Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/12/1960

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Die Sitzung ist eröffnet. Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 8 der verbundenen Tagesordnung auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Dr. Schmid ({0}), Kühn ({1}), Dr Schneider ({2}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages ({3}). Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Schmid.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf - Drucksache 1444 -, den zu begründen ich die Ehre habe, ist nicht das Werk einer interfraktionellen Vereinbarung; die Fraktionen dieses Hauses als solche - als organisierte Gruppen - haben damit nichts zu tun. Der Entwurf ist von einer Reihe von Mitgliedern dieses Hauses, die verschiedenen Fraktionen angehören, erstellt worden. Er trägt eine Reihe von Unterschriften, auch die von Abgeordneten, die für sich selber ein Gesetz über die Altersversorgung der Abgeordneten nicht notwendig zu haben glauben. Sie haben ihre Unterschrift unter den Gesetzentwurf gesetzt, weil sie meinen, daß eine Altersversorgung der Abgeordneten aus staatspolitischen Gründen notwendig ist. Ich weiß, daß dieser Entwurf weithin unpopulär ist. In einer Menge Zeitungen sind Artikel erschienen, die es so darstellen, als wollten sich einige Leute mit diesem Entwurf eine Pfründe verschaffen, eine Art von ruhigem, gut dotiertem Lebensabend, nachdem sie eine Zeitlang recht ruhig in diesem Saale gesessen hätten. ({0}) Wenn ich einige Zeitungsberichte und das, was darin über den Mann gesagt worden ist, der es auf sich nimmt, einen solchen Gesetzentwurf zu begründen, recht verstehe, muß ich eine Art von Don Quichotte sein; - denn was gehe mich denn ein Vorhaben an, aus dem ich selber doch keinen Nutzen ziehen werde. Nun, meine Damen und Herren, ich halte es nicht für eine Schande; denn dieser Ritter von der Traurigen Gestalt aus der Mancha zog gegen seine Windmühlen immerhin in dem Glauben aus, dies sei nötig, um für Witwen und Waisen zu kämpfen. . . . Ich bin der Meinung, daß für das gute Funktionieren des parlamentarischen Systems in der Bundesrepublik ein Gesetz von der Art, wie es dieser Entwurf vorsieht, notwendig ist. Ich begründe den Entwurf, weil ich glaube, daß es in den Fällen, in denen es sich um das gute Funktionieren des Parlaments handelt soweit das Gesetz dafür etwas tun kann -, das nobile Offizium des amtierenden Präsidenten ist, selber die Begründung zu geben. Gestatten Sie mir eine Reihe allgemeiner Bemerkungen im voraus. Wir wissen alle, daß die Deutschen zu ihrem Parlament nicht das Verhältnis haben wie etwa die Briten oder die Amerikaner zu ihren Parlamenten. Das hat eine ganze Reihe von Ursachen, die in unserer Geschichte und in der Geschichte der anderen Völker begründet liegen. Die Briten und die Amerikaner, auch die Franzosen insbesondere, haben häufig von den einzelnen Parlamentariern keine besondere Meinung; aber alle achten und ehren ihr Parlament als Ganzes und sind davon überzeugt, daß es ihnen ohne ein Parlament - ohne ein Parlament, das gut funktioniert und gut funktionieren kann - insgesamt schlechter ginge. Sie haben das Gefühl und das Bewußtsein, daß ihnen das Parlament einen Schutz bietet, unter anderem gegen den „Übermut der Ämter". Vielleicht sind wir in Deutschland durch unsere Beamten zu gut verwaltet worden ({1}) - ich meine das ganz ernsthaft -, als daß in unserem Volk elementar das Bedürfnis aufgestiegen wäre: Wir brauchen jemand, der uns vor diesen Leuten schützt, und das können nur gewählte Vertreter sein. - Vielleicht ist es so. Wenn man die Parlamentsgeschichte aller Völker übersieht, hat man den Eindruck, daß der Schrei nach dem Parlament nicht so sehr aus dem Bewußtsein der Bürger kam: „Wir müssen uns an der Verantwortung für den Staat selber mitbeteiligen", sondern aus ihrem Bedürfnis nach einem Schutz gegen Mißbrauch der staatlichen Gewalt, den man ich möchte sagen: leider - fast immer nur von seiten der Bürokratie und nicht auch von anderen, politischeren Stellen glaubt befürchten zu sollen. Dr. Schmid ({2}) Mancher Kritiker mag auch glauben, daß nicht jeder einzelne Abgeordnete dieses Hauses über die Fähigkeiten eines mythischen römischen Senators verfüge und daß es deswegen vielleicht nicht angebracht sei, dafür zu sorgen, daß auch er sein Alter, wenn er nicht mehr in diesem Hause sitzen kann, in Würde soll vollenden können. Nun meine Damen und Herren, ich meine, daß wir selber und auch unsere Kritiker nicht so hochmütig sein sollten. Ein Parlament ist nirgends in der Welt ein Rat der Weisen - ein Rat von nur Weisen, möchte ich sagen, Herr Pferdmenges -, ({3}) sondern es ist ein gerafftes Abbild der Nation. Kein Parlament ist möglich - ich sage das in vollem Bewußtsein, auch im Bewußtsein der Wirklichkeit, von der ich spreche - ohne die Vorstellung, daß jedes einzelne Mitglied des Hauses für die Funktion des ganzen Hauses jedem anderen gleichwertig und mit jedem anderen gleich notwendig ist. Was ist der Abgeordnete denn eigentlich? Der Abgeordnete ist ein Mann, dem eine Wählergruppe, für das ganze Volk sprechend, ihr Vertrauen gegeben hat und der bereit ist, freiwillig seine Arbeit in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, eine Arbeit, die er bei uns im Verband des Bundestages leistet. Um das ehrenamtlich tun zu können - wenn das Wort seinen Sinn haben soll und man nicht Ehrenamt auch Tätigkeit nennt, wofür man statt eines Gehalts eine „Aufwandsentschädigung" oder etwas Ähnliches bekommt -, um es ehrenamtlich, d. h. ohne dafür irgendeine Leistung seitens des Staates tun zu können, ist eine Reihe von Voraussetzungen nötig. Erstens. Diese Tätigkeit für den Staat darf nicht so sein, daß sie die gesamte Arbeitskraft des Abgeordneten absorbiert. Dieser Fall war in der Antike gegeben. Ein athenischer Voll-Bürger beschmutzte sich die Hände nicht mit Arbeit. Er ging auf die Agora, den Markt, und in die Palästra; was wir Berufsarbeit nennen, überließ er, wenn er keine Sklaven hatte, dem Banausos; wir haben das Wort „der Banause" daraus gemacht. ({4}) Ich glaube, diese Zustände sind vorbei. Eine weitere Voraussetzung war, daß die Perioden des Zusammentritts der Parlamente oder Volksversammlungen kurz waren, also einen Tag oder zwei oder drei Tage dauerten und nicht mehr, wie das bei den Landgemeinden der kleinen Schweizer Kantone heute noch der Fall ist. Aber auch das gehört der Vergangenheit an. Eine andere Voraussetzung ist die Möglichkeit, sich von einem Beruf, in dessen Ausübung man seinen Lebensunterhalt verdient abkömmlich zu machen. Max Weber ist es gewesen, der in einem berühmt gewordenen Aufsatz nach dem ersten Weltkrieg diesen Begriff der notwendigen Abkömmlichkeit geprägt hat. Sich abkömmlich machen zu können, setzt einiges voraus. Entweder man hat Vermögen, das einem dieses Sich-abkömmlichMachen erlaubt, und die entsprechende Muße dazu, oder man hat ein Einkommen, daß aus unversieglichen Quellen fließt. Einige haben dies; sehr, sehr vielen anderen sind diese Möglichkeiten verschlossen. Eine dritte Voraussetzung für ehrenamtliche Ausübung des Mandats - das Wort, wie gesagt, pure verstanden und nicht nur so nebenher als ein bequemes und dekoratives Wort, das Dinge verdecken kann, die bei Namen zu nennen unangenehm wäre - ist, daß die Tätigkeit nicht allzu kompliziert, nicht so kompliziert sein darf, daß man sie nicht redlich wahrnehmen kann, wenn man sich nicht lange Zeit darum bemüht, das nötige Sach- und Fachwissen zu erwerben. Ehrenamtliche Tätigkeit im vollen Sinne des Wortes ist im allgemeinen - Ausnahmen bestätigen die Regel - nur dort möglich, wo gerade der Mangel an Kompliziertheit der Aufgabe einem erlaubt, nebenher für das Gemeinwohl tätig zu sein, gewissermaßen als ein intelligenter, besorgter und eifriger Dilettant - wobei das Wort Dilettant keinen Unwertakzent haben soll. Ich nehme das Wort wörtlich: als Bezeichnung eines Menschen, der seine Aufgabe liebt, aber nicht in der Lage ist, sich ganz in sie hineinzustellen. Die Entwicklung ging beim Abgeordneten nicht sehr viel anders als beim Beamten. Der Beamte war ja vor noch gar nicht so langer Zeit in den meisten Fällen ehrenamtlich tätig, wenn er nicht eine Pfründe hatte. Im kommunalen Bereich ist das bis in unsere unmittelbare Gegenwart hinein so gewesen. Aber man hat eingesehen auch dort, wo man fest davon überzeugt ist, daß der Freiherr vom Stein eine Wahrheit ausgesprochen hat -, daß man schließlich nur die Wahl zwischen einer fachlich ausgebildeten Berufsbürokratie und Dilettantismus hat; man hat daraus die Konsequenzen gezogen. Warum haben wir denn sonst neben unseren ehrenamtlichen Bürgermeistern die Oberstadtdirektoren? Warum stellen wir denn unsere Oberbürgermeister auf die verschiedenste Weise auch „frei", d. h. geben wir ihnen Gelegenheit, von ihren Berufen abkömmlich zu werden? Beim Abgeordneten ist es so: Die Aufgaben der Parlamente sind ständig gewachsen. Wir können unser Mandat nur dann redlich ausüben, wenn wir viel Zeit darauf verwenden, nicht nur hier zu sitzen, sondern uns auch das Sachwissen zu erwerben, ohne das wir hier ziemlich nutzlos wären. Wir können unser Mandat nicht ausüben, ohne recht viele Akten zu studieren, wie Beamte das tun und tun müssen. Das Schwergewicht unserer Tätigkeit liegt ja - das wissen Sie alle - nicht immer in diesem Saal, sondern in den kargen, bescheidenen Ausschußzimmern, in denen wir viele Tage des Jahres zusammensitzen und uns nicht mit den großen Prinzipien und dem, was der gesunde Menschenverstand für sich allein zu geben vermag, beschäftigen, sondern mit Dingen, bei denen wir soviel Sachverstand haben müssen wie die Referenten der Ministerien, von denen die Entwürfe stammen, mit denen wir uns zu befassen haben. Das kann man nicht „nebenher" machen, das kann man nicht als ein noch so arbeitswilliger Dilettant tun. Dr. Schmid ({5}) Dazu kommt, daß die Häufung der gesetzgeberischen Aufgaben des Parlaments uns immer mehr Zeit abfordert, uns immer länger und öfter in diesen Saal hineinkommandiert, in diesem Hause festhält. Das erfordert eine Abkömmlichkeit vom Beruf, die nur sehr wenigen möglich ist. In nur sehr wenigen Berufen kann man sich für diese Arbeit so wie es notwendig ist, abkömmlich machen, ohne damit die eigene Existenz in diesem Beruf zugrunde zu richten. Man muß aus den Tatsachen Konsequenzen ziehen. Max Weber, den ich schon zitierte, hat nach dem ersten Weltkrieg in einem großartigen Aufsatz, den er überschrieben hat „Politik als Beruf", dargelegt, daß das parlamentarische System in dieser Zeit nur funktionieren kann, wenn sich genügend Menschen zur Verfügung stellen, die von ihren Lebensberufen abkömmlich sind. Er hat gesagt, daß dies bedingt, daß man anerkennt, ,daß, wer f ü r die Politik lebt, in der Politik müsse leben können. Das heißt, es ist Sache des Staates, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß Abgeordnete der richtigen Qualität in ausreichender Zahl zur Verfügung sein können. Der Staat muß die Möglichkeit schaffen, daß sich genügend Menschen der Art, wie wir sie hier brauchen, von einer Berufstätigkeit abkömmlich machen können. Man muß diese Dinge ohne Romantik und ohne Biedermeierei anschauen. Man muß den Mut haben, die Fakten zu sehen. Sie wissen aus den Geschichtsbüchern, daß der Deutsche Reichstag ursprünglich keine Aufwandsentschädigung für Abgeordnete kannte, daß es eines langen Kampfes bedurft hat, um die Aufwandsentschädigung der Abgeordneten durchzusetzen. Bismarck war nicht sehr dafür. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn im Parlament nur Leute hätten sitzen können, die - sagen wir einmal - aus wirtschaftlichen Verhältnissen stammten, von denen er glaubte, daß sie den Menschen eine bestimmte „staatserhaltende Gesinnung" nahelegen würden. Was ich darunter verstehe, wissen Sie. Schließlich drangen dann doch die Kritiker durch, die sagten: auf diese Weise wird das Parlament Organ einer Plutokratie; das wäre eine schlechte Sache, das darf nicht sein. So kam man dann schließlich auch im Deutschen Reichstag zu einer Gesetzgebung, die für die Abgeordneten eine Aufwandsentschädigung vorsah, die ihnen also die Möglichkeit gab, sich wenigstens - wenigstens! - ein wenig von ihren Berufen abkömmlich zu stellen. Dies ist erreicht; die Frage hat in dem Parlament der Weimarer Verfassung und bei uns eine andere Regelung gefunden als die ursprüngliche. Es gibt da leider recht merkwürdige Vorstellungen in der Bevölkerung. Ich erinnere mich noch gut der Zeiten, wo kein Rheinschiff hier vorbeifuhr ohne den Chorgesang: „Wer soll das bezahlen!" Man hatte den Eindruck, als ob die Spazierfahrer glaubten, den Hauptteil der Steuerlast, der auf ihnen ruht, verschulde das Dasein des Parlaments. Ich will Ihnen Zahlen nennen; sie stammen allerdings aus dem Jahre 1954, werden aber heute noch etwa gleich sein. Die Parlamente von Bund und Ländern kosten - Bund u n d Ländern, betone ich - zusammen - Abgeordnetenentschädigung, Verwaltungskosten - 41 Millionen DM, das heißt 80 Pfennige pro Kopf der Bevölkerung. ({6}) Genausoviel wie die Wohnungsämter, meinen Sie? Das weiß ich nicht, deren Kosten kenne ich nicht. Daß die Diäten notwendig sind, ist ins Bewußtsein der Bevölkerung eingegangen. Aber nun kommt die andere Frage: Ist, was bisher getan wurde, in Anbetracht dessen, was notwendig ist, ausreichend? Muß nicht auch für den Abgeordneten eine Altersvorsorge getroffen werden? Die Frage ist kontrovers. I c h bin der Meinung, daß eine solche Vorsorge getroffen werden muß, und zwar durch ein Gesetz. Es sagen viele, die Abgeordneten sollten doch Lebensversicherungen abschließen. Nun, nicht jeder wird in eine Lebensversicherung aufgenommen. Mancher wird in einem Alter Abgeordneter, in dem er nicht mehr ganz gesund ist. Ich kenne solche Fälle. Ich könnte Namen von Kollegen nennen, die abgewiesen wurden, weil die Lebensversicherung sie nicht für gesund genug hielt. Nicht jeder ist in der Lage, aus dem, was er an Aufwandsentschädigung bezieht, die hohen Prämien zu bezahlen, die nötig sind, wenn er spät in die Lebensversicherung eintritt. Es ist auch an den Fall zu denken, daß ein Abgegeordneter einmal für eine Wahlperiode nicht gewählt wird und dann eben keine Bezüge hat. Vielleicht wird er kaum etwas verdienen können. Er hat ja aus seinem Beruf aussteigen müssen, als er sich wählen ließ. Wie wird es ihm dann ergehen? Wir wissen, wie es einer Reihe von Kollegen von uns oder deren Hinterbliebenen gegangen ist. Ich will Ihnen hier einen Satz vorlesen, der nicht von mir ist: Die Politik kann der hartherzigste und auch der grausamste Arbeitgeber sein. So kommen iene tragischen Fälle zustande, daß ein Mann oft jahre-, ja jahrzehntelang im öffentlichen Leben stand und am Grabe die unversorgten Angehörigen zurückläßt. Diesen Satz hat ein hochangesehenes Mitglied dieses Hauses niedergeschrieben, das vor einigen Jahren tödlich verunglückt ist und an dessen Grab in der Tat dann unversorgte Angehörige standen, unser verehrter Kollege Gockeln. So, wie es ihm und seinen Angehörigen ging, ist es vielen anderen auch gegangen. Man sollte das nicht vergessen. Ein Abgeordneter, der seine 12, 16 und noch mehr Jahre im Parlament gesessen hat, und diese Zeit aus seinem Beruf ausgeschieden ist, und dann 60 Jahre und noch älter geworden ist und der nicht mehr gewählt wird oder sich nicht mehr wählen lassen will, weil er sich nicht mehr imstande fühlt, das Mandat auszuüben, steht doch fast immer vor dem Nichts. Wäre er nicht ins Parlament gegangen, hätte er einen Beruf ausüben können, in dem er sich - im allgemeinen wenigstens - das hätte ver5440 Dr. Schmid ({7}) dienen können, was er gebraucht hätte, uni für sein Alter einen Notpfennig zu haben und um seinen Angehörigen etwas hinterlassen zu können. Nicht jeder hat ein Einkommen, das von selber fließt. Ich will hier ganz deutlich sprechen, und ich bitte mir zu vergeben, daß ich so deutlich spreche. Aber ich muß es tun: Nicht jeder hat einen Bauernhof, von dem er leben kann, ({8}) einen Hof, den einer verwaltet, dem er Vertrauen zu schenken vermag. Nicht jeder ist Mitglied von Aufsichtsräten. Nicht jeder hat - wie ich - das Gehalt eines Professor emeritus, wenn er hier ausscheiden wird. Nicht jeder hat ein Unternehmen, das ein guter Prokurist in Ordnung und Blüte hält und ihm so die Möglichkeit gibt, bei uns zu arbeiten. Das ist kein Vorwurf - gegen niemand -, aber es sind Dinge, die man bedenken sollte. Die Altersversorgung für die Abgeordneten ist eine staatspolitische Notwendigkeit. Sie ist erforderlich, um jedermann den Zugang zum Parlament möglich zu machen, erforderlich, um eine echte Auslese treffen zu können und um diese Auslese nicht auf einige wenige Berufe, auf einige wenige abkömmliche Leute beschränken zu müssen. Es darf doch nicht dazu kommen, daß sich ins Parlament nur noch wählen lassen können - sagen wir einmal - Gutsbesitzer, Ruhestandsbeamte, Angestellte einer Partei oder eines Interessenverbandes oder Leute ähnlicher Berufsrichtung. Nichts gegen diese Leute! Sie sind notwendig, auch in dieser Funktion. Aber man sollte die Auswahl für das Parlament nicht auf solche Leute beschränken müssen. Ich kenne eine ganze Reihe von Leuten, tüchtigen Leuten, die eine Leidenschaft für politische Verantwortung haben, die es aber nicht wagen, sich als Kandidaten aufstellen zu lassen, weil sie sagen: Wie wird es denn, wenn ich einmal 65 Jahre alt bin, meiner Familie gehen, wer sorgt dann für sie?, ich werde dann nicht mehr für sie sorgen können, und solange ich Abgeordneter bin, kann ich das Nötige auch nicht tun. Aus staatspolitischen Gründen ist es aus einem weiteren Grunde nötig, eine Altersversorgung einzuführen: um der Unabhängigkeit der Abgeordneten willen, um sie der Notwendigkeit zu entheben, am Mandat kleben zu müssen. ({9}) - Aber Sie müssen auch die Voraussetzung dafür schaffen, daß jemand in dem Sinne den Sie meinen, charaktervoll sein kann, ohne damit anderen Leuten das Risiko dieses Charaktervollseins aufbürden zu müssen! ({10}) Ich meine mit dieser Unabhängigkeit auch die Unabhängigkeit vor den Parteiapparaten und dem, was dahinter stehen mag, und auch die Unabhängigkeit der Parteiorganisationen selbst insoweit, als ich diese von der Notwendigkeit befreien möchte, sich fragen zu müssen: Können wir es denn moralisch verantworten, den Kollegen X nicht mehr als Kandidaten aufzustellen, nachdem er so lange auf einen Beruf verzichtet hat, in dem er sein Brot verdienen konnte, können wir das verantworten?, - nicht gut, also stellen wir ihn eben wieder auf! Und dies, obwohl man lieber einen Jüngeren gehabt hätte.. Meine Damen und Herren, wenn wir die Fraktionen verjüngen wollen - ich glaube, wir wollen es doch alle -, dann brauchen wir eine Altersversorgung der Parlamentarier! In anderen Ländern hat man diese Notwendigkeit nicht nur eingesehen, sondern hat man schon das Nötige dafür getan. Ich erlaube mir, Ihnen aus einer Tabelle die Regelungen in anderen Ländern darzulegen. In Norwegen bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Beiträge der Abgeordneten nach acht Jahren Mandat vom 65. Lebensjahr ab oder nach eingetretener Invalidität. In Finnland bekommt der Abgeordnete Staatspension ohne eigene Beiträge nach zehn Mandatsjahren, beginnend vom 30. Lebensjahr ab oder nach Erreichung des 60. Lebensjahres. In den Niederlanden bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Abgeordnetenbeiträge; eine Mindestmandatszeit entfällt, eine Altersgrenze ist nicht vorgesehen. In Schweden bekommt der Abgeordnete eine Staatspension ohne Beiträge nach acht Jahren Mandatszeit vom 65. Lebensjahr ab oder nach eingetretener Invalidität. In Dänemark bekommt der Abgeordnete eine Staatspension m i t Beiträgen der Abgeordneten - monatlich 13 DM übrigens - nach zehn Mandatsjahren vom 65. Lebensjahr ab. In Italien gibt es eine Pensionskasse, die durch Abgeordnetenbeiträge und Staatsbeiträge gespeist wird; der Abgeordnete trägt zwei Fünftel, der Staat drei Fünftel. Nach zwei Legislaturperioden bzw. fünf Mandatsjahren und Erreichung des 55. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein. In Belgien gibt es eine Pensionskasse, die aus Abgeordneten- und Staatsbeiträgen gespeist wird. Abgeordneter und Staat zahlen je 126 DM. Nach acht Mandatsjahren kann der Versorgungsanspruch nach Eintritt ,des 55. Lebensjahres geltend gemacht werden. In Australien gibt es eine Pensionskasse mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach acht bzw. zwölf Jahren Mandatszeit erhält der Abgeordnete nach Eintritt des 45. Lebensjahres seine Pension. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach sechs Mandatsjahren und Eintritt des 62. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein. In Frankreich gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordneten- und Staatsbeiträgen. Nach acht bzw. sechzehn Mandatsjahren und Eintritt des 55. Lebensjahres bzw. 50. Lebensjahres tritt der Versorgungsfall ein. Dr. Schmid ({11}) In England gibt es einen Pensionsfonds mit Abgeordnetenbeiträgen ohne Staatsbeiträge. Der Versorgungsfall tritt nach zehn Mandatsjahren oder Erreichen des 60. Lebensjahres ein. Die Bundesrepublik kennt bisher eine Regelung dieser Art nicht. Es ist das Vorhaben der Unterzeichner des Entwurfs, auch bei uns vergleichbare Verhältnisse zu schaffen. Der Ihnen vorliegende Entwurf geht von dem Prinzip aus, daß die Abgeordneten und der Staat Beiträge bezahlen. Ich will Ihnen nicht die Einzelheiten des Entwurfs vortragen. Ich bin kein Versicherungsfachmann und verstehe von Versicherungsmathematik gar nichts. Um es vorweg zu sagen: ich habe den Entwurf unterzeichnet, obwohl ich mit einer Reihe seiner Bestimmungen nicht einverstanden bin. Der Entwurf sollte auch zunächst nicht mehr sein als eine Vorlage für den Ausschuß, an den er sicher überwiesen werden wird. Dort soll man die einzelnen Bestimmungen beraten, diskutieren und nach Anhören von Technikern des Versicherungswesens Beschlüsse fassen. Gewisse Bestimmungen des Entwurfs gefallen mir nach nicht. Der § 22 und der § 20 erscheinen mir bedenklich, der § 13 erweckt ebenfalls gewisse Sorgen bei mir, und auch § 16 Abs. 1 scheint mir einer Korrektur bedüftig zu sein. Aber wie gesagt, Einzelheiten will ich hier nicht vortragen. Der Ausschuß mag darüber diskutieren. Es sollten sich aber alle darüber klar sein, daß es bei diesem Entwurf nicht darum geht, bestimmten Mitgliedern des Hohen Hauses - wie man so schön sagt - „etwas zukommen zu lassen", ihnen also eine Pfründe zu geben. Vielmehr geht es darum, aus der Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse, die in den letzten Jahrzehnten bei uns und in der ganzen Welt eingetreten ist, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Es geht darum, mit Fiktionen aufzuräumen und unser Verfassungs recht ein wenig näher an unsere Verfassungs wirklichkeit heranzurücken. An welche Auschüsse soll der Entwurf überwiesen werden? Ich habe mir das lange überlegt. Nach meiner Ansicht dürfte folgendes Verfahren das geeignetste sein. Zunächst möge sich der Ältestenrat mit dem Entwurf befassen, um zu versuchen, eine interfraktionelle Vereinbarung entweder über den Text als Ganzen oder über einige zu verwirklichende Prinzipien herbeizuführen. Alsdann sollte, was aus dem Ältestenrat kommt, an den Vorstand des Bundestages gegeben werden - wir brauchen ja ein Beschlußorgan für eine Vorlage für die zweite Lesung -; dieses Gremium erscheint mir zwar ein wenig zu umfangreich für eine solche Aufgabe, ab-er ich weiß kein besseres. Die letzte Entscheidung aber liegt bei uns hier in diesem Saale. Ich möchte hoffen, daß dieses Haus die Entscheidung unter Beachtung alles dessen treffen wird, was notwendig ist, um ein parlamentarisches System funktionsfähig zu erhalten und zu verhindern, daß das Parlament nur ein Ausschuß einer bestimmten, recht schmalen Gruppe von Angehörigen unseres Volkes wird. ({12})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung durch Herrn Abgeordneten Schmid in seiner Eigenschaft als amtierender Bundestagspräsident gehört. Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat sich der Abgeordnete Kohut zu Wort gemeldet.

Dr. Oswald Adolph Kohut (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001169, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein hochverehrter Herr Vorredner hat sehr warme und eindrucksvolle Worte zur Begründung des vorliegenden Gesetzentwurfs gefunden. Trotzdem scheint es mir eine heikle Angelegenheit zu sein, wenn sich dieses Parlament selber eine Rente bewilligt, obwohl es weiß, daß viele soziale Fragen in unserem Volke nicht gelöst sind. Ich weiß auch nicht, ob die historischen Vergleiche, die Herr Professor Schmid gebracht hat, auf unseren Teilstaat, auf die provisorische Bundesrepublik zutreffen und ob man es verantworten kann, unter den heutigen Umständen ein Altersversorgungsgesetz für die Mitglieder des Bundestages zu machen. Man könnte fast den Eindruck haben, daß viele von uns geradezu gezwungen worden seien, Abgeordnete zu werden, und daß ihnen das Mandat aufgedrängt worden sei. Nach 1945 ist jedoch keiner gezwungen worden, in eine Partei einzutreten. Ich habe mir sagen lassen, daß es viel mehr Bewerber gibt, als Mandate zur Verfügung stehen. Wer sich in die Politik hineinbegibt, muß auch das Risiko tragen, das damit verbunden ist. Die Freie Demokratische Partei lehnt diesen Gesetzentwurf aus folgenden Gründen ab. Erstens liegt kein Bedürfnis für ein soziales Sonderrecht für Bundestagsabgeordnete vor. Ich sage absichtlich „für Bundestagsabgeordnete"; die Folge würde nämlich sein, daß auch die Mitglieder der Landtage, vielleicht sogar der Kreistage und womöglich auch der Gemeinderäte versorgt werden wollten. ({0}) - Warum denn nicht? ({1}) Nur würden wahrscheinlich in den Gemeinderäten - wegen der dort geltenden Bestimmungen - die Mitglieder, wenn sie in eigener Sache bestimmen sollen, den Saal verlassen; hier ist das nicht der Fall. Zweitens erscheint mir die gegebene Begründung in vielen Punkten sehr abwegig und anfechtbar zu sein. Drittens halte ich das Mandat immer noch für ein Ehrenamt, obwohl dieser Begriff weitgehend verloren gegangen zu sein scheint. Viertens müssen verantwortliche Abgeordnete, bevor sie in die Politik gehen, dafür sorgen, daß sie eine Altersversorgung haben. ({2}) - Sie rufen mir zu: „Schnapsfabrik". Meine Herren, Sie sitzen hier ja nicht in den ersten langen Hosen; das Durchschnittsalter der Abgeordneten beträgt 55 Jahre. Sie müssen wissen, was Sie tun, und Sie müssen auch beizeiten dafür sorgen, daß Sie eine Altersversorgung haben. ({3}) - Das ist nicht sehr originell. Ich will Ihnen, meine Herren, nicht Ihren Beruf vorhalten. Nicht jeder, der hier im Bundestag ist, ist Berufspolitiker. Mein Beruf ist allerdings, Schnapsfabrikant zu sein, wenn Sie nichts dagegen haben. ({4}) Schon bei der Diätenneuregelung im Jahr 1958 sollte die Altersversorgung mit den Diäten gekoppelt werden. Bereits damals hat die Freie Demokratische Partei darauf gedrungen, die Altersversorgung loszulösen. Wir stehen nun einmal auf dem Standpunkt, daß Abgeordneter sein kein Beruf ist und daß die Diäten keine Entlohnung und keine Abgeltung für etwa erbrachte Leistungen darstellen. Vielmehr handelt es sich um eine Entschädigung für Aufwendungen, die mit der Ausübung des Mandats im Zusammenhang stehen. Diejenigen, die den Gesetzentwurf eingebracht haben, wollen die Aufwandsentschädigung koppeln mit einer dynamischen Rente von 40 bis 50 Prozent der Aufwandsentschädigung. In der Begründung heißt es an erster Stelle, die unzureichende Alters- und Hinterbliebenenversorgung gefährde die Unabhängigkeit der Abgeordneten. Soll das etwa heißen, daß manche von uns Entscheidungen nach materiellen Gesichtspunkten treffen? Offenbar soll es sich hier um ein Gesetz mit vorbeugendem Charakter handeln. Ich frage Sie: Würden Abgeordnete, die das Materielle großschreiben, mit der Garantie der zusätzlichen Altersversorgung anders stimmen als zuvor? Und halten Sie es, meine Kollegen, für rühmlich, wenn der Deutsche Bundestag mit dieser Begründung sich eine Altersversorgung genehmigt? ({5}) - Sie haben es nicht so begründet, Herr Professor. ({6}) Aber hier steht es darin. Unabhängigkeit, meine Damen und Herren, bedeutet doch Entscheidungsfreiheit. Es ist eine Sache des Charakters, wie man entscheidet, und ich hoffe, daß wir - mit oder ohne Altersversorgung - nicht nach materiellen Gesichtspunkten entscheiden. Des weiteren wird in der schriftlichen Begründung gesagt, es sei die Gefahr des sozialen Abstiegs gegeben, wenn ein Mandat auslaufe und ein nicht wiedergewählter Abgeordneter sich erneut um seinen Beruf oder sein Geschäft, das Schaden genommen habe, kümmern müsse, und dergleichen mehr. Grundsätzlich ist da zu fragen, ob es der Sinn des Mandats ist, den Lebensstandard des Abgeordneten u erhalten. Ich muß wieder die Parallele ziehen: Es handelt sich hier nicht um eine Entlohnung, sondern um ein Ehrenamt. Beim Verlust eines Ehrenamtes besteht keine Basis mehr für Entschädigungsansprüche. Gewiß könnte hier die, Überlegung am Platze sein, ob man nicht die Übergangshilfe, die etwas spärlich bemessen ist, erweitern und verlängern sollte. Nun heißt es: das Ganze soll eine zusätzliche Versorgung sein. Ich stelle erneut die Frage: Warum hat ein verantwortungsbewußter Abgeordneter nicht beizeiten für sich und seine Familie vorgesorgt? Die Lebensversicherungen sind bei der Währungsumstellung weitgehend entwertet worden. ({7}) Wir können doch den Gedanken wieder aufgreifen - ich glaube, er kam schon einmal von meiner Fraktion -, die Lebensversicherungen aufzuwerten, aber nicht nur für die Abgeordneten, sondern für alle. ({8}) Wenn wir den anderen Weg gehen, uns selbst zu versorgen, meine Damen und Herren, wird man dafür in der Öffentlichkeit kein Verständnis haben. Wir werden daran gemessen werden, wie wir uns zu Annahme oder Ablehnung dieses Selbstversorgungsgesetzes stellen werden. Und wie will man denn vom Staatsbürger Selbstverantwortung verlangen, wenn selbst Abgeordnete zu vorsorglichen Maßnahmen nicht in der Lage sind? Die Diätenregelung ist so, daß sie es jedem erlaubt, Zahlungen, mit denen man begonnen hat, im gleichen Umfange fortzusetzen; daran besteht gar kein Zweifel. Wer nichts unternommen hat, hat nicht allein durch die Tatsache, daß er MdB ist, Anspruch auf Staatshilfe. Es besteht ja schon eine Teilversicherung in Gestalt der Unfallversicherung. Die Versicherungssumme beträgt allerdings nur 40 000 DM. Ich bin der Meinung, daß dieser Betrag nicht mehr zeitgemäß ist. Man könnte wirklich überlegen, hier eine Änderung zu treffen. Dann spielen natürlich die Härtefälle - und .das ist eine sehr ernste Angelegenheit -, die Hinterbliebenenversicherung eine Rolle. Da habe ich mir sagen lassen, daß beim Herrn Bundestagspräsidenten ein Sonderfonds existiert, der bereits auf drei Millionen DM angelaufen sein soll und der so gut wie nie gebraucht wird. Nun frage ich Sie: Wenn es zutrifft, daß diese Mittel nicht ausgeschöpft worden sind, besteht dann noch ein Bedürfnis für die neue Regelung? Für Härtefälle, für besonders krasse Fälle ist doch gesorgt. Wenn einer von uns plötzlich aus dem Leben abgerufen wird und die Hinterbliebenen nicht versorgt sind, dann ist für solche Fälle doch dieser Fonds da. Was will man denn sonst mit diesem Fonds machen? ({9}) - Die Sache ist nicht scherzhaft genug, als daß sie diese schlechten Zwischenrufe vertrüge, meine Herren Kollegen. Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen. ({10}) Wer sich selbst Versorgungsmöglichkeiten verschafft, wie sie sonst im Erwerbsleben nicht zu erreichen sind, kann sie anderen nicht ablehnen, und Sie wissen, welche Wünsche noch an uns herangetragen werden. Wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird, werden wir uns nicht mehr gegen den Vorwurf wehren können, ein exklusiver Klub von Selbstversorgern zu sein. Man muß auch Maß halten können, wenn man im Parlament sitzt. Ich beantrage daher, den Entwurf nicht nur an den Vorstand des Bundestages zu überweisen, sondern auch an den Haushaltsausschuß, ({11}) in der Hoffnung, daß ihm dort nach einer rechnerischen Überprüfung ein Begräbnis erster Klasse beschieden sein möge. ({12})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat der Abgeordnete Brese.

