versicherungsnehmers bei dem Versicherungsunternehmen stehen bleibt und nach dem Tode des Versicherungsnehmers unverzüglich an das Finanzamt abgeführt wird.
Für die Abführung an das Finanzamt ist bisher nur eine Frist von einem Monat vorgesehen, die zu kurz ist. Sie soll deshalb auf zwei Monate verlängert werden.
Ferner soll in den § 18 unter Nr. 16 a eine neue Befreiungsvorschrift eingefügt werden für Zuwendungen unter Lebenden, die zur Förderung des Wohnungsbaues oder des Schiffsbaues an nicht zu den Steuerklassen I bis IV gehörende Personen gegeben werden, wenn die Voraussetzungen der §§ 7 c und 7 d des Einkommensteuergesetzes erfüllt sind. Eine Steuerpflicht wird für solche Zuwendungen nur sehr selten bestehen, kann aber in einzelnen Fällen in Frage kommen.
Um zu verhindern, daß die Schenkungssteuerfreiheit dazu ausgenutzt wird, spätere Erbübergänge erbschaftsteuerfrei vorwegzunehmen, soll sie für die die Freibeträge oder Besteuerungsgrenzen übersteigenden Zuschüsse an Angehörige des Gebers nicht gelten. Steuerfreiheit ist deshalb nicht für Zuschüsse an Personen vorgesehen, die im Verhältnis zum Zuschußgeber den Steuerklassen bis IV angehören, sondern nur für Zuschüsse an nicht verwandte oder entfernt verwandte Personen, die ihren Erwerb nach Steuerklasse V zu versteuern hätten.
Neu gefaßt wird § 8, in dem die subjektive Steuerpflicht behandelt wird. Dabei ist das Bestreben maßgebend, sich weitgehend an die Regelung anzuschließen, die für die subjektive Steuerpflicht und auch .für die interzonale Besteuerung im Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz und Vermögensteuergesetz bereits vorgesehen ist oder noch vorgesehen werden soll. Beseitigt wird die Bestimmung, daß ausgewanderte deutsche Staatsangehörige und ausgewanderte Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit aufgegeben haben, unter gewissen Voraussetzungen noch zwei Jahre steuerpflichtig bleiben. Diese Vorschrift entspricht nicht mehr den heutigen Anschauungen. Außerdem könnte in diesen Fällen der Steueranspruch meist gar nicht verwirklicht werden.
Die Übergangs- und Schlußbestimmungen sehen rückwirkende Kraft ab 1. Januar 1949 vor. Dadurch soll erreicht werden, daß nicht erst noch die änderungsbedürftigen Vorschriften des Gesetzes Nr. 64 über die Besteuerung des Ehegattenerwerbs und über die Steuervergünstigungen der Erbschaftsteuerverpflichtungen angewendet werden. Es würden sonst insbesondere im Falle des Ehegattenerwerbs und der Anwendung der Vorschrift des § 13, die eine Zusammenrechnung mehrerer Schenkungen oder früherer Schenkungen mit dem Erwerb von Todeswegen vorsieht, größere, in der Verwaltung kaum zu überwindende Schwierigkeiten eintreten. Es muß also von dem allgemeinen Bedenken, keine Gesetze mit rückwirkender Kraft zu schaffen, hier ausnahmsweise abgesehen werden. Daß eine solche Rückwirkung vorgesehen wird, erscheint schon deswegen unbedenklich, weil die Belastung durch den Lastenausgleich noch nicht feststeht und daher die endgültige Veranlagung in den in Betracht kommenden Fällen doch noch nicht vorgenommen werden kann. Der Entwurf sieht auch nur steuerliche Vergünstigungen für die Steuerpflichtigen vor. Soweit also in solchen Fällen die Vorschriften des Gesetzes Nr. 64 günstiger sind als die jetzigen, soll in den vor der Verkündung dieses Gesetzes eingetretenen Fällen im Billigkeitswege geholfen werden. Ich hoffe, daß damit die Bedenken gegen die rückwirkende Kraft des Gesetzes aus dem Wege geräumt sind.
Da auf Aussprache verzichtet worden ist, kann Überweisung an den Finanz- und Steuerausschuß und Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht - wobei der Finanz- und Steuerausschuß federführend ist- von mir als beschlossen festgestellt werden.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Anleihegesetzes von 1950 ({0}). Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, die Aussprache nach der Begründung durch die Regierung auf 60 Minuten zu begrenzen. - Das ist angenommen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Die Deckung der im außerordentlichen Haushalt eingestellten Ausgabemittel mit insgesamt rund 708 Millionen DM soll im Kreditweg erfolgen. Dazu bedarf es eines Gesetzes - Art. 115 des Grundgesetzes -. Da in diesem Gesetz auch Fragen allgemeiner Art geregelt werden und da nicht zu übersehen ist, ob die Anleihe laufend im Rechnungsjahr voll untergebracht werden kann, wird die gesetzliche Ermächtigung zur Kreditaufnahme abweichend von den Vorschriften des § 8 der Reichshaushaltsordnung nicht im Haushaltsgesetz, sondern durch das vorliegende besondere Gesetz geschaffen. Dieses Gesetz sieht zur Deckung des Zuschußbedarfes des außerordentlichen Haushalts für werbende Ausgaben eine Anleiheermächtigung von rund 408,9 Millionen DM und für die Deckung der Ausgaben für Lebensmittelsubventionen im zweiten Rechnungshalbjahr eine Ermächtigung von 300 Millionen DM vor. Es ist beabsichtigt, von der Anleiheermächtigung über 408,9 Millionen DM einen Teilbetrag von 50 Millionen DM als unverzinsliche Prämienanleihe auszugeben. Für die festverzinsliche Anleihe ist ein Zinssatz von 5 %, d. h. der jeweilige Zinssatz für Pfandbriefe, und ein Ausgabekurs von 98 1/2 % in
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Aussicht genommen. Die Laufzeit der Anleihe soll 10 Jahre betragen. Sie soll in 10 Gruppen ausgelost und zum Handel an den Börsen zugelassen werden. Im übrigen müssen die Bestimmungen natürlich der jeweiligen Lage des Kapitalmarktes angepaßt werden.
Die Anleihe ist mit besonderen Steuervergünstigungen ausgestattet. Ich verweise auf § 5 des Gesetzes. Der Grundgedanke ist die Begrenzung der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 25 % und Erhebung durch einen Steuerabzug vom Kapitalertrag und Befreiung von der Gewerbesteuer. Die Zinseinkünfte aus der Anleihe brauchen in den Steuererklärungen also nicht angegeben zu werden. Die Anleihe ist von der Erbschaft- und Schenkungsteuer befreit, wenn der Erblasser oder Schenker sie selbst zeichnet.
Neben dieser festverzinslichen Anleihe in der üblichen Stückelung soll eine unverzinsliche Prämienanleihe in Kleinststücken, sogenannte BabyBonds, mit einer Laufzeit von 5 Jahren begeben werden. An Stelle der ersparten Zinsen sollen vierteljährliche Prämien an eine beschränkte Zahl von Anleihegläubigern im Wege der Auslosung ausgeschüttet werden mit Gewinnen, Hauptgewinn höchstens bis zu 50 000 DM. Die Prämien sind von der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Börsenumsatzsteuer und Lotteriesteuer befreit. Für die Befreiung von der Erbschaftsteuer und der Schenkungssteuer gilt dasselbe wie für die festverzinsliche Anleihe. Bis zur Unterbringung der Anleihe sollen daneben unverzinsliche Schatzanweisungen begeben werden, die in dem Umfange eingelöst werden, wie die Anleihe abgesetzt wird.
Für die Lebensmittelsubventionen sollen neben unverzinslichen Schatzanweisungen festverzinsliche Schuldverschreibungen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahre ausgegeben werden. Sie werden nicht auf den Kreditplafonds bei der BdL angerechnet, wenn für einen entsprechenden Betrag an Gegenwertmitteln eine Freigabe nicht beantragt wird. Die BdL wird gleichzeitig eine Lombardzusage erteilen. Diese Schatzanweisungen und Schuldverschreibungen sollen aus zu erwartenden Mehreinnahmen des ordentlichen Haushalts der Rechnungsjahre 1951/52 abgedeckt werden, stellen also, wie ich ja in meiner Haushaltsrede schon betont habe, einen Vorgriff auf Einnahmen künftiger Jahre. dar. Die BdL hat sich verpflichtet, zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt, der Aussicht auf Erfolg verspricht, ihre volle Unterstützung bei der Unterbringung der Anleihe zuteil werden zu lassen, wenn sie auch nicht in der Lage ist, einen bestimmten Erfolg zu verbürgen.
Da die Vorbereitungsarbeiten mehrere Monate dauern, muß die gesetzliche Ermächtigung alsbald geschaffen werden. Dazu dient der vorliegende Gesetzentwurf, um dessen Annahme ich das Hohe Haus ersuche.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Daß hier die Anleihe-Ermächtigung von der Bundesregierung in einem besonderen Gesetz nachgesucht wird und nicht durch das Haushaltsgesetz ausgesprochen werden soll, unterliegt nach meinem Dafürhalten keinen weiteren Bedenken. Im übrigen aber sind zu diesem Anleihegesetzentwurf doch noch einige Bemerkungen zu machen.
Die Anleihe, die der Herr Bundesfinanzminister wünscht, gliedert sich in zwei Teile auf, einmal die Ausgabe von unverzinslichen zweijährigen Schatzanweisungen im Betrage von 300 Millionen und dann eine längerfristige Anleihe von 406 Millionen. Aus den Ausführungen des Herrn Finanzministers geht hervor, daß er die unverzinslichen Schatzanweisungen, die nach zwei Jahren, also bis zum 1. April 1953, wieder eingelöst werden sollen, mit Hilfe der Bank deutscher Länder unterzubringen gedenkt. Er glaubt auch, die rechtzeitige Einlösung dieser unverzinslichen Schatzanweisungen im Laufe der nächsten zwei Jahre aus Mehreinnahmen an Steuern gewährleisten zu können. Das ist natürlich ein nicht unbedenklicher Weg, wenn wir zur Finanzierung der Bedürfnisse dieses Jahres auf erwartete Mehreinnahmen der nächsten zwei Jahre bereits im Vorwege vorgreifen. Denn die allgemeine Entwicklung wird doch wohl so sein, daß wir in den nächsten zwei Jahren noch viel größere Sorgen, wie wir den Haushalt ins Gleichgewicht bringen sollen, haben werden und daß uns dann in den nächsten beiden Jahren Mehreinnahmen an Steuern natürlich eine willkommene Hilfe sein würden. Wenn aber diese Mehreinnahmen schon vorweg durch eine Anleihe in Anspruch genommen werden, deren Erlös zur Deckung der Ausgaben dieses Jahres dient, so ist das ein Vorgriff, der uns die Balancierung der beiden Raushalte in den nächsten beiden Jahren natürlich außerordentlich erschweren wird.
Außerdem kommt noch etwas anderes hinzu. Wenn diese unverzinslichen Schatzanweisungen durch die Bank deutscher Länder aufgenommen werden sollten, so würde das ja keine reine Geldschöpfung sein, und es würden sich dabei auch währungspolitische Bedenken ergeben. Ich weiß nicht, ob die Bank deutscher Länder hier gewisse Bedingungen stellen wird, etwa in dem Sinn, daß entsprechende DM-Gegenwerte stillgelegt werden sollen. Wenn das der Fall sein würde, so würde sich die fatale Situation ergeben, daß dann die entsprechenden DM-Gegenwerte in den nächsten Jahren für Investitionen der Wirtschaft nicht zur Verfügung stehen würden. Das würde natürlich bei der Schwäche des Kapitalmarktes außerordentlich bedauerlich sein.
Dann, meine Damen und Herren, zum zweiten Teil der Anleihe, zur langfristigen Anleihe. Diese Anleihe ist mit außerordentlichen Vorzügen auf steuerlichem Gebiet ausgestattet, die manchmal an türkische Verhältnisse erinnern. Die Älteren von Ihnen erinnern sich noch der bekannten Türkenlose, die vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland ein beliebtes Anlagepapier waren. Das war eine türkische Prämienanleihe. Eine solche Prämienanleihe wird uns jetzt hier auch vorgeschlagen, wenigstens für einen Teil der aufzulegenden langfristigen Anleihe. Nun, das mag hingehen. Herr Finanzminister, ich weiß nicht, wie Sie diese Anleihe unterbringen wollen. Es ist möglich, daß es Kapitalsammelstellen gibt, meinetwegen die Post oder die Postsparkasse, die einen entsprechenden Betrag übernehmen könnten. Darüber hinaus weiß ich nicht, wie diese Anleihe trotz der Steuervergünstigungen, die in Aussicht gestellt werden, untergebracht werden kann.
Vom haushaltsrechtlichen Standpunkt aus möchte ich noch eines bemerken. Die Genehmigung dieser Anleihe - wenn sie hier vom Hause ausgesprochen sein würde - würde natürlich nichts daran ändern, daß etwaige Ausgaben, die mit diesen Anleihemitteln gedeckt werden sollten, nur dann geleistet werden könnten, wenn diese Ausgaben, sei es durch die Verabschiedung des Haus({0})
haltsgesetzes, sei es durch Vorwegbewilligungen des Haushaltsausschusses, genehmigt sein würden. Ich glaube, darüber besteht Einigkeit.
Nun aber noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu den Bedingungen, mit denen der Herr Finanzminister diese langfristige Anleihe ausstatten will. Es ist mir außerordentlich interessant gewesen, zu hören, daß diese Anleihe mit einem Kurs von 98 % und mit einem Zinssatz von 5 % untergebracht werden soll. Der Zinssatz von 5% ist mir außerordentlich bedeutsam. Denn wir kommen hier auf eine grundsätzliche Frage, die in Deutschland heute sehr lebhaft diskutiert wird, ob nämlich der Kapitalmarktzins erhöht werden soll oder ob er nicht erhöht werden soll. Das typische Papier ist in Deutschland der Pfandbrief, der heute mit 5 % verzinst wird. Die Bestrebungen gehen dahin, den Zinsfuß zu erhöhen, also etwa das typische Anlagepapier des Kapitalmarkts, den Hypothekenpfandbrief, mit einem Zins von 7 oder 8 % auszustatten. In dem Memorandum der fremden Mächte - Bedingungen der Hilfe innerhalb der EZU: 120 Millionen Dollar - wird darauf hingewiesen, daß Deutschland sich bemühen solle, seinen Kapitalmarkt zu stärken. In Deutschland sind starke Bestrebungen im Gange, die allgemein darauf hinarbeiten, den Kapitalmarktzins, der heute für den Hypothekenpfandbrief bei 5% liegen würde - das ist die maßgebende Richtschnur -, weiter in die Höhe zu treiben.
Es wird da mit dem Argument gearbeitet, daß ein höherer Kapitalmarktzins es ermöglichen würde, den Kapitalmarkt zu beleben und größere Mittel am Kapitalmarkt zu bekommen. Das Argument, das hierbei immer vorgetragen wird, ist das: wie am Gütermarkt der Preis den Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage herbeiführt und ein höherer Preis die Produktion antreibt, so wird auf dem Kapitalmarkt der Zins aus Angebot und Nachfrage gebildet, und ein höherer Zins wird ein größeres Angebot herbeiführen.
Um es gleich vorweg zu sagen: ich halte die Anwendung dieser von mir nicht bestrittenen Gesetze, die für 'den Gütermarkt gelten, auf den Kreditmarkt für völlig unzulässig und bin der Meinung, daß die ganzen Auseinandersetzungen hier in Deutschland auf einer völlig falschen Ebene liegen. Es braucht nichts darüber gesagt zu werden, daß am Geldmarkt, wo die Banken und die Unternehmer Mangel und Überfluß ihrer Kassenbestände ausgleichen, ein erhöhter Zins - er mag sich durch Angebot und Nachfrage bilden - nicht dazu beitragen kann, das Angebot zu erhöhen. Es kann kein Streit darüber sein, daß innerhalb des Kreditgeschäfts der Kreditbanken der Zins sich nicht durch Angebot und Nachfrage bildet und daß ein höherer Zins nicht ein größeres Angebot erzeugt. Denn das Kreditgeschäft der Kreditbanken vollzieht sich auf dem Wege der Geldschöpfung, und der maßgebende Zins wird durch den Bankdiskont bestimmt, dem sich ja die Kreditbanken mit ihren Zinsbedingungen anschließen. Der Bankdiskont und die sich daraus ergebenden Zinsbedingungen sind ein Steuerungsmittel und nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, Die Übertragung der marktwirtschaftlichen Gesetze des Gütermarktes ist hier unmöglich.
Es bleibt nur noch der Kapitalmarkt übrig, wo als Partner die investierenden Unternehmer und auf der anderen Seite die Sparer erscheinen. Daß ein erhöhter Marktzins die Investitionen zurückdrängt und die Nachfrage einschränkt, kann keinem Zweifel unterliegen, aber am meisten gerade bei denjenigen Investitionen, die für uns die wichtigsten sind: Wohnungsbau, Elektrizitätswirtschaft, Landwirtschaft; überall da, wo der Kapitalumschlag langsam vor sich geht, wirkt ein erhöhter Kapitalmarktzins geradezu verheerend.
Auf der andern Seite ist dann die Frage, ob ein erhöhter Kapitalmarktzins das Angebot am Kapitalmarkt erhöht. Dies bestreite ich ganz entschieden. Das Angebot am Kapitalmarkt hängt einmal davon ab, daß die Leute sparen, zweitens aber auch davon, daß sie bereit sind, Geld anzulegen, daß sie also ihr Geld nicht im Strumpf halten oder in der Form von Sichtguthaben horten. Ich bestreite, daß ein erhöhter Kapitalmarktzins hier irgendwie eine günstige Wirkung ausüben kann. Hier hängt alles vom Vertrauen ab. Die Sorge, die die Leute haben, ehe sie anlegen, ist die, daß das Geld entwertet werden könnte, daß sie nachher nicht in der Lage sind, ihre Pfandbriefe, ihre Obligationen, ihre Staatspapiere auf vernünftige Weise zu verkaufen und 'dadurch wieder liquide zu werden. Solche Erwägungen sind da maßgebend. Der höhere Kapitalmarktzins wird niemand veranlassen, mehr zu sparen, und wird niemand, der sonst sein Geld hortet, veranlassen, diese Ersparnisse anzulegen. Es kommt hier auf das Vertrauen an, auf die Kurspflege am Kapitalmarkt und darauf, daß wir endlich einmal zur Ruhe kommen. Es ist geradezu verhängnisvoll, daß diese Diskussion, nachdem seinerzeit Zentralbankrat und Regierung beschlossen hatten, an dem fünfprozentigen Zins festzuhalten, nun wieder in Gang gekommen ist. Die Folge davon ist, daß heute keine Hypothekenbank noch einen Pfandbrief verkaufen kann, weil natürlich jeder sagt: Wenn ich jetzt fünfprozentige Pfandbriefe kaufe und nachher der Zins auf 7 oder 8 % erhöht wird, so erleide ich einen schweren Kursverlust an meinen fünfprozentigen Pfandbriefen.
Ich möchte also den Herrn Finanzminister bitten, alles, was in seinen Kräften steht, zu tun, damit wir nicht zu einer Erhöhung des Zinses am Kapitalmarkt kommen und damit endlich auf diesem Gebiet eine Ruhe in der Diskussion eintritt. Das ist unbedingt notwendig.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Die Ausführungen des Herrn Vorredners finden die volle Unterstützung der Zentrumspartei. Es fragt sich nur, welche praktischen Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Es ist richtig, daß die währungspolitischen Bedenken doch dazu führen müßten, den ersten Teil des Anleiheprojekts der Regierung zurückzuziehen. Wir haben bereits im Laufe dieser Sommermonate eine Geldschöpfung zugunsten der öffentlichen Hand in Höhe von rund 1,5 Milliarden DM erlebt. Wir würden hier eine weitere Geldschöpfung von 300 Millionen erleben, deren Rückzahlung meiner Ansicht nach doch ganz utopisch ist, wenn der Finanzminister selber uns heute morgen erklärte, er müsse schon für das laufende Etatjahr neue Steuern vorschlagen und uns ein neues Steuerbukett vorlegen. Das heißt also, daß eine Rückzahlung dieser 300 Millionen gar nicht denkbar ist. Es handelt sich um eine echte zusätzliche Geldschöpfung zugunsten der öffentlichen Hand und praktisch zu Lasten der Privatwirtschaft, ein Vorgang, den wir in diesem Sommer schon außerordentlich betrüblich gespürt haben. Es ist des({0})
halb meiner Ansicht nach erforderlich, daß dieser Teil des Anleihegesetzes der Regierung abgelehnt wird.
({1})
- Die Frage der Besteuerung hat hiermit nichts zu tun. Wir können den öffentlichen Bedarf doch nicht dadurch decken, daß wir unsere Notenpresse in Betrieb setzen! Praktisch bedeutet dieser Anleihevorgang bezüglich der 300 Millionen Mark nichts anderes.
Der zweite Punkt betrifft die Frage der Ausgestaltung der Anleihe. Prämien und alle Steuervergünstigungen bedeuten doch für das um seine Sicherheit besorgte Sparpublikum nur sehr wenig. Es müßte endlich einmal eine Anleihe, die eine Sicherheit vor dem Währungsrisiko bietet, ausgeschrieben werden, ein Beteiligungssparen, ein Beteiligungssparpapier geschaffen werden, wie es in der Fachliteratur von verschiedenen Seiten vorgeschlagen wird. Wir müßten ein öffentliches Anleihepapier bekommen, in dem das Währungsrisiko dadurch ausgeschaltet ist, daß der Anspruch des Sparers nicht nur auf einen Geldbetrag geht, sondern bis zu den Sachvermögen durchschlägt. Ahnlich wie es ja auch bei der Aktie ,ist, die ein Beteiligungsrecht gewährt, müßte es bei diesem öffentlichen Sparpapier auch sein. Dann würden wir den Kapitalmarkt beleben, und dann würde auch die Diskussion, die sich jetzt fälschlicherweise um die Frage des Kapitalzinses dreht, auf das richtige Gleis geschoben werden, nämlich Vertrauen zu schaffen und Sicherheit zu schaffen für den Sparer, der im Laufe der letzten Generation durch die Manipulationen der öffentlichen Hand zweimal um seine Ersparnisse gebracht worden ist. Ich glaube deshalb, daß diese Anleihe, die in dem zweiten Teil des Antrages des Herrn Finanzministers vorgesehen ist, ein völliger Mißerfolg werden muß und daß der Bundesfinanzminister statt dessen diesen neuartigen Weg gehen sollte, auf 'dem er sicherlich den Erfolg erzielen wird, den er auf dem hier vorgeschlagenen Weg unter keinen Umständen erreichen wird.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Es ist der Antrag gestellt, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Geld und Kredit sowie an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich nehme an, daß der Ausschuß für Geld und Kredit federführend sein soll. Habe ich Sie richtig verstanden, oder haben Sie an 'den Haushaltsausschuß gedacht?
({0})
- Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
({1})
- Die kommunistische Fraktion stimmt gegen die Überweisung.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen 'der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen ({2}).
Wer begründet? - Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kleindinst.
Dr. Kleindinst ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorläufige Beamtengesetz ist im Bundestag bis zum 31. Dezember 1950 befristet worden. Der Ausschuß für Beamtenrecht hat zwar auf Grund des Initiativantrages der Abgeordneten aus Rheinland-Pfalz mit Bezug auf das dortige Beamtengesetz ein neues endgültiges Beamtengesetz in Beratung genommen. Diese Beratung mußte aber wegen der vordringlicheren Beratung des Gesetzentwurfs zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ausgesetzt werden. Es ist deshalb notwendig, das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen zu verlängern, und zwar schlagen wir vor, es bis zum 30. Juni 1951 zu verlängern, damit nicht ein gesetzloser Zustand eintritt.
In § 2 dies Initiativgesetzentwurfes ist vorgesehen, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Wir haben heute bereits den 6. Dezember, und die Weihnachtsfeiertage liegen vor uns. Mit Rücksicht darauf beantrage ich folgende Fassung des § 2: „Dieses Gesetz tritt am 31. Dezember 1950 in Kraft." Das ist erforderlich, damit nicht noch durch die Drucklegung und Verkündung Schwierigkeiten entstehen.
Ich bitte also, dem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen in der von mir beantragten Fassung zuzustimmen.
({4})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat macht Ihnen keinen Vorschlag über die Begrenzung der Redezeit. Ich möchte nicht insinuieren, aber Ihnen den Vorschlag machen, die Gesamtredezeit auf 40 Minuten zu begrenzen.
({0})
- Es liegt schon eine Wortmeldung vor. Ich kann sie nicht zurückweisen. Also Aussprachezeit insgesamt 40 Minuten!
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der Herr Bundesminister des Innern am 24. November 1949, also vor etwas über einem Jahr, den Entwurf eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen hier einbrachte, legte er Wert darauf, nachdrücklich zu betonen, daß die Vorlage nur eine vorläufige, eine vorübergehende Regelung wolle. Immerhin war die Regierung, sagen wir, so vorsichtig, eine terminmäßige Begrenzung nicht vorzusehen. Der Bundesrat war aber seinerseits gegenüber 'der Regierung auch vorsichtig und schlug Befristung der Gültigkeitsdauer bis spätestens zum 30. Juni dieses Jahres vor. Vielleicht um das Gesicht zu wahren, erklärte sich die Bundesregierung in ihrer Stellungnahme zu dem Vorschlag des Bundesrats mit einer terminmäßigen Begrenzung der Gültigkeitsdauer einverstanden, wünschte allerdings, die Befristung über den 30. Juni hinaus zu erstrecken, obwohl der Herr Bundesinnenminister am Schluß seiner von mir schon erwähnten Rede nochmals erklärt hat, daß der Entwurf des endgültigen Gesetzes alsbald vorgelegt werden sollte.
({0})
Wir waren dieser Zusicherung gegenüber mißtrauisch. Die Eile war verdächtig, mit der jener Entwurf damals eingebracht wurde, da man sich trotz der großen Aussichten auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet, die die Regierungserklärung weiten Kreisen des Volkes gemacht hatte. mit der Einbringung von Gesetzentwürfen auf diesen Gebieten trotz wiederholten Drängens des Parlaments viel Zeit ließ. Verdächtig waren auch gewisse damalige Verlautbarungen des offiziellen Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung, die mehr als eigenartig anmuteten und die mit der bei .der Einbringung der Vorlage vom Minister vertretenen Auffassung bezüglich der seinerzeitigen Rechtslage nicht im Einklang standen und in ihrer verfassungsrechtlichen Einstellung an die Methoden des dutzendjährigen Reiches erinnerten.
Wie in anderen Fällen zeigten sich auch hier erhebliche Mängel in der Personalpolitik der Bundesregierung. Um die Grundsätze fortschrittlichdemokratischen Aufbaus der Verwaltung außer acht lassen zu können, scheute man sich nicht, schiefe und sich widersprechende Darlegungen zu bringen. War es da, meine Damen und Herren, ein Wunder, wenn wir fürchteten, daß die sogenannte vorübergehende Regelung durchaus kein Übergang sein werde und daß die Vorlage, die „alsbald" vorgelegt werden sollte, sehr viel länger auf sich warten lassen würde, als es nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und selbst im Behördendeutsch bei der Anwendung des Wortes „alsbald" zulässig ist?
Nicht nur wir merkten die Absicht und waren verstimmt. Der Hinweis auf die Vorläufigkeit war nur ein Vorwand, um sich um so unbedenklicher gegen unsere damaligen Anträge wenden zu können. In jener Zeit schlossen sich den Bedenken des Bundesrats Proteste der Beamtengewerkschaften und auch eine energische Entschließung des Beamtenausschusses des Deutschen Städtetags an. Obwohl die Regierung selbst in eine Befristung eingewilligt hatte, glaubte die Regierungskoalition am Schluß der dritten Lesung des Gesetzes ihre Maske fallen lassen zu können und stimmte gegen die dem Bundesratsbeschluß gegenüber weit hinausgeschobene Befristung auf den 31. Dezember 1950.
