Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 102. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Herrn Schriftführer, die Entschuldigungen und die amtlichen Mitteilungen bekanntzugeben.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten
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Dr. Baur ({1}), Arnholz, Kohl ({2}), Gerns, Frau Albrecht, Paul ({3}), Dr. Köhler.
Für längere Zeit suchen um Urlaub nach die Abgeordneten Dr. Freiherr von Rechenberg und Kalbitzer für 14 Tage wegen Teilnahme an Verhandlungen in Straßburg und Abgeordneter Morgenthaler für 4 Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Dr. Hubert, Dr. Wellhausen, Frau Dr. Rehling, Dr. Hammer, Leibfried, Dr. Dresbach und Wittenburg.
Meine Damen und Herren! An Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Falkner ist der Landwirtschaftsrat und Direktor Roman Lampl in den Bundestag neu eingetreten. Ich begrüße den Herrn Abgeordneten Lampl und wünsche ihm eine erfolgreiche Arbeit in den Reihen der Abgeordneten des Bundestags.
Ich benutze die Gelegenheit, um dem Herrn Abgeordneten Professor Dr. Gülich zur Wiederherstellung seiner Gesundheit zu gratulieren; ich freue mich, daß er wieder an den Arbeiten des Parlaments teilnehmen kann.
Ich darf darauf hinweisen, daß wiederum einer unserer Abgeordneten einen Autounfall erlitt, und zwar der Abgeordnete Graf von Spreti. Ich bin durch ein Telegramm des Krankenhauses dahin informiert worden, daß seine Verletzungen nicht lebensgefährlich sind. Ich freue mich, das bekanntgeben zu dürfen.
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Ich bitte, die weiteren Bekanntmachungen zu hören.
Der Bundesrat hat mit Schreiben vom 10. November 1950 mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, dem Gesetz über den Verkehr mit Zucker ({0}) gemäß Art. 78 des Grundgesetzes zuzustimmen und zu dem Zweiten Gesetz über Rheinschifferpatente einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat weiter mitgeteilt, daß er beschlossen hat, zu dem am 26. Oktober 1950 vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes ({1}) die Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zu verlangen. Dieses Schreiben wird als Drucksache Nr. 1598 vervielfältigt.
Weiter hat der Herr Bundesminister für Vertriebene unter dem 8. November 1950 die Anfrage Nr. 126 der Fraktion der Bayernpartei betreffend Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und SchleswigHolstein - Drucksache Nr. 1456 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 1597 verteilt werden.
An Vorlagen sind eingegangen:
Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Groß-Berlin West;
Entwurf einer Zweiten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes;
Entwurf einer Verordnung zur Ergänzung der Durchführungsverordnung zum Zweiten und Dritten Teil des Soforthilfegesetzes Yam 8. August 1949.
Ich danke schön.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung weise ich darauf hin, daß auf Wunsch der Interpellanten der Punkt 1 der Tagesordnung
Beratung der Interpellation der Fraktionen der Bayernpartei, des Zentrums und der WAV betreffend Gesetzentwürfe über eine Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer ({0})
abgesetzt worden ist.
Von der kommunistischen Fraktion ist mir ein Antrag vorgelegt worden, einen selbständigen Antrag der Fraktion auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Es handelt sich um die Frage, ob der Bundestag ein Disziplinarverfahren gegen den verantwortlichen Beamten der in Kiel stationierten Wasserpolizei wegen eines Vorgehens gegen einen im Kieler Hafen liegenden Tanker unter der Fahne von Honduras veranlassen soll. Die Ergänzung der Tagesordnung ist nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung nur möglich, wenn nicht widersprochen wird.
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- Es ist widersprochen worden und daher nicht möglich, diesen Punkt auf die heutige Tagesordnung zu setzen.
Ich rufe auf die Punkte 2a und 2b der Tagesordnung
2a) Beratung der Interpellation der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, des Zentrums und der WAV betreffend Gesetz Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission ({2}) ({3});
2b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend IG-Farbenindustrie ({4}).
Vom Ältestenrat, meine Damen und Herren, ist für die Interpellation eine Begründungszeit von 10 Minuten vorgeschlagen worden, ebenfalls 10 Minuten für den Antrag zu 2b). Für die Aussprache ist eine Zeit von 60 Minuten vorgesehen. - Das Haus widerspricht nicht; es ist demgemäß so beschlossen.
Für die Interpellanten spricht Herr Abgeordneter Wagner.
Wagner ({5}), Interpellant: Meine Damen und Herren! Die Alliierte Hohe Kommission hat das Gesetz Nr. 35 erlassen, das, veröffentlicht in ihrem Amtsblatt Nr. 31 vom 26. August 1950, die Aufspaltung des Vermögens der IG-Farbenindustrie- AG. zum Gegenstand hat. In Art. 1 Ziffer 2 geht das Gesetz davon aus, daß die „einheitliche Kontrolle und Leitung der diesem Gesetz unterliegenden Vermögensgegenstände eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht darstellt". In Ziffer 4 des Art. 1 wird als Grundsatz für die Aufspaltung verkündet: die Schaffung einer Anzahl wirtschaftlich gesunder und unabhängiger Gesellschaften, und zwar in der Weise, daß die Aufspaltung der Eigentums- und Kontrollrechte gewährleistet ist und der Wettbewerb in der deutschen chemischen Industrie und in verwandten Industrien gefördert wird.
Die Mehrheit der Deutschen ist durchaus der Auffassung, daß die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in den Händen von Kartellen, Trusts und Monopolen verhindert und, wo sie besteht, beseitigt werden muß. Sie weiß aber auch, daß gerade
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in der chemischen Industrie Forschung und technischer Fortschritt gehemmt oder sogar lahmgelegt werden, wenn die Betriebe nicht eine gewisse Größe erreichen dürfen und sich durch Verbundwirtschaft helfen können. Sie weiß weiter, daß die sozialen Leistungen aller Art, insbesondere aber die Altersversorgung der Arbeitnehmer von Kleinbetrieben nicht in gleicher Art und in gleichem Maße vorgenommen werden können wie von Großbetrieben. Sie hält auch die Schaffung wirtschaftlich gesunder Unternehmen für richtig.
Es muß angenommen werden, daß sich die Alliierte Hohe Kommission in allen diesen Punkten mit uns in Übereinstimmung befindet. Um so unverständlicher ist es, wenn in Ziffer 3 des Art. 1 des Gesetzes Nr. 35 gesagt wird:
Die Alliierte Hohe Kommission wird die Maßnahmen treffen, die sie für erforderlich erachtet, um die Liquidierung der IG-Farbenindustrie-AG. durchzuführen und sie als juristische Person aufzulösen.
Warum will die Alliierte Hohe Kommission diese Aufspaltung von sich aus einseitig vornehmen? Warum überläßt sie die Regelung dieser Materie nicht den zuständigen deutschen Organen?
({7})
Dieses Problem ist sowohl im Wirtschaftlichen als auch im Rechtlichen derart kompliziert, daß man sich nicht gut vorstellen kann, deutsche Sachverständige seien zu seiner Bewältigung weniger geeignet als ausländische, mit den Verhältnissen viel weniger vertraute. Die westlichen Alliierten haben mit diesem Gesetz keinen Beweis für ihr Vertrauen zum deutschen Gesetzgeber erbracht. Mangelndes Vertrauen ist aber keine Grundlage für eine Zusammenarbeit und hat in der Regel als Reaktion mangelndes Vertrauen auf der andern Seite zur Folge.
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Das paßt aber in keiner Weise mehr in die Politik hinein, die von den westlichen Alliierten auf anderen Gebieten proklamiert wird. Das Gesetz Nr. 35 bedeutet einen Rückfall in Zeiten, die endgültig überwunden sein müssen, wenn Europa und der gesamte Westen politisch und wirtschaftlich gesunden sollen.
Die Bundesregierung wird deshalb aufgefordert, bei der Hohen Alliierten Kommission darauf hinzuwirken, daß die Zerlegung der IG-Farbenindustrie-AG. in wirtschaftlich gesunde, konkurrenzfähige und unabhängige Unternehmen in deutsche Hände gelegt wird; zum mindesten soll, wie es in der Interpellation Drucksache Nr. 1368 unter Ziffer 2 heißt, „ein von der Bundesregierung im Einvernehmen mit Bundestag und Bundesrat berufenes deutsches Gremium beauftragt werden, mit der Alliierten Hohen Kommission die Grundzüge für ein deutsches Gesetz zur Neuordnung des IGFarben-Komplexes zu erarbeiten".
Es soll aber in diesem Zeitpunkt schon betont werden, daß nach der Aufspaltung die neugebildeten Unternehmungen keinem ausländischen Sonderrecht mehr unterliegen dürfen und genau so behandelt werden müssen wie alle übrigen deutschen Wirtschaftsunternehmungen.
({9})
Die Interpellation ist begründet. Da wir vorsahen, die Besprechung von 2a und 2b zu verbinden, schlage ich Ihnen vor, daß zunächst der Antrag der KPD zu 2b Drucksache Nr. 1472 begründet wird. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller. -10 Minuten, Herr Abgeordneter.
Müller ({0}) ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Ausplünderung des deutschen Volkes durch die amerikanischen Beutemacher kennt keine Grenzen.
({2}) 1945, nach dem Zusammenbruch, kamen hinter den vorrückenden amerikanischen Truppen bereits diejenigen, die im Auftrag der großen amerikanischen Konzerne Westdeutschland daraufhin untersuchten,
({3})
wo sie die Patente des deutschen Volkes auffinden und mit deren Hilfe ihre eigene Wirtschaft weiter entwickeln könnten.
({4})
Es ist eine erwiesene Tatsache: in Hessen wurde ein Lager mit deutschen Patenten von den Amerikanern gefunden und beschlagnahmt. Unter diesen Patenten befand sich eine große Anzahl Patente der IG-Farbenindustrie und der chemischen Industrie. Diese Patente wurden nach Amerika verschleppt und dort so weidlich ausgenutzt, daß nicht nur die Entwicklung der chemischen Industrie in den Vereinigten Staaten ungeheuer vorangetrieben werden konnte. Das Ausland und ausländische Pressestellen konnten sogar erklären, daß der Wert dieser Patente zumindest mehr als 5 Milliarden Dollar ausmacht.
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Und nun haben wir das Gesetz Nr. 35, das in derselben Linie liegt und zeigt, wie die Okkupanten ihre Macht benutzen, um dem deutschen Volk das Eigentum zu rauben. Sie haben in dieser Beziehung einige Beispiele bzw. Vorbilder, denn als während des Hitler-Krieges deutsche Industrielle in den besetzten Gebieten dortige Vermögenswerte und Fabriken beschlagnahmten, haben die Amerikaner zweifellos aus diesen Methoden auch ihre Lehre gezogen. In dem Gesetz Nr. 35 haben sie das zum Ausdruck gebracht. Sie wollen die Betriebe, die an und für sich dem deutschen Volk gehören, in die alleinige Verfügungsgewalt der Herren der Hohen Kommission legen. Diese soll das Recht haben, allein über dieses dem deutschen Volk gehörende Eigentum und darüber, wie es verwendet werden soll, zu entscheiden. Diese Betriebe der IG. sollen an das Ausland verschachert werden; und es ist wohl insbesondere der große chemische Konzern Dupont, der ein besonderes Interesse daran hat, nachdem der große Teil der Auslandsaktien der IG. in seinen Händen ist, seine Hand auf die Betriebe der IG-Farbenindustrie zu legen.
Aber ich frage, welches ist denn die Rechtsgrundlage, auf der das Gesetz Nr. 35 beruht? Ich möchte feststellen, daß dieses Gesetz Nr. 35 nicht nur keine Rechtsgrundlage hat, sondern geradezu ein schwerer Verstoß gegen das Potsdamer Abkommen ist. Denn in Abschnitt III dieses Potsdamer Abkommens wurde festgelegt, daß die höchste Regierungsgewalt in Deutschland durch die Oberkommandierenden der Streitkräfte, welche in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Kontrollrats handeln, gemeinsam in den Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen ausgeübt wird. Allein also der Kontrollrat wäre zuständig und befugt, Entscheidungen zu treffen. Aber durch die
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Tatsache, daß die westlichen Mächte hier mit dem Gesetz Nr. 35 die Entscheidung über diese Betriebe in die Hand genommen haben, verstoßen sie gegen dieses Gesetz, das völkerrechtlich bindend ist.
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Ein Zweites ist die Frage, welches die Hintergründe sind. Die Herren des amerikanischen Kapitals und die Kriegstreiber wollen die chemische Industrie, die Betriebe der IG., in die Hände bekommen, um im Rahmen ihrer Kriegsvorbereitungen diese Betriebe für die Herstellung chemischen Kriegsmaterials zu verwenden. Was ist denn die Ursache der Explosion in Ludwigshafen gewesen? Ich glaube, es ist heute eine erwiesene Tatsache, daß die Herstellung von Düsen-Treibstoff dort die Ursache für diese große Explosion gewesen ist. Und damit verstößt das Gesetz Nr. 35 gegen ein weiteres Gesetz des Kontrollrats, gegen das Gesetz Nr. 9, in dem festgelegt worden ist, daß das deutsche Kriegspotential zu vernichten und die Herstellung neuer Kriegsausrüstung und Kriegsmaterialien zu unterbinden ist.
Damit ist also ein weiterer Beweis für die Absichten erbracht, die die Herren Amerikaner mit dem Gesetz Nr. 35 verfolgen. Daß hier natürlicherweise auch ihre wirtschaftlichen Interessen eine besondere Rolle spielen, brauche ich nicht besonders zu unterstreichen, nachdem feststeht, daß die IG-Betriebe zirka 20% der gesamten Produktion der chemischen Industrie ausmachen. Das bedeutet nach der letzten Monatsstatistik rund 120 Millionen DM; das bedeutet, daß damit auch der Export, an dem die chemische Industrie und die IG. einen bedeutenden Anteil haben, ausschließlich in den Händen der Amerikaner liegt. Es ist also ein fetter Brocken, den sie da von dem deutschen Tisch geschnappt haben.
Ich glaube, nicht nur allein diese Auswirkung, diese schwere Schädigung der deutschen Wirtschaft ist die Absicht der Herren vom Petersberg. Getroffen wird auch die Chemie-Arbeiterschaft. Denn mit diesem Gesetz Nr. 35, durch die Kornmission, die danach eingesetzt worden ist, ist praktisch die Arbeiterschaft der chemischen Industrie rechtlos gemacht worden. Sie ist der Willkür der Herren, der neuen ausländischen Herren, die nun die IG-Betriebe in ihre Hände bekommen sollen, ausgeliefert.
Ein Weiteres ist die Tatsache, daß auch der Einfluß der Gewerkschaften in der chemischen Industrie, in den IG-Betrieben, ausgeschaltet werden soll. Getroffen werden die Pensionäre; denn nach den Bestimmungen des Gesetzes obliegt es allein der Entscheidungsbefugnis der Kommission, ob Pensionen und in welcher Höhe sie an die Pensionäre der IG-Farbenindustrie gezahlt werden sollen.
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Und nicht zuletzt wird auch eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Kleinaktionären getroffen; denn auch über die Höhe der Entschädigung entscheidet ausschließlich diese Kommission bzw. die neuen Herren.
Nach dem Gesetz Nr. 35 und seinen Anlagen sind auch eine ganze Reihe von Wohnungsunternehmungen, Baugesellschaften, Siedlungsgesellschaften und Pensionskassen mit betroffen; das heißt mit andern Worten: die neuen Herren entscheiden auch über diese mit der IG zusammenhängenden Unternehmungen, und auch hier werden in erster
Linie die Arbeiter, die Angestellten und die Chemiker getroffen.
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Ich glaube, daß diese Auswirkungen eigentlich Sie alle veranlassen müßten, sich mit aller Entschiedenheit gegen dieses Gesetz zur Wehr zu setzen. Ihre Interpellation bezweckt aber etwas anderes. Im Hintergrund steht dabei letzten Endes nichts anderes als die Absicht, an dem Geschäft der Amerikaner mit der IG-Farbenindustrie beteiligt zu werden. Die Herren, die während des Krieges mit Dupont ihre Geschäfte gemacht und Patente ausgetauscht, die deutschen Patente für die Kriegführung der Amerikaner zur Verfügung gestellt haben, möchten einen Brocken von dem neuen Geschäft der Kriegsvorbereitung abbekommen. Das ist letzten Endes das Ziel und die Absicht, die hier verfolgt werden.
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Ich glaube, daß das nationale Interesse des Volkes
die Nichtanerkennung und Nichtigkeitserklärung
({11}) des Gesetzes Nr. 35 verlangt.
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Ich glaube, daß es die Aufgabe der in den IG.Farben-Betrieben beschäftigten Arbeiter, Angestellten, Chemiker, ja des ganzen Volkes sein wird und sein muß, sich gegen diesen Raub zur Wehr zu setzen und den Kampf um die Erhaltung dieser Betriebe für das deutsche Volk in gemeinsamer Front zu führen.
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Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die in der Interpellation genannten Fragen antwortet die Bundesregierung wie folgt.
Erstens. Unmittelbar nach der Verkündung des Gesetzes Nr. 35 der Alliierten Hohen Kommission über die Entflechtung der IG-Farben-IndustrieAG. habe ich zugleich im Namen der Bundesregierung dem Wirtschaftsberater der Hohen Kommission das Befremden der deutschen Bundesregierung über die Nichtunterrichtung und über die Nichtbeteiligung deutscher Stellen bei dem Erlaß des Gesetzes Nr. 35 zum Ausdruck gebracht.
({0})
Ich habe insbesondere betont, daß es im Hinblick auf die der deutschen Bundesregierung übertragene wirtschaftliche Verantwortung für die Neugestaltung der Wirtschaft des Bundesgebietes sowohl im Interesse einer rechtlich unangreifbaren Dauerlösung als auch im Interesse der Pensionäre, Aktionäre, Rentner und anderer Gläubiger der IG unerläßlich sei, daß die deutsche Bundesregierung bei der Durchführung der Liquidation und Neuordnung mitwirke.
Die Bundesregierung hat nach nochmaliger Erörterung des Problems durch den Herrn Bundeskanzler der Alliierten Hohen Kommission ein Memorandum vom 2. Oktober 1950 überreicht. In diesem Memorandum ist vorgeschlagen, baldmöglichst in eine gemeinsame Erörterung der für den IG-Farben-Komplex vorliegenden Entflechtungspläne einzutreten, die beiderseitigen Auffassungen
({1})
einander anzugleichen und zu einer Übereinstimmung und einem für beide Teile annehmbaren Gesamtentflechtungsplan zu kommen. Sie hat es für zweckmäßig erachtet, daß ,die mit dieser Aufgabe betrauten Stellen sich weitgehend der Mitwirkung von beiderseits zu bestimmenden Sachverständigen bedienen.
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Die Begründung für die Notwendigkeit einer gemeinsamen Erörterung erfolgte wie in den vorangegangenen mündlichen Besprechungen mit dem Hinweis auf die politischen, volkswirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Folgen einer nur durch die Alliierten durchgeführten Liquidation und Neuordnung.
Die Bundesregierung hat in dem Memorandum vom 2. Oktober 1950 die Alliierte Hohe Kommission dringend gebeten, die Art. 4 und 5 des Gesetzes Nr. 35 durch Verordnungen zu ergänzen, die die Anwendung deutscher Liquidationsbestimmungen und die deutsche Zuständigkeit vorsehen. Bis zu dem Erlaß solcher ergänzenden Verordnungen durch die Alliierte Hohe Kommission hat die Bundesregierung gebeten, von der Herausgabe von Durchführungsverordnungen gemäß Art. 4 und 5 des Gesetzes Nr. 35 und etwaiger sonstiger Ausführungsbestimmungen Abstand zu nehmen.
Ich habe auch im Anschluß an das Memorandum vom 2. Oktober den Wirtschaftsberatern der Alliierten Hohen Kommission Vorschläge zur Aufteilung der IG-Farben-Industrie übergeben. Diese Vorschläge sehen die sofortige Gründung von drei größeren Nachfolgeunternehmen und die Verselbständigung von mehreren bisher nicht selbständigen Konzernunternehmungen vor. Die Alliierte Hohe Kommission hat im Verlauf dieser Besprechungen und später schriftlich bestätigt, daß sie die Absicht habe, die Bundesregierung in vollem Umfange zu informieren und ihre Stellungnahme einzuholen, bevor irgendwelche bedeutsamen Maßnahmen im Verlaufe der Entflechtung der IGFarben-Industrie ergriffen werden. Die deutschen Vorschläge betreffen Pläne für die Verteilung der größeren Produktionskomplexe und Kapitalanlagen, die Liquidierung der Stammgesellschaften mit allen nicht für die Beibehaltung geplanten Tochtergesellschaften, grundsätzliche Pläne für die Behandlung anspruchsberechtigter Personen sowie die Konstituierung und Bildung des Liquidationsausschusses.
In der zweiten Frage der Interpellation hält es die Bundesregierung für geboten, den Vorschlag der Alliierten Hohen Kommission über die Zusammensetzung des Liquidationsausschusses abzuwarten und erst dann den Alliierten etwaige Gegenvorschläge zu unterbreiten. Ich darf hinzufügen, daß ich in dieser Frage in ständiger Verbindung mit der Alliierten Hohen Kommission stehe und die Zusicherung erhalten habe, daß keine Maßnahmen durchgeführt werden, ohne daß sie nicht vorher in allen Einzelheiten mit uns -mit der Bundesregierung - erörtert werden.
Zu den Ausführungen des Redners der Kommunistischen Partei möchte ich sagen, daß diese Darstellung so abwegig ist, daß sich ein Eingehen darauf als überflüssig erweist.
({3})
Es ist weder von einer Verschacherung noch von einer Preisgabe deutscher Interessen die Rede. Es handelt sich lediglich um eine Entflechtung,
({4}) um die Neugründung lebensfähiger, wettbewerbsfähiger Gebilde der deutschen chemischen Industrie in deutscher Hand, unter deutscher Verantwortung und zugunsten des deutschen Landes und deutschen Volkes. Wir sind immer noch in der glücklichen Lage, daß die Arbeit des deutschen Volkes auch dem deutschen Volke zugute kommt; die Früchte der Arbeit des Volkes werden nicht wie bei Ihnen ({5}) geraubt und in fremde Länder gebracht.
({6})
Meine Damen und Herren! Die Interpellation ist beantwortet. - Ich frage, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. Eine Besprechung könnte nur stattfinden, wenn 50 Mitglieder sie verlangen. - Das ist nicht der Fall.
Ich eröffne die Beratung über den Antrag der kommunistischen Fraktion auf Drucksache Nr. 1472. Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen im Namen der Fraktionen, die die Interpellation Nr. 1368 unterzeichnet haben, vorzuschlagen, daß die Antwort der Regierung auf diese Interpellation zur weiteren Behandlung des Gegenstandes dem wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen wird. Ebenso soll der Antrag der Fraktion der KPD in Drucksache Nr. 1472 dem wirtschaftspolitischen Ausschuß überwiesen werden.
Darf ich fragen, ob der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder von 30 Abgeordneten unterstützt wird? - Das ist der Fall, da er namens der Fraktionen gestellt ist.
Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache Nr. 1472 ebenfalls dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Wir stimmen ab über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Schröder. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Damit sind die Punkte 2a und 2b der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktionen des Zentrums, der Bayernpartei und der WAV betr. Gesetzgebungswerk für Notstandsgebiete in der Bundesrepublik Deutschland ({0}).
Der Ältestenrat hat Ihnen vorzuschlagen, daß für die Begründung 15 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen werden. - Es wird nicht widersprochen. Damit ist so beschlossen. Zur Begründung der Interpellation hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Etzel.
Dr. Etzel ({1}) ({2}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei hat am 21. September 1949 mit Drucksache Nr. 24 den Antrag auf Bildung eines Ausschusses „Bayerisches Notstandsgebiet" eingebracht. Der Antrag wurde gemäß dem interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 63 dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zugeleitet. Auch die Ausschüsse für Grenzlandfragen und Verkehrspolitik waren im weiteren Verlauf mit ihm beschäftigt.
({3})
Am 30. September beantragte die Fraktion der CDU/CSU mit Drucksache Nr. 95 eine Soforthilfe für die sogenannte „Rote Zone". Mit dem Antrag befaßte sich der Grenzlandausschuß. Der Mündliche Bericht desselben - es ist die Drucksache Nr. 348 - wurde in der 27. Plenarsitzung am 18. Januar 1950 einstimmig gebilligt. Er beantragte die Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Notlage der Grenzgebiete und die Bereitstellung von Mitteln zur Bildung eines Grenzlandfonds.
Ein Antrag der Fraktion der SPD vom 5. Oktober 1949 - Drucksache Nr. 80 - wollte die Erklärung Schleswig-Holsteins zum Notstandsgebiet und die Aufstellung eines Notstandsprogramms für dieses Land. Der Antrag wurde vom Plenum an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, bei dem die Federführung liegt, und an die Ausschüsse für Heimatvertriebene und für Finanz- und Steuerfragen überwiesen. Dem vom Bundestag in der 86. Sitzung vom 15. September 1950 verabschiedeten Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schleswig-Holstein im Rechnungsjahr 1950 hat der Bundesrat nicht zugestimmt. Die Bundestagsausschüsse für Verfassungsschutz und für Geld und Kredit prüfen gegenwärtig die Frage, ob der Bundestag seinerseits den Vermittlungsausschuß anrufen kann und soll.
Der in der 79. Plenarsitzung vom 23. Juni dieses Jahres einstimmig gebilligte Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. von Brentano und Genossen beantragte für die ostbayerischen Grenzgebiete die Vorkehrung von Maßnahmen, wie sie früher für Ostpreußen durch das Osthilfegesetz gewährt wurden, und zur Abgeltung der durch die ostzonale Grenze entstandenen Umwegentfernungen die Bereitstellung eines Betrages von 30 Millionen DM als Frachthilfe sowie Gewährung von Sondertarifen in besonders dringlichen Fällen als Härteausgleich. Da mit der Ausführung des Bundestagsbeschlusses durch die Bundesregierung bzw. den Herrn Bundesfinanzminister, wie auch die Verhandlungen in Bamberg am 9. August in Gegenwart des Herrn Bundesverkehrsministers erkennen ließen, nicht zu rechnen war, haben die Antragsteller am 15. Oktober eine Interpellation - Drucksache Nr. 1462 - eingebracht.
Außerdem sind Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Fachverbände, sonstige Wirtschaftsorganisationen, einzelne Gemeinden, Gemeindeverbände und Landkreise mit Gesuchen um unmittelbare Unterstützung durch den Bund vorstellig geworden.
Der Grenzlandausschuß und der Herr Bundesverkehrsminister haben sich durch Besichtigungsreisen an Ort und Stelle über die bestehenden Verhältnisse und Notstände unterrichtet. Von den Staatsregierungen der betroffenen Länder wurden umfangreiche Materialien vorgelegt. Es erscheint an der Zeit, daß aus den sehr eingehenden Vorarbeiten endlich die Folgerungen gezogen werden. Es ist außer Frage, daß es sich um ein sehr schwieriges, höchst bedeutungsvolles und in vielen Beziehungen auch neuartiges Problem von größter Tragweite handelt. Die Ursachen und Bedingungen der Notstände sind verschieden. In allen Fällen aber sind sie - und das verleiht ihnen ein besonderes Gewicht - nicht vorübergehender, sondern struktureller Natur. Die Lage im bayerischen Notstandsgebiet beispielsweise, das sich in einem weiten Bogen von Passau durch Niederbayern, die
Oberpfalz, Oberfranken und Unterfranken bis zur Rhön zieht, beruht nicht nur auf geographischen, landschaftlichen und klimatischen Bedingungen, sondern vor allem auf der übermäßigen Belegung überwiegend landwirtschaftlicher Gebiete mit Flüchtlingen, auf der Unterbindung und Zerstörung der in Jahrhunderten entwickelten Verkehrs- und Wirtschaftsbeziehungen durch die neue zonale und politische Grenzziehung, auf der dadurch verursachten außerordentlichen Verschärfung ihrer zu den Kohlen- und Rohstoffquellen an sich bestehenden peripheren, äußerst nachteiligen Lage, also auf der Vorausbelastung mit riesigen Umwegfrachten. In den Denkschriften, ebenso in dem Mündlichen Bericht des Verkehrsausschusses zu den Drucksachen Nr. 1033 und Nr. 111 in der 72. Plenarsitzung vom 23. Juni dieses Jahres ist dies sehr überzeugend und eindrucksvoll dargetan worden. Andere Gebiete, wie die sogenannte „Rote Zone", sind durch unmittelbare und mittelbare Kriegseinwirkungen besonders schwer getroffen worden. In einer Reihe von Fällen wurde die auf Rüstungsbetrieben oder besonderen anderen Industrien aufgebaute Existenzgrundlage ganzer Gebiete dadurch vernichtet, daß diese Industrien und Betriebe nach der Kapitulation fortgefallen sind.