Wilhelm Brese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Präsident Schmid hat vorhin bei der Begründung dieser Vorlage Ausführungen über die Stellung und die Arbeit des Abgeordneten gemacht, die ich durchaus unterstreiche. Es ist viel zu wenig bekannt, wie der Abgeordnete belastet ist. Ich bin seit 12 Jahren im Parlament. Ich war im Wirtschaftsrat und in den Bundestagen und bin stets Mitglied des Haushaltsausschusses gewesen und kann diese Ausführungen durchaus unterstreichen. Ich kann allerdings nicht den Ausführungen folgen, die dahin zielten, diese Vorlage anzunehmen. Ich will Ihnen die Gründe dafür sagen, die mich dazu bewegen, diese Vorlage abzulehnen. Gerade aus meiner Erfahrung im Haushaltsausschuß und aus meiner Arbeit weiß ich, daß wir als Abgeordnete dazu hier sind, den Ausgleich im Volke zu finden. Wir haben nach dem Zusammenbruch eine erfolgreiche Politik getrieben, das dürfen wir sagen. Ich muß Ihnen aber, wenn ich mir die heutige Lage vor Augen halte, sagen, daß wir jetzt an einem neuralgischen Punkt angekommen sind. Die Begehrlichkeit in unserem Volke überschlägt sich. Es werden Forderungen an uns herangetragen, die nach meiner Meinung nicht zu realisieren sind. ({0}) - Ja, Herr Professor Schmid, ich wußte, daß das kommen würde. Die Subventionen in der Landwirtschaft - wenn ich es einmal als Landwirt sagen soll - sind kein Geschenk an die Landwirtschaft, sondern sie dienen nur dazu, uns so einigermaßen, wie soll ich mich ausdrücken, ({1}) den Anschluß zu behalten. ({2}) Gerade wenn Sie die Landwirtschaft nennen, muß ich Ihnen sagen, daß ich aus der Kenntnis der Verhältnisse in der Landwirtschaft heraus diesen Gesetzentwurf ablehne; denn bei uns in der Landwirtschaft liegen die Dinge so, daß uns weite Kreise des Volkes weggelaufen sind und wir uns noch im Schatten des Wirtschaftswunders bewegen. ({3}) Aber ich komme nicht vom Thema ab und möchte jetzt sagen: Ich lehne den Gesetzentwurf ab, - ({4}) - Sie müssen ein bißchen leiser sein. Ich habe ein ganz gutes Organ. Sonst muß ich Sie überschreien, wenn Sie keine Ruhe halten. ({5}) Ich lehne den Gesetzentwurf ab, weil wir vor ganz schweren Entscheidungen stehen und weil uns dann kein Stand, der jetzt Forderungen an uns stellt, sagen darf: Für euch waren die Gelder da, aber wenn wir unsere Forderungen stellen, ist in den Kassen Ebbe. Es wird jetzt sehr viel davon gesprochen, daß sich inflationäre Tendenzen bemerkbar machen. Auch ich stehe auf dem Standpunkt, wenn wir nicht maßhalten, sondern unsere Forderungen an den Staat übersteigern, dann ist durchaus die Gefahr vorhanden, daß unser Geld sich wieder weiter entwertet. Unsere Generation hat zweimal schlechte Erfahrungen mit der Währung gemacht. Aus diesem Grunde könnte man die Befürchtung haben, daß unser Erspartes wieder verlorengeht. Dabei denke ich auch an uns Abgeordnete. Wir sind ja durchaus in der Lage, zu sparen und für unser Alter Geld zurückzulegen. ({6}) - Den möchten Sie sehen? Dann können Sie mich ansehen! ({7}) - Ja, mir ist in meinem Leben noch nie so leicht die Gelegenheit gegeben worden zu sparen als in der Zeit, in der ich Abgeordneter bin. ({8}) - Man darf schließlich doch noch seine Meinung sagen. Auch durch Gelächter lasse ich mich nicht durcheinanderbringen. Ich weiß - und das ist auch ein Grund für die Ablehnung -, daß im Volke der Gedanke an eine Inflation wieder spukt. Wenn wir jetzt für unser Alter vorsorgen und uns eine Rente oder Pension schaffen, dann wird man draußen sagen: Die haben schon selbst den Glauben verloren. An uns liegt es, dafür zu sorgen, wie die Entwicklung weitergehen soll. Ich sagte Ihnen schon: Wir stehen vor ganz harten Entscheidungen, und da möchte ich mir persönlich meine Entscheidungsfreiheit nicht nehmen lassen. Wir überfordern den Staat sowieso. Daß der Dienst, den wir am Staate leisten, bezahlt werden muß, ist eine Selbstverständlichkeit. Aber daß wir aus dieser Tätigkeit einen Beruf machen, ist keine Selbstverständlichkeit. Das entspricht nicht dem Leitbild, das ich von einem Abgeordneten habe. Ich sagte: Wir überfordern den Staat. Ich lese jetzt in einer Statistik, daß schon 35 Pfennig von jeder Mark für öffentliche Ausgaben abgegeben werden. ({9}) - Es kommt auf 5 Pfennig gar nicht an. Aber ich nehme auch diese Berichtigung an. Im übrigen weiß ich, daß man mit der Statistik natürlich so und so arbeiten kann. Nach meiner Meinung werden schon die höchsten Ansprüche an den Staat gestellt. Es ist allerhöchste Zeit, daß jeder einzelne die Verpflichtung spürt, für sich zu sorgen und sich nicht auf den Staat zu verlassen. ({10}) Die Landwirtschaft hat es Ihnen wahrscheinlich angetan. Ich empfehle Ihnen, in den Beruf hineinzugehen. Dann werden Sie eine andere Meinung davon bekommen. Ich kann Ihnen nur eins sagen: In der Landwirtschaft wird nicht etwa nur die 45-Stunden-Woche eingehalten, sondern da haben wir, jedenfalls für den selbständig Wirtschaftenden noch die 50-Stunden-Woche. Aber ich komme vom Thema ab, und das möchte ich nicht. Aus den geschilderten Gründen stehe ich auf dem Standpunkt, daß wir in dem Augenblick, wo sich die Begehrlichkeit überschlägt und wo immer neue Forderungen an den Staat gestellt werden, den Gesetzentwurf nicht annehmen sollten, sondern daß wir uns auf unsere eigene Kraft verlassen sollten. Wir geben damit dem ganzen Volke ein gutes Beispiel. Wenn wir diesen Weg gehen, die Sparguthaben garantieren und eine Politik des Ausgleichs betreiben, wird die Stabilität gewahrt bleiben und wir werden im Volke das größte Ansehen haben. Ich werde also diesen Gesetzentwurf ablehnen. ({11})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.

