Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/11/1981

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Die Sitzung ist eröffnet. Zunächst habe ich dem Haus eine Mitteilung zu machen. Die Abgeordnete Frau Schlei hat mit Wirkung vom 3. November 1981 auf ihre Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag verzichtet. Als Nachfolger der ausgeschiedenen Abgeordneten Frau Schlei hat mit Wirkung vom 6. November 1981 der Abgeordnete Hitzigrath die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße den neuen Kollegen sehr herzlich und wünsche ihm eine erfolgreiche Mitarbeit in unserer Mitte. Nunmehr rufe ich Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 9/984 Wir kommen zuerst zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Zur Beantwortung begrüße ich den Staatsminister im Auswärtigen Amt Frau Dr. Hamm-Brücher. Ich rufe Frage 72 des Abgeordneten Dr. Czaja auf: Wie erklärt die Bundesregierung den Unterschied zwischen den Auskünften des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers nach ihren Besuchen in Moskau in den letzten Jahren über Gespräche mit dem Staats- und Parteichef Breschnew und dem Außenminister Gromyko zur Ausreise Deutscher aus der Sowjetunion und der tatsächlichen Minderung der Ausreisezahlen trotz einer sehr hohen Zahl unerledigter Anträge?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es besteht keine Diskrepanz zwischen den Erklärungen der Bundesregierung und dem wiederholt erklärten Willen der sowjetischen Seite. Ich weise in diesem Zusammenhang auf das gemeinsame Kommuniqué vom 1. Juli 1980 hin, in dem auch Generalsekretär Breschnew - ich zitiere - „die Absicht bekräftigt" hat, „im wohlwollenden Geiste die Fragen humanitären Charakters zu lösen". Die Diskrepanz zwischen dem von der Sowjetunion mehrfach erklärten Wohlwollen und der besorgniserregenden sowjetischen Ausreisepraxis kann ihren Grund nur darin haben, daß die sowjetische Regierung der Ausreisefrage bedauerlicherweise derzeit nicht die Bedeutung beimißt, die ihr nach unserer Überzeugung aus humanitären Gründen zukommt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist also die Hoffnung auf das Wohlwollen bezüglich der Ausreise von Bürgern deutscher Nationalität enttäuscht worden?

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, ich habe ja in meiner Antwort genau dies zum Ausdruck gebracht: daß hier ein Gegensatz zwischen den Erklärungen und den tatsächlichen Ausreisegenehmigungen besteht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, würden Sie mir nicht darin zustimmen, daß bei 100 000 unerledigten Ausreiseanträgen die Ausreisezahl von 200 in einem Monat - ein Rückgang von über 30 % gegenüber 1980 - besorgniserregend ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe das bereits in der vorigen Fragestunde zum Ausdruck gebracht und kann es nur wiederholen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, Sie haben gesagt, daß die sowjetische Seite der Ausreise der Deutschen offenbar nicht die Bedeutung beimißt, die wir ihr beimessen. Sehen Sie Möglichkeiten, die sowjetische Seite davon in Kenntnis zu setzen, daß wir erwarten, daß sie auch und gerade den menschenrechtlichen Fragen bezüglich der Deutschen mehr Bedeutung zuerkennt?

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir sehen die Möglichkeit beim bevorstehenden Besuch von Generalsekretär Breschnew.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 73 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Welches sind die Gründe dafür, daß die Ausreise der Deutschen aus der Sowjetunion in diesem Jahr den niedrigsten Stand seit Unterzeichnung der KSZE-Schlußakte von 1975 erreichen wird? Bitte sehr, Frau Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Gründe für den besorgniserregenden Rückgang der Zahl der sowjetischen Ausreisegenehmigungen auf einen Stand wie vor Helsinki sind im einzelnen nicht bekannt. Wie ich in der Antwort auf die vorige Frage ja schon gesagt habe, kann nur vermutet werden, daß die sowjetische Regierung trotz verbaler Wohlwollenserklärungen die Bedeutung der Ausreisefrage für die bilateralen Beziehungen und für den Entspannungsprozeß nicht richtig einschätzt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, bestand nicht beim letzten Besuch des Bundesaußenministers in Moskau im April dieses Jahres die Möglichkeit, über die Vermutung hinaus eine Gewißheit in der Frage zu erhalten, warum sich die Sowjetunion so verhält, wie sie sich verhält?

Not found (Gast)

Herr Kollege, beim Besuch von Herrn Bundesaußenminister Genscher in Moskau ist über diese Frage ausdrücklich gesprochen und von der sowjetischen Seite erwidert worden, daß nach den gültigen sowjetischen Gesetzen verfahren wird und nach Möglichkeit auch weitere Ausreisen gewährt werden sollen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist der Sowjetunion auch gesagt worden, daß ihr Verhalten bezüglich der Ausreise von Deutschen in krassem Widerspruch zur Schlußakte der KSZE steht?

Not found (Gast)

Es ist ihr gesagt worden, daß dies im Widerspruch zur Schlußakte der KSZE steht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist nach Auffassung der Bundesregierung einer der Gründe, warum sich diese Zahlen so schlecht entwickeln und warum den Bürgern die Ausreise nicht gewährt wird, der, daß die Sowjetunion bisher nicht bereit war, den von ihr selbst mitunterzeichneten und dort auch in Kraft befindlichen Pakt über bürgerliche und politische Rechte in innerstaatliches Recht in der Weise umzusetzen, daß der Freizügigkeit genügend Raum gegeben wird?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, ich habe schon gesagt, was die Bundesregierung vermutet, und möchte das jetzt nicht wiederholen. Wir werden versuchen, die Gründe bei dem bevorstehenden Besuch von Generalsekretär Breschnew näher kennenzulernen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Hupka auf: Ist die Bundesregierung bereit, mit Breschnew während dessen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland über das Mißverhältnis zwischen der Zahl der über 100 000 zur Ausreise entschlossenen Deutschen in der Sowjetunion und der Ausreisemöglichkeit für weniger als 345 Deutsche im Monatsdurchschnitt 1981 zu sprechen und für eine Erhöhung der Ausreisequote einzutreten? Bitte sehr, Frau Staatsminister.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung ist nicht nur bereit, Herr Kollege, sondern entschlossen und verpflichtet, die Diskrepanz zwischen dem mehrfach erklärten Wohlwollen und der Ausreisepraxis mit Generalsekretär Breschnew zu erörtern und für eine wesentliche Erhöhung der Ausreisequoten einzutreten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, es ist doch höchst eigenartig, daß sowohl nach dem Besuch von Herrn Breschnew im Jahre 1978 hier als auch nach dem Besuch des Bundeskanzlers im Sommer vorigen Jahres und jetzt des Außenministers im April in Moskau -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Hupka, es wird wohl eine Frage daraus werden, denke ich. ({0})

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. Frau Staatsminister, wie erklären Sie sich, daß die Ausreise von Deutschen trotz des Besuchs von Herrn Breschnew im Mai 1978 in der Bundesrepublik Deutschland und trotz der Besuche des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers 1980 und 1981 in diesem Zeitraum ständig rückläufig gewesen ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe vorhin schon gesagt - ich kann es nur wiederholen -: Wir vermuten, daß die sowjetische Seite dieser Frage, der wir eine so große Bedeutung beimessen, zur Zeit offenkundig keine besonders große Bedeutung beimißt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie haben das Wort zu einer zweiten Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, können Sie mir darin zustimmen, daß die Gespräche zwischen der deutschen und der sowjetischen Seite bezüglich der Ausreise von Deutschen bisher erfolglos verlaufen sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege, „erfolglos" würde ich nicht sagen. Denn insgesamt sind seit Beginn der Aussiedlung ja doch wohl mehr als 86 000 Aussiedler zu uns gekommen. Von Erfolglosigkeit kann man da wohl nicht sprechen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Herberholz.

Ralph Herberholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, da hier seitens des Kollegen Hupka die schleppende Behandlung der Aussiedlerfrage durch die UdSSR beklagt wird, darf ich Sie fragen: Teilen Sie meine Auffassung, daß die Überprüfung der Staatsangehörigkeit eines Deutschen, der auf Grund eben dieser Abmachungen im Sommer 1978 aus der UdSSR ausreisen durfte und dessen Eltern und Geburtshaus sich in meinem Wahlkreis befinden, durch die rheinland-pfälzischer Behörden seit nunmehr 27 Monaten als Skandal bezeichnet werden kann?

Not found (Gast)

Herr Kollege, diese Frage ist nicht im Zusammenhang mit der Ausgangsfrage zu beurteilen und berührt auch nicht das Auswärtige Amt. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Althammer zu einer Zusatzfrage.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, da Sie vorhin zu Recht auch auf die Praxis bei der Behandlung der Ausreisewilligen hingewiesen haben, darf ich Sie fragen: Ist der Bundesregierung die Zahl derjenigen bekannt, die auf Grund ihrer Ausreiseanträge Nachteile bis hin zur Inhaftierung in Kauf nehmen müssen?

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege, die Zahl ist uns nicht bekannt. Aber in allen Fällen, in denen uns derartige Behandlungen bekannt werden, werden wir seitens unserer Botschaft, seitens unserer Vertretungen mit allem Nachdruck dagegen intervenieren. Das ist ja, wie Sie wissen, wiederholt geschehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, auch wenn Sie gerade die Frage des Herrn Kollegen Herberholz als nicht im Zusammenhang mit der ursprünglichen Frage stehend bezeichnet haben: Ist es nicht doch wichtig, daß die Bundesländer bei der Anerkennung derer, die auf Grund dieser Verträge in die Bundesrepublik umsiedeln, durch ihr Verhalten bei der Wiedereingliederung überzeugende Glaubwürdigkeit dadurch herstellen, daß sie nicht durch langwierige Überprüfungen ihrer sogenannten Staatsangehörigkeit Schwierigkeiten machen?

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Immer, wenn Sie sich den Text der Frage ansehen, dann werden Sie zu der Erkenntnis kommen, daß auch Ihre Frage nicht im Zusammenhang mit der Frage, die hier gestellt ist, steht; denn hier wird gefragt, ob die Bundesregierung bereit sei, Herrn Breschnew etwas Bestimmtes zu fragen. Herr Kollege Jungmann zu einer Zusatzfrage.

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatsminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir im Zusammenhang mit der Frage, die die Bundesregierung an Herrn Breschnew stellen soll, beantworten könnten, auf welcher vertraglichen Grundlage die Genehmigungen für Ausreisen Deutscher aus der UdSSR erteilt werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, es gibt verschiedene Übereinkommen und Abmachungen in dieser Frage. Ich erinnere nur an die Übereinkünfte des Deutschen Roten Kreuzes mit dem Sowjetischen Roten Kreuz - es gibt auch eine Übereinkunft über die Aussiedlung eines bestimmten Kreises Deutscher und Deutschstämmiger -, die wohl weitgehend erfüllt worden sind. Es gibt solche Abmachungen, es gibt internationale Pakte, und es gibt die Schlußakte von Helsinki. Alles zusammen sind, glaube ich, sehr wichtige Grundlagen, um unsere Bitten und Wünsche auch vorbingen zu können. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Klein, zu einer Zusatzfrage.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist die Bundesregierung bereit, bei den Gesprächen mit Herrn Breschnew die Frage aufzuwerfen, warum die Ausbürgerungsverfahren, also die Entlassungen aus der sowjetischen Staatsbürgerschaft, bei aus der Sowjetunion ausreisenden Deutschen bis zu 15 Monate in Anspruch nehmen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Bundesregierung wird alle im Zusammenhang mit humanitären Fragen stehenden Einzelprobleme bei den Gesprächen vorbringen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Wittmann, zu einer Zusatzfrage.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, darf ich Sie daran erinnern, daß Grundlage der Ausreisen aus der Sowjetunion -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Wittmann, Sie haben das Recht, zu fragen, nicht aber das Recht, die Frau Staatsminister zu erinnern.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, ist nicht die Grundlage für die Ausreisen der Deutschen aus der Sowjetunion das 1958 abgeschlossene Repatriierungsabkommen? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege, das ist richtig. Ich habe das vorhin schon gesagt. ({0}) Aber wenn Sie die Aussiedler, die jetzt zu uns kommen, überprüfen, werden Sie feststellen, daß nur noch ein sehr niedriger Prozentsatz der Aussiedler - es wird von 2 % gesprochen - unter dieses Abkommen fällt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Czaja, zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, gehört zu den Konventionen, die Sie genannt haben und auf die sich die Bundesregierung zu Recht beruft, auch Art. 12 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte?

Not found (Gast)

Sehr wohl, Herr Kollege. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Ich rufe die Frage 75 des Herrn Abgeordneten Sauer auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß den deutschen Aussiedlern unmittelbar vor dem Verlassen der Sowjetunion in Moskau goldene Uhren abgenommen, Dokumente zurückbehalten und eine nur geringe persönliche Habe zum Mitnehmen zugestanden werden, und was gedenkt sie zur Verbesserung dieser unwürdigen Situation zu tun?

Not found (Gast)

Herr Kollege Sauer, der Bundesregierung ist bekannt, daß die Sowjetunion Ausfuhrbestimmungen hat, die es nur erlauben, eine beschränkte Anzahl von Waren bei der Ausreise mit sich zu führen. Die sowjetischen Bestimmungen sehen jedoch vor, daß unter anderem pro Person eine Armbanduhr bis zum Wert von 250 Rubel ausgeführt werden darf. Die Bundesregierung hat erfahren, daß kürzlich einem Aussiedlerehepaar und den Angehörigen goldene Armbanduhren abgenommen wurden. Sie hat daraufhin die Botschaft in Moskau angewiesen, Erkundigungen über diesen Fall einzuziehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu einer Zusatzfrage hat Herr Kollege Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, teilt die Bundesregierung meine Auffassung, daß das vom Ministerrat der UdSSR erlassene Statut für Ein- und Ausreise vom 20.9. 1970 insbesondere eine starke Behinderung für die ausreisewilligen Ostpreußen, Memelländer und auch Rußlanddeutschen beeinhaltet?

Not found (Gast)

Herr Kollege, in diesem Zusammenhang kann ich Ausfuhrbestimmungen der Sowjetunion nicht beanstanden oder darüber irgendwelche Meinungsäußerungen abgeben. Wenn die Bestimmungen so sind, können wir dagegen nichts tun. Wir würden uns wahrscheinlich den Vorwurf einhandeln, uns in innere Angelegenheiten einzumischen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Kollege Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, würden Sie, gerade da Ihr Haus mit diesem Ehepaar Kontakt gehabt hat, es nicht für dringend nötig halten, beim Besuch des sowjetischen Parteichefs die hohen Ausreisegebühren und die geringen Transfermöglichkeiten anzusprechen, insbesondere auch die Zugangskontrollen, die die sowjetischen Behörden vor unserer Botschaft in Moskau und auch vor dem Generalkonsulat in Leningrad zur Zeit durchführen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe vorhin schon gesagt, daß der ganze Fragenkomplex besprochen wird. Aber ich glaube, man sollte die Gespräche nicht mit Dingen belasten, die eher eine Gegenreaktion auslösen, was sich nicht zugunsten unseres Anliegens auswirken kann.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Jäger.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, da ich unterstellen darf, daß Ihnen und Ihrem Hause die Bestimmungen des Korbes III Nr. 1 Buchstabe b der Schlußakte von Helsinki bekannt sind, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht meine Auffassung teilen, daß Bestimmungen - welcher Art auch immer -, die eine wertmäßige Begrenzung der persönlichen Habe, die mit herausgenommen werden darf, vorsehen, in eklatantem Widerspruch zu eben dieser Bestimmung stehen, in der es heißt, daß diese Personen, deren Ausreise genehmigt wurde, „ihr Haushaltsgut und ihre persönliche Habe mitführen oder versenden" können, und zwar ohne jegliche Beschränkung.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich darf noch einmal sagen: Nach den Ausfuhrbestimmungen kann jeder Erwachsene über 16 Jahre eine Uhr im Wert von bis zu 250 Rubeln mitführen. In der genannten Familie gab es sieben Mitglieder, und von diesen sieben Mitgliedern waren nur vier älter als 16 Jahre, so daß überhaupt erst mal geprüft werden muß, inwieweit diese Bestimmung eingehalten wurde.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Frage 75 ist beantwortet. Frage 76 des Herrn Abgeordneten Sauer: Wie beurteilt die Bundesregierung die Einschränkung der Religionsfreiheit für die Deutschen in der Sowjetunion? Bitte sehr, Frau Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege, nach Kenntnis der Bundesregierung gehören die Deutschstämmigen in der Sowjetunion den verschiedenen christlichen Bekenntnissen an, insbesondere aber der lutherischen Kirche, der katholiStaatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher schen Kirche und dem Bund der Evangeliumschristen-Baptisten. Art. 52 der Verfassung der UdSSR vom 7. Oktober 1977 gesteht jedem Sowjetbürger das Grundrecht auf Gewissensfreiheit, d. h. „das Recht, sich zu einer beliebigen Religion zu bekennen, und das Recht, religiöse Kulthandlungen auszuüben", zu. Die Verfassung verbietet im gleichen Artikel Haß und Feindschaft im Zusammenhang mit religiösen Bekenntnissen. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, daß Einschränkungen dieses Grundrechts in der Sowjetunion speziell für die Deutschen in der Sowjetunion, die nur eine der über 100 Nationalitäten des Sowjetstaates bilden, bestehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Sauer, eine Zusatzfrage.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, da bis zum Jahre 1941 in etwa 3 300 geschlossenen Ortschaften eben auch deutsche Kirchengemeinden bestanden haben: Hat die Bundesregierung einen Überblick, wie viele evangelische Kirchengemeinden oder auch Baptistengemeinden zur Zeit überhaupt eine Registrierungsgenehmigung haben, nachdem mir auch bekannt ist, daß es nur noch eine einzige katholische Kirche, nämlich in der kirkisischen Hauptstadt, Frunse, geben soll?

Not found (Gast)

Herr Kollege, eine solche Zahl kann ich Ihnen aus dem Handgelenk natürlich nicht sagen. Wir werden das feststellen lassen. Ich habe mich nur sachkundig gemacht, daß die Evangeliumschristen-Baptisten die einzige christliche Gruppierung in der Sowjetunion sind, die es strikt ablehnt, sich registrieren zu lassen. Da wird es natürlich schwierig, zu intervenieren.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, kann ich davon ausgehen, daß auch Ihnen die vielen Namen - mit Urteilen und Inhaftierungsort - bekannt sind, die die Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland gerade wegen der Baptisten zur Zeit veröffentlicht hat, und daß Sie diese Fragen auch ansprechen werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, mir sind diese Dinge nicht nur bekannt, sondern ich habe, wie Sie wissen, selber mit Vertretern dieser Gruppen gesprochen. Wir werden unser Möglichstes tun.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Hupka zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung bekannt, Frau Staatsminister, daß die Baptisten und auch die Adventisten darunter leiden, daß sie keine deutschen Prediger haben und überhaupt nicht deutsche Kirchengemeinden bilden können?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich nehme es zur Kenntnis und bedaure es.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Wittmann zu einer Zusatzfrage.