Die Notstände sind meist so schwer, daß die Mittel der Länder und Gemeinden nicht ausreichen, um ihnen wirksam zu begegnen. Eine besonders schwierige und bedenkliche Lage besteht dort, wo zu dem allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Notstand noch der gefährliche politische Aspekt des Grenzlandes hinzutritt.
Mit großer Sorge erfüllt die durch die Ungunst der Verhältnisse hervorgerufene und zunehmende Tendenz und Neigung zur Abwanderung ganzer Industrien nach dem Westen. Es kann nicht im Interesse des Bundes oder der einzelnen Länder liegen, daß eine weitere scharfe Konzentration der wirtschaftlichen Potenzen von dem Osten nach dem Westen erfolgt. Das Ganze kann nicht bestehen und gedeihen, wenn sich wichtige Teile in einer dauernden Notlage befinden und sich einer ständigen Bedrohung und Gefährdung gegenübersehen. Darum sind auch andere Länder, wie vor allem England für seine depressed areas, seit vielen Jahren daran gegangen, erklärten Notstandsgebieten planmäßige und nachhaltige Förderung angedeihen zu lassen, also eine systematische Notstandspolitik zu treiben.
Nicht nur, weil die Abhilfe die Möglichkeiten und Mittel der Länder und örtlichen Instanzen in der Regel übersteigt, sondern auch, weil es sich in den meisten Fällen um Kriegsfolgen im Sinne des Art. 120 des Grundgesetzes handelt, muß der Bund eingreifen. Die Maßnahmen, die von ihm ins Auge zu fassen und zu treffen sind, dürfen keine Verzettelung der Mittel und keine Zersplitterung der Maßnahmen zur Folge haben. Es geht darum, sich nicht in Einzelaktionen zu erschöpfen, sondern durch ein umfassendes Gesamtwerk, sozusagen durch eine Kodifikation den zweifellos bestehenden Notständen entgegenzutreten. Es handelt sich um eine Aufgabe von höchster Dringlichkeit und nicht nur um den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Effekt, sondern auch um die wichtige psychologische, also politische Wirkung. Darum geht es im vorliegenden Fall. Es gilt, der Bevölkerung der betroffenen Gebiete das Gefühl der Vereinsamung, der Preisgegebenheit zu nehmen, ihr zu zeigen, daß die Gesamtheit der deutschen Gemeinschaft entschlossen und bereit ist, ihr zu Hilfe zu eilen.
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Die gebotenen Maßnahmen können nicht auf die Bildung etwa eines Grenzland- oder sonstigen Notstandsfonds beschränkt werden, sondern es wird nach Maßgabe der in den einzelnen Notstandsgebieten bestehenden Verhältnisse und Umstände eine sorgfältige Abstimmung der zu treffenden Vorkehrungen und zu leistenden Hilfen erfolgen müssen. Dazu gehören auch die Fragen der Instandsetzung und der Trassierung der Verkehrswege, die neu zu erschließen sind, der Frachtpolitik, der Kreditpolitik, der Rohstoffversorgung und der Verteilung der Aufträge des Bundes.
Ich möchte aus der Dringlichkeit des Problems heraus der Hoffnung Ausdruck geben, daß es der Bundesregierung heute möglich sein wird, dem Bundestage so befriedigende Aufschlüsse zu geben, daß für die bedrängten Gebiete eine neue Hoffnung entsteht. Ich darf annehmen und wünschen, daß die Arbeiten des interministeriellen Ausschusses, der zur Durchprüfung dieses Problems eingesetzt und tätig geworden ist, so weit gediehen sind, daß in Kürze ein Gesetzgebungswerk vorgelegt werden kann. Dabei ist es von untergeordneter Bedeutung, ob dann dieses Werk in einem einzigen Gesetz oder in mehreren Spezialgesetzen für die einzelnen Notstands- und Grenzlandgebiete zustande kommt.
Ich schließe mit der dringenden Bitte und dem Wunsche, der Herr Bundeswirtschaftsminister möchte sich heute in der Lage sehen, dem Hohen Hause zu eröffnen, daß die Arbeiten so weit fortgeschritten sind, daß den bedrängten Gebieten in absehbarer Zeit eine effektive, wirksame Hilfe zuteil werden kann.
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Die Begründung der Interpellation ist erfolgt. Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu 1: Der interministerielle Ausschuß, der unter der Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums das Problem der Notstandsgebiete bearbeitet, hat in eingehenden Beratungen Notstandskriterien ausgearbeitet, die als objektive Maßstäbe für die Beurteilung und Vergleichbarkeit der Not in den besonders betroffenen Gebieten dienen sollen. Dabei wurde zunächst nicht nach den Ursachen der Not, wie Kriegszerstörungen, Flüchtlingsanteilen usw., sondern nach den gegenwärtig vorliegenden Notsymptomen, wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot usw. gefragt. Die Kriterien, deren Vorliegen als Mindestvoraussetzung für eine eventuelle Sonderbehandlung eines Gebietes durch die Bundesregierung gelten soll, wurden so gefaßt, daß sie Folgeerscheinungen der verschiedensten Ursachen sein können. Sie vermögen deshalb die Hilfsbedürftigkeit der einzelnen Gebiete besonders herauszustellen. Diese statistisch belegbaren Merkmale sind bewußt auf einen so hohen Notstandsgrad abgestellt, daß sie, um eine Bundeshilfe nicht in ihrem Effekt zu verwässern, nur auf wirklich überdurchschnittlich hart betroffene Gebiete zutreffen.
Die Landesregierungen sind mit Erlaß des Bundeswirtschaftsministeriums vom 16. August 1950 gebeten worden, diejenigen Gebiete zu benennen und zu beschreiben, bei denen außergewöhnliche Notstände gemäß der ihnen mitgeteilten Merkmale vorliegen. Um zu vermeiden, daß die besondere Notlage einer Vielzahl kleiner und kleinster
Gebiete an die Bundesregierung herangetragen wird, dürfen nur Gebiete einer bestimmten Mindestgröße benannt werden, die sich regional nicht mit Verwaltungsbezirken zu decken brauchen. Eine möglichst weitgehende Vergleichbarkeit der von den Landesregierungen zu benennenden Gebiete muß gewährleistet sein. Deshalb wurden von den Ländern Gebietsbeschreibungen angefordert, die nach einem vom interministeriellen Arbeitskreis in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft ausgearbeiteten Modellbericht über die Notlage im Gebiet des Bayerischen, Böhmischen und Oberpfälzischen Waldes angefertigt werden sollen. Die Erhebungen und Beschreibungen sind zwar teilweise schwierig zu erstellen und deshalb zeitraubend; sie sind aber notwendig, um eine möglichst gerechte und zweckvolle Auswahl derjenigen Gebiete treffen zu können, denen in erster Linie mit den beschränkten Mitteln der Bundesregierung geholfen werden muß.
Der Termin. für die Abgabe der Mitteilungen war zunächst auf den 20. September festgesetzt; er wurde jedoch auf Ersuchen der Landesregierungen auf den 30. Oktober verschoben. Obwohl die Landesregierungen bisher erst teilweise Stellung genommen haben, liegt, wenn auch noch nicht überall exakt zahlenmäßig fixiert, ein Überblick über die tatsächlich von allergrößter Not betroffenen Gebiete vor.
Die Landesregierungen sind mit dem genannten Erlaß vom 16. August auch aufgefordert worden, anzugeben, was in den Notstandsgebieten von ihnen bereits zur Linderung der Not getan wurde, welche Maßnahmen sie von sich aus weiter zu veranlassen beabsichtigen und welche Hilfestellung des Bundes sie für unbedingt erforderlich halten.
Zu Punkt 2: Die Bundesregierung wird dem Bundestag in Kürze den Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern für das Jahr 1950 vorlegen. Durch dieses Gesetz sollen die Länder, die wegen mannigfacher, hauptsächlich kriegsverursachter Notstände finanzschwach sind, zur Erfüllung ihrer lebenswichtigen Hoheitsaufgaben befähigt werden; es handelt sich um die Länder Baden, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Neben den Flüchtlingslasten, die naturgemäß vorwiegend in den Notstandsgebieten überdurchschnittlich hoch sind, wird die Zahl der Arbeitslosen in den Arbeitsamtsbezirken mit hoher Dauerarbeitslosigkeit zusätzlich berücksichtigt. Damit wird der erhöhten finanziellen Belastung, die sich durch den hohen Grad der Arbeitslosigkeit in bestimmten Bezirken ergibt, zugunsten der betroffenen Länder besonders Rechnung getragen. Zu diesen Gebieten mit hochgradiger Arbeitslosigkeit gehören vor allem Schleswig-Holstein, ferner die Arbeitsamtsbezirke Wilhelmshaven und Salzgitter, Ostfriesland und Uelzen, der Bayerische Wald und größtenteils die nördlichen Randgebiete Bayerns, Teile von Nordhessen und in Rheinland-Pfalz der Bezirk IdarOberstein.
Es ist außerdem geplant, für jedes derjenigen Gebiete, die nach Überprüfung der eingesandten Unterlagen ein helfendes Eingreifen des Bundes dringend geboten erscheinen lassen, ein besonderes Sanierungsprogramm in Zusammenarbeit mit den Ländern auszuarbeiten. Die Programme müssen so gestaltet werden, daß sie den individuellen Ursachen der Not und den besonderen Gegebenheiten der Gebiete - wie z. B. den aus der Grenzlage erwachsenen besonderen wirtschaftlichen Schwierig({0})
keiten - weitgehend Rechnung tragen. Die Programme sollen dann vom Bundeskabinett beschlossen werden.
Als Grundlage für die Kabinettsbeschlüsse ist an ein Rahmengesetz gedacht, in welchem festzulegen wäre, welche Mittel zur Behebung der Notstände von der Bundesregierung bereitgestellt werden können. Nach einer vorliegenden Stellungnahme des Herrn Bundesministers der Finanzen vom 19. Juli 1950 können Mittel aus dem ordentlichen Haushalt nach dem Grundgesetz nicht bereitgestellt werden. Es kämen demnach nur Mittel aus dem außerordentlichen Haushalt in Betracht.
Zu Punkt 3: Es ist zu erwarten, daß das Rahmengesetz Ende dieses Jahres zur Vorlage kommen kann. Die Ausarbeitung der Sanierungsprogramme für die einzelnen Gebiete wird zwischenzeitlich vorbereitet werden, so daß sie nach dem Erlaß des Rahmengesetzes in kurzer Zeit zur Durchführung gelangen können.
Zu Punkt 4: Wie zu Punkt 1 bereits gesagt wurde, besitzt die Bundesregierung Kenntnis von den schlimmsten Notstandsgebieten, wenn auch deren genaue Abgrenzung im einzelnen noch nicht vollständig vorliegt. Aus dieser Kenntnis heraus hat sie zur Linderung der Not in den am härtesten betroffenen Gebieten folgendes unternommen:
a) Es sind unter dem ausdrücklichen Gesichtspunkt der Förderung der Notstandsgebiete im Jahre 1949 an Schleswig-Holstein 9,1 Millionen für wasserwirtschaftliche Vorhaben bereitgestellt worden und im Jahre 1950 die nachstehenden Beträge vorgesehen:
Schleswig-Holstein:
zur Förderung besonderer Vorhaben auf dem Gebiete der
Wasserwirtschaft und der Landeskultur 9 500 000 DM
zur Wiederherstellung der durch
Kriegseinwirkungen besonders
beschädigten Bauten und Liegenschaften des früheren Reichsvermögens 3 200 000 DM
Wilhelmshaven:
zur Wiederherstellung der durch
Kriegseinwirkungen besonders in
Mitleidenschaft gezogenen Bauten
und Liegenschaften des früheren Reichsvermögens 2 994 000 DM
Emsland:
zur Erschließung des Emslandes 4 000 000 DM Watenstedt-Salzgitter:
zur Behebung der Notstände in
dem Notstandsgebiet dieses Bereichs 500 000 DM
Zuschuß an die Verkehrsbauten
GmbH in Braunschweig für den
Ausbau der Eisenbahnstrecke
Lichtenberg-Lebenstedt - Immendorf, I. Teilbetrag 2 000 000 DM
b) Im Rahmen des ersten Arbeitsbeschaffungsprogramms wurden 300 Millionen DM in die Schwerpunktgebiete wirtschaftlicher Not, insbesondere die von der Arbeitslosigkeit betroffenen Gebiete, geschleust. Folgende Länder partizipierten entsprechend dem Gewicht ihrer Arbeitslosigkeit an der Gesamtsumme: Bayern mit 105 Millionen DM, Niedersachsen mit 102,5 Millionen DM, Schleswig-Holstein mit 77,5 Millionen DM, Hessen ({1}) mit 15 Millionen DM. Innerhalb Bayerns wurden die Notstandsgebiete des Bayerischen und des Fränkischen Waldes, innerhalb Hessens das Gebiet von Nordhessen, innerhalb Niedersachsens die Brennpunkte Watenstedt-Salzgitter und Wilhelmshaven besonders berücksichtigt. Die für Schleswig-Holstein bestimmten Mittel kamen einem großen Teil des Landes zugute, das nahezu in seiner Gesamtheit als Notstandsgebiet anzusehen ist.
c) Bei der Vergebung der ERP-Mittel bestand nur eine beschränkte Möglichkeit, Notstandsgebiete zu bevorzugen, da die Bundesregierung an eingehende Weisungen der ECA gebunden war. Eine ausdrückliche Berücksichtigung notleidender Gebiete war jedoch bei der Verteilung der ERP-Mittel für den Wiederaufbau kriegszerstörter landwirtschaftlicher Betriebsgebäude und für die Ergänzung und Beschaffung von totem und lebendem Inventar für die landwirtschaftlichen Betriebe dennoch möglich.
d) Durch die Kabinettsbeschlüsse vom 2. Mai 1950 und vom 12. Mai 1950 sind die Gebiete Berlin, Watenstedt-Salzgitter, der Bayerische Wald und Wilhelmshaven zu Notstandsgebieten im Sinne der Verdingungsordnung für Leistungen und der Verdingungsordnung für Bauleistungen erklärt worden, wodurch eine Bevorzugung dieser Gebiete bei der Vergebung öffentlicher Aufträge gegeben ist.
e) Um die besonders schwierige Lage Schleswig-Holsteins zu lindern, hat die Bundesregierung ein Gesetz über eine vorläufige Finanzhilfe für das Land Schleswig-Hostein im Rechnungsjahr 1950 eingebracht, das am 15. September vom Bundestag angenommen wurde. Der Bundesrat hat jedoch diesem Gesetz nicht zugestimmt.
f) Erfahrungsgemäß sind durch die Nachkriegsentwicklung die Randgebiete der Bundesrepublik, insbesondere die an die Sowjetzone angrenzenden Gebiete, von der strukturellen Arbeitslosigkeit am härtesten betroffen. Diesem Tatbestand wurde dadurch Rechnung zu tragen versucht, daß die Tarifgestaltung der Bundesbahn in ihrer Staffelung in besonders gelagerten Fällen den weitab liegenden Gebieten Vergünstigungen gewährt.
Wie bereits zu Punkt 2 der Interpellation ausgeführt wurde, ist es grundsätzlich nicht möglich, zur Behebung regionaler Notstände im Rahmen des ordentlichen Haushalts besondere Mittel vorzusehen. Die genaue, vor dem Abschluß stehende Tatbestandsaufnahme der Bundesregierung wird ergeben, welche Mittel außerhalb des ordentlichen Haushalts im Hinblick auf die gesamte Ausgabengestaltung des Bundes bereitgestellt werden können.
({2})
Die Beantwortung der Interpellation ist erfolgt. Ich frage, ob 50 Abgeordnete des Hauses die Besprechung wünschen. - Das ist nicht der Fall.
({0})
- Ich habe gefragt, ({1})
- Entschuldigen Sie, Herr Abgeordneter, die Besprechung findet dann statt, wenn 50 Abgeordnete des Hauses das verlangen. Ich habe die Frage gestellt und nicht bemerkt, daß sich außer Ihnen noch weitere 49 Abgeordnete gemeldet haben.
({2})
({3})
Ich frage noch einmal. - Ich stelle fest, daß 50 Abgeordnete die Besprechung verlangen. Die Besprechung der Interpellation findet statt.
Als erster hat das Wort Herr Abgeordneter von Thadden.-Drei Minuten!
von Thadden ({4}): Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers lassen hoffen, daß manches getan wird. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit besonders auf eine Stadt hinlenken, die vom Bundeswirtschaftsminister erwähnt, aber meines Erachtens in den bisherigen Planungen und ebenfalls in einem Antrag des Haushaltsausschusses - ich glaube, wir werden den Punkt morgen noch heranbekommen - nicht genügend berücksichtigt worden ist. Es handelt sich um die Stadt Wilhelmshaven, die völlig vernichtet worden ist, und zwar sowohl während des Krieges durch alliierte Bomber als auch nach dem Krieg durch alliierte Demontagemaßnahmen. In Wilhelmshaven haben wir die Höchstzahl der Arbeitslosen des gesamten Bundesgebiets, nämlich jeder Vierte ist arbeitslos. Das ist eine Zahl, die noch vor der von Berlin und Watenstedt-Salzgitter rangiert. Die Bundesregierung muß dieser Stadt, die auch Grenzgebiet ist, da sie am Meer liegt, das ihr aber verschlossen ist, meines Erachtens eine wesentlich großzügigere Hilfe leisten, als das bisher geschehen ist.
Etwas anderes kommt noch dazu. Diese Stadt ist reichsunmittelbare Stadt gewesen. Der Bund, der doch nun einmal Rechtsnachfolger ides Reiches ist, sollte sich dieser reichsunmittelbaren Stadt schon besonders annehmen.
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister davon sprach, daß die Notsymptome wirklich nur bei überdurchschnittlich betroffenen Gebieten berücksichtigt werden sollten, so möchte 'ich darauf hinweisen, daß diese überdurchschnittlich betroffenen Gebiete vornehmlich in Niedersachsen liegen. Niedersachsen ist meines Erachtens noch weit schlimmer daran, als das hier für Bayern dargestellt wird, das hier im Parlament allerdings über die größere Lautstärke verfügt.
({5})
Meine Damen und Herren, wir wollen der Hoffnung Ausdruck geben, daß die Bundesregierung über die in der Beantwortung der Interpellation angegebenen Maßnahmen hinaus für die von mir eben bezeichneten Gebiete noch wesentlich mehr tun kann; daß sie tut, was in ihren Kräften steht, daß aber für diese Gebiete die Mittel besonders vordringlich eingesetzt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solleder. Sie teilen die zwölf Minuten mit Herrn Abgeordneten Kemper, Herr Kollege!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erörterung über die Notstandsgebiete kann meines Erachtens nur dann fruchtbar sein, wenn wir uns darüber klar werden, was wir damit meinen und was bezweckt werden soll.
Notstand ist heute sicher an allen Ecken und Enden Deutschlands. Es kann sich also nur darum handeln, daß infolge der Veränderung der politischen Lage und der Struktur des Bundesgebiets un d infolge außerordentlicher Kriegseinwirkungen die Lebensfähigkeit von Gebieten in Frage gestellt ist. Und hier wiederum sticht uns die Frage des politisch begründeten Notstandes in die Augen. Da ist im Scheinwerferlicht der Weltpolitik uns allen klar, daß es in erster Linie Berlin ist. Es wird aber nicht so sehr beachtet, daß wir durch die neuen Grenzziehungen der Sowjetzone nach Osten hin in Deutschland einen toten Winkel erhalten haben und daß das darin liegende Gebiet in keiner Weise lebensfähig sein wird,
({0})
wenn nicht von Bundes wegen - und hier handelt es sich um eine echte Bundesaufgabe - Mittel und Wege gefunden werden, um dieses zum Tode verurteilte Land im Osten lebensfähig zu erhalten. Es handelt sich um Ostbayern.
Sie wissen: Ostbayern ist jenes Gebiet, daß von Norden her durch die Sowjetzone und im Osten durch die Tschechoslowakei und durch die österreichische Grenze abgeschnürt ist und nach Westen hin nur einen schmalen Weg hat und das seine ganzen Absatz- und Produktionsgebiete, die in dem wirtschaftlich hochentwickelten Mitteldeutschland lagen, verloren hat. Die dortigen Industrien sind zum Sterben verurteilt. Schon alsbald nach Eröffnung des Bundestags sind Anträge in der Richtung eingebracht worden, und der Bundestag hat auch in anerkennenswerter Weise beschlossen, daß insbesondere auf dem Gebiet der Frachterleichterung Mittel und Wege zur Hilfe gefunden werden müssen. Geschehen ist praktisch auf diesem Gebiet leider Gottes - ich muß es offen aussprechen - nichts. Die Folge ist, daß die dortigen Industrien bereits abwandern. Dabei handelt es sich um ein Gebiet mit etwa drei Millionen Menschen, wovon fast die Hälfte Flüchtlinge sind, die keine Wirtschaftsgrundlage haben, in landwirtschaftlichen Gegenden auf dem flachen Lande leben und insgesamt oder zum größten Teil der sozialen Fürsorge anheimfallen.
Dabei macht sich gerade in diesen Gebieten die östliche Infiltration außerordentlich bemerkbar. Natürlich ist es so, daß die Bolschewisten heute nicht mit der Larve der Kommunisten oder offen auftreten, sondern daß sie eben den Radikalismus schüren, wo sie können, und zwar so, wie es dem Volke mundgerecht ist. So mag es Ihnen vielleicht begreiflich erscheinen, daß gerade bei uns in Bayern diese oder jene radikalen Richtungen in Erscheinung treten. Das sind Infiltrationserscheinungen vom Osten her.
({1})
Das ist das Ausfallsgebiet für den Bolschewismus, das genau so exponiert ist wie Berlin, nur daß man dort schweigt und das Scheinwerferlicht der Welt dort nicht hingeworfen ist. Deshalb glaube ich, ihnen diese Dinge von dieser höheren Warte aus beleuchten zu müssen.
Wir werden Gelegenheit haben, bei der von mir und meinen Freunden eingebrachten Interpellation über die Frachterleichterung für dieses Gebiet noch besondere Erörterungen anzustellen. Ich darf mich also heute damit begnügen, Ihnen diese allgemeinen Gesichtspunkte vorgetragen zu haben. Nicht einig gehe ich damit, daß mit einer allgemeinen Kodifizierung eines Notstandsgebietes etwas gedient sei. Ich bin der Auffassung, daß man die Gebiete speziell ansprechen muß. Der Ausdruck „Notstand" ist zu allgemein, als daß man damit etwas anfangen könnte. Man muß erkennen, wo die Mängel liegen, und es muß durch gesetzgeberische Maßnahmen sofort gehandelt werden. Das Problem in Ostbayern ist insofern verhältnismäßig einfach zu
({2})
lösen, weil das Kernproblem ist: die Wiederherstellung der Verkehrslage, den Verlust der Standorte durch Frachterleichterungen und Straßenbauten auszugleichen, das Gebiet wirtschaftlich an den Westen heranzubringen. Doppelt gibt, wer schnell gibt! Das möchte ich insbesondere der Regierung sagen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Kemper. - Noch 7 Minuten, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich kurz fassen. Ich möchte Sie daran erinnern, daß, als die Ausschüsse allgemein gebildet wurden, auch ein Grenzlandausschuß geschaffen wurde und daß damit in der Bevölkerung der betroffenen Gegenden Hoffnungen erweckt wurden. Ich möchte Sie daran erinnern, daß ein Antrag hinsichtlich der so schwer geschädigten Roten Zone schon im September vorigen Jahres eingereicht worden ist, und auch daran erinnern, daß das Hohe Haus am 18. Januar einem Antrag zugestimmt hat, der die Bundesregierung ersucht, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Bildung eines Grenzlandfonds vorsieht. Heute hören wir von der Bundesregierung, was noch alles beabsichtigt ist.
Ich muß gestehen, daß wir enttäuscht sind. Wir hatten damals die Rote Zone im Sinn. Sie alle wissen, was ein so schwer geschädigtes Gebiet, wie es wohl kaum sonst in Deutschland anzutreffen ist, ein Grenzlandgebiet, bedeutet. Lassen Sie mich Ihnen ein paar Zahlen sagen, die zeigen, wieweit der Wiederaufbau in diesen Gebieten noch zurück ist. Nach der letzten Bodenbenutzungserhebung sind heute noch 15,4% weniger in Benutzung als im Jahre 1938. Der Wiederaufbau der zerstörten Gebiete geht so langsam vorwärts, daß bisher nur 12% an total zerstörten Gebäuden wieder hergestellt sind. Bei dem Viehbestand ist es so - ich spreche jetzt von einem bestimmten Kreise in der Roten Zone -, daß der Rindviehbestand noch mit 6,4 %, der Bestand an Kühen mit 24 %, der Bestand an 'Schweinen mit 23 % gegenüber früher im Rückstand ist. Noch heute bemühen sich unsere Bauern, die Werte für ihr Vieh, das sie bei der Viehräumungsaktion durch die deutsche Wehrmacht und durch die Partei Ende des Jahres 1944 und Anfang des Jahres 1945 verloren haben, wieder ersetzt zu bekommen. Bis jetzt haben sie aber noch nichts erhalten. Ich erinnere Sie daran, daß der Grenzkreis Saarburg, der hart an den Kreis Merzig des Saargebietes grenzt, eine finanzielle Zuwendung durch das Land Rheinland-Pfalz bekommen hat, die etwa ein Zehntel des Betrages ausmacht, den der Kreis Merzig, der im Saargebiet liegt, von seiner Regierung bekommt.
Meine Damen und Herren, die Not ist groß. Wir haben vor mehr als einem Jahr den Antrag nicht gestellt, damit das Problem, das uns vorschwebte, verallgemeinert wird. Wir waren der Auffassung, daß, nachdem der Bund gegründet wurde, nun vom Bunde aus eine Aufgabe übernommen werden müßte, die ein Land wie beispielsweise das Land Rheinland-Pfalz, das finanziell nicht stark ist, allein nicht lösen kann. Bisher haben wir uns aber erfolglos bemüht. Wir haben heute in der Roten Zone noch Straßenverhältnisse, die jeder Beschreibung spotten.
({0})
Solche Straßen müssen wir heute noch als Straßen erster Ordnung benutzen, nachdem unsere besten Straßen durch die Abtrennung bestimmter Teile des Kreises Saarburg in das Saargebiet gekommen sind.
Ich sprach von der Wiederauffüllung der Viehbestände. Unsere Bauern verstehen es nicht, daß auf der einen Seite alles Mögliche zur Behebung der Not getan wird - ich will hier nicht von Berlin sprechen; wir wissen, warum wir das tun müssen, und wir tun es gerne -, auf der andern Seite hier aber nicht ebenfalls schleunigst etwas unternommen wird.
Meine Herren von der Regierung, ich bitte Sie doch, nicht zu warten, bis das ganze Bundesgebiet seine Erhebungen fertiggestellt hat. Wir brauchen einen Grenzlandfonds. Sie müssen über diesen Fonds verfügen können, um die schwerste Not, die ernsteste Not - und sie ist bei uns sehr ernst - zu beheben. Während also vom Bund bisher eine Grenzlandhilfe nicht erfolgt ist, stellt man vergleichsweise das gegenüber, was da drüben im Saargebiet getan wird. Ich beispielsweise, der ich diesen Grenzkreis vertrete, bin nicht mehr in der Lage, meinen Wählern klarzumachen, warum wir bei diesem Etat von 13 Milliarden nicht in der Lage gewesen sind, etwas zu tun. Es sind zwar 3 Millionen für volkstumspolitische Aufgaben eingesetzt worden, obwohl wir 10 Millionen verlangt hatten; diese 3 Millionen sind aber für das ganze Gebiet ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich werde mir erlauben, demnächst im Haushaltsausschuß oder hier Anträge zu stellen, hier und da Positionen zu kürzen, um damit einen Grenzlandfonds zu bilden. Wir müssen etwas tun. Ich bitte Sie, meine Herren von der Regierung, sich die Sache zu überlegen, ob nicht doch durch einen entscheidenden Schritt etwas Wirksames getan werden kann, um 'den am schwersten betroffenen Gebieten dieser Roten Zone so zu helfen, wie es notwendig ist.