Das, meine Damen und Herren, war die Illustration zu den Worten des Herrn Fraktionsredners der CDU in der zweiten Lesung, der - ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen - wörtlich gesagt hat:
Das Übergangsgesetz soll nach unserem Wunsch und Willen nur wenige Monate praktisch Bedeutung haben, weil wir von der CDU/CSU jedenfalls entschlossen sind, die Beratungen über das endgültige Beamtengesetz im Beamtenrechtsausschuß so vorzutreiben, daß in - sagen wir - sechs bis acht Monaten mit der Verabschiedung des endgültigen Beamtengesetzes gerechnet werden kann.
Hiernach hätte das endgültige Personalgesetz jetzt bereits verabschiedet sein müssen, und es wäre keine Fristverlängerung möglich.
Wenn es zutreffend gewesen wäre, was der Herr Bundesminister des Innern am 15. Februar hier ausgeführt hat - ich darf auch diesen Satz zitieren, nämlich:
Die Arbeit an dem endgültigen Beamtengesetz ist in vollem Gang, und diese Dinge können schnell hantiert werden,
so wäre die jetzt eingetretene Sachlage völlig unverständlich. Oder hat man nachträglich die Arbeiten unterbrochen, nachdem man hier den zitierten Satz hatte verkünden können? Bismarck hat unter solchen Umständen davon gesprochen, daß er seine politischen Gegner mit der Wahrheit angelogen habe. Vielleicht ist aber der Gedanke richtig, den ich vor einiger Zeit einmal aussprechen hörte, daß man nämlich die Einbringung des Entwurfs des endgültigen Personalgesetzes und die Beschlußfassung darüber so lange hinausgezögert habe in der Erwartung, die Revision des Besatzungsstatuts werde eine Vetomöglichkeit der Hohen Kommissare ausschalten, und dann könne man mit unwesentlichen Änderungen den jetzigen Zustand auf die Dauer aufrechterhalten.
Nachdem die Blütenträume des „Kanzlers mit einsamen Entschlüssen" auch in dieser Beziehung nicht gereift sind, befindet sich diese Regierung der nicht eingehaltenen Fristen wieder einmal - zum wievielten Male wohl? - in Zeitnot. Die Länder aber sitzen mit ihrer Beamtenrechtsgesetzgebung fest, weil sie auf die Rahmenvorschriften nach Art. 75 des Grundgesetzes über die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienst der Länder, Gemeinden und anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts stehenden Personen noch immer warten.
Herr Abgeordneter Arnholz, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Nun berät zwar der Ausschuß für Beamtenrecht zur Zeit zwei Vorlagen von besonderer Dringlichkeit: das Wiedergutmachungsgesetz und das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes. Wenn die Zusagen eingehalten worden wären, hätte der Entwurf des endgültigen Personalgesetzes jedoch vorher eingebracht werden müssen. Diese Zusagen sind nicht eingehalten worden. Wäre durch Vorlage des Entwurfs entsprechend den Zusagen wenigstens der gute Wille zu erkennen gewesen, hätten wir einer kurzen Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Übergangsgesetzes zustimmen können.
Interessant wäre es übrigens, zu erfahren, ob denn in der Zwischenzeit die Bundesregierung wenigstens eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen oder vorbereitet hat, wie sie in NordrheinWestfalen zwischen dem Dienstherrn und den öffentlichen Bediensteten seit längerer Zeit besteht. Hierdurch hätte die Bundesregierung doch immerhin auf einem Teilgebiet fortschrittlichen Geist zur Geltung bringen können.
Bei der gegenwärtigen Sachlage ist die sozialdemokratische Fraktion der Meinung, daß die Einbringung des Entwurfs des endgültigen Gesetzes schon viel zu lange und unnötig hinausgezögert worden ist. Sie wird daher dem von der Regierungskoalition eingebrachten Entwurf zur Verlängerung der Gültigkeitsdauer des vorläufigen Personalgesetzes, wie es die Drucksache Nr. 1621 vorsieht, nicht zustimmen.
Auf jeden Fall scheint mir die Bundesregierung nunmehr nach dem bekannten Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut", zumal wohl auch gegenüber den Hohen Kommissaren bei den Verhandlungen über das Veto gewisse Zusagen gemacht worden sind, moralisch verpflichtet, alsbald, aber auch wirklich alsbald, einen guten, fortschrittlichen Entwurf eines Personalgesetzes einzubringen, der die Anregungen der Weinheimer Tagung des Instituts zur Förderung öffentlicher Angele({0})
genheiten vom letzten Wochenende berücksichtigt und in den unsere bei der Beratung des vorläufigen Personalgesetzes gestellten Forderungen hineingearbeitet sind.
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!
Meine verehrten Damen und Herren! Die Befürchtungen und das Mißtrauen, das der Herr Kollege Arnholz hervorgehoben hat, sind, glaube ich, nicht berechtigt; denn wir haben doch sofort einen Initiativantrag seitens der rheinland-pfälzischen Abgeordneten eingebracht, den ich schon hervorgehoben habe und der den Zweck verfolgte, auf dieser Grundlage das endgültige Beamtengesetz zu schaffen. Wir haben auch, was ich auch bereits hervorgehoben habe, mit dieser Beratung begonnen, und lediglich die Tatsache, daß wir uns verpflichtet gefühlt haben, das Ausführungsgesetz zum Art. 131 GG. vorwegzunehmen, hat die Fertigstellung des endgültigen Beamtengesetzes bis zum 31. Dezember dieses Jahres verhindert. Es ist ja allgemein bekannt, welche rechtlichen und finanziellen Verhältnisse diese Beratung des Gesetzentwurfes hinauszögern. Ich habe auch in Erfahrung bringen können, daß das Bundesministerium des Innern ein endgültiges Beamtengesetz bereits ausgearbeitet und deshalb noch nicht vorgelegt hat, weil es in Wirklichkeit noch nicht hätte beraten werden können, da wir doch wahrscheinlich den Gesetzentwurf zu Art. 131 GG. nicht mehr vor Ende Januar abschließen können.
Ich wollte das lediglich hervorheben, um erstens einmal das Mißtrauen auszuräumen, das gegenüber der Tatsache, daß ein neuer Entwurf noch nicht eingebracht ist, entstanden oder wenigstens hervorgehoben worden ist, und zweitens gegenüber den Absichten der Regierungsparteien, die ja tatsächlich einen Initiativ-Gesetzentwurf eingebracht und ihn im Beamtenrechtsausschuß auch schon in Beratung genommen haben. Es besteht deshalb bei der kurzen Befristung bis zum 30. Juni kommenden Jahres in keiner Weise eine Befürchtung, daß einer endgültigen und grundlegenden Regelung des Beamtengesetzes vorgegriffen werde oder daß sie überhaupt auf die lange Bank geschoben und verhindert werden würde. Ich bitte also doch, diesem Antrag zuzustimmen, damit nicht ab 1. Januar ein gesetzloser Zustand eintritt.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Beratung der ersten Lesung. Ich rufe auf zur
zweiten Lesung.
Ich rufe auf § 1. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme von § 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. § 1 ist angenommen.
§ 2. Wer für die Annahme in der Fassung des Antrags des Berichterstatters ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erstere war die Mehrheit.
Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ist angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Lesung.
Zunächst zur Generalaussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe diese Aussprache.
§ 1, - § 2, - Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ist angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist beschlossen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({0}).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Begrenzung der Aussprachezeit auf 40 Minuten vor. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Wer begründet das Gesetz? - Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist den Mitgliedern dieses Hohen Hauses ja bekannt, daß mit der Stadt Berlin eine Verwaltungsvereinbarung getroffen wurde, die die Haushaltshilfe des Bundes an die Stadt Berlin für das laufende Rechnungsjahr von dem Betrag von 327 Millionen DM, der im Haushalt vorgesehen war, auf den Betrag von 527 Millionen DM erhöht, also um 200 Millionen DM. Entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorschriften ist es notwendig, die Abgleichung der Einnahmen und Ausgaben des Haushaltsjahres aufrechtzuerhalten. In diesem Fall war kein anderer Weg gegeben, als die Deckung dieser Mehrausgaben, soweit sie nicht mit anderen Mitteln möglich war, durch Erhöhung und Verlängerung des Berliner Notopfers zu erreichen. Es braucht nicht der gesamte Betrag von 200 Millionen DM gedeckt zu werden, da es in den Verhandlungen gelungen ist, durch die Besatzungsmächte die Zusage zu erhalten, daß aus GARIOA-Mitteln ein Betrag von 125 Millionen DM gegeben wird, so daß nur ein Restbetrag von 75 Millionen DM zu decken bleibt. Das Aufkommen des Berliner Notopfers wird für das Vierteljahr mit rund 8n Millionen DM, jährlich also mit 320 Millionen DM anzusetzen sein. Die Erhöhung des Berliner Notopfers wird einen Mehrertrag von jährlich 174 Millionen DM. also im Vierteljahr einen Mehrertrag von 43,5 Millionen DM bringen.
Ich bemerke außerdem, daß das Berliner Notopfer in seiner Erhöhung nun nach sozialen Gesichtspunkten stark gestaffelt ist. Ich darf nun gegenüberstellen: Der Einkommensempfänger von unter 300 DM monatlich hat eine Erhöhung um lediglich ein Viertel des früheren Satzes, nämlich von 60 auf 75 Pfennig pro hundert DM, während der Bezieher großer Einkommen - über 1000 DM - das Dreifache des früheren Satzes zu leisten hat. Wir haben uns bemüht, diese Erhöhung des Berliner Notopfers, nachdem sie leider Gottes nicht vermeidbar gewesen ist, doch wenigstens in der Gestaltung, in der Form für die Gesamtbevölkerung tragbar zu machen.
Die Bundesregierung spricht den Wunsch aus, daß die neue Vereinbarung mit der Stadt Berlin und das Opfer, das das deutsche Volk durch die Erhöhung des Berliner Notopfers übernimmt, dazu führen werden, die Widerstandskraft der Stadt Berlin, die sich in den vergangenen Jahren so
({0})
glänzend bewährt hat, auch weiterhin voll aufrechtzuerhalten.
({1})
Ich eröffne die Aussprache in erster Lesung. Das Wort hat. der Abgeordnete Dr. Bucerius.
Als sich vor geraumer Zeit die Notwendigkeit ergab, die Leistungen der Bundesrepublik für die Stadt Berlin um ein Wesentliches zu erhöhen, und damit der Plan erörtert wurde, das Notopfer Berlin zu vergrößern, sind von mancher Seite, besonders aber aus der Stadt Berlin, ernsthafte Bedenken geltend gemacht worden. Es wurde darauf hingewiesen, daß es psychologisch unerfreuliche Rückwirkungen haben könne, wenn der Bewohner der Bundesrepublik zu einer besonderen Abgabe speziell für die Stadt Berlin aufgefordert werden würde.
So berechtigt die Befürchtungen damals erscheinen mochten, sind doch in der Tat diese psychologischen Rückwirkungen nicht eingetreten. Wir sind vielmehr der Auffassung, daß ein ganz besonderer Vorzug dieses Gesetzes ist, jedem Bürger der Bundesrepublik eindeutig klarzumachen, daß er für die Stadt Berlin und ihren im gesamtdeutschen Interesse geführten Lebenskampf einzustehen hat. Aus diesem Grunde begrüßen wir es auch, daß der Bundesfinanzminister die Mittel für den erhöhten Zuschußbedarf der Stadt Berlin, der infolge dieser Auseinandersetzung entstanden ist, durch eine Erhöhung ,des Notopfers Berlin aufbringen will.
Ich möchte noch hinzufügen, daß uns kein Auge blick für diese Steuervorlage geeigneter erscheint als der gegenwärtige. Das Wahlergebnis in Berlin ist von uns ganz besonders deshalb begrüßt worden, weil durch eine ganz ungewöhnliche Wahlbeteiligung von mehr als 90% nicht nur dem deutschen Volk, sondern der ganzen Welt klargemacht worden ist, daß in dieser Stadt ein hohes Maß von Vernunft und Verantwortungsbewußtsein vorhanden ist und daß an keiner Stelle so sehr wie dort die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit einem unerbittlichen Gegner vorhanden ist, der gerade an einer anderen Front dieser Erde zu einem schweren Kampf gegen uns alle angetreten ist. Der Sachverhalt, daß diese Tatsache in Berlin nicht mit Feigheit und Rückzug, sondern mit Mut beantwortet wird, soll von uns heute ohne Zögern honoriert werden!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat diese Vorlage mit den Verwaltungsvereinbarungen in Zusammenhang gebracht, die über die Hilfe für die Stadt Berlin geschlossen worden sind. Es ist aber eine Frage, wie die für Berlin notwendige Hilfe geleistet wird, und eine andere Frage, wie die Mittel dazu aufgebracht werden. Das Notopfer Berlin ist mit seinem vollen Ertrag dazu bestimmt, ausschließlich für die Berlin-Hilfe zu dienen, ein Grundsatz, an dem gerade wir unter keinen Umständen gerüttelt zu sehen wünschen. Aber wir wissen, daß das Notopfer Berlin nicht dazu ausreicht, das aufzubringen, was wir für Berlin leisten wollen und müssen. Es muß deswegen diese Abgabe in ihrer Gestaltung im Zusammenhang mit der gesamten Steuerpolitik des ganzen Haushalts gesehen werden.
Als wir seinerzeit in Frankfurt diese ausgesprochene Notabgabe mit einer großen Mehrheit beschlossen, handelte es sich, wie einige Mitglieder dieses Hauses sich erinnern werden, in jener Zeit des schärfsten Kampfes um die Freiheit Berlins manchmal nicht um Tage, sondern wörtlich um Stunden, in denen die Mittel herbeigeschafft und bereitgestellt werden mußten. Als wir diese Abgabe damals als ausgesprochene Notabgabe und auf kurze Zeit beschlossen, glaubten wir einerseits nicht, damit rechnen zu müssen, daß sie sich jahrelang in dieser Form hinziehen würde; auf der anderen Seite glaubten wir allerdings in der damaligen Situation - und bis zu einem gewissen Grade glauben wir es auch noch in der heutigen Situation -, den deutschen Steuerzahlern, besonders den deutschen Arbeitern, eine Abgabe aus den Gründen, die uns für Berlin so freigebig machen, zumuten zu können, obwohl wir uns von Anfang an über den groben und sozial fragwürdigen Charakter ihrer Erhebung im klaren waren.
Ich kann nicht verhehlen, daß uns in der Zwischenzeit Zweifel aufgetaucht sind und auftauchen mußten, ob angesichts der Gesamthaltung der Wirtschafts- und insbesondere der Steuerpolitik eine derartige Zumutung heute noch aufrechterhalten bleiben kann. Es ist ja an und für sich ein einigermaßen grotesker Vorgang. daß Einkommensteuern in einer einseitigen Weise gesenkt werden und daß auf der anderen Seite eine Abgabe wie diese erhöht werden soll.
({0})
Wie gesagt, diese Dinge müssen im Zusammenhang mit der ganzen Abgaben- und Steuerpolitik gesehen werden. Der notdürftige, der fragwürdige Charakter dieser Abgabe in ihrem System kann nicht bestritten werden. Es ist fraglos, daß sie die niederen Einkommen im Verhältnis mehr belastet als die höheren. Es ist mit Recht darüber zu klagen, ,daß der Familienstand bei ihr nicht berücksichtigt wird.
({1})
Wir glauben auch nicht, daß die Neustaffelung der Sätze, wie sie im Regierungsentwurf vorgeschlagen worden ist, hier genügend Abhilfe schaffen kann. Wir wünschen sehr ernsthaft die Frage geprüft zu haben: erstens, ob eine Erhöhung in diesem Maße angesichts der wirklich zugrunde liegenden Aufkommensschätzung tatsächlich notwendig ist; zweitens, ob man diese ganze Abgabe nicht viel eher und viel besser durch einen Zuschlag zur Einkommensteuer ersetzen könnte, weil die Einkommensteuer - wenn auch unzureichend - doch einigermaßen die sozialen und Familienverhältnisse berücksichtigt.
Mit anderen Worten und zusammenfassend: Wir wünschen nicht, einer Abänderung zuzustimmen, die die sozialen Mängel dieser Abgabe noch verschärft, was ja notgedrungen der Fall sein muß, wenn sie einfach verdoppelt wird. Wir wünschen dagegen. Änderungen herbeizuführen, die den sozialen Charakter dieser Abgabe verbessern.
Vor einem möchten wir allerdings noch einmal nachdrücklichst warnen: nämlich die Frage, wie diese Abgabe erhoben wird und wie sie zu gestalten ist, mit der Tatsache und der Bereitwilligkeit unserer Hilfe für Berlin in Verbindung zu bringen. Wir können die, wie ich hoffe, begründete Erwartung aussprechen, daß die getroffenen Vereinbarungen und die gegebenen Zusagen ohne
({2})
Rücksicht auf das System dieser Abgabe eingehalten werden.
Von diesen Überlegungen wird unsere Arbeit im Ausschuß getragen sein, und von der Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wird unsere Stellungnahme zum Regierungsentwurf abhängen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul ({0}).
Meine Damen und Herren! Bei einer früheren Debatte über die Berlin-Steuer wurde in diesem Haus zum Ausdruck gebracht, daß es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handele, da man bemüht sei, durch Hereinnahme neuer Industrien, durch Belebung des Berliner Wirtschaftslebens in den Westsektoren die Lage der Westberliner Bevölkerung zu lindern. Heute muß man feststellen, daß die Mittel, die man bereits aufgewandt hat, für die kalte Kriegführung in Berlin nicht ausreichen, sondern daß man der westdeutschen Bevölkerung durch eine erneute, bedeutende Erhöhung diese Kriegskosten der Panzerwagen auflasten will.
({0})
Mit einer solchen Methode, daß man nämlich den
kalten Krieg in Berlin auf Kosten der westdeutschen Steuerzahler, und zwar der breiten werktätigen Massen weiterführen will, können Sie der
Westberliner Bevölkerung nicht helfen. Notwendig ist, daß die Spaltung Berlins - und das ist
zugleich ein Schritt auf dem Wege zur Beseitigung
der Spaltung Deutschlands - aufhört. Nur dadurch, daß Berlin wieder in den Wirtschaftsraum
der jetzigen Deutschen Demokratischen Republik
({1})
eingegliedert wird, wird es möglich sein, den 300 000 Arbeitslosen in Berlin Arbeit und Brot zu geben
({2})
und sie nicht dauernd zu Bettlern vor den Türen Westdeutschlands zu machen.
({3})
Die Berliner Arbeitslosen aber und die Westberliner Bevölkerung dienen einem Teil der Herren dieses Hauses ja nur dazu, ihre Politik des kalten Krieges fortzusetzen.
({4})
Dieser kalte Luftzug ist anscheinend Ihnen zu Kopf gestiegen.
({5})
Ich kann Ihnen sagen: Wer ehrlich der Westberliner Bevölkerung helfen will, der kann diesen Weg nicht mehr gehen.
({6})
Dieser Weg führt zum weiteren Ruin Westberlins und zu einer weiteren Verelendung der Westberliner Bevölkerung. Wir sind der Meinung. daß durch solche Kriegskosten die Lage der Bevölkerung nicht gebessert wird, sondern daß die Notlage der Westberliner Bevölkerung nur durch. eine Politik behoben werden kann, die auf die Wiederherstellung der Einheit der Hauptstadt Deutschlands und damit Deutschlands abzielt.
Wir werden unsere Zustimmung zur Erhöhung der Kriegssteuer für Berlin nicht geben. Wir werden im Interesse der Berliner Bevölkerung mit allen aufrechten Deutschen weiter unermüdlich für die Aufhebung der Spaltung Deutschlands und damit auch für die Behebung des Notstandes der Bevölkerung Berlins kämpfen.
({7})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragt. Wer dieser Überweisung zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eine Bekanntmachung durchzugeben. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik will sich um 14 Uhr in Zimmer 12, Südflügel, versammeln, um über den Entwurf eines Gesetzes für Sicherungs- und Oberleitungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft - Drucksache Nr. 1510 - zu beraten. Die Sitzung ist nach Angabe des Vorsitzenden dringlich, weil Fristen auslaufen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Greve und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechts ({0}).
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, nach der Begründung auf eine Aussprache zu verzichten. - Es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Greve.
Dr. Greve ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945 ging in Deutschland auch die Einheit des 'deutschen Rechtes verloren. Mit dem Verlust dieser Rechtseinheit verloren wir nicht nur die Einheit auf dem Gebiete der Justizverwaltung, sondern auch, was sehr viel schwerwiegender war, die Einheit auf dem Gebiete der Gesetzgebung. Es ist nicht notwendig, Ihnen hier ins Gedächtnis zu rufen, wie mühsam damals die Gesetzgebung in den einzelnen deutschen Ländern in den verschiedenen Zonen wieder in Gang gesetzt werden mußte. Sie wissen: es kam zu einer Zersplitterung unseres Gesetzgebungswesens in einer Art und Weise, daß wir sie auch heute nur sehr mühsam überwinden können.
Was nun den vorliegenden Antrag betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung von Fristen auf dem Gebiete des Anwaltsrechtes betrifft, so darf ich bemerken, daß mit dem Verlust der Einheit des Rechtes auch die Einheit der Rechtsanwaltschaft verlorenging, die wir im Deutschen Reich gehabt haben, und daß wir bis heute in der Bundesrepublik noch keine einheitliche Regelung der Angelegenheiten der Rechtsanwälte in der früheren Form wieder bekommen haben. Die zur Zeit geltenden Rechtsanwaltsordnungen sind Gesetze der einzelnen Länder in der amerikanischen Zone und in der französischen Zone. Soweit das Gebiet der britischen Zone betroffen worden ist, gehen die Angelegenheiten der Rechtsanwälte auf eine einheitliche Anordnung des früheren
({2})
Zentralamtes für das Justizwesen in Hamburg zurück.
Die Zersplitterung auf dem Gebiet des Anwaltsrechtes war Veranlassung für die einzelnen Anwaltskammern, die in der Arbeitsgemeinschaft der Anwaltskammervorstände im Bundesgebiet heute zusammengeschlossen sind, dem Bundesjustizministerium den Entwurf einer Bundesrechtsanwaltsordnung für die Bundesrepublik Deutschland vorzulegen, weil die Anwaltschaft, soweit sie selbst betroffen ist, den Wunsch hat, die Einheit des Rechtes in Deutschland wiederherzustellen.
Zur Vorlage eines Gesetzentwurfs betreffend die Bundesrechtsanwaltsordnung seitens der Bundesregierung ist es bisher nicht gekommen, so daß der Bundestag bisher keine Gelegenheit hatte, eine Bundesrechtsanwaltsordnung zu beschließen.
Es bestehen nun in den einzelnen Rechtsanwaltsordnungen der Bundesländer Bestimmungen, die Fristen gesetzt haben, die mit dem 31. Januar ablaufen. So laufen z. B. für das gesamte Gebiet der Länder ,der britischen Zone, aber auch in einigen andern Ländern Fristen ab, die in den betreffenden Rechtsanwaltsordnungen enthalten sind.
Es ist nun der Wunsch derjenigen Kollegen, die mit mir zusammen den Antrag hier im Bundestag eingereicht haben, daß die Bestimmungen, die zur Zeit in den verschiedenen Anwaltsordnungen enthalten sind, gleichviel, auf welche gesetzliche Grundlage sie zurückgehen, so lange verlängert werden, bis die Bundesrechtsanwaltsordnung in Kraft getreten ist. Wir alle wünschen, .daß dies sobald wie möglich geschehen möge, und ich bringe hier für alle diejenigen, die es angeht, gegenüber dem Herrn Bundesjustizminister den besonderen Wunsch zum Ausdruck, daß der Entwurf der Bundesrechtsanwaltsordnung beschleunigt dem Bundestag vorgelegt und hier auch dementsprechend rasch verabschiedet werden möge.
Wir sehen vor allen Dingen deshalb Veranlassung, dem Bundestag diesen Gesetzentwurf vorzulegen, weil wir vermeiden möchten, daß zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Bundesrechtsanwaltsordnung und dem 31. Dezember dieses Jahres ein Zustand eintritt, in dem es wiederum andere Bestimmungen geben wird, als sie zur Zeit gelten und als sie nach dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung gelten werden. Es hat unseres Erachtens keinen Sinn, mit dem 1. Januar 1951 andere gesetzliche Bestimmungen in Kraft treten zu lassen, als sie zur Zeit in Kraft sind, weil die Zeitspanne bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung so kurz sein wird, daß wir es ohne weiteres glauben verantworten zu können, bis zu diesem Zeitpunkt auch alle diejenigen gesetzlichen Bestimmungen in Kraft zu lassen, die augenblicklich in Kraft sind.
Ich weiß, daß von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben werden im Hinblick auf gewisse Bestimmungen, die die Frage des Bedürfnisses bei der Zulassung von Rechtsanwälten betreffen, und zwar dahingehend, ob sie mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art. 12, in Übereinstimmung zu bringen sind. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß die derzeitigen Bestimmungen nicht gegen das Grundgesetz verstoßen. Aber darauf kommt es im einzelnen und in diesem Zusammenhang meines Erachtens nicht an. Wir wollen an dem gegenwärtigen Zustand materiell nichts ändern, sondern wünschen lediglich eine Verlängerung der Fristen, die mit dem 31. Dezember dieses Jahres ablaufen, bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung.
Aus diesem Grunde bitten die Antragsteller und ich Sie, dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1615 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Greve hat die Rechtslage zutreffend dargestellt. Die Länder haben nach 1945 die frühere Rechtsanwaltsordnung verschiedentlich geändert. Die Rechtsentwicklung ist auseinandergelaufen. Zur Bereinigung ist nun der Bund zuständig; sie unterliegt der konkurrierenden Zuständigkeit des Bundes. Die Rechtsanwaltsordnung wird schon seit Monaten bei mir behandelt. Wir haben die Beratungen der Kommission der vereinigten Anwaltskammervorstände abwarten müssen. Das Ergebnis liegt uns jetzt vor. Wir besprechen es mit den Länderjustizministern. Aber es wird wahrscheinlich eine geraume Zeit, vielleicht doch noch ein halbes Jahr vergehen, bis die neue Rechtsanwaltsordnung in Kraft treten kann.
Nun ist durch einen Initiativantrag seitens verschiedener Abgeordneten dieses Hohen Hauses angeregt worden, Fristen, die auf Grund der Rechtsanwaltsordnungen der Länder laufen, aber abzulaufen drohen, bis auf weiteres zu verlängern. Meine Damen und Herren, es geht nicht um die Fristen, die da die Zulässigkeit einer Abkürzung der Probezeit des Anwaltsassessors oder die Möglichkeit, neben einem öffentlichen Amt auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft aufrechtzuerhalten, betreffen. Es geht lediglich um eine konkrete Bestimmung, und das müssen Sie wissen: um die Frage, ob eine Bestimmung der britischen Zone, die in Artikel VII der Verordnung zur Einführung der Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone vom 10. März 1949 enthalten ist, aufrechterhalten werden soll und verfassungsrechtlich aufrechterhalten werden kann, wonach die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft von der Bejahung des Bedürfnisses abhängt. Nach dieser Bestimmung kann die Zulassung versagt werden, wenn nach dem Ermessen der Justizverwaltung die Zulassung weiterer Rechtsanwälte bei dem im Antrag bezeichneten Gericht einer geordneten Rechtspflege nicht dienlich ist. Das bedeutet also praktisch, daß durch die Justizverwaltung die Zulassung von Anwälten versagt werden kann, wenn das Bedürfnis nach der Meinung der Justizverwaltung nicht gegeben ist.