Dr. Fritz Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002540, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, wird die Bundesregierung aus Anlaß der Debatte der Vereinten Nationen am 23. November 1981 über die Ursachen von Flucht, Vertreibung und des Wunsches, ein Land zu verlassen, auch die Lage der Rußlanddeutschen - nicht nur auf religiösem Gebiet, sondern allgemein - anschneiden?

Not found (Gast)

Herr Präsident, ich sehe mich im Augenblick außerstande, diese Frage, die weit außerhalb des Rahmens der Hauptfrage liegt, zu beantworten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich kann das verstehen, Frau Staatsminister. Wird das Wort zu weiteren Zusatzfragen gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich rufe die Frage 77 des Abgeordneten Klein ({0}) auf: Was gedenkt die Bundesregierung dafür zu tun, daß den ausreisewilligen Deutschen in der Sowjetunion die Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland gewährt wird? Bitte sehr, Frau Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege Klein, die Bundesregierung bemühte sich seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjetunion um die Rückführung und Familienzusammenführung Deutscher aus der UdSSR. Während die Rückführungen auf Grund der deutsch-sowjetischen Rapatriierungsvereinbarungen von 1958 weitgehend abgeschlossen sein dürften, sind noch zehntausende Ausreisewünsche Rußlanddeutscher unerfüllt, welche die Familienzusammenführung in die Bundesrepublik Deutschland begehren. Die Unterstützung dieser zutiefst humanitären Anliegen erfolgte und erfolgt bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Generalsekretär Breschnew erklärte am 7. Mai 1978 in Bonn seine Bereitschaft, „Fragen humanitären Charakters auch in Zukunft positiv zu behandeln". Am 1. Juli 1980 wurde von ihm anläßlich des Besuchs des Bundeskanzlers in Moskau die Absicht bekräftigt, „im wohlwollenden Geiste die Fragen humanitären Charakters zu lösen". Da angesichts des fortbestehenden Ausreisedrucks das kontinuierliche Absinken der Aussiedlerzahlen seit 1978- ich wiederhole das - Anlaß zu großer Besorgnis gibt, wurde der Problemkreis im April 1981 durch Bundesminister Genscher in Moskau angesprochen. Er wies den sowjetischen Außenminister Gromyko mit großem Ernst und Nachdruck auf die Bedeutung dieser humanitären Fragen für die deutsche Öffentlichkeit, für die bilateralen Beziehungen und für den Entspannungsprozeß hin. Am 30. Oktober dieses Jahres, also erst vor wenigen Tagen, erklärte auch Staatssekretär von Staden gegenüber dem ersten stellvertretenden Außenminister Kornienko in Moskau mit allem gebotenen Ernst, daß der so niedrig gewordene Stand der Ausreisen aus der Sowjetunion zu einer Belastung der Beziehungen werden könnte. Die Fragen der Aussiedlung und Familienzusammenführung werden aus all den vorerwähnten Gründen bei dem Besuch von Generalsekretär Breschnew wichtiger Gesprächsgegenstand sein. Die Bundesregierung erwartet, daß die Gespräche die Ausreisepraxis der Sowjetunion positiv beeinflussen werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Klein.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, kennt die Bundesregierung die etwa 3 000 Namenslisten, die der Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland vorliegen und jeweils fünf, sechs, acht und mehr Namen einer Familie von Ausreisewilligen enthalten?

Not found (Gast)

Herr Kollege Klein, Sie fragen, ob wir die Listen kennen. Wenn sie bei uns eingeführt worden sind, kennen wir sie sicherlich. Bei Gelegenheit des Besuchs wird es sicher auch zum Austausch solcher Listen kommen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer zweiten Zusatzfrage, Herr Kollege Klein.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, welche Zahlen von ausreisewilligen Deutschen in der Sowjetunion sind der Bundesregierung seitens des Roten Kreuzes bekanntgemacht worden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, beim Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes waren am 31. Dezember 1980 über 88 000 Personen registriert, die aktuelle Ausreisewünsche haben. Weitere etwa 91 000 Personen bzw. ihre hiesigen Angehörigen haben sich bei früheren Gelegenheiten beim Deutschen Roten Kreuz gemeldet, so daß man realistischerweise davon ausgehen kann, daß insgesamt doch noch weit mehr als 100 000 ausreisewillige Deutschstämmige in der Sowjetunion leben und zu uns übersiedeln wollen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich hatte Zweifel, ob die Frage im Sachzusammenhang mit der gestellten Frage stand. Frau Staatsminister ist aber gut vorbereitet. Sie hat sie beantwortet. Herr Kollege Jäger zu einer Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, welche Initiativen wird die Bundesregierung zugunsten der ausreisewilligen Deutschen in der Sowjetunion im Rahmen des KSZE-Prozesses ergreifen, und wird zu solchen Initiativen ein Vorschlag gehören, für alle Staaten, die der Schlußakte von Helsinki beigetreten sind und sie unterzeichnet haben, eine gemeinschaftliche Vereinbarung über die Modalitäten und Umstände der Abwicklung des Verfahrens bei der Ausreise herbeizuführen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, wie Sie wissen, ist die Madrider Folgekonferenz jetzt in ein Stadium getreten, in dem über diese Implementierungsfragen nicht mehr debattiert wird. In der Zeit, in der das geschehen ist, ist die Frage der humanitären Prinzipien mit Bezug auf die Schlußakte wiederholt vorgetragen worden. Sobald sich wieder die Gelegenheit ergibt, werden wir das selbstverständlich wieder aufnehmen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Hupka zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, habe ich Sie vorhin recht verstanden, daß Sie sagten, daß der Rückgang der Ausreisen eine Belastung der deutschsowjetischen Beziehungen werden könnte? Ist es nicht richtig, daß er eine Belastung ist?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ganz bewußt wurde der Ausdruck „könnte" gewählt. Sie können sich sicher auch gut vorstellen, weshalb wir das getan haben.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Czaja zu einer Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, Sie haben auf die Interventionslisten hingewiesen. Ich möchte Sie fragen, ob auf solche Interventionslisten - und wenn ja, in welchen Zeiträumen - Antworten erfolgen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Czaja, Sie haben nicht ganz verstanden. Herr Kollege Klein hat mich auf Interventionslisten angesprochen. Ich wußte nicht genau, ob die Liste, die er meint, bei uns vorliegt. ({0}) Dann habe ich gesagt, wenn sie vorliegt, wird sicher, wie bei anderen Gelegenheiten auch, eine solche Liste überreicht werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Gansel zu einer Zusatzfrage.

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie, Frau Minister, würden Sie auf das Sich-Berufen der Fragesteller der Opposition auf die KSZE-Schlußakte antworten können, wenn der Deutsche Bundestag dem seinerzeit in einer Sondersitzung im Sommer 1975 gestellten Begehren der Opposition gefolgt wäre und diese Schlußakte abgelehnt hätte? ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Gansel, die Frage, die Sie jetzt stellen, ist so allgemein gefaßt, daß sie sicher nicht im Sachzusammenhang mit der gestellten Frage steht. ({0}) - Das ist eine gute Frage. Das will ich nicht bestreiten. ({1}) Herr Abgeordneter, haben Sie sie zu Ende gestellt?

Norbert Gansel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000631, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Können Sie sie beantworten, Frau Staatsminister? Wir müssen ja nicht so formalistisch verfahren.

Not found (Gast)

Herr Kollege Gansel, dann könnte sich die Opposition nicht unentwegt auf die Schlußakte berufen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich rufe die Frage 78 des Herrn Abgeordneten Klein auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß ausreisewillige Deutsche in der Sowjetunion mit Arbeitsplatzverlust, persönlichen Pressionen und Inhaftierung bei Bekundung des Ausreisewillens in Moskau zu rechnen haben, und wie gedenkt sie ihre Schutzpflicht gegenüber diesen Landsleuten wahrzunehmen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Klein, die Diskriminierung von Ausreisebewerbern ist inhuman und widerspricht den Angelegenheiten der Familienzusammenführung in Korb III Ziffer 1 Buchstabe b der KSZE-Schlußakte. Die Bundesregierung wird die Sowjetunion wie bisher bei jeder geeigneten Gelegenheit auffordern, Gesuchsteller nicht zu benachteiligen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zusatzfrage, Herr Kollege Klein.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, zu welchen Aktivitäten ist die deutsche Botschaft in Moskau angewiesen, um ausreisewillige Deutsche, die von den sowjetischen Behörden stark benachteiligt werden, zu schützen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, nach dem Konsularrecht kann unsere Botschaft nur solche Ausreisewilligen schützen, die nicht die sowjetische Staatsangehörigkeit haben. Ich habe mich darüber schon oft sachkundig gemacht. Diejenigen, die die sowjetische Staatsangehörigkeit haben - die haben die Ausreisewilligen -, stehen nach diesem Konsularabkommen nicht in dem Bereich unserer Schutzmaßnahmen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Klein.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, sehen Sie eine Möglichkeit, daß unsere diplomatische Mission in Moskau gegebenenfalls gemeinsam mit diplomatischen Missionen befreundeter Staaten die sowjetischen Behörden auf die Wirkungen ihres Verhaltens hinweist, die sich in der öffentlichen Meinung des Westens dann niederschlagen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, ich habe im Verlauf dieser Fragestunde wiederholt und, wie ich hoffe, überzeugend dargelegt, daß die Bundesregierung dies nicht nur zu tun gedenkt, sondern bereits tut.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Jäger, eine Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, teilen Sie im Hinblick auf den Wortlaut des Abs. 8 des von Ihnen soeben zitierten Buchstaben b in Ziffer 1 des Korbes III der KSZE-Schlußakte, die im Gegensatz zu vielen anderen Bestimmungen außerordentlich strikt gefaßt ist und zum Ausdruck bringt, daß keinerlei Änderung in den Rechten und Pflichten eines Gesuchstellers bei der Familienzusammenführung dadurch eintreten wird, die Auffassung, daß jeder einzelne Verstoß in der Handhabung der sowjetischen Behörden gegen diese Bestimmung auch schon einen direkten Verstoß gegen den Buchstaben der Beschlüsse von Helsinki darstellt?

Not found (Gast)

Herr Kollege Jäger, ich habe meiner Antwort an den Kollegen Klein nichts hinzuzufügen. Ich habe unmißverständlich klargemacht, wie die Bundesregierung dies beurteilt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Hupka, eine Zusatzfrage.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, wie viele deutsche Ausreisewillige inhaftiert worden sind und wie vielen ausreisewilligen Deutschen der Prozeß gemacht worden ist, nur weil sie einen Antrag auf Ausreise gestellt haben?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Zahl kann ich Ihnen nicht sagen. In den Fällen, in denen uns dies bekanntgeworden ist, haben wir wiederholt auch erfolgreich interveniert.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Althammer, eine Zusatzfrage.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich kann unmittelbar an die letzte Zusatzfrage anschließen. Frau Minister, nachdem Ihnen die Zahl nicht bekannt ist, wofür ich Verständnis habe, möchte ich Sie fragen: Ist die Bundesregierung bereit, diese Fälle dem Deutschen Bundestag zu übermitteln, und zwar mit Darstellung der Konsequenzen und der Benachteiligungen, die erfolgt sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege, selbstverständlich ist die Bundesregierung bereit, dies zu überprüfen und Ihnen, wenn irgend möglich, die Fälle wenigstens vertraulich zur Kenntnis zu geben.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Sauer.

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatsminister, trifft es zu, daß junge wehrpflichtige Männer kurzfristig in die sowjetische Armee eingezogen worden sind, nachdem die Eltern einen Ausreisean3626 Sauer ({0}) trag gestellt haben, um damit die gesamte Ausreise der Familie zu behindern?

Not found (Gast)

Herr Kollege Sauer, das mag so gewesen sein. Das mag in Einzelfällen vorgekommen sein.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen wird nicht gewünscht. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatsminister. Die Fragen 1 und 2 aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau werden auf Bitten der Fragesteller, der Abgeordneten Dr. Möller und Dr. Feldmann, schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung begrüße ich Herrn Staatssekretär Dr. de With. Für die Fragen 3 und 4 bittet die Fragestellerin Frau Dr. Lepsius um schriftliche Beantwortung. Dem wird entsprochen, und die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Gilges auf: Ist der Bundesregierung bekannt, welchen Umständen es zuzuschreiben ist, daß der im Zusammenhang mit der Anlage von Waffenlagern durch rechtsextremistische Täter in der Lüneburger Heide in Untersuchungshaft genommene Forstangestellte Lembke im Gefängnis die Möglichkeit hatte, Selbstmord zu begehen?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Der Generalbundesanwalt hat wegen der Waffenfunde ein Ermittlungsverfahren gemäß § 129 a u. a. des Strafgesetzbuchs am 3. November 1981 eingeleitet. Wegen des Selbstmords des inhaftierten Heinz Lembke vom 31. Oktober/1. November 1981 hat die Bundesregierung deshalb die Landesjustizverwaltung in Niedersachsen um Stellungnahme zu Ihrer Frage gebeten. Diese hat folgendes geantwortet: Heinz Lembke befand sich seit dem 27. Oktober 1981 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Lüneburg. Er war auf richterliche Anordnung in einer Einzelzelle untergebracht. Weder aus dem richterlichen Aufnahmeersuchen, noch aus dem Verhalten des Lembke ergaben sich Hinweise auf Suizid-Absichten. Der Haftraum ist deshalb, insbesondere nachts, nicht laufend kontrolliert worden. Auch bestand kein Anlaß, zum Suizid geeignete Gegenstände aus dem Haftraum zu entfernen oder nicht auszuhändigen. So ist Lembke u. a. ein Verlängerungskabel für ein Radiogerät überlassen worden. Damit hat er sich in der Nacht vom 31. Oktober zum 1. November 1981 erhängt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär teilen Sie meine Meinung, daß hier der Justizbehörde etwas Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist? Dieser Lembke war schon seit längerem bekannt und auch belastet. Man hätte erwarten können, daß er einen Selbstmord versucht. Hier liegt offensichtlich Leichtfertigkeit vor.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Nach den mir zugänglichen Unterlagen nicht, Herr Kollege.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Kollege Gilges? - Nicht. Weitere Zusatzfragen? - Werden nicht gewünscht. Ich rufe Frage 6 des Herrn Abgeordneten Gilges auf: Inwieweit sieht die Bundesregierung in dem Selbstmord des bisher einzig bekannten Tatverdächtigen Lembke eine Erschwernis der Ermittlungen hinsichtlich der Aufklärung der Herkunft der sichergestellten Waffen und der Art und Weise, wie diese Waffen beschafft werden konnten? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Die Waffen in der Lüneburger Heide sind zum größten Teil gefunden worden, weil Lembke gegenüber einem Beamten der Bundesanwaltschaft Aussagen über die Fundstellen gemacht hat. Er hat sich zu weiteren Angaben, insbesondere über die Herkunft der vergrabenen Waffen und Sprengstoffe, nicht bewegen lassen. Ob Lembke zu einem späteren Zeitpunkt bereit gewesen wäre, weiter an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, kann nicht beurteilt werden. Dagegen könnte sprechen, daß Lembke sechs Monate lang als Zeuge im Verfahren gegen den Rechtsextremisten Manfred Roeder erfolglos in Beugehaft genommen worden war.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aus Presseberichten geht hervor, daß die Bundesanwaltschaft sehr spät eingeschaltet worden ist. Könnten Sie mal den Grund dafür nennen, daß sie so spät eingeschaltet worden ist, weil dies ja nach Presseberichten zu einer Erschwernis der Ermittlungen geführt hat?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Man kann sicher immer darüber streiten, zu welchem Zeitpunkt eine Übernahme gerechtfertigt war. Auf jeden Fall wird man hier nicht sagen können, daß die Übernahme rechtsfehlerhaft war. Denn die Übernahme kann erst dann erfolgen, wenn das Ermittlungsverfahren einigermaßen deutlich zeigt, daß hier die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft gegeben ist.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage? - Herr Broll, bitte.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, bedeutet die Einschaltung der Generalbundesanwaltschaft und die Einschaltung des BKA, daß ein neues Personal mit der Untersuchung beauftragt worden ist, und wenn ja, bedeutet das wiederum eine Erschwerung der Untersuchungen durch in diesem Fall wohl nicht ortskundige Kräfte?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Dies muß nicht notwendig generell der Fall sein. Allgemein ist es jedenfalls so, daß mit der Übernahme des Verfahrens durch den Bundesanwalt neue Leute im Untersuchungsverfahren tätig werden. Die vorhandenen Ermittlungen werden selbstverständlich aber benutzt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Lambinus.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, nachdem Pressemeldungen zufolge zumindest ein Teil der gefundenen Waffen aus Beständen der Bundeswehr ist oder stammen soll, frage ich: nimmt der Generalbundesanwalt Anlaß, festzustellen, wie viele Waffen insgesamt aus Beständen der Bundeswehr in den vergangenen Jahren verlustig gegangen sind?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Sie dürfen versichert sein, daß der Generalbundesanwalt sehr sorgfältig prüft, woher die Waffen stammen, um herausfinden, inwieweit es hier Tatbeteiligte gibt und gab.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Kollege Immer.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In Ergänzung der Frage des Kollegen Lambinus möchte ich fragen, inwieweit die Untersuchungen des Bundesanwalts bzw. des Bundesministeriums der Verteidigung sich auch darauf ausdehnen, inwieweit personelle Verflechtungen bestanden haben könnten, weil solche Waffen aus Bundeswehrbeständen stammen; denn der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen hat, wenn ich richtig unterrichtet bin, mindestens erwogen oder behauptet, daß möglicherweise hier gezielte Lieferungen, wie es heißt, erfolgt seien.

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Der Auftrag des Generalbundesanwalts ist im Rahmen seiner Zuständigkeit allumfassend. Daran wird sich nichts ändern. Deswegen wird er alles aufklären, was erforderlich ist.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Wird das Wort zu weiteren Zusatzfragen gewünscht? - Bitte, noch einmal Herr Gilges.

Konrad Gilges (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000680, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, haben Sie bei dem ganzen Verfahren nicht den Eindruck, daß für die Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, daß bei der Verfolgung und Beachtung solcher Geschichten ein Ungleichgewicht der Beurteilung zwischen Linksextremismus und Rechtsextremismus vorhanden ist? Anders ausgedrückt: haben Sie nicht den Eindruck, daß bei der Verfolgung von Rechtsextremismus insbesondere die Behörden des Landes Niedersachsen leichtfertiger verfahren, als das unter vergleichbaren Umständen bei Linksextremismus der Fall ist?