({1})
Von der SPD haben sich bisher zum Wort gemeldet die Herren Abgeordneten Höhne, Cramer und Jacobs. Die Herren werden sich in 12 Minuten Redezeit teilen müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.
Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute schon wieder einmal mit einem Notstandsproblem und bleiben immer wieder in Erklärungen stecken. Wir haben vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß Mittel für die Notstandsgebiete ausgeworfen sind. Dabei haben wir aber wenig über die Mittel erfahren, die in die bayerischen Ostgebiete und gerade in den Bayerischen Wald hinein ausgegeben worden sind.
Für den Bayerischen Wald möchte ich mit besonderer Vordringlichkeit sprechen. Es genügt doch nicht, wenn wir mit Pflastern und Pflästerchen Notstandsmaßnahmen durchführen wollen. Echte und wirkliche Hilfe kann nur durch ein Arbeitsbeschaffungsprogramm geleistet werden, durch das das ganze Problem frontal angepackt und in allgemeiner Zusammenfassung behandelt wird. Es genügt doch nicht, daß hier und da einmal ein paar Kilometerchen Straßenpflaster erneuert und daß kleine Dinge in Angriff genommen werden, die keine Generallösung ermöglichen. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Notstandsgebiete ist notwendig, um den Grenzgebieten, in erster Linie
({0})
' den ostbayerischen Gebieten, zu einer selbständigen, wettbewerbsfähigen Existenz zu verhelfen. Die Notlage ist doch dort, wie der Abgeordnete Dr. Solleder schon erklärt hat, nicht durch eigenes Verschulden entstanden. Diese Gebiete Ostbayerns haben die schwere Aufgabe, sich heute ein neues Absatz- und ein neues Wirtschaftsgebiet zu erschließen. Die ostbayerischen Gebiete waren früher wirtschaftlich fast ausschließlich mit den heute in Ostdeutschland befindlichen Wirtschaftszweigen verbunden. Durch den Eisernen Vorhang ist das ostbayerische Gebiet in eine aussichtslose Sackgasse hineingeraten. Nur durch ein umfassendes Arbeitsbeschaffungsprogramm, verbunden mit Verkehrs- und Frachterleichterungen, kann hier etwas geändert werden.
Wie schlimm es dort aussieht, mag Ihnen ein Artikel in der „Neuen Zeitung" von heute sagen. Kreise wie Flossenbürg, das in der Hauptsache Steinindustrie hat, also eine Industrie, die heute faktisch den Aufträgen nicht genügen dürfte, die entsprechend den Arbeitsbeschaffungsplänen im Zusammenhang mit dem Wohnungsbauprogramm da herumschwirren, haben eine Erwerbslosigkeit von 90 %. Das kann doch nicht der Sinn der Regierungsmaßnahmen sein, hier mit kleinen Pflästerchen zu arbeiten. Damit ändern wir an dem Notstand nichts. Bei einer Bevölkerungsdichte von 230 Menschen auf den Quadratkilometer, wie es in Ostbayern der Fall ist, haben wir eine Wohndichte von 2,5 Personen auf einen Raum. In Hessen haben wir dagegen nur 1,7 Personen pro Wohnraum. Wenn ich noch einen stärkeren Vergleich heranziehen darf, so möchte ich erwähnen, daß Schleswig-Holstein, das auch überbelegt ist, nur eine Belegungsziffer von 2,1 hat, während, wie erwähnt, in den Ostgebieten Bayerns 2,5 Personen auf einen Wohnraum entfallen. Die Fürsorgeaufwendungen steigen ins Unermeßliche und stehen in keinem Verhältnis zu den Steuereinnahmen. Ostbayern hat im Monat pro Kopf der Bevölkerung 2,8 DM auszugeben, während Hessen 1,7 DM und Schleswig-Holstein 2,41 DM zu leisten hat. Diese Zahlen sind ein erschütternder Beweis für die dortigen Verhältnisse.
Die Verkehrsferne, die unser Gebiet zu verzeichnen hat, tritt jetzt um so stärker in Erscheinung, je mehr wir in Wettbewerb mit dem Westen treten müssen. Es müssen für Ostbayern neue Absatzgebiete erschlossen werden. Die Verkehrsferne macht es uns unmöglich, die Rohstoffmöglichkeiten in unserem Gebiet auszunutzen. Wir haben weder in der Steinindustrie noch in der Holzindustrie die Möglichkeit, frachtenmäßig konkurrenzfähig zu werden, wie das für die westliche Industrie der Fall ist.
Was die Kohle angeht, so müßte diese in unserem Gebiet erschlossen werden. Wir werden demnächst einen Kohlenmangel erleben, der an die Jahre 1945/46 erinnert. In unserem Gebiet liegt die Braunkohle in einer Mächtigkeit von 40 bis 50 Millionen Tonnen ungenutzt in der Erde. Die Braunkohlengruben sind erschlossen und sind wieder stillgelegt worden, weil die Ruhrkohle anscheinend mehr Verdienst verspricht als die verkehrsferne Braunkohle ides ostbayerischen Raumes.
Alle diese Dinge müssen doch zu denken geben. Wenn ich Ihnen sage, daß allein die Kohlenwirtschaft, der Kohlenbergbau in unserem Gebiet 2000 Menschen ernähren und beschäftigen könnte, dann mögen Sie daraus das Ausmaß der notwendigen Hilfe und die Möglichkeiten an sich erkennen. Ostbayern verlangt nichts Unbilliges. Ostbayern verlangt vom Bund nur Hilfe für die Schäden, die ihm durch die Änderung der wirtschaftlichen Struktur zugefügt worden sind, nicht mehr und nicht weniger. Dabei kann es meines Erachtens nicht bei Erklärungen und Deklamationen sein Bewenden haben. Hier muß planmäßig an die Dinge herangegangen werden.
Ich möchte die Regierung ersuchen, baldigst einen Arbeitsbeschaffungsplan betreffend Beseitigung der Notzustände im ostbayerischen Raum aufzustellen. Das ist notwendig, wenn wir nicht schlimmsten Schäden entgegengehen wollen, die dann nicht allein dieses notleidende Gebiet, sondern letzten Endes wegen der mangelnden Widerstandskraft dieses Volkes den Staat treffen.
({1})
Herr Abgeordneter Cramer, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, heute hier zu sprechen, weil das Problem Wilhelmshaven morgen auf der Tagesordnung steht und wir dann genügend Gelegenheit haben, ausführlich darüber zu sprechen. Ich möchte heute nur ganz kurz betonen, daß Herr von Thadden und Genossen nicht das Recht haben, hier für Wilhelmshaven das Wort zu ergreifen; denn sie - Herr von Thadden weniger, aber seine Genossen in Wilhelmshaven - haben seit 1945 bis heute nichts, aber auch gar nichts getan, um den Notstand in Wilhelmshaven zu beseitigen.
({0})
Nachdem jetzt der Notstand in Wilhelmshaven so groß geworden ist, daß Sie glauben, daraus politisches Kapital ziehen zu können, stellen Sie hier Anträge aus rein parteipolitischen, agitatorischen Gründen.
({1})
Als 1945 Wilhelmshaven dem Meeresboden durch Überflutung gleichgemacht werden sollte, haben Sie nicht den Mut gehabt, den Besatzungsmächten gegenüberzutreten und zu verlangen, daß dieses Land, diese Stadt erhalten bleibt.
({2})
Sie waren damals einfach nicht vorhanden, weil
Ihnen die damalige Situation zu gefährlich erschien.
({3})
Heute haben Sie den Mut, heute glauben Sie wieder in der Öffentlichkeit reden und aus der Notlage politisches Kapital schlagen zu können. Dagegen wehren wir uns mit aller Entschiedenheit, und wir werden morgen darüber noch ein weiteres Wort zu reden haben.
({4})
Das Wort hat weiter !der Herr Abgeordnete Jacobs.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn in der Beantwortung der Interpellation durch den Herrn Wirtschaftsminister namens des Kabinetts davon gesprochen wurde, daß man bei dem Notstandsprogramm von bestimmten Kriterien ausgegangen sei, die die im Moment gegebenen Notstandsauswirkungen zur Grundlage hätten, so wäre an sich nichts dagegen einzuwenden, wenn nicht bei diesen Kriterien von Größenordnungen ausgegangen worden wäre, die
({0})
den tatsächlichen Verhältnissen der in einzelnen Reden schon angeführten Zonen- und Gebietsteile nicht Rechnung tragen. Gewiß, ich weiß, daß die sogenannte Rote Zone und damit das Land Rheinland-Pfalz in seiner Gesamtheit allzusehr das Opfer einer durch die Besatzungsmacht, nämlich von der französischen Besatzungsmacht betriebenen Politik des Cordon sanitaire in der Vergangenheit gewesen ist und damit den Anschluß an die Bedingungen der Umwelt verloren hat, so daß das Land heute Gefahr läuft, auch im Rahmen der Tätigkeit der Bundesregierung, die ihre Politik allzusehr aus der Perspektive der ehemaligen Bizone zu betrachten pflegt, zu kurz zu kommen. Das darf nicht an der Tatsache vorbeisehen lassen, daß in diesem Land mit seiner Roten Zone die Wirkungen nachteiliger Art nicht erst durch den Krieg und die Nachkriegsfolgeerscheinungen entstanden sind, sondern weitgehend im Zuge der Vorbereitungen zu diesem Krieg. Ich erinnere nur an den Bau des Westwalls und an die dabei bewußt unterbliebenen notwendigen Instandsetzungsarbeiten an den Straßen und dergleichen mehr.
Es ist wirklich so. Man muß von den dem modernen Zeitalter spottenden Verhältnissen unserer Straßen wissen, um überhaupt zu erkennen, welche Maßnahmen notwendig sind, um in diesem Gebiet Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß dieses Gebiet nicht dadurch zu einem politisch gefährlichen Gebiet wird, wenn der Eindruck entsteht, bei der Bundesregierung liege nicht das notwendige Verständnis dafür vor. Meinem Herrn Kollegen Kemper, der die Ehre hatte, als Vertreter seines Wahlkreises auf die Nöte hinzuweisen, möchte ich sagen, daß auch meine Fraktion sicherlich sehr gern bereit ist, seinen Antrag gegenüber der von ihm gestützten, aber auf diesem Ohr recht harthörigen Bundesregierung zu unterstützen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
({0})
- Um keinen Irrtum aufkommen zu lassen, bemerke ich, daß der Herr Abgeordnete Ewers das Wort hat, nicht der Herr Abgeordnete Dr. Edert. Beide Namen beginnen allerdings mit E, und insofern kann ein Irrtum vorliegen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Melodie des Uhlandschen Liedes: „Preisend mit viel schönen Reden" treten, wenn es sich darum handelt, ihre Not dem Volke zu klagen, hier die Redner hin und preisen leider nicht ihrer Länder Macht und Zahl, sondern ihrer Länder große Not. Wenn wir schon von der Not der Länder in allen Landstrichen reden, dürfen wir das Wort Schleswig-Holstein in der Debatte nicht vermissen. Seine Not ist zwar so bekannt, daß es zwecklos wäre, bei diesem allgemeinen Thema groß davon zu reden. Auch die Zahl, die der Herr Bundesminister zur Behebung der Not genannt hat, nämlich die Zahl von 9,5 Millionen DM für Wasserarbeiten gegenüber dem „blanken Hans", ist nur ein Tropfen auf einen heißen Stein. Diese Summe reicht bei weitem nicht aus, um dort im Land das zu erstellen, was für die gesamte Wirtschaft dringend geboten wäre und was das Land aus eigenen Kräften unmöglich leisten kann.
Wenn ich Ihnen die Ursache der Not dieses Landes kurz noch einmal schildern darf, so genügt wohl der Hinweis darauf, daß meine Heimatstadt Lübeck die einzige Großstadt des Bundes ist, deren Straßenbahn unmittelbar „zur Zonengrenze" führt. Was es für ein Gemeinwesen bedeutet, wenn plötzlich vor den Vororten der Eiserne Vorhang heruntergeht und dort nur ein beklagenswerter schwarzer Grenzverkehr getrieben wird, der die ordentliche Wirtschaft stört, sonst aber alle Beziehungen abgerissen sind, wenn eine Stadt wie Lübeck, die bis dahin der westlichste Hafen der Ostsee war, heute der östlichste ist und ihre bisherigen Beziehungen restlos verloren hat, wenn in einer Stadt wie Kiel, die Reichskriegshafen war, die eine Beamten- und Militärstadt war, die gesamten Kriegsbetriebe, die leicht auf Friedensindustrie hätten umgestellt werden können, bis zu den Kaimauern gesprengt wurden, wenn dort eine Einwohnerschaft, gewerbstüchtig und fleißig, sitzt, der die Betriebe weggenommen wurden, und wenn im gesamten Lande sämtliche Mittel- und Kleinstädte eine Überbelegung von mehr als 100 % haben, so kann man sich leicht ausmalen, daß dieses Land eben nicht nur in gewissen Landstrichen, sondern als Ganzes die Frage aufwirft, ob es lebensfähig ist.
Ich möchte es begrüßen, daß das Bundeswirtschaftsministerium Grundsätze aufgestellt hat, um diesem werbenden Notgeschrei der verschiedenen Landstriche etwas entgegenzusetzen, was eine feste Grundlage für die Beurteilung bilden soll. Ich möchte weiter darum bitten, daß in diesem Rahmengesetz klargestellt wird, was eigentlich „Notstandsgebiet" heißt. Bis heute bedeutet es meines Wissens nur, daß bei der Vergebung von öffentlichen Arbeiten eine Preisüberschreitung von 10 % noch als Mindestpreis gilt, eine sehr magere Angelegenheit, die uns nicht erheblich beeindruckt. „Notstandsgebiet" müßte heißen, daß mit Bundesmitteln aus dem außerordentlichen Haushalt regelmäßig ein Zuschuß zu den öffentlichen Aufgaben geleistet wird, weil sich diese Gebiete unmöglich aus eigener Steuerkraft halten können.
Vor einem „Gesamtprogramm" der Arbeitsbeschaffung möchte ich ausdrücklich warnen. Dieses Gesamtprogramm kann nur Einzelobjekte enthalten, während es sich um die Schaffung von dauernden Arbeitsplätzen handeln muß. Darüber haben an sich die Länder zu bestimmen. Nur dafür, mit welchen Mitteln sie rechnen können, was für Hilfe vom Bund es gibt, muß man die gesetzliche Grundlage schaffen.
Wir würden es aus allen Landstrichen wärmstens begrüßen, wenn das nun möglichst bald geschehen würde. Daß gewisse Vorarbeiten nötig waren, wird billigerweise jeder anerkennen. Daß aber nun für alle insbesondere längs der Zonengrenze liegenden Gebiete diese Aktion nicht noch weiter vertagt wird, das ist unser aller Wunsch, den ich hier noch einmal laut und deutlich hervorheben möchte.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Angst, daß ich Ihnen meinen Wahlkreis als Notstandsgebiet vorschlagen werde.
({0})
Meine Freunde sind der Meinung - ({1})
({2})
- Herr Dr. Greve, wir wollen uns hier nicht - ({3})
Meine Freunde sind der Meinung, daß das, was uns der Herr Bundeswirtschaftsminister gesagt hat, durchaus die Aussicht eröffnet, daß wir auf dem Wege der Notstandsgebiete rechtzeitig weiterkommen werden. Wir haben aus der Bearbeitung von solchen Notstandsgebieten, an denen ich als niedersächsischer Abgeordneter mitgearbeitet habe, die Zuversicht, daß die Dinge erkannt sind und mit der nötigen Intensität erarbeitet werden.
Gestatten Sie mir hier ein Wort über die Debatte, die zu der allgemein gehaltenen Interpellation abgerollt ist. Wir beklagen alle, daß wir im Bundestag für notwendige Arbeiten sehr wenig Zeit haben. Man fragt sich doch unwillkürlich, ob es bei einer so allgemeinen Interpellation notwendig ist, daß jeder Vertreter eines Notstandsgebietes hier auf seine lokalen Nöte hinweist. Darauf kommt es doch bei einer allgemeinen Regelung der Dinge überhaupt nicht an.
({4})
- Einen Augenblick, lassen Sie mich ruhig einmal sprechen. Ich denke über die Dinge genau so positiv wie Sie, Herr Kollege. Nur möchte ich auf eine andere Arbeitsmethode hinsteuern. Wir beklagen uns sehr oft, daß das Parlament von der Regierung überspielt wird. Warum benutzen wir denn als Parlament nicht einmal die Möglichkeit, die Regierung zu überspielen, und sagen ihr einmal klipp und klar: Wir geben nicht nur einen Katalog der Notstandsgebiete - denn das haben wir bisher getan -, sondern wir bitten, die Notstandsgebiete so und so zu definieren; wir schlagen hierfür folgende grundsätzliche Regelungen vor, wir bringen weiterhin folgende konkrete Einzelheiten in Vorschlag usw.? Davon habe ich in der Debatte - und ich sagte Ihnen, mich hätte es selber sehr interessiert, weil ich in der Arbeit der Dinge mitten drinstehe - bisher noch nichts gehört. Dies wäre um so leichter gewesen, als der wirtschaftspolitische Ausschuß dieses Hauses sich auf Grund zahlreicher Einzelanträge, die einzeln eben nicht gelöst werden können, bereits ausführlich mit den Dingen befaßt hat. Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat damals die Bundesregierung gebeten, Grundsatzrichtlinien auszuarbeiten. Diese Grundsatzrichtlinien sind inzwischen ausgearbeitet, sind dem Ausschuß mitgeteilt worden und haben, wenn ich mich nicht irre, den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers zugrunde gelegen. In Wirklichkeit ist also die Angelegenheit schon viel weiter, als hier in der Diskussion zum Ausdruck gekommen ist.
Ich bitte, als Hauptsinn meiner Ausführungen diese grundsätzliche Seite zu betrachten, und möchte die Bundesregierung nur bitten, das in Angriff genommene Werk möglichst schnell durchzuführen, damit es besonders wirksam wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Edert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein verehrter Herr Kollege Ewers, mit dem ich immer verwechselt werde, hat schon ausgeführt, daß es eigentlich überflüssig sei, über die Notlage Schleswig-Holsteins zu sprechen. Ich werde mich daher ganz kurz fassen. Ich möchte Ihnen nur noch einmal sagen, daß es sich hier um ein Land handelt, das früher nicht ein Notstandsgebiet gewesen ist, sondern sich bis 1945 einer sehr gesunden Wirtschaft erfreut hat. Unter den preußischen Provinzen stand es noch als Steuerzahler an dritter Stelle, und erst durch den Zusammenbruch 1945 ist es in eine schwere Notlage hineingeraten. Wir hatten es bis dahin nicht nötig, von jedem Monatsersten zum andern herumzugehen und um Überbrückungskredite zu bitten, um die notwendigsten Gehälter zu bezahlen. Noch am letzten Monatsersten ist es nur möglich gewesen, die Hälfte der Gehälter der Beamten zu bezahlen, weil die Kassen einfach leer sind.
Die Ursachen dieser Notlage sind auch der Bundesregierung bekannt. Sie bestehen nicht allein in der Verkehrsferne; eine einzige Brücke verbindet Schleswig-Holstein mit der Bundesrepublik, wie es früher der Korridor zwischen Ostpreußen und dem Reich tat. Die Ursachen liegen nicht nur darin, daß wir wirtschaftlich vom Industriezentrum so weit entfernt sind, daß unsere Industrie wegen der hohen Kohlenpreise nicht konkurrieren kann. Sie liegen nicht nur darin, daß der Eiserne Vorhang das Land vom Osten abschließt, daß Lübeck, Flensburg, Kiel, fast die schönsten Häfen, die wir haben, mit ihrem Handel nach dem Osten lahmliegen, daß durch Demontage der Kriegswerften fast 100 000 Arbeitsplätze leer geworden sind, sondern die vielleicht größte Not liegt in der Überflutung mit Heimatvertriebenen. Wir haben eine Bevölkerungszunahme von 73 %. Das ist eine so ungeheure Masse, daß das Land sie einfach nicht tragen kann. Darüber wird in anderem Zusammenhang zu reden sein.
Ich will nur eins noch hinzufügen. Dieses Land ist das einzige, das zur selben Zeit von einer nationalpolitischen Gefahr bedroht ist. Hier wird die Not des Landes von der Gegenseite, von einer nationalpolitischen Bewegung benutzt, die von Dänemark unterstützt wird, um das Land Schleswig für sich zu gewinnen. Hier liegt eine ganz große Gefahr. Sie war zu den Zeiten der Bundeswahlen zurückgegangen, als die Bevölkerung hoffte, daß der Bundestag ihr helfen würde. Diese Bewegung ist wieder im Anschwellen begriffen, weil die Hoffnungslosigkeit oben an der Grenze immer stärker wird.
Vor ein paar Tagen hat der Herr Finanzminister hier gesagt, man müsse Berlin helfen, damit nicht durch Arbeits- und Mutlosigkeit der Wille zum Widerstand geschwächt würde. Genau dasselbe trifft für die Nordgrenze zu. Ich bitte daher die Bundesregierung dringend, dieses Land bei ihren Beratungen und bei ihren Maßnahmen in erster Linie zu berücksichtigen.
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Der Herr Abgeordnete von Thadden hat vorhin eine Minute nicht ausgenutzt und wünscht, diese Minute noch zu verwenden.
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von Thadden ({1}): Meine Damen und Herren! Wenn hier erklärt wurde, wir hätten kein Recht, über Wilhelmshaven zu reden, weil wir 1945 nicht dagewesen seien, so möchte ich demgegenüber hier ganz kurz erwähnen, warum wir 1945 nicht da waren.
({2})
({3})
Weil Sie ({4}) nämlich mit Ihren Leuten damals dafür gesorgt haben - in dauernden Gängen zur britischen Militärregierung -, daß wir nirgends zugelassen wurden, wo wir uns um die Zulassung bewarben. Aus diesem Grunde ist es höchst einfach, daß wir damals nicht in Erscheinung treten konnten und erst an dem Tage kommen konnten, als wir unter dem Druck der Zeit zugelassen werden mußten. Daß Ihr Ärger über uns in Wilhelmshaven besonders groß ist, das ist außerordentlich verständlich, nämlich deshalb, weil wir Ihnen die Wähler damals in ziemlich beträchtlicher Menge abgetrieben haben. Daß Sie das wurmt, kann ich verstehen. Ich bin außerordentlich zufrieden, daß es in Wilhelmshaven gedämmert hat. Und alle anderen Parteien, CDU, FDP, DP und wir im „Vaterstädtischen Bund" in Wilhelmshaven bemühen sich, daß die rote Minderheit bei den nächsten Wahlen auch eine rote Minderheit im Stadtparlament werden soll.
({5})
Herr Abgeordneter Volkholz hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Höhne noch ergänzen, der sehr treffend die Lage bei uns im Bayerischen Wald geschildert hat. Ich möchte sie deshalb ergänzen, weil in diesem Hause anscheinend bei einigen Herren die Ansicht herrscht, daß bei uns am lautesten gerufen wird. Das stimmt nicht. Laut Statistik ist tatsächlich der Bayerische Wald mit der größten Arbeitslosenzahl bedacht, und diese Statistik, glaube ich, wird an sämtliche Abgeordnete dieses Hauses verteilt.
Ich möchte auch die Ausführungen des Herrn Regierungsvertreters ergänzen, der erklärt hat, daß das Arbeitsbeschaffungsprogramm für die Notstandsgebiete in diesem Jahre angelaufen sei. Es nützt nichts, wenn in einem Arbeitsbeschaffungsprogramm Gelder zur Verfügung gestellt werden, die unsere armen Kreise nicht benutzen können. Bei uns sind Gelder verteilt und auch, glaube ich, zugewiesen worden, welche die Kreise ablehnten, weil dadurch eine zu große Belastung für unsere Kreise entstehen würde. Es nützt nichts, wenn Gelder gegeben werden, für die die Landkreise auf Jahre hinaus 10 % Zinsen bezahlen müssen. Es ist eine Tatsache, daß bei uns verschiedene Kreise nicht in der Lage sind, die Grundförderung nutzbar anzuwenden, weil sie die Grundfinanzierung nicht aufbringen können. Auch hier müßte endlich helfend eingegriffen werden, damit gerade diese Grundfinanzierungen durchgeführt werden können. Wir betrachten es auch als Ungerechtigkeit, daß unser Gebiet, das die größte Arbeitslosigkeit aufweist, der Bayerische Wald, im Rahmen des Finanzausgleiches vergessen worden ist, während andere Gebiete bis zu 20 Millionen erhalten haben. Wir bitten, diese Punkte zu berücksichtigen und unser Gebiet wirklich als erstes unter .die Notstandsgebiete der Bundesrepublik einzuordnen.
({0})
Als letzter Redner hat sich Herr Abgeordneter Dr. Harnacher zum Wort gemeldet.
({0})
- Nein, bisher niemand mehr. - 5 Minuten, Herr Abgeordneter!
Aus der großen Zahl der Redner aus den einzelnen Landschaften war schon zu ersehen, daß es sich bei dieser Vorlage um eine gesamtdeutsche Angelegenheit handelt.
({0})
Wir haben von allen Rednern gehört, daß alle Grenzlande stärkstens gefährdet sind. Wenn wir nach der tieferen Ursache dieser Gefährdung der deutschen Grenzlande suchen, dann müssen wir an die geschichtliche Unterlassungssünde anknüpfen, die in den letzten Jahrhunderten auf diesem Gebiet immer wieder von Deutschland her zu beklagen ist. Während die Nachbarn Deutschlands eine intensive und offensive Grenzlandpflege betrieben haben, haben die deutschen Grenzlande unter dem Mangel einer starken Zentralgewalt und auch darunter gelitten, daß ihre Pflege stärkstens vernachlässigt wurde. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, daß nun im Rahmen der gesamtdeutschen Angelegenheiten ein Gesetzgebungswerk auf Bundesebene gefordert wird, und ich möchte im Namen des Zentrums der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses Werk möglichst bald zustandekommt.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung der Interpellation. Anträge sind nicht gestellt. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Hausbrandversorgung ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 30 Minuten, für die Aussprache 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Wer wird die Interpellation begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Koch.
Dr. Koch ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits am 17. Oktober 1950 hat die sozialdemokratische Fraktion die Interpellation wegen der Hausbrandversorgung eingebracht und darin die Bundesregierung gefragt:
Was hat die Bundesregierung getan oder was beabsichtigt sie zu tun, um für den Hausbrand rechtzeitig ausreichende Mengen zu tragbaren Preisen zur Verfügung zu stellen?
Heute, meine Damen und Herren, etwa vier Wochen später, reicht es nicht mehr aus, nur über die Hausbrandversorgung zu sprechen. Wir müssen, wenn wir vorn Hausbrand sprechen, über die Gesamtkohlenlage sprechen, und wenn wir über die Kohlenlage sprechen, müssen wir uns auch mit der Wirtschaftspolitik befassen, die zu dieser Kohlenlage geführt hat.
({2})
Noch am 8. November, also heute vor einer Woche, hat in Köln der Bundeswirtschaftsminister Professor Dr. Erhard auf der Kundgebung des Bundesverbandes der Industrie erklärt, daß „es nach der statistischen Lage bei der Kohle keinen drückenden Engpaß geben könne".
({3})
Am 8. November, meine Damen und Herren! Und nach dieser Feststellung - auf Grund der „statistischen Lage", betone ich noch einmal - schloß er dann - ein neuer Palmström, kann man wohl sagen - „messerscharf, daß nicht sein kann, was nicht sein darf."