Rechtsfrage: Steht diese Bestimmung mit unserem Grundgesetz in Einklang? Art. 12 des Grundgesetzes bestimmt ausdrücklich, daß alle Deutschen das Recht haben, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen und daß die Berufsausübung durch Gesetz geregelt werden kann. Das ist ein schwieriges Problem. Rechtslehre und Rechtsprechung sind verschiedener Meinung. Ich kann Ihnen nur sagen, was meine Meinung ist. Ich halte den numerus clausus mit unserem Grundgesetz für unvereinbar. Also ich halte es für unmöglich, jetzt durch ein Gesetz festzulegen, daß die Ausübung des Anwaltsberufes nicht nur von den sonstigen Voraussetzungen, besonders der Ablegung der beiden Examina, sondern auch von der Bejahung des Bedürfnisses durch die Justizverwaltung abhängt.
({0})
Als wir das Grundgesetz beschlossen, haben wir
auf jeden Fall den Art. 12 so ausgelegt, daß eine
({1})
solche Beschränkung ausgeschlossen sein soll. Deswegen bin ich im Gegensatz zu Herrn Kollegen Dr. Greve der Ansicht, daß Sie diese Frage zu prüfen haben. Wenn Sie mit mir die Frage verneinen, wenn Sie mit mir der Meinung sind, daß der numerus clausus mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, dann ist die Verlängerung der Frist, die dieser Initiativantrag verlangt, nicht möglich.
Nun kommt eine etwas prekäre Situation zustande. Die Rechtslage ist in der amerikanischen und französischen Zone anders als in der britischen Zone. In den beiden ersten Zonen hat man im Grundsatz das Heimatprinzip durchgeführt, d. h. diejenigen Bewerber, die ihre Examina in den Ländern dieser Zonen abgelegt haben, und die echten Flüchtlinge, die dort eingewiesen sind, haben den Anspruch auf Zulassung. Man kann die Frage aufwerfen, ob auch hier ein Widerspruch zu dem nachträglich geschaffenen Grundgesetz vorliegt. Ich glaube. das verneinen zu können. Nun würde eine merkwürdige Situation eintreten. In der britischen Zone würde, wenn die Frist nicht verlängert wird, freie Bahn gegeben sein, alle Bewerber, die in der französisch und amerikanisch besetzten Zone nicht zugelassen sind, könnten sich natürlich auf die Länder der britischen Zone stürzen. Deswegen meine Anregung, daß wir vielleicht dahin einig werden, daß wir die Regelung der amerikanisch und der französisch besetzten Zone auf die britische Zone übertragen, bis die neue Rechtsanwaltsordnung Platz greift. Ich glaube, das wäre die gerechte Lösung, die auch im Rahmen des Grundgesetzes liegt. Deswegen möchte ich von mir aus einen Antrag stellen. den ich zu verlesen die Erlaubnis erbitte. Ich würde den Antrag steilen, an Stelle des Entwurfs der Drucksache Nr. 1615 dem nachfolgenden Entwurf zuzustimmen:
§ 1
In die Rechtsanwaltsordnung für die britische Zone vom 10. März 1949 wird folgende Vorschrift als neuer § 16 a eingefügt:
Abs. 1. Die Zulassung kann versagt werden, wenn der Antragsteller die Fähigkeit zum Richteramt nach dem 8. Mai 1945 nicht im Geltungsbereich dieser Rechtsanwaltsordnung erlangt hat.
Abs. 2. Die Zulassung kann ferner versagt
werden, wenn der Antragsteller die Fähigkeit
zum Richteramt vor dem 8. Mai 1945 erlangt,
den Vorbereitungsdienst jedoch zu dem überwiegenden Teil nicht in dem Bezirk eines
Oberlandesgerichts abgeleistet hat, das im
Geltungsbei eich dieser Rechtsanwaltsordnung
gelegen ist.
Abs. 3. Die Vorschriften der Abs. 1 und 2 gelten nicht,
a) wenn der Antragsteller nach dem 30. Januar 1933 aus rassischen, politischen oder religiösen Gründen aus der Rechtsanwaltschaft ausgeschieden ist;
b) wenn der Antragsteller nach dem 1. Januar 1933 die Befähigung zum Richteramt erlangt hat und bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen oder religiösen Gründen nicht zur Rechtsanwaltschaft zugelassen ist;
c) wenn der Antragsteller bereits vor dem 8. Mai 1945 im Inland als Rechtsanwalt zugelassen war, seinen Wohnsitz im Geltungsbereich dieser Rechtsanwaltsordnung aber
erst in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1950 begründet hat;
d) wenn der Antragsteller seinen beruflichen und in Ermanglung eines solchen seinen letzten persönlichen Wohnsitz in einem Gebietsteil gehabt hat, der am 30. Januar 1933 zum Deutschen Reich gehörte und im Zeitpunkt des Antrages nicht mehr der deutschen Gebietshoheit unterstand.
Durch diese Regelung würden wir die jetzt in der amerikanischen und französischen Zone bestehende Rechtsordnung übernehmen, also insbesondere festlegen, daß alle in den Ländern der britischen Zone an sich zuständigen Bewerber den Anspruch auf Zulassung haben, ebenso alle in den Ländern der britischen Zone zu Recht wohnenden Flüchtlinge, also alle echten Flüchtlinge, dabei einige weitere Gruppen, die auch hier wohnen und gewisse Voraussetzungen erfüllen.
Es dürfte wohl schwer möglich sein, diesen Antrag jetzt im Rahmen des Plenums zu behandeln. Die Sache eilt, weil wir ein Vakuum am 1. Januar nächsten Jahres verhindern müssen. Meine Anregung geht dahin, die Angelegenheit dem Rechtsausschuß zu überweisen und den Versuch zu machen, dort zu einer Verständigung zu kommen. - Ich darf dem Herrn Präsidenten diesen Antrag, den ich verlesen habe, übergeben.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat ist gestern abend bei der Regelung der heutigen Tagesordnung von der Annahme ausgegangen. daß Abänderungsanträge nicht kommen würden, da es sich um einen interfraktionellen Antrag handelt, der ohne weitere Aussprache in drei Lesungen erledigt werden könne. Ich glaube, nachdem nunmehr die Diskussion hier durch den Herrn Bundesjustizminister mit Gegenvorschlägen eröffnet worden ist, wird sich dieser Weg nicht mehr einhalten lassen. Ich muß aber dann auch jetzt so vorgehen, daß ich die Unterscheidung eintreten lasse zwischen erster, zweiter und dritter Beratung: d. h. also, ich kann den Antrag, der mir hier überreicht worden ist, erst in der zweiten Beratung zum Gegenstand der Auseinandersetzung machen, wenn wir heute überhaupt noch eine zweite Beratung stattfinden lassen wollen. Ich mache Ihnen folgenden Vorschlag, daß wir jetzt zunächst die erste Beratung fortsetzen
- wir müssen nun im Gegensatz zu unserem vorherigen Beschluß eine Redezeit festsetzen -, die Redezeit auf insgesamt 60 Minuten bemessen, dann in die zweite Beratung eintreten und gegebenenfalls dann hier über den Abänderungsantrag des Herrn Bundesjustizministers Beschluß fassen.
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Greve zur Geschäftsordnung.
Ich würde vorschlagen, heute lediglich die erste Lesung stattfinden zu lassen, den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1615 heute dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen und bei der Beratung im Rechtsausschuß zu versuchen, den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1615 so abzuändern, daß er der Vorlage des Herrn Bundesjustizministers entspricht, und daß wir dann in der nächsten Woche möglichst am ersten Tage der Plenarsitzungen die zweite und dritte Lesung des Gesetzentwurfs vornehmen. Dann kommen wir, glaube ich, am besten um die Schwierigkeiten herum.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Greve gehört. Wird dazu das Wort gewünscht?
({0})
- Ja; Sie möchten zur Sache das Wort.
Das würde also bedeuten, daß wir heute lediglich die erste Lesung vornehmen. Das würde die Generalaussprache zu dem hier vorliegenden Gesetzentwurf sein. - Ich stelle fest, daß sich kein Widerspruch erhoben hat, und nehme also an, daß das Haus damit einverstanden ist.
({1})
- Das Wort bekommen Sie ja gleich.
({2})
- Es handelte sich zunächst einmal um die geschäftsordnungsmäßige Regelung. Wir haben jetzt die erste Beratung dieser Vorlage. Dazu liegen bisher zwei Wortmeldungen vor, und zwar von Herrn Dr. Greve und von Herrn Ewers.
({3})
- Ich will niemandem das Wort abschneiden. Das Wort hat jetzt zur ersten Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfes Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung des Herrn Bundesjustizministers bezüglich der Vereinbarkeit des von mir vorgelegten Gesetzentwurfs mit dem Grundgesetz nicht. Ich habe die Möglichkeit, mich insofern auch auf die Beratungen im Parlamentarischen Rat zu bereifen, als ich selbst an den Beratungen dieses Artikels im Parlamentarischen Rat teilgenommen habe und die Wahl des zweiten Satzes des Abs. 1 „Die Berufsausübung kann durch Gesetz geregelt werden" auch beinhalten sollte, daß zwar keine grundsätzliche Beschränkung der Wahl des Berufes, des Arbeitsplatzes und der Ausbildungsstätte vorgenommen werden sollte, daß wir aber im Hinblick auf die Verhältnisse, unter denen wir im allgemeinen leben und unter denen ganz bestimmte Berufszweige zu leben gezwungen sind, durchaus die Möglichkeit ins Auge fassen mußten, daß wir zu einer vorübergehenden Beschränkung der Zulassung als Anwalt, als Arzt oder in einem sonstigen freien Beruf kommen.
Ich vermag auch nicht einzusehen, Herr Bundesjustizminister, inwieweit nun insofern eine Differenziertheit möglich sein sollte zwischen der Regelung in der britischen Zone und der Regelung in den Ländern der amerikanischen Zone, als man es auf das Territorialitätsprinzip abstellt, wenn jemand als Anwalt zugelassen werden will. Damit wird auch eine Beschränkung der Ausübung des betreffenden Berufes vorgenommen. Ob das aus der Frage der Bejahung oder Verneinung des Bedürfnisses heraus geschieht oder aus der Frage, wo der Betreffende geboren ist, ist dann gleichgültig, wenn es sich um die Frage handelt, ob eine Bestimmung gegen Art. 12 des Grundgesetzes insoweit überhaupt verstößt. Ich vermag diesen Unterschied im Hinblick auf die Frage der Vereinbarkeit mit Art. 12 nicht einzusehen. Ich gebe zu, daß man über die Frage, ob die Bestimmungen, die insoweit in den einzelnen Anwaltsordnungen enthalten sind, mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind oder nicht, verschiedener Meinung sein kann.
Aus diesem Grunde halte ich es für nützlich, daß man die Angelegenheit im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht berät, und ich bin der Auffassung, daß es auch möglich sein wird, bei den Beratungen zu einer allgemein befriedigenden Lösung zu kommen, vor allen Dingen dann, wenn wir die Gewißheit haben, daß die Bundesrechtsanwaltsordnung nicht erst in einem halben Jahr, Herr Bundesjustizminister, sondern sehr viel früher hier verabschiedet werden kann. Ich bitte deswegen, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zur Beratung und Beschlußfassung zu überweisen. Ich glaube, daß wir dann auch die Gesichtspunkte berücksichtigen können, die Sie heute hier vorgetragen haben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine geschäftsordnungsmäßige Bemerkung. Dieser Antrag ist nicht von Fraktionen, sondern von Persönlichkeiten eingebracht. Ich spreche nicht für meine Fraktion, sondern als deutscher Rechtsanwalt, und es ist ein absoluter Zufall, daß ich einer Fraktion angehöre, deren Redezeit sehr beschränkt ist. In solchen Fällen halte ich die Schematisierung der Fraktions-Redezeiten - entschuldigen Sie den harten Ausdruck - für einen glatten Unsinn. Das darf ich vorausschicken.
Ich will trotzdem, weil ich immer kurz zu sprechen pflege, versuchen, mich an dieses Schema nach Möglichkeit zu halten. Ich hoffe, daß ich mindestens für die Mehrzahl, wenn nicht alle Anwaltskollegen in diesem Hause spreche.
Ich möchte erstens materiell sagen und glaube es namens der deutschen Anwaltschaft - ich gehöre dem Beirat des Vorstandes des Deutschen Anwaltsvereins an - sagen zu können, daß wir geschlossen den numerus clausus für ein Grundübel halten, weil nun einmal der Anwalt nur dann seine Berufspflichten überhaupt wahrnehmen kann, wenn er frei ist, wenn also die Frage, wer diesen Beruf ausüben kann, nicht von irgendwelchen Ermessensfragen der Verwaltung abhängig ist. Aus diesem Grunde sind wir im Prinzip gegen jede Einschränkung; auch in dem Vorschlag der vereinigten Kammervorstände ist die freie Berufsausübung im Prinzip selbstverständlich vorgesehen. Ob man sie aber ohne Einschränkung in einem Land wie Schleswig-Holstein, das von Flüchtlingen überlastet und dessen Einwohnerzahl fast verdoppelt ist, zulassen kann, ohne den Stand als ganzen zu gefährden, ist die furchtbare Sorge, vor der wir stehen. Das zum Grundsätzlichen.
Nun handelt es sich ja heute keineswegs darum, daß ein Bundesgesetzgeber etwa zu dieser verfassungsmäßigen Frage auch nur Stellung nehmen soll. Denn daß die in den Ländern erlassenen Gesetze vor Erlaß des Grundgesetzes so geregelt werden konnten, wie die Länder es wollten, ist einwandfrei. Daran wollen wir gar nichts ändern. Was wir ändern wollen, ist dies: Wir wollen die Bestimmung, die die Geltungsdauer von vornherein bis zum Erlaß der Bundesrechtsanwaltsordnung bemessen wollte - man nahm offenbar an, der Bund würde ein bißchen schneller arbeiten; wir haben heute ja schon mehrfach von Fristversäumnissen gehört -, bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht erhalten, also nur in den entsprechenden Vorschriften ein Datum ändern, sonst gar nichts! Damit machen wir uns den Inhalt der Gesetze doch in keiner Weise zu eigen.
3826 Deutscher Bundestag - 104. _Sitzung. -Bonn, Mittwoch, den 6. Dezember 1950
({0})
Ich bin daher der Meinung, daß wir es an sich bei dem Beschluß des Ältestenrats dann belassen können, wenn wir, wie ich dringend hoffe, den Antrag des Herrn Justizministers auf Ausschußüberweisung mit Mehrheit ablehnen, indem wir erklären, daß uns die Frage der Verfassungsmäßigkeit des numerus clausus in diesem Stadium und bei dieser Vorlage überhaupt nicht interessiert. Die Frage wird bei der neuen Bundesrechtsanwaltsordnung, insbesondere soweit es sich um das etwa notwendige Übergangsrecht handelt, außerordentlich brennend und interessant werden. Aber heute, da nur Daten von Gesetzen, die schon seit Jahr und Tag gelten, verändert werden sollen, kann uns diese Frage meines Erachtens gar nicht berühren. Ich möchte den überlasteten Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, der sich jetzt bemüht, endlich das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht unter Dach und Fach zu bringen, nicht mit einer Frage belasten, über die sich die Juristen unter Umständen viele Stunden unterhalten müssen. Wenn die Angelegenheit vor Weihnachten nicht verabschiedet wird, wird in vielen Ländern ein Justitium, ein Stillstand der Rechtspflege herbeigeführt. Es ist gar nicht abzusehen, was dann ohne jede Ordnung alles geschehen könnte.
Ich möchte also im Gegensatz zu dem, was der Herr Präsident als allgemeine Meinung zu Beginn feststellen wollte, die Abgeordneten dringend bitten, grundsätzlich den Antrag auf Ausschußüberweisung, der in der ersten Lesung gestellt werden kann, abzulehnen und in die zweite Lesung einzutreten. Der Antrag könnte, wie gesagt, in der ersten Lesung gestellt werden; worüber dann in der zweiten Lesung der Ausschuß berichten müßte. Vorgesehen sind heute laut Tagesordnung alle drei Lesungen an einem Tag. Ich bitte in erster Linie, am Schluß der ersten Lesung den Antrag des Herrn Justizministers abzulehnen und dann sogleich in die zweite Lesung einzutreten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Sachverhalt ist inzwischen noch komplizierter geworden. Wir haben soeben beschlossen, die erste Beratung durchzuführen. Die erste Beratung hat durch die Ausführungen der beiden Sprecher soeben stattgefunden. Es ist beantragt, die Vorlage Drucksache Nr. 1615 an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Das wäre die Form, in der wir die erste Beratung erledigen können. Abänderungsanträge einzelner Abgeordneter können überhaupt erst in der zweiten Lesung gestellt und angenommen werden.
({0})
Unter diesen Umständen bin ich nicht in der Lage, den Antrag des Herrn Bundesjustizministers jetzt in der ersten Lesung zur Abstimmung zu bringen. Das wäre geschäftsordnungsmäßig nicht möglich.
({1})
- Sie ziehen Ihren Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuß zurück. Das würde also bedeuten, daß nunmehr über den vorliegenden Gesetzentwurf abgestimmt wird.
({2})
- Unter diesen Umständen können wir in die zweite Beratung eintreten.
({3})
Ich eröffne also die zweite Beratung. Erfolgen Wortmeldungen? - Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Entscheidend ist die Frage, ob dieses Verlängerungsgesetz das Grundgesetz verletzen würde. Herr Kollege Ewers meint: nein; denn es handle sich nicht um ein neues Gesetz, sondern nur um die Verlängerung eines in der britischen Zone schon geltenden Gesetzes. Ich bin anderer Meinung. Würde der Bundestag dieses Gesetz beschließen, würde er die in dem Gesetz der britischen Zone enthaltene Bestimmung des numerus clausus verlängern. Das ist eine materielle Bestimmung. Diese Beschränkung eines Berufsstandes. des Anwaltsstandes, würde über den 31. Dezember 1950 hinaus gelten. Also muß natürlich die Frage entschieden werden - wenn nicht durch Sie, dann später durch das Bundesverfassungsgericht -, ob hier eine Bestimmung vorliegt, die mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist.
Ich habe eine andere Lösung, eine Zwischenlösung, angeregt. Herr Kollege Dr. Greve wirft die Frage auf, ob nicht auch sie mit dem Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes in Widerspruch steht. Ich möchte meinen, sie ist zu tolerieren. Auf jeden Fall gilt zunächst diese Ordnung in der französischen und amerikanischen Zone noch weiter. Ich will ja nur die Regelung, die dort gilt, auf die britische Zone übertragen, zunächst einmal mit dem Ziele, die Rechtsgleichheit herzustellen. Ich bin der Meinung, daß keine Beeinträchtigung und damit kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes darin liegt, wenn wir das Prinzip der Territorialität durchführen. Natürlich ist es auch eine gewisse Beschränkung, aber immerhin eine, die zu ertragen ist. Vielleicht müßte in der jetzigen Situation das Ziel der Rechtsgleichheit höher stehen als die geringfügige Beeinträchtigung der Freizügigkeit, die wir mit dieser Regelung in Kauf nehmen müßten. Aber die Frage müßte im Rechtsausschuß behandelt werden. Ich stelle jetzt in der zweiten Lesung seitens der Regierung den Antrag. den ich bereits in der ersten Lesung den Herrn Präsidenten übergeben habe.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Ich darf darauf aufmerksam machen, daß die Vorlage nur einen Paragraphen hat. Infolgedessen ist eine Trennung zwischen Gesamtdebatte und Einzelberatung überflüssig.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal kurz zum Ausdruck bringen, daß wohl alle diejenigen, die mit mir den Antrag auf Erlaß dieses Gesetzes unterschrieben haben, der Auffassung sind, daß deswegen keine Verletzung des Art. 12 des Grundgesetzes vorliegen kann, weil es sich nicht um eine Änderung materiellen Rechtes handelt, weil es sich überhaupt nicht um eine Modifizierung des derzeitigen Rechtszustandes handelt, sondern weil hier, wie Herr Kollege Ewers schon richtig zum Ausdruck gebracht hat, lediglich eine Frist verlängert wird und weil mit dem 1. Januar 1951 kein anderer Rechtszustand eintreten kann, als er zur Zeit besteht. Demzufolge - da kein anderer Rechtszustand eintritt, als er zur Zeit besteht - kann auch nach dem 1. Januar 1951 keine Verletzung des
({0})
Grundgesetzes in Frage kommen, weil auch nach Auffassung des Herrn Bundesjustizministers zur Zeit wohl keine Verletzung des Grundgesetzes vorliegt oder aber, wenn zur Zeit eine Verletzung des Grundgesetzes vorliegen sollte, sich insoweit auch nach dem 1. Januar 1951 nichts ändern würde, weil der bestehende Rechtszustand nur verlängert wird.
Die Rechtsgleichheit wird auch nicht verletzt, Herr Bundesjustizminister. weil die derzeit geltenden Bestimmungen in gleicher Weise gegenüber jedem angewendet werden, der sich in dem betreffenden Gebiet um die Zulassung als Anwalt bewirbt, sei es in einem Lande ,der britischen Zone, sei es in einem Lande der amerikanischen oder der französischen Zone. Ich bin mit Ihnen durchaus der Auffassung, daß wir es ruhig der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtshofes überlassen sollten, ob diese Bestimmungen in den verschiedenen Rechtsanwaltsordnungen mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen sind. Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Bundesverfassungsgericht entscheiden kann, haben wir die Bundesrechtsanwaltsordnung!
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich unterstreichen, was Herr Kollege Ewers gesagt hat, daß uns Anwälten in keiner Weise daran gelegen ist, den numerus clausus aufrechtzuerhalten, daß uns aber vor allem daran gelegen ist, bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung nicht erneut Rechtszustände eintreten zu lassen. die sowohl verschieden sind gegenüber den derzeit geltenden als auch verschieden sein würden gegenüber denjenigen, die nach dem Inkrafttreten der Bundesrechtsanwaltsordnung Gültigkeit haben würden.
Ich würde also in diesem Fall bitten, den Antrag, den der Herr Bundesjustizminister gestellt hat, abzulehnen und dem Gesetzentwurf in zweiter und auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung zu geben. Es mögen dann notfalls die berufenen Stellen, wenn es überhaupt dazu kommen sollte, die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz feststellen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen die Ausführungen des Herrn Justizministers nur eins einzuwenden. Was wir hier beschließen, heißt nichts anderes. als daß in die Bestimmungen, wonach die Gesetze zu irgendeinem Zeitpunkt außer Kraft treten, ein neues Datum eingesetzt wird. Ich glaube, niemand würde auf den Gedanken kommen, daß das eine Verfassungsverletzung sein könnte, wenn wir die Fassung wählten, daß wir diese Bestimmungen, wo immer sie stehen mögen, einfach außer Kraft setzen. Damit wird nicht ein einziger sachlicher Paragraph der heutigen Gesetze berührt. Allerdings hätten wir dann keine neue Frist, und wir möchten auf jeden Fall klarstellen, daß das nur eine vorübergehende Maßnahme sein soll bis zum Inkraftreten der neuen Rechtsanwaltsordnung.
Daher die Fassung des einzigen Paragraphen der Vorlage. Ich glaube, kein einziger hier im Bundestag - vielleicht mit Ausnahme des Herrn Bundesjustizministers - kennt überhaupt die verschiedenen Rechtsanwaltsordnungen in den deutschen Ländern, d. h. es sind ja wohl nur sieben oder acht außer der britischen Zone. Die Rechtsanwaltsordnung in der britischen Zone kennen wir Norddeutsche, aber kein Bayer und auch kein
Rheinländer oder Pfälzer kennt sie. Wir wollen aber auf keinen Fall, daß eine einzige Bestimmung, nämlich die über ,den numerus clausus, nun plötzlich aus einer Anwaltsordnung, die im übrigen so bleibt, wie sie ist, in ein anderes Gebiet übertragen wird, in welchem bisher etwas anderes galt. Das gibt eine Verwirrung in der Rechtsanwendung, die überhaupt nicht mehr klarzuziehen ist. Ich muß bei meinem Standpunkt verbleiben, auch wenn wir die Gefahr laufen, die ich für gar nicht so groß halte, daß wir ein Gesetz schaffen, welches an das Bundesverfassugsgericht gelangen kann, das hoffentlich früher geschaffen sein wird, als die neue Bundesrechtsanwaltsordnung erlassen wird.
Alles andere wird uns nicht einen Schritt weiterführen. Wir könnten uns im Rechtsausschuß über die theoretischen Fragen der Verfassungswidrigkeit unter Umständen wochenlang unterhalten. Auf diese Art würden wir mit dem Problem. das uns auf den Nägeln brennt, überhaupt nicht fertig, wenn wir alles wie in einem neuen Gesetz nietund nagelfest machen wollen.
Ich bin mit Herrn Dr. Greve mindestens darin einig, daß es bei wohldurchdachter Auslegung des Art. 12 des Grundgesetzes in hohem Maße zweifelhaft sein kann, ob der Gesetzweber ein Rechtspflegeorgan ruinieren wollte, indem er ohne Rücksicht auf Verluste sozusagen jedermann zulassen wollte. Ich glaube, das wollte das Grundgesetz nicht. Wir wollen grundsätzlich die Freiheit der Advokatur deshalb, weil das das einzig mögliche ist. Wie steht es aber, wenn wir damit den Stand ruinieren, weil es eben - entschuldigen Sie das Wort - dann nur noch ..Proletarier" geben kann, wenn das anfallende Arbeitspensum bis zum äußersten ausgewalzt wird. wobei die Versuchung, die Sachen nicht ordnungsgemäß zu erledigen zudem noch allzu groß wird? Daß es verfassungswidrig sein soll, wenn wir dem vorbeugen, davon bin ich nicht überzeugt; aber ich gebe zu: ein weites Feld, ein schwieriges Thema!
Ich habe den Antrag überreicht, diesem einzigen Paragraphen noch eine Bestimmung hinzuzusetzen, die hier vergessen ist. nämlich daß dieses Gesetz am Tage nach der Verkündung in Kraft tritt. Ohne diesen Zusatz kommen wir zum 31. Dezember überhaupt nicht mehr klar. Ich bitte also in meinem Antrag - der Herr Präsident kann ihn ja noch einmal verlesen -, diesen einzigen Paragraphen zu ergänzen und den Gesetzentwurf nach Ablehnung des Antrags auf Überweisung an den Rechtsausschuß in zweiter und dritter Lesung, wie sie auf der Tagesordnung vorgesehen sind, anzunehmen.
Es tut mir außerordentlich leid, daß ich durch den mir notwendig erscheinenden Zusatzantrag die formelle Möglichkeit eröffne, einer sofortigen dritten Lesung zu widersprechen. Bekanntlich ist es ja so, daß in solchem Fall jedes einzelne Mitglied der sofortigen dritten Lesung widersprechen kann. Ich bitte die verehrten Herren Kollegen aller Fakultäten und Fraktionen, von diesem formalen Recht keinen Gebrauch zu machen, weil dieser Zusatz nur vergessen ist. Materiell ist er ja selbstverständlich.
({0})
- Nicht vergessen?
({1})
({2})
- Das dauert also zwei Wochen!
({3})
- Aber das reicht nicht!
({4}) - Ich kann es nicht genau sagen.
({5})
- Meinen Sie? Ich glaube, daß wir das Justizministerium auf unserer Seite haben. Ich bin der Sicherheit halber dafür, daß wir diesen Zusatz machen; ich sage das ganz offen.
({6})
- Ausschußverhandlungen wollen wir nicht haben. Dann lehnen Sie es ruhig ab; ich habe nichts dagegen. Es war nur ein vorsorglicher Antrag, um Fristenschwierigkeiten zu vermeiden.