Dr. Hans With (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002536

Nein, Herr Kollege, den Eindruck habe ich nicht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz beantwortet. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Ich begrüße zur Beantwortung den Herrn Staatssekretär Haehser. Ich rufe Frage 7 der Frau Abgeordneten Fromm auf: Trifft es zu, daß bei der Pauschalierung der Lohnsteuer bei bestimmten Zukunftssicherungsleistungen gemäß § 40 b des Einkommensteuergesetzes auch dann Kirchensteuer abgeführt werden muß, wenn der Steuerpflichtige nicht einer Religionsgemeinschaft angehört?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Frau Abgeordnete, wenn Sie einverstanden sind, würde ich gern beide Fragen gemeinsam beantworten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Die Fragestellerin ist einverstanden. Ich rufe auch Frage 8 der Frau Abgeordneten Fromm auf: Wie und wann will die Bundesregierung gegebenenfalls diese mit dem Grundgesetz nicht in Einklang stehende Ungleichbehandlung beenden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Frau Abgeordnete, die Erhebung von Kirchensteuern ist nicht bundesgesetzlich geregelt. Nach Art. 140 des Grundgesetzes und Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung sind die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, berechtigt, nach Maßgabe landesrechtlicher Bestimmungen Steuern zu erheben. Die Erhebung von Kirchensteuern richtet sich deshalb nach unterschiedlichen Kirchensteuergesetzen der Bundesländer sowie nach den Kirchensteuerordnungen und Kirchensteuerbeschlüssen der regionalen Religionsgesellschaften. Genaue Angaben über den Umfang der Erhebung von Kirchensteuern in Fällen der Lohnsteuerpauschalierung kann die Bundesregierung deshalb nicht machen. Ich könnte solche Angaben in der Kürze der Zeit auch nicht erhalten. Da dem Bund auf dem Gebiet des Kirchensteuerrechts keine Gesetzgebungs- und keine Verwaltungsbefugnis zusteht, besteht für die Bundesregierung keine Möglichkeit, etwaige Ungleichbehandlungen durch Gesetzesinitiativen oder durch Verwaltungsanweisungen zu beseitigen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie wünschen keine Zusatzfrage? - Danke schön. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Meinike ({0}) auf: Ist es zutreffend, daß Sportvereinen ({1}) auch in den Fällen die Gemeinnützigkeit gewährt bzw. weitergewährt wird, wenn an Sportler Geld- und Sachleistungen in Höhe von bis zu sechsstelligen Summen gezahlt werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Meinike, Sportvereine sind nur dann gemeinnützig, wenn sie den Amateursport fördern. Dies bedeutet, daß sie ihre Spieler nicht bezahlen dürfen. Gestattet ist nur ein Ersatz der den Spielern durch den Sport entstandenen Aufwendungen. Nach einer bundeseinheitlichen Verwaltungsanweisung sind Zahlungen des Vereins an den Sportler bis zu 700 DM im Durchschnitt pro Monat ohne Einzelnachweis als Aufwandsersatz anzusehen. Sportvereine, die auch nur einzelnen Spielern über diese Aufwandspauschale hinausgehende Zuwendungen machen, können also nicht als gemeinnützig behandelt werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie unter Bezug auf meine Frage ein wenig konkreter fragen, ob Sie in Anbetracht der auch von Ihnen genannten Zahl von 700 DM mit mir der Meinung sind, daß die gegenwärtigen Spitzenmannschaften der Bundesliga, z. B. im Hallenhandball und Eishockey, nicht mehr unter den Begriff „Gemeinnützigkeit" einbezogen werden können, da veröffentlicht worden ist, daß es sich hier nachweisbar um Spitzengehälter handelt, die 100 000 DM und mehr betragen; und darf ich auf eine kurze Mitteilung hinweisen - ich zitiere - : „Ehrlich jedenfalls ist jemand hier als Mäzen beim Hallenhandball, wenn er sagt, eine gute Bundesliga-Hallenmannschaft kostet heute pro Jahr zwischen 500 000 und 1 Million DM?"

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, ich habe mir gedacht, daß Sie mit Ihrer Frage auf Bundesligavereine abheben wollten. Nun wissen Sie allerdings, daß Bundesligavereine als gemeinnützig behandelt werden, obwohl sie Berufssport betreiben. Zum Ausgleich freilich unterliegen ihre gesamten sportlichen Veranstaltungen, also auch die Amateursportveranstaltungen, als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb uneingeschränkt der Besteuerung. Die Regelung, um die es hier geht, ist historisch gewachsen und mit Ihrer Hilfe, Herr Kollege Meinike, in das Gesetz aufgenommen worden. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Meinike, die zweite Zusatzfrage.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich nun doch weiter konkret bleiben und Sie fragen, ob es auf Grund der Erkenntnisse der Bundesregierung nicht zwingend notwendig ist, mit den Landesfinanzverwaltungen in eine eingehende Prüfung einzusteigen, ob das Institut der Gemeinnützigkeit im Bereich dieses Sports nicht präziser beachtet werden muß? Vor allem frage ich im Hinblick auf Verhaltensweisen der Finanzverwaltungen, wo sie viel kritischer gegen Bürgerinitiativen, die sich um Umweltschutz kümmern, sind; und da ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nach meiner Auffassung - ich hoffe, daß sie von Ihnen geteilt wird - in Frage gestellt.

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, ich habe aus Ihrer langen Frage herausgehört, daß Sie anregen, daß mit den Ländern eine Prüfung stattfinden soll. Ich greife diese Anregung gern auf.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie würden Sie den soeben angesprochenen Sachverhalt im Lichte der gegenwärtig lautenden Diskussion über den Mißbrauch sozialer Leistungen beurteilen? ({0})

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich weiß es nicht. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das ist eine Antwort. Herr Kollege Gärtner.

Klaus Gärtner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000627, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, würden Sie mir im Lichte der Tatsache, daß sich ein Großteil der vom Kollegen Meinike geschilderten Vereine in einem solchen Zustand befindet, daß sie nicht in der Lage sind, eine Steuer abzuführen - ich meine die hochverschuldeten Bundesligavereine - zustimmen, daß von daher bei einem Zugriff wohl kaum mit Zuflüssen an die Staatskasse zu rechnen wäre?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich stimme dem Ergebnis, Herr Kollege Gärtner, zu, daß für die Staatskasse bei der Aberkennung der Gemeinnützigkeit nichts herausspringen dürfte. Allerdings ist es völlig gerechtfertigt, die Frage zu stellen, ob in solchen Fällen die Gemeinnützigkeit angebracht ist.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Lambinus, Sie wünschen eine Zusatzfrage.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß man es nicht allein auf die Tatsache, ob ein Verein eine Bundesligamannschaft unterhält, abstellen kann, sondern daß man berücksichtigen muß, daß die meisten Vereine, die eine Bundesligamannschaft stellen, sehr große Abteilungen haben, die reinen Amateur-und Breitensport betreiben?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Lambinus, Sie werden in meiner Antwort auf die Zusatzfrage gehört haben, daß ich bestätige, daß es in den Bundesligavereinen große Amateursportabteilungen gibt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage mehr. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Meinike auf: Hält die Bundesregierung es für notwendig, gesetzliche Regelungen zu treffen, die ein Unterlaufen der steuerbegünstigenden Gemeinnützigkeit verhindern?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Meinike, das Bundesministerium der Finanzen prüft zur Zeit, ob die Gemeinnützigkeitsbestimmungen für Amateursportvereine durch rechtliche Gestaltung unterlaufen werden können. Bei der noch nicht abgeschlossenen Bestandsaufnahme sind bisher Modelle bekanntgeworden, bei denen die Spieler nicht von dem Sportverein, sondern von einer dem Verein vorgeschalteten steuerpflichtigen Körperschaft bezahlt werden sollen. Das Bundesfinanzministerium ist der Auffassung, daß es bei dieser Art von Sportvereinen bereits nach geltendem Recht nicht bei der Gemeinnützigkeit bleiben kann und deswegen gesetzgeberische Maßnahmen nötig sind.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Meinike.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich aus dieser mich nun zufriedenstellenden Antwort schließen, daß Sie auch auf den sogenannten mittelbaren Zuleistungsbereich abstellen wollen, wo man bereits von einer „Leibeigenschaft" der Sportler gegenüber den Mäzenen spricht?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das wird sich von der Sache her ergeben, Herr Kollege Meinike.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage mehr. Die Fragen 11 und 12 des Abgeordneten Dr. Schöfberger, die Fragen 13 und 14 des Abgeordneten Lambinus, die Fragen 15 und 16 des Abgeordneten Feile und die Fragen 17 und 18 des Abgeordneten Weinhofer werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 19 des Herrn Abgeordneten Collet auf: Wieviel Steuern, die auf Bundesrecht beruhen, werden nach Auffassung der Bundesregierung wegen mangelhafter Buchführung bzw. Betriebsprüfung und/oder mangelnder Steuerehrlichkeit zuwenig eingenommen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Präsident, wenn der Herr Abgeordnete einverstanden ist, möchte ich die Fragen 19 und 20 zusammen beantworten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Da der Herr Abgeordnete Collet Zustimmung nickt, rufe ich auch die Frage 20 auf: Hält die Bundesregierung hinsichtlich der auf Bundesrecht beruhenden Steuern die Betriebsprüfungen - vor allem in Großbetrieben - quantitativ hinsichtlich ihrer Frequenz und qualitativ in bezug auf die Anzahl der jeweils einsetzbaren und eingesetzten qualifizierten Prüfer für ausreichend, und wenn nein, ist sie in der Lage und gegebenenfalls bereit, darauf hinzuwirken, daß die Betriebsprüfungen quantitativ und qualitativ intensiviert werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Collet, Berechnungen über nicht festgesetzte Steuern werden nicht vorgenommen. Deshalb kann diese Frage mangels statistischer Unterlagen nicht beantwortet werden. Die Bundesregierung hält jedoch die in diesem Zusammenhang in der Öffentlichkeit gelegentlich genannten Zahlen für spekulativ. Genaue Zahlen liegen nur vor für hinterzogene und leichtfertig verkürzte Steuern, die auf Grund von rechtskräftig abgeschlossenen Steuerstraf- und Bußgeldverfahren festgestellt worden sind. Diese betrugen im Jahre 1980 bei den Besitz- und Verkehrsteuern rund 431 Millionen DM und bei den Zöllen sowie den Verbrauchsteuern rund 60 Millionen DM. Nach der Jahresstatistik der Betriebsprüfung für 1980 werden Großbetriebe im Durchschnitt etwa alle vier Jahre geprüft. Die Bundesregierung hält dies für ausreichend, zumal durch die Anschlußprüfung sichergestellt ist, daß in diesen Betrieben alle Besteuerungszeiträume lückenlos geprüft werden. Andererseits ist festzustellen, daß die Prüfungen in Einzelfällen nur stichprobenweise möglich sind und die Prüfungsintensität regional und branchenbezogen unterschiedlich ist, weil nicht überall besonders qualifizierte Prüfer in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. Qualitative Verbesserungen wären möglich, wenn die Rahmenbedingungen für die Prüfungen verbessert werden könnten. Das Bundesministerium der Finanzen hat im Einvernehmen mit den Bundesländern und dem Bundesrechnungshof einheitliche Grundsätze zur Rationalisierung der Betriebsprüfungen erarbeitet. Die Bundesregierung wird zusammen mit den in erster Linie zuständigen Ländern auf weitere Verbesserungen im Betriebsprüfungsverfahren hinwirken.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, darf ich aus dem ersten Teil Ihrer Antwort schließen, daß der Herr Bundeskanzler am 29. Oktober 1981 von diesem Rednerpult aus spekuliert hat?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich weiß nicht, was der Bundeskanzler gerade an diesem Tage gesagt hat. Ich höre dem Bundeskanzler zwar aufmerksam zu, aber ich habe nicht immer Gelegenheit dazu. Herr Kollege Collet, aus meinem engen Verhältnis zum Herrn Bundeskanzler ergibt sich, daß Sie mir nicht unterstellen dürfen, ich würde vom Bundeskanzler so etwas annehmen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich Sie fragen, Herr Staatssekretär, ob Sie gehört haben, wie der Herr Bundeskanzler von diesem Rednerpult aus zu Herrn Häfele gesagt hat: Sie machen mir hier Zurufe über mißbräuchliche Inanspruchnahme der Sozialgesetze, der sozialen Leistungen, der sozialen Sicherheit. Ich vermisse Ihre Empörung über den Mißbrauch der Steuergesetze und der Subventionsgesetze. ({0})

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Sie sehen, daß ich recht hatte, als ich mich dagegen wehrte, dem Bundeskanzler - wenn auch nur in Form einer Frage behauptet - spekulative Gedanken zu unterstellen. Selbstverständlich kann niemand leugnen, daß es Steuerhinterziehung gibt. Wie kann man denn das aus meiner Antwort auf Ihre Frage auch heraushören? Es gibt Steuerhinterziehung. Ich nutze die Gelegenheit der Fragestunde, in diesem Hohen Hause - und damit vor einer begrenzt vorhandenen Öffentlichkeit - festzustellen, daß Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist, sondern daß Steuerhinterziehung geahndet werden muß. ({0}) Ich bin froh, daß das in größer werdendem Umfange geschieht. Nur, Herr Kollege Collet, worum es geht, ist: Die Zahlen, die genannt werden - zwischen 2 und 16 Milliarden DM -, können von mir nicht bestätigt werden. Darum geht es.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich darf Sie also auch fragen: Die Zahlen werden von Ihnen auch nicht bestritten, sie können nur nicht bestätigt werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich kann die Zahlen - weder 2 noch 5 noch 10 noch 16 Milliarden DM - nicht bestätigen. Zahlen, die am oberen Rand liegen, würde ich auf alle Fälle bestreiten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Halten Sie es für sachdienlich, Herr Staatssekretär, wenn bei kleinen Gewerbetreibenden oder in Handwerksbetrieben in der Buchhaltung, die nicht groß ist, das letzte Blatt umgedreht und auch noch nachgefragt wird, für wie viele Kilometer das Dienstauto privat genutzt werde, und wenn in Großbetrieben ein Prüfer des Finanzamtes Stichproben macht?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Collet, grundsätzlich dürfte die Arbeit der Finanzbeamten der Bundesländer - ich betone das noch einmal - nicht zu beanstanden sein. Aber Finanzbeamte sind wie Abgeordnete auch Menschen. Da gibt es solche, und da gibt es solche. ({0}) Die einen legen auf dieses und die anderen auf anderes großen Wert. Ich sähe es z. B. lieber, wenn man Betriebe, von denen man vermutet, daß aus ihnen Steuern herauszukriegen seien, eher als kleine Amateurvereine prüfen würde.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine letzte Zusatzfrage, Herr Kollege Collet.

Hugo Collet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das war keine Kritik an den Finanzbeamten; ich bitte um Entschuldigung. Ich darf Sie fragen: Sind Sie bereit, mit den Finanzministern der Länder in Verbindung zu treten mit dem Ziel, nicht nur keine Stellen zu streichen - wie das jetzt vorgesehen ist - sondern im Hinblick auf solche Möglichkeiten mehr Stellen zu schaffen, damit Großbetriebe häufiger und besser geprüft werden können?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Collet, es fällt der Bundesregierung sehr schwer, eine Zusage dieser Art zu geben. Denn wenn wir aus der Lage des Bundeshaushalts heraus Stellen kürzen müssen, können wir anderen Einrichtungen der öffentlichen Hand keine Anregungen geben, Stellen zu behalten oder zu vermehren. Was man aber bei Gelegenheit von Gesprächen mit den Bundesländern sagen kann - allerdings in der Annahme, daß die das sehr wohl selber wissen -, ist, daß man vielleicht dem Thema, das Sie hier geschildert haben und das uns jetzt bewegt, mehr Aufmerksamkeit schenkt und man damit auch dort schwerpunktmäßig mehr Stellen zum Einsatz bringt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Meinike.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Haehser, darf ich Ihrem Hinweis auf einen Betriebsprüfungszeitraum von durchschnittlich vier Jahren aber dennoch Ihre Sorge entnehmen, daß wir den Begriff „zeitnahe Veranlagung" bei Großbetrieben gegenwärtig noch nicht erreicht haben und daß damit Verbesserungen in bezug auf Gleichbehandlung gegenüber Lohnsteuerpflichtigen notwendig sind, die ja ein Entgelt nur über den Arbeitnehmerfreibetrag kriegen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Meinike, ich halte es für gegeben, daß das zutrifft, was ich in meiner Antwort gesagt habe: Bei Großbetrieben ist die Überprüfung lückenlos. Denn die Überprüfung nach vier Jahren fängt ja nicht bei Null an, sondern schließt an die Prüfungsergebnisse an, die vier Jahre vorher erzielt worden sind. Insofern teile ich Ihre Sorge,. was Großbetriebe angeht, nicht.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Meinike, eine zweite Zusatzfrage.

Erich Meinike (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001457, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ist der Bundesregierung bekannt, daß wir gegenwärtig in den Ländern in der Praxis völlig unterschiedliche Betriebsprüfungsintervalle haben, was einige Länder in Sorge bringt, ob sie durch eine zeitnahe Betriebsprüfung nicht das Prinzip der Steuergerechtigkeit gegenüber anderen Bundesländern in Zweifel ziehen, und ist Ihnen auch bekannt - können Sie einmal bitte eine Zahl nennen -, daß der „Erfolg je Betriebsprüfer" Summen von 500 000 DM und mehr an Steuernachzahlung erreicht?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das mag in Einzelfällen durchaus vorkommen. Ich betrachte Ihre Anmerkung, Herr Kollege Meinike, als Anregungen und werde diesen Anregungen nachgehen. Ich werde in den Gesprächen mit den Bundesländern die Problematik erörtern.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Peter zu einer Zusatzfrage.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sehen Sie die Chance, durch Zusammenarbeit mit den Landesbehörden mit dem Ziele der Verdichtung der Betriebsprüfung - vor allen Dingen bei größeren Unternehmen - die Einnahmen des Staates wesentlich zu erhöhen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

In dieser Frage steckt drin, als ob es eine Zusammenarbeit mit den Bundesländern nicht oder nur ungenügend gäbe. Das ist nicht der Fall. Es gibt eine enge Zusammenarbeit zwischen den Länderfinanzministerien und dem Bundesfinanzministerium. Selbstverständlich kann durch eine intensivere Prüfung für die öffentliche Hand auch mehr an Steuern herausgeholt werden. Gestatten Sie mir auch eine Bemerkung, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn ich vorhin schon etwas über Steuerhinterziehung gesagt habe. Es sollte bei niemandem von Ihnen der Verdacht aufkommen, als bestünde unser deutsches Volk aus Steuersündern. Das wäre ein falscher Verdacht. ({0}) Im Gegenteil. Ich wiederhole, was ich hier vor diesem Hohen Hause oft gesagt habe: Es gibt kein ehrlicheres steuerzahlendes Volk als das deutsche Volk. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, im Lichte der Versuche, bei dem Ermitteln von Mißbrauch sozialer Leistungen zusätzliche staatliche Einnahmen zu quantifizieren, sehen Sie sich in der Lage, auch in diesem angesprochenen Bereich zu versuchen, zu einer Quantifizierung zu kommen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Nein, das ist völlig ausgeschlossen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Immer zu einer Zusatzfrage.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann ich der Antwort, die Sie vorhin gegeben haben, als Sie darauf hinwiesen, daß es auch Ihnen lieber wäre, wenn nicht so sehr die kleinen Amateurvereine, sondern mehr die größeren Unternehmungen geprüft würden, entnehmen, daß wohl doch ein Mißverhältnis besteht zwischen dem Steuerzahler, der sein Einkommen in der „Klarsichtpackung" dem Staat entgegenträgt und demjenigen, der eben nur in ganz bestimmten Rhythmen alle vier Jahre oder noch später überprüft wird?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Immer, ich laufe Gefahr, mich zu wiederholen, wenn ich nun noch einmal darauf hinweise, daß ich die Steuerprüfung bei Großbetrieben für lückenlos halte. Es gibt überall Mängel; woanders gibt es größere Mängel. Ich will nur sagen: Darunter, daß wir mit einem gläsernen Portemonnaie herumlaufen, leide ich auch; nur füge ich hinzu, ich zahle meine Steuern gerne, weil ich weiß, daß die sozialliberale Bundesregierung Ordentliches damit anfängt. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Immer zu einer weiteren Zusatzfrage.