({4})
Inzwischen ereilen uns nun aus allen Bezirken des Bundesgebietes alarmierende Nachrichten, und in den letzten Tagen und Stunden verdichten sich diese Hiobsbotschaften zu einem düsteren Gemälde einer Kohlenkatastrophe. Schon in der Haushaltsdebatte hat mein Fraktionsfreund Schoettle auf diese Zustände hingewiesen. Seitdem hören wir .aus Pressemeldungen, daß sich die Situation immer mehr zuspitzt. Ich möchte nur einige wenige der Presseüberschriften aus den letzten Tagen bekanntgeben: „Opel-Werke werden am 17. November schließen müssen", „Kohlenknappheit gefährdet Produktion der Opel-Werke", „Angespannte Ferngasversorgung", „Einführung der Kohlenkarte wäre gerecht". schreibt eine neutrale Zeitung, „Stromeinschränkung wegen Kohlenmangel geplant", „Weitere Stromeinschränkungen", „Auch in Bayern Energiekürzungen" usw. Heute morgen lesen wir in der „Neuen Zeitung", der von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister eingesetzte Kohlenkommissar habe angekündigt, daß für die Haushaltungen in diesem Winter nur „kleinste Mengen Brennstoff" - kleinste Mengen Brennstoff! - zur Verfügung stehen.
({5})
Was Opel angeht, meine Damen und Herren, so muß festgestellt werden, daß dieses Werk, selbst wenn es heute schlösse, nicht einmal in der Lage wäre, seinen Notbetrieb mit den vorhandenen Kohlen den Winter über durchzuhalten. Was für Opel gilt, gilt für viele Betriebe der Industriegruppe Steine und Erden, die der drittgrößte Kohleabnehmer ist. Uns liegen weiter Telegramme vor von den Regierungspräsidenten aus Kassel und Darmstadt, wonach die Gefahr besteht, daß die Krankenhäuser und Altersheime nicht mehr versorgt werden könnten.
({6})
Dort rechnet man mit kalten Operationssälen! Man rechnet mit einer Kürzung der Zuteilungen an die Eisen- und Stahlindustrie in Höhe von 10 bis 18 %. Das wird die ganze Wirtschaft treffen. Bereits in zwei Hüttenwerken soll je ein Hochofen stillgelegt worden sein. Im Bielefelder Raum, berichtet die „Welt", schloß ein Stahldrahtwerk, obwohl es eine glanze Reihe von Exportaufträgen vorliegen hat. Wir hören von Stromeinschränkungen und von Beschränkungen in der Gasversorgung. Der Präsident des Württembergischen Gemeindetages, unser Kollege Kalbfell, hat uns einen Brief geschrieben, in dem er zum Ausdruck bringt, daß die Kohlenversorgungslage der Gaswerke dort unten im Süden katastrophal sei.
Seit Wochen schon - so schreibt er bemühen sich die Verbände bei den zuständigen Stellen in Bonn um eine Besserung der Kohlenanlieferung.
Nun habe ich noch einen Kronzeugen für die Gefahr der Situation. Herr Professor Erhard selbst weist nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung" vom 11. November mit Rücksicht auf die bedrohlich niedrigen Wasserreserven und die verringerten Kohlenbestände darauf hin, daß - und nun zitiere ich wörtlich jede Verzögerung in der Durchführung der von ihm angeordneten Einschränkungsmaßnahmen zu einer katastrophalen Entwicklung der Stromversorgung im kommenden Winter führen müsse.
Das sagt der für diese Zustände verantwortliche Mann!
({7})
Meine Damen und Herren, wir sind beinahe so weit, daß wir auf diesem Gebiet - wir haben eben von Notstandsgebieten gesprochen - bald den Bereich der ganzen Bundesrepublik zum Notstandsgebiet für Kohle erklären könnten.
({8})
Was aber von allem das schlimmste ist: es mangelt an der Hausbrandversorgung! Die Berichte von Bürgermeistern, Oberbürgermeistern und Landräten sprechen übereinstimmend davon, daß auf diesem Gebiet eine Katastrophe eintreten könnte. Ich habe Ihnen mitgeteilt, was heute morgen der Kohlenkommissar angekündigt hat. Diese Hausbrandsorgen sind eine Volksangelegenheit, die die letzte Hausfrau bedrückt und empört, meine Damen und Herren, um so mehr bedrückt, als sie bis vor kurzem noch von verantwortlicher Stelle in Sicherheit gewiegt worden ist. Da sagt Herr Prof. Erhard, der für diese Lage verantwortlich ist, „der Verbraucher hat versagt",
({9})
der Verbraucher habe trotz aller Aufforderungen im Sommer nicht dafür gesorgt, sich Kohle ins Haus zu legen.
({10})
Meine Damen und Herren! Müssen wir denn immer wieder daran erinnern, wie schwach die Kaufkraft in der deutschen Bevölkerung bei den steigenden Preisen in dieser sozial verpflichteten Marktwirtschaft ist? Müssen wir daran erinnern, wie groß der Nachholbedarf ist? Müssen wir daran erinnern, daß Millionen von Mitbürgern noch nicht einmal den notwendigsten Wohnraum haben,
({11})
geschweige denn den erforderlichen Lagerraum, sich
im Sommer Kohle für den kommenden Winter hinzulegen? Wo soll man in einem Volk das Geld für
die Lagerhaltung hernehmen, wenn 60 % der Einkommen, wie wir in der Haushaltsdebatte hörten,
unter 250 DM monatlich liegen? Dem Verbraucher
wurde außerdem von den verantwortlichen Stellen
der Wirtschaftspolitik immer erklärt, die Preise
hätten sich ausgependelt, sie hätten ihren Höhepunkt erreicht, sie könnten nur noch sinken. Und
heute sagt man ihnen, sie hätten falsch gehandelt.
Was haben Sie denn anders getan, als der Wirtschaftspolitik des Herrn Prof. Erhard zu folgen?
({12})
Herr Professor Erhard wendet sich in vielen Reden gegen den Normalverbraucher; ich glaube, wir kommen jetzt zu einem Unternormalverbraucher!
({13})
Nun noch einige Ziffern, die in diesen Zusammenhang gehören. Wenn ich den Durchschnitt der Jahre 1935 bis 1938 mit 100 ansetze, so haben im Januar bis Dezember dieses Jahres an Kohle verbraucht: die Bahn 96%, ,die E-Werke 194%, die Gaswerke 196 %, Hausbrand und Kleinverbraucher aber, wozu zum Beispiel das gesamte Handwerk gehört, nur 55,4 %.
({14})
Ich glaube, daß auf diesem Gebiet, bei diesem
Posten kaum eine Möglichkeit weiterer Einsparung
({15})
besteht. Und gerade dieser Verbraucher, der sowieso schon mit Rücksicht auf sein schmales Portemonnaie vorsichtig im Verbrauch sein muß, wird heute aufgefordert, nun seinen Kohlenverbrauch einzuschränken, nach dem Motto - wir sind es ja gewöhnt in dieser Marktwirtschaft -: den Letzten beißen die Hunde.
({16})
In dieser Situation, die ich Ihnen schildern
mußte, um Ihnen den Ernst der Lage zu zeigen,
soweit das notwendig war, sagt der Bundeswirtschaftsminister, „nach der statistischen Lage" könne
es „keinen bedrohlichen Engpaß bei der Kohle
geben". In der Diskrepanz zwischen diesem unverzeihlichen Optimismus, von dem schon bei der
Haushaltsberatung die Rede war, und den tatsächlichen Verhältnissen liegt das Verschulden des
Bundeswirtschaftsministers und der Regierung,
der er angehört. Dieser Optimismus, meine Damen
und Herren, hat in einer Zeit, in der von allen
Seiten auf den Engpaß Kohle hingewiesen wurde,
zu einem verantwortungslosen Nichtstun geführt.
({17})
In einer Zeit, in der man planend und vorausschauend auf den Winter sich hätte einrichten können, hat die Regierung die Dinge laufen lassen. Von dieser Verantwortung kann sie niemand freisprechen; insbesondere werden sie nicht die Millionen von Mitbürgern freisprechen, die mit Angst und Furcht dem kommenden Winter entgegensehen. Es muß mit allem Nachdruck festgehalten werden, daß bei etwas Vorausschau die heutige Situation hätte vermieden werden können
({18})
- das werde ich Ihnen nachher noch sagen -, aber vor 14 Tagen noch wurde im Bundeswirtschaftsministerium den Elektrizitätslastenverteilern der Länder die Zusage gemacht, daß „die für die öffentliche Stromversorgung benötigten Kohlenmengen zur Verfügung" stünden,
({19})
vor 14 Tagen noch, meine Damen und Herren! Es herrscht also bei den Mitarbeitern des Herrn Professors Erhard offenbar derselbe Optimismus in diesen Dingen wie bei ihm.
Das, meine Damen und Herren, ist der Stand am Beginn des Winters 1950/51, fünf bis sechs Jahre nach dem Zusammenbruch, 21/2 Jahre nach dem Beginn, wenn ich so sagen darf, der sozial verpflichteten Marktwirtschaft. Kohlennot, so fragt mit uns das ganze Volk: ist das Schicksal oder Schuld? 1919, 1920, 1945, 1946 und 1947 war die Kohlennot Schicksal, das wir getragen und das wir gebannt haben; aber im Winter 1950/51 ist die Kohlennot kein Schicksal mehr, sondern eine Schuld.
({20})
Und der Schuldige, meine Damen und Herren, sitzt im Bundeswirtschaftsministerium!
Darf ich Sie einmal daran erinnern, - und es ist vielleicht gut, wenn wir alle nicht allzu vergeßlich sind wie die Kohlenlage im Winter 1945, 1946 und 1947 war, wie wir uns damals geholfen haben, wie es dank einer zielbewußten und dank einer planenden Wirtschaftspolitik
({21})
von Jahr zu Jahr besser geworden ist und daß
diese Erfolge jetzt, im zweiten oder dritten Jahr
der sozial verpflichteten Marktwirtschaft aufs Spiel
gesetzt werden? Darf ich Sie daran erinnern, wie wir alle, meine Damen und Herren, ohne Ausnahme geholfen haben, durch ein Bergarbeiterpunktsystem im Jahre 1947/48, also durch eine planende Maßnahme,
({22})
die Dinge an der Ruhr wieder in Gang zu bringen, und zwar auf Kasten der ganzen übrigen Bevölkerung! Ich darf das sagen, weil ich damals als hessischer Wirtschaftsminister diese Dinge in Hessen mit durchziehen mußte, obwohl wir genau wußten, daß diese 350 000 Arbeiter an der Ruhr auf Grund dieses Bergarbeiterpunktesystems genau dasselbe an Textilien und Schuhen erhielten wie die übrigen 42 Millionen Einwohner der beiden Zonen, also des Gebiets der heutigen Bundesrepublik. Aus der Erkenntnis heraus, daß der Bergarbeiterstamm im Ruhrgebiet zu ergänzen und zu verjüngen sei, haben wir damals den Bergarbeiterwohnungsbau unter den schwierigsten Umständen - das wird jeder bestätigen können, der damals im Ruhrgebiet gewesen ist - in Gang gebracht. Wir haben umfassende Maßnahmen in allen Ländern getroffen, um junge Arbeiter für das Ruhrgebiet anzuwerben. Auch das wissen Sie, und auch das werden Sie nicht aus der Welt bringen können.
({23})
Die Kohle, die damals gefördert würde, haben wir nach einem Schwerpunktprogramm auf die Industrien verteilt, zunächst an den Bergbau selbst, an die Eisenbahn und an die Eisen- und Stahlindustrie. Ich habe nichts davon gehört, daß uns in jener Zeit der Not, des Mangels, des schlechten Geldes, der zerstörten Brücken und der schwer kämpfenden Eisenbahnen der bayerische Wirtschaftsminister Professor Erhard die Vorzüge einer freien Wirtschaft oder einer sozialverpflichteten Marktwirtschaft gepriesen hätte, ich spreche von den Jahren vor der Währungsreform. Mit 116 000 Tonnen Kohle Tagesförderung haben wir im Jahre 1945/46 begonnen, und mit diesen Programmen und Plänen ist es uns gelungen, bis zum Tage der Währungsreform, also bis zu dem Tage, an dem wir das neue Geld erhielten, trotz der zerrütteten Geldverhältnisse und trotz der schwer kämpfenden Wirtschaft die Tagesförderung an Kohle im Ruhrgebiet auf 285 600 Tonnen zu bringen.
Das, meine Damen und Herren, war das Ergebnis einer zielbewußten Planung in den Tagen einer Zwangswirtschaft, die wir nicht gewollt haben, sondern die wir von den Nationalsozialisten als eine ,der übelsten Erbschaften dieses Systems übernommen hatten. Man wird wohl sagen dürfen, daß es uns damals mit Hilfe der Bergarbeiter an der Ruhr und mit Hilfe dieser Pläne, die ich Ihnen noch einmal in die Erinnerung zurückrief, gelungen ist, durch den Sumpf einer zerrütteten Währung und durch eine in vielen Teilen anarchische Wirtschaft einen, ich möchte sagen, mit Kohle bepflasterten Weg zu legen bis zu dem Tage, an dem die Währungsreform die Möglichkeit zu neuen Verhältnissen schuf. Rund 286 000 Tonnen Tagesförderung am Tage oder Währungsreform, das war das Ergebnis. Dann kam die freie Wirtschaft, also die Wirtschaft, in der das Geld der einzige Bezugsschein ist. in der der Profit der einzige Erfolgsmaßstab wurde.
({24})
Am 20. Dezember 1949 wurde der sogenannte zementierte Lieferweg beseitigt; am 27. Januar
({25})
1950 wurde die ganze Kohlenbewirtschaftung aufgehoben. Seitdem haben wir auch auf diesem Gebiet die freie Wirtschaft, und die Folgen, meine Damen und Herren, sehen wir heute. Trotz der wesentlich besseren Voraussetzungen nach dem Tage der Währungsreform - ich denke an das neue Geld, ich denke an die Mittel, die aus dem Marshallplan und aus dem ERP-Programm flossen - haben wir es nur auf 350 000 Tonnen gebracht, und das seit langem gesteckte Ziel von 420 000 oder 430 000 Tagestonnen haben wir nicht erreicht. Seit etwa 3/4 Jahren schwankt die TagesFörderung um 350 000, 360 000, 370 000 Tonnen.
({26})
Meine Damen und Herren, man wird uns entgegenhalten: Wir haben in den vergangenen Monaten Kohlen ausführen müssen, um unsere Devisenbilanz zu verbessern. Es ist uns bekannt, daß vor wenigen Monaten noch 2 Millionen Tonnen auf der Halde lagen; sie sind ausgeführt worden. Während im Monatsdurchschnitt 1948 1 500 000 Tonnen ausgeführt wurden, 1949 1 800 000 Tonnen, wurden es im Jahre 1950 2 Millionen Tonnen und im letzten Jahresquartal 1950 6 800 000 Tonnen. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, wie wir in den Jahren 1946, 1947 und 1948 dafür gekämpft haben, unsere Außenhandelsbilanz zu verbessern, damit das Verhältnis nicht mehr zwischen 70 bis 80 % Rohstoff zu 20 bis 30 % Fertigwaren schwankte. Wir haben uns bemüht, dieses Ziel zu erreichen, und es ist uns in etwa gelungen. Um die Devisenbilanz zu verbessern und um lebensunwichtige Dinge einzuführen, führt man heute wieder den wichtigsten Rohstoff, die Kohle, in diesem Umfange aus. Meine Damen und Herren, Herr Professor Erhard ist von den Hortern vor und während der Währungsreform als Schutzpatron in Anspruch genommen worden;
({27})
ich glaube, es wäre richtiger gewesen, er hätte vor diesem Winter etwas Kohle für die notleidende Bevölkerung gehortet.
({28})
Aber das sind die Schattenseiten einer hemmungslosen, einer einseitigen, allzu einseitigen Liberalisierung des Außenhandels, daß man für alle möglichen unnötigen Dinge - ich erinnere an Toiletteartikel und Parfums, an Südweine und an sonstige Nutzlosigkeiten, die man mit Devisen bezahlen muß - nunmehr Kohle ausführt, wofür wahrscheinlich Millionen in diesem Winter werden büßen müssen.
({29})
Man wird uns entgegenhalten, man sei zu diesem Export gezwungen worden, meinetwegen auch durch die Beschlüsse der Ruhrbehörde. Ich darf an den Widerstand erinnern, den wir von Anfang an gegen diese Institution erhoben haben. Warum hat sich die Regierung, die sich bei Einrichtung dieser Kontrollbehörde so stark fühlte, nicht über die Ruhrbehörde eingeschaltet und Vorsorge getroffen, daß wir die notwendigen Kohlen für unseren eigenen Bedarf behielten? Ich frage weiter: ist es wirklich notwendig, daß wir in dieser Zeit aus den Vereinigten Staaten 500 000 Tonnen Kohle einführen und dafür Zement eintauschen?
Man wird uns weiter entgegenhalten, der Bergbau habe mit Rücksicht auf den Zustand seiner Anlagen nicht mehr leisten können. Auch wir wissen, daß seit dem Jahre 1938 Raubbau an den
Anlagen und an den Vorkommen getrieben worden ist. Auch wir wissen, daß kein Zugang an Neuaufschlüssen gewesen ist und daß der Bergbau an der Ruhr schwer darunter leidet. Aber darauf hat diese Wirtschaftspolitik eben keine Rücksicht genommen. Wir dürfen daran erinnern, daß sich Herr Professor Erhard gerühmt hat, seit der Währungsreform seien in jedem Jahre etwa 10 Milliarden D-Mark in diese Wirtschaft investiert worden. Der Ruhrbergbau beziffert die notwendigen Investitionen auf 3 Milliarden D-Mark. Wäre es nicht möglich gewesen, wenn man die Selbstfinanzierung etwas zurückgesetzt hätte, diese Gelder zu einem größeren Teil in den Ruhrbergbau fließen zu lassen? Aber dazu, meine Damen und Herren, hätte es eines Investitionsprogramms und einer gewissen Planung bedurft,
({30})
und wir fragen den Wirtschaftsminister, ob er überhaupt ein derartiges Investitionsprogramm hat. Wir wissen, daß der Bergbau bei der Verteilung der Marshallplan-Gelder zugunsten der Energiewirtschaft sehr vernachlässigt worden ist. Heute rächt sich das, und das ganze Volk muß diese Fehler bezahlen. Von der Ruhr hören wir - das ist nicht meine eigene Wissenschaft -, daß seit 2 Jahren der Ausbau im Ruhrbergbau versäumt worden ist, obgleich man in diesen Jahren des neuen Geldes die Möglichkeit zum Ausbau gehabt hätte.
Meine Damen und Herren, man wird uns darauf hinweisen, daß Arbeiter abgewandert, daß die Arbeiter überaltert seien, daß noch viele Invaliden im Ruhrbergbau beschäftigt würden. Auch das wissen wir alles. Aber wir fragen, was hat man denn angesichts der bestehenden Arbeitslosigkeit in dieser Bundesrepublik getan, um genügend Arbeiter an die Ruhr zu ziehen, wie wir es vor der Währungsreform mit Erfolg getan haben? Es fehlen noch hunderttausend Bergarbeiterwohnungen an der Ruhr, hören wir. Warum hat man die so hoffnungsvoll eingeleiteten Arbeiter-Wohnungsbauprogramme nicht entsprechend fortgesetzt? Warum hat man nicht dafür gesorgt, daß die Arbeiter, die aus allen Ländern der Bundesrepublik in das Ruhrgebiet zugewandert waren, dort nun auch in eigenen Wohnungen heimisch wurden? Den Arbeitern, die von 1945 bis 1948 immer der Gegenstand unserer größten Sorge gewesen sind - ich erinnere in diesem Zusammenhang an das Bergarbeiterpunktesystem, an den Wohnungsbau, an die Auslandshilfen, z. B. die Hilfen aus den Vereinigten Staaten, die Care-Paket-Aktionen usw. -, sagt man heute im Wirtschaftsministerium - das war bei der Diskussion der Opel-Belegschaft mit dem Betriebsrat von Opel -, daß sie an den heutigen Schwierigkeiten in der Kohleversorgung mit schuld hätten.
({31})
Ich glaube, man vergißt dabei, wie die Löhne heute hinter den Preisen herhinken, daß jede noch so wohlgemeinte Lohnerhöhung in den doppelt gestiegenen Preisen wieder untergeht. Man vergißt also die ungesunde Relation zwischen Preisen und Löhnen, und man vergißt, daß diese ungesunde Relation die Arbeitsfreudigkeit zweifellos nicht heben kann. Man vergißt dabei die Altersschichtung im Ruhrgebiet, den zu hohen Anteil der Alten und Invaliden.
Unter den obwaltenden Verhältnissen - das möchte ich für meine Fraktion sagen - sind die
Dr. Koch)
Leistungen im Ruhrbergbau über jeden Erhardschen Tadel erhaben.
({32})
Wir alle, meine Damen und Herren, sollten nicht vergessen, wie schwierig der Aufbau gewesen ist, wir sollten diesen Aufbau dankbar anerkennen und daran denken, unter wie schwierigen Verhältnissen heute noch dort an der Ruhr gearbeitet wird.
Nun suchen wir alle, auch wir von der Opposition, nach einem Ausweg aus dieser Kohlennot.
Über seine planenden und lenkenden Maßnahmen,
die uns Herr Professor Erhard heute als marktkonforme Maßnahmen der sozialverpflichteten
Marktwirtschaft deklarieren wird, mag er uns
selbst berichten. Wir haben keine Veranlassung,
ihm das abzunehmen. Aber auf eines möchten wir
hinweisen, nämlich auf unsere ständigen Voraussagen: Wenn ihr euch nicht entschließen könnt, eine
planvolle, eine sinnvoll gelenkte Wirtschaft, wie es
in der 'hessischen Verfassung heißt, einzurichten,
dann werdet ihr nicht umhin können, eines Tages
zu zwangswirtschaftlichen Maßnahmen zu greifen.
({33})
Ich darf Herrn Professor Erhard in diesem Zusammenhange - ich bitte, mir zu erlauben, mich selbst zu zitieren - an die Eröffnung der Frankfurter Messe im Herbst 1948 erinnern. Damals, als die ersten Folgen dieser freien Wirtschaft spürbar wurden, habe ich als hessischer Wirtschaftsminister folgendes gesagt:
Mir ist längst bekannt, daß die weitesten Kreise auch des Handels und der Industrie die Entartungserscheinungen dieser Entwicklung tief bedauern, und sie wissen, von ihnen allein hängt es ab, ob es uns gelingt, die Zwangswirtschaft zu überwinden, oder ob der Staat gezwungen sein wird, um der breiten Masse willen wieder mehr einzugreifen und Mittel eines Systems anzuwenden, das wir alle ablehnen.
Und so weit sind wir heute.
Es mutet uns wie ein schlechter Scherz an, wenn der Bundeswirtschaftsminister dieser Tage vor der Industrie- und Handelskammer - ich möchte hinzufügen: wo sonst? ({34})
in Ulm uns damit getröstet hat: „Die Kohlenkrise in Westdeutschland wird" - und nun bitte ich Sie, genau aufzuachten - „bis zum Frühjahr überwunden sein".
({35})
Sie haben mich nicht mißverstanden, meine Damen und Herren: „bis zum Frühjahr". Ich möchte im Namen meiner Fraktion den Herrn Bundeswirtschaftsminister mit allem Ernste darauf aufmerksam machen, daß sich im Frühjahr Millionen von Kleinverbrauchern für seine Kohlen kaum mehr interessieren werden. Denn da wird nach einem sinnvollen Weltenplan hoffentlich die Sonne wieder scheinen, und auf diesen Plan werden wir uns verlassen können.
({36})
Meine Damen und Herren, ebenso unerhört wie dieser Hinweis auf die Frühjahrskohlen ist meines Erachtens die Empfehlung des Bundeswirtschaftsministers an bestimmte Bezirke und Kreise: zur Versorgung der Krankenanstalten, der Armenhäuser und der Altersheime möchten sich die kommunalen Gasanstalten - ich bitte Sie aufzuachten, ich zitiere wörtlich - „elastisch aus ihren bestehenden Verpflichtungen lösen." Das heißt also: Vertragsbruch in einem selbstverschuldeten Notstand.
({37})
Nun wird im Rahmen der Anordnung an die Landeswirtschaftsminister, den Stromverbrauch um 10 % einzuschränken, angeordnet, die Schaufenster sollten verdunkelt werden, wir sollten auf Lichtreklame verzichten. Das kann nur optisch gesehen sein. Denn für Hamburg z. B. beträgt der Anteil der Lichtreklame am Gesamtverbrauch ganze 0,5 %.
({38})
Im Gegensatz zu früher, im Gegensatz zur Schaufensterpolitik der vergangenen Jahre scheint uns dies übrigens eine umgekehrte, eine negative Schaufensterpolitik zu sein.
({39})
Es wird dunkel in der sozialverpflichteten Marktwirtschaft.
({40})
Nun führt man Verhandlungen mit der RuhrBergarbeiterschaft. Man besinnt sich darauf, daß man ohne sie diese Notlage nicht wird beheben können. Diese Verhandlungen schweben noch, und ich glaube, es ist nicht unsere Aufgabe, in die Verhandlungen einzugreifen, die zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und den Arbeitern geführt werden. Aber jedenfalls halten wir es für bedauerlich, daß erst eine schwierige Kohlenversorgungslage entstehen mußte, bis man sich entschloß, dem schweren Beruf des Bergmanns auch die finanzielle Anerkennung zu geben. Ich darf in diesem Zusammenhange sagen, daß der Bergmann erst an fünfter Stelle in der Lohnskala steht.
Aber derartige Maßnahmen können ja nicht auf die Dauer helfen. Zwei Sonderschichten im Monat kann der Bergmann ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht auf sich nehmen, sie können auf die Dauer nicht geleistet werden. Wir werden - und ich nehme ganz bestimmt an, daß wir das ja auch aus dem Munde des Bundeswirtschaftsministers hören werden - zu Lenkungs- und Planungsmaßnahmen greifen müssen. Dazu unsere Vorschläge:
Wir erwarten als sozialdemokratische Opposition eine sorgfältige Lenkung der Rohstoffe in die wichtigsten Kanäle. Wir brauchen Schwerpunktprogramme, wie wir sie seinerzeit ausgearbeitet und wie sie uns seinerzeit geholfen haben.
Wir erwarten eine Förderung des BergarbeiterWohnungsbaus; denn dadurch werden wir neue Arbeitskräfte in das Ruhrgebiet ziehen können.
Wir erwarten die Vermeidung von Fehlinvestitionen in der Wirtschaft. aber diese Fragen und über die Fragen der Selbstfinanzierung werden wir uns noch zu unterhalten haben, wenn wir über die Steuern beraten.
Wir erwarten ein viel energischeres Eingehen auf die Nachwuchsprobleme: Ausbildung der Lehrlinge, Bau von Lehrlingsheimen. Das kann man nicht allein der Industriegewerkschaft Bergbau und der Deutschen Kohlenbergbauleitung überlassen. Der Staat, der Arbeitsminister vor allem, müssen sich für diese Dinge interessieren.
Wir erwarten aber auch Maßnahmen, durch die sichergestellt wird, daß in dieser Notlage nun nicht wieder alle die zum Zuge kommen, die sich an der Not des Volkes auch sonst zu bereichern pflegen.
({41})
({42})
Wir erwarten Preisbindungsvorschriften für Kohle. Wir erwarten eine Sicherstellung der Kohle, die für den Hausbrand zugeteilt wird; wir erwarten, daß diese nach den neuesten Plänen des Bundeswirtschaftsministers zu verteilende Kohle auch wirklich in den Hausbrand geht und nicht etwa auf schwarzem Wege wieder an der lohnenderen Stelle in der Industrie landet. Wir erwarten eine vollständige Wandlung und Sinnesänderung in der Wirtschaftspolitik, wie es vorhin schon bei den Notstandsprogrammen zum Ausdruck gebracht wurde. Die Wunderwirkung des neuen Geldes, des Marshallplans und der ERP-Programme haben geholfen, uns voranzubringen. Durch die zweigleisige Wirtschaftspolitik - ich darf jetzt auch an das Verhältnis zur Ernährungspolitik erinnern, wo es ja ganz anders aussehen soll - ist erreicht worden, daß die sozialen Gegensätze in unserem Volk immer größer geworden sind. Muß ich Sie an die Brotpreisdebatte erinnern, an ,die Diskussionen um den Zucker? Die heutige Kohlenlage ist nur eine Folge dieser Wirtschaftspolitik.