Margot Kalinke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001058, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als ich vor zwei Jahren einmal aufgefordert wurde, zu diesem Problem in der Presse Stellung zu nehmen, habe ich als Überschrift gewünscht: Man sollte ruhig darüber sprechen. Ich war aber der Meinung, man sollte in aller Sachlichkeit darüber sprechen und nicht allein vom eigenen Standort aus dazu Stellung nehmen. Ich kann hier nicht für die Fraktion der Deutschen Partei in ihrer Gesamtheit sprechen, aber ich rede für viele meiner Freunde, nicht nur in meiner Partei, sondern sicherlich auch in der Koalition, wenn ich sage, daß es in allen Fraktionen - auch in der sozialdemokratischen - selbstverständlich Meinungsverschiedenheiten über dieses Problem geben muß. Ich äußere mich zu dem Problem kritisch, nicht etwa wegen der Form, in welcher in der Presse hier und da dazu Stellung genommen worden ist, auch nicht wegen der Angriffe, die gegen einzelne Personen - nach meiner Auffassung auch sehr zu Unrecht - gerichtet worden sind, sondern wegen der Sache. In dieser Sache muß man den Zusammenhang aller einschlägigen Probleme sehen, unter anderem auch des Wunsches nach Sicherung für sich und die Familie im Alter und im Falle der Invalidität; denn das Problem der Sicherung bewegt selbstverständlich ein Volk nach zwei Kriegen. Deshalb muß man, wenn man ernst genommen werden will, alle Einwände gewissenhaft prüfen. Man sollte das Problem aber auch nicht aus der Situation des im Wohlstand Lebenden oder eines Bürgers sehen, dessen Leben unter einem Glücksstern steht, jedoch auch nicht - Herr Kohut hat das, meine ich, richtig gesagt - unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer Sonderklasse, eben der Bundestagsabgeordneten. Man sollte aber auch nicht so tun, als handle es sich hier um eine Versicherung aus eigener Kraft, wenn ganz offenkundig ist, daß zu irgendeinem Zeitpunkt die Versorgung aus der Kraft aller Steuerzahler bestritten werden muß. Ich möchte dafür Dank sagen, daß sich der Präsident Carlo Schmid einer so unangenehmen und schwierigen Aufgabe unterzogen hat. ({0}) Er hat gemeint, das Parlament sollte ein Rat der Weisen sein. Es ist, wie wir alle wissen, bestimmt kein Rat der Weisen. Ich möchte sagen: Der vorliegende Entwurf ist sicherlich nicht voller Weisheit. Mein Vorredner hat insoweit recht, als er sagte, daß das Problem nicht losgelöst werden kann von der Frage, inwieweit das Parlament Angehörigen freier Berufe vergleichbarer Art aus grundsätzlichen Erwägungen auch eine Versorgung gewähren muß. Der Herr Präsident Carlo Schmid sagte, der Abgeordnete müsse dazu bereit sein, für das Gemeinwohl zu stehen. Hier beginnt aber auch gerade die Verantwortung des Abgeordneten, für das Gemeinwohl Opfer zu bringen und Risiken zu tragen und - das halte ich für noch wichtiger - Vorbild zu sein. Wie wollen wir Abgeordneten in diesem Hause mit den so schwerwiegenden Problemen fertig werden, wenn wir unser eigenes Handeln nicht immer wieder daran messen, daß wir Vorbild zu sein haben, auch Vorbild für alle, die in vergleichbarer Situation als Ernährer an die Versorgung ihrer Familie denken müssen oder die für einen großen Menschenkreis verantwortlich an die Zukunft zu denken haben. Der Herr Präsident hat selbst gesagt, was an diesem Entwurf unvollkommen ist. Ich brauche den Inhalt der einzelnen Paragraphen nicht aufzuzählen. Es ist nur bedauerlich, daß nach so langjährigen Beratungen in kleinen Zirkeln dieses Hauses nichts Besseres aus der Sache herausgekommen ist. Ich möchte mich auch nicht mit denen identifizieren, die in der Öffentlichkeit jetzt sehr zu Recht die Rechnung aufgemacht haben, welch ein Geschäft jemand machen könnte, wenn er die Vorstellungen dieses Entwurfs zur Grundlage seiner künftigen Form zu sparen machte, und die es mit dem verglichen haben, was den übrigen Staatsbürgern auf diesem Gebiet gestattet ist. Der Herr Präsident hat gesagt: Eine Altersversorgung der Abgeordneten ist aus staatspolitischen Gründen notwendig. Dazu möchte ich ein volles Ja sagen; natürlich muß der Abgeordnete für sein Alter und für seine Familie eine Sicherung schaffen. Ich sage ja; aber es muß in anderer Form geschehen. Der Herr Präsident hat gesagt, die Vorstellung sei falsch, hier könne sich niemand durch ruhiges Sitzen im Parlament eine Pfründe erwerben. Es ist sicherlich keine Schande und verdient gelobt zu werden, daß der Präsident für uns alle hier gesagt hat, daß es unser aller Sorge sein muß, selbst gegen Windmühlenflügel zu ziehen, wenn es darum geht, Witwen und Waisen zu helfen. ) Man sollte diese Dinge mit der gleichen Ruhe und Sachlichkeit betrachten wie das, was Herr Kollege Kohut gesagt hat. Er hat festgestellt, daß - da wird ihm niemand hier im Hause widersprechen können - die Höhe der Unfallversicherung unter Umständen überprüft und die Frage der Verfügung über den Sonderfonds sehr sorgfältig untersucht werden sollte. Ich glaube, es ist nicht gut, daß sich hier ein Sonderfonds von 3 Millionen DM angesammelt hat. ({1}) - Ich weiß die Zahl nicht genau. ({2}) Wie hoch der Sonderfonds auch immer ist, wenn er nicht ausreicht, muß er erhöht werden; wenn er zu hoch ist, hätte besser für die Witwen gesorgt werden müssen. In keinem Fall sollte er dafür angesammelt sein, um als Gründungsfonds für eine zweifelhafte Form von Versicherung und Versorgung zu dienen. Lassen Sie mich - machen Sie es nicht so schwer - diejenigen unter Ihnen, die an dieser Entscheidung nicht interessiert sind und die Verantwortung nicht so spüren, herzlich bitten, uns und dem Teil des Parlaments, der sich damit sehr quält, wenigstens zuzuhören. Hier und anderswo ist gesagt worden, das gute Funktionieren des Parlaments hänge davon ab, ob diejenigen Abgeordneten in das Parlament kommen, die es für die Erfüllung der Aufgaben braucht. Dazu ist unendlich vieles zu sagen. Man kann auch den schönen Satz: für die Politik oder in der Politik oder von der Politik leben, auf das vielfältigste variieren. Es wäre ein Ideal verwirklicht, wenn das Wort des Präsidenten richtig wäre, daß die richtige Qualität und die Abkömmlichkeit der im Parlament tätigen Menschen aus ihrem Beruf allein davon abhängig sei, daß man unter gewissen Voraussetzungen 450 oder 550 DM Pension erwerben könne. Ich fürchte - und mit mir sicher sehr viele Kenner der politischen Schwierigkeiten, die alle Parteien bei der Aufstellung von Kandidaten haben -, daß das eintreffen wird, was Herr Rapp in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor etwa zwei Jahren festgestellt hat. Er sagte nämlich, es könne die Sorge entstehen, daß vor den Türen der Parteien und der Delegierten bei der Aufstellung der Kandidaten dann gerade diejenigen stünden, die sagten: Weil ich diese Pension haben muß, muß ich aufgestellt werden. Das wäre nicht die Voraussetzung für eine qualitative Verbesserung, wie sie denen etwa vorschwebt, die sich davon versprechen, daß man hiermit Qualitäten ins Parlament bekommt. Die zweite Frage: die Verjüngung des Parlaments. Dafür trifft genau dasselbe zu. Denken Sie an einen Mann von 35 Jahren, der dann in 30 Jahren vielleicht diese oder eine anders geartete Abgeordnetenversorgung haben soll. Ich hielte es für sehr falsch, wenn ein junger Mann, der sich mit 30 oder 40 Jahren dafür entscheidet, sich für das Gemeinwohl in der Politik zur Verfügung zu stellen, hiermit die Fragestellung verbindet: Was bekomme ich oder bekommt meine Familie, wenn ich 65 Jahre alt bin? ({3}) - Dieses Argument trägt in gar keinem Falle die Begründung für diese Art von Sicherung. Meine Herren und Damen, die Abgeordneten können - so hat der Herr Präsident gesagt - keine Lebensversicherung abschließen, weil sie im Alter nicht mehr aufgenommen werden. ({4}) - Ich will ganz gewiß diese Frage hier nicht untersuchen; denn das ist nicht der Hauptinhalt des Problems; aber es besteht kein Zweifel, daß derjenige, der erst im Alter und dann, wenn er krank ist, an seine Versorgung denkt, die Prinzipien, die wir alle hier gemeinsam vertreten, nicht erfüllt und daß er kein Vorbild ist. Denn Vorsorge zu treiben, Selbsthilfe zu üben und verantwortlich zu sein, ist doch zweifelsohne eine Aufgabe, an die man sich nicht erst jenseits der 60 erinnern soll, sondern die man schon vorher lösen muß. Hierzu wäre noch sehr viel zu sagen. Ich möchte nur noch ein Wort für die Sozialpolitik und für das Anliegen des Arbeitsministers sprechen, der, wie ich weiß, sich in dieser Frage sehr besorgt gezeigt hat. Der Kapitalwert dieser Versicherung kann schnell errechnet werden. Es ist undenkbar, daß in diesem Parlament noch eine Rentendebatte oder, wie Sie richtig gesagt haben, eine Aufwertungsdebatte oder eine Debatte um die Notwendigkeit des Sparens und der Erhaltung des Kaufwertes der Sparmark, eine Debatte über die Sicherung für die freien Berufe - sei es das Problem der Altersversorgung der Landwirtschaft, sei es das Problem der Altersversorgung der freien Berufe schlechthin - geführt wird, ohne daß die einen, die kollektive Sicherungen bevorzugen, unter Hinweis auf dieses Modell nach dem Zuschuß des Staates rufen werden und ohne daß die anderen, die das nicht möchten, in die größten Schwierigkeiten kommen werden. Ich sage für mich und vieler meiner Freunde zu diesem Problem: Selbstvorsorge ja, Sicherung für Abgeordnete selbstverständlich, aber Selbstsorge in dieser Form nein! Daß wir hier ein Modell für die Landtage schaffen würden, liegt für uns alle auf der Hand, die wir wissen, daß das Scheitern der Abgeordnetenversorgung in Bayern und das Schweigen über dieses Scheitern darauf beruhen, daß man den Vormarsch dieses Parlaments abwartet, um dann in den Landtagen nachzufolgen. Lassen Sie mich von den Problemen dieses Entwurfs nur noch ganz wenige nennen. Kein Indexdenken für Abgeordnete! Ehe wir zu einem Indexdenken kommen, sollten wir den Entwurf ablehnen. Keine Kaufwertsicherung für Abgeordnete, weil es Kaufwertsicherung nur durch Erhaltung unserer Währung und durch Maßhalten gibt! Kein Subventionsdenken für Abgeordnete, weil es Subventionen immer nur geben darf, wenn sie wahrhaft begründet sind zur Erhaltung eines Berufsstandes, einer Marktlage oder der besonderen Struktur von Gruppen unseres Volkes, Ich kann nur sagen, daß man bei diesen Problemen auch den Bauernhof nicht einseitig erwähnen sollte, wie man nicht einseitig vom Beamten sprechen und auch nicht die Beamtenversorgung als Modell heute für die Rentenversorgung, morgen für andere Forderungen nehmen kann. Vor uns steht das große Problem der Kriegsopferversorgung, der Altershilfe für freie Berufe und vieles mehr. Der Zuruf, der hier bei der Begründung gemacht wurde, daß die Kosten dieses Entwurfs nur so viel ausmachen würden wie die für die Wohnungsämter, war deshalb schlecht - damit wende ich mich an den Kollegen, der den Zuruf gemacht hat -, weil es, wenn das Ergebnis dieser Beratungen so unpopulär und so schlecht wäre wie das Ergebnis der Tätigkeit der Wohnungsämter, ein Unglück wäre, daß wir uns heute überhaupt damit befassen. Ich möchte zu der Sache nicht etwa nur nein sagen, wie es die Kollegen der FDP getan haben. Ich sage zur Versorgung der Abgeordneten ja, aber nicht so! Nun werden Sie mit Recht fragen: wie dann? Ich habe schon vor zwei Jahren gesagt, welche vielfältigen Möglichkeiten es gibt. Es gibt die Möglichkeit einer Unterstützungskasse Deutscher Bundestag, es gibt die Möglichkeit des Ehrensoldes, es gibt die Möglichkeit der Versorgung der Familie, es gibt die Möglichkeit eines Versicherungsvereins Deutscher Bundestag auf Gegenseitigkeit. Es gibt Formen freiwilliger und es gibt Formen der Zwangssicherung. In jedem Fall aber sollte die Vorsorge unter dem Gesichtspunkt behandelt werden, daß es nicht auf das Ob, aber sehr entscheidend auf das Wie ankommt. Wie dieser Entwurf gestaltet wird, wird nicht nur für die Zukunft der Sicherung der Mitglieder des Parlaments entscheidend sein, sondern auch für all die Menschen, die in unserem Volk noch bereit sind, Risiko zu tragen. Ich habe vor zwei Jahren in einem Aufsatz geschrieben - und ich stehe noch heute dazu -, daß man andere von einer Sache nur überzeugen kann, wenn man selbst von ihr überzeugt ist, und daß es den Abgeordneten, wenn sie selber nicht mehr an Formen eigenverantwortlicher Sicherung und an ihre Beständigkeit glauben, wenn sie selber Indexsicherungen gegenüber dem Währungsverfall und dem Kaufkraftverlust wünschen, nicht abgenommen werden kann, wenn sie anderen Staatsbürgern die Erfüllung entsprechender Wünsche versagen. Dieser Entwurf kann nicht im Vorstand des Bundestages behandelt werden; der Vorstand wäre überfordert. Abgesehen von der Aussprache im Ältestenrat, gegen die ich keine Bedenken habe, sollte die Entscheidung im Sozialpolitischen Ausschuß fallen. Die Parlamentarier, die dort beraten, kennen den Zusammenhang und sind sich der Verantwortung bewußt. ({5})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat nunmehr der Abgeordnete Eisenmann. Ich darf daran erinnern, daß wir heute noch eine sehr umfangreiche Tagesordnung zu erledigen haben.