Klaus Immer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000995, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie ausschließen, daß es bei diesen Überprüfungen größerer Unternehmungen in ganz bestimmten Rhythmen - vier Jahre oder länger -, wenn die Steuerschuld festgesetzt wird, dennoch wegen der momentanen Situation eines Betriebes zu Halbierungen der Steuerschuld kommt und die totale Steuerschuld nachher überhaupt nicht gezahlt werden muß - im Gegensatz zur Praxis bei denen, die unmittelbar zur Steuer veranlagt werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das kann ich nicht nur nicht ausschließen, sondern ich halte es auch für gegeben, daß aus wirtschaftlichen Erwägungen dem Steuerpflichtigen, z. B. damit dieser den Betrieb fortführen kann, Erleichterungen bei der Abwicklung der Steuerschuld gewährt werden, also Stundungen und zum Teil auch Niederschlagungen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage der Herr Kollege Baack.

Herbert Baack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000067, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da die Länder für den Einzug dieser Steuern und ebenfalls für die Betriebsprüfungen verantwortlich zeichnen, dürfte ich Sie, weil hier unterschiedliche Zeiträume im Raume stehen und auch von Ihrer Seite angesprochen worden sind, bitten, dem Hause einmal schriftlich mitzuteilen, in welchen Ländern die Zeiträume länger als vier Jahre sind und in welchen Ländern diese Betriebsprüfungen in kürzeren Abständen als alle vier Jahre durchgeführt werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Baack, wenn wir darüber zuverlässige Angaben bekommen können, werde ich sie Ihnen zur Verfügung stellen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Lambinus.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in der Antwort auf eine Zusatzfrage des Kollegen Collet haben Sie sich sehr zurückhaltend ({0}) zur Frage der Vermehrung der Stellen von Steuerprüfern und Steuerfahndern geäußert.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Lambinus, wird eine Frage daraus?

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, es wird eine Frage, Herr Präsident. - Darf ich Sie fragen, ob Sie meine Auffassung teilen, daß jeder Steuerprüfer und jeder Steu3632 erfahnder sein Gehalt jährlich mehrfach hereinprüfen wird?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ja, meinen Sie, das stünde nicht in Übereinstimmung mit seiner Aufgabe? ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Haben Sie eine zweite Zusatzfrage? - Bitte, Herr Kollege Lambinus.

Uwe Lambinus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001271, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich muß dann die zweite Zusatzfrage stellen, die mir zusteht. Herr Staatssekretär, warum sind Sie dann so zurückhaltend, wenn es darum geht, mehr Steuerprüfern und mehr Steuerfahndern Planstellen zu geben?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich habe doch gesagt, daß wir, die wir Stellen abbauen müssen, und zwar nicht im ersten, sondern im dritten Jahr, uns schwertun, jemand anderen dazu anzuregen, Stellen zu schaffen. Das werden Sie doch bitte verstehen! Wenn die Länder die Rechnung aufmachen, von der Sie vermuten, daß sie richtig ist, werden sie wohl selber auf den Gedanken kommen, das Personal so anzureichern, wie es im Interesse der Steuereingänge für erforderlich gehalten wird. Nur eines bedenken Sie- bitte: Der Ausbildungsgang eines Steuerprüfungsbeamten ist lang. Wenn die Bundesländer, die ja die Problematik genauso wie das Bundesfinanzministerium oder auch sachkundige Kollegen aus dem Hohen Hause kennen, heute jemanden einstellen, um ihn zum Steuerprüfer werden zu lassen, vergehen Jahre, bis er das dann wirklich kann. Das liegt in der Natur der Sache.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Jäger ({0}) zu einer Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie in Ergänzung dessen, was Sie vorhin zur Lückenlosigkeit der Prüfung bei den Großbetrieben gesagt haben, hier bestätigen, daß gerade bei den Betrieben, die die Grenze zum Großbetrieb überschritten haben, der vierjährige Steuerprüfungsturnus bedeutet, daß jeweils im Anschluß an die vorherige Prüfung sämtliche Steuerjahre bzw. Steuerzeiträume überprüft und die dadurch anfallenden Mehrsteuern abgeführt werden müssen, so daß hier in der Tat nicht - wie es den Anschein haben könnte - bloß alle vier Jahre, sondern ständig und fortlaufend geprüft wird?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich habe das bereits mit sehr viel schlechteren Worten bestätigt. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich rufe die Frage 21 des Herrn Abgeordneten Susset auf: Kann die Bundesregierung Auskunft darüber geben, wie unterschiedlich die Finanzämter ihren Ermessensspielraum bei den nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes zu veranlagenden Landwirten bezüglich der je Hektar anzurechnenden Vollarbeitskräfte ausnutzen, und welche Folgerungen zieht sie, sofern die Praxis unterschiedlich ist?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Präsident, ich bitte - Herr Kollege Susset, wenn Sie einverstanden sind -, auch diese beiden Fragen zusammen beantworten zu dürfen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Der Fragesteller ist einverstanden. Ich rufe also auch die Frage 22 des Herrn Abgeordneten Susset auf: Gibt es hier von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Anweisungen bezüglich dieser Festsetzung?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Bisher sind der Bundesregierung, Herr Kollege Susset, keine Anweisungen der Finanzminister bzw. Finanzsenatoren der Länder oder der Oberfinanzdirektionen bekanntgeworden, nach denen der Ermessensspielraum bei den nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes zu veranlagenden Landwirten bezüglich der je Hektar anzurechnenden Vollarbeitskräfte unterschiedlich ausgenutzt wird. Sollte eine unterschiedliche Anwendung des Gesetzes bekannt werden, so wird der Bundesminister der Finanzen auf einheitliche Anwendung der Vorschriften des § 13 a des Einkommensteuergesetzes hinwirken. Das ist die vorformulierte Antwort, die ich Ihnen nun gegeben habe. Inzwischen ist mir Mitteilung gemacht worden, daß es in einigen Bundesländern Unterschiede gibt, die ich Ihnen auf Befragen nennen werde.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

In welchen Ländern bestehen nun Unterschiede, Herr Staatssekretär?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

In Bayern und in Rheinland-Pfalz, Herr Kollege.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie sehen diese Unterschiede aus?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das prüfen wir zur Zeit. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Susset. ({0}) - Er hat vier Zusatzfragen; zwei sind gestellt.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung nach vorgenommener Überprüfung bereit, auf die Länderfinanzminister und Oberfinanzdirektionen einzuwirken, daß tatsächlich ein in allen Bundesländern vergleichbarer Ansatz für Vollarbeitskräfte möglich wird?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Susset, mit aller Deutlichkeit will ich Ihnen sagen, daß Deutscher Bundestag - 9. Wahlperiode - 63. Sitzung. Bonn, Mittwoch. den 11. November 1981 3633 ein auf demokratische Weise zustande gekommenes Gesetz keineswegs durch Verwaltungsanweisungen unterlaufen werden darf. Die Bundesregierung wird im Sinne Ihrer Frage auf die Bundesländer einwirken.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Sie haben noch eine Zusatzfrage, Herr Kollege Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Bundesregierung auch bereit, auf die Länder so einzuwirken, daß diese 0,07 Vollarbeitskräfte pro Hektar als Obergrenze gewertet werden und nicht, wie zur Zeit teilweise gehandhabt, die Finanzbehörden diese 0,07 Vollarbeitskräfte immer ansetzen, trotz Angaben von Steuerpflichtigen, daß weniger Vollarbeitskräfte ermittelt würden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ob wir auf die Bundesländer in dieser Absicht einwirken, kann ich Ihnen nicht versprechen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Baack.

Herbert Baack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000067, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin gesagt, daß Sie die entsprechenden Zahlen eruieren wollen. Ist es richtig, daß in Baden-Württemberg bei den Nebenerwerbslandwirten 0,07 Arbeitskräfte angesetzt werden, während in Bayern und in Rheinland-Pfalz nur ein Satz von 0,02 Arbeitskräften angewandt wird? Ist die Bundesregierung bereit, den Willen des Gesetzgebers - notfalls durch gesetzgeberische Maßnahmen - zur Geltung zu bringen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Baack, ich vermute, daß die Ausnahmen Bayern und Rheinland-Pfalz den Tatbestand betreffen, den Sie hier mit Ihrer Frage als gegeben unterstellen. Die Bundesregierung wird zunächst prüfen, wo es diese Abweichungen gibt, und dann zur Entscheidung kommen, wie wir diese Möglichkeiten abstellen, durch Verwaltungsanweisungen solche Unterschiede herbeizuführen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Baack.

Herbert Baack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000067, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, das Land Bayern weicht bei der Einkommensteuerveranlagung von Landwirten auf mehreren Gebieten zugunsten der Landwirte von den in anderen Bundesländern angewandten und unbestrittenen Rechtsgrundsätzen ab. Ich nenne einmal als Beispiele -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Baack, machen Sie doch bitte eine Frage daraus.

Herbert Baack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000067, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigung, ich wollte es gerade machen, Herr Präsident; ich möchte nur noch eben die Beispiele nennen: Erfassung von Pachtflächen, Anerkennung von Arbeitsverhältnissen usw. Ist die Bundesregierung bereit, diesem ungewöhnlichen Verhalten Bayerns irgendwie nachzugehen, will sie z. B. versuchen, dieser Sache auf gesetzgeberischem Wege Einhalt zu gebieten?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Ich sage hier noch einmal ganz deutlich: Die Bundesregierung wird mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln auf die einheitliche Anwendung der steuerrechtlichen Bestimmungen hinwirken.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort zu weiteren Zusatzfragen zu den Fragen 21 und 22 wird nicht gewünscht. Ich rufe die Frage 23 des Herrn Abgeordneten Schulze ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der stationäre Blumengroßhandel bundesweit und verstärkt gegen das Überhandnehmen der „fliegenden Blumenhändler" protestiert, und welche Koordinierungsmaßnahmen hat die Bundesregierung zwischen den zuständigen Bund- und Länderinstitutionen nach dem Inkrafttreten der Änderung des Umsatzsteuergesetzes seit dem 1. Januar 1980 getroffen, um die damit verbundene längst überfällige Verwaltungsregelung in Kraft zu setzen?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, darf ich auch diese beiden Fragen zusammen beantworten? ({0}) - Vielen Dank.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Der Fragesteller zeigt Zustimmung an. Dann rufe ich auch die Frage 24 des Herrn Abgeordneten Schulze ({0}) auf: Wie soll zukünftig darüber hinaus die Steuerehrlichkeit der „fliegenden Holländer" kontrolliert werden?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Schulze, wie Ihnen mit Schreiben vom 16. Juli 1981 mitgeteilt wurde, ist der Bundesregierung bekannt, daß der Verband des Deutschen Blumen-Groß- und Importhandels e. V. seit längerer Zeit darüber klagt, daß sich niederländische Blumenimporteure weitgehend der Umsatzbesteuerung entziehen. Auf der Grundlage von Besprechungen mit dem Fachverband hat das Bundesministerium der Finanzen inzwischen den Entwurf einer Verwaltungsregelung erarbeitet, durch die ein besonderes Kontrollverfahren eingeführt werden soll. Das Verfahren sieht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Grenzzollstellen, dem Bundesamt für Finanzen und den Finanzämtern vor. Dieses Verfahren soll dazu beitragen, daß die Umsatzsteuer für die Blumenlieferungen von den niederländischen Blumenimporteuren zutreffend erhoben wird. Der Entwurf wird in Kürze mit den obersten Finanzbehörden der Länder abgestimmt und mit dem Fachverband erörtert. Eine darüber hinausgehende Kontrolle ist nicht erforderlich, weil das Steuerverfahren dann ordnungsgemäß abgewickelt wird.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schulze.

Gerhard Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002109, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Teilen Sie meine Meinung, Herr Staatssekretär, daß das Überhandnehmen der „fliegenden" holländischen Blumenhändler zu einer unerwünschten Wettbewerbsverzerrung führen muß, wenn nicht zumindest steuerlich gleiche Marktbedingungen wie für deutsche Blumengroßhändler geschaffen werden, und sind Sie mit mir der Meinung, daß es dringend geboten ist, daß diese schon lange angekündigte Verfahrensregelung jetzt wirklich schnellstens in Kraft tritt, damit diesen Protesten, die auch von den Blumenhändlern in Berlin in besonders starkem Maße kommen, Rechnung getragen wird?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das waren zwei Fragen, Herr Kollege. Auf beide Fragen sage ich ja.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 25 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf: Welche Konsequenzen gedenkt Bundesfinanzminister Matthöfer hinsichtlich seiner Amtszeit daraus zu ziehen, daß der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 4 v. H. erhöht wird, nachdem er noch am 25. September 1981 in einer Rede vor dem Bundesrat wörtlich erklärt hat, „Hier ist, jedenfalls während der Amtszeit dieses Bundesfinanzministers, keine weitere Beitragserhöhung eingebaut"?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege Friedmann, darf ich auch diese beiden Fragen zusammen beantworten? ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich auch die Frage 26 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf: Wie vereinbart Bundesfinanzminister Matthöfer die Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung mit seiner Feststellung in der Etat-Rede vor dem Bundestag am 16. September 1981, in der er wörtlich erklärte, „Gleichzeitig wird erneut bekräftigt, daß die jetzt erreichten Grenzen der Belastung der Löhne und Einkommen mit direkten Steuern und Sozialabgaben nicht mehr überschritten werden sollen."?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, in der Regierungserklärung vom 29. Oktober des Jahres hat Bundesminister Matthöfer bereits zu Ihren beiden Fragen Stellung genommen. Er hat dabei betont, daß die Bundesregierung im Interesse der für die öffentliche Vertrauensbildung im Inland und im Ausland psychologisch wichtig gewordenen Begrenzung der öffentlichen Kreditaufnahme eine befristete Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in Kauf nimmt.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Haehser, nachdem der Herr Bundesfinanzminister ausweislich des Protokolls des Bundesrates vom 25. September 1981 erklärt hat: Herr Kollege Stoltenberg, ich wiederhole das ausdrücklich zu Ihrer Beruhigung: Hier ist, jedenfalls während der Amtszeit dieses Bundesfinanzministers, keine weitere Beitragserhöhung eingebaut. und die Beitragserhöhung trotzdem stattfindet, frage ich: Wann löst der Finanzminister sein Versprechen durch Rücktritt ein? ({0})

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Er wird Ihnen dieses nicht gegebene Versprechen natürlich nicht erfüllen und im Amt bleiben - im Interesse des deutschen Volkes. ({0}) Herr Kollege Friedmann, ich könnte mir jetzt die Sache sehr einfach machen und sagen: Eingebaut war die Erhöhung in der Tat nicht. Ich will Ihnen aber sagen, daß das schreckliche Ignoranten wären, die, wenn sie Ereignisse und Entwicklungen auf sich zukommen sehen, die zum Handeln zwingen, bei einer einmal dargebotenen Meinung verblieben. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie ernst sind Aussagen dieses Finanzministers noch zu nehmen, nachdem er solche Zusagen, die er vor einem obersten Bundesorgan abgegeben hat, nicht eingehalten hat?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Der Bundesminister der Finanzen hat keine Zusage gegeben, sondern er hat gesagt, die Erhöhung, d. h. die Ausschöpfung des Rahmens, sei nicht eingebaut. Ich verrate kein Geheimnis - weil es nämlich in der Bundestagsdrucksache gedruckt worden ist -, wenn ich ihn jetzt zitiere: Ich habe in der Tat keinen Anlaß gesehen, eine Ausschöpfung des Beitragsrahmens für die Arbeitslosenversicherung von 4 % zu früh in Betracht zu ziehen, und ich habe sie auch nicht vorgeschlagen. Der nun gefaßte Beschluß ist die Konsequenz daraus, daß bei der Bundesanstalt für Arbeit durch die wachsende Arbeitslosigkeit zusätzliche Ausgaben in Milliardenhöhe entstehen und daß es sich hier trotz der schon erheblichen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt nach Meinung der weit überwiegenden Mehrheit meiner Freunde um eine Sozialversicherung handelt, die auf dem Grundsatz der Beitragsdeckung beruht. Herr Kollege, wir sind ja gute alte Bekannte, und wir kennen unser gegenseitiges Bemühen im Haushaltsausschuß. Welch anderen Weg würden denn Sie oder würde die Opposition vorschlagen als dies? Kürzungen schlagen Sie vor, ohne konkret zu werden; die Kreditaufnahme soll nicht erhöht werden. Da ist man hier nach dem Versicherungsprinzip einen schweren, zeitlich begrenzten, aber unvermeidlichen Weg gegangen. ({0}) Vizepräsident' Dr. h. c. Leber: Herr Kollege Friedmann zu einer dritten Zusatzfrage.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da ich beim Thema bleiben will, möchte ich Sie fragen: Gibt es zwischen der Nichteinlösung dieser Ankündigung und der Äußerung, die Herr Matthöfer in anderem Zusammenhang gemacht hat, er wolle nicht vor Mai zurücktreten, weil er dann der SPD-Minister sei, der am längsten Finanzminister war, einen Zusammenhang?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Dazu will ich Ihnen folgendes zur Erläuterung sagen: Er ist dann derjenige Minister, der von allen Reichs- und Bundesfinanzministern der SPD am längsten im Amt ist. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Broll zu einer Zusatzfrage.