({43})
Wir erwarten auch ein Eingehen auf die politischen Forderungen der Bergarbeiter. Wir dürfen Sie daran erinnern, daß die Arbeiter an der Ruhr voll Mißtrauen den schleppenden Gang der Verhandlungen über das Mitbestimmungsrecht in den Betrieben und in den höheren Bezirken der Wirtschaft beobachten.
({44})
Wir wissen, daß die Arbeiter dort und die Gewerkschaften nicht die Absicht haben, diese Forderung noch einmal wieder fallen zu lassen. Und vergessen Sie weiter nicht, meine Damen und Herren, daß die Neuordnung an Rhein und Ruhr - nicht etwa nur die technisch-wirtschaftliche, sondern auch die eigentumsmäßige - für den Arbeiter im Bergbau ein Problem ist, das er in seinem Sinne und im Sinne der Verfassung gelöst wissen will.
({45})
Meine Damen und Herren! Auch heute noch - und ich bitte, mir zu erlauben, das noch zitieren zu dürfen - trifft eine Entschließung zu, die im Frühjahr 1948 die Ministerpräsidenten der Länder nach einer Besichtigungsreise im Ruhrgebiet faßten. Es war Ministerpräsident Ehard dabei und Ministerpräsident Arnold, der vorsaß, und Berlin vertrat Bürgermeister Friedensburg, eine Entschließung, die erkennen läßt, wie eng der Zusammenhang ist zwischen ,der Kohlenlage und der Wirtschaftspolitik einerseits und der Mitbestimmung und der Neuordnung andererseits. Diese Entschließung der Ministerpräsidenten aus dem Jahre 1948 enthält folgende Sätze - und sie treffen heute noch zu -:
Die Entscheidung über das Eigentum an der Kohlenwirtschaft und über die Frage einer Ablösung der bisherigen privatkapitalistischen Form zu Gunsten einer gemeinwirtschaftlichen Ordnung konnte bisher noch nicht getroffen werden, weil eine deutsche Zuständigkeit noch nicht gegeben ist. Eingehende Ermittlungen
- das war das Ergebnis dieser Besichtigungsreise haben zweifelsfrei gezeigt, daß eine wirksame Leistungssteigerung im Bergbau maßgeblich mitbestimmt wird davon, ob baldmöglichst für die Ruhrwirtschaft eine Lösung gefunden
wird, die dem Willen des deutschen Volkes entspricht.
Ich glaube, dem könnten wir alle zustimmen. ({46})
Meine Damen und Herren!
(Anhaltende Zurufe und Unruhe. ({47})
Damals wie heute ging es um die Kohlenversorgungslage. Heute nun fragen wir und mit uns Millionen deutscher Mitbürger die Bundesregierung und vor allem den Bundeswirtschaftsminister, ob sie aus diesem Zusammenbruch der Wirtschaftspolitik, wie er sich in der Kohlenlage zeigt, die notwendigen Folgerungen ziehen wollen. Oder sollen wieder einmal das ganze Volk und in ihm vor allem Millionen und aber Millionen von Kriegsopfern, von Arbeitslosen, von Notleidenden, von Unterstützungsempfängern, von Vertriebenen die Last einer verfehlten Wirtschaftspolitik tragen?
({48})
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich in der ersten Phase darauf beschränken, die eigentliche Interpellation zu beantworten, mit der die Rede des Herrn Abgeordneten Koch ja eigentlich nichts zu tun hatte.
({0})
Ich möchte diese Interpellation wie folgt beantworten.
An der voraussichtlichen Kohlenverfügbarkeit des Bundesgebiets im Kohlenwirtschaftsjahr 1950 bis 1951 ist der Hausbrand einschließlich des Kleinverbrauchs mit rund 23 %, das sind 19 Millionen Tonnen einschließlich Gaskoks, beteiligt. Dieser Vomhundertsatz entspricht etwa dem Anteil, mit dem auch in den Vorkriegsjahren Hausbrand und Kleinverbrauch normalerweise an der Inlandsverfügbarkeit teilhatten. Unabhängig von der Aufhebung der Kohlenbewirtschaftung wurde zu Beginn ,dieses Jahres gemeinsam mit den für die Wirtschaft zuständigen obersten Landesbehörden ein Hausbrand-Plan aufgestellt, um die Produktionsverkaufsstellen instand zu setzen, die vorgesehenen Jahresmengen baldmöglichst gleichmäßig auf die einzelnen Gebiete abzusteuern.
Während der Braunkohlenbrikettanteil für die Zeit vom 1. April bis 30. September, sowie zusätzliche Brikettmengen in Höhe von rund 450 000 Tonnen, die infolge günstiger Produktionsverhältnisse zur Verfügung gestellt werden konnten, von den Ländern nahezu gleichmäßig aufgenommen wurde, ist von den in den Sommermonaten gerade auch an Steinkohle und Koks gegebenen Bezugsmöglichkeiten sehr unzulänglich und vor allen Dingen in den einzelnen Ländern außerordentlich unterschiedlich Gebrauch gemacht worden.
({1})
Von den bereitgestellten Kohlenmengen sind im Durchschnitt der deutschen Länder insgesamt 91,7% aufgenommen worden. Die Zahlen schwanken aber in den einzelnen Ländern von 44 % bis
({2})
zu 122 %. Es ist also nicht etwa so, daß die notleidenden Länder wenig aufgenommen haben und die anderen weniger, so daß also die Mär von der fehlenden Kaufkraft nicht zutreffen kann. Beispielsweise hat Schleswig-Holstein 111 % aufgenommen, während ein Land wie Süd-Baden, das ganz bestimmt nicht unter besonderem sozialen Druck leidet, nur 44,8 °/o aufgenommen hat.
({3})
Obwohl alle maßgebenden Stellen und nicht zuletzt die Produktion und der Kohlenhandel, letzterer zum Teil unter Aufwand erheblicher Werbekosten, immer wieder darauf hingewiesen haben, daß auf eine Abnahme und Einlagerung von Hausbrand in den Sommermonaten nicht verzichtet werden könne, da weder der Kohlenbergbau noch die Verkehrsträger den im Winter geltend gemachten Mehranforderungen gewachsen sein warden, begann die Kaufunlust der Verbraucher erst im August abzuflauen.
({4})
Meine Damen und Herren! Da schauen Sie sich bitte die Zahlen an! ({5})
Inzwischen waren die weltpolitischen Ereignisse nicht ohne Einfluß auf die Bundeswirtschaft geblieben.
({6})
Die industrielle Erzeugung zeigte eine Aufwärtsentwicklung, mit der die Steinkohlenförderung nicht entsprechend Schritt zu halten vermochte. Der Produktionsindex der gesamten Wirtschaft lag im September, wie Sie wissen, auf 120,7, im Steinkohlenbergbau auf 92,2. Hieraus und nicht zuletzt aus den höheren Exportverpflichtungen des Bundes, die entscheidend von der internationalen Ruhrbehörde bestimmt werden, hat sich eine erhebliche Anspannung der inländischen Kohlenversorgungslage ergeben, die auch auf die Hausbrandversorgung nicht ohne Einfluß bleiben konnte. Ich habe daher meinen Beauftragten für die Regelung der inländischen Kohlenversorgung, die Länder und den Kohlenhandel bereits mit Richtlinien ausgestattet, die den zeitweiligen Erfordernissen und der jeweiligen Sorte und Verfügbarkeit angepaßt werden.
({7})
Die Bundesregierung steht heute vor der Aufgabe, einen tragbaren Ausgleich unter den vielseitigen Anforderungen herbeizuführen. Eine entscheidende Verbesserung der Hausbrandversorgung kann erst mit einer über den Planansatz hinausgehenden Steigerung erwogen werden, da andernfalls die industrielle Erzeugung und damit die Versorgung der Bevölkerung mit anderen lebenswichtigen Gütern eine erhebliche Beeinträchtigung erfahren würde.
Zur Behebung der derzeitigen Schwierigkeiten in der allgemeinen Kohlenversorgung im Bundesgebiet, insbesondere zur Vermeidung von Stillegungen von Betrieben und der damit verbundenen Arbeitslosigkeit ist in einer Verhandlung am 9. dieses Monats mit der deutschen Kohlenbergbauleitung und der Industriegewerkschaft Bergbau eine grundsätzliche Verständigung über eine Reihe von Maßnahmen erzielt worden. Danach wird der Steinkohlenbergbau bis zum 31. März 1951 monatlich die zusätzliche Förderung von zwei Arbeitstagen in regelmäßiger Mehrarbeit zur Verfügung stellen. Ferner ist eine gewisse Koppelung des
Lohnes an die Leistung vorgesehen. Die letztere Maßnahme hat sich bereits ausgewirkt. Während sich die tägliche Förderung vor etwa einer Woche noch zwischen 365- und 370 000 Tonnen bewegte, ist sie in den vergangenen Tagen stetig angestiegen und hat am Montag dieser Woche den bisher höchsten Nachkriegsstand von 391 000 Tonnen erreicht.
({8})
Daß an einer Förderung über den genannten Planansatz von 386 000 Tonnen hinaus auch der Hausbrand teilhaben wird, ist selbstverständlich. Der Beauftragte für die Regelung der inländischen Kohlenversorgung wird dafür sorgen, daß die Hausbrandmengen vordringlich ausgeliefert werden. Der Handel seinerseits wurde angehalten, die jeweils verfügbaren Hausbrandmengen unter besonderer Rücksichtnahme auf die ärmere Bevölkerung zu verteilen und durch Bildung örtlicher Liefergemeinschaften den vorrangigen Bedarf der `wichtigen Kleinverbraucher, wie unter anderem auch Krankenhäuser, aus der jeweils verfügbaren Menge zu decken.
Darüber hinaus ist die Bundesregierung bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig geworden und hat in aller Eindringlichkeit auf die derzeitige Kohlen-Versorgungslage der Bundeswirtschaft und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten der Verminderung der Exportverpflichtungen hingewiesen.
Der derzeitige Mangel an Hausbrandkohle wird Preissteigerungen nicht nach sich ziehen,
({9})
da die Verkaufspreise des Handels durch die Preisbildungsstellen festgesetzt sind und einer lauf enden Kontrolle der Preisüberwachungsstellen unterliegen.
Meine Damen und Herren, so weit zu der eigentlichen Interpellation. Aber darüber hinaus sind noch einige Worte mehr notwendig. Es ist eine völlig unsachliche Polemik, wenn heute alle Störungen unserer nationalen Wirtschaft, wie sie in allen anderen europäischen Volkswirtschaften auftreten - auch in den Volkswirtschaften, die unter einem Laboursystem stehen -, der Regierung zur Last gelegt werden.
({10})
Meine Damen und Herren! Was der Korea-Konflikt auf dem weltpolitischen Hintergrund bedeutet, ist bekannt.
({11})
Wenn Sie all das, was sich in diesem Zusammenhang ereignet, unserer Wirtschaftspolitik zur Last legen wollen, dann mögen Sie es tun! Aber Sie können nicht erwarten, daß ich das ernst nehme.
({12})
Im einzelnen kann ich Ihnen sagen: Woher rührt denn überhaupt die Hauptursache der Kohlenknappheit? Wir haben die Zahlen, die unbestechlich sind, weil hier Förderung und Absatz genau erfaßbar sind. Wenn heute auch, bis die Mehrproduktion anläuft und die zusätzlichen Schichten gefahren werden, noch Mangelerscheinungen wahrnehmbar und effektiv sind, dann haben wir jetzt aber doch die Dinge in die Hand genommen, und die Kohlenversorgung wird laufend besser werden.
({13})
Ich kann Ihnen jedenfalls sagen: Opel wird nicht
stillgelegt werden! Heute früh habe ich mich mit
„Steine und Erden" unterhalten und in einem ruhi({14})
gen Gespräch durchaus die Mittel und Wege gefunden, wie man auch diese Produktion aufrecht erhält.
Wenn die Gerüchte in aller Welt umlaufen: da wird etwas stillgelegt, dort wird etwas stillgelegt! - und wenn das auch noch auf der politischen Ebene hier von dieser Seite aus verkündet wird, dann wundert es mich nicht, daß alles nach Kohle rennt und die Versorgung mit Kohle noch schwieriger wird, als sie sich hier darstellt.
({15})
Meine Damen und Herren, hier wird behauptet, wir haben es an der Vorausschau fehlen lassen. In den Sommermonaten habe ich über die Landeswirtschaftsverwaltungen und über den Kohlenhandel immer wieder darauf hingewiesen, wie dringend notwendig es ist, die Kohle jetzt abzunehmen, weil sie im Winter nicht nachgeliefert werden kann. Obwohl die Deutsche Kohlenbergbauleitung nicht unter der Weisung des Bundeswirtschaftsministeriums steht, habe ich sofort eingegriffen, als die Gefahr bestand, daß Feierschichten eingelegt werden. Ich habe mich auch bereit erklärt, die Kreditmittel zur Verfügung zu stellen, die notwendig sind, um die nichtverbrauchte Kohle auf Halde zu schütten.
Noch im Juli war es unmöglich, bei der Genfer Kohlenverteilung für das . vierte Quartal auch nur 2 Millionen Tonnen Kohle zu verkaufen. Zwei Wochen später lagen die Anforderungen auf 8,3 Millionen Tonnen vor. Das sind Ereignisse, die durch Korea ausgelöst worden sind, die Sie durch keine Vorschau bannen können. Aber ich möchte mich namens der Bundesregierung mit allen Mitteln gegen den Vorwurf verwahren, daß wir heute etwa 6,8 Millionen Tonnen aus Devisengründen exportieren, d. h. also um unsere Devisenbilanz in Ordnung zu bringen. Wir haben uns vielmehr mit allen Mitteln gegen diesen Export gesträubt und haben nichts unversucht gelassen, um in diesem Winter die deutsche Kohle dem deutschen Verbrauch zuzuführen.
({16})
Sie wissen genau, daß es nicht in deutscher Machtvollkommenheit steht, hier die Dinge nach unserem Belieben durchzuführen. Wenn Sie hier der deutschen Regierung eine Schuld vorwerfen, dann können Sie auch fragen: Warum habt Ihr denn den Krieg verloren? Das ist genau so sinnvoll!
({17})
Aber etwas durfte ganz bestimmt nicht kommen, nämlich die Lobpreisung der Planung für die Kohle im Winter 1945/46.
({18})
Meine Damen und Herren, wenn im Winter 1945/ 46 und dann in den Jahren bis zu unserer so fluchwürdigen Wirtschaftspolitik überhaupt Kohle gefördert wurde, dann doch nur deshalb, weil wir einen schmalen Sektor, die Kohle, herausgenommen und den Bergarbeiter so versorgt haben, wie er nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen versorgt werden muß.
({19})
Wir haben also gerade dafür gesorgt, daß die planwirtschaftliche Regelung - ({20})
- Wollen Sie mir mal sagen, welcher andere Gewerbezweig,
({21})
welcher andere Teil der Industriearbeiterschaft seinerzeit überhaupt nur ein bescheidenes Auskommen hatte? Wir haben die Kohle hochgepäppelt, haben sie künstlich versorgt und haben ihr eine Existenzgrundlage gegeben, und nur deshalb konnte eine Förderung erreicht werden. Aber Sie wissen ganz genau, daß es nicht möglich war, die deutsche Industriearbeiterschaft im ganzen zu versorgen. Wenn Sie von der wohltätigen Planung sprechen, warum haben Sie es seinerzeit denn nicht fertiggebracht, das sogenannte Pfennigartikelprogramm zu verwirklichen, wenn Sie nicht mal in der Lage waren, ein paar Meter Nähgarn, Stopfgarn und ein paar Hosenknöpfe an die Leute zu bringen?
({22})
Meine Damen und Herren, nach der Rede des Herrn Ministers wird die Aussprache eröffnet werden. Dann können alle Fraktionen ausführlich zu Geltung bringen, was sie auf dem Herzen haben.
Und wenn Sie dazu noch sagten, daß Sie ja auch nicht für die Zwangswirtschaft gewesen sind, die bis zum Juni 1948 bestanden hat, und die Kohle als Beispiel nehmen, wie großartig die Planwirtschaft funktioniert hat, - ja, warum haben Sie sich dann um Gottes willen der Aufhebung der Zwangswirtschaft mit allen Mitteln widersetzt?
({0})
- Bitte, dann lesen Sie - ({1})
Dann lesen Sie bitte die Protokolle des Wirtschaftsrates vom Juni 1948.
({2})
Dort ist es wortwörtlich verzeichnet!
({3}) Aber, meine Damen und Herren. - ({4})
Hier ist ein Streifzug durch die ganze Wirtschaftspolitik - ({5})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe. Ich weise Sie noch einmal darauf hin, daß Sie nachher Zeit genug haben werden, Ihren Standpunkt von der Rednertribune aus so nachdrücklich, wie Sie wollen, darzulegen.
({0})
Ich habe behauptet, daß sich die SPD der Aufhebung der Zwangswirtschaft widersetzt hat, und zum Beweis auf die Protokolle des Wirtschaftsrates vom Juni 1948 an verwiesen, die ja jeder lesen kann und aus denen er sich dann ein eigenes Urteil bilden mag.
({0})
Ich sagte schon, es sei ein ganzer Streifzug durch die Wirtschaftspolitik unternommen worden, und auch die Einfuhr von Parfüm ist da gerügt worden. Meine Damen und Herren, das gehört in den Bereich der Liberalisierung. Wir haben jetzt im Zusammenhang mit den Importlizenzen eine Bilanz darüber gemacht, wieviel Prozent Fertigwaren im Zuge der Liberalisierung zu uns hereingekommen sind. Das ist bedeutend weniger, als man allgemein annimmt. Es sind insgesamt 15% Fertigwaren, und unter diesen 15% Fertigwaren ist nur ein ganz kleiner Teil, der als Luxus anzusprechen wäre. Darf ich aber darauf hinweisen, daß der deutsche Export heute zu nahezu 60% aus Fertigwaren besteht. Bedenken Sie, was uns in unserer deutschen Ausfuhr passieren würde, wenn wir wegen einiger Flakons französischen Parfüms unseren deutschen Export gefährden würden. Das würde sich sehr zu Lasten unserer Industriearbeiterschaft auswirken.
({1})
Aus dem Grunde bin ich der Meinung, daß wir die Liberalisierung fortführen müssen. Ich darf hinzufügen, daß die beiden Sachverständigen, die die deutsche Situation beurteilt haben und die aus ganz verschiedenen Lagern stammten, nämlich aus dem liberalen Lager und aus dem Labour-Lager, sich in einem gemeinsamen Gutachten auch dafür ausgesprochen haben, daß dieses System der freizügigen Ein- und Ausfuhr aufrechterhalten bleiben müßte.
({2})
Der Herr Vorredner sagte, er sei mit seiner Partei auch bemüht, einen Ausweg aus der Not zu finden. Ich möchte diesen ehrlichen Willen nicht einen Augenblick bestreiten. Aber während Sie den Ausweg suchen, glaube ich, daß wir den Ausweg gefunden haben.
({3})
Wir haben nämlich gemeinsam
({4})
und vor allen Dingen in enger Zusammenarbeit mit der Industriegewerkschaft Bergbau dafür gesorgt, daß mehr Kohle auf den Markt kommt.
({5})
Das ist eine reale Politik!
({6})
Und wenn ich noch etwas dazu sagen darf, dann ist es das: Niemand kann die Leistungen und den Einsatz des Bergmannes in dieser Sache höher anerkennen als ich. Aber ich bin glücklich, daß ich mit der Industriegewerkschaft Bergbau
({7})
dieses .sachliche Problem ruhig und nüchtern und in sozialer Verantwortung behandeln konnte und mich nicht auf den Boden einer politischen Polemik begeben mußte, wie das hier der Fall war.
({8})
Ich nehme an, daß eine Besprechung der Interpellation gewünscht ist und daß dieser Antrag von mehr als 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
({0})
Meine Damen und Herren! Wenn man den Wirtschaftsminister Erhard hört, dann könnte man annehmen: weil die Verbraucher in diesem Sommer die Kohlen bei den Kohlenhändlern nicht abgeholt haben, deshalb ist jetzt eine Kohlenverknappung eingetreten. In Wirklichkeit ist die Kohlenknappheit auf ganz andere Ursachen zurückzuführen. Die ungeheuren Rüstungsaufträge in der westdeutschen Wirtschaft und die damit verbundene Aufrüstung in den kapitalistischen Weststaaten haben zu einer ungeheuren Beanspruchung der deutschen Kohle geführt.
({0})
Auf Grund der Vollmacht der Ruhrbehörde wurde festgelegt, daß eine größere Menge Kohle exportiert werden muß. So müssen im vierten Quartal 20,83 Millionen Tonnen aus dem Ruhrbergbau ausgeführt werden.
({1})
In der heutigen Ausgabe der „Welt" wird unterstrichen, daß der Vertreter der Vereinigten Staaten in der Ruhrbehörde die rücksichtslose Ablieferung dieser Quote verlangt hat. Nur dadurch, daß man jetzt für die Rüstungsmaßnahmen zur Vorbereitung eines neuen Krieges Kohlen braucht, nur dadurch sind Schwierigkeiten in der Versorgung unserer einheimischen Industrie, unserer Kleingewerbetreibenden, unserer Landwirtschaft und nicht zuletzt der Verbraucher eingetreten.
In diesem Jahr hat man uns dreimal einen I neuen Kohlenexportpreis aufgezwungen. Das hat zu ungeheuren Verlusten für den deutschen Kohlenbergbau und damit für die deutsche Wirtschaft geführt. , Rund 200 Millionen Mark gingen durch die Unterordnung der deutschen Interessen unter das Ruhrstatut und unter die amerikanische Kriegspolitik für den deutschen Ruhrbergbau verloren. Um diese Verluste auszugleichen und um Mittel für neue Investierungen im Kohlenbergbau zu schaffen, plant man jetzt eine Heraufsetzung des Kohlenpreises. Man spricht von einer Preiserhöhung pro Tonne Kohle von vier bis sechs Mark. Zum Teil versuchen bürgerliche Zeitungen, die Kohlenpreiserhöhung auf die lächerliche Lohnerhöhung, die man den Bergarbeitern gegeben hat, zurückzuführen.
Da sich die Bundesregierung dem Ruhr- und dem Besatzungsstatut unterworfen hat, da sie die Politik der amerikanischen Kriegstreiber mitmacht, ist sie auch voll und ganz für die Kohlenknappheit, die jetzt auf allen Gebieten eintritt, verantwortlich.
({2})
Aber ich mache nicht nur die Bundesregierung für diese Lage verantwortlich. Ich möchte auch dem Herrn Kollegen Dr. Koch sagen, daß die Sozialdemokratische Partei zu dem Ruhrstatut prinzipiell ja gesagt hat. Ich entsinne mich nämlich jener Debatten, die wir im Landtag von Nordrhein-Westfalen über das Ruhrstatut hatten.
({3})
Der Abgeordnete Henßler, der in diesem Hause sitzt, sprach sich damals für die Annahme des Ruhrstatuts und damit für den durch die Ruhrbehörde aufgezwungenen Export aus.
({4})
Ich möchte auch darauf hinweisen, daß die sozialdemokratische Fraktion so stark für den Vertreter ihrer Partei in der Ruhrbehörde gekämpft hat.
({5})
Ich denke an den Vertreter in der Ruhrbehörde Herrn Dr. Potthoff, der ja Anhänger der Sozialdemokratischen Partei ist.
({6})
Was nottut, um diese Kohlenknappheit zu beheben, ist, daß man sich energisch gegen den erzwungenen Kohlenexport wehrt. Wir haben in der Vorkriegszeit, in der Friedensperiode, noch nie so viel Kohlen ausgeführt wie nach dem Jahre 1945.
Wir müssen verlangen, daß im Kohlenexport ein anständiger Preis bezahlt wird, damit unsere Bergarbeiter die notwendigen Lohnerhöhungen erhalten. So ist zu verhindern, daß neue Preissteigerungen auf dem Kohlenmarkt eintreten.
Es war sehr peinlich für die sozialdemokratische Parteiführung, daß sich gerade der Professor Erhard, dieser Wortführer der freien Marktwirtschaft, d. h. der Ausplünderungswirtschaft gegenüber dem werktätigen Volk, auf ein Abkommen mit den Vertretern des Industrieverbandes Bergbau berufen konnte.
({7}) Jawohl, die sozialdemokratischen Gewerkschaftsführer in der Verbandsleitung des Industrieverbandes Bergbau wollen jetzt mit der Deutschen Kohlenbergbauleitung, mit dem Herrn Generaldirektor Dr. Kost und mit der Ruhrbehörde durch neue Antreibermethoden neue Steigerungen in der Kohlenförderung erzwingen.
({8})
Zur Vorbereitung dieser Maßnahmen und zur Brechung des Widerstandes der Bergarbeiter hat man Zug um Zug auf den entscheidenden Zechen versucht, alle fortschrittlichen Betriebsräte kaltzustellen und sie unter Bruch des Arbeitsrechts aus den Betrieben zu entlassen.
({9})
Wir wehren uns gegen diese Panzerschichten. Diese Panzerschichten hatten wir schon einmal während der Hitlerzeit. Diese Antreibermethoden führen zur Herabminderung des Solidaritätsgefühls der Bergarbeiter.
Wer die Lage im Ruhrgebiet kennt, der weiß, daß man über den Kopf der Bergarbeiter hinweg das sogenannte Abkommen getroffen hat.
({10})
Die Bergarbeiter haben sich in zahlreichen Belegschaftsversammlungen gegen diese neuen Panzerschichten zur Vorbereitung und Durchführung eines neuen Krieges ausgesprochen.
Es ist, wie ich bereits sagte, notwendig, daß man sich gegen diese Kriegswirtschaftspolitik wehrt, die sich jetzt auf dem deutschen Kohlenmarkt bemerkbar macht. Man muß sich gegen den Zwangsexport deutscher Kohle durch die Ruhrbehörde wehren. Man darf nicht nur hier und da herumflicken, sondern muß mit der bisherigen Politik brechen und eine Politik und Maßnahmen einleiten, die dafür sorgen, daß in erster Linie die deutsche Bevölkerung und unsere Wirtschaft die notwendigen Kohlenvorräte bekommen.
Wenn man glaubt, durch Verdunkelung und Einschränkungen über diese Kalamität hinwegkommen zu können, dann irrt man sich. Man will wieder unsere Städte verdunkeln. Das ist aber ebenfalls ein Zeichen des Rüstungsbooms, dieser Kriegsvorbereitungen auf deutschem Boden.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist erschöpft.
Ich komme zum Ende.
Wir wünschen, daß mit dieser Unterordnung unter Ruhr- und Besatzungsstatut Schluß gemacht und auf allen Gebieten eine Politik eingeleitet wird, die im Interesse der Sicherstellung des Lebens unserer Bevölkerung liegt und zur Erhaltung des Friedens führt.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Das Schlußwort erteile ich dem Abgeordneten Koch.
Dr. Koch ({0}), Interpellant: Meine Damen und Herren! Ich halte es für meine Pflicht, auf die Ausführungen des Bundeswirtschaftsministers Professor Erhard in dieser so außerordentlich wichtigen Debatte über die Hausbrandversorgung und auch über die Wirtschaftspolitik - denn das können wir nicht voneinander trennen - noch einmal einzugehen. Der Herr Professor Erhard, der Bundeswirtschaftsminister, hat allerdings gesagt, Hausbrand und Wirtschaftspolitik hätten nichts miteinander zu tun. Vielleicht ist das eine Erkenntnis aus der sozialverpflichteten Marktwirtschaft.
({1})
Jedenfalls sieht die Hausbrandversorgung bei uns heute so aus, als ob sie mit Wirtschaftspolitik nichts zu tun hätte. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat den stürmischen Beifall der Abgeordneten der Regierungsparteien entgegengenommen.
({2})
Vielleicht wäre es richtig gewesen, wenn diese Abgeordneten einmal über die Kohlenlage in ihren Wahlkreisen gesprochen
({3})
und dann geklärt hätten, ob sie diesen Beifall dem Bundeswirtschaftsminister mit Recht zollen dürfen, auf dessen Wirtschaftspolitik diese Kohlenlage zurückgeht. Herr Professor Erhard sprach von Gerüchten,
({4})
denen ich hier Ausdruck gegeben hätte, als ich die trostlose Situation auf dem Kohlengebiet schilderte. Ich weiß nicht, ob die Opel-Werke und die Unternehmen der anderen Wirtschaftsgruppen uns Gerüchte mitgeteilt haben, die ich im einzelnen angeführt habe. Hat der Herr Bundeswirtschaftsminister den Kohlenkommissar eingesetzt und die Energieeinschränkungsanordnungen erlassen, weil er lediglich Gerüchte bekämpfen möchte?