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte an sich nicht gesprochen, aber, Herr Kollege Dr. Schmid, ich halte es doch für notwendig, zu einigen Punkten Ihrer Begründung Stellung zu nehmen. Es ehrt Sie sehr, daß Sie in Solidarität gegenüber den Damen und Herren dieses Hauses die Begründung des Antrags übernommen haben. Ich glaube allerdings, daß Sie in dieser Solidarität fast zu weit gegangen sind, da Sie ja in einigen Punkten - Sie haben die §§ 14, 20 und 22 genannt - durchaus nicht so mit der Vorlage einverstanden sind, wie man vielleicht nach Ihrer Rede insgesamt den Eindruck hätte haben können. ({0}) - Jawohl, ich habe Sie verstanden, Herr Kollege Schmid. Sie haben dann von dem Verhältnis gesprochen, das die Jugend, das überhaupt unser deutsches Volk zum Parlament und zur Demokratie haben müsse, und Sie haben Beispiele für die Verhältnisse in anderen Ländern, außerhalb Deutschlands, gebracht. Sie haben darauf hingewiesen, daß in England, den USA, Frankreich und den skandinavischen Ländern eine Diätenregelung auf der einen Seite und eine Alterspension auf der anderen Seite seit Jahr und Tag eine Selbstverständlichkeit sind. Herr Kollege Schmid, Sie sind sicher mit mir der Auffassung, daß in jenen Ländern ein Parlament besteht, das im Hinblick auf die Aufgabe der Kontrolle der RegieEisenmann rung echt funktioniert. Wir sind persönlich vielleicht gar nicht so sehr auseinander in der Auffassung, daß hier ein Unterschied besteht, daß Aufgaben, die dort in der Tat durchgeführt werden können, hier zur Zeit nicht durchgeführt werden. ({1}) - Bitte!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, sind Sie der Meinung, daß dieses Haus seiner Aufgabe, die Regierung in ihrer Tätigkeit zu kontrollieren, nicht nachkommt?

Otto Eisenmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000459, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Schmid, ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß dieses Hohe Haus diese Aufgabe erfüllen möchte. Die Oppositionsparteien dieses Hauses aber möchten diese Aufgabe etwas konkreter gestaltet sehen. Bei den Verhältnissen jedoch - damit komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herren in der Mitte dieses Hauses; Sie haben vorhin einen Zwischenruf gemacht -, wie sie nun einmal auf Grund des Wahlergebnisses vom September 1957 sind, ist es heute umgekehrt. Das wissen Sie doch. ({0}) Ich wollte das nur sagen, weil Herr Kollege Schmid angedeutet hat, welche Regelungen zur Zeit in anderen Ländern bestehen, in denen es ein funktionierendes Parlament im Sinne des Wechselspiels zwischen Parlament und Regierung gibt. Das zweite Problem ist das der Staatsverdrossenheit. Sie wissen, Herr Brese, ich bin ein Angehöriger der freien Berufe; es gibt für mich weder einen Bauernhof noch eine Beamtenversorgung noch ein Funktionärsgehalt noch sonst etwas. Ich weiß sehr wohl, Herr Kollege Schmid, um mit Ihnen zu sprechen, daß man sich mit den Dingen sehr auseinandersetzen muß, daß man arbeiten muß und daß man Sachkunde benötigt, wenn man im Ausschuß mitarbeiten will; daß es einen großen Zeitaufwand erfordert, wenn man zu der demokratischen Ordnung und zum Parlament überhaupt irgendeinen Beitrag leisten will. Aber ich bin der Auffassung, daß hier - Herr Kollege Dr. Kohut hat es angedeutet - eine Weiche gestellt ist. Es geht darum, ob man glaubt, durch solche Maßnahmen, die das Parlament selbständig beschließen kann - es ist hier Selbstversorger -, die Staatsverdrossenheit gebremst werden kann oder ob sie noch weiter geweckt wird. Das ist ein sehr ernstes Problem. Frau Kollegin Kalinke, auch Herr Dr. Kohut und Herr Kollege Brese haben es angedeutet. Wir haben - es ist ein abgedroschenes Wort; wenn Herr Dr. Schellenberg da wäre, würde gerade er es verstehen; denn er spricht öfter von diesem Problem - das Problem der Stiefkinder in der deutschen Sozialpolitik. Wir haben noch zu viele dieser Stiefkinder. Es ist für mich - das ist meine persönliche Auffassung -sagen, sie seien notwendig, um die Unabhängigkeit des Abgeordneten sicherzustellen. Ich glaube nicht, daß Sie es so meinten, wie ich es verstanden habe. Ich habe ja dazwischengerufen. Die Unabhängigkeit des Abgeordneten kann man - meine Damen und Herren, bitte, folgen Sie mir - weder erkaufen noch erzwingen durch eine Alterspension von 450 oder 460 DM. Diese innere Unabhängigkeit ist vorhanden oder ist nicht vorhanden. Sie haben es nicht so gemeint, aber ich muß es andeuten, weil das so hätte aufgefaßt werden können. Darum widerspreche ich. einfach nicht zu ertragen, daß wir uns hier über Dinge unterhalten, die uns unmittelbar selbst betreffen und von denen Sie, Herr Kollege Schmid, Ein weiteres Problem ist das der Ehrenamtlichkeit. Natürlich müssen die Damen und Herren, die sich hier in einer emsigen Arbeit für das parlamentarische Leben und für die Demokratie zur Verfügung stellen, entschädigt werden. Ich folge dem Gedanken des Kollegen Brese, der gesagt hat, die Diätenregelung sei angemessen, deshalb solle auch heute der Abgeordnete wie jeder andere Bürger einen Teil seines Einkommens, besser ausgedrückt, seines Entgeltes, dazu benützen, um eine Eigenvorsorge zu treffen. Diese Eigenvorsorge zu treffen, ist für jeden in diesem Hause eine Pflicht. Ich bin nicht der Auffassung - Sie sicher auch nicht, Herr Kollege Schmid -, daß eis an der Wiege eines einzigen Abgeordneten gestanden hat, daß er warten kann, bis er sich eines Tages selbst eine Versorgung durch eigenen Beschluß aufbauen kann. Vielmehr mußte jeder von uns ohne Ausnahme bisher eine Vorsorge für sich und seine Familie aus innerster Pflicht, aus sittlicher Verpflichtung gegenüber sich und seiner Familie treffen. Sie werden jetzt kommen: Viele der Heimatvertriebenen und andere Menschen haben durch die Währungsreform und die Inflation 1923 ihr Vermögen und anderes verloren. Das ist richtig. Trotzdem entbindet es dieses Hohe Haus und seine Abgeordneten nicht von der Eigenvorsorge und der Selbstverantwortung. Maßhalten ist zur Zeit das große Wort. Der Herr Bundeskanzler hat in diesen Tagen und Wochen den einen und den anderen der Präsidenten der großen deutschen Verbände, beider Tarifpartner, zu Besuch und sagt ihnen - ebenso wie der Herr Bundeswirtschaftsminister -: Wir müssen maßhalten! Ich möchte das auch diesem Hohen Hause zurufen. Wir müssen auch bei uns anfangen, maßzuhalten, und wir sollten daher diesen Entwurf nicht weiterverfolgen. Wenn die Mehrheit dieses Hauses diesen Entwurf aber beraten sehen möchte - Herr Kollege Professor Dr. Schmid, Sie haben angedeutet, welche technischen Schwierigkeiten bereits die Behandlung macht: Ältestenrat, Vorstand des Bundestages und dann Parlament; Herr Kollege Kohut hat gesagt, der Haushaltsausschuß möge mitberaten -, wenn dieser Entwurf, wie ich fürchte, auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses zur weiteren Behandlung bestimmten Ausschüssen zugeleitet werden sollte, müßte meiner Ansicht nach auch der Sozialpolitische Ausschuß zur Mitberatung herangezogen werden. Diesen Antrag möchte ich vorsorglich stellen. Ich knüpfe an das an, was die Frau Kollegin Kalinke gesagt hat. Man müßte dann nämlich gerade im Sozialpolitischen Ausschuß einmal die Dringlichkeitsstufen überprüfen und die wirklich vorhandene Not sozialschwacher Gruppen, wie der Kriegsopfer und anderer, abwägen. Ich glaube, daß dieser Entwurf, wenn man so die Dringlichkeitsstufen richtig festlegt, in der gegenwärtigen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages nicht mehr verabschiedet wird. Ich für meine Person lehne den Entwurf, jedenfalls in der jetzt vorgeschlagenen Form, aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Ich bin der Auffassung, Eigenvorsorge geht vor Selbstversorgung. Die Eigenverantwortung steht in dieser Frage in der Tat in einer Verbindung zur Staatsverdrossenheit auf der anderen Seite. ({1})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat nunmehr, nachdem alle anderen Wortmeldungen erledigt sind, der amtierende Bundestagspräsident.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von den Rednern, die nach mir gesprochen haben, sind eine ganze Reihe vortrefflicher Maximen entwickelt worden, denen ich fast ausnahmslos zustimmen kann. „Ein guter Mensch, wer wäre es nicht gerne; doch leider, die Verhältnisse, die sind nicht so", ({0}) zumindest nicht für jedermann in gleicher Weise ... Was das Sparen anbetrifft, so kann man z. B. sparen, indem man eine Lebensversicherung abschließt. Ich habe es getan. Mein „Bauernhof", auf Grund dessen ich sparen kann, ist mein Professorengehalt. Deswegen kann ich in einer Lebensversicherung sein. Andere haben solche Möglichkeiten nicht. Sie haben nichts anderes, als was sie für ihre Tätigkeit im Parlament bekommen. Und da frage ich wirklich - prüfe man sich doch auf Herz und Nieren! -, ob, wenn man seine Pflicht als Abgeordneter ernst nimmt, d. h. wenn man auch im Lande herumfährt und versucht, dem Volk draußen zu sagen, worum es in diesen Zeiten geht, noch sehr viel von dem übrigbleibt, was man hier bezieht! Vielleicht gilt das nicht für alle gleichermaßen. Aber für eine Reihe von Kollegen dieses Hauses gilt es in einem sehr erheblichen Umfang. ({1}) Das ist das eine, was ich sagen möchte. Das zweite: Der Entwurf sieht Freiwilligkeit vor. Niemand ist verpflichtet, von den Möglichkeiten Gebrauch zu machen, die das Gesetz gewährt. Ich z. B. werde davon keinen Gebrauch machen. Denn ich habe es, wie gesagt, nicht nötig. Wenn ich eines Tages hier und aus meinem Amt ausscheide, erhalte ich die Bezüge eines emeritierten Professors. Das wird für meine Familie und mich genügen. Aber andere sind nicht in dieser Lage, in der ich bin, und für diese möchte ich hier sprechen, nicht um eine Pfründenanwartschaft zu begründen, sondern um es möglich zu machen, daß dieses Haus seiner Aufgabe in Unabhängigkeit und Würde nachkommt! ({2}) Nun ein letztes Wort! Ich glaube, ich bin in dem, was ich von der Unabhängigkeit des Abgeordneten gesagt habe, gröblich mißverstanden worden. Ich meinte damit doch nicht, daß wir darum unabhängiger sind, weil wir oder weil einige von uns wissen: Wir bekommen, wenn wir hier ausscheiden, eine Rente von 400 oder von 450 Mark - so taxiere ich uns wirklich nicht ein. Nein, das habe ich nicht gemeint. Was ich gemeint hatte, ist, daß die Parteien, die Parteiorganisationen - wir wissen doch, welche Rolle sie bei der Aufstellung der Kandidaten zu den Wahlen spielen - es leichter haben werden, zu sagen: Dem Kollegen X oder Y ist jetzt ein ruhiger Lebensabend zu gönnen, während wir doch ein paar jüngere Kollegen ins Parlament bringen sollten. Es ist uns leichter, dem alten Kollegen zu sagen: „Komm, finde dich damit ab, du wirst nicht wieder aufgestellt", wenn wir wissen, daß er nun von der Pension wird leben können, wenn auch sehr bescheiden. Das ist es, was ich gemeint habe. Ich glaube nicht, daß sich irgendein junger begabter Mann oder eine junge begabte Frau, die sich für Politik interessieren, deswegen wählen lassen werden, weil sie nach 30 Jahren eine Rente von 400 oder 450 Mark bekommen, - für die sie mehr bezahlt haben werden, als sie herausbekommen. ({3}) Nun die Frage der Ausschüsse, an die der Entwurf überwiesen werden soll. Mein Vorschlag bezüglich des Ältestenrats war nicht etwa ein Antrag, den Ältestenrat als einen Ausschuß zu betrachten - das ist er nicht -, sondern es war ein Rat, man sollte den Ältestenrat damit befassen. Der Vorstand wäre ein Ausschuß im Sinne unserer Geschäftsordnung; er könnte nicht bloß beraten, sondern auch beschließen. Die Mitwirkung des Haushaltsausschusses zur Mitberatung versteht sich von selbst. Die Frage ist: Sozialpolitischer Ausschuß oder nicht? ({4}) Ich habe dazu keine besondere Meinung. Ich halte dieses Gesetz - ich bitte, mich richtig zu verstehen, und ich sage es genauso, wie ich es meine - nicht für eine Sache der Sozialpolitik, sondern für ein Gesetz unserer Verfassungsordnung! ({5})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, entsprechend den Vorschlägen von Herrn Schmid zu verfahren: daß sich zunächst der Ältestenrat mit der Vorlage befaßt und daß sie formal an den Bundestagsvorstand - federführend - und zur Mitberatung an den Haushaltsausschuß überwiesen wird. Diese Vorschläge habe ich soeben Ihren Äußerungen entnommen. Das scheint mir ziemlich unstrittig zu sein. Ich bitte Sie hierzu zuVizepräsident Dr. Preusker nächst, wenn Sie zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Bei wenigen Gegenstimmen so beschlossen! Dann war noch von den Abgeordneten Frau Kalinke und Eisenmann beantragt worden, mitberatend auch den Sozialpolitischen Ausschuß damit zu befassen. Ich bitte diejenigen, die dem zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die überwältigende Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Ich rufe nunmehr Punkt 7 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik sowie zur Einführung der Vorschriften über die Gemeinlast und weiterer sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften im Saarland ({0}) ({1}), a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({3}) b) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({4}) ({5}) ({6}). Der Berichterstatter zu Punkt 7a, Abgeordneter Seidel ({7}), hat auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet; er verweist auf seinen Bericht. Berichterstatter zu Punkt 7b ist Herr Abgeordneter Baldauf. - Bitte, Herr Abgeordneter Baldauf!

Albert Baldauf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000082, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über Bundeszuschüsse und Gemeinlast hat in erster Linie die Neufestsetzung der Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten aus Anlaß der wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik zum Inhalt. Die Vorschriften der Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze über die Bundeszuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten sind in den saarländischen Angleichungsgesetzen Nr. 590 und Nr. 591 vom 13. Juli 1957 dahin abgewandelt worden, daß die Zuschüsse bis zum Ende der Übergangszeit, also bis zum 5. Juli 1959, vom Saarland getragen werden. Die für das Saarland zu leistenden Zuschüsse sind bei der Festsetzung der Höhe der Bundeszuschüsse nicht berücksichtigt und in den Gesetzen Nr. 590 und Nr. 591 gesondert festgesetzt worden. Diese Sonderregelung ist durch das 5. Überleitungsgesetz vom 30. Juni 1959 bis zum 31. Dezember 1959 verlängert worden. Vom 1. Januar 1960 an hat der Bund die Zuschüsse zu den Rentenversicherungen der Arbeiter und der Angestellten im Saarland zu tragen. Es ist daher erforderlich, die Höhe der Bundeszuschüsse von diesem Zeitpunkt an neu festzusetzen. Nach dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf sollen die nach den Gesetzen Nr. 590 und Nr. 591 vom Saarland zu leistenden Zuschüsse den nach den Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetzen vom Bund zu leistenden Zuschüssen hinzugerechnet werden. Der Gesetzentwurf hat außerdem die Einführung der im übrigen Bundesgebiet geltenden Vorschriften über das Gemeinlastverfahren in der Rentenversicherung der Arbeiter sowie der Vorschriften über die Kinderzulage in der gesetzlichen Unfallversicherung und über den Knappschaftssold in der knappschaftlichen Rentenversicherung im Saarland zum Inhalt. Der Bundesrat hat in seiner 212. Sitzung am 4. Dezember 1959 beschlossen, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben. Denselben Beschluß haben der Ausschuß für Sozialpolitik des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung am 28. Januar und der Haushaltsausschuß in seiner Sitzung am 10. Februar 1960 gefaßt. Im Auftrag des Sozialpolitischen Ausschusses bitte ich Sie, seinem Antrag in Drucksache 1607 entsprechend, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. ({0})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Sie haben den Berichterstatter gehört. Wir treten in die zweite Lesung ein. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe auf die Artikel 1, 2, 3, 4, 5, Einleitung und Überschrift. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Ich eröffne die dritte Beratung. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe ,die dritte Beratung. Wer dem Gesetzentwurf in der soeben in zweiter Beratung angenommenen Fassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Wir kommen zum letzten Punkt der heutigen Tagesordnung, Punkt 9: a) Große Anfrage der Fraktion der SPD betr. Abkommen zwischen Bund und Ländern über Fragen der Kulturpolitik ({0}) ; b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Wissenschaftsrat" ({1}); c) Große Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" ({2}). Vizepräsident Dr. Preusker Ich frage zunächst, wer von der Fraktion der SPD die Große Anfrage zu begründen wünscht. - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Frede.

Dr. Günter Frede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000575, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf daran erinnern, daß meine Fraktion vor zwei Jahren eine Anfrage über den Ausbau der technischen Bildungseinrichtungen und über die Heranbildung von Technikern, Naturwissenschaftlern und Ingenieuren eingebracht hat und daß diese Anfrage dann im April zu einer allgemeinen kulturpolitischen Debatte im Hohen Hause führte. Wir haben es begrüßt, daß der Herr Innenminister die Gelegenheit wahrgenommen hat, seine Vorstellungen über die Kulturpolitik, insbesondere über die Förderung des Bildungswesens und der Wissenschaft, in umfassender Weise darzulegen. Wir haben es begrüßt, daß von den Vertretern aller Parteien deren Ausbau gefordert wurde. Je mehr Verständnis in diesem Hohen Hause und darüber hinaus in der Öffentlichkeit für die so lebensnotwendigen Aufgaben gewonnen wird, die es in dem Bereich der Wissenschaft und Bildung zu lösen gilt, um so eher wird es möglich sein, konkrete Maßnahmen zu ihrer Bewältigung zu ergreifen und die Parlamente und nicht zuletzt auch die Bundesregierung dafür zu gewinnen. Das war bereits im 2. Bundestag unser Anliegen. Seit nunmehr vier bis fünf Jahren haben wir immer wieder Anträge und Anfragen und erneute Anträge in den Haushaltsberatungen für dieses Gebiet eingebracht; wir wollten auf diese Weise das Feld langsam lockern. Wir haben auch gesehen, daß etwas von der Saat schon aufgegangen ist; das können wir heute als positives Ergebnis buchen. Ich erinnere an drei Dinge: einmal an die Studentenförderung nach dem Honnefer Modell, die vor vier Jahren durchaus noch umstritten war, zweitens an die Bildung des Wissenschaftsrates, um dessen Gründung und Zusammensetzung ein sehr langer und heftiger Streit im Gange war, und drittens an die steigenden Aufwendungen, die nunmehr auch der Bund ganz allgemein für die Förderung der Wissenschaft macht. In der Darlegung des Herrn Bundesministers des Innern waren sehr viele, sehr treffende und sehr schöne Sätze enthalten, die wir voll und ganz unterstreichen. Er ist mit diesen Ausführungen sogar in die Annalen unserer Partei eingegangen. Als wir das Material über den Plan „Die Zukunft meistern", den Plan „Z", zusammenstellten, nahmen wir einen dieser Kernsätze mit auf, der uns damals so gefallen hat und uns auch heute noch gefällt. Es handelte sich um den Gedanken, daß die Aufwendungen für das Bildungswesen, für die Wissenschaft und Forschung unbedingt und ohne Rücksicht auf andere Ausgaben gemacht werden müssen, daß sie mit der Dringlichkeitsstufe Nummer eins zu bezeichnen sind, sie also im gegenwärtigen Zeitpunkt bei uns in der Bundesrepublik eine besondere Stelle in der Rangordnung der Werte einnehmen. Manch anderes schöne und hohe Wort wurde hier gelassen ausgesprochen. Wir und mit uns weite Kreise der Öffentlichkeit waren wirklich der Meinung, man könne sagen: Wir heißen euch hoffen. Ich darf aber nicht verhehlen, daß am Schluß der Ausführungen etwas kam, was man beinahe als einen Pferdefuß bezeichnen kann. Von der CDU/CSU wurde eine Entschließung eingebracht, in der die Bundesregierung ersucht wurde, auf der Grundlage der im Grundgesetz festgelegten Verteilung der Kompetenzen Verhandlungen mit den Ländern darüber aufzunehmen, welche Aufgaben auf dem Gebiet der Kulturpolitik vom Bund, von den Ländern oder von beiden gemeinsam zu tragen sind. Es kam dadurch der Verdacht auf - später zeigte sich, daß er berechtigt war, und das ist der Anlaß für die Große Anfrage, die wir heute behandeln -, daß man die ganze Angelegenheit auf ein Abstellgleis schieben wollte und daß man die Folgerungen, die sich notwendig aus den grundsätzlichen Erkenntnissen ergaben, in absehbarer und überschaubarer Zeit noch nicht zu realisieren bereit war. In der Tat hat sich gezeigt, daß unsere Bedenken berechtigt waren. Im Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik haben wir damals die Fragen sehr schnell behandelt. Wir haben den Antrag erweitert - es scheint mir wichtig zu