Werner Broll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß die Tatsache, daß Minister Matthöfer der von allen Reichs- und Bundesfinanzministern am längsten amtierende ist, ursächlich zusammenhängt mit der Bereitschaft, solche Zusagen ständig nicht einzuhalten? ({0})

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, ich muß Sie doch noch einmal ariden Wortlaut nicht nur dessen erinnern, was Herr Matthöfer gesagt hat, sondern auch dessen, was Herr Kollege Friedmann gefragt hat. Der Minister hat gesagt, während seiner Amtszeit sei keine weitere Beitragserhöhung eingebaut gewesen. Das heißt also: von ihm - aus seiner Initiative - nicht vorgesehen. Ich habe jedenfalls immer eine gute Note in Deutsch gehabt und kann diesen Satz entsprechend lesen. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, erkennen Sie in diesen Fragen einen Zusammenhang mit dem heutigen Datum, dem Elften im Elften?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, es fällt mir auch als Rheinländer schwer, in diesem Augenblick einen solchen Zusammenhang zu sehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Friedmann, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich wollte darum bitten, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär Haehser, welche gravierenden Änderungen sind denn zwischen dem 16. September 1981, als Herr Matthöfer gesagt hat: Gleichzeitig wird erneut bekräftigt, daß die jetzt erreichten Grenzen der Belastung der Löhne und Einkommen mit direkten Steuern und Sozialabgaben nicht mehr überschritten werden sollen und jener Erklärung im Oktober, die Sie vorhin zitiert haben, eingetreten?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Diese Änderungen sind Ihnen bekannt. Ich weiß das ganz genau, denn wir haben in Gegenwart des Bundesfinanzministers im Haushaltsausschuß lange darüber gesprochen. Die Zahl der Arbeitslosen kann im nächsten Jahr höher sein, als wir ursprünglich vermutet oder befürchtet haben. ({0}) Ferner wird es, wie die interne Steuerschätzung des Bundesministers der Finanzen erweist, wesentlich weniger Steuereinnahmen geben. Solche Dinge müssen irgendwie, wenn ein Haushaltsentwurf, den wir ja in der Beratung haben, zu einem vernünftigen Haushalt führen soll, berücksichtigt werden. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege Jäger ({0}) zu einer Zusatzfrage.

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, muß ich aus Ihren Äußerungen über die Abfolge der Ereignisse seit dem 16. September schließen, daß der Bundesfinanzminister seine damalige Äußerung in äußerst unvorbedachter und leichtfertiger Weise getan hat, da ja, wie Sie jetzt sagten, abzusehen war, daß eine solche Entwicklung eintreten kann? ({0})

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Nein.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Fragen 27 und 28 des Herrn Abgeordneten Dr. Voss und die Frage 29 des Herrn Abgeordneten Dr. Kübler werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 30 des Herrn Abgeordneten Dr. Lammert auf: Wie beurteilt die Bundesregierung als Eigentümer des bundeseigenen Salzgitter-Konzerns die Auffassung seines Vorstandsvorsitzenden, Ernst Pieper, „nur zwei große Unternehmenseinheiten in der Stahlindustrie, nämlich Thyssen und der Zusammenschluß der übrigen Branche werden die achtziger Jahre überleben können", und welche Schlußfolgerung zieht sie aus seiner Skepsis, „daß die europäischen Nachbarländer in Zukunft mit ihrer Subventionsvergabe für ihre notleidende Stahlindustrie zurückhaltender sein werden - trotz des Subventionskodex" ({0})?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Herr Kollege, die Bundesregierung betrachtet es nicht als ihre Aufgabe, zu persönlichen Äußerungen führender Industrievertreter Stellung zu nehmen, zumal mit der Stahlindustrie laufend Gespräche geführt werden. Zur Sache kann ich Ihnen mitteilen, daß die Bundesregierung für die künftige Struktur der Stahlin3636 dustrie eine Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten sieht. Wir gehen davon aus, daß der Subventionskodex von allen EG-Partnern eingehalten wird. Die Bundesregierung wird bei ihren eigenen stahlpolitischen Maßnahmen darauf achten, daß die getroffenen Vereinbarungen nicht in Frage gestellt werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage Herr Kollege Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie rechtfertigt die Bundesregierung angesichts der unbestrittenen Dringlichkeit schnell wirksamer Umstrukturierung in der deutschen Stahlindustrie die politisch und wirtschaftlich unerträglichen Verzögerungen, die sich nicht zuletzt dadurch ergeben, daß die Bundesregierung in Gestalt des Wirtschafts- und des Finanzministeriums gleichzeitig für und gegen die Einbeziehung des Salzgitter-Konzerns in einen neuen Stahlverbund an der Ruhr eintritt?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Das ist nicht richtig. Der Wirtschaftsminister hat gesagt, daß die Einbeziehung des Salzgitter-Konzerns geprüft werden muß. Dies hat auch der Bundesfinanzminister gefordert. Es gibt eine Übereinstimmung in den Äußerungen der beiden Minister.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer zweiten Zusatzfrage Herr Kollege Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen, Herr Staatssekretär, nicht bekannt, daß sich der Bundeswirtschaftsminister auf der Betriebsversammlung der Firma Hoesch ausdrücklich gegen Experimente mit Großfusionen zum gegenwärigen Zeitpunkt unter Bezugnahme auf die Dringlichkeit kurzfristiger Maßnahmen ausgesprochen hat?

Karl Haehser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000776

Sie sagen schon einschränkend: „zum gegenwärtigen Zeitpunkt". Ich kann Ihnen nur sagen: Mir ist der Wortlaut der Rede des Bundeswirtschaftsministers bekannt. Ich stelle mich hinter diesen Wortlaut.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen beantwortet. Herr Staatssekretär, ich danke Ihnen. Wir kommen zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Fuchs zur Verfügung. Die Fragen 31 und 32 des Abgeordneten Milz und 33 des Abgeordneten Poß werden auf Bitten der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 34 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die technische Sicherheit des montierbaren „Euro-Steckers", und hält sie es für notwendig, angesichts des wachsenden Heimwerkermarkts auf dem Elektrofeld besondere Vorkehrungen zu treffen, um Unfällen vorzubeugen? Das Wort hat die Frau Staatssekretärin.

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Fragen. Ausgestattet mit einem Schuko-Stecker mit Schutzleitung und einem von Ihnen angesprochenen montierbaren Euro-Stecker darf ich Ihre Frage wie folgt beantworten: An der letzten Sitzung der Deutschen Elektrotechnischen Kommission am 22. Oktober 1981 haben Sie als Vertreterin der deutschen Verbraucher teilgenommen. Im Anschluß an die dort geführte Diskussion hat die Deutsche Elektrotechnische Kommission mitgeteilt, daß die seit einiger Zeit auf dem Markt befindlichen frei anschließbaren, montierbaren Euro-Stecker - also diese hier - einschließlich zugehöriger Kupplungssteckdosen und Verlängerungsschnüre sicherheitstechnisch bedenklich und deshalb nach den VDE-Normen nicht zulässig sind. Frei anschließbare Euro-Stecker geben Bastlern, Hobbywerkern und jedem praktisch veranlagten Laien die Möglichkeit, Anschlußleitungen für elektrische Geräte selber herzustellen. Deswegen besteht die Besorgnis, daß in dem genormten SchukoSystem gefährliche und deshalb verbotene Kombinationen von Steckern, Leitungen und Steckdosen geschaffen werden. Seit gestern bin ich darin sachkundig; daher habe ich die Bedeutung dieses Problems erkannt. Sie können sicher sein, daß wir alles tun werden, uns unverzüglich um dieses Thema zu kümmern. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wird die für den Arbeitsschutz zuständigen Minister und Senatoren der Länder auf die prinzipiellen Gefahren des frei anschließbaren Euro-Steckers aufmerksam machen. Dabei wird er seine Auffassung mitteilen, daß nach dem Gerätesicherheitsgesetz das Ausstellen und In-Verkehr-Bringen dieser Stekker untersagt werden kann. Die Erste Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz ist auf Haushaltsstekkervorrichtungen entsprechend anzuwenden. Da ein Verbot auch den grenzüberschreitenden Warenverkehr beeinflußt, hat die Deutsche Elektrotechnische Kommission das Problem an die Europäische Normungsorganisation herangetragen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Zu einer Zusatzfrage Frau Kollegin Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, unabhängig von der Komik, die immer ausbricht, wenn wir zwei Ankes aufeinandertreffen und hier ungewöhnlich praktische Fragen erörtern, möchte ich Sie fragen: Geht die Bundesregierung bei ihrem Vorstoß davon aus, daß die Bundesländer und auch die betroffene Industrie alles tun werden, um dieses wirklich lebensgefährliche Problem aus der Welt zu schaffen?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Frau Abgeordnete, wir haben neulich das Thema der Haartrockner hier behandelt; das hat Amusement ausgelöst. Ich habe heute extra solche Stecker, über die wir hier sprechen, mitgebracht und möchte noch einmal sowohl den Bundestag als auch die hier begrenzt vorhandene Öffentlichkeit auf das aus meiner Sicht wirklich gefährliche Thema aufmerksam machen. Wenn man nämlich diese Stecker selbst an Geräte montiert, die dafür nicht vorgesehen sind, so kann dies in den Haushalten große Probleme mit sich bringen. Da wir ein Land mit viel Freizeit und auch mit vielen Hobbybastlern sind, sehe ich hier eine Gefährdung. Ich beantworte Ihre Frage mit einem klaren Ja.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine zweite Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

An diesem Problem wird exemplarisch deutlich, Frau Staatssekretärin, daß es nicht ganz einfach ist, im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft sicherheitstechnische Anforderungen an Geräte, insbesondere im Freizeit- und Hobbybereich, zu vereinheitlichen. Wie stellt sich die Bundesregierung eine Intensivierung der Zusammenarbeit in der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet vor, damit es nicht zu Sicherheitsrisiken für die Betroffenen kommt?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Sie wissen, daß die Deutsche Elektrotechnische Kommission in der Europäischen Normenorganisation mitwirkt. Mir ist berichtet worden, daß man sich nach Ihrer Intervention in den dortigen Gremien darüber unterhalten hat. Ich bin zuversichtlich, daß auch dort Maßnahmen verabschiedet werden.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Keine weiteren Zusatzfragen. Frau Staatssekretärin, ich halte es ja für lobenswert, daß Sie hier nicht nur eine Antwort geben, sondern gleich auch den Gegenstand, auf den sich die Frage bezog, vorzeigen. ({0}) Ich rege aber doch an, darüber nachzudenken, ob das nicht eine präjudizierende Wirkung hat. Ich habe schon einmal mit einiger Besorgnis gesehen, daß wir während einer Debatte über Weinflaschen hier im Saal dann auch Weinflaschen zu sehen bekamen. Das könnte Weiterungen haben. Ich rufe jetzt die Frage 35 des Herrn Abgeordneten Baack auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Verbands Deutscher Badebetriebe e. V., Dortmund, daß durch ausgehandelte Sparmaßnahmen zwischen der kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen selbständige Heilgymnasten in ihrer Existenz bedroht sind und ihre Betriebe schließen müssen, und welche Folgerungen zieht sie daraus? Bitte sehr, Frau Staatssekretär.

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Herr Präsident, ich würde gern die Fragen 35 und 36 gemeinsam beantworten.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Der Fragesteller ist einverstanden. Dann rufe ich noch die Frage 36 des Herrn Abgeordneten Baack auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegebenenfalls zwischen dem Verband Deutscher Badebetriebe und der kassenärztlichen Vereinigung zu vermitteln, daß nicht durch diese Sparaktionen Arbeitsplätze und Betriebe vernichtet werden, da ja laut Westdeutscher Allgemeiner Zeitung vom 21. Oktober 1981 nur in Nordrhein-Westfalen die Sparaktion am konzentriertesten durchgeführt würde?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, mit Ihren Fragen sprechen Sie Vorgänge im Bereich der Landesverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Vereinigungen in Nordrhein-Westfalen an. Die Beurteilung dieser Vorgänge fällt in die Zuständigkeit des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, der die Aufsicht über diese Körperschaften führt. Daher kann ich nur allgemein bemerken, daß die Bundesregierung Maßnahmen begrüßt, die von den Krankenkassen und ihren Vertragspartnern ergriffen werden, um auch im Rahmen der Selbstverwaltung Kostendämpfungsbemühungen zu unterstützen, die ja auch durch das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz fortgeführt werden sollen. Sie geht hierbei davon aus, daß sich solche Maßnahmen darauf richten, das Maß des medizinisch Erforderlichen besonders zu betonen. Es kann - wie dies auch im Zusammenhang mit dem erwähnten Gesetzentwurf diskutiert worden ist - nicht ausbleiben, daß sich die Kostendämpfungsbemühungen in der gesetzlichen Krankenversicherung auch auf die Umsätze der an der Leistungserbringung beteiligten Berufsgruppen auswirken. Ich vermag nicht abzuschätzen, ob diese Auswirkungen so stark sein können, daß nicht nur die Einkommenserwartungen der betroffenen Berufsgruppen gefährdet sind, sondern darüber hinaus auch der Bestand von Arbeitsplätzen und Betrieben. Jedenfalls kann es nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sein, Leistungen zuzulassen und zu finanzieren, die über das medizinisch Erforderliche und Wirtschaftliche hinausgehen. Im übrigen glaube ich nicht, daß Sparmaßnahmen der Selbstverwaltung in Nordrhein-Westfalen über das in anderen Landesbereichen übliche Maß hinausgehen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Baack? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung sind damit beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretär. Da uns im Rahmen der Fragestunde nur noch eine Minute Zeit zur Verfügung steht, halte ich es nicht für richtig, jetzt noch den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung aufzurufen. Ich schließe die Fragestunde. Zur Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Dr. Wilms das Wort.

Dr. Dorothee Wilms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002518, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der CDU/CSU-Fraktion beantrage ich eine Aktuelle Stunde zum Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen. Wir haben eben in der Fragestunde an Hand der Fragen 72 bis 78 die Situation der Deutschen in der Sowjetunion und deren Auswanderungsbemühungen andiskutiert. Wir sind der Auffassung, daß dieses Thema hier und heute einer weiteren Vertiefung bedarf. Das Schicksal der deutschen Menschen in der Sowjetunion bewegt uns doch wohl alle. Ihre Probleme dort und ihre Probleme bei den Bemühungen um Auswanderung in die Bundesrepublik müssen sicherlich nach unser aller Meinung Gegenstand von politischen Gesprächen auch beim bevorstehenden Breschnew-Besuch sein. ({0}) Wir glauben, daß eine Aktuelle Stunde deshalb eine willkommene Gelegenheit gibt, die Auffassungen des Hohen Hauses zu diesem Aspekt der Realisierung der Menschenrechte in der Welt darzulegen. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Wird das Wort zur Geschäftsordnung weiter gewünscht? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Fraktion der CDU/CSU hat gemäß Ziffer I 1 b der Anlage 5 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu den Antworten der Bundesregierung auf die Fragen 72 bis 78, die soeben gegeben worden sind, verlangt. Die Aussprache muß nach Ziffer I 2 a der Richtlinien unmittelbar nach Schluß der Fragestunde durchgeführt werden. Ich eröffne die Aussprache in der Aktuellen Stunde und erteile dem Herrn Abgeordneten Hupka das Wort.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Keiner der deutschen Volksgruppen, die heute unter kommunistischer Herrschaft leben müssen, geht es so schlecht wie den Deutschen in der Sowjetunion. Sie ist übrigens mit nahezu 2 Millionen die größte der deutschen Volksgruppen und zugleich die am weitesten von uns entfernt lebende. 1941 wurden die Deutschen in Rußland das Opfer einer unmenschlichen Deportation von der Wolga nach Sibiren. Heute wohnt die überwiegende Mehrheit in Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan. Während die Welt zu Recht immer wieder etwas über das Schicksal der Juden in der Sowjetunion - ihre Zahl ist etwa mit derjenigen der Deutschen in der Sowjetunion vergleichbar - erfährt und vor allem die USA und die Juden überall für ihre Glaubensgefährten Partei ergreifen, schweigt sich die Bundesregierung über das Schicksal der Deutschen in der Sowjetunion nahezu aus. In Tischreden in Moskau wird vom .Schicksal und menschlichen Leid getrennter Familien gesprochen, auf die Aussiedlung von Deutschen aus der Sowjetunion hingewiesen, aber im Anschluß daran ereignet sich nichts. Die Sowjetunion läßt trotz der wiederholten Besuche herüber und hinüber immer weniger Deutsche ausreisen, ohne daß seitens der Bundesregierung offiziell und öffentlich protestiert wird. In der Fragestunde haben wir soeben von der Bundesregierung gehört, daß die Sowjetunion der Ausreise der Deutschen die rechte Bedeutung nicht beimesse. Blasser und unverbindlicher kann man es wohl nicht sagen. Man geht so miteinander um, als sei das Los der Deutschen in der Sowjetunion ohne Belang für die deutsch-sowjetischen Beziehungen. In Wirklichkeit sollte aber das Los der Deutschen in der Sowjetunion das zentrale Problem zwischen beiden Staaten und Regierungen sein. ({0}) Es sollte das Barometer sein, an dem das Hoch und Tief der gegenseitigen Beziehungen abzulesen ist. Gott sei es geklagt, seit Jahren befinden wir uns in einem Tief. Die gegenwärtigen Zahlen für die Ausreise der Deutschen aus der Sowjetunion liegen unter dem Niveau von 1975, als auch von der Sowjetunion die Schlußakte von Helsinki unterzeichnet worden ist. ({1}) Damals kamen im Monatsdurchschnitt 499 Aussiedler zu uns. Erfreulicherweise waren es 1976 dann 809. Seitdem ist die Zahl der Ausreisegenehmigungen ständig rückläufig gewesen und hat in den zehn Monaten dieses Jahres einen Minusrekord mit nur noch 327 Ausreisegenehmigungen im Monatsdurchschnitt aufzuweisen. ({2}) Das heißt, es sind nahezu 60 % weniger als. 1976. Der Satz aus der Tischrede des Bundesaußenministers im April dieses Jahres in Moskau hat seine Richtigkeit. Er sagte: „Uns liegt daran, daß die Aussiedlung von Deutschen aus der Sowjetunion von sowjetischer Seite wieder in größerem Umfang ermöglicht wird." Wenn aber derartige Reden ohne jede Reaktion, ohne Auswirkung bleiben, ja wenn ihnen eine grausame Restriktion im Umgang mit den Ausreiseanträgen folgt, müssen, so meinen wir, Konsequenzen gezogen werden. Wo bleibt der Widerspruch, wo der Aufschrei, wo der Protest, wo die Mahnung, wo die Forderung, wo die Erfüllung der Schutzpflicht für die Deutschen in der Sowjetunion? ({3}) Dem Herrn Bundespräsidenten ist ausdrücklich dafür zu danken, in welcher Weise er sich des Schicksals der Deutschen soeben während seines Besuchs in Rumänien angenommen hat. Warum unterläßt es aber die Bundesregierung, im Falle der Deutschen in der Sowjetunion in aller Öffentlichkeit immer wieder als Anwalt aufzutreten und auch einzutreten? ({4}) Die Nordatlantische Versammlung der 15 NATO-Staaten hat soeben in München einen ausgezeichneten Bericht über das Los der Deutschen in der Sowjetunion vorgelegt. Wo aber bleibt der Bericht der Bundesregierung? ({5}) Wir müssen erwarten und fordern, daß während des Besuches von Breschnew in Bonn endlich auch die Lage der Deutschen in der Sowjetunion, das ihnen verweigerte Volksgruppenrecht und die Ausreisemöglichkeit ausführlich behandelt werden und daß man verbindliche Zusagen über die Prozedur und die Zahl erhält. Erstens. Es muß endlich ein Ende mit den schlimmen Schikanen und Pressionen haben. Zweitens. Die Zahl muß um ein Vielfaches pro Jahr erhöht werden. ({6}) Drittens. Feste Zahlen im Jahresdurchschnitt sollten verabredet werden. Viertens. Der Begriff Familienzusammenführung darf nicht mehr so eng wie bisher ausgelegt werden. Dem Deutschen Roten Kreuz - das haben wir während der Fragestunde auch von der Bundesregierung vernommen - liegen über 88 000 Ausreiseanträge vor. Die Zahl der Ausreisewilligen ist bestimmt aber höher und dürfte zwischen 100 000 und 200 000 liegen. Erfolg oder Mißerfolg des Besuches von Breschnew in Bonn ist an dem Ergebnis abzulesen, das von der Bundesregierung für die Deutschen in der Sowjetunion erreicht wird. ({7})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Abgeordnete Neumann ({0}).