Ich bitte also, den Überweisungsantrag abzulehnen und die Änderungsanträge des Herrn Justizministers ebenfalls. Wir werden uns mit diesem Problem bei der Verabschiedung der Rechtsanwaltsordnung auf das ernsteste und nachhaltigste befassen, und ich bin überzeugt, daß dieses Haus in der Beziehung zu einer sehr guten und verständigen Regelung kommen wird.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Meine Damen und Herren! Ich muß mein Rechtsgewissen salvieren. Was Sie tun, ist Ihre Sache; aber ich halte es für notwendig, daß wir zumindest zu klaren Vorstellungen kommen. Es ist nicht so, daß die jetzige Rechtslage unbestritten wäre, sondern schon die Frage, ob Art. VII der fraglichen Verordnung in der britischen Zone gilt, ist höchst umstritten. Es gab widerstreitende Urteile. Die letzte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg vom 3. Oktober dieses Jahres hat sich auf meinen Standpunkt gestellt.
({0})
- Ich kann ja nur berichten. - Also ein oberes Verwaltungsgericht hat die Bestimmung, die Sie jetzt verlängern wollen, bereits für verfassungswidrig erklärt. So einfach liegen also die Dinge nicht, daß man sich auf den Standpunkt stellen kann, durch die Verlängerung würde nichts geändert werden. Ich halte im Gegenteil diesen Standpunkt für abwegig; denn durch die Verlängerung schaffen Sie neues materielles Recht. Sie müssen doch prüfen, ob dieses neue materielle Recht verfassungsgemäß oder verfassungswidrig ist. Es heißt also schon jetzt, Farbe bekennen.
Meine Vorlage zeigt eine Möglichkeit, wie man weiterkommen kann. Ich decke mich durchaus mit der Meinung des Herrn Ewers, wenn er als die wesentlichen Charakteristika des Anwaltsberufs die Freiheit und den Mut bezeichnet. Die muß man aber auch beweisen, wenn es darum geht!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
({0})
- Entschuldigung, zuerst kommt der Herr Abgeordnete Dr. Oellers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß meine politischen Freunde und ich, die wir diesen Antrag unterschrieben haben, in den Verdacht geraten, irgendwie Freunde eines numerus clausus zu sein. Es ist für einen Liberalen wohl selbstverständlich,
({0})
daß er für die Freizügigkeit der Berufswahl und des Berufsorts in jeder Weise eintritt, und ich kann mich auf so viele öffentliche Kundgebungen berufen, in de en ich gerade als Sprecher der Heimatvertriebenen in den vergangenen Jahren gegen den numerus clausus aufgetreten bin, daß Ihre kritischen Bemerkungen durchaus fehl am Platze sind.
Wenn meine Freunde diesen Antrag - einen interfraktionellen Antrag, wie ich bemerken darf - trotzdem mit unterschrieben haben, so einfach deswegen, weil uns daran liegt, die Rechtsentwicklung auf dem Gebiet des Berufsrechts der Anwälte nicht noch weiter auseinanderlaufen zu lassen. Es unterliegt doch gar keinem Zweifel: Wenn die Frist in der britischen Zone, an der ich persönlich nicht das geringste Interesse habe, abläuft, bekommen wir für eine Zwischenzeit von wenigen Monaten bis zur Verabschiedung einer Bundesrechtsanwaltsordnung noch ein anderes Anwaltsrecht mit dem Ergebnis, daß man allmählich daraus überhaupt nicht mehr schlau wird.
Die Frage war für uns nur die: Verstößt die von uns vorgeschlagene Regelung gegen das Grundgesetz? Auch diese Frage habe ich pflichtgemäß sehr eingehend geprüft. Ich bin der Auffassung: Wenn der Art. 7 der britischen Regelung bisher gegen das Grundgesetz verstieß, dann verstößt er auch in Zukunft dagegen. Hat er bisher nicht dagegen verstoßen, so tut er das auch in Zukunft nicht.
({1})
Das hat mit einer Verlängerung dieser Bestimmung nicht das geringste zu tun. Ich bin auch nicht der Ansicht, daß man, wenn man eine Bestimmung für einen vorübergehenden Zeitraum verlängert, dadurch materielles Recht setzt.
Ich würde trotzdem der Überweisung an den Rechtsausschuß zur Prüfung dieser Frage zustimmen, wenn ich der Auffassung wäre, daß der vom Herrn Bundesjustizminister gemachte Vorschlag uns weiterhelfen würde. Aber er geht an der Grundkonzeption vorbei, die uns veranlaßt hat, den Antrag mit zu unterschreiben; denn wir würden ja dann in der britischen Zone für ein paar Monate Übergangszeit doch wieder ein anderes Recht haben. Im übrigen bin ich als Liberaler nun wiederum der Auffassung, daß die territorialen oder Heimatbeschränkungen hinsichtlich der Zulassung in der amerikanischen Zone genau so gegen die Freizügigkeitsbestimmungen verstoßen. Ich glaube also, das gescheiteste, was man machen kann, ist, daß man diesen Gesetzentwurf annimmt und dann allerdings mit tunlichster Beschleunigung eine Bundesrechtsanwaltsordnung schafft. die den Freizügigkeitsbestimmungen des Grundgesetzes Rechnung trägt. Und das Tempo dieser Arbeit, Herr Justizminister, liegt ja in unserer Hard.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich teile die Auffassung, die Herr Kollege Dr. Oellers eben vorgetragen hat, daß durch die Verlängerung
({0})
von einzelnen Bestimmungen in dem Gesetz, um das es sich hier handelt, kein neues materielles Recht geschaffen wird, wie der Herr Bundesjustizminister meint es hier vertreten zu sollen. Zu der vom Herrn Bundesjustizminister zitierten Entscheidung - ich glaube, Herr Minister, Sie meinen das Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. Oktober 1950 - möchte ich bemerken, daß es sich bei diesem Urteil darum handelte, festzustellen, ob einzelne Bestimmungen des Gesetzes zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung vom 13. September 1935 mit Art. 12 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar sind.
({1})
- 3. Oktober 1950. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich das falsch zitiert habe.
Meine Damen und Herren! Es ist etwas anderes, ob man untersucht, ob einzelne Bestimmungen der nach 1945 in Kraft getretenen Rechtsanwaltsordnungen mit dem Grundgesetz vereinbar sind, oder ob man untersucht, ob eine Bestimmung des Gesetzes zur Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiete der Rechtsberatung vom 13. September 1935 mit dem Grundgesetz in Übereinstimmung zu bringen ist, weil dieses Rechtsberatungs-Mißbrauchgesetz, wie es kurz genannt wird, von einer ganz bestimmten politischen Konzeption ausgegangen ist und in seinem gesamten Gehalt auch eine ganz bestimmte Tendenz hatte, die natürlich auch in den einzelnen Bestimmungen zum Ausdruck kommt. Es ist durchaus möglich, sich auf den Standpunkt zu stellen, daß einzelne Bestimmungen dieses Rechtsberatungs-Mißbrauchgesetzes mit dem Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, daß demgegenüber die Rechtsanwaltsordnungen, um die es sich hier handelt, ausschließlich aus der Zeit nach 1945 stammen, also keinen Charakter mit einer ganz bestimmten Tendenz haben, weder in ihrem gesamten Gehalt noch in den einzelnen Bestimmungen.
Ich glaube, Herr Minister, Sie werden mir-in
diesem Falle darf ich auch an Sie als Juristen appellieren - darin recht geben, daß man nicht ohne weiteres aus einem Urteil eines Oberverwaltungsgerichts, das einen ganz anderen Tatbestand zum Inhalt hat, den Schluß ziehen kann, daß das, was wir hier zu beurteilen haben, in gleicher Weise mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein soll oder sein muß, wie es hier in diesem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zum Ausdruck gekommen ist.
Ich möchte Sie abschließend dringend bitten, es bei dem Ihnen vorgelegten Antrag zu belassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen, den der Herr Bundesjustizminister vorgelegt hat. Ich brauche ihn wohl nicht noch einmal zu verlesen; er ist vom Antragsteller selbst verlesen worden. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegt nunmehr noch ein Zusatzantrag des Herrn Abgeordneten Ewers vor, den Absatz hinzuzufügen:
Das Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft.
Ich bitte diejenigen, die diesem Zusatzantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den durch den soeben angenommenen Absatz ergänzten einzigen Paragraphen des Gesetzes und bitte diejenigen, die dem Gesetz in dieser Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist damit in zweiter Lesung angenommen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wird der dritten Beratung widersprochen? - Ich muß diese Frage stellen, weil ein Zusatzantrag angenommen worden ist. - Es wird nicht widersprochen.
Wir beginnen die dritte Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die dem in der zweiten Beratung angenommenen Gesetz zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in der dritten Beratung verabschiedet.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des D-Markbilanzgesetzes ({0}) ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}).
({4})
({5})
- Punkt 11 der Tagesordnung ist auf Grund einer Vereinbarung auf einen späteren Termin zurückgestellt worden. Der Punkt wird später aufgerufen.
({6})
- Ich habe das hier von meinem Vorgänger im Amt übernommen.
({7})
Das Wort als Berichterstatter zu Punkt 12 der Tagesordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Koch.
Dr. Koch ({8}). Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf das Ihnen in Drucksache Nr. 1622 zugeleitete Gesetz zur Änderung und Ergänzung des D-Mark-Bilanzgesetzes wartet die deutsche Wirtschaft seit Monaten. Sie wortet um so mehr, als am 31. Dezember dieses Jahres verschiedene Fristen abzulaufen drohen, die in diesem Gesetz verlängert werden. Wir verstehen die Unruhe und die Ungeduld; aber ich glaube, wir sollten auch grundsätzlich einmal folgendes feststellen.
Das Ihnen vorliegende Gesetz ist das Ergebnis einer langen Reihe von Ausschußsitzungen, und zwar der Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen, für Wirtschaftspolitik und des Rechtsausschusses. Diese Ausschüsse mußten wegen der besonders schwierigen Fragen, die mit diesem Gesetz verbunden sind, einen Unterausschuß einsetzen,
({9})
der sich in langen Sitzungen, vor allem auch Abend- und Nachtsitzungen, mit diesen Fragen beschäftigt hat. Ich glaube, die wenigsten, die leichtfertig über die Arbeit des Parlaments und der Parlamentarier urteilen und spotten, ahnen, welches Maß von Arbeit, aber auch von Sachkunde in den Ausschüssen ein einziges derartiges Gesetz, wie es uns hier vorliegt, verlangt. Ich darf zugleich darauf aufmerksam machen, daß diese Drucksache die Nummer 1622 trägt. Das bedeutet also, daß wir in 16 Monaten monatlich etwa 100 Drucksachen, Anträge, Interpellationen und Gesetzentwürfe vorliegen gehabt haben. In diesen Zahlen spiegelt sich, glaube ich, eine unerhörte Arbeitsleistung, wenn auch nicht jede Vorlage und jede Drucksache die Bedeutung und die Tragweite haben wie die hier vorliegende.
Ich bitte, mir zu erlauben, mich im wesentlichen an die Änderungen zu halten, die die Ausschüsse an dem Regierungsentwurf vorgenommen haben, und sie zu erläutern. Änderungen - das bedeutet also Streichungen, Hinzufügungen und Änderungen im engeren Sinn. Wegen der Bestimmungen, die unverändert übernommen worden sind, darf ich mich an die ausgezeichnete, aus dem Justizministerium stammende Begründung halten.
Die Abschnitte I und II - das sind also die §§ 1 bis 6 dieses Gesetzes - enthalten umfangreiche Ergänzungsvorschriften, wie Sie aus den Titeln entnehmen können: über die Aufstellung von Bilanzen für Unternehmen, die ihren Sitz in Berlin und Zweigniederlassungen im Bundesgebiet haben, und für andere Unternehmen, die ihren Sitz aus dem Ausland, aus der Ostzone, aus West-Berlin in das Bundesgebiet verlegen, und für solche Unternehmen, die ihren Registersitz sowohl in West-Berlin als auch im Bundesgebiet haben. Wir haben die vorliegenden Bestimmungen, soweit sie Berlin betreffen, eingehend abgestimmt mit dem DM-Bilanzgesetz für Großberlin-West, das seit dem 12. August 1950 in Kraft ist.
Damit komme ich schon zum Abschnitt III, § 7 des vorliegenden Entwurfs. Die Ziffer 1, § 3 Abs. 7 des D-Mark-Bilanzgesetzes aufzuheben, stimmt mit den Ihnen vorgetragenen Vorschriften der Abschnitte I und II überein.
§ 7 Ziffer 2 ist unverändert übernommen worden. Ich glaube, ich brauche ihn nicht zu erläutern, und darf mich insoweit auch auf die Begründung der Bundesregierung beziehen. Das gleiche gilt für den § 7 Ziffer 3 und Ziffer 4. Die Ziffer 5 über die Umwandlung und Neufestsetzung, also über die neue Fassung des § 45 des D-Mark-Bilanzgesetzes, ist völlig neu aufgenommen worden. Sie war in dem Entwurf nicht vorgesehen. Die Vorschriften über die handelsrechtliche und über die steuerliche Erleichterung der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personalgesellschaften sind notwendig geworden, um eine Zweifelsfrage des § 45 des D-Mark-Bilanzgesetzes zu beseitigen. Diese neue Fassung bringt neue Fristsetzungen und schließt damit auch eine Lücke des alten § 45. Diese Fristsetzung war notwendig insbesondere auch mit Rücksicht auf die steuerlichen Erleichterungen, die Sie in den neuen §§ 8 bis 11 dieses Entwurfs finden.
Die Ziffer 7 des § 7 hat den Ausschüssen am meisten Kopfzerbrechen gemacht. Es waren langwierige Beratungen notwendig mit den zuständigen Ministerien, also mit dem Finanzministerium und mit dem Justizministerium. Diese Bestimmung enthält auch tatsächlich eine der wichtigsten Fragen des ganzen Gesetzes, jedenfalls wohl d i e Frage, die auf jeden Fall für große Teile der Wirtschaft finanziell am allerschwersten ins Gewicht fällt. Diese Bestimmung ist nicht etwa ganz neu aufgenommen worden, sondern ihr entspricht - das ist aus dem vorliegenden Entwurf nicht zu erkennen - der alte § 21 des Entwurfs der Bundesregierung, den sie an späterer Stelle dieses vorliegenden Entwurfs finden. Es handelte sich kurz gesagt um die Beantwortung der Frage: Wie sind die Kursverluste zu behandeln, die die deutschen Unternehmungen mit Währungsschulden durch die Abwertung der Deutschen Mark im September 1949 erlitten haben? Wer von zwei alten und anerkannten Bilanzierungsgrundsätzen ausgeht, nämlich dem einen, daß Kursverluste und auch Kursgewinne steuerlich anzuerkennen sind, wenn der Kaufmann sie entsprechend bilanziert oder wenn er sie realisiert, und dem anderen, daß in der Bilanz nur das berücksichtigt werden kann und darf, was sich am Bilanzstichtag bereits ereignet hatte, wenn es auch erst später bekannt wurde, dem scheint die Frage, wie die Kursverluste aus der Abwertung vom September 1949 zu behandeln sind und ob sie überhaupt auf die D-Mark-Eröffnungsbilanz zurückwirken können, außerordentlich leicht zu beantworten zu sein; sie scheint ihm keine Schwierigkeiten zu bieten. Wer dieser Ansicht ist, der hat allerdings die Rechnung, in diesem Falle im wahrsten Sinne des Wortes, seine Erfolgsrechnung nämlich, ohne den Herrn Finanzminister gemacht, der im § 21 des von der Bundesregierung vorgelegten Entwurfs mit dürren Worten etwa das folgende bestimmen wollte. Alle Kursänderungen, also auch Kursverluste und gerade diese, die in den Jahresabschlüssen zwischen dem 21. Juni 1948, dem Tag der D-Mark-Eröffnungsbilanz, und dem 31. Dezember 1950 zu berücksichtigen sind, sind auf die D-Mark-Eröffnungsbilanz vom 21. Juni 1948 zurückzurejizieren, möchte ich sagen, also zurückzubeziehen. Sie mindern also nicht den Verlust des Geschäftsjahres 1949; sie wirken - mindestens steuerlich gesehen - erfolgsneutral.
Der Teil der sonst so ausgezeichneten Begründung der Bundesregierung, der versucht, diesen Fiskalismus, den die Wirtschaft hätte bezahlen müssen, zu begründen, ist am allerwenigsten überzeugend. Jedenfalls konnten sich die Ausschüsse dieser Begründung nicht anschließen. Es heißt in dieser Begründung zu § 21 einmal, daß es zu der Neufestsetzung des Kurses der Deutschen Mark, die man vor oder unmittelbar nach der Währungsreform erwartet hatte, nicht gekommen sei. „Dagegen ist im September 1949 das Pfund abgewertet worden" - ich zitiere aus der Begründung der Bundesregierung -, und dann schließt - mit einigen Eskapaden - die Bundesregierung, sie dürfe mit Rücksicht auch auf den Inhalt des alten § 47 des D-Mark-Bilanzgesetzes die Änderungen, die sich aus der Pfundabwertung oder richtiger aus der D-Mark-Abwertung ergeben, auf die D-Mark-Eröffnungsbilanz zurückbeziehen. Es heißt dort vor allem in einem Satz:
Es dürfte ferner keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn die Pfundabwertung vor der Beschlußfassung über das D-Mark-Bilanzgesetz eingetreten wäre, der sich aus ihr ergebende neue Umrechnungskurs der Deutschen Mark im § 10 des Gesetzes für die Bewertung der Valutaschuldverhältnisse zugrunde gelegt worden wäre.
Hier also arbeitet die Begründung der Bundesregierung mit zwei Unterstellungen, mit zwei Fiktionen, die wir nicht anerkennen können.
({10})
Gegen die Auffassung der Regierungsbegründung hat sich der Ausschuß gewandt, indem er etwa folgendes sagt. § 47 des D-Mark-Bilanzgesetzes, auf den sich die Begründung beruft, spricht eindeutig nur von Tatbeständen, die bereits am Währungsstichtag gegeben waren, bei denen sich aber später herausstellte, daß man bei der Beschlußfassung Wertansätze als richtig angenommen hat, die sich später als falsch herausstellten. Die Währungsabwertung war ein ganz neuer Tatbestand, der mit der Pfundabwertung vom September 1949 im Zusammenhang stand, die man nun ihrerseits zur Zeit der Währungsreform keineswegs voraussehen konnte. Die von dem Finanzminister vorgesehene Bestimmung bedeutet eine Ausnahmegesetzgebung gegen einen Teil der Wirtschaft. Wir haben uns nicht durch die Ziffern beeinflussen lassen können, die uns vom Finanzministerium genannt worden sind und die sich auf die Ausfälle, die möglicherweise eintreten, beziehen; denn es handelt sich hier um eine Rechts- und nicht um eine Finanzfrage.
Die Ausschüsse sind also nicht in das eine Extrem verfallen und haben mit den Finanzministern nicht erklären können, daß die Abwertungsverluste erfolgsneutral in der D-Mark-Eröffnungsbilanz zu buchen sind; sie haben sich aber auch nicht für das andere Extrem entscheiden können, wonach nun etwa die Verluste aus der D-Mark-Abwertung vom September 1949 im Geschäftsjahr der Abwertung hätten voll abgebucht werden können. Das hätte - in diesem Zusammenhang darf das allerdings nicht interessieren - ganz zweifellos für die Finanzverwaltung der Länder einen unerhörten Ausfall bedeutet, da die in Frage kommenden Steuern den Ländern zufließen.
Da war aber auch noch eine andere wichtige Überlegung: wir hätten damit möglicherweise Entscheidungen, Ergebnisse künftiger Verhandlungen mit den Gläubigern dieser Valutaschuldverhältnisse vorweggenommen, und das sollte unter allen Umständen vermieden werden. Außerdem wurde noch die folgende wichtige Überlegung angestellt, die wir einer Anregung insbesondere des Justizministeriums verdanken: Ein vorsichtiger Kaufmann pflegt, wenn sich die ausländische Währung im Werte geändert hat, nicht realisierte Verluste auszuweisen, nicht realisierte Gewinne aber nicht auszuweisen. Das entspricht dem Grundsatz einer vorsichtigen Bilanzierung, also einem Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung. Nun können aber diese Vorschriften einer ordnungsmäßigen Bilanzierung unseres Erachtens für die hier vorliegenden Valutaverbindlichkeiten, mit denen sich der § 7 Ziffer 7 des Gesetzentwurfes beschäftigt, nicht gelten. Denn diese Valutaverpflichtungen stammen fast ausschließlich aus der Zeit vor 1933. Wir haben seit 1933 - und auch schon Jahre vorher - die Devisengesetzgebung. Wir haben die vielen sonstigen Maßnahmen der Naziregierung, aber auch die Maßnahmen aus der Zeit nach 1945. Durch alle diese Maßnahmen, insbesondere durch die Devisengesetzgebung sind diese Verbindlichkeiten aus der Sphäre des Wirtschaftlichen in eine Sphäre des Politischen herausgehoben worden. Es herrscht heute noch völlige Unklarheit darüber, wie in Zukunft vielleicht einmal die Verhandlungen mit den ausländischen Gläubigern ablaufen werden. Wir wollen diesen späteren Verhandlungen, wie ich eben schon sagte, unter keinen Umständen vorgreifen und wollen die eingefrorenen Valutaschuldverhältnisse auch bilanz- und steuerrechtlich als eingefroren betrachten.
Das war vielleicht ein salomonisches Urteil; wir kommen aber in diesem Falle sowohl der Wirtschaft wie auch der Finanzverwaltung entgegen. Die Ausschüsse haben daher einstimmig diese sehr schwerwiegende Frage so beantwortet, wie Sie in § 7 Ziffer 7 des Entwurfs lesen können, wo es heißt:
§ 47 des D-Markbilanzgesetzes erhält folgenden Absatz 3: „Die Änderungen der Wertansätze usw...."
Ich kann auf die Verlesung verzichten; die Fassung liegt Ihnen vor. Um den Sinn dieser sehr schwierig klingenden Vorschrift wiederzugeben, möchte ich sie noch einmal ganz kurz so formulieren: Valutaschuldverhältnisse - das ist das Ergebnis unserer Beratungen - im Sinne des § 10, deren Wertansätze sich ändern, weil sich der Umrechnungskurs der Deutschen Mark nach dem 21. Juni 1948 geändert hat, sind bis zu ihrer Tilgung mit den alten Werten in den Bilanzen fortzuführen, d. h. also mit dem Wert, der nach dem D-Mark-Bilanzgesetz in der D-Mark-Eröffnungsbilanz festgesetzt worden ist. Erst bei der Tilgung treten, und zwar im Verhältnis der Tilgung, Gewinne oder Verluste ein, die bilanzmäßig, aber auch steuerlich zu berücksichtigen sind. Ich glaube, das ist ein wirtschaftlich und steuerlich vernünftiges Ergebnis langwieriger Beratungen.
Bei dieser Bestimmung mußte ich mich etwas länger aufhalten, weil gerade diese Bestimmung die Finanzverwaltung, aber auch die Wirtschaft ganz besonders interessierte. Bei den anderen Vorschriften kann ich mich nun wieder wesentlich kürzer fassen, indem ich mich noch einmal auf die Begründung beziehe, die die Bundesregierung ihrem ersten Entwurf beigegeben hatte.
Die Ziffern 11 bis 14 des § 7 sind den Genossenschaften gewidmet. Ziffer 12 war bereits vorgesehen. Die Ziffern 11, 13 und 14 entsprechen einem Antrag des Freien Ausschusses der Deutschen Genossenschaftsverbände; in der vorliegenden Form wurden diese Bestimmungen mit den Vertretern des Finanzministeriums und des Justizministeriums abgestimmt.
Die Ziffern 20 bis 24 des § 7 bringen Vorschriften für die Landwirtschaft mit unwesentlichen Änderungen und Ergänzungen, auf die ich im einzelnen nicht einzugehen brauche. Diese Bestimmungen waren notwendig, weil die §§ 16, 18 und andere - also über die Bewertung bei Grundstücken usw. - des D-Mark-Bilanzgesetzes bei buchführenden Land- und Forstwirten nicht angewendet werden konnten.
Die Ziffern 25, 26 und 27 des § 7 sind technisch besonders wichtig, weil sie die langerwarteten Fristverlängerungen behandeln, die auch uns zwingen, das Gesetz heute zu verabschieden. Der Entwurf hatte vorgesehen, die Frist vom 31. Dezember 1950 bis zum 31. März 1951 zu verlängern. Mit Rücksicht auf die langwierigen Beratungen sind wir aber dazu gekommen, den 30. Juni 1951 in den § 80 des D-Mark-Bilanzgesetzes einzusetzen. Das gilt auch - wie Ziffer 26 vorschreibt - nach § 80 Abs. 4 nunmehr für die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften.
In Ziffer 27 wird bestimmt, daß das Jahr 1951 das Jahr der ersten Wiederprüfung von Genossenschaften nach § 53 des Genossenschaftsgesetzes ist. Auch das bedeutet eine Fristverlängerung.
Der Abschnitt IV, die §§ 8, 9, 10 und 11, bringen die Vorschriften über die Steuerbegünstigungen anläßlich der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personalgesellschaft, wie wir sie früher
({11})
schon einmal im Gesetz über die steuerbegünstigte Umwandlung vom Jahre 1934 kannten. Ohne diese Vorschriften wären Umwandlungen anläßlich der Aufstellung der D-Mark-Eröffnungsbilanz mit Rücksicht auf die erheblichen Steuerbelastungen unmöglich. Es ist aber selbstverständlich, daß Steuerbegünstigungen nur dann eintreten können, wenn die Wirtschaftsgüter in ein Betriebsvermögen überführt werden.
Zu den Übergangs- und Schlußbestimmungen habe ich nichts mehr zu bemerken.
Ich bitte im Namen des Ausschusses, das Gesetz in der vorliegenden Form anzunehmen. Wenn es angenommen ist, werden wir, so glaube ich -„endlich" werden die Vertreter des Justiz- und Finanzministeriums sagen - ein Stück Arbeit geleistet haben, das sich sehen lassen kann!
({12})
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter. Seitens des Ältestenrats war vorgesehen, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf §§ 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,10,-11,-12,--13,-14,-15,-16,-17,-Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in zweiter Beratung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist demgemäß so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur
dritten Beratung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 14 der Tagesordnung, da aus einer Aufzeichnung, die mir vorliegt, hervorgeht, daß die Beratung des Punktes 13 auf Grund einer Vereinbarung nicht vor 15 Uhr stattfinden soll:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Dr. Kleindinst ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Grundgesetz wird das Vermögen des Reichs grundsätzlich Bundesvermögen. Im besonderen bestimmt das Grundgesetz, daß der Bund Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen und der bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen ist. Den Übergang des Vermögens der ehemaligen Reichsbahn und der ehemaligen Reichspost setzt das Grundgesetz in den Bestimmungen über die bundeseigene Verwaltung voraus. Die vier Gesetzentwürfe, von welchen vorerst ja nur drei heute zur Beratung kommen sollen, dienen dem Vollzug dieser Grundrechtsbestimmungen.
Wenn auch die Ausschüsse über die einzelnen Gesetzentwürfe besonders berichten, so sehe ich mich doch veranlaßt, über die öffentlich-rechtlichen
Veränderungen dieser Teile des ehemaligen Reichsvermögens die folgende kurze Übersicht zu geben.
Die nationalsozialistische Regierung hat über das Reichsvermögen im Sinne des Einheitsstaates verfügt, seine Verwaltung in steigendem Grade zentralisiert und es sachlich besonders auf dem Gebiete des Straßenwesens vermehrt. Nach der Katastrophe von 1945 ist das ehemalige Reichsvermögen in die Verwaltung der Länder übergegangen. Die Länderverwaltungen haben rechtliche und tatsächliche Verfügungen teils im Interesse des Reichsvermögens, teils im Interesse des Landesvermögens vorgenommen, auf die die Gesetzentwürfe zur Vermeidung späterer Schwierigkeiten Rücksicht nehmen müssen.