({5})
Wir haben von dem Bundeswirtschaftsminister mit Freude gehört, daß in Zukunft Preissteigerungen vermieden werden sollen. Wir haben ihn aber schon soviel über Preise, über das Auspendeln der Preise, über das Sinken der Preise in den letzten zweieinhalb Jahren sprechen hören und haben in aller Regel das Gegenteil von dem erlebt, was er uns in seiner sozialverpflichteten Marktwirtschaft
({6})
versprochen hat, daß wir ihm auch jetzt nicht folgen können.
({7})
- Das ist wohl wahr, Herr Kollege Preusker. Wir wissen, daß die Preise in diesen zweieinhalb Jahren seit der Währungsreform in einem ganz anderen Umfang als etwa die festgehaltenen Löhne gestiegen sind.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister sprach von einer unsachlichen Polemik: wir legten der Regierung die Korea-Krise zur Last und machten für die Folgen der Korea-Krise seine Wirtschaftspolitik verantwortlich. Soweit die Korea-Krise zu ganz erheblichen Beschäftigungssteigerungen in der Industrie führte, waren das Folgen der sozialverpflichteten Marktwirtschaft.
({8})
Jedenfalls wurde es uns so klar gemacht. Heute, da die Korea-Krise auch einige Schatten auf die deutsche Wirtschaft wirft, ist es ausschließlich der Korea-Konflikt, der daran schuld ist.
({9})
Wir stellen aber nicht mit Befriedigung, sondern mit der Sorge, die wir als Abgeordnete haben müssen, fest, daß schon bei der ersten Erschütterung von außen her diese sozialverpflichtete Marktwirtschaft ins Wanken kommt und Millionen von Mitbürgern einem Winter der Kälte und des Frierens entgegengehen. Denn die Zahlen, mit denen uns der Herr Bundeswirtschaftsminister zu beruhigen versucht hat - er sagt, diese Zahlen seien unbestechlich -- scheinen uns nicht so ganz unbestechlich zu sein. Sind es nicht dieselben Zahlen, von denen der Herr Bundeswirtschaftsminister sprach, als er sagte: „daß nach den statistischen Unterlagen ein drückender Engpaß an Kohle nicht in Frage komme"?
Herr Professor Erhard hat noch einmal, wie ich es auch getan habe, auf die Jahre 1945, 1946 und 1947 zurückgegriffen. Er hat uns von dem, was ich über diese Jahre gesagt habe, auch nicht ein einziges Wort widerlegen können. Wenn er uns dabei sagt, die Ruhrbergarbeiter seien damals marktwirtschaftlich ernährt worden, so ist das ein ganz lächerliches Spiel mit Worten. Wir haben im Rahmen eines Planes, nämlich des Ruhr-BergarbeiterPunktsystems die Ruhrbergarbeiter so versorgt, daß sie den hohen Anforderungen im Bergbau nachkommen können. Das hat mit Marktwirtschaft nicht das geringste zu tun, und was Herr Professor Erhard darauf erwidert hat, war nichts als ein Spiel mit Worten. Wenn er dann auf das Pfennigartikelprogramm, diese verunglückte Maßnahme der Verwaltung für Wirtschaft, zu sprechen kommt,
({10})
für das keiner von uns, sondern allerhöchstens die Leitung der Verwaltung für Wirtschaft verantwortlich ist - ich weiß nicht genau, ob sie nicht damals schon Herr Professor Erhard leitete -, so möchte ich erwähnen, daß wir damals noch das schlechte Nazigeld - etwa 80 Milliarden im Bundesgebiet - hatten, zu dem niemand mehr Vertrauen hatte, und daß damals Herr Professor Erhard den Hortern vor der Währungsreform seinen Segen gegeben und erklärt hat: wir brauchen ihre Hortungslager nach der Währungsreform. Daß damals der Einzelhandel, der Großhandel und die Industrie mit den Waren nicht mehr herausrückten,
nimmt uns unter diesen Umständen nicht mehr wunder.
({11})
Herr Professor Erhard bescherte uns dann sehr bald nach der Währungsreform das STEG-WarenProgramm, das vielleicht mindestens ebenso verunglückt ist wie vorher das Pfennigartikel-Programm, aber verunglückt ist in einer Zeit - und das ist der wesentliche Unterschied - des guten Geldes.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat von seinen Besprechungen mit der Industriegewerkschaft Bergbau gesprochen, mit der er so glänzend hat verhandeln können, weil sie mit ihm so sachlich verhandelte. Ich möchte Ihnen aus einem Aufsatz des Herrn Professor Erhard vom 1. Oktober 1950 zur wirtschaftspolitischen Lage einige Worte vorlesen, die Sie in Erstaunen versetzen werden, wenn Sie an diese Worte des Herrn Bundeswirtschaftsministers denken. Er spricht von der Möglichkeit von Lohnerhöhungen und von den Forderungen der Arbeiter auf Lohnerhöhungen in der „Hessischen Wirtschaft":
Der deutsche Arbeiter
- schreibt der Bundeswirtschaftsminister muß sich darüber klar sein, daß er seine soziale Sicherheit und seinen Arbeitsplatz riskiert, wenn er sich von dem Vorgehen der Gewerkschaften eine soziale Wohlfahrt verspricht. Dies wäre im Zweifelsfall nur sehr kurzfristiger Natur und würde in um so größeres Elend führen.
({12})
Meine Damen und Herren, es wäre vielleicht besser und vorsichtiger von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister gewesen, wenn er nicht ausgerechnet von ausländischen Sachverständigen gesprochen hätte, die ihm jetzt attestieren, daß Deutschland, wenn es mit weiteren Hilfsmitteln rechnen wolle, einen ganz anderen wirtschafts- und steuerpolitischen Kurs einschlagen müsse. Davon sprechen die Zeitungen, jedenfalls die Zeitungen, die ich lese.
({13})
Meine Damen und Herren! Ich will nicht die Ausdrücke wiederholen, die hier gefallen sind, aber der Herr Bundeswirtschaftsminister hätte nicht davon sprechen dürfen, daß die Sozialdemokratische Partei und die sozialdemokratische Fraktion seinerzeit mit allen Mitteln für die Aufrechterhaltung der Zwangswirtschaft gekämpft hätten. Ich könnte Herrn Professor Erhard an die vielen Verhandlungen erinnern, die die Wirtschaftsminister mit ihm in der Verwaltung für Wirtschaft in Höchst gehabt haben, wo wir vor der Währungsreform gerungen haben um die Frage: Wie gestalten wir die Wirtschaft nach der Währungsreform? Gewiß, wir haben immer wieder Protest dagegen eingelegt, daß man nach der Währungsreform in diese Wirtschaft, die noch nicht das Notwendigste zur Befriedigung aller herstellte, nun sofort mit der freien Wirtschaft begann. Wie recht wir gehabt haben, hat uns die Entwicklung gezeigt. Denn drei Monate nach der Währungsreform kostete ein Ei - das haben wir Herrn Professor Erhard schon vor der Währungsreform gesagt - 80, 90 Pfennige und eine Mark. Und Millionen von Menschen haben in diesen Monaten nach der Währungsreform auf das Allernotwendigste und auf die Befriedigung ihrer
({14})
primitivsten Bedürfnisse in dieser sozialverpflichteten Marktwirtschaft verzichten müssen. Nur diesen mutig getragenen Opfern - möchte ich sagen -, insbesondere auch der Haltung der Gewerkschaften ist es zu verdanken, daß dieses Experiment mit der sozialverpflichteten Marktwirtschaft überhaupt so lange gut gehen kennte.
({15})
Ich möchte Herrn Professor Erhard erinnern an eine Diskussion, die er seinerzeit in Frankfurt mit Professor Nölting im überfüllten Saal an einem Sonntagmorgen geführt hat. Ich möchte aus dem Resümee der Zeitung das festhalten, was aus diesem öffentlichen Zwiegespräch als wesentliches Ergebnis festzuhalten war - Herr Professor Erhard kann das Protokoll nachlesen; wir können ihn darauf aufmerksam machen; er möge es bestreiten, wenn er es bestreiten kann -:
Herr Professor Erhard machte in dieser Diskussion zwei bemerkenswerte Äußerungen. Einmal gab er zu, daß auch die SPD nach seiner Überzeugung nicht die Zwangswirtschaft wieder einführen will.
({16})
Zum andern erklärte er, daß vor der Währungsreform auch für ihn keine Möglichkeit bestanden hat, die Fesseln der Zwangswirtschaft zu lockern.
({17})
Damit dürften
- so schreibt der optimistische Schreiber dieser Zeilen für die Zukunft zwei Argumente entfallen.
Sie entfallen aber nicht. Herr Professor Erhard
verläßt sich auf die Vergeßlichkeit der Bevölkerung.
({18})
Meine Damen und Herren! Ich komme zum Hausbrand zurück. Wir haben, glaube ich, das Wesentliche darüber gesagt. Es wird mir niemand im Hause bestreiten können, daß man, wenn man über den Hausbrand spricht, auch über die Kohlenlage und die Wirtschaftspolitik sprechen muß. Erwarten Sie nicht, meine Damen und Herren - und diese Worte richte ich insbesondere an die Adresse des Herrn Bundeswirtschaftsministers -, daß die Notleidenden, die Vertriebenen, die Kriegsopfer und daß die Arbeitslosen in diesem Winter sich lediglich hinstellen und erklären: „Das geschieht Herrn Professor Erhard ganz recht, wenn wir uns die Finger erfrieren; warum hat er nicht rechtzeitig vorgesorgt?" Denn wenn er uns jetzt erklärt, er habe in diesem Monat Maßnahmen getroffen zur Versorgung- der Bevölkerung mit Hausbrand, dann müssen wir von der Opposition erklären, daß das eben viel zu spät gewesen ist.
Wir freuen uns darüber, daß er gewisse Erkenntnisse in die Tat umsetzt, einen Kohlenkommissar berufen hat und uns im wirtschaftspolitischen Ausschuß ein Engpaßprogramm versprochen hat. Wir erkennen daraus, daß heute auch Herr Professor Erhard nicht darum herumkommt, was wir ihm immer vorausgesagt haben, kreditsteuernde, rohstoffkontingentierende, lohnregelnde, importbeschränkende, preisregelnde und verwendungsbeschränkende Maßnahmen zu treffen .Ich betone noch einmal: Auch wir haben uns immer gegen die Zwangswirtschaft verwahrt, auch wir sind für einen echten Leistungswettbewerb, für Konsumfreiheit und für die Funktion des Marktes. Aber wir wollen alles das nicht so weit treiben, daß Millionen von Mitbürgern darüber ins Unglück kommen. Und auf
die Folgen ihrer Wirtschaftspolitik machen wir die
Bundesregierung jetzt mit allem Ernst und mit
aller Sorge vor diesem Winter 1950/51 aufmerksam.
({19})
Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der
FDP betr. Spruchsenat beim Hauptamt für
Soforthilfe ({0}).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Dr. Atzenroth ({1}), Interpellant: Meine Damen und Herren! Diese Interpellation meiner Partei beschäftigt sich mit dem Soforthilfegesetz und damit einer Frage, von der ich hoffe, daß wir hier eine größere Einigkeit im Hause finden, als es bei dem letzten Punkt der Tagesordnung der Fall war. Das Soforthilfegesetz wird von allen Beteiligten als eine Notlösung angesehen. Es ist ein schlechtes Gesetz. Es weist eine Fülle von Mängeln und Ungerechtigkeiten auf. Die 11/2 Jahre seiner Wirksamkeit haben dies deutlich und schlagend bewiesen. Bei einem solchen Gesetz ist es aber von besonderer Wichtigkeit, daß es mit ausreichenden Rechtskautelen versehen ist. Denn jeder Mangel im Gesetz und jede Ungerechtigkeit wirkt sich dahin aus, daß die Zahl der Beschwerden und Einsprüche automatisch steigt.
Das Gesetz selbst sieht eine solche Möglichkeit der Beschwerde und des Einspruchs in ausreichendem Maße vor. Auf der Länderebene sind Beschwerdeausschüsse gebildet worden. Soviel ich weiß, sind diese Beschwerdeausschüsse auch in Tätigkeit getreten. Darüber hinaus sollte aber eine oberste Beschwerdeinstanz, ,der sogenannte Spruchsenat, gebildet werden. Der § 56 des Gesetzes sieht vor, daß bei dem Hauptamt für Soforthilfe ein Spruchsenat zu bilden ist. Vorsitzender des Spruchsenats soll der Präsident des Hauptamtes oder ein von ihm beauftragter Beamter sein. Außerdem sollen dem Senat vier Beisitzer angehören. Zwei der Beisitzer sollen hauptamtlich ernannt werden. Es sollen Personen sein, die die Befähigung zum Richteramt oder zum öffentlichen Verwaltungsdienst haben. Zwei Beisitzer sollten vom Wirtschaftsrat delegiert und jetzt vom Bundestag gewählt werden. Der Bundestag hat im Juni diese Beisitzer, die die Geschädigtengruppen vertreten sollen, gewählt. Die beiden hauptamtlichen Beisitzer sind bis heute noch nicht ernannt, und damit ist auch der ganze Spruchsenat noch nicht zur Wirksamkeit gekommen. Auch die Verfassung, die er sich geben müßte, ist noch nicht festgelegt.
Wir stellen also heute nach eineinhalbjähriger Laufzeit des Gesetzes fest, daß der oberste Spruchsenat noch nicht errichtet ist. Wie notwendig dieser Senat aber ist, ergibt sich aus der Tatsache, daß beim Hauptamt für 'Soforthilfe etwa 1000 Beschwerden vorliegen, die noch keine Erledigung haben finden können. Bei den Beschwerdeausschüssen auf der Länderebene liegt darüber hinaus eine weitere Zahl von Beschwerden vor, die dort zurückgehalten werden, weil man annimmt, daß durch grundsätzliche Entscheidungen des Senats auch diese Beschwerden automatisch ihre Erledigung finden können.
Die Arbeitsfülle, die dem zu errichtenden Spruchsenat vorliegt, ist ungeheuer. Es ist also unverständlich, warum es noch nicht zur Bildung
({2})
dieses Senats gekommen ist. Die Bildung des Senats darf nicht an verwaltungsrechtlichen oder an juristischen Gründen scheitern. Die Schwierigkeiten müssen überwunden werden, und der Senat muß schnell bestellt werden.
Unsere Interpellation geht also dahin, den Herrn Finanzminister zu fragen, warum dieser Senat noch nicht gebildet worden ist und was unternommen wurde, um ihn schnell zu bilden. Das Interesse der großen Zahl der Geschädigten, die im wesentlichen alte Menschen sind - denn es handelt sich ja hier um die Unterhaltshilfe - fordert eine sofortige Lösung. Nur dann kann bei diesen Personen das Gefühl wieder erweckt werden, daß sie auch in dieser Hinsicht in einem Rechtsstaat leben.
({3})
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte gehofft, Ihnen namens des Bundesministeriums der Finanzen heute mitteilen zu können, daß der Spruchsenat beim Hauptamt für Soforthilfe seine Tätigkeit aufgenommen hat. Trotz der Bemühungen aller beteiligten Stellen und trotz zweimaligen Zusammentritts des Richterwahlausschusses für die Wahl der Mitglieder des Spruchsenats hat sich das leider bisher noch nicht ermöglichen lassen. Die Angelegenheit ist ja von besonderer Bedeutung einmal, wie der Herr Interpellant geschildert hat, wegen der so großen Zahl der vorliegenden Spruchbeschwerden, zweitens aber auch, weil sie ein sehr wichtiges Beispiel dafür liefert, wie außerordentlich schwierig in manchen Fällen die rechtliche Umstellung von Einrichtungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes auf die nach dem Grundgesetz zu schaffenden Einrichtungen ist.
Der Ausgangspunkt für die Schwierigkeiten bei der Bildung des Spruchsenats liegt darin, daß das Grundgesetz und das Soforthilfegesetz gegenseitig nicht aufeinander abgestimmt sind. Das Soforthilfegesetz ist unter der Bezeichnung „Erstes Lastenausgleichsgesetz" bereits im Dezember 1948, also vor fast zwei Jahren, vom Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verabschiedet worden. Von den Militärregierungen gegen die Fassung des Gesetzes erhobene Einwendungen machten eine Umarbeitung des Gesetzes notwendig, die sich aber nur auf die von den Militärregierungen beanstandeten Punkte beschränkte. Das Grundgesetz konnte bei der Umarbeitung nicht berücksichtigt werden, weil damals noch nicht feststand, in welcher Fassung es überhaupt in Kraft treten würde. Nach einer vierten Lesung verabschiedete der Wirtschaftsrat das Gesetz unter seiner jetzigen Bezeichnung im Mai 1949. Bis zur Genehmigung dieses Gesetzes durch die Militärregierungen vergingen abermals mehrere Monate, so daß es erst im August 1949, also nach Inkrafttreten ides Grundgesetzes, in Kraft treten konnte.
Man war damals davon ausgegangen, daß die organisatorische und personelle Verbindung zwischen dem Spruchsenat und dem Hauptamt für Soforthilfe, wie wir sie im Soforthilfegesetz in Anlehnung an frühere landesrechtliche Regelungen vorgesehen hatten, auch mit dem Grundgesetz vereinbar sein würde. Die Besprechungen zwischen den Bundesressorts haben aber zu dem Ergebnis geführt, daß der Spruchsenat in diesem Falle nur als oberste Verwaltungsbehörde hätte tätig werden können mit der Folge, daß gegen dessen Entscheidungen der ordentliche Verwaltungsrechtsweg in mehreren Instanzen eröffnet worden wäre. Der Spruchsenat kann die ihm im Soforthilfegesetz zugedachte Funktion, als oberste Revisionsinstanz tätig zu werden, jedoch nur dann erfüllen, wenn er als oberes Bundesgericht im Sinne des Grundgesetzes tätig wird. Das setzt voraus, daß der Spruchsenat nach Art. 130 des Grundgesetzes auf den Bund übergeführt wird und daß die Richter des Spruchsenats unter Mitwirkung des Richterwahlausschusses berufen werden. Infolgedessen mußte zunächst das Inkrafttreten des Richterwahlgesetzes abgewartet werden.
Das Gesetz ist am 26. August 1950 in Kraft getreten. Am 12. September 1950 hat der Bundestag die von ihm zu wählenden Mitglieder des Richterwahlausschusses gewählt. Gleichzeitig wurde die Überleitung des Spruchsenats als einer Einrichtung der Rechtspflege auf den Bund vom Bundesfinanzministerium vorbereitet und vom Bundeskabinett am 17. Oktober 1950 beschlossen. Diese Verordnung bedarf aber noch der Zustimmung des Bundesrates. Der Rechtsausschuß des Bundesrates hat sich mit der Sache befaßt und beabsichtigt, dem Bundesrat die Zustimmung mit gewissen Ergänzungen vorzuschlagen.
Inzwischen ist der Richterwahlausschuß zu dieser Frage einberufen worden. In der ersten Sitzung vom 26. Oktober kam eine Wahl nicht zustande, da der Richterwahlausschuß nicht beschlußfähig war. In einer zweiten Sitzung am 10. November wurden aus der Mitte des Richterwahlausschusses Bedenken dagegen geltend gemacht, die Richterwahl schon vor dem Inkrafttreten der Überführungsverordnung vorzunehmen.
Es wurde ferner angeregt, den Spruchsenat bis zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung dem Bundesfinanzhof einzugliedern, da ein Bundesverwaltungsgericht oder ein Bundessozialgericht, bei dem der Spruchsenat sonst hätte gebildet werden können, vorläufig noch nicht besteht. Ich beabsichtige, diesem Vorschlag zu entsprechen, um weitere Verzögerungen zu vermeiden. Ich hoffe, daß der Bundesrat, dem die Dringlichkeit der Angelegenheit bekannt ist, sich auf seiner nächsten Sitzung diesem Standpunkt anschließen und die Überführungsverordnung in der neuen Fassung genehmigen wird. Sobald die Überführungsverordnung in Kraft getreten ist, wird der Richterwahlausschuß erneut, also zum drittenmal, zur Wahl des Spruchsenats zusammengerufen werden. Ich werde dann die Richter des Spruchsenats nach ihrer Berufung und Bestätigung unverzüglich dem Herrn Bundespräsidenten zur Ernennung vorgeschlagen.
Die Verfahrensvorschriften für den Spruchsenat hat die Bundesregierung im Rahmen der Änderungsverordnung zum zweiten und dritten Teil des Soforthilfegesetzes in den Sitzungen des Bundeskabinetts vom 5. September 1950 und 3. November 1950 beschlossen. Der Bundesrat hat ihnen zugestimmt. Es ist aber noch die Zustimmung des Bundestags nach dem Soforthilfegesetz notwendig, welches seinerzeit die Zustimmung des Plenums des Wirtschaftsrates vorgesehen hatte. Die Zustimmung des Plenums des Bundestags zu diesen Verordnungen wird also noch herbeizuführen sein.
Die Rechtsfragen, die ich hier dargelegt habe, mußten mit besonderer Sorgfalt geprüft werden, damit gewährleistet ist, daß der Spruchsenat nun wirklich als letztinstanzliches Gericht seine Entscheidungen treffen kann und daß diese Entschei({0})
dungen keinen verfassungsrechtlichen Beanstandungen ausgesetzt sind. Das liegt auch im Interesse der Geschädigten, die den Spruchsenat angerufen haben oder noch anrufen werden.
Ich hoffe also, daß durch das Zusammenwirken aller Beteiligten in Kürze die sehr bedauerlichen Hindernisse beseitigt sein werden, die bisher der vordringlichen Aufnahme der Spruchtätigkeit im Wege gestanden haben. Im Hauptamt für Soforthilfe sind übrigens alle sachlichen Vorbereitungen getroffen worden, damit der Spruchsenat, sobald er ins Leben getreten ist, die eingegangenen Rechtsbeschwerden schnell abwickeln kann.
Ich habe zunächst festzustellen, ob eine Besprechung gewünscht und dieser Wunsch von 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. - Das ist der Fall. Dann treten wir in die Besprechung der Interpellation ein. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von insgesamt 40 Minuten vor. - Widerspruch hiergegen wird nicht erhoben.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Wenzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt der Interpellation auf Drucksache Nr. 1375 zu. Wir möchten aber mit aller Deutlichkeit sagen, daß wir es auch nach der soeben gehörten Stellungnahme des Herrn Staatssekretärs nicht verstehen, warum man in dieser Angelegenheit so lange Zeit hat verstreichen lassen können und gewartet hat, bis sich die Beschwerden auf ungefähr 1000 Stück aufgehäuft haben. Nach den mir gewordenen Informationen sind an Rechtsbeschwerden bzw. gemäß § 62 Abs. 3 des Soforthilfegesetzes vorgelegte Beschwerden neu eingegangen: im Juli 150, im August 104 und im September 146. Das ergibt die Summe von insgesamt 400, so daß der Eingang im Vergleich zum zweiten Vierteljahr - da waren es 346 - etwas angestiegen ist. Es liegen also nicht nur, wie die Interpellation sagt, mehrere hundert Rechtsbeschwerden vor, sondern es sind insgesamt 965, d. h. die runde Summe von 1 000. Wir halten es nicht für richtig,. daß in solchen Angelegenheiten wie den hier vorliegenden Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen über Unterhaltshilfe die Bürokratie allzu stark in den Vordergrund gestellt wird. Selbst wenn der Spruchsenat dann in Funktion tritt, muß er eine gute Zeit Tag und Nacht arbeiten, wenn er diese Beschwerden schnellstens aufgearbeitet haben will. Wir meinen, daß nicht alle der hier in Frage stehenden Fälle so schwere Fälle sind, daß nicht die schon bestehenden Instanzen ausgereicht hätten, um einen großen Teil längst zu erledigen. Man darf doch eins nicht vergessen: es geht hier um das wirtschaftliche Schicksal ärmster Menschen. Wir meinen, daß bei dieser Handhabung das Soforthilfegesetz mit dem, was es will, in sein gerades Gegenteil verkehrt wird. Es bleibt nämlich von ,,sofort" und von „Hilfe" bei einer solchen Handhabung eigentlich nichts mehr übrig. Wir möchten gerade - das ist ja auch im Sinne der Beschwerdeführer -, daß hier sofort und bald geholfen wird.
Ich möchte abschließend - was meine politischen Freunde an dieser Stelle schon mehrfach mit so viel Nachdruck getan haben - an die Regierung erneut die Forderung herantragen, nun endlich einmal das Lastenausgleichsgesetz zu schaffen. Wir meinen, daß nur das Lastenausgleichsgesetz den
Millionen von Menschen, die ohne ihre Schuld arbeits- und existenzlos geworden sind, die Hilfe bringen kann, die sie wieder in eine menschenwürdige Existenz führt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen und dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6a) und b):
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzes über Steuerbegünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaues ({0}) und Beratung des Antrags der Fraktion des Zentrums betreffend Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 15 und 10 Minuten und für die Gesamtaussprache 60 Minuten vor. - Es erfolgt kein Widerspruch und ist somit beschlossen.
Ich habe Ihnen vorher, meine Damen und Herren, bekanntzugeben, daß die Mitglieder des Ausschusses Nr. 44 sich alsbald im Zimmer 02 versammeln möchten.
Das Wort zur Begründung des Punktes 6a) der Tagesordnung hat der Abgeordnete Klabunde.
Klabunde ({2}), Interpellant: Meine Damen und Herren! Wenn die Termine, die der Bundestag vor sieben Monaten einstimmig gesetzt hatte, von den zuständigen Ministerien richtig beachtet worden wären, brauchten wir heute nicht diese Debatte, sondern hätten wir schon vor Monaten eine Erörterung über den Tatbestand vornehmen können, der an sich geregelt sein soll. Ich darf nämlich auf folgendes verweisen. Am 28. März haben wir einstimmig über alle Parteien hinweg beschlossen, daß rechtzeitig ein Gesetzentwurf vorgelegt werden soll, wonach spätestens ab 1. Juli für den Kreis der Steuerpflichtigen mit kleinem Einkommen die Möglichkeit eröffnet wird, Sparen für den Wohnungsbau mit 25% der Beträge begünstigt zu erhalten. Wir haben auf ausdrücklichen Vorschlag des Kollegen Dr. Brönner von der CDU in diesen Text das Wort ,,rechtzeitig" eingefügt. Diese Rechtzeitigkeit hat sich wie folgt entwickelt, und ich glaube, hier ist an die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses zu appellieren.
Es ist nämlich die Frage, ob die Bundesregierung in der Weise in Zukunft weiter Ersuchen des Bundestages vernachlässigen soll. Der Herr Bundesfinanzminister hat nämlich wegen der Dringlichkeit der Sache annähernd volle drei Monate gebraucht, um am 21. Juni, also abgesehen von acht Tagen ein Vierteljahr, drei Monate später, den Ländern Mitteilung darüber zu machen. Er hat überhaupt keinen eigenen Entwurf über diese Bestimmung angefertigt, und er hat keinen Entwurf, da er ihn ja nicht angefertigt hat, in die Bundesregierung bringen können. Infolgedessen hat sich auch die Bundesregierung mit diesem Anliegen nicht beschäftigt. Mitte Juli wurde ein Gremium von Finanzsachverständigen der Länder mit dieser Frage bemüht. Aber diese Finanzsachverständigen der Länder waren Beamte, die nur über technische Fragen der Durchführung und über nichts anderes eine Meinung abzugeben hatten. Im übrigen wäre auch der Bundestag in diesem Stadium noch nicht zu befragen gewesen, weil der eigentliche Vorgang, die Beschlußfassung im Rahmen der Bundes({3})
regierung auf der Grundlage eines Entwurfes des Ministeriums, hätte vorhergehen müssen. Das alles ist nicht erfolgt.