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Anlaß dieser Aktuellen Stunde, nämlich der Rückgang der Zahl der Deutschen, die die Sowjetunion verlassen, gibt uns die Gelegenheit, auch unsere Haltung in dieser Frage einmal deutlich zu machen. Wir sehen die humanitäre Frage der Familienzusammenführung als einen sehr wichtigen Bestandteil der Beziehungen zur Sowjetunion an. Wenn es nicht gelingt, diesen humanitären Gesichtspunkt in den Mittelpunkt auch unserer Diskussionsbeiträge heute zu stellen, so bleibt ein Teil unserer Glaubwürdigkeit auf der Strecke, daß es nämlich um Menschen geht und nur um Menschen. ({0}) Wir laufen andernfalls Gefahr, unsere unterschiedlichen Auffassungen in außenpolitischen Fragen, in der Einschätzung der außenpolitischen Lage, insbesondere im Verhältnis zur Sowjetunion, auf dem Rücken dieser Menschen auszutragen und dabei die Menschen und deren Einzelschicksale zu vergessen. ({1}) Wir sehen in der Freiheit der Ausreise in das Heimatland, in der Familienzusammenführung ein Recht, das wir verwirklichen wollen. Das haben wir im Verhältnis zur Sowjetunion immer zum Ausdruck gebracht; das geht insbesondere aber auch aus der KSZE-Schlußakte hervor, die allerdings - das ist immer wieder zu betonen - keine völkerrechtsverbindliche und nun schon gar keine zweiseitige vertragliche Verpflichtung hergibt. Dennoch ist es immer wieder gut, darauf hinzuweisen - wir stimmen darin mit Ihnen überein, obwohl Sie die KSZE-Schlußakte ja bekämpft haben -, daß sich die Teilnehmerstaaten verpflichtet haben, in positivem und humanitärem Geist Gesuche von Personen zu behandeln, die mit Angehörigen ihrer Familie zusammengeführt werden möchten. Die Bundesregierung hat schon vor der KSZE-Konferenz, schon seit 1969 unter Bundeskanzler Willy Schmidt - Bundeskanzler Willy Brandt - so unterschiedlich sind die gar nicht, wie Sie manchmal glauben ({2}) und später unter Helmut Schmidt immer wieder öffentlich und noch viel wirksamer in vielen Gesprächen mit politischen Führern der Sowjetunion die Bedeutung dieser Frage betont. Es bedurfte und bedarf da gar nicht der Mahnung und des Drucks der Opposition. Es gehört zu unserem Selbstverständnis - ich hoffe, auch zu Ihrem -, ({3}) daß wir uns gemeinsam für die Verwirklichung des Rechts auf Heimkehr der Menschen in das Land ihrer Vorfahren einsetzen. Natürlich haben Sie von der Opposition und wir die Mittel und Möglichkeiten, ein solches Recht durchzusetzen, nicht immer gleich bewertet. Mag es in einem Fall richtig sein, öffentlich zu demonstrieren, so kann in einem anderen Fall die öffentliche Demonstration genau der falsche Weg sein. ({4}) Im Verhältnis zur Sowjetunion hat es nichts mit Leisetreterei zu tun, wenn wir aus der Erfahrung heraus den Weg über Kontakte, über Gespräche und vor allen Dingen über Beharrlichkeit für erfolgversprechender halten als öffentliche Demonstrationen. Der Erfolg hat uns Recht gegeben. Ich will hier nicht die Zahl der aus der Sowjetunion ausgereisten Deutschen im einzelnen auflisten, aber auch heute kommen monatlich noch mehr Deutsche nach Deutschland als vor 1969, bis auf eine Ausnahme: 1959; aber selbst da waren es noch weniger als 1980. Herr Kollege Hupka, ich habe nicht ganz verstanden, wie Sie im „Deutschland-Union-Dienst" zwar richtigerweise feststellen konnten, daß 88 000 Ausreiseanträge vorliegen, daß aber nur etwa 4 000 Personen herkommen konnten und es noch 20 Jahre dauern wird, bis alle dann hier sind. Sie müssen sich gleichzeitig überlegen, wie es denn zu der Zeit war, als Sie die Regierung gestellt haben, als 1963 240, 1964 280, 1966 1 020 Deutsche nach Deutschland kamen. Wenn man die Zahlen, die Ihrer Politik zugrunde lagen, hochrechnet, hätte es noch sehr viel länger gedauert. Insofern sollten Sie beide Seiten berücksichtigen, also auch die Erfolge dieser Politik, die wir führen, würdigen. Neumann ({5}) Zahlen allein sagen aber nichts aus, wenn es um Menschen geht. ({6}) Sie wissen genauso wie wir, daß es oft schwieriger ist, die Ausreise für einen einzelnen bestimmten Fall zu erreichen, als für eine Vielzahl anderer Fälle. Dies bedeutet manchmal eine große Kraftanstrengung - nicht nur für uns; sicher auch für die Sowjetunion. Hier ist ein beharrliches, zähes Verhandeln gefragt, kein öffentlicher Lärm. ({7}) Es ist Tatsache, daß die Zahl der Menschen, die aus der Sowjetunion kommen, zurückgegangen ist. Wir bedauern das, da wir wissen, daß eine große Zahl von Ausreiseanträgen vorliegt. Wir bedauern es um so mehr, wenn es im Zusammenhang mit der Ausreise zu unmenschlichen Schwierigkeiten für die Betroffenen kommt. ({8}) Solche Einzelfälle hat es gegeben und wird es leider immer wieder geben. Aber wir schweigen nicht dazu. Und die Bundesregierung - Sie haben es den Antworten der Frau Staatsminister entnommen - hat auch in der Vergangenheit nicht dazu geschwiegen, wenn solche Fälle bekannt waren. Ich frage mich nur: -

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Kollege Neumann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Volker Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001598, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Glauben Sie wirklich, daß eine Aktuelle Stunde die Sowjetunion dazu bringen kann, mehr Ausreisegenehmigungen zu erteilen? Ich frage mich und Sie: Glauben Sie wirklich, daß wir den Menschen helfen, wenn wir hier im Rahmen einer Aktuellen Stunde vor dem Besuch des Generalsekretärs lautes Getöse produzieren? ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer.

Helmut Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001932, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um gerade die letzten Zwischenrufe aufzugreifen: Kein Mensch verschweigt es. Es ist nur die Frage der Methode, ob das, was Herr Hupka hier Aufschrei nennt, die geeignete Möglichkeit ist, dieses Problem zu lösen, oder ob nicht eine sachdienliche Behandlung dieser Frage besser wäre. ({0}) Darum geht es: um den Methodenstreit, nicht um den Grundsatz. Der Rückgang der Ausreisezahlen ist unerfreulich. Ich glaube, darüber besteht hier Einigkeit. Auch wir sind der Meinung, daß diese Frage ständig ein Thema bleiben muß - nicht nur bilateral zwischen der Sowjetunion und der Bundesregierung, sondern natürlich darüber hinaus in den von uns vorgesehenen Gremien. Ich bin davon überzeugt, daß auch bei dem Besuch des Generalsekretärs, der soeben von dem Kollegen Neumann angesprochen wurde, dieses Thema eine Rolle spielen wird. Es ist aber Unrecht, Herr Kollege Hupka, wenn Sie hier behaupten, die Bundesregierung tue zu wenig. Ich erinnere nur daran, daß der Bundesaußenminister - um nur die letzten Besuche zu nennen - in diesem Jahr sehr deutlich darauf hingewiesen hat. Der Fraktionsvorsitzende meiner Partei, Herr Mischnick, hat es erst vor ganz kurzer Zeit in Kiew in einer Rede getan. Auch die Herren Vetter und Rau haben darauf hingewiesen, ebenso wir selber als Abgeordnete immer wieder bei solchen Besuchen. Ich sage noch einmal: Das Nationalitätenproblem in der Sowjetunion müssen Sie natürlich auch unter anderen Gesichtspunkten sehen und entsprechend die Methoden prüfen. Ich warne allerdings davor, hier den Eindruck zu erwecken, es gebe in der Sowjetunion 2 Millionen Deutsche. Es handelt sich hierbei nicht um Deutsche, sondern um Deutschstämmige. Wir sollten hier sehr genau unterscheiden, weil das sonst zu Verwechslungen und zu f al-schen Zahlen führt. ({1}) - Sie werden ja auch keinen Amerikaner, der deutscher Herkunft ist, als Deutschen bezeichnen. Entschuldigen Sie bitte! Da müssen Sie dieselbe Methode in den USA anwenden. ({2}) Es geht darum, daß wir in dieser Aktuellen Stunde der Sowjetunion sehr deutlich sagen, daß es im Interesse unserer Beziehungen und des Fortgangs des Entspannungsprozesses liegt, wenn großzügiger verfahren wird. Ich bin der Auffassung, daß diese Großzügigkeit sich nicht nur auf die Frage der Familienzusammenführung zurückziehen darf, sondern z. B. auch berücksichtigen sollte, den Deutschstämmigen in der Sowjetunion ihre kulturellen Einrichtungen zu verbessern. Es ist sehr erfreulich, daß es jetzt ein Theater in Kasachstan gibt. Auch so etwas sollte man hier erwähnen. Aber wir halten das für noch zu wenig. Mir scheint es sehr wichtig, z. B. religiöse Minderheiten deutscher Herkunft in der Sowjetunion großzügiger zu behandeln und Deutschstämmigen in der Sowjetunion den Zugang nicht nur zur DDR-Literatur, sondern auch zur Literatur der Bundesrepublik, auch zur Lektüre deutscher Zeitungen und Zeitschriften, zu ermöglichen. Das sind Dinge, die möglicherweise durch ihr Fehlen den Willen aus diesem Land wegzukommen, noch verstärken. Man sollte das bitte berücksichtigen. Ich darf hier als Vorsitzender der deutsch-sowjetischen Parlamentariergruppe sagen, daß ich hoffe, Schäfer ({3}) daß es möglich sein wird, im nächsten Jahr anläßlich einer Reise von Kollegen aus diesem Hohen Hause in die Sowjetunion auch in eine Gegend zu kommen, wo wir selber eine Anschauung über das bekommen, was hier heute debattiert wird, ({4}) d. h. Kontakte auch in den asiatischen Provinzen der Sowjetunion herzustellen, wo Deutschstämmige leben. Ich darf zum Schluß noch etwas in Richtung auf die andere Seite sagen. Es gibt neuerdings in den Vereinigten Staaten gelegentlich Stimmen, die beinhalten, die Entspannungspolitik habe sich als ein völliger Fehlschlag erwiesen. Wir sind dieser Meinung nicht. ({5}) Aber wir meinen, die Sowjetunion täte gut daran, solchen Stimmen keine Grundlage zu geben, sondern durch ein großzügiges Verhalten den Minderheiten in diesem Lande gegenüber - ganz im Sinne ihres ursprünglichen Ideologen Lenin; ich sagte das schon einmal - sehr deutlich werden zu lassen, daß sie nicht dauernd angemahnt werden muß, in Menschenrechtsfragen großzügiger zu verfahren. Die Sowjetunion könnte insofern den Entspannungsprozeß fördern und dazu beitragen, daß er nicht Schaden leidet. - Vielen Dank. ({6})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Abgeordnete Klein ({0}).

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Neumann, Sie haben sehr zu Recht zu Beginn darauf hingewiesen, daß diese Debatte den Menschen dienen soll. Sie haben sich leider anschließend an diese Maxime nicht mehr gehalten. ({0}) und von „Getöse" gesprochen. Wo, wenn nicht hier in diesem Parlament, können die Forderungen von Menschen, die geknechtet sind und keine Rechte haben, artikuliert werden, von Menschen unserer Volkszugehörigkeit? ({1}) Herr Schäfer, was Ihre feine Unterscheidung angeht: Die sowjetischen Behörden sind da etwas gelassener als Sie. Sie sprechen nämlich von „Deutschen in der Sowjetunion". ({2}) „Die Deutschen in der Sowjetunion haben es noch viel schwerer als die Juden." Dieser Satz stammt von Andrej Sacharow. „Und", so fügte der russische Nobelpreisträger an, „was alles könnte doch der Westen für sie erreichen!" Dies muß sich die Bundesregierung fragen, insbesondere vor dem Besuch von Generalsekretär Leonid Breschnew. 180 deutsche Aussiedler aus der UdSSR im vergangenen Monat - das ist eine Verhöhnung der Menschenrechtspakte, ja der Gesetze der UdSSR und der Schlußakte von Helsinki. Herr Kollege Neumann, sie haben es für richtig gehalten, daran zu erinnern, daß die Unionsfraktion diese Schlußakte bekämpft hätte. Wenn ich mir erlauben darf, bei Ihnen eine kleine Horizonterweiterung vorzunehmen: Wenn ich Sie daran erinnerte, was Sie alles bekämpft haben, müßte ich Sie darauf hinweisen, daß Sie keinen Verteidigungsminister stellen dürften, daß Sie nicht im Europarat sein dürften usw. Wollen wir das doch nicht tun. ({3}) Ich halte es auch für falsch, mit Zahlenspielchen zu kommen, einzelne Jahreszahlen herauszugreifen. Fest steht, Herr Kollege Neumann: Eingeleitet wurde diese Möglichkeit von Regierungen, deren Chef Konrad Adenauer hieß. ({4}) Rund 2 Millionen Menschen haben sich bei der amtlichen Volkszählung von 1979 in der Sowjetunion zum Deutschtum bekannt. Kenner schätzen die Dunkelziffer auf eine weitere halbe Million Menschen, die aus der Erfahrung von Not und Tod, Bedrängnis und Verfolgung ihr Deutschtum verschweigen. ({5}) Aber selbst mit 2 Millionen stehen die Deutschen unter den über 100 Nationalitäten der UdSSR an 14. Stelle. Im Gegensatz zu viel kleineren Bevölkerungsgruppen wie Turkmenen, Kirgisen, Letten oder Esten, die eigene Unionsrepubliken haben, werden den Deutschen Minderheitenrechte und kulturelle Eigenständigkeit verweigert. Es gibt keine einzige deutsche Schule in der Sowjetunion. Die drei deutschsprachigen Zeitungen verbreiten überwiegend sowjetamtliche Propaganda. Bei Gründung des deutschen Schauspielhauses in Timirtau, an das der Kollege Schäfer erinnert hat, mußten die 30 deutschen Ensemblemitglieder erst Deutsch lernen, um Lessings „Emilia Galotti" oder Brechts „Kaukasischen Kreidekreis" aufführen zu können. Eine schier undurchdringliche Mauer des Schweigens ist um die Deutschen in der UdSSR errichtet worden. Auch Aussiedler wagen kaum, die wahre Situation der Deutschen in Alma Ata, Karaganda, Selinograd, Omsk oder Nowosibirsk öffentlich zu schildern, weil sie um das Schicksal ihrer in der Sowjetunion verbliebenen Verwandten, Freunde und Landsleute bangen müssen. Führt doch mitunter der Antrag auf Ausreise oder die Berufung auf völkerrechtlich gültige, von der UdSSR mitunterzeichnete Abkommen zu Verfolgung und Verurteilung. Ich möchte gern den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundesaußenminister, die beide leider nicht anwesend sind - ich freue mich, Frau Staatsminister, Sie auf der Regierungsbank zu sehen -, ({6}) bitten, Herrn Breschnew zu fragen, ob die mächtige Sowjetunion mit ihren über 260 Millionen Einwohnern und ihrem gigantischen Waffenarsenal irgend3642 Klein ({7}) einen Grund hat, die 2 Millionen Deutschen so zu fürchten, daß sie ihnen Autonomie wie Ausreise verwehrt. Ich möchte den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Bundesaußenminister bitten, Herrn Breschnew zu fragen, ob er die Gewährung der primitivsten Menschenrechte im eigenen Land nicht für einen besseren Beitrag zu Frieden und Sicherheit anzusehen bereit wäre als die gesteigerte Produktion von Atomraketen.

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Herr Kollege, die Regeln der Geschäftsordnung sind sehr streng. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Hans Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001114, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Letzter Satz. Ich wünsche mir, daß Herrn Breschnew die Frage gestellt wird, ob nicht die Deutschen, die seit über 200 Jahren bedeutende Beiträge zur Erschließung des riesigen Zarenreichs und zum wirtschaftlichen Aufbau der Sowjetunion geleistet haben, die sprichwörtliche Großmut der Russen verdient haben. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Jungmann.