Außerdem hat in die Rechtsverhältnisse des ehemaligen Reichsvermögens das Besatzungsrecht, und zwar in den verschiedenen Kontrollgebieten verschieden, eingegriffen. In den Ländern der britischen Zone ist das Eigentum des Reiches durch das Besatzungsrecht grundsätzlich unberührt geblieben. In den Ländern des Kontrollgebietes der amerikanischen Militärregierung hat es das Besatzungsrecht den Ländern übertragen und die Treuhänderschaft der Länder für einen bestimmten Kreis des Verwaltungsvermögens begründet. Jedoch hat es die Möglichkeit der Zurückführung dieses Eigentums auf den Bund mit Genehmigung jetzt der Hohen Kommissare vorgesehen. Im Kontrollgebiet der französischen Militärregierung ist den Ländern das Recht eingeräumt worden. sich das Reichsvermögen zu übertragen. Die Länder haben jedoch von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht.
Das Grundgesetz hat die 1933/34 angebahnte Rechtsentwicklung in bezug auf das Eigentum an den Reichsstraßen abgeschlossen, indem es das Eigentum für den Bund begründet hat. Den Gesetzentwürfen liegt das gleiche Muster zugrunde, was ja der Vergleich ohne weiteres ergibt, weil sie auf die gleichen Rechtsfragen Rücksicht nehmen müssen. Die wichtigsten dieser Fragen betreffen folgende Gesichtspunkte.
Hinsichtlich der erwähnten Bestimmungen des Grundgesetzes sind Zweifel aufgetreten, ob sie Recht begründende Sätze oder nur Programmsätze darstellen, die erst der gesetzgeberischen Ausführung bedürfen. Aus dem Wortlaut und dem Zusammenhang dieser Grundrechtsbestimmungen wie aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates ergibt sich zwar die konstitutive Bedeutung dieser Bestimmungen, die auch die Bundesregierung in der Begründung der Gesetzentwürfe vertritt. Gleichwohl sprechen die Gesetzentwürfe den Übergang des Eigentums an den drei Vermögensteilen auf den Bund mit dem Tage des Inkrafttretens des Grundgesetzes aus, um mögliche Zweifel und Folgen dieser Zweifel zu verhüten. Außerdem ist der Gedanke aufgetreten, daß es sich bei dem Erwerb des Eigentums des Bundes an den Vermögenswerten des Reiches um einen originären Rechtserwerb handeln könne, der den Fortbestand dinglicher Rechte an den übergeleiteten Vermögensbestandteilen und schuldrechtlicher Verbindlichkeiten in Frage stellen würde. Sowohl der Bundesregierung, den Gesetzentwürfen wie den mit diesen befaßten Ausschüssen ist diese Rechtsauffassung und sind deren Folgen ferngelegen. Die vorgesehenen Bestimmungen über die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Verfügungen im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs und der Fortbestand dinglicher Rechte an Grund({5})
stücken, Sachen und Rechten, die in allen Gesetzentwürfen stehen, würden dieser Rechtsanschauung und ihren Folgerungen widersprechen.
Die Wiedergutmachung der Wegnabme von Eigentum und Vermögensrechten der Gewerkschaften, Genossenschaften, politischen Parteien und anderen demokratischen Organisationen zugunsten der behandelten Vermögensmassen stellt eine Sonderregelung der Wiedergutmachung dar, die auch mit dem Besatzungsrecht zusammenhängt.
Nach diesen die gesamten Gesetzentwürfe betreffenden Ausführungen wende ich mich nun dem Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Reichsautobahnen und der sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs vom 29. März 1950, Drucksache Nr. 802, zu. Der Bundestag hat durch Beschluß vom 26. April 1950 den Ausschüssen für Rechtswesen und für Verkehrswesen die Behandlung zugewiesen, wobei er dem Ausschuß für Rechtswesen die Federführung übertragen hat. Die beiden Ausschüsse haben einen Unterausschuß gebildet, der am 29. September und 3. Oktober auch diesen Gesetzentwurf vorberaten hat und zu der einhelligen Empfehlung gekommen ist, den beiden Ausschüssen die Zustimmung zu ihm unter Berücksichtigung von Vorschlägen des Bundesrates zu erteilen. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat diesen Gesetzentwurf am 24. Oktober abschließend behandelt und schlägt dem Bundestag die Annahme in der vorgelegten Fassung des Berichtes vor.
Bei der Würdigung des Gesetzentwurfs ist hervorzuheben, daß ein Eigentum des Reiches und nunmehr des Bundes an Straßen des Fernverkehrs erst seit kurzer Zeit begründet wurde. Die Reichsautobahnen sind bekanntlich auf der Grundlage des Gesetzes vom 27. Juni 1933 geschaffen worden und stehen im Eigentum des als juristische Person des öffentlichen Rechts errichteten Unternehmens Reichsautobahnen. Der Erwerb des notwendigen Grundstückseigentums geschah im Wege des Ankaufs und der Enteignung. Den Rechtscharakter von Reichsstraßen schuf erst das Gesetz über die einstweilige Neuregelung des Straßenwesens und der Straßenverwaltung vom 26. März 1934. Das Gesetz übertrug das Eigentum der Länder und Provinzialverbände an den Reichsstraßen dem Reiche noch nicht, jedoch die Wahrnehmung der aus dem Eigentum an der Straße sich ergebenden Rechte und Pflichten als dem Träger der Straßenbaulast. Den Ländern und Provinzialverbäden war also nur ein der Geltendmachung von Rechtsansprüchen entleertes und deshalb inhaltloses Eigentum verblieben. Nach dem B. Mai 1945 fiel das Vermögen der Reichsautobahnen in die Verwaltung der Länder und kam in gleicher Weise unter nach Kontrollgebieten der Militärregierung verschiedenes Besatzungsrecht wie das Vermögen an den übrigen großen Vermögensmassen des Reiches. Das Grundgesetz hat die 1933 und 1934 angebahnte Rechtsentwicklung in bezug auf das Eigentum an den Reichsautobahnen und Reichsstraßen abgeschlossen, indem es das Eigentum an ihnen für den Bund begründet hat.
Der Gesetzentwurf stellt in § 1 den Übergang des Eigentums an den bisherigen Reichsautobahnen und in § 3 an den bisherigen Reichsstraßen auf den Bund vom Tage des Inkrafttretens des Grundgesetzes gegen jeden Zweifel an der Bedeutung der Grundsatzbestimmungen fest. Das Eigen-turn an den Bundesautobahnen ist durch das Eigentum des Unternehmens Reichsautobahnen genügend abgegrenzt. Das Eigentum an den bisherigen Reichsstraßen läßt sich in zweifacher Weise feststellen. Entscheidend ist die Eintragung in das entsprechende Straßenverzeichnis oder die erfolgte Löschung in diesem, die von konstitutiver Wirkung für die Entstehung der Rechte und Pflichten des Reiches aus dem Eigentum und für den Übergang der Straßenbaulast auf das Reich war. Für die Eintragung der Straßen in das Straßenverzeichnis und für die Löschung war allerdings die Anordnung des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen im Benehmen mit dem Reichsminister des Innern allein maßgebend. Eine zweite kleinere Gruppe von Reichsstraßen hat das Reich selbst gebaut, so daß das Eigentum des Bundes an ihnen außer Zweifel steht.
§ 1 Satz 2 schließt von dem Übergang des Eigentums auf das Reich die Vermögensrechte aus, die die Länder seit 1945 bei der Verwaltung der Autobahnen ausschließlich für die Landeszwecke begründet haben. Für die ehemaligen Reichsstraßen war diese Einschränkung nicht notwendig, weil sie seit dem 8. Mai 1945 wieder im vollen Eigentum der Länder und Provinzialverbände standen.
Der § 6, der den Übergang der Einnahmen und Ausgaben nach dem Kassenprinzip ordnet, hat zwei Ergänzungen erhalten. Der Abs. 3 beugt Folgen aus dem Mißbrauch des Kassenprinzips vor. Der neue Abs. 3 bestimmt, daß für den Fall der Einführung von Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen diese Einnahmen in die Kasse des Bundes fließen. Der Einführung dieser Gebühren selbst greift er in keiner Weise vor.
In diesem Abs. 3 muß noch im zweiten Halbsatz vor Satz 1 eingefügt werden: Abs. 2.
Dieses Wort „Abs. 2" ist bei der Drucklegung ausgefallen.
Der § 6 a nimmt die Ortsdurchfahrten im Zuge von Reichsstraßen von den Bestimmungen dieses Gesetzes aus. Das Eigentum an den Ortsdurchfahrten ist vom Grundgesetz nicht erfaßt und landesrechtlich ganz verschieden geordnet, weil es sowohl auf den Durchgangsverkehr wie auf die Anlieger, auf die Gemeinden und ihre Versorgungsleitungen sowie auf ihre Kanäle Rücksicht nehmen muß. Infolgedessen ist auf die Regelung des Eigentums an den Ortsdurchfahrten in diesem Gesetzentwurf verzichtet worden.
Neu ist der Abs. 2, der die gesetzliche Grundlage für Zuschüsse und Darlehen des Bundes an die Träger der Straßen- und Brückenbaulast zum Bau und zur Unterhaltung von Ortsdurchfahrten, zum Bau und zur Wiederherstellung von Brücken und zum Umbau und Ausbau von Zubringerstraßen zu den Autobahnen im Interesse des Durchgangsverkehrs bildet. Diese Zuschüsse und Darlehen haben sich vor allem zur Beseitigung der Zerstörungen durch den Krieg als notwendig erwiesen. Die Voraussetzung für diese Zuschüsse und Darlehen sollen die unverhältnismäßige Höhe der Kosten, das Mißverhältnis zur Leistungskraft des Trägers der Straßenbaulast und die Beteiligung des Landes und der Straßenbaupflichtigen sein, um damit unbillige Anforderungen an den Bund auszuschließen. Der Bundeshaushalt sieht bereits für diese Aufgaben die benötigten Mittel vor.
Der § 7 dient entsprechend der Bestimmung im Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen der Rechtssicherheit, indem er den Fortbestand dinglicher
({6})
Rechte an Grundstücken und sonstigen Sachen und Rechten vorsieht. Wie wiederholt hervorgehoben, könnte der Übergang des Eigentums an den bisherigen Reichsautobahnen und Reichsstraßen durch die Bestimmung des Grundgesetzes als originärer Rechtserwerb aufgefaßt werden, so daß der Fortbestand der dinglichen Rechte sich in Zweifel ziehen ließe. Diese Möglichkeit schließt der § 7 aus.
Wichtig ist nun das Folgende: Sowohl die Ausschüsse wie die Vertreter der Bundesregierung waren sich darüber einig, daß mit dem Übergang des Eigentums der Autobahnen und Reichsstraßen auf den Bund und mit der Aufrechterhaltung dinglicher Rechte die Geltendmachung der schuldrechtlichen Ansprüche, die mit den Rechtsverhältnissen an diesen Vermögensteilen zusammenhängen, nicht ausgeschlossen werden solle. Diese Feststellung erfolgt noch einmal gegenüber den Befürchtungen der Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitzer in Düsseldorf und des Verbandes der Lebensversicherungsunternehmen e. V. Diese schuldrechtlichen Verhältnisse sind in diesem Zusammenhang nicht geregelt worden, weil eine Ordnung in ihrer Gesamtheit und über den Bereich des Eigentums des Unternehmens Reichsautobahnen hinaus seitens des Bundesministeriums für Finanzen in Vorbereitung ist.
Die kleinen Änderungen in den §§ 8 und 9 entsprechen den Änderungen im Gesetzentwurf für die übrigen Vermögensmassen und sind ohne rechtliche Tragweite und zum Teil Richtigstellungen.
Schließlich darf der Berichterstatter noch hervorheben, daß die Bundesregierung nicht beabsichtigt, die Bundesautobahnen als selbständiges Unternehmen aufrechtzuerhalten, sondern daß sie den Plan verfolgt, sie in die Bundesstraßenverwaltung zu übernehmen und das Gesetz vom 27. Juni 1933 aufzuheben.
Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantrage ich deshalb, dem Gesetzentwurf in der dem Bericht anliegenden Fassung zuzustimmen und im § 6 Abs. 3, wie bereits hervorgehoben, in der zweiten Zeile von unten, wo es heißt „soweit sie nach Satz 1" usw. noch die ausgefallenen Worte „Abs. 2" einzufügen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Für die Aussprache ist vom Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf: §§ 1, - 2, - 3, - 4, 5, - 6 mit der von dem Berichterstatter beantragten Ergänzung, - 6a, 7, - 8, - 9, - 10, - Einleitung und Überschrift. Wer den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist demgemäß beschlossen.
({0})
- Also die Ermächtigung zur Neubezifferung der Bestimmungen ist damit erteilt.
Meine Damen und Herren, damit ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen. Ich rufe auf zur dritten Lesung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der in zweiter Lesung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 15 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Rümmele.
Rümmele ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Kleindinst hat in vorbildlicher Weise die allgemeinen Grundsätze herausgearbeitet, die zum Erlaß dieser Gesetzentwürfe geführt haben und die auf das Grundgesetz zurückgehen. Mit Rücksicht auf die kurz bemessene Zeit und auf diese guten erläuternden Einführungen, die praktisch für alle vier Gesetzentwürfe gelten können, möchte ich darauf verzichten, die Dinge zu wiederholen, die Sie bereits besser gehört haben, als ich sie vielleicht hätte vortragen können. Ich kann also auf den Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn und auf die Paragraphen dieses Gesetzentwurfes eingehen und kurz berichten.
Der § 1 dieses Gesetzes sieht vor, daß das Vermögen des Bundes an der ehemaligen Deutschen Reichsbahn, wie sie früher geheißen hat, und auch das Vermögen der Bahnanlagen, soweit sie im Besitz der Länder sind, als Sondervermögen auf den Bund übergehen und daß die Bezeichnung Sondervermögen „Deutsche Bundesbahn" sein soll.
Der § 1 a ist an Stelle der Ziffer 3 des § 1 eingesetzt. Wir müssen hier unterscheiden, daß erstens einmal das Vermögen des Bundes in Frage kommt und dann das Vermögen der Länder, und berücksichtigen, daß es auch teilweise Beteiligungen an Vermögen gegeben hat, und zwar Beteiligungen mit Mehrheit und Beteiligungen mit Minderheit; daß es darüber hinaus aber private Vermögenswerte gegeben hat, die inzwischen auf die Länder übergegangen sind, daß also auch dieses Vermögen der Bahnen selbstverständlich unter diese Vorschrift fällt. Diese Paragraphen sehen ferner vor, daß auch Bahnvermögen, das nach dem Zusammenbruch erworben worden ist, selbstverständlich auch dem neuen Bundesbahnvermögen untersteht.
Es ist ferner zu erwähnen, daß die Bundesbahn und auch die Südwestdeutschen Bahnen an Gesellschaften des privaten Rechts beteiligt waren. Ich darf die Mitteleuropäische Speisewagen- und Schlafwagengesellschaft nennen, ich darf ferner an die Deutsche Verkehrskreditbank und an die Firma Schenker & Co. - Speditionsbetrieb - sowie an das Deutsche Reisebüro erinnern. Alle diese Beteiligungen werden erfaßt. Der Grundgedanke ist der: soweit Vermögen da war, soweit Beteiligungen bestanden haben, gehen sie auf ein neues von der Deutschen Bundesbahn zu errichtendes Unternehmen ähnlicher Art über, und zwar
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selbstverständlich nur in dem Verhältnis, wie die Beteiligung vermögensrechtlich war. Es ist ein Unterschied nach der Richtung hin gemacht, daß etwaige Beteiligungen und Vermögenwerte - selbst wenn sie handelsgerichtlich gelöscht sein sollten -, die in einem Gebiet außerhalb des Gebietes liegen, für das das Grundgesetz gilt, also beispielsweise in der Ostzone, ebenfalls in das Bundesbahnvermögen übergehen, daß auf der anderen Seite Verpflichtungen dieser neuen Gesellschaften, die von der Bundesbahn zu bilden sind, nur in dem Ausmaße erfolgen können, als sie schon früher bestanden haben.
Die übrigen Bestimmungen sind im Grunde genommen nichts anderes als die Abwandlung nach der juristischen Seite hin. Selbstverständlich haben die Juristen - es haben der Rechtsausschuß und der Verkehrsausschuß mitgewirkt - die rechtlichen Folgerungen und auch die Rechtserfahrungen hier zum besten gegeben, und wir haben diese eingebaut. Auf der anderen Seite haben natürlich auch die Nichtjuristen versucht, etwas von ihrem allgemeinen, gesunden Menschenverstand hinzuzugeben. Auf diese Art und Weise ist eine Lösung herausgekommen, die wir wohl empfehlen können.
Es ist noch folgendes zu erwähnen. In § 2 ist beispielsweise gesagt, daß die Verpflichtungen, die die Länder im Bereich der Südwestdeutschen Eisenbahnen, also die Länder Baden, . Württemberg-Hohenzollern und Rheinland-Pfalz, für die dortigen Ländereisenbahnen - die ja jetzt durch dieses Gesetz auch Bestandteil der Bundesbahn werden - eingegangen sind, von der Bundesbahn übernommen werden, so daß also praktisch das Vermögen und die Rechte sowie die Schuldverpflichtungen auf die Deutsche Bundesbahn und ihre zu errichtenden Untergesellschaften übergehen.
Eine wichtige Bestimmung bringt der § 5. Es sind nur drei Zeilen. Sie lauten:
Dingliche Rechte an Grundstücken und sonstigen Sachen und Rechten, die unter § 1 fallen, bleiben bestehen.
Mit anderen Worten, Hypotheken und Verpflichtungen jeder Art erlöschen nicht, wenn sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs bestanden haben. Zu diesem § 5 muß ich, weil rechtliche Folgerungen geäußert worden sind und auch Sorgen entstehen könnten, eine Erklärung vortragen. Ich darf dazu die Erlaubnis des Herrn Präsidenten erbitten. Die Erklärung ist nicht sehr lang, sie hat eine bestimmte Bedeutung.
Die Bundesregierung hat die Aufnahme dieser Bestimmung des § 5 in den Gesetzentwurf wie folgt begründet. Es sei nicht ausgeschlossen, daß die Überleitung der in § 1 des Entwurfs bezeichneten Vermögenswerte auf den Bund als ein originärer - für den Nichtjuristen möchte ich dazu sagen: als ein „ursprünglicher" - Rechtserwerb angesehen werde. Vertretern einer solchen Auffassung könne es aber zweifelhaft sein, ob dingliche Rechte an den übergeleiteten Werten bestehen bleiben. § 5 solle jede Zweifel in dieser Hinsicht ausschließen. Dies sei um so mehr geboten, als sowohl das Gesetz Nr. 19 der US-Militärregierung als auch die Verordnung Nr. 217 der französischen Militärregierung ähnliche Bestimmungen enthielten.
Der Ausschuß war sich darüber einig, daß § 5 eine juristische Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringt. An ein Erlöschen dinglicher Rechte kann nach seiner Ansicht um so weniger gedacht werden, als dies wohl eine dem Grundsatz des
Art. 14 des Grundgesetzes widersprechende Enteignung bedeuten würde. Dennoch hat der Ausschuß keine Bedenken, die Beibehaltung dieser der Klarstellung dienenden Bestimmung zu empfehlen.
Mit dieser Bestimmung über den Fortbestand der dinglichen Rechte verbindet sich nun allerdings noch ein anderes, sehr wichtiges Problem. Private Kreise, vor allem die Arbeitsgemeinschaft der Schutzvereinigungen für Wertpapierbesitz in Düsseldorf, glauben aus § 5 herauslesen zu müssen, daß alle anderen Rechte, insbesondere also schuldrechtliche Ansprüche privater Gläubiger gegen die Deutsche Reichsbahn, die damals bestanden, untergehen könnten. Ich kann hierzu erklären, daß bei den Ausschußberatungen weder von der Regierungsseite noch aus den Kreisen der Ausschußmitglieder an eine solche Auslegung der Bestimmung gedacht worden ist. Es ist im Gegenteil ständig betont worden, daß das Problem der sonstigen Rechte durch die Bestimmung über den Fortbestand der dinglichen Rechte in keiner Weise berührt werden solle. Wenn über diese sonstigen Rechte in dem Entwurf nichts gesagt worden ist, so geschah dies deshalb, weil dieses Problem, das übrigens auf das engste mit dem kommenden Lastenausgleich zusammenhängt, nur allgemein geregelt werden kann und deshalb umfassend in Angriff genommen werden muß.
Der alte § 6 des Entwurfs entfällt vollkommen. Dafür sind vorn in § 1 b die entsprechenden Bestimmungen, die ich ganz kurz erläutert habe, angefügt.
In § 7, der auch in der Ausschußfassung unverändert bestehen bleibt, ist vorgesehen, wie die Formalien der grundbuchamtlichen Übertragung vor sich zu gehen haben. Auch darüber braucht man nicht lange zu reden. Zuständig sind in der Hauptsache die Eisenbahndirektionen, und das Vermögen ist einzutragen unter dem Titel „Bundesrepublik Deutschland ({7})".
§ 8 umfaßt die Gebührenregelung. Die Auschußfassung ist gegenüber der Fassung des § 8 des Entwurfs etwas geändert; aber die Änderung ist nicht erheblich. Es heißt hier, daß Gerichtsgebühren - also nicht nur Gebühren - und andere auf Grund dieser neuen Eintragungen und Änderungen entstehende Abgaben nicht erhoben werden.
§ 9 ist eine Seltbstverständlichkeit. Er lautet: „Dieses Gesetz tritt am Tage nach seiner Verkündung in Kraft."
Der Verkehrsausschuß als federführender Ausschuß, aber auch der Rechtsausschuß empfehlen dem Hohen Hause die Annahme unverändert nach dem Ausschußbericht in zweiter und dritter Lesung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf §§ 1,-1a,-1b,-2,-3,-4,-5,-7,8, - 9, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Bestimmungen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen.
(Abg. Rümmele: Ich bitte, die Ermächtigung
zur Durchnumerierung zu geben»
- Mit der Ermächtigung zur Umnumerierung der Ziffern!
({0})
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der Fassung der zweiten Lesung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Lesung verabschiedet.
Wir kommen nunmehr wieder zurück zu Punkt 11 unserer Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 ({1}).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich zur Begründung dieses Gesetzentwurfes auf ganz wenige Sätze beschränken. Die Wirksamkeit des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 ist auf die Zeit vom 1. April bis zum 31. Dezember 1950 beschränkt. Es muß nun damit gerechnet werden, daß das dem Bundestag vorliegende Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950/51 bis zum 31. Dezember 1950 nicht verkündet sein wird, da die Beratungen des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950/51 im Bundestag erst begonnen haben. Aus diesem Grunde ist es notwendig, das alte Gesetz zu verlängern. Einem Wunsche des Haushaltsausschusses entsprechend ist die Verlängerung bis zum 28. Februar 1951 vorgesehen. Ich muß die Hoffnung aussprechen - weiß aber nicht, ob diese Hoffnung begründet ist -, daß bis zum 28. Februar 1951 die Beratungen über den Haushaltsplan, die erst begonnen haben, beendet sein werden.
Die Begründung ist dafür gegeben. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die erste Beratung ist beendet.
Wir kommen zur
zweiten Beratung.
Die Aussprache ist eröffnet. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Lesung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich bitte diejengen, die dem in zweiter Beratung beschlossenen Gesetz zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist in dritter Lesung beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 13 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Dr. Kleindinst ({4}), Berichterstatter: Auch dieser Gesetzentwurf ist vom Bundestag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß für Verkehrswesen zugewiesen worden. Über diesen Gesetzentwurf hat ebenfalls der bereits erwähnte Unterausschuß beraten und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einhellig den Vorschlag unterbreitet, der von diesem dann auch angenommen worden ist.
In § 1 sind folgende Änderungen vorgenommen worden. Im Abs. 1 ist auf die Unterscheidung von unmittelbaren und mittelbaren Vermögensrechten verzichtet worden, die auf das Besatzungsrecht zurückgeht und dem deutschen Recht fremd ist.
Rechtlich bedeutsam ist die Ausnahme der Vermögensrechte von dem Übergang auf den Bund, die nach dem 8. Mai 1945 für Länderzwecke begründet wurden und deshalb dem Bund nicht zustehen. Diese Ausnahme wird durch die Einschränkung des Übergangs der Vermögensrechte auf den Bund erreicht, die ausschließlich für Bundeszwecke begründet oder bestimmt waren.
Außerdem ist in Abs. 1 Satz 3 nach dem Vorschlag des Bundesrats der Begriff „Vermögensrechte" durch den weiteren und zutreffenderen Begriff „Rechte" ersetzt.
Endlich ist in Abs. 1 des § 1 die vom Bundesrat vorgeschlagene wichtige Bestimmung eingefügt, daß die in dem Gesetz über den Staatsvertrag betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Deutsche Reich vom 29. Juli 1921 und den Nachträgen hierzu vom 18. Februar 1922 und vom 22. Dezember 1928 getroffene Regelung sinngemäß weitergilt. Der Staatsvertrag und seine Nachträge haben eine doppelte praktische Bedeutung. Sie enthalten einmal das Verzeichnis der Wasserstraßen, die auf das Reich übergegangen sind und im Geltungsbereich des Grundgesetzes auf den Bund übergehen.
Außerdem ist der Inhalt der Verträge auch für die Gegenwart und Zukunft wichtig wegen der Klarstellung und Abgrenzung von Rechten und Interessen, worauf auch die Begründung des Regierungsentwurfs hingewiesen hat. So stellen diese Verträge den Übergang der Brücken und Fähren an künstlichen Wasserstraßen in das Eigentum des Reiches klar, während die Brücken und Fähren, das Fährregal und das Jagdrecht an natürlichen Wasserstraßen den Ländern verbleiben.
Weitere Bestimmungen betreffen die Nutzungen an den Wasserstraßen, insbesondere an Schilf, Rohr, Weide und Wasserentnahme, das staatliche Fischereiwesen und die bedeutsame Ausnutzung der Wasserkräfte, das Grundstückswesen, den Eintritt in öffentliche Rechte und bürgerlich-rechtliche Verträge der Länder, die finanziellen Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und den Ländern, die Verwaltung der Wasserstraßen und ihre Beziehungen zur allgemeinen Landesverwaltung, die Befugnis insbesondere auf Unterhaltung, Betrieb und Verwaltung einschließlich der Strom- und Schiffahrtspolizei, die Befugnis zur Anwendung der Gewerbeordnung im Wasserpolizeiverfahren, vor allem bei der Anlage von Wasserkraftwerken, und schließlich das wirtschaftlich wich({5})
tige Vergebungswesen bei der Instandhaltung und dem Neubau von Wasserstraßen.
Die Zusatzverträge mit Preußen, Hamburg, Bremen und Lübeck behandeln Anlagen an Seeküsten und Meerinseln, Anlagen und Betriebsmittel des staatlichen Schleppbetriebes, Talsperren, Kraftwerke und Verwaltungsfragen. Der Nachtrag zum Zusatzvertrag mit Preußen und Hamburg von 1928 betrifft insbesondere die Strom- und Schiffahrtspolizei und die Erhebung von Hafenabgaben auf bestimmten Strecken der Elbe.
Alle diese Auseinandersetzungen und Klarstellungen, die sich auf eine lange Erfahrung gründen und auf Verhandlungen von Jahren zurückgehen, würden ohne Weitergeltung der Reichsgesetze und damit der Verträge ergebnislos bleiben; sie müßten entweder wieder neu aufgenommen oder in einer Unzahl von Einzelfällen neu behandelt werden, was nicht zu verantworten wäre.