Am 15. September, also vor zwei Monaten auf den Tag, hat die SPD die vorliegende Anfrage eingebracht. Auch das hat weder den Bundesfinanzminister noch die Bundesregierung veranlaßt, irgendeinen Schritt in der Angelegenheit zu unternehmen. Einige Wochen später kam der Herr Bundesfinanzminister in den Wohnungsausschuß des Bundestages, und er hörte dort, daß es das einmütige Anliegen aller Parteien sei, der CDU, der FDP und der Opposition, der SPD, sowie der übrigen Parteien, die vertreten waren, daß diese Regelung in die Wirklichkeit umgesetzt wird. Auch das hat dem Herrn Bundesfinanzminister keinen Anlaß gegeben, die Dinge voranzutreiben.
Schließlich ist dieser Tag herangekommen, nachdem der Termin mehrfach verschoben worden ist. Der Bundesfinanzminister hat nichts getan. Morgen sind es drei Wochen her, als es hieß, daß die Anfrage nicht behandelt werden könnte, weil der Herr Bundeswohnungsminister, der heute dankenswerterweise anwesend ist, verhindert sei. So sind die letzten drei Wochen ins Land gegangen.
Was ist nun der Tatbestand? Ist an hoher Stelle die Auffassung entstanden, der einmütige Beschluß des Bundestages - einmütig auch von den Mitgliedern der Bundesregierung gefaßt, soweit sie Abgeordnete des Bundestages sind - ist so falsch, daß daraus nichts werden darf? Ich glaube, das ist nicht der Fall.
Wir wollen weiter eine Frage stellen, die sehr entscheidend sein kann. Warum zögert der Bundesfinanzminister? Es war nicht nur die wohnungspolitische Begründung, es war auch, von dem Bundesfinanzminister nicht widersprochen, im Finanzausschuß die Begründung gewesen, daß damit in Ergänzung zu den §§ 7a, b und c bei den größeren Einkommen der kleine Mann mit dem kleinen Einkommen wenigstens ein fünfundzwanzigprozentiges Entgegenkommen hab en soll. Diese Gründe können es also doch nicht gewesen sein. Wir stehen vor der merkwürdigen und, ich glaube, in dieser Schärfe in diesem Hause noch nie entstandenen Frage: weswegen ist die Erfüllung des Ersuchens des Bundestages vernachlässigt, ich möchte sagen, absichtlich unterlassen worden, obwohl der Bundestag und der Bundestagsausschuß die Regierung und insbesondere den Bundesfinanzminister mehrfach sehr dringend ermahnt haben und obwohl wir wissen, daß beispielsweise der Herr Bundeswohnungsminister ein dringendes Interesse hat, seine Sorgen um die Finanzierung des Wohnungsbaus nicht etwa auf die lange Bank geschoben, sondern wenigstens an dieser Stelle mit einem Teilbetrag befriedigt zu sehen? Der Herr Bundesfinanzminister hat vielleicht nicht die Sorgen, die der Herr Bundeswohnungsminister hat.
Ich darf diese Sorgen einmal mit aller Dringlichkeit schildern. Wir brauchen für den Wohnungsbau des nächsten Jahres 31/2 Milliarden Mark mindestens, wahrscheinlich noch ein paar hundert Millionen mehr, wenn die Absicht in die Tat umgesetzt werden soll. Nach eigener Schätzung des Herrn Bundeswohnungsministers, die ich zu kennen glaube, fehlen ihm mindestens 1,2 Milliarden. Nach unseren eigenen Schätzungen fehlen sogar 1,5 bis volle 2 Milliarden. Wenn es möglich ist, durch eine bestimmte steuerliche Maßnahme eine bestimmte Kapitalbildung, hier die Kapitalbildung der kleinen Leute, für den Wohnungsbau zu begünstigen, so sollte alles geschehen, um diese Milliardensumme um einzelne Wertbruchteile zu verringern. Statt dessen sehen wir ein Verhalten, das zwischen Nachlässigkeit und bewußter Unterlassung schwankt und wahrscheinlich durch beides ausgezeichnet ist.
Meine Damen und Herren, wir haben damals in diesem Hause das Gesetz einstimmig beschlossen. Der Ausschuß hat alle wichtigen Fragen wohnungspolitischer Art nach wie vor in einhelliger Auffassung angepackt und behandelt. Ich weiß nicht, ob diese Einmütigkeit des Hauses, die in der ganzen Nation stärkste Zustimmung gefunden hat, jetzt durch ein Nichthandeln, durch ein Unterlassen von der ministeriellen Ebene her gefährdet werden soll. Dann möge man das offen aussprechen und nicht die Dinge schließlich dazu kommen lassen, daß wir, wenn wir heute die Regierung wegen dieser Unterlassung schon kritisieren müssen, ein nächstes Mal das Maß dieser Kritik noch wesentlich verschärfen müssen.
Ich möchte vor allem darauf hinweisen, welcher Schaden durch die Schuld des Finanzministeriums auf dem Gebiet der Wohnungsbaufinanzierung entstanden ist. Als seinerzeit der Antrag eingebracht wurde, wurde unwidersprochen durch mich selbst die Schätzung vorgetragen, daß dadurch mindestens 200 Millionen aufgebracht werden könnten, die sonst nicht aufgebracht werden. Diese Regelung sollte ab 1. Juli wirksam werden. Wieviel Zeit ist seitdem allein schon bis heute vergangen! Und wir wissen ja, daß auch diese Vorlage der Bundesregierung bis Weihnachten nicht vorliegen kann, weil der Bundesrat noch nicht bemüht worden ist, obwohl einzelne Länder bereits um die Vorlage eines solchen Gesetzes ersucht haben. Es vergeht also ein halbes Jahr, und damit begibt sich ein Vorgang, den wir wie folgt betrachten müssen:
Man hat auf mehr als 100 Millionen Kapitalaufbringung für den Wohnungsbau verzichtet, weil man glaubte, klüger zu sein als das ganze Parlament, ohne aber Gründe dafür zu nennen, und das ist das Erschütternde an dieser ganzen Sache. Wir haben also die Tatsache zu verzeichnen, daß Wohnungen im Werte dieses Betrages nicht gebaut werden können. Der Wohnungsbau wird damit im nächsten Jahr um mindestens 10 000 Wohnungen beeinträchtigt werden, weil der Herr Bundesfinanzminister nicht hat handeln wollen.
({4})
- Der Zuruf „nicht können" ist falsch. Ich werde
Ihnen beweisen, daß er es konnte. Er hat nämlich
- und insofern ist er schließlich doch ein schlechter Taktiker - vor wenigen Tagen eine Verordnung betreffend die Begünstigung des Landarbeiterwohnungsbaues herausgebracht, die natürlich zu begrüßen ist. Aber uns hat er im Ausschuß, und zwar in der gemeinsamen Sitzung des Wohnungsbau- und des Finanzausschusses, vorgehalten: wir können dem kleinen Mann so außerordentlich schwer helfen, weil er keine Bücher führt! Jetzt ist eine Bestimmung für nichtbuchführende Landwirte gefunden worden. Da ging es plötzlich, da ging es sogar auf dem Verwaltungswege, während er uns erzählt hat, es bedürfe einer gesetzlichen Änderung des Einkommensteuergesetzes, damit diese Regelung durchgeführt werden könne. Meine Damen und Herren, sie sehen also: wo der Wille ist, kommt auch die Tat. Daraus werden Sie auch erkennen, daß meine Frage berechtigt ist: weswegen war hier kein Wille? Denn es ist ja keine Tat gefolgt!
({5})
Die Steuereinbußen, von denen hier zu reden ist, betragen nach den unwidersprochen gebliebenen Schätzungen durch die gewünschten Vergünstigungen maximal 30 Millionen Mark. Für 30 Millionen Mark, die zusätzlich investiert werden, sollen zusätzlich 170 Millionen, summa summarum also 200 Millionen ,dem Wohnungsbau zufließen. Das war die Überlegung. Sie wissen, daß bei den großzügigen Maßnahmen im Rahmen des § 7c, die in diesem Jahr schätzungsweise 450 bis 500 Millionen Mark für den Wohnungsbau ergeben haben, vielfach größere Beträge an Steuern investiert werden mußten, denn diese 450 bis 500 Millionen bestehen aus 300 bis 350 Millionen erlassenen Steuern, und nur der verhältnismäßig bescheidene Rest von 150 Millionen sind eigene Gelder der Steuerpflichtigen. Der Herr Bundesfinanzminister ist also bereit gewesen, an der einen Stelle das Zehnfache zu konzedieren, während er hier mit einem Zehntel dieser anderen Summe einen viel größeren Erfolg hätte auslösen können, mit dem Zugestehen von 15 % Mitteln weitere 85 % hätte mobilisieren können. Er hat also selbst 70 % investiert, um weitere 30 % zu erzielen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Situation wäre nur dann nicht ernst, wenn dem Wohnungsbau ausreichende Mittel, also auch die fehlenden 1 1/2 bis 2 Millionen zur Verfügung stünden. Es steht aber fest, daß sie ihm fehlen werden, denn die Dinge liegen folgendermaßen: Die Hypothekenbanken, die Lebensversicherungen und die Sparkassen sind außerordentlich schwach in der Aufbringung von Mitteln, die Hypothekenbanken am meisten, weil zu dem sehr stark zurückgegangenen Pfandbriefabsatz noch eine Notwendigkeit hinzugekommen ist, die viel Geld kostet, nämlich die Kurspflege für die alten Pfandbriefe, so daß also alle erreichbaren Mittel, Eigenmittel und auch Vorfinanzierungsmittel der Bank deutscher Länder bei den Hypothekenbanken zum Erwerb der alten Pfandbriefe verwandt werden müssen, die sowieso auf dem Markt sind, deren Erwerb also keine Wohnungsbaufinanzierung ermöglicht. Nur bei den Lebensversicherungen sind die Verhältnisse einigermaßen gesund. Daß sie bei den Sparkassen noch sehr kritisch sind, ist allgemein bekannt. Dort treten sehr große Lücken auf, so daß sich Finanzierungszusagen, die in diesem Jahr erfolgt sind, bis weit in das nächste Jahr hinein erstrecken müssen, weil in diesem Jahr das Aufkommen nicht vorliegt. Die 7c-Mittel, deren großen Ümfang ich eben nannte, werden offenbar zurückgehen. Wir hoffen, daß die Zusage des Herrn Bundesfinanzministers über 400 Millionen Mark aus den Münzgewinnen gehalten wird, obwohl wir bei einem Zahlenvergleich darauf hinweisen müssen, daß doch nur gut 160 Millionen in den Ausweisen der Bank deutscher Länder genannt werden. Wir bezweifeln auch sehr stark, daß man aus 160 Millionen Münzen in diesem Jahr schon 400 Millionen Münzgewinn und im nächsten Jahr noch einmal 400 Millionen Münzgewinn erzielen kann. Immerhin, diese Sorge würde uns wohnungspolitisch weniger treffen, wenn wir sicher wären, diese Zusage würde erfüllt. Angesichts dieser Finanzmisere aber - und darum handelt es sich - müßte jede, auch die allerletzte Anstrengung unternommen werden, um den kleinen Mann nicht zum Rückgang seines Sparwillens, wie es seit der Korea-Krise der Fall ist, zu bringen, sondern ihn umgekehrt zum Sparen anzuregen. Wir schreiben dem Herrn Bundesfinanzminister auf dem Wohnungsbaugebiet diese in gewissem Umfang historische Schuld zu,
das versäumt zu haben.
Aber nun kommt ja noch die andere Schwierigkeit hinzu. In der vorausgegangenen Kohlendebatte sind diese langfristigen Auswirkungen nicht berührt worden. Tatsache ist aber, daß heute schon Zehntausende von nahezu fertiggestellten Wohnungen nicht fertiggestellt werden können, weil die Kohle für das Brennen der Dachziegel fehlt.
({6})
Ich habe während der Schlußworte meines Freundes Koch eine Nachricht bekommen, daß im rheinisch-westfälischen Gebiet eine Fabrik für die Herstellung von Badewannen, die 120 Mann Belegschaft hat, gestern wegen Koksmangels ihren Betrieb eingestellt und um Hilfe ersucht hat, damit ihre Lieferung an Badewannen für die Neuausstattung von Wohnungen überhaupt möglich ist.
({7})
- Das sind keine Gerüchte. Ich kann Ihnen die Quelle angeben: Es ist einer der größten Baustoffhändler, der diese Nachricht übermittelt hat.
({8})
Ich will weiter fortfahren. Wir haben damit zu rechnen, daß große Arbeiterschwierigkeiten entstehen, wenn die Arbeiter aus dem Wohnungsbau fortgezogen werden, und wir hätten jeden Anlaß, alles zu tun, nicht nur das bisher höchste diesjährige Volumen, sondern auch das nächstjährige Volumen fertigzustellen. Hier müssen wir allerdings feststellen, daß nicht nur der Bundesfinanzminister Termine vernachlässigt hat.
({9})
Herr Präsident, ich darf darauf aufmerksam machen, daß mir 30 Minuten Redezeit zugestanden sind, die bei weitem noch nicht abgelaufen sind, so daß Ihre Mahnung falsch ist.
Nein!
Sie sind mir ausdrücklich zugestanden worden. Ich habe mit Herrn Präsidenten Dr. Ehlers diese Redezeit vereinbart und auch erhalten.
Davon ist mir nichts bekannt.
Ich bedaure, daß die Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Altestenrat nicht funktioniert, aber das sind Tatsachen.
Nach der mir vorliegenden Mitteilung haben Sie 15 Minuten Redezeit.
Nein, Herr Präsident, das ist nicht der Fall. Ich bitte, die Angelegenheit inzwischen zu prüfen.
Ich möchte also fortfahren, und zwar so, wie es das Thema erfordert. Wir haben mit großen Schwierigkeiten zu rechnen, weil nicht nur der Bundesfinanzminister Versäumnisse begeht. Wir haben beispielsweise den Herrn Bundeswohnungsbauminister und damit die ganze Bundesregierung ersucht, zum 30. 9., das sind jetzt 6 Wochen her, ein Gesetz für die Baulandbeschaffung vorzulegen. Ich weiß, daß ein solches Gesetz im Entwurf existiert, aber wir sind genötigt zu fragen: Soll denn
({0})
alles, was vom Bundestag einstimmig zum Wohnungsbau angeregt worden ist, von den Ministerien auf die lange Bank geschoben werden, was die Sache nicht verträgt? Diejenigen, die den Wohnungsbau kennen, wissen genau, daß, wenn überhaupt im nächsten Jahr etwas anderes als die Fortführung des Überhangs, der gegenwärtig in sehr beträchtlichem Maße besteht, geschehen soll, dann auch die Baulandbeschaffung erforderlich ist, und zwar gesetzlich geregelt in einem solchen Ausmaß, daß in wenigen Wochen Beschaffungen auf dieser Grundlage erfolgen können.
Meine Damen und Herren! Ich habe eingangs betont, wie sehr dieses Haus einmütig an den Dingen mitgewirkt hat. Ich möchte auch heute den Wunsch aussprechen, daß wir alle sehr einmütig und sehr, sehr dringend die Regierung ersuchen, das Erforderliche nachzuholen. Denn was wäre der Erfolg, wenn sich die Regierung säumig zeigte? Es wäre doch ein Leichtes für viele Abgeordnete, in sehr kurzer Zeit Initiativgesetze vorzulegen, die dann schließlich vom Bundestag eventuell bei sehr kritischer Haltung der Regierung angenommen werden, einfach weil die Regierung nicht vorher gehandelt hat. Will denn die Regierung in diese Situation kommen? Ich glaube nicht, daß das klug wäre, und ich möchte dringend empfehlen, einen anderen Weg zu gehen.
Ich möchte aber eines ganz dringend sagen: Sie werden sich durch die Statistiken des Wohnungsbaues, sofern Sie außerhalb seines Bereichs stehen, im Augenblick noch täuschen lassen; denn gerade heute konnten Sie in einer angesehenen Zeitung lesen: Höchststand des Wohnungsbaues im September! Tatsächlich liegen die Dinge folgendermaßen: Wir werden in den nächsten Monaten noch sehr viele Fertigstellungen haben. Die Fertigstellungen werden aber, sobald einmal die gegenwärtig im Bau befindlichen. Wohnungen produziert sind, schlagartig abbrechen, wenn wir nicht laufend sehr große Zahlen über Neubeginne haben.
Und, Herr Minister Wildermuth, es zählt dabei sehr wenig die Zahl der Anträge, die gestellt werden und den Willen bekunden, später einmal zu bauen, sondern es zählt die Zahl der Bauten, die begonnen, durchgeführt und vollendet werden. Nur auf Bauvollendungen allein kommt es an. Die Wohnungsuchenden können nicht in unfertige Häuser ziehen. Deswegen muß alles geschehen, daß die Bautätigkeit in Gang bleibt, auch wenn man mit großen Aspekten in die Zukunft hinein rechnet, wie etwa Vorhaben, die uns durch die Besatzungsmächte zwingend nahegebracht werden. Wir müssen sogar sagen: es darf kein einziges Vorhaben des Bundes, es darf kein einziges Vorhaben der Militärregierungen, die sich zwar nicht mehr so nennen, aber dasselbe sind, geben, das vor dem Wohnungsbau Vorrang hätte.
({1})
Den echten, eindeutigen Vorrang hat der Wohnungsbau. Alles andere, auch die Besatzungsmacht, folgt nachher.
({2})
Wenn wir diesen Standpunkt nicht energisch zur Geltung bringen, wird der Wohnungsbau zum Erliegen kommen. Und Erliegen des Wohnungsbaues ist mehr als beispielsweise das, was die Stillegung der Rasierklingenindustrie für die wäre, die sich selbst täglich zu rasieren haben. Der Wohnungsbau ist eine wirklich lebenswichtige Sache, und hier steht das eine fest: Versagt der Wohnungsbau, dann wird der Vorwurf gegen alle politischen Parteien, gegen die Bundesregierung und gegen die Regierungen der Länder gerichtet. Es sollte deswegen ein völlig einmütiges Anliegen sein, das Versäumte nicht nur gezwungenermaßen, sondern mit besserer Gesinnung nachzuholen, damit wir zu dem kommen, was notwendig ist, nämlich zu einer solchen Vorbereitung des nächstjährigen Wohnungsbaues, daß wir die einmal vorübergehend bis jetzt erreichten Höchstzahlen dauernd werden halten können.
({3})
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Herr Interpellant hat in seiner Begründung der Interpellation einem Punkt nicht oder doch nicht ganz das Gewicht beigemessen, das ihm hier zukommt. Es ist keine Angelegenheit nur zwischen Bundestag und Bundesfinanzminister oder Bundesregierung, sondern hier haben die Länder, d. h. der Bundesrat
({0})
- darf ich ausführen - ein ganz entscheidendes Wort mitzusprechen; denn es handelt sich um die Einkommensteuer, die eine Einnahme der Länder und nicht des Bundes ist.
({1})
Über diese Einnahmen der Länder kann der Bundesfinanzminister ohne die Zustimmung der Länder nicht verfügen.
Was die Einstellung des Bundesfinanzministers zur Förderung des Wohnungsbaues betrifft, so, glaube ich, hat er das in der Vorlage, in der Förderung und in der Durchsetzung des Einkommensteueränderungsgesetzes vom April mit dem bekannten § 7 c nachdrücklich bewiesen, der außerordentlich weitgehende Erleichterungen auf dem Gebiet der Einkommensteuer enthält und dem damals der Bundesrat, also die Finanzminister der Länder, nur unter Zurückstellung ganz erheblicher Bedenken zugestimmt haben. Das Bundesfinanzministerium hat den Willen zur Förderung des Wohnungsbaues weiter durch die Zurverfügungstellung der Erlöse aus dem Münzgewinn bewiesen. Es wäre verlockend gewesen, diese 400 Millionen zur Deckung anderer Haushaltsausgaben zu verwenden. Wir haben von vornherein erklärt, daß diese außerordentlichen Einnahmen nur far den Wohnungsbau verwandt werden sollen.
Was Ihre Sorge betrifft, ob über die 160 Millionen Münzgewinn aus Münzen, die jetzt umlaufen, der volle Betrag von 400 Millionen für den Wohnungsbau zur Ausschüttung kommen wird, so darf ich sagen, daß die Ausgaben von Ein-DM-Münzen in Kürze und die Ausgabe von Zwei-DM-Münzen einige Zeit darauf vorgenommen werden soll. Wir hoffen bestimmt, daß der Betrag von 400 Millionen in diesem Rechnungsjahr erreicht werden wird.
Nun haben Sie die Verordnung zur Förderung des Baues von Landarbeiterwohnungen erwähnt. Ich glaube, daß gerade diese Verordnung ein Beweis für die Richtigkeit meiner Stellungnahme ist, denn auch sie mußte mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden, und sie ist mit Zustimmung des Bundesrats erlassen worden. Wenn der Bundesrat nicht zugestimmt hätte, hätten wir die Verordnung nicht erlassen können. Es ist nur ein kleiner Schritt auf dem Wege, aber immerhin ein weiterer Schritt.
({2})
Nun kommt es hier auf folgendes an. Es waren nicht nur Beamte, Steuersachverständige der Länder, sondern die Finanzminister der Länder, die im Finanzausschuß des Bundesrats eine Reihe von Bedenken gegen den vorgeschlagenen Weg erhoben haben. Zunächst einmal wurde dort geltend gemacht, daß jedes derartige Verfahren zu sehr großen technischen Schwierigkeiten führe, die die schon so außerordentlich überlasteten Finanzämter - es handelt sich um die Finanzämter, die den Länderfinanzministern unterstehen, nicht dem Bundesfinanzminister - weiter stark belasten würden. Ferner wandte man ein, daß die Absicht einer zusätzlichen Vergünstigung bereits entsprechende Wünsche auf Gewährung anderer zusätzlicher Steuerabzüge, z. B. für die Sparer und für die Versicherungsnehmer, hervorgerufen habe. Dann verweisen - ich gebe hier die Gründe der Finanzminister der Länder wieder - die Finanzminster auf die Haushaltslage der Länder. In Kürze, bei Einbringung des Gesetzentwurfs über den Finanzausgleich, wird Gelegenheit sein, die sehr ernste Lage der Mehrheit der Länder hier zu schildern. Ich muß wiederholen: der Finanzausschuß des Bundesrats hat es einstimmig abgelehnt, dem von uns ihm vorgetragenen Plan, diese Entschließung in der relativ einfachen Form der Gewährung einer Prämie durchzuführen, seine Zustimmung zu geben.
Nun hat Herr Minister Schäffer ja vor einigen Wochen im Ausschuß des Bundestags für Wiederaufbau und Wohnungswesen über diese Angelegenheit berichtet. Damals ist vereinbart worden, daß er außer der Stellungnahme des Finanzausschusses des Bundesrats, die ich geschildert habe, auch die Stellungnahme der Länderregierungen herbeiführen solle. Wir haben uns daraufhin an das Präsidium des Bundesrats gewandt und gebeten, diese Angelegenheit so bald wie möglich in einer Plenarsitzung des Bundesrats zur Debatte zu stellen. Das ist bisher nicht geschehen. Sie werden mir zugeben, daß der Bundesfinanzminister keinen weiteren Einfluß auf die Tagesordnung des Bundesrats nehmen kann. Weil aber diese Beratung im Plenum des Bundesrats noch nicht erfolgt ist, haben wir uns am 20. Oktober mit einem Schnellbrief an die Ministerpräsidenten der Länder gewandt, den Tatbestand geschildert und insbesondere mit Rücksicht auf die von Ihnen damals eingereichte Interpellation um beschleunigte Stellungnahme nicht der Finanzminister, sondern der Gesamtkabinette der Länder gebeten. Darauf sind uns einige Entschließungen von Länderkabinetten zugegangen, die überwiegend ablehnend waren,
({3})
bis auf einen einzigen Fall, in dem das betreffende Kabinett sich dem Standpunkt des Bundestags angeschlossen hat. Einzelne Antworten von Kabinetten stehen heute noch aus. Ich habe daher in der vorigen Woche die betreffenden Länderregierungen gebeten, uns nunmehr beschleunigt ihre Antworten zukommen zu lassen. Sobald die Antworten aller Länderregierungen vorliegen, wird sich das Bundesfinanzministerium sofort wieder mit dem Wohnungsbauausschuß des Hohen Hauses in Verbindung setzen.
Ich darf aber ganz allgemein auf folgendes hinweisen. In den letzten Wochen hat sich bekanntlich die Haushaltslage nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder, weiter angespannt. Die Gründe, die die Finanzminister bereits im Sommer gegen den Ausbau steuerlicher Vergünstigungen angeführt haben, dürften dadurch ein besonderes Gewicht bekommen. Ich glaube, im jetzigen Augenblick müßte man doch wohl prüfen, ob es nicht erforderlich ist, derartige Fragen in einem neuen, größeren Zusammenhang zu sehen. Herr Minister Schäffer hat gewisse Entwicklungstendenzen auf dem Gebiet der Ertragssteuern in seiner Haushaltsrede in der vorigen Woche angedeutet, als er über das Ziel und die Wirkungen der letzten Einkommensteuerreform sprach. Ich glaube auch aus diesem Grunde, daß die Sache, sobald die Äußerungen aller Länderkabinette eingegangen sind, im Wohnungsbauausschuß, aber dann in dem großen Zusammenhang der jetzigen Situation, von neuem erörtert werden muß.
({4})
Ehe ich die Besprechung eröffne, erteile ich zur Begründung des Antrags der Zentrumsfraktion betreffend Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau der Länder dem Herrn Abgeordneten Dr. Glasmeyer das Wort.
Dr. Glasmeyer ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der Zentrumsfraktion betreffend Aufteilung der Mittel für den Wohnungsbau auf die Länder Drucksache Nr. 1540 - spricht die Not der sogenannten Besatzungsgeschädigten an. Das ist die Not jenes Personenkreises, der durch die Belegung deutschen Wohnraums durch die Besatzungsmacht seine Wohnung bereits verloren hat bzw. demnächst, wenn neue alliierte Divisionen nach Deutschland verlegt werden, sie noch verlieren wird. Es handelt sich hierbei um gewisse Schwerpunkte. Ich nenne zum Beispiel Städte wie Köln, Münster, Soest, Hamm und andere im ganzen westdeutschen Gebiet.
({1})
Diese Städte sind stark zerstört, teilweise in ihren Randgebieten noch dazu mit Flüchtlingen belegt und werden jetzt durch die Besatzungsmacht noch mehr geschädigt. Darum ist ein besonderer Notstand gegeben.
Nun sind die Mittel für die Finanzierung des Bauprogramms 1951 aufgeteilt nach dem sogenannten Bopparder Schlüssel. Dieser Schlüssel sieht für die Aufteilung der Mittel bestimmte Richtlinien vor, die uns seinerzeit im Wohnungsbauausschuß durch den Herrn Wohnungsbauminister mitgeteilt worden sind; z. B. erstens Bevölkerungszunahme von 1939 bis 1945, zweitens die Anzahl der kriegszerstörten Wohnungen, drittens die Anzahl der Industriebeschäftigten. Es kämen dann noch hinzu als vierter Punkt die Wohnungen für 600 000 Heimatvertriebene, als fünfter das Flüchtlingssonderprogramm, insbesondere für Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, und als sechster Schwerpunkt der Bergarbeiterwohnungsbau.
Die Zentrumsfraktion bittet nun, als siebenten Schwerpunkt diese neu zu erstellenden Wohnungen für die Besatzungsgeschädigten hinzuzunehmen. Es ist selbstverständlich, daß bei der Verteilung der Mittel die Länder zu hören sind. Es ist aber auch ebenso bekannt, daß sich vor gar nicht langer Zeit der Landtag von Nordrhein-Westfalen in dieser Frage an den Deutschen Bundesrat gewandt hat, und ebenso ist bekant, daß die CDU-Fraktion des Landtages Nordrhein-Westfalen in Drucksache Nr. 59 vom 11. Oktober 1950 einen ähnlichen Antrag im Landtag gestellt hat. Die Begründung, die damals die CDU-Fraktion im Landtag NordrheinWestfalen gegeben hat, lautet:
Die angekündigte Verstärkung der Besatzungstruppen würde zu einer erneuten Beunruhi({2})
gung in der Bevölkerung führen, wenn nicht dafür gesorgt wird, daß die Beschlagnahme weiteren deutschen Wohnraumes vermieden werden kann. Es erscheint weiterhin angebracht, diejenigen, die seit Jahren durch den Entzug ihrer Wohnungen in besonderem Maße die Last der Besatzung getragen haben, endlich zu entlasten und sie wieder in den Besitz ihres Privateigentums zu setzen.