Horst Jungmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klein, ich glaube, Ihrer Bitten hätte es nicht bedurft; denn auch ohne Ihre Bitten wird der Bundeskanzler - davon bin ich fest überzeugt - Generalsekretär Breschnew diese Fragen - wenn auch nicht in der Art, wie Sie sie gestellt haben - stellen. Allerdings gehe ich davon aus, daß Ihre Intention vordergründig gar nicht auf die Menschenrechte zielt. ({0}) - Ich unterstelle das auch, Herr Kollege Mertes. Ich gestehe Ihnen aber auch zu, daß Sie eine derartige Aktuelle Stunde beantragen können. Nur, wenn Sie in der Fragestunde anwesend gewesen wären, wäre Ihnen deutlich geworden, daß diese Aktuelle Stunde nicht notwendig gewesen wäre, weil es zwischen Fragestellern und Bundesregierung zum größten Teil Übereinstimmung gegeben hat. Ich bin davon überzeugt, daß Sie vielmehr die Gunst der Stunde nutzen wollen, ({1}) um in der Öffentlichkeit den - wenn auch falschen - Eindruck zu erwecken, als täte die Bundesregierung zu wenig für die ausreisewilligen Deutschen in der Sowjetunion. In vielen Fragestunden, die Sie, Herr Hupka, ({2}) Ihr Kollege Czaja und andere Kollegen, auch der SPD und der FPD, bestritten haben, ist über dieses Thema in diesem Hohen Hause gesprochen, debattiert worden. ({3}) Ich bin sicher, daß alle Mitglieder der Bundesregierung - und nicht nur der Bundesregierung, sondern auch des Deutschen Bundestages -, soweit sie Gelegenheit hatten, mit sowjetischen Politikern zu reden, die Behandlung dieser Frage mit aller Deutlichkeit angesprochen haben. Der Stellenwert dieser Frage wird an den Zahlen der Deutschen deutlich, die in den vergangenen Jahren aus der Sowjetunion ausreisen durften. Die Frage, die ich an Sie als Opposition stelle, ist: Welche Maßnahmen würden Sie vorschlagen, um eine bessere Regelung zu finden und um die Sowjetunion unserem Begehren gegenüber positiver zu beeinflussen? Ich darf Ihre Rede noch einmal in Erinnerung rufen, Herr Dr. Hupka. Sie haben gesagt: Wo bleibt der Protest? Wo bleibt der Aufschrei? - Welche Menschen sind auf Grund Ihres Protestes und Ihres Aufschreis aus der Sowjetunion ausgereist, ({4}) und welche Erfolge hat eine derartige Politik gehabt, wenn Sie im Vorfeld solcher Gespräche schon eine bestimmte Richtung präjudizieren, ohne genau zu sagen, welche Maßnahmen Sie anstreben? Da muß ich Sie hier fragen: Wie wollen Sie denn erreichen, daß es besser wird, was wir alle wollen, daß mehr Deutsche aus der Sowjetunion ausreisen dürfen? Das hat keiner bestritten. Nur Sie müssen uns einen deutlicheren Weg sagen, wenn Sie dies hier so ansprechen. Ich sage das auch so polemisch, Herr Kollege Hupka. Ich persönlich habe manchmal das Gefühl, daß es Ihnen und anderen - nicht allen - aus der CDU/ CSU darauf ankommt, etwas für ihre Imagepflege zu tun; der Grund dafür liegt in Aufgaben, die Sie außerhalb dieses Parlaments, wahrnehmen. ({5}) Das ist auch der eigentliche Grund für diese Aktuelle Stunde. ({6}) Sie stehlen uns damit eigentlich unsere Zeit. Sie sollten der Bundesregierung zutrauen, daß sie die humanitären Fragen gegenüber den Menschen in der Sowjetunion in dem Maße behandelt, wie sie es verdient haben, nämlich mit Nachdruck und mit der Möglichkeit, Erfolg zu erzielen. - Schönen Dank. ({7})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Legitimation zur Fürsprache für die Deutschen in der Sowjetunion ergibt sich seit 1976 aus dem politischen Menschenrechtspakt und seinen Rechtsverpflichtungen. Die Lage der DeutDr. Czaja schen in der Sowjetunion entspricht nicht diesen eindeutigen Verpflichtungen. Die Bundesregierung selbst hat schon am 8. September 1977 hier im Bundestag erklärt, daß sie auch zweiseitig die Einhaltung der Verpflichtungen des Menschenrechtspaktes vom Vertragspartner einfordern kann, Herr Kollege Jungmann, ({0}) also auch gegenüber der Sowjetunion, ohne den schwerfälligen Weg des Artikels 41. Meine Damen und Herren, das ist keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten; die Bundesregierung erklärte dies in der Antwort auf die Große Anfrage in Drucksache 9/643. Durch die völkerrechtlichen Verpflichtungen im Menschenrechtspakt - und die gehen weiter als die KSZE-Schlußakte - hat die Sowjetunion selbst im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit diese Möglichkeiten geboten. Sie hat ihre Souveränitätsrechte insoweit vertraglich Beschränkungen unterworfen. ({1}) Meine Damen und Herren, Konventionen werden geschlossen, um sie einzuhalten, und die Bundesregierung soll deren Einhaltung einfordern. ({2}) Art. 12 Abs. 2 des politischen Menschenrechtspaktes besagt eindeutig: „Jedermann steht es frei, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen". Einschränkungen sind nur durch gerichtlich überprüfbare Gesetzesvorschriften zulässig. Die Bundesregierung soll also die Erfüllung der Ausreisefreiheit auch für diejenigen einfordern, die als Bürger deutscher Nationalität - so werden sie auch von den Sowjets genannt - es beantragen. Personen, die wegen ihrer Ausreiseforderung verhaftet oder in Arbeitslager verbracht wurden, sind freizulassen. Nach Art. 27 des politischen Menschenrechtspaktes darf Angehörigen nationaler Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit den Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre Religion zu bekennen und auszuüben und sich ihrer Sprache zu bedienen. Meine Damen und Herren, für die 2 Millionen Deutsche in der Sowjetunion muß die Pflege der deutschen Muttersprache in Schulen, müssen Gottesdienste in deutscher Sprache und deutsche kulturelle Vereinigungen gefordert werden. ({3}) Nach einem eindeutigen Erlaß des Obersten Sowjet - abgedruckt im Nachrichtenblatt des Obersten Sowjet der UdSSR Nr. 52 von 1964 - waren die Pauschalbeschuldigungen, die zur Deportation der Wolga-Deutschen und anderer Deutschen aus ihren 3 300 blühenden Gemeinden im August 1941 führte, „unbegründet" und „Ausdruck der Willkür unter dem damals herrschenden Personenkult". ({4}) Tatsächlich hatten die Deutschen in der Sowjetunion vor der Deportation im August 1941 wegen der Abkapselung der Grenzen keinerlei Kontakte mit der grausamen nationalsozialistischen Diktatur. Nach dieser vom Obersten Sowjet bereits 1964 vorgenommenen Rehabilitierung sollte man diesen Deutschen die Rückkehr in ihre ursprünglichen Gemeinden ermöglichen. ({5}) Durch Beseitigung der Diskriminierungen und durch Pflege des Kulturgutes kann man sich in der Sowjetunion wertvolle Bürger erhalten und den Ausreisedrang mildern. Allerdings muß jede Person frei über ihr Verbleiben oder die Ausreise entscheiden können. Sacharow hat in seiner Schrift kritisch auf das mangelnde Verantwortungsbewußtsein des Westens für diese Deutschen verwiesen. Im Auftrag von Konrad Adenauer hat Botschafter Lahr 1957/58 insgesamt neun Monate, vom 23. Juli 1957 bis 10. April 1958, im Zusammenhang mit einem Handelsabkommen, über das man in drei Tagen einig war, mit der Sowjetunion über das erste Ausreiseprotokoll sehr zäh und langwierig verhandelt. Damals konnten, 1959 beispielsweise, 5 539 Deutsche ausreisen. 1981 werden es weniger als 1958, nämlich 4 000 sein. Meine Damen und Herren, Sie haben gefragt, was zu tun ist. Wir brauchen wieder ganz zähe, eindringliche und zielstrebige Verhandlungen auch über die Menschen und nicht nur über Kreditfragen. ({6}) Deshalb muß die Bundesregierung, nicht zuletzt als Voraussetzung für die großen Kredithilfen mit stetiger und nachhaltiger Zähigkeit darauf bestehen, daß gerade Vertragsbestimmungen, die den Menschen helfen sollen, genutzt werden. Zur Minderung der Spannungen tragen in erster Linie Fortschritte für die Menschen bei. ({7})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Abgeordnete Voigt.

Karsten D. Voigt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es eigentlich für erstaunlich, daß abgesehen von einer kleinen Bemerkung jetzt eben vom Kollegen Czaja nicht nur über die Frage der Menschenrechte in der Sowjetunion selber wenig diskutiert wird - ich halte es für richtig, daß wir das heute auch machen; ich halte es auch für richtig, daß wir uns für das konkrete Schicksal derjenigen einsetzen, die dort ausreisen wollen oder die sich dort als Deutsche zur deutschen Sprache und Kultur bekennen wollen; ich glaube, das ist gar nicht umstritten -, sondern daß in einem solchen Zusammenhang in Deutschland, in einem deutschen Parlament nicht auch etwas über die Ursachen gesagt wird. Eine der Ursachen dafür, daß es Deutschen in der Sowjetunion und in anderen Ländern Osteuropas heute so schlecht geht - es ist nicht ganz zufällig, daß es in Rumänien etwas besser geht -, ist eben, daß deutsche Volksgruppen einmal von Adolf Hitler instrumentalisiert worden sind und Voigt ({0}) deshalb auch am meisten darunter haben leiden müssen. ({1}) Ich möchte damit nicht ein einziges Element der Übergriffe, die passieren, entschuldigen. Aber ein deutsches Parlament hat sich mit diesen Ursachen zu beschäftigen, wenn es geschichtsbewußt ist. ({2}) Ich habe mich mit Volksgruppenpolitik vielleicht mehr beschäftigt als manche von Ihnen. ({3}) Ich habe nicht vergessen, daß es zwischen Hitler und Mussolini ein Abkommen zur Umsiedlung der Südtiroler Deutschen gab. Nur weil sich damals Südtiroler Deutsche nicht daran gehalten und dagegen Widerstand geleistet haben, gibt es heute noch so etwas wie Deutsche in Südtirol. ({4}) Es ist eben ein Tatbestand, daß damals Deutsche auch für nationalsozialistische Politik und gegen ihren Willen, manchmal mit ihrem Willen, mißbraucht worden sind. Das entschuldigt nichts von dem was heute dort passiert. Aber im deutschen Parlament darf man nicht darüber reden, ohne diese historischen Ursachen mitzusehen. Man darf es auch deshalb nicht übergehen, weil unsere Entspannungspolitik mit der Überwindung und Regelung dieser historischen Folgen zu tun hat, die seit dem Zweiten Weltkrieg auf uns hier noch mitlasten, weil es nicht zufällig ist, daß es in der Periode der Entspannungspolitik zu einem Aufschwung der Ausreisen kam und weil es auch nicht zufällig ist, daß es jetzt, in einer Periode der Stagnation der Entspannungspolitik, zu Rückgängen bei den Ausreisezahlen kommt. ({5}) Wer ehrlicherweise für mehr Ausreisen von dort plädiert, muß auch für mehr Entspannungspolitik plädieren. ({6}) Denn Entspannungspolitik hat etwas mit Menschen und mit der Bewältigung unserer Geschichte zu tun. Deshalb habe ich beides im Zusammenhang genannt. ({7}) Ich meine, daß sich derjenige, der dies entkoppelt, dessen schuldig macht, was Jüngeren draußen manchmal vorgeworfen wird: eines ahistorischen Bewußtseins. Gerade im Verhältnis zur Sowjetunion müssen wir uns in bezug auf die Menschenrechte prinzipientreu verhalten: konkret und demokratisch, mit wirklichem Bezug auf den einzelnen Menschen, dessen Schicksal wir erleichtern wollen. Aber wir müssen auch die historische Dimension unserer Beziehungen in der Vergangenheit, die Lasten, die darauf mit lagern, sehen. Auch bei einer solchen Debatte kurz vor dem Besuch von Generalsekretär Breschnew sollten wir nicht vergessen, welche Zukunftsvisionen wir dabei auch haben. Das sind Zukunftsvisionen - ich sage bewußt: Visionen; ich erinnere an das, was der Kollege Mischnick in diesen Tagen über eine europäische Friedensordnung gesagt hat; ich möchte das voll unterstreichen -, die darauf hinauslaufen, das Schicksal von konkreten Menschen, das Schicksal von Völkern in einer europäischen Friedensordnung besser zu gestalten. Ich glaube, daß es neben einer Debatte über ein solches Thema vor dem Besuch von Generalsekretär Breschnew hier auch angemessen gewesen wäre, konstruktive Elemente zu einer besseren Gestaltung des Verhältnisses zwischen den beiden Völkern, zwischen den Staaten im Interesse der Menschen zu diskutieren. - Vielen Dank. ({8})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Möllemann.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man auf die Substanz der Beiträge hört, rechtfertigt das, was gesagt worden ist, eigentlich nicht die Bewertung, daß es über die Grundsätze einen großen Meinungsunterschied gibt. Es gibt, denke ich, keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß die Unterstützung humanitärer Anliegen und die Verwirklichung der Menschenrechte weltweit das Hauptziel unserer Politik sein müssen. Es gibt auch keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß es bei der Unterschiedlichkeit der verschiedenen Systeme, die wir weltweit haben, besonders schwierig ist, die Menschenrechte dort durchzusetzen, wo unsere demokratischen Grundsätze nicht gelten. Das ist nicht neu. Das haben nicht wir erfunden; das ist eben so. Daraus und auch aus der Betrachtung historischer Ursachen, die nicht immer alles rechtfertigen, die man aber einbeziehen muß, resultiert unsere Politik, den Versuch zu unternehmen, Menschenrechtsverletzungen durch Zusammenarbeit - auch über Blockgrenzen hinweg - einzugrenzen und - womöglich - abzubauen sowie durch Kooperation zu einem auf bestimmte gemeinsame Prinzipien gegründeten Miteinander zu kommen. Ich denke, daß die Politiker aller Parteien auch der Koalition, die vielleicht mehr als andere - in zahlreichen Begegnungen - hier ist zuletzt die Rede meines Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Mischnick in Kiew zum gleichen Thema angesprochen worden - gerade mit Vertretern osteuropäischer Staaten auf die Einhaltung dieser Prinzipien im nüchternen und sachlichen Dialog gedrungen haben. Es trifft nicht zu, daß wir nicht klare und deutliche Worte für die Ziele fänden, die wir als notwendig definiert haben. Es trifft auch nicht zu, daß die öffentliche Deklaration eines Ziels etwa der guten Kooperation widerspräche. Wir verzichten deswegen auch nicht darauf, sondern machen unsere Ziele deutlich. Beim Breschnew-Besuch am Ende der nächsten Woche wird selbstverständlich nicht nur die internationale Situation, die Situation Afghanistans, sondern natürlich auch die Palette der uns bilateral interessierenden Fragen erörtert werden. Frau Staatsminister Hamm-Brücher hat ja deutlich gesagt, daß und auf welcher Grundlage die Bundesregierung die vor uns liegenden Probleme wiederholt erörtert hat. Sie haben keinen Grund, meine sehr verehrten Kollegen von der Opposition, anzunehmen, daß wir von dieser Position abweichen werden. Wir gehen davon aus, daß auch bei den vor uns liegenden KSZE-Folgekonferenzen - eine dauert an; es wird turnusgemäß sicherlich auch weitere geben - die Verbesserung der Situation der Menschen, auch der deutschstämmigen Menschen in der Sowjetunion, eine geeignete vertrauensbildende Maßnahme wäre. Meine Damen und Herren, wenn ich von seiten der Opposition höre, man solle nicht nur über Kredite verhandeln, sondern auch über das Los der Menschen, so empfinde ich diese Aussage zunächst einmal als eine Diskreditierung unserer Bemühungen. ({0}) Es ist nicht wahr, daß wir nur über Kredite verhandeln. Wir reden über das Los der Menschen. Aber abgesehen von dieser Aussage, daß wir über das Los der Menschen zu reden hätten, haben Sie es bisher streng vermieden, irgendeinen konkreten Vorschlag zu machen, was denn, gemessen an der Politik, die wir betreiben, anders gemacht werden sollte. Solange Sie das vermeiden, müssen Sie sich - fern von jeder Polemik - sagen lassen, daß Sie eine Debatte um der Debatte willen und ohne Verbesserungsvorschläge einzubringen führen. - Ich danke Ihnen. ({1})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Sauer ({0}).