Die besondere Einbeziehung der Mehrheitsbeteiligung des Reiches an dem Grundkapital der Rhein-Main-Donau-AG. und der Neckar-AG. ist mit Rücksicht auf die große praktische Tragweite der beiden Gesellschaften für den Ausbau der Wasserstraßen und auf das Besatzungsrecht notwendig geworden.
Der Abs. 3 ist durch das Besatzungsrecht veranlaßt. Die Umgestaltung dieses Absatzes dient lediglich der rechtlichen Klarstellung.
Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf betreffen den § 6, und zwar die Berücksichtigung der Ersatzansprüche der Länder Baden und Rheinland-Pfalz für außergewöhnliche Aufwendungen, die für die Rheinwasserstraße aus verschiedenen Gründen notwendig geworden sind. Für § 6 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung war der Grundsatz maßgebend, daß für Aufwendungen und Verwendungen der Länder in bezug auf die Wasserstraßen bis zum 20. September 1949 ein Ersatz nicht geleistet wird, daß ihnen aber bis zu diesem Zeitpunkt die erzielten Erträge verbleiben sollen.
Der Bundesrat hat die Anträge der beiden Länder auf Berücksichtigung ihrer außergewöhnlichen Aufwendungen am 17. März laufenden Jahres abgelehnt, weil sie innerhalb der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern und in dem dafür geplanten Überleitungsgesetz gewürdigt werden sollen oder weil eine Überprüfung der Verhältnisse und eine Aussprache der beiden Länder mit dem Bundesministerium der Finanzen erfolgen möge. Der erwähnte Unterausschuß hat in den zwei Beratungen am 29. September und 3. Oktober laufenden Jahres festgestellt, daß bisher eine Würdigung der Ansprüche beider Länder in anderem Zusammenhang und eine Verhandlung der Länderregierungen mit dem Bundesfinanzministerium nicht erfolgt ist. Er hat deshalb das Bundesverkehrsministerium um tatsächliche Angaben in bezug auf die Forderungen der beiden Länder und ihre Begründung ersucht. Diese Forderungen wurden zum Teil als begründet anerkannt, und ihre Berücksichtigung zugunsten des Landes Baden mit einem Betrag von 1,234 Millionen D-Mark und zugunsten des Landes Rheinland-Pfalz mit einem Betrag von 3,745 Millionen D-Mark wurde vorgeschlagen. Der Ausschuß für. Rechtswesen hat nach diesem Vorschlag Beschluß gefaßt. Der Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen hat den Anforderungen der beiden Länder mit dem Hinweis auf die Ausgaben anderer
Länder und mit den Gründen widersprochen, die bereits im Bundesrat zur Erörterung gekommen sind. - Infolgedessen mußte in den beiden Absätzen des § 6 eine Unterscheidung zwischen den gewöhnlichen und den außergewöhnlichen Ausgaben der zwei Länder eintreten.
Für die Mehrheit des Ausschusses für Rechtswesen sowie für die Gesamtheit der Mitglieder des Unterausschusses kamen bei der Stellungnahme zu den Anforderungen der Länder Baden und Rheinland-Pfalz folgende Erwägungen in Betracht.
1. Bei der Forderung des Landes Baden handelt es sich um Aufwendungen für die Regulierung des Oberrheins. Diese Regulierung geschah in Erfüllung des Staatsvertrages zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz vom 28. März 1929, in dem sich beide Staaten zur Regulierung des Rheins zwischen Straßburg-Kehl und Istein nach Maßgabe des von der Zentralkommission für Rheinschiffahrt am 29. April 1925 genehmigten Entwurfs verpflichteten. Weiter enthielt der Vertrag von 1929 eine Bestimmung, daß die Ausführung eines Großschiffahrtsweges von Basel bis zum Bodensee zu erstreben sei. An den Kosten der Regulierung des Oberrheins zwischen StraßburgKehl und Istein beteiligte sich die Schweiz mit 60 v. H., das Reich mit 40 v. H. Daraus geht unzweifelhaft hervor, daß es sich bei der Regulierung des Oberrheins um eine Aufgabe handelte, die das Reich anteilmäßig im Interesse der Großschiffahrt übernommen hat, und daß die wasserwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Belange des Landes Baden im Freiburger Becken nur ergänzend eine Berücksichtigung gefunden haben. Von den laufenden und außerordentlichen Ausgaben des Landes Baden für die Wasserstraßenverwaltung seit der Währungsumstellung im Betrage von 6 Millionen DM sind 1,234 Millionen DM als Ersatz der Aufwendungen für die Regulierung des Oberrheins anerkannt worden.
2. Für das Land Rheinland-Pfalz standen nur die Kosten für die Erbauung neuer Werften und anderer Anlagen in Frage, nicht aber die Aufwendungen für die Instandsetzung der Fahrrinne durch Beseitigung von Hindernissen und die Hebung und Erneuerung von Schiffen, weil diese Aufwendungen auch andere Länder belastet haben. Die Gesamtaufwendungen für die Verwaltung der Rheinschiffahrtsstraße seit der Währungsumstellung betrugen für Rheinland-Pfalz 11,5 Millionen DM, die das Land zum Teil durch Schuldscheindarlehen ,decken mußte. Bei dem Vergleich mit den laufenden Ausgaben anderer Länder für die Wasserstraßenverwaltung ergab sich, daß annähernd ein Drittel der Gesamtausgaben als außerordentliche Ausgaben anzuerkennen waren und daß ein Ersatz der Aufwendungen im Betrage von 3,745 Millionen DM als angemessen erachtet wurde.
Der § 7 über den Fortbestand dinglicher Rechte an Grundstücken und sonstiger sachlicher Rechte dient der Rechtssicherheit vor allem bei der Möglichkeit einer Beurteilung des Überganges dieses Vermögensteiles auf den Bund als originärer Rechtserwerb. Er schließt aber, was ausdrücklich hervorgehoben werden muß, die Berücksichtigung schuldrechtlicher Verpflichtungen gegen den Bund in Zusammenhang mit der Wasserstraßenverwaltung in keiner Weise aus.
Bei dem Gesetzentwurf über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Autobahnen ist mit Rücksicht auf diese besonderen Darlehen, die für
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die Autobahnen gegeben werden mußten, ein eigener Vorbehalt gemacht worden, der in den übrigen Gesetzentwürfen nicht enthalten ist. Das bedeutet aber in keiner Weise, daß diese schuldrechtlichen Verhältnisse gegenüber den übrigen Vermögensmassen des ehemaligen Reiches und nun des Bundes eine Berücksichtigung nicht finden werden. Ich habe bei den einleitenden Ausführungen bereits darauf hingewiesen, daß eine zusammenfassende Würdigung der Auseinandersetzung über diese schuldrechtlichen Verpflichtungen seitens des Bundesministeriums der Finanzen in Vorbereitung ist.
Die Änderung des § 8 läßt nach der Begründung die neuen Bezeichnungen der Mittelbehörden der Wasserstraßenverwaltung durch die Länder außer Betracht und dient lediglich der Erleichterung der Berichtigung der Grundbücher.
In § 9 ist das Wort „Gebühren" durch „Gerichtsgebühren" ersetzt, weil andere Gebühren bei diesen Verhandlungen nicht anfallen.
Durch die Aufnahme einer Bestimmung über die Weitergeltung der Reichsgesetze über die erwähnten Staatsverträge ist ein neuer § 9 a notwendig geworden. Die Verordnung über die Reichswasserstraßen vom 15. April 1943 hat nämlich in ihrem § 6 die Reichsgesetze und damit die Genehmigung der erwähnten Staatsverträge aufgehoben. Nachdem aber in § 1 diese Staatsverträge aus den von mir hervorgehobenen Gründen wieder in Geltung gesetzt werden müssen, muß nun auch diese aufhebende Verordnung vom Jahre 1943 ihrerseits wieder aufgehoben werden.
Für den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantrage ich deshalb, den Gesetzentwurf nach den Beschlüssen des 23. Ausschusses anzunehmen mit der Bitte, die Ermächtigung zu erteilen, die Paragraphen entsprechend der Neufassung neu zu beziffern.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß ich gezwungen bin, im Namen der Bundesregierung eine Erklärung zu dem § 6 des Gesetzentwurfs in der Fassung, die er im Ausschuß erhalten hat, abzugeben, in der ich bitten muß, diese Frage neuerlich einer Prüfung und Würdigung zu unterziehen. Bei der Behandlung des Entwurfs im Rechtsausschuß ist dem § 6 ein neuer Absatz hinzugefügt worden, der den Ländern RheinlandPfalz und Baden für außergewöhnliche Ausgaben an den auf den Bund übergegangenen Wasserstraßen eine Entschädigung von insgesamt 4,979 Millionen DM zubilligt. Dazu muß ich im Namen der Bundesregierung bemerken:
Erstens. Dieser § 6 Abs. 2 enthält einen Vorschlag darüber, wie dieser Betrag von 4,979 Millionen DM zu decken ist, nicht. Ich nehme nach dieser Richtung hin auf den § 48 a Ihrer Geschäftsordnung und auf Art. 113 des Grundgesetzes Bezug.
Zweitens muß ich grundsätzlich bemerken: Es ist seinerzeit, als die Aufgaben von den Ländern auf den Bund übergingen, eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern grundsätzlich dahin geschlossen worden, daß die Länder, die in der Zeit vor dem L April 1950 auch die gesamten Einnahmen hatten, die ab 1. April 1950 auf den Bund übergingen, eine Abrechnung über die Ausgaben und Einnahmen in den Aufgabengebieten, die am 1. April 1950 auf den Bund übergehen, mit dem Bund nicht vornehmen. Das hat für sämtliche Zweige gegolten. Die Verwaltung der Wasserstraßen stellt nur einen Teil der Aufgaben dar, die nach dem Grundgesetz von den Ländern auf den Bund übergegangen sind. Dazu gehören unter anderem auch die Zuständigkeit für die Bundesautobahnen, die Bundesfernverkehrsstraßen, die Kriegsfolgelasten und die Besatzungskosten. Was für den Bau von Wasserstraßen gilt, würde ebenso für den Bau irgendeiner Autobahnbrücke, irgendeines Zollamtsgebäudes oder irgendeines anderen Bauwerks gelten, das aus Mitteln der Steuern gebaut worden ist, die heute Bundessteuern sind und damals den Ländern zuflossen. Diese Ausgaben müßte nachträglich jetzt der Bund etwa nach dem Beispiel dieser Bestimmung den Ländern wieder rückvergüten.
Bereits die Konferenz der Ministerpräsidenten der 11 deutschen Länder, die Vorschläge für den Vollzug des Grundgesetzes aufstellten, hatten in Aussicht genommen, daß die bisher von den Ländern wahrgenommenen Bundesaufgaben an einem Stichtag auf den Bund übergehen sollten und daß auf jede vermögensrechtliche Auseinandersetzung verzichtet werden sollte. Diese Regelung wurde dann durch eine Vereinbarung, die die Bundesregierung mit den Länderfinanzministern traf, bestätigt und in den verschiedenen Gesetzen zur Überleitung von Aufgaben sowie Ausgaben und Einnahmen auf den Bund übernommen. Das gilt insbesondere für das Erste Gesetz zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund, das Erste Überleitungsgesetz, das bereits vom Bundesrat und von dem Hohen Hause, dem Bundestag, verabschiedet worden ist.
Mit der vorgeschlagenen Fassung wäre nun für 2 Einzelfälle eine abweichende Regelung getroffen, die in Widerspruch zu dem Grundsatz und der Regelung des Ersten Überleitungsgesetzes steht. Ich habe den Eindruck, daß seinerzeit bei der Beratung dieser gesetzlichen Bestimmungen im Rechtsausschuß die Entschädigungsfrage im Falle Rheinland-Pfalz/Baden für sich allein betrachtet worden ist und daß der gesamte Zusammenhang mit dem Ersten Überleitungsgesetz und mit der großen finanziellen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern vielleicht nicht voll gewürdigt worden ist.
Ich halte es daher für geboten, daß diese Frage durch denjenigen Ausschuß des Bundestages behandelt und geprüft wird, der die Grundsätze für diese Auseinandersetzung seinerzeit auch behandelte; das ist der Finanz- und Steuerausschuß. Da dem Bunde durch die vorgeschlagene Fassung eine Entschädigungszahlung von 4,9 Millionen DM auferlegt wird - ich nehme an, daß der § 6 Abs. 2, wenn er davon spricht, daß diese Beträge zu ersetzen sind, annimmt, daß sie vom Bund zu ersetzen sind -, wird es notwendig sein, auch dem Haushaltsausschuß Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, weil damit ja eine Abänderung des Haushaltsplans und des Haushaltsvoranschlages verbunden sein würde.
Ich möchte daher beantragen, in erster Linie erstens die alte Fassung des § 6, wie sie in dem Regierungsentwurf enthalten war, wiederherzustellen, - zweitens, wenn sich das Hohe Haus dazu nicht entschließen sollte, bitte ich, den Gesetzentwurf dem Finanz- und Steuerausschuß sowie dem
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Haushaltsausschuß zur neuerlichen Beratung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich bin leider gezwungen, zu erklären, daß es sich bier um eine Neuausgabe handelt, die nach Art. 113 GG der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, und daß ich bei der Sachlage heute noch nicht in der Lage bin, zu erklären, daß die Bundesregierung !die notwendige Zustimmung geben wird.
Ich gebe zunächst das Wort dem Herrn Abg. Rademacher, !der noch eine Erklärung für den Ausschuß für Verkehrswesen abgeben will.
Meine Damen und Herren! Da in der Berichterstattung im Auftrage des Rechts- und Verfassungsausschusses die abweichende Auffassung zu diesem § 6, zu dem eben der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat, nicht erwähnt wurde, spreche ich als Vertreter ides Ausschusses für Verkehrswesen, um dem Hohen Hause seinen Beschluß zu diesem § 6 Abs. 2 bekanntzugeben.
Der Ausschuß für Verkehrswesen hat sich nicht für befugt angesehen, die materielle Berechtigung dieser Forderung der beiden Länder zu prüfen. Er ist aber zu der Auffassung gelangt, daß es etwas Außergewöhnliches ist, einen festen Betrag für besondere Aufwendungen in einem Gesetz zu verankern. Er hat daher zwei Möglichkeiten zur Entscheidung gestellt, einmal: es solle vor der Verabschiedung des Gesetzes eine Verständigung zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und Baden einerseits und dem Bundesfinanzministerium andererseits erfolgen. Ich glaube, die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers, der ja auch die materielle Berechtigung bestreitet, haben deutlich gezeigt, daß eine solche Einigung in der Vergangenheit nicht erfolgt und auch wohl in der Zukunft nicht zu erwarten ist.
Zum anderen empfiehlt daher der Ausschuß für Verkehrswesen, das Gesetz - so bedauerlich die Verzögerung ist - zur Bereinigung und Klärung dieser Frage, die ja wohl auch die Deckung beinhaltet, an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Wenn der Herr Bundesfinanzminister zum Ausdruck bringt, daß es dann auch an den Ausschuß für Steuern und Finanzen überwiesen werden müßte, so glaube ich im Auftrage meiner Kollegen erklären zu können, daß der Ausschuß für Verkehrswesen sich auch damit einverstanden erklären würde.
Das Wort hat der Herr Vertreter des Landes Baden.
Dr. Focht, Justizminister von Baden: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Mitglied der Badischen Landesregierung fühle ich mich verpflichtet, wenigstens einige Worte heute zu der Sache zu sagen.
Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der Herr Bundesfinanzminister gegen den Beschluß Ihres Ausschusses gesprochen hat. Wir hatten hoffen können, daß der Ausschußbeschluß auch hier im Plenum angenommen wird, nachdem in dem Ausschuß selbst keine wesentlichen Bedenken von seiten der Bundesregierung laut geworden sind. Ich war bis jetzt der Auffassung, daß die Bundesregierung in derartigen Dingen nur einheitlich Stellung nimmt und daß sie nicht im Plenum einen anderen Standpunkt als im Ausschuß vertritt und nun hier den badischen Wunsch bekämpft.
Ich möchte noch einmal unseren Standpunkt zusammenfassen. Für den in Baden gelegenen Teil des Rheins liegen andere Verhältnisse vor als für die übrigen Wasserstraßen. Denn hier war seit 1930 ein Unternehmen zur Verbesserung der Wasserstraßen im Gange, das unter dem Namen „Rheinregulierung Straßburg/Kehl-Istein" bekannt ist. Es wurde auf Grund eines Staatsvertrages vom 29. März 1929 zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz finanziert. Baden war früher finanziell nicht beteiligt. Also ich betone hier: Baden war vor 1945 an dieser Rheinregulierungsangelegenheit finanziell überhaupt nicht beteiligt. Als die Schweiz bei der Besatzungsmacht auf die Weiterführung der Arbeiten im Jahre 1945 drängte und diese in richtiger Erkenntnis der wirtschaftlichen Notwendigkeit die Weiterführung schon vor der Währungsreform anordnete, erwuchs aus diesem Umstand dem Lande Baden eine Sonderbelastung von RM 1571000, worauf ich hier nicht näher eingehen will.
Der vorliegende Antrag auf Abänderung des § 6 bezieht sich auf die vom Lande Baden in der Zeit vom 21. Juni 1948 bis zum 20. September 1949 ausgegebenen DM 1 238 713. Diese Zahl ist sorgfältig berechnet worden. Es war natürlich vorhin auch in Zweifel gezogen, ob es in einem solchen Falle auf eine so ausgerechnete Zahl ankommen soll. Ich möchte das, glaube ich, als richtig empfinden. Diese Gelder sind von Baden auf Veranlassung der Besatzung in Erfüllung einer gesamtdeutschen Aufgabe zur Verbesserung und zum Ausbau der jetzt dem Bund gehörenden Wasserstraße des Rheins verauslagt worden, und zwar zu einem erheblichen Teil erst nach dem 24. Mai 1949, dem Tag, an dem der Bund bereits Eigentümer der früheren Reichswasserstraßen geworden war. Es wäre eine ungerechtfertigte Benachteiligung Badens gegenüber den schon frühzeitig durch einen gewissen Finanzausgleich begünstigten Ländern des früheren Vereinigten Wirtschaftsgebietes, wenn diese Sonderbelastung des finanzschwachen Grenzlandes Baden nicht ersetzt werden sollte. Dies um so mehr, als die unter den oben zitierten § 6 des Gesetzentwurfes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse fallenden üblichen laufenden Aufwendungen für Baden besonders hoch waren, da ja der Rhein 1944 und 1945 längere Zeit - an die fünf Monate lang - Frontlinie war, was erhebliche Zerstörungen an den Anlagen zur Folge hatte, deren Beseitigung nur unter Hintanstellung von Landesaufgaben tatkräftig gefördert wurde.
Ich darf nochmals betonen: Baden hat sich bemüht, nach dem Zusammenbruch von 1945 auch ohne besondere Rechtsverpflichtung das zu tun, was im allgemeinen deutschen Interesse erforderlich war. Es sollte wirklich hier aus Gerechtigkeitsgründen den badischen Bedenken Rechnung getragen und dem badischen Wunsche Erfüllung werden.
Ich darf also nochmals bitten, daß das Hohe Haus sich dem Antrag des Rechtsausschusses anschließt und dementsprechend beschließt.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir befinden uns in der zweiten Beratung. Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob das Hohe Haw über den Antrag des Herrn Bundesfinanzministers der vom Ausschuß für Verkehrswesen aufgenommen ist, diese Vorlage dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen und dem Haushaltsausschuß zu überweisen, abstimmen soll, bevor die Beratung
({0})
fortgesetzt wird. Wir würden dadurch unter Umständen einen erfreulichen Zeitgewinn haben.
({1})
Ich darf die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Bundesfinanzministers zuzustimmen wünschen, die Vorlage Nr. 1518 der Drucksachen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend und an den Haushaltsausschuß zurückzuverweisen, bitten, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie bei dieser Gelegenheit bitten, in Ihrem Exemplar folgende Korrektur vorzunehmen: In § 5 des Entwurfs ist in der siebenten Zeile versehentlich „Bundesgesetzblatt" gedruckt. Es muß richtig heißen: „Reichsgesetzblatt", also RGBl.
Damit ist die Zurückverweisung dieser Vorlage beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Post-und Fernmeldewesen ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Cramer.
Ich darf darauf hinweisen, daß Ihnen der Ältestenrat eine Aussprachezeit von 40 Minuten für das Gesetz vorschlägt. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Cramer, das Wort zu nehmen.
Cramer ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir eine allgemeine Begründung ersparen und darf auf die Ausführungen hinweisen, die Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst zu den vorhergehenden Gesetzen gemacht hat. Die hier vorliegende Drucksache Nr. 1635 behandelt den Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost. Das Wichtigste darüber steht im § 1. Dort heißt es:
Das Eigentum und alle sonstigen Vermögensrechte des Deutschen Reichs, die zum bisherigen Sondervermögen „Deutsche Reichspost" gehören, sind mit Wirkung vom 24. Mai 1949 als Sondervermögen „Deutsche Bundespost" Vermögen des Bundes. Dazu gehören auch alle Vermögensrechte, die nach dem 8. Mai 1945 entweder mit Mitteln jenes Vermögens erworben oder ausschließlich dem Post- und Fernmeldebetrieb der Deutschen Post gewidmet worden sind.
Das ist der eigentliche Inhalt des ganzen Gesetzes. Der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen, der in Verbindung mit dem Rechtsausschuß diese Vorlage bearbeitet hat, hat nur wenige Änderungen vorgenommen.
({7})
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß die Deutsche Bundespost fast das einzige rentierende Unternehmen des Bundes ist, rechtfertigt eine größere Aufmerksamkeit.
({0})
Cramer ({1}), Berichterstatter: Über die überhöhten Tarife werden wir wahrscheinlich bei der Etatberatung reden können; sie stehen im Augenblick nicht zur Debatte.
In Abs. 3 des § 1 haben wir in Angleichung an andere vermögensrechtliche Gesetze eine Änderung vorgenommen. Abs. 3 lautet jetzt ganz kurz:
Soweit Vermögenswerte eines Unternehmens des privaten Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit, an dem das Deutsche Reich am 8. Mai 1945 unmittelbar oder mittelbar eine unter Absatz 1 fallende Beteiligung besaß, nach dem 19. April 1949 auf Grund gesetzlicher Vorschriften auf ein Land übergegangen sind, gilt dieser Übergang als nicht erfolgt.
Dieser Absatz hat keine allzu große Bedeutung, weil die Beteiligung der Deutschen Post bei anderen Unternehmen nicht allzu groß gewesen ist. Um eine gewisse Einheitlichkeit, eine Rechtssicherheit herbeizuführen, ist dieser Absatz erforderlich. Die Änderung gegenüber der ursprünglichen Fassung ist mehr oder weniger nur redaktionell.
Ich möchte aber Ihre Aufmerksamkeit besonders hinlenken auf den § 2. Sie wissen, daß zum Vermögen der Deutschen Reichspost früher auch das Vermögen und die Einrichtung des deutschen Unterhaltungsrundfunks gehörten. Nach 1945 sind diese Vermögensteile abgetrennt und auf besondere Rundfunkgesellschaften übertragen worden. Sie werden sich erinnern, daß wir hier einige Male über Anträge gesprochen haben, wonach die Rundfunkgebühren für Erwerbslose und andere minderbemittelte Personen ermäßigt werden sollten. Wir haben dabei darauf hingewiesen, daß der Bundestag, die Bundesregierung und die Bundespost keinen Einfluß auf diese Gebühren haben, daß die Post diese Gebühren auch gar nicht mehr bekommt, sondern daß sie in die Kassen der Rundfunkgesellschaften fließen.
Die gegenwärtigen Bestimmungen der Alliierten gestatten es uns nicht, an diesem Zustand etwas zu ändern. Deshalb lautet der § 2:
§ 1 findet keine Anwendung auf Vermögensrechte, die ausschließlich für Zwecke des deutschen Unterhaltungsrundfunks verwendet werden.
Nun haben wir uns im Ausschuß über diesen Paragraphen eingehend unterhalten und sind der Auffassung, daß der jetzige Zustand nicht für alle Zeiten beibehalten zu werden braucht, sondern daß wir uns hier in diesem Hause zu gegebener Zeit einmal wieder darüber unterhalten sollen. Der § 2 ist deshalb abgeändert worden, und zwar zunächst einmal durch Hinzufügung eines Datums. Es soll nämlich heißen:
§ 1 findet keine Anwendung auf Vermögensrechte, die am 31. Dezember 1948 ausschließlich für Zwecke des deutschen Unterhaltungsrundfunk verwendet worden sind.
Die Einfügung dieses Datums ist deshalb notwendig, weil zwischen dem 8. Mai 1945 und. dem 31. Dezember 1948 gewisse Veränderungen am deutschen Unterhaltungsrundfunk, an den Vermögensteilen, die für den deutschen Unterhaltungsrundfunk verwendet werden, eingetreten sind. Diese Veränderungen sollen also jetzt bei dem Vermögen, das auf den Bund übergeht, ausgeschlossen werden.
Wichtig ist nun wieder der zweite Satz dieses Paragraphen:
Bezüglich dieser Vermögenswerte bleibt eine
spätere gesetzliche Regelung vorbehalten.
({2})
Wir legen Wert auf die Einfügung dieses Satzes, damit wir immer wieder daran erinnert werden, daß das Vermögen, das für den deutschen Unterhaltungsrundfunk verwendet wird, Bundesvermögen oder Reichsvermögen gewesen ist.
§ 3 bleibt unverändert. Er bezieht sich auf die Treuhandschaften der Länder, die nun mit Inkrafttreten dieses Gesetzes erlöschen.
§ 4 besagt lediglich, daß die Wirksamkeit von rechtsgeschäftlichen Verfügungen, die über Vermögensrechte usw. vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes getroffen worden sind, unberührt bleibt. Also alles das, was in der Zwischenzeit geschehen ist, bleibt rechtsgültig.
Ich möchte aber noch auf den § 5 aufmerksam machen, der besagt, daß dieses Gesetz - besonders der § 1 dieses Gesetzes - nicht gilt für Eigentum und Vermögensrechte, die nach dem 30. Januar 1933 einer Gewerkschaft, Genossenschaft, politischen Partei oder sonstigen demokratischen Organisationen weggenommen worden sind. Das bezieht sich insbesondere auf die Sozialeinrichtungen der Deutschen Bundespost, auf einige Erholungsheime und dergleichen mehr. Soviel ich weiß, sind aber diese Vermögenswerte wieder auf die früheren Besitzer zurückgeführt worden.
Der § 6 hat auch in den Beratungen des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen eine besondere Bedeutung gehabt. Ich möchte auf die Ausführungen hinweisen, die Herr Abgeordneter Rümmele bei der Beratung des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der deutschen Bundesbahn gemacht hat. Auch an uns sind die Besitzer von Wertpapieren herangetreten und haben ihre Befürchtungen zum Ausdruck gebracht, daß ihre Ansprüche etwa unter den Tisch fallen, wenn hier im Gesetz nur von dinglichen Rechten die Rede ist. Der Vertreter des Finanzministeriums hat auch im Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung nicht daran denkt, die Ansprüche dieser Wertpapierbesitzer einfach zu bestreiten, sondern daß die Regelung dieser Ansprüche einem besonderen Gesetz vorbehalten werden muß, daß aber diese Ansprüche auch geregelt werden sollen. Damit hat sich dann der Ausschuß zufriedengegeben und sich damit einverstanden erklärt, daß im Gesetz nur von den dinglichen Rechten die Rede ist, obwohl auch das überflüssig wäre, weil ja die dinglichen Rechte sowieso erhalten bleiben.
§ 7 behandelt lediglich eine technische Angelegenheit. Er schreibt vor, wer die Anträge an das Gericht stellen darf usw.
In § 8 ist eine ganz kleine Änderung technischredaktioneller Art vorgenommen worden; statt „Gebühren" hat man „Gerichtsgebühren" geschrieben. Damit ist ganz klar zum Ausdruck gebracht, um was für Gebühren es sich handelt.
Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, im Namen des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen und gleichzeitig auch im Namen des Rechtsausschusses, der ja an dem Gesetz mitgewirkt hat, empfehlen, dem Gesetz in der von uns vorgelegten Fassung zuzustimmen.
({3})
Ich danke den Herren Berichterstattern und eröffne die Besprechung der zweiten Lesung. Ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir die Besprechung einzelner Paragraphen zusammenfassen. Ich darf die Paragraphen aufrufen und bitte die Damen und Herren, die das Wort dazu nehmen wollen, sich zu den einzelnen Paragraphen zu melden. § 1, - § 2, -§ 3;-§ 4, - § 5, - § 6, - § 7, - § 8,- § 9, -Einleitung und Überschrift. - Es liegen keine Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 1 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift. Ich darf die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, bitten, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
- Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über die §§ 1 bis 9 sowie Einleitung und Überschrift des Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundespost in der Fassung der Drucksache Nr. 1635. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist Punkt 16 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 17:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({0}) über die Anträge der Abgeordneten Rademacher, Dr. Schäfer und Genossen und der Abgeordneten Ollenhauer und Genossen betreffend Küstenkohlentarife ({1}).
Ich weise darauf hin, daß der Ältestenrat Ihnen eine Besprechungszeit von 40 Minuten vorschlägt. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Dr. Bucerius.
Dr. Bucerius ({2}), Berichterstatter: Zur Erörterung steht das Ergebnis der Ausschußberatungen über die Anträge Drucksachen Nr. 72 und Nr. 76 der Freien Demokratischen Partei und der Sozialdemokratischen Partei. Am 21. September 1949, also vor mehr als Jahresfrist,
({3})
hat die Bundesregierung die bis dahin bestehenden Tarifvergünstigungen für die Beförderung von Kohle nach den Küstengebieten auf der Bundesbahn aufgehoben. Die Ausschußberatungen hatten folgendes Ergebnis.
Küstenkohlentarife hat es in Deutschland seit 1861 gegeben. Die Kohle wird an die Nordseeküste billiger transportiert als nach anderen Gebieten des Bundes oder des Reiches. Warum? Es handelt sich nicht um eine Begünstigung der Küstenländer, sondern vielmehr um eine Maßnahme im Hinblick auf die Konkurrenz der englischen Kohle. England ist dank der Seeverbindungen in der Lage, seine Kohlentransporte in die „umstrittenen Gebiete" an der Küste billiger auszuführen als die Reichsbahn bzw. die Bundesbahn. Um den Wettbewerb mit der englischen Kohle mit Erfolg führen zu können, haben die Kohlengruben im Ruhrgebiet billigere Kohlen geliefert, hat die Reichsbahn, später die Bundesbahn, billigere Transporte zur Verfügung gestellt. Wäre dies nicht erfolgt, wäre die Ruhrkohle gegenüber der englischen Kohle konkurrenzunfähig gewesen. Also ich wiederhole: keine Maßnahme zum Schutz der Küstenländer,
({4})
sondern Maßnahmen der Rentabilität von Ruhrbergbau und Reichs- bzw. Bundesbahn.
Diese Tarife sind zum 1. Oktober 1949 aufgehoben worden. In Schleswig-Holstein hat vorübergehend eine Verlängerung stattgefunden, die aber inzwischen ebenfalls abgelaufen ist. Inzwischen ist die Bundesbahn den Wünschen der Küstenländer insofern entgegengekommen, als die Krisenzuschläge, die auf fast alle anderen Tarife erhoben werden, für den Bereich der Küstenkohlentarife nicht erhoben worden sind.
Mit welcher Begründung ist die Aufhebung der Küstenkohlentarife erfolgt? Vier Punkte:
1. Die Bundesbahn behauptet Kostenunterdeckung dieser Tarife. Sie ist der Meinung, daß die Selbstkosten der Beförderung durch die Küstenkohlentarife nicht mehr gedeckt werden. Der Verkehrsausschuß hat diese Begründung zur Kenntnis genommen, eine nähere Darlegung darüber jedoch nicht erhalten.
2. Die Finanzlage der. Bundesbahn sei anerkannt schlecht, mache es also erforderlich, Sondertarife dort aufzugeben, wo sie volkswirtschaftlich nicht mehr unerläßlich seien.
3. Die Konkurrenzlage, die zur Einführung der Küstenkohlentarife geführt habe, sei inzwischen weggefallen.
4. Die Binnenschiffahrt verlangte im damaligen Zeitpunkt eine Erhöhung der Küstenkohlentarife, weil sie infolge der eigenen gestiegenen Selbstkosten im Verhältnis zur Bundesbahn nicht mehr konkurrenzfähig sei.
Der Verkehrsausschuß hat alle diese Gründe eingehend gewürdigt. Er ist zu der Auffassung gekommen, daß der besonderen Kostenlage der Bundesbahn in gewissem Umfange Rechnung getragen werden müsse. Er macht dem Hause deshalb einstimmig einen Vergleichsvorschlag, die Erhöhung der Tarife in gewissem Umfange rückgängig zu machen, in gewissem Umfange durch die die Verbraucher tragen zu lassen, in gewissem Umfange zu versuchen, die Kohle zu veranlassen, einen Teil der Kosten zu übernehmen. Die Einzelheiten ersehen Sie aus der Drucksache Nr. 1309, in der vorgeschlagen wird, die Erhöhung der Tarife für Küstenkohle in drei Teile zu teilen.
Maßgebend für diesen Beschluß waren folgende Erwägungen. Die Lage der Küstenländer ist infolge der Abschneidung des Hinterlandes gegenüber dem Südosten und dem Osten außerordentlich erschwert. Es sind in der Zwischenzeit, d. h. seit 1945, namhafte Industrien in den Küstenländern entstanden, die unbedingt der Förderung bedürfen. Ohne eine solche Förderung wäre damit zu rechnen, daß diese Industrien mindestens in erheblichem Umfange geschädigt werden. Zugegeben wird, daß die Konkurrenzlage, die zur Einführung der Küstenkohlentarife geführt hat, heute nicht mehr vorhanden ist. Dies ist jedoch nicht als maßgeblich angesehen worden. Es ist nach Auffassung des Verkehrsausschusses Aufgabe der Wirtschaftspolitik, konstante Verhältnisse zu schaffen. Da in Kürze mit einer Verschärfung dieser Wettbewerbslage gerechnet werden muß, ist es nach Auffassung des Ausschusses auch gerechtfertigt, die Küstenkohlentarife in gewissem Umfange, so wie es Ihnen der Ausschuß vorgeschlagen hat, wieder einzuführen.
Die Auffassung des Ausschusses für Verkehrswesen deckt sich nicht mit der Auffassung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, der dieselbe hier vorgeschlagene Maßnahme mit einem Stimmenverhältnis von 9 zu 11 abgelehnt hat. Hierüber,
Herr Präsident, soll der Herr Abgeordnete Schröter Bericht erstatten, den ich aber nicht im Hause sehe. Wenn es dem Hause und dem Präsidenten recht ist, würde ich versuchen, die Gründe des Ausschusses für Wirtschaftspolitik kurz vorzutragen.
Wir sind davon überzeugt, daß Sie es ausgezeichnet machen werden, Herr Abgeordneter!
Es ist keine sehr angenehme Aufgabe, weil ich anderer Auffassung bin als der Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik, in dem die Fragen sehr eingehend diskutiert worden sind, ist aus folgenden Gründen, wenn auch nur mit sehr knapper Mehrheit, zur Ablehnung des Antrages gekommen. Er war der Meinung, daß eine Begünstigung der Küstengebiete zwar durchaus vertretbar sei, daß eine solche Begünstigung jedoch nicht auf dem Rücken der Bundesbahn oder des Ruhrbergbaues erfolgen könne, da diese beiden Wirtschaftsobjekte bereits erhebliche Unterschüsse aufzuweisen hätten. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist der Auffassung, daß es erforderlich sei, auf allen Gebieten des deutschen wirtschaftlichen Lebens die echte Kostenlage offenzulegen, daß durch eine Tarifbegünstigung, wie sie hier vorgeschlagen worden sei, diese echte Kostenlage jedoch nicht in Erscheinung trete. Er ist ferner der Auffassung, daß der Wegfall der Konkurrenzlage es in der Tat rechtfertigt, die Küstenkohlentarife aufzuheben. Er behält sich vor, der Bundesregierung vorzuschlagen, sobald diese Konkurrenzlage wieder eingetreten ist, entsprechende Vergünstigungen bei den Küstenkohlentarifen wieder einzuführen. Den Grundsatz der Kontinuität der Wirtschaftspolitik hat der Ausschuß für Wirtschaftspolitik in diesem Umfange nicht für tragbar und anerkennenswert erachtet.
Ich glaube, daß ich damit auch die Gründe des Ausschusses für Wirtschaftspolitik erschöpfend vorgetragen habe.
({0})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter., Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat das Wort der Abgeordnete Schröter.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie der Herr Berichterstatter bereits gesagt hat, berührt die Frage der Küstenkohlentarife ganz besonders das Land Schleswig-Holstein. Wir haben in der letzten Zeit wiederholt gehört, daß Schleswig-Holstein ein völlig lebensunfähiges Land sei. Es lohne sich nicht, dieses Land durch Finanzausgleich und andere Maßnahmen künstlich am Leben zu erhalten. Man hat uns ein besonderes Rezept vorgeschlagen: man solle doch die Masse Schleswig-Holstein zusammen mit Hamburg, Bremen und Niedersachsen in einen Nordweststaat einbringen. In der Zwischenzeit wird die Antwort, die von Hamburg, von Niedersachsen und auch von Bremen gekommen ist, vielleicht die Befürworter eines derartigen Vorschlages eines Besseren belehrt haben, und ich glaube, auch wir in Schleswig-Holstein haben keine Absicht, Mitglieder eines Nordweststaates zu werden.
Aber, meine Damen und Herren, wie steht es denn damit? Ist Schleswig-Holstein wirklich ein lebensunfähiges Land? Ich glaube, es muß einmal
({0})
darauf hingewiesen werden, daß wir immer und immer wieder die Erfahrung machen, daß alles, was nördlich der Elbe liegt, im allgemeinen im deutschen Vaterlande nicht bekannt ist. Das war früher so und ist noch heute so. Ist SchleswigHolstein wirklich ein lebensunfähiges Land? Schleswig-Holstein ist eines der wenigen deutschen Länder, das eine historisch gewachsene Einheit ist; Schleswig-Holstein ist eine stärkere geschichtliche Einheit als manches andere deutsche Land. Schleswig-Holstein ist nicht von Haus aus lebensunfähig, sondern Schleswig-Holstein ist lebensunfähig gemacht worden. Die Umstände, unter denen das erfolgt ist, sind allgemein bekannt. Lassen Sie mich nur einige Tatsachen noch einmal aufzählen. Es ist Tatsache, daß gewaltige Massen von Heimatvertriebenen bei Kriegsende nach Schleswig-Holstein hineingepumpt worden sind und daß durch diese Tatsache das Land Schleswig-Holstein vor soziale und finanzielle Probleme gestellt worden ist, die Schleswig-Holstein aus eigener Kraft nicht lösen kann und, meine Damen und Herren, auch nicht verpflichtet ist zu lösen, weil die Aufgabe, für die Heimatvertriebenen zu sorgen, keine spezifisch schleswig-holsteinische, sondern eine gesamtdeutsche Aufgabe ist, wie ja überhaupt das Land Schleswig-Holstein auch in anderer Hinsicht gesamtdeutsche Aufgaben löst. Ich darf nur erinnern an den Nationalitätenkampf, den Schleswig-Holstein oben gegen die kulturelle Offensive des Neudänentums führt; ich darf Sie erinnern an die Arbeiten, die Schleswig-Holstein für die Landerhaltung und für die Landgewinnung an der Westküste seines Landes leistet.
Daraus ergibt sich aber auch, daß SchleswigHolstein Anspruch auf Unterstützung vom Bunde hat. Ich will hier nicht bestreiten, daß der Bund sich bemüht hat, Schleswig-Holstein eine gewisse Unterstützung zuteil werden zu lassen. Aber die Unterstützung, die wir bekommen haben, ist in keinem Falle ausreichend gewesen. Unter keinen Umständen haben wir deswegen aber erwartet, daß man zu Maßnahmen greifen würde, die geradezu eine Schädigung Schleswig-Holsteins darstellen. Das aber ist in dem vorliegenden Falle Tatsache.
Ich will dem Herrn Bundesverkehrsminister Seebohm zugeben, daß er sich zu wiederholten Malen bemüht hat und auch eine Verlängerung durchgesetzt hat. Aber heute weigert er sich, 6 B 11 und 6 B 14 beizubehalten. Er lehnt jeden Vermittlungsvorschlag ab. Dadurch wird der Schaden für Schleswig-Holstein um so größer, weil wir doch bereits durch die Tariferhöhung vom 15. August 1948 eine 40%ige Frachterhöhung erlebt haben. Die Folge ist, daß Schleswig-Holstein noch revierferner liegt, während es doch die Aufgabe einer gesunden Tarifpolitik sein sollte, Schleswig-Holstein an den Wirtschaftskern der westdeutschen Bundesrepublik heranzubringen. Das ist notwendig mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Entwicklung Schleswig-Holsteins. Es ist unverkennbar, daß in den letzten Jahrzehnten die industrielle Entwicklung Schleswig-Holsteins einen hohen Grad erreicht hat, und diesen hohen Grad verdankt Schleswig-Holsteins Industrie nur den Frachtvorteilen, die sich aus dieser Küstenkohlentarifpolitik ergaben. Dadurch haben wir es erreicht, daß Schleswig-Holsteins Industrie sich so entfalten konnte. Die Küstenkohlentarife sind also Bestandteile der wirtschaftlichen Struktur SchleswigHolsteins.
Durch die Beseitigung dieser Küstenkohlentarife erleidet Schleswig-Holstein jetzt aber ungeheuren
Schaden. Wir befinden uns mit dem Herrn Bundesverkehrsminister nicht auf einer gleichen Basis, wenn er noch im Juni des letzten Jahres den Schaden, den Schleswig-Holstein erlitten hat, mit 8,5 Millionen DM und neuerdings nur mit 3,3 Millionen DM errechnete. Das Wirtschaftsministerium Schleswig-Holsteins hat einen Schaden von 10 Millionen DM festgestellt. Diese Summe wird von allen Industrieunternehmen, vor allem auch von den drei Industrie- und Handelskammern, die wir in Schleswig-Holstein haben, bestätigt. Man hat uns den Rat gegeben, auf die Binnenschiffahrt abzuwandern. Dieser Weg ist unmöglich, weil wir keinen direkten Wasserweg vom Ruhrgebiet nach Schleswig-Holstein haben. Auch die Abwanderung auf die Küstenschiffahrt ist aus dem einfachen Grunde nicht möglich, weil verschiedene verteuernde Umladungen die Folge sein müßten und dadurch die Kohle noch teurer werden würde.
Aber lassen Sie mich nur an einem Beispiel die katastrophalen Folgen der Beseitigung der Küstenkohlentarife nachweisen. Wir haben in Schleswig-Holstein eine vorzügliche Zementindustrie. Man weiß, daß der Kohleanteil an den Gesamtproduktionsunkosten 38 % ausmacht und daß gerade die Zementindustrie im gegenwärtigen Augenblick exportintensiv ist. Ein Drittel der Zementproduktion von Schleswig-Holstein wird ausgeführt. Unter diesen Umständen wird aber die Wettbewerbsfähigkeit unserer Zementindustrie in Schleswig-Holstein beseitigt oder zumindest gefährdet. Ich darf doch den Herrn Staatssekretär Frohne, den ich auf der Ministerbank sehe, daran erinnern, daß man in demselben Augenblick, in dem man Schleswig-Holstein den Genuß der Küstenkohlentarife versagen und nehmen will, den Zementwerken von Nordrhein-Westfalen den Ausnahmetarif 4 S 2 gegeben und damit die Zementwerke von NordrheinWestfalen zu Küstenwerken gemacht hat. Ich will nicht von den Schäden reden, die die Gas- und Elektrizitätswerke und die Bäckereibetriebe erleiden. Die Folge muß sein, daß in Schleswig-Holstein eine Abwanderung der noch vorhandenen Industrien nach frachtgünstigeren Gegenden stattfindet. Auf der anderen Seite wird die Bereitschaft industrieller Werke, nach Schleswig-Holstein zu gehen, geringer werden, und dadurch werden wir niemals das Mißverhältnis, das zwischen Bevölkerungszahl und der Wirtschaftskraft des Landes Schleswig-Holstein besteht, überwinden können.
Meine Damen und Herren! Ich will nur nebenbei die politischen Auswirkungen erwähnen. Wir erleben doch bereits, daß heute die dänische Presse oder die dänisch gesinnte Presse einen Angriff auf die Bundesregierung und auf die Landesregierung macht. Schleswig-Holstein ist sich der Lage der Bundesbahn bewußt. Schleswig-Holstein weiß, daß es vielleicht nicht möglich ist, die Küstenkohlentarife gänzlich beizubehalten. Aber wenn der Herr Bundesverkehrsminister jede Verhandlung über einen Vermittlungsvorschlag abgelehnt hat, so muß ich ihm sagen: so geht es wirklich nicht. Wir halten mit allem Nachdruck an unserer Forderung fest, daß ein Entgegenkommen gegenüber dem Lande Schleswig-Holstein, das mit so vielen Nöten vorbelastet ist, auf mittlerer Linie gezeigt wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Oellers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle im Namen derjenigen meiner politischen Freunde, die als Abgeordnete des nordwestdeutschen Raums an der Frage der Küstenkohlentarife ein besonderes Interesse haben, den lediglich hinsichtlich des Termins geänderten Antrag, den meine Fraktion bereits in der Drucksache Nr. 72 vom 5. Oktober 1949 gestellt hat, nämlich:
Die Bundesregierung wird ersucht, die im Tarif- und Verkehrsanzeiger der Deutschen Eisenbahnen Nr. 30 vom 21. 9. 1949 unter lfd. Nr. 881 veröffentlichten Änderungen der Küstenkohlentarife 6 B 11 und 6 B 14 mit Wirkung vom 1. Januar 1951 ab wieder rückgängig zu machen.
Es hat meines Erachtens den Anschein, als ob der Herr Bundesverkehrsminister bei seinen Überlegungen, auf Grund deren er die Küstenkohlentarife zur Aufhebung gebracht hat, nicht gewußt hat, daß es sich um eine Einrichtung handelt, die inzwischen 90 Jahre alt ist.
({0})
Jedenfalls habe ich mich davon überzeugen können, daß die Kabinettsmitglieder, die diesen Beschlüssen zugestimmt haben, von dieser Tatsache nicht unterrichtet waren.
({1})
Es muß aber jedem Einsichtigen klar sein, daß es eine Standortbedingung für eine Industrie ist, wenn eine Frachtvergünstigung bereits 90 Jahre läuft. Ebensosehr wie andere Industrieunternehmen aus dem gleichen Grunde an den Rhein und die Ruhr gehen oder wie sich Industrieunternehmen in der Gegend der Wasserkräfte Bayerns ansiedeln, so war es für die schleswig-holsteinische Industrie eine Grundlage ihrer Kostenkalkulation, sich auf die Küstenkohlentarife berufen zu können. Wenn man die schleswig-holsteinische Industrie nicht in die ernstesten Schwierigkeiten bringen will, ist es meines Erachtens völlig unmöglich, diese Dinge von heute auf morgen zu beseitigen.
Ziffernmäßig ergibt sich folgende Situation. In die 40%ige Tariferhöhung vom 15. 8. 1948 wurden bereits die Küstenkohlentarife eingezogen. Durch diese lineare Erhöhung wurden bereits die Nachteile für das Grenzland Schleswig-Holstein erheblich verschärft. Die Situation ist mit der Aufhebung der Küstenkohlentarife unhaltbar geworden, seitdem mit dem 1. 10. 1950 die bisherige Aussetzung für Schleswig-Holstein aufgehoben worden ist. Ein einziges ziffernmäßiges Beispiel: vor dem 15. 8. 1948 betrug der Frachtsatz ab Gelsenkirchen für eine Station im 100-km-Umkreis 4,30 DM und für Kiel 8,10 DM, nach dem 15. 8. 1948 ist sie für die Station im Umkreis von 100 km von 4,30 auf 6,02 DM gestiegen - das sind 40% -, für die Station Kiel aber von 8,10 DM auf 16,40 DM, das sind 102%.
({2})
Die jährliche Mehrbelastung des Landes SchleswigHolstein beläuft sich, wie Herr Kollege Schröter bereits dargelegt hat, auf über 10 Millionen DM. Wenn der Herr Bundesverkehrminister diese Ziffern weiterhin bezweifeln sollte, bin ich in der Lage, ihm das Unterlagenmaterial dafür zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß die Aufhebung der Küstenkohlentarife zu einer völligen Katastrophe führt, wenn demnächst wieder unter Einbeziehung dieser Aufhebung neue Frachterhöhungen eingeführt werden. Ich möchte die Beispiele, die Herr Schröter hier angeführt hat, insbesondere das der Zementindustrie, nicht weiter erläutern. Ich glaube, es muß jedem
Einsichtigen klar sein, daß eine solche Verschiebung der Konkurrenzlage für die schleswig-holsteinische Industrie zu katastrophalen Folgen führen muß.
Ich bin keineswegs gewillt, hier als Vertreter für irgendeine Industrie eines Landes zu sprechen. Aber schließlich muß man die Dinge im politischen Raum sehen. Solange wir das Armenhaus Schleswig-Holstein haben, das mit allen Kräften einigermaßen in Ordnung zu bringen unser Bemühen sein sollte, so lange ist es doch absurd, Maßnahmen zu treffen, die in ihren Folgen genau das Gegenteil mit sich bringen müssen. Wenn schon die Umsiedlung nicht klappt und gewissen Ländern in dieser Beziehung nicht unberechtigte Vorwürfe zu machen sind, muß man doch zumindest alle Möglichkeiten erschöpfen, um in dem Lande selbst der Bevölkerung zu einer Arbeitsmöglichkeit zu verhelfen. Man darf keine Maßnahmen treffen, die die Industrie dieses Elendslandes einfach konkurrenzunfähig machen. Man darf keine Maßnahmen treffen, die verhindern, daß im Lande Schleswig-Holstein eine neue Industrialisierung, die dringend notwendig ist, vorgenommen wird.
({3})
- Ich spreche das zu diesem Hause, weder zu Ihnen noch zu einer anderen Seite. - Was man hier tut, ist praktisch etwas, was man beim besten Willen nicht tun darf. Wir müssen uns nach allen Kräften bemühen, die schleswig-holsteinische Industrie zu stützen und neue Industrieunternehmen nach Schleswig-Holstein zu bringen. Wir dürfen aber keine Maßnahme treffen, die dem Abwanderungsdrang der Industrie aus Schleswig-Holstein, der sich jetzt bereits bemerkbar macht, noch Tür und Tor öffnen. Ich meine, auch diejenigen, die an der Erhöhung dieser Tarife ein Interesse haben, sollten nicht so kurzsichtig sein. Es kommt ja auch einmal wieder die Zeit, wo der Import englischer Kohle nicht mehr so schwierig ist wie heute, und wenn ich Ihnen sage, daß bereits heute die englische Kohle cif Kiel billiger ist als die Ruhrkohle, dann sollte auch das ein Mahnmal sein für diejenigen, die glauben, daß man jetzt den ursprünglichen Grund, warum man diese Küstenkohletarife eingeführt hat, beiseite lassen könne.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers. - 3 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In 3 Minuten läßt sich das Thema eigentlich gar nicht ansprechen, geschweige denn behandeln. Aber die Geschäftsordnung muß gewahrt werden.
Der Antrag des Verkehrsausschusses ist sicherlich gut gemeint; aber er ist überhaupt nur erklärlich, wenn man weiß, daß er am grünen Tisch entstanden ist. Die erste Frage ist doch die, ob der Ruhrkohlenbergbau, die Zechen, die ja zum größten Teil oder wohl grundsätzlich in alliierter Kontrolle sind, überhaupt bereit sind, ein Drittel der Preisdifferenz zu tragen. Wenn sie heute bereit sein sollten, würden sie jedenfalls keinen Antrieb bekommen, den Kohlenmangel gerade in SchleswigHolstein zu beseitigen. Das Land kann nicht daran interessiert sein, daß der Lieferant durch Unterpreise einen Anreiz bekommt, es nach Möglichkeit nicht zu beliefern. Aus diesem Grunde ist der ganze Antrag des Ausschusses in der gegenwärtigen Zeit der Kohlenkrise - entschuldigen Sie das Wort! nicht zu verwirklichen.
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Zur Sache jetzt! Die Bundesbahn - ich bedaure es sehr, daß sie unter der Aufsicht eines mir nahestehenden Parteifreundes steht - beruft sich darauf, daß sie nicht dazu da sei, um Ländern oder Provinzen oder Landesteilen zu helfen. Das ist mir ein ganz neuer Gesichtspunkt eines Unternehmens, das doch sozialisiert ist. Und das sagt die Bundesbahn in demselben Augenblick, in dem sie die Küstenkohlentarife, die seit 90 Jahren bestanden, zum 1. Oktober vorigen Jahres zunächst aufheben wollte, als sie zu genau dem gleichen Zeitpunkt für die Zementindustrie des Ruhrbeckens, das ja bekanntlich besonders hoch im Ansehen bei der Bundesregierung steht, den Ausnahmetarif 4 S 2 einführte, übrigens mit der uns da oben im Norden geradezu peinlich anmutenden Begründung, das sei nichts Neues, das habe es schon in den Jahren zwischen 1926 und 1941 gegeben.
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In den letzten 20 Jahren hat dieser Tarif also eine kurze Zeit bestanden, und schon wird er im Interesse einer einzelnen Industrie wieder eingeführt. Was einem Industriezweig, der Zementindustrie im Ruhrbecken, billig ist, sollte bei der Bundesbahn aber einem ganzen Lande selbstverständlich gewährt werden.
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Ich muß ehrlich sagen, es erscheint unbegreiflich, daß man dafür offenbar kein Verständnis hat, wie mein Herr Vorredner schon sagte, daß die Standortfrage in Schleswig-Holstein für alle Industrien von der Frage der Kohlenbasis ausging. Solange wir im Bereich der englichen Kohle lagen, so lange war die Bundesbahn zu jedem Entgegenkommen bereit. In dem Moment aber, wo uns diese normale, in der freien Wirtschaft allein mögliche Basis der englischen Kohle entzogen ist und deutsche Stellen daher keine Konkurrenz mehr befürchten, in demselben Moment verliert plötzlich die Bundesbahn, die doch aus den Importen selbst keine Einnahme hat, jedes Interesse und verweist auf den Bund. Ich meine, wenn wir schon eine sozialisierte Bundesbahn haben, dann hat sie die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, bei ihrer Tarifpolitik auf bestehende wohlerworbene Rechte zu achten und nicht einseitig zu fragen, ob sie dadurch, wie sie meint, unbeweisbarerweise 8 Millionen Mark verliert; denn was die Selbstkosten eines solchen Riesenunternehmens anlangt, so wissen wir ja alle: das steht dahin.
Nun ist die Sache so: mit dieser Ausnahmeaufhebung können sich die Industrien und Wirtschaftskreise, die unmittelbar an Wasserwegen des Küstenverkehrs liegen, also insbesondere das ganze Gebiet der Unterelbe, vielleicht abfinden. Dagegen kann es nicht das Binnenland Schleswig-Holsteins, und keineswegs können es die Ostseegebiete; denn dorthin gelangt ein Seetransport ohne Umschlag nicht und kann infolgedessen auch ein Küstentarif nicht gelten. Was ein Umschlag von Kohle an Materialverlust, an Fracht und sonstigen Kosten bedeutet, weiß jeder. Es ist völlig undenkbar, bei der Belieferung Schleswig-Holsteins mit Hausbrandkohle Küstenfrachten anzuwenden. Aus dem Grunde liegen die Dinge insbesondere für Schleswig-Holstein intrikat. Man sollte das Gebiet nördlich der Elbe hier im Bund nicht abschreiben und sollte peinlichst verhindern, daß man dort oben das Gefühl kriegt: wir sind ja ein kaum mehr geduldetes Mitglied des Bundes.