Dies ist auch die Begründung für unseren Antrag. Infolgedessen bittet die Zentrumsfraktion, ihren Antrag wohlwollend zu prüfen und entsprechend zu beschließen, eventuell diesen Antrag an den Wohnungsbauausschuß zu überweisen.
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Wird eine Besprechung der Anfrage gewünscht?
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- Das ist der Fall. Fünfzig Mitglieder des Hauses unterstützen diesen Wunsch.
Die Aussprache ist eröffnet. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungbau.
Meine Damen und Herren! Das Problem der Besatzungsgeschädigten ist ganz besonders schwierig. Es ist schwierig, weil es nicht ohne weiteres in die Schematik des Wohnungsbaues hineinpaßt. Es ist schwierig aus psychologischen Gründen. Die Besatzungsgeschädigten haben ihre Wohnungen oder ihre Häuser - je nachdem - nach Kriegsschluß verloren. Sie haben sie in der Regel mit zweistündiger Frist aufgeben müssen, und sie haben ihr ganzes Hab und Gut, ihre ganze Einrichtung, ihre Möbel darin zurücklassen müssen und wissen, daß sich diese von Jahr zu Jahr mehr in nichts verflüchtigen. Infolgedessen ist es auf der andern Seite nötig, auch diesem begrenzten Personenkreis zu helfen. Ich glaube aber nicht, daß der vorliegende Antrag Wesentliches dazu tun kann. Der sogenannte Bopparder Schlüssel beruht auf überschlägiger Einschätzung von ganz schwer ins Gewicht fallenden Zahlen, auf Bevölkerungszunahme, Industriearbeiterzunahme und dem Kriegsbeschädigten-Wohnraum. Diesen Zahlen gegenüber hat auf der Bundesebene auch eine Zahl von mehreren zehntausend Besatzungsgeschädigten kein solches Gewicht, daß dadurch die Verteilung der Bundesmittel - für die allein kommt ja der Bopparder Schlüssel in Frage - beeinflußt werden könnte. Ich kann mir aber denken, daß wir uns darüber im Wohnungsausschuß aussprechen.
Ich will auch gern mit den Ländern in Verhandlungen darüber eintreten, ob man nicht einen Weg findet, die Besatzungsgeschädigten auch hier zu berücksichtigen. Wahrscheinlich wird es so sein, daß die Besatzungsgeschädigten im Rahmen der Länder mit den Mitteln, die aus Bund und Ländern zusammenkommen, befriedigt werden.
Dazu kommt noch eine andere Schwierigkeit. Die öffentlichen Mittel, die wir vergeben, werden ja nur für den sozialen Wohnungsbau gegeben. Ein sehr großer Teil der Besatzungsgeschädigten möchte aber andere Wohnungen haben; er möchte vor allem in seine alten Wohnungen, in sein altes Haus hinein. Die Zahl der Villen - der etwas besser ausgestatteten Häuser - ist gerade bei den von der Besatzung beschlagnahmten Wohnungen sehr groß. Ich bin gern bereit, den Ländern zu empfehlen, die Besatzungsgeschädigten innerhalb des sozialen Wohnungsbaues zu berücksichtigen. Das geschieht in einer Reihe von Ländern. Das trifft aber nicht immer oder in sehr vielen Fällen nicht die Bedürfnisse der Besatzungsgeschädigten.
Aus diesen Gründen glaube ich nicht, daß der Antrag, so wie er gestellt ist, die Lage der Besatzungsgeschädigten wesentlich verbessern kann. Aber ich bin bereit, mit den Ländern und im Wohnungsausschuß darüber zu sprechen, was man für diese wirklich besonders belastete Gruppe wird tun können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brönner.
Meine Damen und Herren! Zu den Darlegungen des Herrn Kollegen Klabunde haben wir nichts hinzuzufügen. Wir bedauern es alle zusammen, daß unsere damals einstimmig gefaßte Entschließung von der Regierung nicht so beachtet, nicht so ernst genommen wurde, denn wir haben bis heute keinen Gesetzentwurf in dieser Angelegenheit vorgelegt bekommen.
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Ich möchte aber diese Angelegenheit, die uns ungeheuer wichtig erscheint, in ihrer sachlichen Begründung noch etwas näher beleuchten.
Wir unterscheiden nach unserer Einkommensteuernovelle vier Gruppen von Steuerzahlern und deutschen Menschen, die in bezug auf den Wohnungsbau bestimmte Vorteile erhalten haben. Einmal die Bezieher von hohen Einkommen; sie haben die Vorteile nach der Einkommensteuernovelle 7c. Zweitens die Bezieher mittlerer Einkommen; sie haben die Vorteile, im Rahmen der zulässigen Werbungskosten und Sonderausgaben ihre Abzüge vom steuerbaren Einkommen zu machen, der einzelne Steuerpflichtige für sich 800 DM, für die Frau 400 DM, für jedes Kind, für das Steuerermäßigung erteilt wird, ebenso 400 DM. Also wir haben auch für diese Gruppe gesorgt.
Dann kommen die Lohnsteuerpflichtigen. Da verhält es sich folgendermaßen: Wir haben in dem Lohnsteuertarif eine besondere Regelung. Wir unterscheiden ja Lohnsteuertarif und Einkommensteuertarif; im Lohnsteuertarif sind an sich 39 DM Werbungskosten und Sonderausgaben eingerechnet, so daß bei gleichem Einkommen des Veranlagten und des Lohnsteuerpflichtigen der Veranlagte etwas mehr als der Lohnsteuerpflichtige zahlen muß. Wenn nun aber ein Lohnsteuerpflichtiger eine Einzahlung leistet in ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen, für einen Bausparvertrag, für einen Versicherungsvertrag, dann muß er die 39 DM Werbungskosten und Sonderausgaben erst auffüllen, ehe ihm auf seiner Lohnsteuerkarte ein solcher Einzahlungsbetrag eingetragen wird, der dann von seinem steuerpflichtigen Lohn abgezogen werden kann. Erst von dem verbleibenden Betrag wird ja Lohnsteuer erhoben. Darin besteht das Unrecht.
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Gewiß kann man sagen, dafür ist der Lohnsteuertarif geringer. Aber einzelne können dies ausnützen, und andere können es nicht ausnützen. Wer ein geringeres Einkommen bezieht, ist hier unter allen Umständen gegenüber dem im Nachteil, der ein größeres Einkommen hat und mehr Sonderausgaben und mehr Werbungskosten nachweist und
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dafür entsprechend höhere Abzüge vornehmen kann. - Das ist die dritte Gruppe.
Wir haben aber noch eine vierte Gruppe, von der im allgemeinen nicht gesprochen wird, von der ich aber auch reden möchte. Wir haben nämlich Menschen, die keine Lohn- und keine Einkommensteuer zu bezahlen brauchen, aber trotzdem bereit sind, zu sparen, wenn ihnen für dieses Sparen eine gewisse Belohnung gegeben wird.
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Deshalb sagen wir, diese Regelungen für diese vier Gruppen müssen rechtlich gesehen, gerecht gesehen, untereinander ausgeglichen werden. Wir brauchen für den Lohnsteuerpflichtigen auch die Möglichkeit, daß er seine 39 DM nicht erst auffüllen muß. Der kleine Mann, der sich von seinem Konsum, auf den er verzichtet, Geld abzwackt, dieser kleine Mann, der keine Steuern bezahlt, soll auch für sein Wohnsparen belohnt werden.
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Das ist unsere Einstellung. Wir verlangen einen gerechten Ausgleich zwischen den nach § 7c der Einkommensteuernovelle Begünstigten, zwischen denen, die hohe Sonderausgaben absetzen können, und den Lohnsteuerpflichtigen bis zu dem kleinen Sparer, der keine Steuern zu bezahlen hat. Das ist der tiefere Sinn der Entschließung.
Es kommt noch etwas hinzu. Wir wollen auch sehen, daß in materieller Beziehung etwas geschieht. Nicht bloß auf den gerechten Ausgleich, sondern auf den Inhalt, auf die Wirkung dieses Ausgleiches kommt es uns an. Wir haben über diese Entschließung gemeinsam mit den Vertretern des Bundesrates drüben im Zimmer 02 beraten, und alle waren derselben Auffassung: Jawohl, hier muß etwas geschehen. Alle haben dieser Entschließung zugestimmt, wonach diese 25% in irgendeiner geeigneten Form auch wirklich den Sparern zugute kommen sollen.
Nun will ich auf die Art der Durchführung eingehen, weil darüber von dem Herrn Vertreter der Regierung gesprochen worden ist. Einmal heißt es: zu große technische Schwierigkeiten, zu große Belastung der Finanzämter. Das setzt voraus, es wird so angesehen, als ob diese 25% von der Steuer abgezogen werden müßten. Das haben wir gar nicht so unbedingt verlangt und als Forderung aufgestellt. Wir haben nur gesagt: der kleine Wohnungssparer soll in Höhe von 25% dessen, was er erspart hat, belohnt werden.
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Diese Stellungnahme der Regierung wird damit begründet, daß es so schwierig sei, die 25% von der Steuer abzusetzen. Es gibt ja Menschen, die überhaupt keine Lohnsteuer bezahlen; auch sie wollen wir zum Sparen anregen. Es wird gesagt, es wäre sehr schwierig für die Finanzämter, bei der Veranlagung und auf den Lohnsteuerkarten die Absetzung dieser 25% genau durchzuführen. Das haben wir auch erkannt. So sehr beschränkt sind wir nicht.
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Deshalb haben wir damals in der Entschließung gesagt: Entweder Abzug von der Steuer oder als Prämie oder in irgendeiner Verbindung beider. Das war der Sinn. Wenn die Regierung es richtig erkannt und gelesen hätte, dann hätte sie sagen müssen: erstens in der Form des Abzugs von der Steuer geht es nicht; zweitens in der Form von
Prämien können wir es nicht; drittens eine Verbindung beider kommt nicht in Frage. Dann hätte ich mir das gefallen lassen.
Meine Damen und Herren, ich stehe auf dem Standpunkt - und mit mir sicherlich die Sachkenner dieser Angelegenheit -, daß wir uns sagen: es sollte in der Form einer Prämie geschehen. Denn nur dann bekommt der Mann, der keine Steuern zahlt, auch etwas für sein Wohnsparen. Das wollen wir erreichen. Wir wollen von dem überflüssigen Konsum ablenken und wollen das Sparen für den Kleinwohnungsbau belohnen.
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Das ist ein Grundsatz, den wir unterstreichen, von dem wir nicht abgehen. Wenn der gesamte Bundestag und damals die Vertreter des Bundesrats mit uns auf demselben Standpunkt gestanden haben, so wundere ich mich, daß daraufhin die Regierung nicht das getan hat, was wir gewünscht haben.
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Auch auf die drei Bedenken möchte ich eingehen. Zunächst auf den Einwand: große technische Schwierigkeiten. Diese Schwierigkeiten hören auf, wenn diese Belohnung des Wohnungssparens in Form einer Prämie durchgeführt wird. Weiter wird geltend gemacht, es könnten auch Ansprüche von dritter Seite kommen, ähnliche Vorzüge und Vorteile zu erlangen. Gewiß, wir müssen damit rechnen, daß solche Ansprüche kommen. Aber wir wissen auch, was wir zu tun haben. Wir wissen, daß heute der Wohnungsbau eine der wichtigsten sozialen Aufgaben ist, die wir haben.
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Wir stellen keine andere Angelegenheit auf dieselbe Ebene mit dem Wohnungsbau. Deshalb ist es für uns kein Grund, wenn gesagt wird, wenn wir das gewährten, müßten wir das andere auch gewähren. Wir können auch einmal nein sagen. Aber hier können wir nicht nein sagen, hier brauchen wir die Unterstützung. Schließlich wird auf den finanziellen Ausfall für die Länder und auf die gespannte Haushaltslage hingewiesen. Meine Damen und Herren, wenn wir es so durchführen, wie es uns möglich erscheint, nämlich in der Form einer Prämie, dann wird ja das Aufkommen aus der Einkommensteuer gar nicht berührt; die Einkommensteuer geht ein wie bisher, es ändert sich nichts, wenn eine Prämie bezahlt wird. Die Länder und der Bund geben auch Hunderte von Millionen als öffentliche Mittel für den Wohnungsbau aus. Warum können sie nicht einen Teil dieser Mittel für diese Prämie abzweigen? Sie schaffen doch damit fünfmal soviel Wohnungsbaugeld, als sie wirklich aufwenden! Wenn der Bund 400 Millionen für den Wohnungsbau gibt, dann kann er 40 Millionen als Prämien abzweigen. Damit schafft er 200 Millionen Eigenkapital für den Wohnungsbau. Wenn die Länder sagen, sie können es sich nicht leisten, dann muß man ihnen entgegenhalten: sie können es auch von dem Betrag ihrer öffentlichen Mittel wegnehmen, der für den Wohnungsbau vorgesehen ist.
Meine Damen und Herren! Wir lassen uns hier nicht so leicht abbringen von einer Idee, von einem Ziel, für das wir gemeinsam kämpfen, wie wir auch gemeinsam das Wohnungsbaugesetz beschlossen haben.
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Diese Dinge müssen so ernst beachtet werden, wie
wir sie sehen, in unserem gemeinsamen Willen,
zahlenmäßig und materiell das Wohnsparen zu för({11})
dern. Die Entschließung ist nicht notwendig mit einer Forderung - an den Bund oder an die Länder - mit Mehrausgaben verbunden, sondern sie ist ein Weg, um das Spargeld auf das Fünffache zu erhöhen. So sehen wir diese Frage an. Wir halten es heute für dringender notwendig als je, für die gefährdete Finanzierung des Wohnungsbaus im Jahre 1951 jetzt schon ein offenes Auge und ein offenes Ohr zu haben. Wir befürchten, daß die Schwierigkeiten im kommenden Jahr sehr groß werden. Darum haben wir allen Grund, schon jetzt dafür zu sorgen, daß dieses Eigenkapital in höherem Maße angespart wird durch die Belohnung des Sparers. Das ist unsere Auffassung.
Meine Damen und Herren! Wir sehen hier eine der wichtigsten Aufgaben. Wir wollen der Masse der sparsamen Arbeiter zu einem Hausbesitz, zu einem Wohnungseigentum oder zu einem Sondernutzungsrecht an einer Wohnung verhelfen. Zur Zeit beraten wir diesen Gesetzentwurf über das Miteigentum und das Sondernutzungsrecht an einer Wohnung. Auch auf diesem Wege wollen wir helfen, daß die materiellen Voraussetzungen geschaffen werden, um die gesetzlichen Formen mit Leben, mit Gehalt zu erfüllen. Dazu brauchen wir Eigenkapital und Geld. Das ist der Weg, den wir beschreiten wollen. Wir bitten Sie daher, hier mit uns zu gehen und nicht zu ruhen, bis wir diesen kleinen Wohnsparern für ihren Verzicht auf Konsum auch eine Belohnung geben und damit dem Wohnungsbau den allergrößten Dienst erweisen.
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Ich bin beauftragt, zugleich kurz zu dem Antrag Drucksache Nr. 1540 Stellung zu nehmen. Wir würdigen gemeinsam die Notlage, in der sich die von der Besatzung aus ihren Häusern verdrängten Menschen befinden.
Ich darf hier zwei Sätze sagen über das Städtchen Bad Mergentheim, in dem ich wohne. Nach Bad Mergentheim kommen zunächst die Familien der ganzen amerikanischen Besatzungszone, um von dort aus innerhalb der Zone weiterverteilt zu werden. Und umgekehrt, wenn Familien nach Amerika zurückkehren, kommen sie wieder dort zusammen. Wir leiden ungeheuer unter der Beschlagnahme von Hotels, Pensionen und Privathäusern. Wir haben eine Reihe von Fällen, in denen politisch Verfolgte seit fünf Jahren aus ihren Häusern vertrieben sind und dürftig wohnen. Die Stadt erklärt, sie hat kein Geld, um Ersatzwohnungen zu beschaffen. Es ist eindringendes Problem. Wir dürfen es nicht außer acht lassen. Die politisch Verfolgten haben ein Recht darauf, wie die Heimatvertriebenen behandelt zu werden. Sie stehen auf einer Ebene.
Daher beantrage ich, daß dieser Antrag zur weiteren Beratung an den Wohnungsbauausschuß überwiesen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Meyer ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß sich der Eindruck, den ich im Laufe des Nachmittages schon öfter bestätigt gefunden habe, bei der Verhandlung dieses Punktes wiederholt, daß nämlich der zuständige Vertreter des Ministeriums, nachdem er seine
Rede hier gehalten hat, davongegangen ist.
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Ich bedauere, daraus entnehmen zu müssen, daß die Darlegungen, die aus dem Hohen Hause zu dieser Frage zu machen sind, anscheinend nicht interessant genug sind, um angehört zu werden. Ich würde es dem Ansehen des Hauses angemessen finden, wenn das Haus die Bundesregierung und ihre Vertreter einmal grundsätzlich darauf aufmerksam machen wollte, daß sie bei solchen Punkten wie der Beantwortung und Besprechung von Interpellationen doch bis zum Schluß der Erörterung anwesend sein sollten.
Herr Bundesminister Wildermuth, der erfreulicherweise dieser Debatte bis zum Ende beiwohnt und dessen Interesse an der Sache uns 'hinlänglich bekannt ist, hat uns mit seinen Darlegungen allerdings insofern nicht befriedigt, als wir gewünscht hätten, daß er besonders 'bei der Stellungnahme zu dem Antrage des Zentrums auch ein wenig über seine Beurteilung der Lage des Wohnungsbaues gesagt hätte.
Was der Herr Vertreter des Bundesfinanzministers, Herr Staatssekretär Hartmann, hier ausgeführt hat, ist, soweit er die Situation aus den Verhandlungen mit den Referenten der Länder schildert, zweifellos richtig.
Er ist aber nicht zurückgegangen bis zum Beginn der Erörterungen, die zu diesem Thema stattgefunden haben. In der gemeinsamen Verhandlung des Finanzausschusses und des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen, die in dem großen Saal des Bundesrats stattgefunden hat, an einem Vormittag kurz vor der endgültigen Beschlußfassung über das Gesetz, und die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Erörterungen über die Gestaltung der Änderungen im Steueränderungsgesetz stattfand, hat der Bundesfinanzminister, nachdem ihm von allen Seiten, auch unter Mitwirkung von Vertretern des Finanzausschusses, hinlängliche Anregungen geboten waren, sich schließlich verpflichtet, gemeinsam an einer Lösung mitzuarbeiten, die dahin führen würde, daß den Lohnsteuerpflichtigen die gleichen Vergünstigungen, mindestens im bescheidenen Ausmaß von 25 O/0 ihrer eigenen Sparleistung, zuteil werden sollten, wie sie anderen steuerbegünstigten Steuerpflichtigen zuteil werden. Der Herr Bundesfinanzminister hat an der Beschlußfassung über das Gesetz als Abgeordneter mitgewirkt und hat für die Entschließungen gestimmt; und der Bundesrat hat durch seine Beschlußfassung zum Gesetz sich ebenfalls zum Inhalt bekannt, wenn auch nicht zu den Entschließungen. Ich glaube deshalb, meine Damen und Herren, daß es Treu und Glauben widerspricht,
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wenn man heute dem Staatsbürger gegenüber glaubt, unter Hervorzaubern irgendwelcher technisch-organisatorischer oder grundsätzlicher politischer Bedenken sich nachträglich von Zusagen zurückziehen zu können, die man von der hohen Tribüne dieses Hauses gegeben hat.
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Wenn in diesem Hause noch vor wenigen Minuten rechtsstaatliche Gesichtspunkte in bezug auf die Begründung der Interpellation für den Spruchsenat dargelegt worden sind und wenn die Gesichtspunkte rechtsstaatlichen Denkens so besonders unterstrichen werden, dann, glaube ich, gehört zur
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Begründung rechtsstaatlichen Denkens zuvörderst,
daß der Staat und seine Vertreter sich zu den Entschließungen bekennen, die sie selbst gefaßt haben.
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Ich glaube, daß im übrigen die vorzüglichen Darlegungen unseres Herrn Kollegen Dr. Brönner, der noch einmal die materiellen Bedingtheiten dieses Problems aufgezeigt hat, mich veranlassen können, mir in dieser Hinsicht Beschränkungen aufzuerlegen. Ich meine jedenfalls, das Haus sollte durch die heutige Debatte sowohl dem Herrn Bundesfinanzminister als auch der Bundesregierung im ganzen nachdrücklich den Eindruck vermitteln, daß, wenn nicht in kürzester Frist eine geeignete Vorlage das Problem in dieser oder jener Weise regelt, das Haus von seinem Initiativrecht, eigene Gesetze vorzulegen, Gebrauch macht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Wie vielen in diesem Hause bekannt sein sollte, ist der Wohnungsbau in den letzten Wochen in große Schwierigkeiten geraten. Das ist zum größten Teil auf den Rüstungsboom in unserer Wirtschaft und auf die damit anziehenden Preise zurückzuführen.
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Es ist doch eine Tatsache, daß z. B. die Materialien für die Bauten um 10 bis 200/o angezogen haben. Eine Reihe von Baustoffen kann man nur unter sehr großen Schwierigkeiten und zum Teil wieder nur im Schwarzhandel erhalten. Diese Lage zwingt uns, im Interesse der Fortführung des Wohnungsbaues nach neuen Wegen Ausschau zu halten, wie wir die Dinge meistern. Wie auch Herr Dr. Brönner und Herr Klabunde schon sagten, waren wir einstimmig der Auffassung, daß vor allen Dingen für die Bauherren mit kleinem Einkommen zusätzlich etwas getan werden muß. Man muß jene Auffassung des Herrn Hartmann zurückweisen, der da sagte, es genügte schon, und der ganze Wohnungsbau habe einen ungeheuren Auftrieb durch die Steuervergünstigung gemäß § 7 c erhalten. Ja, das ist zum Teil darauf zurückzuführen, daß die Unternehmer ihr Eigenvermögen damit verstärken. Aber für die kleinen Leute wurde bisher nichts getan.
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- Die Arbeitgeberdarlehen müssen zurückgezahlt werden und gehören damit ebenfalls zum Vermögen der Unternehmer. - Wir müssen deshalb verlangen, daß das Versprechen, das gegeben wurde, eingehalten wird. Anderenfalls setzt man sich dem Verdacht aus, daß man ein Versprechen schon mit der Absicht gab, es gar nicht einhalten zu wollen. Man hat hier einstimmig eine Entschließung angenommen. Gegen diese Entschließung wurde vom Bundesrat, von den Vertretern der Länder, kein Einspruch eingelegt. Die Bundesregierung hat damals zugesagt, daß sie diese Versprechen einlösen wird. Sie hat es nicht getan. Und man kann auch nicht mit der Finanzkalamität in der jetzigen Situation kommen. Das mußte man voraussehen. Dann hätte man schon bei der Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes dieses Gesetz anders gestalten sollen. Dann hätte man diese Finanzkalamität auf diesem Gebiet zum Teil vermeiden können. Ich glaube auch nicht, daß wir aus dieser Kalamität herauskommen, indem man immer wieder z. B. bei
der Finanzierung des Wohnungsbaues auf die Münzgewinne verweist. Die Münzgewinne sind sehr unsicher, es sei denn, daß man beabsichtigt, den Münzumlauf wahllos auszudehnen; das heißt aber, die beginnende Inflation noch weiter treiben.
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- Auch die Vermehrung der Scheidemünzen bringt diese Gewinne nicht ein.
Ich muß mich auf jeden Fall an dieser Stelle auch gegen den Gedanken verwahren, den der Herr Wohnungsbauminister Wildermuth vor kurzem ausgesprochen hat, nämlich daß auf die Altbauwohnungen wieder eine neue Hauszinssteuer gelegt werden soll,
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um so die Mittel für den Wohnungsbau aufzubringen.
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Ich ersuche auch, daß von seiten des Wohnungsbauministers größerer Wert darauf gelegt wird, daß bereitgestellte ERP-Mittel nicht einfach an die DKBL. gegeben werden. Im Lande NordrheinWestfalen haben wir uns immer dagegen gewehrt, daß öffentliche Mittel an die DKBL., d. h. an die Unternehmer- und Zechenorganisation gegeben wurden. Wir haben im Ruhrgebiet gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften; diese gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften für Bergmannswohnungen müssen die Mittel erhalten, um das Wohnungsbauprogramm vorwärtszutreiben.
Ich möchte auch im Namen unserer Fraktion dringend ersuchen, daß bald eine Vorlage gemacht wird, die die Durchführung des Versprechens garantiert, welches man durch die einstimmige Annahme der Entschließung gegeben hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die sachliche Notwendigkeit der Förderung des Wohnungsbaues ist heute genügend dargelegt worden, ist seinerzeit genügend dargelegt worden. Wir waren einstimmig der Ansicht, daß eine entsprechende Maßnahme durchgeführt werden müßte. Wir haben damals in der Abstimmung über die Einkommensteuernovelle gebeten, diese Änderung doch noch mit in die Einkommensteuernovelle hineinzubringen. Wir haben gesagt: Die Verhandlungen auf dem Petersberg werden wesentlich erleichtert werden, wenn nicht nur einseitig die Großeinkommen begünstigt werden, sondern wenn auch etwas für diejenigen getan wird, die durch diese Einkommensteuernovelle sonst zu kurz kommen, insbesondere in Richtung auf eine Förderung des Wohnungsbaus als einer unbedingt notwendigen Investierung, einer Investierung, die nicht überflüssige Kapazitäten schaffte, sondern gestattet hätte, Engpässe zu beseitigen.
Diese Begründung ist damals von Bundestag nicht als ausreichend angesehen worden, um die Bestimmung „unmittelbar" in die Einkommensteuernovelle aufzunehmen, und zwar nur deshalb nicht, weil der Bundesfinanzminister uns seinerzeit erklärt hat, es würde in kürzester Frist, und zwar bis zum 1. Juli, diese Regelung getroffen sein; wir könnten uns darauf verlassen. Der Bundestag hat
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in seiner Mehrheit diesen Erklärungen des Bundesfinanzministers vertraut; er hat sich darauf verlassen und ist nun verlassen!
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Meine Damen und Herren, diese Dinge sind doch wichtiger, als sie hier einigen unter Ihnen zu sein scheinen; denn es dreht sich um nicht mehr und nicht weniger als um die Frage, ob solche Entschließungen des Bundestages und solche Zusagen des Bundesfinanzministers verbindlich sind oder nicht. Es steht hierbei tatsächlich wieder einmal wie schon öfter bei den Maßnahmen des Bundesfinanzministers die Frage zur Debatte, ob dieses Hohe Haus für seine eigene Würde und seine politische Existenz und für die Freiheit zu kämpfen bereit ist. Wenn wir uns hier mit einer lendenlahmen Erklärung des Staatssekretärs abspeisen lassen, dann haben wir tatsächlich versagt. Die Zentrumsfraktion fordert deshalb, daß der Bundestag in einer erneuten Entschließung dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung nachdrücklich seinen Willen kundtut, an der damaligen Entschließung festzuhalten und den Bundesfinanzminister nicht mit seiner Verzögerungstaktik durchzulassen.
Wir haben deshalb einen Antrag zu dieser Interpellation der SPD vorbereitet, der folgenden Wortlaut hat:
Der Bundestag fordert unter Mißbilligung des verzögerlichen Verhaltens der Bundesregierung die unverzügliche Vorlage der in der Drucksache Nr. 703 beschlossenen Begünstigungsbestimmungen.
Ich werde diesen Antrag dem Präsidenten überreichen.
Meine Damen und Herren, nach § 57 der Geschäftsordnung bedarf ein solcher Antrag der Unterstützung durch 30 anwesende Mitglieder des Hauses. Ich frage das Haus, ob dieser Antrag unterstützt wird. - Das sind sicher 30. Damit muß dieser Antrag zur Abstimmung gestellt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen, und es wird über diesen Antrag abgestimmt.
Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
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Zu Punkt 6 b der Tagesordnung ist Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen verlangt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich habe Ihnen noch bekanntzugeben, daß unmittelbar im Anschluß an das Plenum die FDP eine Fraktionssitzung abhält, ebenso die SPD.
Die nächste Sitzung, die 103., des Deutschen Bundestags berufe ich ein auf morgen, Donnerstag, den 16. November, 9 Uhr.
Damit schließe ich die 102. Sitzung.