Helmut Sauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001921, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege Voigt hat mit Recht soeben darauf hingewiesen, daß für die deutsche Volksgruppe in der Sowjetunion als nationale, kulturelle, aber auch religiöse Minderheit im Grunde genommen das Todesurteil im Jahre 1941 ausgesprochen worden ist. Aber ich muß Sie, Herr Kollege Voigt, nach Ihren vorgetragenen Erläuterungen fragen, ob Sie denn das Dekret des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 29. August 1964 nicht kennen, wo diese Massenverschleppung, wo die damalige Ausrottung der Deutschen in der Sowjetunion als „unbegründete pauschale Beschuldigung und als Ausdruck der Willkür unter den Bedingungen des Personenkults Stalins" bezeichnet worden ist. ({0}) - Es gibt doch keine Fragen in der Aktuellen Stunde. Das wissen Sie doch. Die Deutschen drüben in der Sowjetunion sind doch weiterhin Bürger zweiter Klasse. Sie haben doch nicht mehr ihre eigenen Schulen, ihre eigenen Kirchen, ihre Hochschulen, wie sie sie früher gehabt haben. Wenn sie sich heute zum Deutschtum bekennen, wenn sie ihre Kinder im christlichen Geiste erziehen wollen oder wenn sie ihren Antrag auf Ausreise nach Deutschland stellen, werden sie doch schikaniert, verfolgt und unterdrückt. Wir haben doch die Unterlagen, insbesondere Briefe, die sie zu uns geschickt haben. Ich bin leider aus zeitlichen Gründen nicht in der Lage, Ihnen alle Namen einmal vorzutragen, die gerade in diesen Tagen die Landsmannschaft der Deutschen aus Rußland veröffentlicht hat und auch nicht Einzelschicksale wie das der Familie Komorowsky aus meinem Wahlkreis Salzgitter zu schildern. Nachdem mein Fraktionskollege Kiep vor wenigen Tagen in der Sowjetunion diese Probleme angesprochen hat, möchte ich gerade die SPD-Kollegen - und ich sehe einige hier -, die in der sogenannten Deutsch-Sowjetischen Gesellschaft mitarbeiten, ganz herzlich bitten, diese Frage bei den Zusammenkünften nicht auszuklammern. Ich bitte auch die Gewerkschaftskollegen, die ständig Delegationen von Arbeitnehmergruppen hier empfangen, auch dieses Thema in aller Offenheit anzusprechen. ({1}) Sie, Herr Jungmann, und auch Sie, Kollege Voigt, haben gesagt, wir sollten diese Dinge hier nicht so deutlich ansprechen. Angesichts dessen weise ich darauf hin, daß Sie, Herr Kollege Wehner, im Jahre 1964 auf dem ersten Kongreß der Ostdeutschen Landsmannschaften hier in Bonn dankenswerterweise darauf hingewiesen haben, daß es unser Bemühen sein muß, im Verhältnis zum Osten gerade das Recht des Menschen hervorzuheben. Sie haben damals wörtlich gesagt: Was gewönne die Welt, wenn die Deutschen sich dazu überreden oder übertölpeln oder dazu nötigen ließen, zu heucheln oder anzugeben, daß geraubtes, vorenthaltenes oder mißhandeltes Recht nicht mehr so genannt werden soll? Sie fragten: Bitte, was gewönne die Welt damit? Und Sie antworteten selber, Herr Kollege Wehner: Sie gewönne vielleicht oder höchstens eine zeitweilige Betäubung, aber sie wäre damit Opfer einer Täuschung. ({2}) Ich möchte Sie alle ganz herzlich bitten, beim bevorstehenden Besuch des sowjetischen Parteichefs, aber auch bei allen anderen Begegnungen mit sowjetischen Politikern nicht zu heucheln, sondern sich mutig und offen für die nationalen, kulturellen Sauer ({3}) und religiösen Rechte der unterdrückten Deutschen einzusetzen. ({4}) - Herr Kollege Schäfer, „der Deutschen" sagte ich, auch der Ostpreußen, auch der Deutschen aus dem Memelland, die wir immer noch nicht besuchen dürfen, und gerade der Rußlanddeutschen, die zum Schweigen verurteilt sind. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat Frau Staatsminister Hamm-Brücher.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Aussprache in der heutigen Aktuellen Stunde ist nach Auffassung der Bundesregierung einem wichtigen Thema der deutsch-sowjetischen Beziehungen gewidmet. Ich habe in der Fragestunde deutlich gemacht, daß es auch ein wichtiges Thema unter anderen wichtigen Themen anläßlich des Besuchs von Generalsekretär Breschnew hier in Bonn sein wird. Ich glaube, diese Diskussion ist hilfreich für die Sache insoweit, als sie wirklich in der gemeinsamen Verantwortung gegenüber dem bevorstehenden Besuch geführt wird. ({0}) In diesem Zusammenhang möchte ich doch, bevor ich für die Bundesregierung noch ein paar allgemeine Bemerkungen anschließen darf, drei Dinge ansprechen, die hier nicht so stehenbleiben sollen. Herr Kollege Hupka, Sie haben davon gesprochen, daß die ausreise- und aussiedlungswilligen Deutschen in besonders gravierender Weise schlechtergestellt seien als beispielsweise jüdische Ausreisewillige. Ich habe mich jetzt hier noch einmal vergewissert und muß mitteilen, daß auch die Zahl der jüdischen Ausreisenden im letzten Jahr eklatant zurückgegangen ist. Sie betrug 1979 51 300 und im Jahr 1980 weit weniger als die Hälfte, nämlich nur noch 21 500. Ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang nicht hilfreich, hier Aussiedlerzahlen gegeneinander auszuspielen, noch dazu, wenn die Tatsachen nicht korrekt dargestellt sind. ({1}) Auch hier, Herr Kollege Hupka, werden es politische Gründe sein, die bewirkt haben, daß die Zahl so sehr zurückgegangen ist. Eine zweite Bemerkung, damit hier keine falschen Vorstellungen über Vertragstreue und ähnliches aufkommen. Ich habe bereits in der Fragestunde darauf hingewiesen, daß das Repatriierungsabkommen vom 8. April 1958, das ja die Reichsdeutschen, die Memeldeutschen und die Zusammenführung von durch den Krieg auseinandergerissenen Familien betrifft, insoweit erfüllt ist, als unter den derzeitigen Aussiedlern fast überhaupt keine Aussiedler mehr sind, die unter diesen Vertrag fallen, sondern es kommen hier eben die anderen Abkommen zur Geltung. Man kann also einfach nicht sagen, daß die Sowjetregierung gegen das Repatriierungsabkommen verstößt. Das mußte hier auch richtiggestellt werden. ({2}) Das dritte ist der Vorwurf der Leisetreterei, Herr Kollege Hupka: „Blaß, noch blässer geht es nicht." Abgesehen davon, daß Sie mich damit persönlich ein bißchen getroffen haben - denn Sie wissen, daß ich als Staatsminister in den Fragen der Aussiedlung von Deutschen nicht nur aus der Sowjetunion, sondern auch aus Rumänien und Polen seit Jahr und Tag alles anderes als blasse Leisetreterei betreibe, sondern mich wie wir alle in diesem Hohen Haus mit allen Kräften für die Einzelschicksale einsetze -, ({3}) muß ich gerade in dieser Stunde betonen: Ich glaube nicht, daß sich diese Fragen der humanitären Hilfe als ein Zankapfel zwischen den Parteien eignen -in diesem Augenblick am allerwenigsten! ({4}) Nun erlauben Sie mir bitte doch noch einige grundsätzliche Anmerkungen. Die Bundesregierung hat bei der Bewertung der deutsch-sowjetischen Beziehungen immer und zu jeder Zeit neben der sachlichen Zusammenarbeit in den verschiedensten Bereichen und neben dem Austausch zwichen Organisationen und Personen stets der humanitären Dimension eine große Bedeutung beigemessen. Dies gilt doch - und deshalb haben wir das doch vor allem getan, meine Damen und Herren -, für die Entspannungspolitik gegenüber den osteuropäischen Staaten sowohl bilateral als auch im Rahmen des KSZE-Prozesses. Es ist doch die gemeinsame Auffassung aller Unterzeichner dieser Schlußakte, daß menschliche Kontakte einschließlich Aussiedlung und Familienzusammenführung dabei ein wichtiges Element der Stärkung der freundschaftlichen Beziehungen und der vertrauensbildenden Maßnahmen im besten Sinne sind und daß auf diesem Gebiet weitere Fortschritte erzielt werden müssen. Die Familienzusammenführung und die Ausreise von Deutschstämmigen aus osteuropäischen Staaten hat noch eine zusätzliche Bedeutung auf Grund der historischen Besonderheiten. Hierzu ist ja auch vieles gesagt worden. Unzweifelhaft hat dieser Fragenkreis auch immer zu den schwierigen Bestandteilen unserer Beziehungen zu unseren osteuropäischen Nachbarn gehört. Ich darf noch einmal sagen, daß trotz aller Schwierigkeiten in den letzten zehn Jahren doch immerhin 66 000 Menschen - das sind 66 000 Schicksale! - den Weg zu uns gefunden haben. Das wollen wir doch nicht geringschätzen. Es handelt sich also für die Bundesregierung der Sache nach und grundsätzlich um ein so gewichtiges Problem, daß wir es, wie ich wiederholt gesagt habe, bei dem bevorstehenden Besuch von Staatspräsident Breschnew nachdrücklich ansprechen werden. All den Kollegen, die hier der Bundesregierung VorStaatsminister Frau Dr. Hamm-Brücher würfe machen, würde ich wünschen, daß sie einmal dabei wären, wenn bei den Vorbesprechungen für diesen Besuch mit Härte, Intensität und Zähigkeit gerade dieser Punkt der Gespräche vorbereitet wird. Ich glaube, dann würden sie hier etwas vorsichtiger über das urteilen, was die Bundesregierung tut. ({5}) Eine Politik, die auf Entspannung, Verständigung und Zusammenarbeit abzielt, meine Damen und Herren, kann auf die Dauer nur erfolgreich sein, wenn die Früchte dieser Politik den Menschen unmittelbar zugute kommen. Ich glaube, darin sind wir uns auf allen Seiten dieses Hauses einig. Die Bundesregierung wird in diesem Sinne, wie ich auch in der Fragestunde mehrfach erklärt habe, die Gelegenheit des bevorstehenden Besuchs von Generalsekretär Breschnew benutzen, um sich in Fortsetzung ihrer bisherigen Bemühungen für eine spürbare Erhöhung der Ausreisezahlen einzusetzen. Sie wird unser aller Anliegen mit dem Nachdruck vertreten, den diese mit so vielen leidvollen menschlichen Einzelschicksalen belastete Aufgabe uns allen gebietet. - Vielen Dank. ({6})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Althammer.

Dr. Walter Althammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 17. August dieses Jahres demonstrierte der volksdeutsche Ingenieurstudent Alexander Gettmann aus Leningrad auf dem Roten Platz in Moskau für eine freie Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland. Daraufhin wurde dem 25jährigen von den sowjetrussischen Behörden angekündigt, er müsse mit einem Gerichtsverfahren rechnen, wenn er sich nicht innerhalb von 14 Tagen eine Arbeit besorge. Arbeit kann Alexander Gettmann aber nicht erhalten, weil ihm bereits am 1. Juli 1981 der Personalausweis abgenommen wurde, als er seinen Antrag auf Entlassung aus der sowjetrussischen Staatsbürgerschaft und Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland stellte. Was aus Gettmann inzwischen geworden ist, ist mir nicht bekannt. Seine Schwester wurde mit ihrem dreijährigen Kind verhaftet, als sie einen Tag später ebenfalls versuchte, öffentlich für die Ausreise zu demonstrieren. Das ist nur eines der vielen Schicksale Rußlanddeutscher, die ihre Menschenrechte auf Meinungsäußerung und freie Wahl des Aufenthaltsorts geltend machen. Der Fall zeigt aber gleichzeitig die Technik der Kriminalisierung eines solchen Verhaltens durch sowjetische Behörden. ({0}) Was danach geschieht, ist im Dokument 171 der Moskauer Helsinki-Gruppe aufgezeichnet, das den Titel trägt: „Weitere Beweise der Verfolgung der ausreisewilligen Deutschen in der UdSSR". Mitunterzeichnerin dieses Dokuments ist die Ehefrau des verbannten Friedensnobelpreisträgers Andrej Sacharow - Sacharow, für den sich der deutsche Friedensnobelpreisträger Willy Brandt öffentlich nicht einsetzen wollte, der aber in einer Bundestagserklärung angekündigt hat, er wolle sich vertraulich für ihn einsetzen. Aber offenbar hat dieser Einsatz bei Breschnew bis heute nichts bewirkt. In dem Helsinki-Dokument 171 wird über die Leiden der ausreisewilligen Deutschen Robert Losing, Josef Berger und Arthur Marschall berichtet. Ein anderer Verfolgter ist der Volksdeutsche Andreas Ebel, ein 21jähriger Student aus Kotowo bei Wolgagrad. Am 25. November 1980 wurde Ebel mitgeteilt, daß er sich mit wenigen Habseligkeiten in einigen Minuten für den Abtransport ins Lager fertigzumachen habe. Für drei Transporttage erhielt er als Verpflegung zwei Schwarzbrote und 50 g Zucker. Der Eisenbahntransport erfolgte in sogenannten Stolypin-Waggons, benannt nach einem russischen Gutsbesitzer, der seine Leibeigenen zu Tode folterte. Ein solcher Stolypin-Waggon ist in kleine vergitterte Käfige aufgeteilt, in denen jeweils bis zu 20 Häftlinge eingesperrt sind. Ebel wurde drei Tage lang in einem solchen überfüllten Käfig bis ins Swerdlowsker Verteilungsgefängnis transportiert. Dort mußte er sich mit über hundert Häftlingen in einer 40 qm großen Zelle aufhalten. Wie die anderen Häftlinge wurde dieser Volksdeutsche brutal zusammengeschlagen. Er verlor die Besinnung und mußte ins Gefängnishospital verlegt werden, wo Ärzte eine Lungenentzündung feststellten. Trotzdem wurde er unter den gleichen Bedingungen vier Tage lang weiter in ein anderes Lager gebracht. Schließlich - ich will die Leidensgeschichte jetzt gar nicht im einzelnen vortragen - wurde er in ein sibirisches Arbeitslager eingeliefert. Auch über seinen Verbleib ist nichts bekannt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind nur einige Beispiele davon, wie deutschstämmige Menschen behandelt werden, wenn sie ihre Rechte geltend machen wollen. ({1}) Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie sich bei dem bevorstehenden Besuch des sowjetischen Partei- und Staatschefs mit aller Deutlichkeit und aller Härte dieser Dinge annimmt. ({2}) Es kann gar keine Rede davon sein, daß hier im Bundestag aus dieser Sache ein Zankapfel gemacht werden sollte. Uns geht es bei dieser Debatte darum, auch in der Öffentlichkeit auf dieses Problem hinzuweisen und so mitzuhelfen, daß diese Dinge dann in einer wirksamen Weise behandelt werden können. ({3}) Ich finde es sehr bedauerlich, wenn es in einer solchen Sache hier im Parlament nicht möglich ist, eine Debatte zu führen, ohne daß billigste Unterstellungen, parteipolitische Polemik Platz greifen. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich die Helsinki-Gruppe unter Einsatz ihrer Freiheit und teilweise sogar ihres Lebens für die Deutschen in der Sowjetunion einsetzt, dann kann man auch von den deutschen Regierungsstellen verlan3648 gen, daß sie über das hinaus, was, Frau Minister, zugegebenermaßen sicher geschehen ist, noch sehr viel mehr getan wird, um in der Sache voranzukommen. Eines haben wir festgestellt: Bei allen behaupteten Bemühungen sind Erfolge zugunsten der Betroffenen leider nicht zu verzeichnen. Wir möchten mit dieser Debatte bewirken, daß die Bundesregierung sehr viel härter die Möglichkeiten ausschöpft, die sie hat, um diesen Menschen zu helfen. ({5})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Ehmke das Wort.

Dr. Horst Ehmke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000440, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind uns mit den Kollegen von der Opposition darüber einig, daß diese Frage beim Breschnew-Besuch natürlich erneut angesprochen werden muß. Herr Kollege Sauer und Herr Kollege Althammer, ich bin allerdings der Meinung, daß die Kategorien Mut, Härte oder Öffentlichkeit nicht die Kategorien sind, die wir der Bundesregierung dabei empfehlen sollten. Ich bin der Meinung, daß Augenmaß, Geduld und Hartnäckigkeit viel wichtiger sind, um in dieser Frage vorwärtszukommen, als das, was Sie unter Härte verstehen. ({0}) Herr Kollege Sauer, wir haben es hier ja mit zwei Fragen zu tun, einmal mit der Frage der Minderheitenrechte - nach dem, was mit Volksgruppenpolitik im Dritten Reich an Mißbrauch getrieben worden ist, ziehe ich es vor, nicht von der Frage der Volksgruppenrechte zu sprechen - und zum anderen mit der Frage der Familienzusammenführung. Wir sind natürlich auch in einem gewissen Zwiespalt. Herr Reißmüller von der FAZ führt uns das j a oft in der Frage der Rumäniendeutschen vor Augen, in der er sich sehr engagiert: Wollen wir diese Deutschen eigentlich möglichst alle zurückholen, oder sollen sie dort bleiben und sollen wir dann für ihre Minderheitenrechte dort kämpfen? ({1}) - Eben. Ich stimme Ihnen zu. Wir sind der Meinung: Das muß das Individuum dort entscheiden. ({2}) Denjenigen, die uns sagen, sie wollten hierherkommen, müssen wir mit allen möglichen Mitteln helfen, damit sie hierherkommen können. Die Entscheidung können wir allerdings niemandem abnehmen. Ich bin weiter der Meinung, daß die Zahl von 86 000 Ausreisen - soweit wir wissen, liegt ungefähr noch einmal die gleiche Zahl an Ausreisewünschen vor; bisher wurden also 50 % der Wünsche erfüllt - nicht geringgeachtet werden sollte. Andererseits ist überhaupt nicht zu bestreiten, daß es uns beunruhigen muß, daß wir eine so stark abnehmende Kurve zu verzeichnen haben, bis hin zur niedrigsten Zahl im September 1981. Die Zahl wird im Oktober - ich habe die Endzahl noch nicht gesehen - vermutlich nicht höher sein. Das muß vorgebracht werden. ({3}) Herr Kollege Klein, ich wollte Ihnen sagen, Sie haben meinen Kollegen Neumann falsch verstanden, wenn Sie meinen, wir wendeten uns gegen diese Aktuelle Stunde. Ich bin vielmehr der Meinung, daß es die dem Parlament angemessene Art ist, bei diesem Besuch seine Wünsche und Sorgen zum Ausdruck zu bringen. Die Regierung wird das ihrerseits in der ihr gemäßen Art machen. Ich halte übrigens diese Form der Debatte und der Willenskundgebung, Herr Kollege Möllemann, dem Parlament für weit angemessener als eine Aufforderung an alle Kollegen, im Parlament an irgendeiner Demonstration teilzunehmen, die mir sehr fremd ist. Die UNO wird die Frage, die Sie wie mich seit langem bedrückt, demnächst auch diskutieren, weil der zweite Jahrestag des Einmarsches in Afghanistan bevorsteht. Da ist die Resolution finalisiert worden; sie wird also in der UNO zur Abstimmung kommen. Noch kein Mitglied in der Generalversammlung der UNO ist auf die Idee gekommen, vorher vor ihrem eigenen Gebäude zu demonstrieren. Ich finde also, dies ist die dem Parlament angemessene Art. Wir sollten dafür sorgen, daß auch die Bundesregierung für das, was sie dort zu sagen hat, aus dieser Debatte Rückenwind bekommt. Im übrigen glaube ich, der Kollege Voigt hat recht mit der Aussage, daß natürlich auch dieses im Gesamtrahmen der Entspannungspolitik gesehen werden muß. Wirkliche Fortschritte sind bei dem, was da an großen Wünschen noch offensteht, nur zu erreichen, wenn wir daran mitwirken, daß sich das Klima in der Welt nicht weiter verhärtet, sondern wir auch zwischen den beiden Großmächten wieder zur Gesprächsbereitschaft und zu einem Miteinander kommen. Schönen Dank. ({4})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache zur Aktuellen Stunde geschlossen. Zu einer persönlichen Erklärung erteile ich innerhalb der Redezeit dem Herrn Abgeordneten Möllemann das Wort.

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Dr. Ehmke hat einen Punkt angesprochen, den ich in der Debatte nicht angesprochen habe. Ich wollte hier nur darauf hinweisen, daß ich gemeinsam mit sozialdemokratischen Kollegen des Deutschen Bundestages 1972 bei mehreren Gelegenheiten gegen den Vietnam-Krieg demonstriert und protestiert habe. Ich halte es für angemessen, bei einem andauernden Krieg der Sowjetunion ebenfalls zu demonstrieren. ({0})

Georg Leber (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001299

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aktuelle Stunde. Vizepräsident Dr. h. c. Leber Wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 12. November 1981, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.