Ich möchte mir den Antrag erlauben, den Antrag Drucksache Nr. 72 zu ergänzen. Ich möchte ihn als weniger weitgehenden Antrag einreichen, so daß also in zweiter Linie darüber abzustimmen wäre.
Es heißt in dem Antrag Drucksache Nr. 72 am Schluß, daß die Tarife mit Wirkung vom 1. Oktober rückgängig gemacht werden sollen. Ich beantrage, dies durch die Worte zu ersetzen „mit sofortiger Wirkung rückgängig zu machen, soweit es sich um Transporte in das Land Schleswig-Holstein handelt."
Ich will mit diesem Ergänzungsantrag sagen: die allgemeine tarifpolitische Frage interessiert uns Schleswig-Holsteiner im Augenblick nicht, sondern für uns ist wichtig, was jeder einsehen muß, der guten Willens ist, daß man eine auf heranzuschaffender Kohle basierende Industrie nicht dadurch völlig konkurrenzunfähig machen kann, daß man den Tarif, der seit 90 Jahren besteht, von heute auf morgen mit einem Federstrich im wesentlichen aufhebt. Alle Ersatztarife helfen da nichts, sondern bedeuten eine mehr oder weniger empfindliche und nach Auffassung der Wirtschaftskreise, der Handelskammern, tatsächlich nicht erträgliche Verteuerung der Lebenshaltung.
Ich stelle also diesen Antrag auf Änderung der Worte in der letzten Zeile und bitte darum, diesen Antrag nicht etwa als Änderungsantrag vorwegzubehandeln, sondern über ihn als den weniger weitgehenden Antrag "zuletzt abstimmen zu lassen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Clausen. - Ebenfalls 3 Minuten, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Der Hauptgrund für die Aufhebung der Küstenkohlentarife dürfte wohl die schlechte Finanzlage der Bundesbahn sein. Wenn die Bundesbahn und vielleicht auch das Bundesverkehrsministerium der Auffassung sind, daß derartige wirtschaftliche Ungleichheiten nicht durch die Bundesbahn ausgeglichen werden können, so will ich doch darauf hinweisen, daß diese Ausgleichung seit 90 Jahren besteht.
Das Bundesverkehrsministerium hätte wissen müssen, daß diese Maßnahme einen erheblichen Unwillen, ja Proteste im Lande Schleswig-Holstein und an der Küste auslöst. Es wäre besser gewesen, wenn man vor Aufhebung der Küstenkohlentarife in Verhandlungen mit den maßgebenden Stellen dort oben eingetreten wäre. Wenn nun nach dem verhandelt werden soll, um diese Maßnahme erträglicher zu machen, so ist das für uns da oben ein schlechter Trost.
Ich bitte deshalb das Hohe Haus, den Antrag des Ausschusses abzulehnen und die Anträge Ollenhauer und Dr. Schäfer so, wie sie hier vorliegen, anzunehmen; denn die zuviel gezahlten Frachten lassen sich leicht auf dem Erstattungswege vergüten.
Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein. - 8 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion trägt das Datum vom 5. Oktober 1949. Wir sind der Meinung, daß es unverantwortlich ist, einen solchen Antrag vierzehn Monate lang zu behandeln und erst dann zur Entscheidung zu bringen.
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Es ist nicht überzeugend, daß wir es mit der Abstellung der in dem Antrag aufgezeigten Mißstände sehr ernst meinen, wenn die Entscheidung erst so spät fällt.
Den Kollegen aus Schleswig-Holstein möchte ich sagen: Wir freuen uns, daß Sie jetzt so entschie({1})
den für die Wiederherstellung der Küstenkohlentarife eintreten. Aber es ist notwendig, hier festzustellen, daß bis zum 1. Oktober, solange für das Land Schleswig-Holstein eine Sonderregelung bestand, der Eifer des Landes Schleswig-Holstein auf Wiederherstellung der Küstenkohlentarife nicht sehr stark gewesen ist,
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und wir glauben, daß diese Verzögerung der Behandlung der Sache nicht dienlich war. Ich bedaure, daß der Abgeordnete Ewers hier den Antrag gestellt hat, die Küstenkohlentarife nur für das Land Schleswig-Holstein wieder einzuführen. Wenn man hier darauf hingewiesen hat, daß diese Tarife 90 Jahre in Kraft gewesen sind, muß gesagt werden: sie waren es für alle Küstenländer,
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für Hamburg und Bremen, für Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Das, was für Schleswig-Holstein gilt, vor allem die Standortbedingungen, gilt auch für die übrigen Küstenländer und ihre Industrien. Ich möchte also darum bitten, den Zusatzantrag des Abgeordneten Ewers abzulehnen.
Es handelt sich um ein Erbe des Verwaltungsrats, der auf seiner letzten Sitzung die Kündigung der Küstenkohlentarife mit einer Frist von 12 Tagen beschlossen hat. Der Herr Bundesverkehrsminister hat dann diesen Beschluß des Verwaltungsrats aufgenommen und mit eiserner Energie bis zum heutigen Tage vertreten. Gegen diesen Beschluß waren alle Wirtschaftsminister der Länder, war selbst der Herr Bundeswirtschaftsminister, ist die deutsche Kohlenbergbauleitung, sind die Küstenländer und schließlich die beiden Fraktionen dieses Hauses, die die heutigen Anträge gestellt haben.
Wenn hier gesagt wurde, daß die Belastung für Schleswig-Holstein 10 Millionen beträgt, so muß auch gesagt werden, daß sie für Hamburg 12 Millionen beträgt; die Tariferhöhungen für Ortskohle belaufen sich auf 54 %, für Braunkohle auf 51 % und für Bunkerkohle auf 33°A.
Die Begründung, daß die schlechte Finanzlage der Bundesbahn eine Erhöhung ihrer Tarife notwendig macht, wird auch von uns verstanden. Aber es muß festgestellt werden, daß selbst bei Küstenkohlentarifen die Bundesbahn keine Verluste hat. Im Verkehrsausschuß des Bundestags ist festgestellt worden, daß - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten zitieren - die Küstenkohlentarife für Ortskohle die Selbstkosten der Bundesbahn nicht nur gedeckt, sondern dieser darüber hinaus auch noch einen Gewinn gebracht haben. Sorgfältige Ermittlungen bei Sachverständigen der Bundesbahn haben ergeben, daß für Züge mit 50 Wagen zu je 20 Tonnen und bei Berücksichtigung eines 100%igen Leerlaufs auf der Rückfahrt die vollen Selbstkosten in der Entfernungsstufe von 300 bis 400 km 2,3 Pfennig je Tonnenkilometer betragen. Es wird weiter durch den Verkehrsausschuß des Bundestags festgestellt, daß selbst bei den Küstenkohlentarifen noch eine kleine Gewinnspanne für die Bundesbahn bleibt.
Es ist weiter eingewandt worden, daß durch die Beibehaltung der Küstenkohlentarife eine Schädigung der Schiffahrt eintreten würde. Die Zahlen weisen etwas anderes aus. Vor dem Krieg sind 93 % der Kohle mit der Bahn nach Hamburg gebracht worden, der Rest auf dem Wasserwege. Im Jahre 1949 betrugen die Bahntransporte an Kohle 54%, die Wassertransporte 22%, kombinierter Binnenschiffahrts-Seeweg, und 14%, Motorsegler. Es ist also im Vergleich mit der Zeit vor dem
Krieg eine bedeutende Steigerung des Transports auf dem Wasserweg vorhanden.
Es ist gesagt worden, es müßte möglich sein, die Verteuerung durch eine Erhöhung der Tarife abzuwälzen oder durch eine Einsparung bei den Gewinnspannen im Kohlenhandel aufzuwiegen. In Hamburg wurde zunächst die Genehmigung für eine Preiserhöhung von nur 10 Pfennig pro Zentner erteilt; den Rest, 15 bis 18 Pfennig, mußte der Kohlenplatzhandel tragen. Es hat sich aber herausgegstellt, daß die Verschuldung des Kohlenplatzhandels so außerordentlich groß ist, daß diese Beschränkung der Erhöhung der Preise im Einzelverkauf für Kohle nicht aufrechtzuerhalten war. Wenn auch inzwischen infolge der Entwicklung auf dem Kohlenmarkt Unterhaltungen über eine Erhöhung von 10 Pfennig vielleicht nicht mehr aktuell sind, so gelten für uns doch die gleichen Gesichtspunkte wie damals: Wir halten eine Verteuerung des Kohlenpreises für Kleinverbraucher für untragbar.
Es ist hier schon darauf hingewiesen worden, daß man die Standortbedingungen der Industrie nicht kurzfristig .verändern kann. Von den Sprechern aus Schleswig-Holstein ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß vor allem für dieses Land die Gefahr der Abwanderung, der Verlagerung von Produktionen entsteht und daß in einem Lande wie Schleswig-Holstein mit einer großen Arbeitslosigkeit und auch in Hamburg mit einer weit über dem Durchschnitt des Bundes liegenden Arbeitslosigkeit jede Maßnahme, die sich als Produktionsbeschränkung auswirkt, verhindert werden muß. Es besteht auch noch die Gefahr, daß die Flüchtlingsbetriebe, die besonders krisenempfindlich sind, die ersten sein werden, die dieser Verteuerung der Kosten der Produktion erliegen werden.
Und zu dem Argument der DKBL, daß sie erst dann bereit sein würde, eine Ermäßigung der Preise in Erwägung zu ziehen, wenn die ausländische Konkurrenz wieder in Erscheinung tritt. Vor wenigen Monaten gab es bereits einmal Absatzschwierigkeiten. Es wäre ja vorstellbar, daß die jetzige Kohlenverknappung einmal ein Ende nimmt. Aber inzwischen treten Produktionsstörungen ein, die nicht in einigen Monaten wiedergutzumachen sind. Wir sind der Meinung, es ist eine kurzsichtige Politik der DKBL und auch der Bundesbahn, hier Veränderungen vorzunehmen, die ausschließlich aus der jetzigen Lage der Verknappung von Kohle zu erklären sind.
Schließlich hat man gesagt: Ihr habt ja vom Oktober 1949 an diese Erhöhung ertragen; also wird es wohl auch weiter gehen. - Dieser Einwand ist falsch, weil die Erhöhung in vollem Umfang erst am 1. Oktober 1950 in Kraft getreten ist, mit dem Tage, an dem die Verlängerung für Schleswig-Holstein abgelaufen war. Auch ein Teil der Hamburger Kohle ist in der Zwischenzeit über Schleswig-Holstein, also zu verbilligten Tarifen, nach Hamburg gekommen.
Schließlich sollten bei der heutigen Entscheidung berücksichtigt werden die Grenzlage der Küstenländer, der Verlust des Hinterlandes für diese Länder, die Zonengrenzen, die eine Abschnürung von alten Wirtschaftsgebieten, die früher zu den Küstenländern gehört haben, bedeutet.
Wir möchten uns darum dem Antrage des Kollegen Dr. Oellers anschließen, nämlich die beiden Anträge Nr. 72 und 76 hier neu zur Abstimmung zu stellen mit der einzigen Änderung, daß in der letzten Zeile „mit Wirkung vom 1. 1. 1951" an
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Stelle von „1. Oktober 1949" eingefügt wird. Die sozialdemokratische Fraktion empfiehlt Ihnen die Annahme dieser Anträge in der so abgeänderten Form.
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Herr Abgeordneter Ewers noch zu einer Bemerkung!
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- Ich verstehe Sie also so, daß Sie Ihren Antrag überhaupt zurückziehen?
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- Ich halte es für erforderlich, Herr Abgeordneter, Ihren Antrag, der zweifellos in diesem Falle der weitestgehende ist, zuerst zur Abstimmung zu bringen. Sie beantragen Aufhebung mit sofortiger Wirkung!
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- Sie halten aber den Antrag aufrecht, Herr Abgeordneter Ewers, die Beschränkung auf das Land Schleswig-Holstein?
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- Dann ist das ein Abänderungsantrag zu dem Antrag Oellers, über den ich zunächst abstimmen lassen muß.
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- Ziehen Sie ihn ganz zurück?
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- Also Herr Abgeordneter Ewers hat seinen Antrag, wenn ich ihn recht verstanden habe, ganz zurückgezogen.
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Meine Damen und Herren, damit wir einen Überblick bekommen: Es liegt zunächst der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Oellers vor, der den Antrag der Herren Abgeordneten Rademacher und Dr. Schäfer auf Drucksache Nr. 72 aufnimmt, aber an Stelle des „1. Oktober 1949" den „1. Januar 1951" setzt.
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Sie haben „1. Januar 1950" geschrieben. Ich nehme an, es soll heißen: „1951", Herr Abgeordneter!
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Herr Abgeordneter Blachstein, bei Ihnen heißt es genau so: 1951.
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Die Anträge der SPD auf Drucksache Nr. 76 und der FDP auf Drucksache Nr. 72 stimmen also überein. Ich kann daher über diese !beiden Anträge abstimmen lassen. Da der Abgeordnete Clausen nun in Aussicht gestellt hat, daß auch er beide Anträge aufnehmen wolle, erübrigt sich eine Sonderbehandlung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen, die von Herrn Abgeordneten Blachstein und Herrn Dr. Oellers gestellt worden sind, zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle fest, daß diese Anträge einstimmig angenommen worden sind. Damit erübrigt sich die Abstimmung über den Ausschußantrag.
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Meine Damen und Herren, darf ich die Gelegenheit benutzen, bereits jetzt auf einige Termine von Sitzungen hinzuweisen, damit die Damen und Herren sich darauf einrichten können. Es ist mir mitgeteilt worden, daß erstens die Sitzung des Haushaltsausschusses, die eine Stunde nach dem Plenum vorgesehen war, nicht stattfindet, zweitens, daß eine Stunde nach dem Plenum eine Fraktionssitzung der FDP stattfindet, und drittens, daß unmittelbar nach dem Plenum eine Fraktionssitzung der CDU stattfindet.
Ich darf bitten, davon Kenntnis zu nehmen, daß die interfraktionelle Besprechung betreffend den Erweiterungsbau des Bundestages unmittelbar nach Schluß des Plenums, nicht erst eine halbe Stunde nach Schluß, im Zimmer 10 im Südflügel stattfindet.
Schließlich bin ich gebeten worden, darauf hin-. zuweisen, daß die Sitzung des Rechtsausschusses heute um 20 Uhr im Zimmer 106, Südflügel, stattfindet.
Nachdem das zur Kenntnis ,genommen ist, rufe ich Punkt 18 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Deutsche Bundesbahn ({11}).
Zur Begründung Herr Abgeordneter Kohl! - Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, daß eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen wird. Das Haus ist damit - ({12})
Ich habe den Eindruck, als ob die Mehrheit des Hauses mit der Zeit von 60 Minuten einverstanden ist.
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- Wird ein anderer Vorschlag gemacht? - Meine Damen und Herren, wollen wir uns längere Zeit über 40 oder 60 Minuten unterhalten? - Das wird sofort durch die Abstimmung ausgefüllt. Ich würde vorschlagen, - ({14})
- Ich bitte Herrn Abgeordneten Kohl, das Wort zu nehmen.
Kohl ({15}) ({16}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion hat unter der Drucksache Nr. 1533 einen Antrag eingebracht, der sich mit den Verhältnissen bei der Deutschen Bundesbahn beschäftigt, die durch die von der ECA-Mission überreichten Forderungen in bezug auf die Reorganisation in der Bundesbahn hervorgerufen worden sind. Das Gutachten, das überreicht worden ist, stammt von einer amerikanischen Ingenieurfirma aus New York und stellt eine Reihe von Forderungen auf, mit denen sich nach unserer Auffassung nicht nur die Bundesbahn und ihre Verwaltungskörperschaften sowie das dafür zuständige Verkehrsministerium zu beschäftigen haben, sondern wobei nach unserer Auffassung der Bundestag ein sehr entscheidendes Wort mitzureden hat.
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({18})
Es ist besonders charakteristisch, daß gerade in bezug auf die Bundesbahn bis jetzt eine ganze Reihe ausländischer Gutachten vorgelegt worden sind. Das letzte Gutachten zeigt mit eindeutiger Klarheit, daß es weniger das Gutachten einer Ingenieurfirma, sondern vielmehr das einer hinter dieser Ingenieurfirma stehenden Kapitalgruppe ist. Nach der sehr vorsichtigen amtlichen Lesart gehen diese Vorschläge auf den Wunsch amerikanischer Stellen zurück, und das nun geborene Gutachten entspringt rein kapitalistischem Profitinteresse.
Von deutscher Seite haben an den Beratungen der Staatssekretär Professor Frohne, der Generaldirektor Helberg und eine Reihe von Sachverständigen teilgenommen; aber bezeichnender Weise wurden die Vertreter der Gewerkschaften zu diesem Gremium nicht hinzugezogen. Es wäre für die deutschen Vertreter sicher außerordentlich peinlich gewesen, wenn man ihnen die in den Jahren 1945 und 1946 in ganz Westdeutschland von der Bundesbahn angeschlagenen Plakate vorgehalten hätte, auf denen die Bundesbahn Arbeitskräfte warb und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz auf lange Jahre hinaus garantierte. Heute stehen wir vor der Tatsache, daß die damaligen Versprechungen, hinter denen auch die heute noch verantwortlichen Herren der Bundesbahn standen, bei weitem nicht realisiert werden sollen, sondern daß die Kosten der Rationalisierung der Bundesbahn die mittleren und unteren Beamten, die Arbeiter und Angestellten der Bundesbahn tragen sollen. Mit keinem Wort wird in dem Gutachten von dem übersetzten hohen Beamtenapparat gesprochen, denn diese Herren verstehen, ihre Unabkömmlichkeit durch Mithilfe bei der Ausarbeitung von Rationalisierungsmaßnahmen unter Beweis zu stellen. Bei diesem Gutachten geht es ganz primär darum, die profitpolitischen Voraussetzungen zu schaffen, um ausländisches Kapital, in diesem Falle amerikanisches, in die Bundesbahn einfließen zu lassen und nach amerikanischem Muster aus der Deutschen Bundesbahn ein Ausbeutungsobjekt für erhöhte Profite zu machen. Darüber täuscht auch nicht das von Herrn Generaldirektor Dr. Helberg im „Industriekurier", der ausgesprochenen Unternehmerzeitung, gegebene sogenannte ungeschminkte Bild der Bundesbahn hinweg, weil man auch hier zum großen Teil an den Dingen vorbeiredet und mit der Aufmachung reiner Rechenexempel nur die Voraussetzungen zur Durchführung dieses Gutachtens schaffen will.
Wir haben uns in diesem Antrag bewußt auf nur fünf entscheidende Punkte beschränkt, da sie nach unserer Meinung bei Annahme durch den Bundestag wenigstens vorläufig eine gewisse Sicherheit geben, ohne daß man damit in der kommenden Zeit um eine grundsätzliche Diskussion über das Problem Bundesbahn überhaupt herumkommt. An der Besprechung, die angeblich als vorbereitende zu betrachten gewesen ist, hat selbstverständlich auch ein Vertreter der Hohen Kommission teilgenommen. Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen sollen von den insgesamt 91 Empfehlungen dieses Gremiums 52 angenommen worden sein. 25 davon sollen mit gewissen Einschränkungen aufzunehmen sein, und 14 werden als undurchführbar bezeichnet. Es ist ganz selbstverständlich, daß der Bundestag als verantwortliches Parlament und als Kontrollinstanz über die Bundesbahn davon unterrichtet werden muß, welche 14 Punkte als undurchführbar und welche 52 Punkte als durchführbar angesehen werden. Da unter den entscheidenden Vorschlägen, die sich sicher unter den 52 voll anzuerkennenden Empfehlungen befinden, die Entlassung von ca. 20 000 Eisenbahnern im Laufe des Jahres 1951 an erster Stelle steht und damit eine rücksichtslose Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verbunden ist, scheint es höchste Zeit zu sein, daß die Eisenbahner selbst, gleichgültig wie sie politisch eingestellt sind, sich geschlossen gegen das Diktat der ausländischen Bankiers zur Wehr setzen.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesbahn als Helfer hat weitgehend versucht - wie üblich auf Kosten der arbeitenden Menschen -, die in dem Gutachten ebenfalls enthaltene Erhöhung der Tarife für den Berufs- und Schülerverkehr um 50% als angemessen zu empfehlen, weiterhin eine Erhöhung der Gütertarife vorzuschlagen und darüber hinaus die Schließung einiger nach Meinung dieser Herren unrentabel arbeitender Werkstätten vorzunehmen. Nach Pressemeldungen hat das Bundeskabinett sich bereits mit der Erhöhung der Fahrpreise, besonders der des Berufsverkehrs, beschäftigt, und es wird aller Voraussicht nach versuchen, auf dem Wege einer Rechtsverordnung unter Ausschaltung des Bundestags diese Dinge durchzuführen.
In erster Linie ist dabei auch an die Schließung der Ausbesserungswerkstätten Heilbronn, Stuttgart und Nürnberg gedacht. Es steht zweifelsfrei nach den bisher vorliegenden Mitteilungen aus diesen Werkstätten fest, daß die Rentabilitätsberechnung zu ihren Gunsten spricht und eine Schließung als unrentabel erscheinen müßte. Wir haben Gelegenheit gehabt, schon aus Anlaß der Schließung der Werkstätte Heilbronn eine Anfrage zu stellen. Wir sind der Auffassung, daß die Beantwortung dieser Anfrage durch das Bundesverkehrsministerium den tatsächlichen Verhältnissen nicht gerecht wird. Wir behalten uns vor, zu dieser Beantwortung der Anfrage noch einiges zu sagen, weil wir einmal die Form, wie diese Anfrage beantwortet worden ist, ablehnen, und weil diese Beantwortung der Anfrage nicht konkret genug gewesen ist. Wir sind aber der Meinung, daß gerade das Schließen der bundesbahneigenen Werkstätten letzten Endes seinen Grund-darin hat, daß der privaten Wirtschaft diese Aufträge zugeschanzt werden sollen, auch wenn damit preispolitisch eine weitere Belastung für die Bundesbahn verbunden ist.
Soweit wir unterrichtet sind, sollen zugleich 4 200 Bahnpolizisten mit entlassen werden, die allerdings im Gegensatz zu den übrigen 20 000 Bediensteten vom Bund und von den Ländern übernommen werden sollen. Bei dem Zustand, in dem die Bundesbahn sich befindet, ist es unsinnig, darauf hinzuweisen, daß sie gegenwärtig mehr Personal als in der Vorkriegszeit aufweist. Man benötigt wirklich keine Ingenieurfirma, um nachzuweisen, daß dieser größere Personalbestand einfach durch den Zustand der Bundesbahn bedingt ist.
Der Tenor des Gutachtens ist, die Bundesbahn vor sogenannten politischen Einflüssen zu bewahren, da diese in dem Betrieb die wirtschaftlichen und kaufmännischen Prinzipien in Frage stellen. Daß bei dieser Fragestellung auch die deutschen Wirtschaftsverbände in derselben Form argumentieren, erscheint uns verständlich, da auch sie nicht wünschen, daß ein so gewaltiges Unternehmen der öffentlichen Hand nun unter die parlamentarische Kontrolle gestellt wird und die Möglichkeiten geschaffen werden, einen ausreichenden Schutz der in diesem Betrieb arbeitenden Menschen zu garantieren.
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Wir sind deshalb der Meinung, daß der Bundestag und sein Verkehrsausschuß sich sehr eingehend mit diesem Gutachten auseinanderzusetzen hat und es aus der Sphäre der ministeriellen Entscheidungen herauszunehmen und sich unabhängig von ausländischen Kapitaleinflüssen mit den Fragen der Sanierung zu beschäftigen haben wird und diese Sanierung nicht einseitig auf Kosten der arbeitenden Menschen durchführen lassen darf.
Wir wünschen darüber hinaus weiter, daß die Arbeiter und Angestellten sowie die Beamten der Bundesbahn erkennen mögen, was hier gespielt wird. Denn in ihrer Macht liegt es letzten Endes, die Anschläge auf ihren Arbeitsplatz und ihre Lebenshaltung zu verhindern.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren! Namens der Fraktionen der SPD, der CDU, der FDP und der DP habe ich die Erklärung abzugeben, daß wir heute auf eine Aussprache zu diesem Antrag Kohl und Genossen verzichten. Im Namen der gleichen Fraktionen beantrage ich Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen, der sich mit dieser Angelegenheit sehr beschleunigt befassen und dann - davon bin ich überzeugt - den Antragstellern die richtige Antwort erteilen wird.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den eben gestellten Antrag des Herrn Abgeordneten Rademacher, den in Drucksache Nr. 1533 vorliegenden Antrag der Fraktion der KPD an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Zweifellos die Mehrheit. - Die Überweisung ist erfolgt.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 19, den letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die
Ausschüsse ({0}).
Der Antrag liegt Ihnen vor. Ich nehme an, daß
diesem Antrag zugestimmt wird.
Herr Abgeordneter Dr. Müller!
Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Drucksache Nr. 1544 auch dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung zu überweisen, weil die Möglichkeit besteht, daß im Zusammenhang mit dieser Fideikommißfrage auch Siedlungsprobleme auftauchen.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag gehört, den Antrag der
Fraktion der DP in Drucksache Nr. 1544 auch dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen, wobei der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend ist. - Das Haus ist mit der Änderung des Antrages einverstanden.
Damit sind wir am Schlusse der Tagesordnung.
Ich darf noch auf folgendes hinweisen. Es hat sich insofern eine Änderung ergeben, als die Fraktion der CDU nicht sofort nach Ende der Plenarsitzung, sondern erst eine halbe Stunde später ihre Fraktionssitzung abhält.
Weiterhin bin ich gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten nicht heute, sondern am Freitag um 9 Uhr 30 Minuten zu seiner Sitzung zusammentritt.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie weiter noch auf folgende Veränderung der Tagesordnung für morgen aufmerksam machen. Es war vorgesehen, daß morgen als Punkt 6 der Tagesordnung die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Preisgesetzes und der damit im Zusammenhang stehenden Fragen vorgenommen werden sollte. Ich bin darüber unterrichtet worden, daß eine interfraktionelle Vereinbarung zustande gekommen ist, wonach dieser Punkt der Tagesordnung, das Preisgesetz, morgen abgesetzt wird. Es scheint ein Unstern über diesem Gesetz zu walten.
An die Stelle dieses Punktes 'der Tagesordnung sollen die Drucksachen Nrn. 1670 und 1671, die Verordnung zur Änderung von Preisen für Steinkohle usw. und 'die Verordnung über die Preise für Roheisen usw., gesetzt werden.
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- Herr Abgeordneter Dr. Oellers!
Herr Präsident! Ich kann vorläufig der Absetzung des Preisgesetzes nicht zustimmen. Ich bin über die interfraktionelle Vereinbarung noch nicht orientiert, werde mich aber erkundigen.
Ich darf Sie bitten, sich deswegen bei Ihrem Kollegen Euler zu erkundigen. Ich kann zunächst annehmen, daß wir so verfahren.
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- Es scheint ein Irrtum vorzuliegen, der sich zweifellos aufklären wird, Herr Kollege Mellies. Ich glaube, Sie sind einverstanden, daß wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, weiteres ist nicht bekanntzugeben.
Ich berufe die 105. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag, den 7. Dezember 1950, 9 Uhr 30 Minuten.
Ich schließe damit die 104. Sitzung.