sein, daß wir uns dessen erinnern - und haben betont, daß bei diesen Verhandlungen insbesondere die Fragen der Schulraumnot, des Lehrermangels und des Mangels an Lehrkräften an den wissenschaftlichen Hochschulen mit berücksichtigt werden sollen. Das ist ein kleiner Teil der vielen Dinge, die auf dem kulturpolitischen Sektor anstehen. Es handelt sich aber um einen besonders wichtigen Teil, den wir bei den künftigen Verhandlungen nicht ausklammern wollten. Ich erwähne das, damit Sie insbesondere die Ziffern 2, 3 und 4 unserer Großen Anfrage verstehen. Wir möchten nämlich gerne erfahren, ob bei den späteren Verhandlungen eine Einengung dadurch vorgenommen worden ist, daß man die Fragen der Schulraumnot, des Lehrermangels und des Mangels an Hochschullehrern von vornherein nicht berücksichtigt hat. Wir halten es nach wie vor für dringend erforderlich, diese Fragen in die Überlegungen einzubeziehen. Denn leider hat sich der Optimismus nicht als berechtigt erwiesen, den Herr Kollege Stoltenberg noch in der Lesung des Haushalts im Juni vergangenen Jahres zum Ausdruck brachte, daß doch, etwa in der Frage der Schulraumnot, eine sichtbare Besserung festzustellen sei. Herr Kollege Stoltenberg ging dabei offenbar von sehr konkreten Verhältnissen in seinem eigenen Land aus. Ich habe soeben eine ganz neue Statistik bekommen, der die amtlichen Erhebungen zugrunde liegen, die von den Kultusministerien gemacht worden sind. Da stellt sich - auch zu meiner Überraschung, muß ich sagen - heraus, daß die Zahl der fehlenden Schulräume - ohne Berücksichtigung etwa von Erweiterungen oder wesentlichen Verbesserungen - nach wie vor so erheblich ist - sie beträgt nämlich noch immer über 22 000 -, daß man sich wundern muß. Das hat seinen Grund aber darin, daß in einigen Ländern das neunte Schuljahr eingeführt worden ist. Im großen und ganzen zeigt sich, daß eine Veränderung dahin gehend vor sich geht oder vor sich gegangen ist, daß heute die Großstädte und die InDr. Frede dustriezentren in einer viel schlechteren Situation sind als das flache Land auf weite Strecken hin. Die Statistik zeigt z. B., daß in sieben Großstädten Nordrhein-Westfalens - also sicher eines Landes, das hinreichend Mittel für Schulbau besitzt und aufbringt - noch 1206 Klassen fehlen, das heißt, daß in 1206 Klassen Schichtunterricht erteilt werden muß, Ähnlich ist es in anderen Städten; ich könnte Beispiele auch von Hamburg, von Hannover und von süddeutschen Städten bringen. Im Grunde genommen sind wir also in der Frage der Beseitigung der Schulraumnot in den vergangenen zwei Jahren noch nicht wesentlich weitergekommen. Vergleichen Sie damit bitte die Anstrengungen, die im Nachbarland England gemacht werden. Ich will mich nur auf einen Satz beschränken, der durch die Presse ging und der authentisch ist: daß die britische Regierung ein großzügiges Schulbauprogramm in Höhe von 4,7 Milliarden DM aufgestellt hat, das sie in den Jahren von 1960 bis 1965 zu realisieren beabsichtigt. ({0}) - Das geschieht in einem Lande, wo die Verhältnisse bereits konsolidiert sind, während bei uns noch 22 000 Schulräume fehlen. ({1}) - Sie fehlen in England nicht in dem Umfange; dort ist es ein Ausbau über die Normalisierung des Schulwesens hinaus. Das ist das Wesentliche. An diesen Ausbau können wir ja noch gar nicht denken. Wir können auch nicht an die Realisierung des so notwendigen neunten Schuljahres herangehen, Herr Kollege Stoltenberg, abgesehen von der Frage des Lehrermangels. Nein, die Dinge liegen dort etwas anders als hier. Wir sollten das in allem Ernst erkennen. Die Einbeziehung der zweiten Frage, die des Lehrermangels und des Mangels an wissenschaftlichen Lehrkräften, sollte nicht beinhalten, daß hier etwa eine Kompetenz des Bundes verlangt wird. Die Frage ist nur deshalb einbezogen, weil naturgemäß Personalausgaben oder Ausgaben, die sich durch die Heranbildung des Lehrpersonals ergeben, zwangsläufig in den Gesamtkomplex der Kulturetats der Länder hineinragen und dort eine sehr erhebliche Rolle spielen; ein Problem, das insbesondere sichtbar wird, wenn wir berücksichtigen, daß zunehmend von verschiedenen Seiten, insbesondere von den Ländern, aber auch vom Bund und von freien Stiftungen, Mittel für die Förderung der Wissenschaft ausgegeben werden, wodurch für die Länder Dauerleistungen erwachsen, die in einer beängstigenden Größenordnung auf sie zukommen - etwas, was die Finanzminister, auch die gutgesinntesten Finanzminister, in einige Sorge versetzt. Wir haben den Komplex der Sachausgaben, der Dotationen, die in Einzelfällen gegeben werden, der Hilfen, die vom Bund gegeben werden, im Zusammenhang mit den Personalausgaben zu sehen. Nun darf ich auf die Behandlung der Großen Anfrage zurückkommen. Am 3. Oktober 1958 wurde in der Sitzung in Berlin vom Plenum ein einstimmiger Beschluß gefaßt, und seither warten wir, was geschieht. Wir warten und - wir sind darin, glaube ich, mit der Regierungspartei völlig einig - halten es für dringend erwünscht, daß sehr bald etwas darüber verlautbart wird, was bisher aus den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern herausgekommen ist und welcher Weg sich abzeichnet, den die Bundesregierung und die Länder hierbei zu gehen gedenken. Ich erinnere daran, daß die CDU-Fraktion in der dritten Lesung des letzten Haushalts ebenfalls beantragt hat, die Bundesregierung möge die Verhandlungen mit den Ländern über die Abgrenzung der Zuständigkeiten im kulturellen Bereich baldmöglichst zum Abschluß bringen. Seither ist fast wieder ein Dreivierteljahr vergangen, und es ist noch kein Laut gegeben worden. Nein, es war auf weite Strecken hin Funkstille, vielleicht deshalb, weil der Herr Bundesminister des Innern im Augenblick gerade am Funk herumbastelte und dort reichlich beschäftigt war. Es können auch andere Gründe gewesen sein. Wir würden uns sehr freuen, sie zu hören, und wollen mit unserer Großen Anfrage wieder grünes Licht geben. Das heißt, wir wollen einmal hören, was geschehen ist. Wie denkt sich die Bundesregierung die weiteren Verhandlungen, und selche Ergebnisse haben, wie es in Ziffer 2 unserer Großen Anfrage heißt, die bisherigen Verhandlungen erbracht? Ich sagte vorhin, es besteht eine gewisse Befürchtung, daß hierbei einige Dinge unter den Tisch fallen. Wir haben deshalb in Ziffer 3 die Frage gestellt, ob nicht etwa eine Einengung dieses Beschlusses in den Verhandlungen erfolgt ist oder in Zukunft erfolgen wird. Genauso wichtig ist vielleicht die Frage unter Ziffer 4 unserer Großen Anfrage, ob sich eventuell hieraus Folgerungen nach einer anderen Seite ergeben, nämlich bei der Abgrenzung der Kompetenzen und der damit verbundenen Folgen in finanzieller Hinsicht. Wir fragen, ob derjenige, der gewisse Mittel aufbringt, daraus eine Erweiterung seiner Zuständigkeiten herzuleiten gedenkt, also auch verwaltungsmäßig auf die Gebiete Einfluß ausüben möchte, für die er etwas gibt. Daß diese Frage nicht so ganz unberechtigt ist, Herr Dr. Schröder, werden Sie uns wohl zugestehen, wenn ich an Ihre Worte im Bundesrat denke, eine Kulturautonomie der Länder sei nirgendwo schriftlich oder formal im Grundgesetz verankert. So manche andere Äußerungen deuten doch darauf hin, daß mit dieser Steigerung der Hilfen, die vom Bund aus gegeben werden, zugleich auch eine Steigerung des Einflusses erstrebt wird. Bei uns herrscht ein ganz seltsames Denken. Wenn man etwas gibt, möchte man unbedingt auch seine Finger drinhaben. Man vertraut dem anderen nicht, daß er das Geld ohne eine Staatsaufsicht sinnvoll verwendet. Das scheint mir auch hinter dem im vorigen Sommer bei den Etatberatungen gemachten Vorschlag zu stecken, daß der Bund sich doch im wesentlichen damit begnügen soll, die Einrichtungen zu übernehmen, die nach dem Königsteiner Abkommen von den Ländern gemeinsam getragen werden. Diese Einrichtungen soll er als überregionale Einrichtungen finanzieren, und er soll sie dann offensichtlich auch mit verwaltungsmäßigem Einfluß fördern. Solche Überlegungen scheinen auch bei anderen Äußerungen oder Bestrebungen vorhanden zu sein, die dahin zielen, ein, sagen wir einmal, Wissenschafts- oder Forschungsministerium zu errichten oder zumindest die entsprechende Abteilung im Innenministerium dazu auszubauen. Ich stelle hier nur die Frage, ohne selbst Stellung zu nehmen, um verständlich zu machen, weshalb wir in unserer Großen Anfrage dieses Problem mit aufgenommen haben. Ich möchte mich kurz fassen und komme zu Punkt 5 unserer Großen Anfrage, zu der Ihnen allen bekannten und Ihnen allen zugegangenen Denkschrift ich darf nicht sagen, Denkschrift des Bundesministers des Innern; denn es ist in der Tat eine Privatarbeit von Herrn Dr. Scheidemann, allerdings offensichtlich gedruckt mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern in derselben Form, in der vorher ähnliche Denkschriften amtlichen Charakters herausgegeben wurden, so daß man sich nicht zu wundern braucht, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, es sei eine Denkschrift, die die volle Billigung auch des Herrn Ministers selbst finde, obwohl es nur eine Privatarbeit ist. Sie wissen - ich will darauf nicht im einzelnen eingehen; das wird sich nachher in der Debatte noch ergeben -, daß diese Denkschrift einigen Wirbel hervorgerufen hat. Das ist gar nicht so schlimm. Wir begrüßen alles, was dazu dient, in der Öffentlichkeit diese Probleme aufzuzeigen und sichtbar zu machen, was für Notstände vorliegen. Das macht die Denkschrift ja in einer sehr begrüßenswerten Weise, indem sie aufzeigt, daß im Hochschulwesen ein Problem auf uns zukommt, das wir eigentlich schon lange hätten sehen müssen. Es ist ja nicht unbekannt, daß starke Jahrgänge aus den höheren Schulen jetzt auf die Universitäten rücken, daß wir dieses Problem noch nicht in vollem Maße gelöst haben, vielleicht auch nicht lösen konnten und daß, wenn es gelöst sein wird, ein großer Teil derer, die heute benachteiligt sind, weil sie einem stärkeren Geburtsjahrgang angehören, nichts mehr von den Maßnahmen haben wird, die infolge dieser Situation an den Hochschulen ergriffen werden -, und zwar von den Ländern und, da dieser Denkschrift ja Taten folgen werden, wohl auch demnächst vom Bund in verstärktem Umfange. Insofern ist die Denkschrift durchaus zu begrüßen. Ich verstehe auch, daß der Herr Minister sich sehr schnell von den Folgerungen distanziert hat, die die Denkschrift zieht, Folgerungen hinsichtlich der inneren Struktur der Hochschulen oder der Methode, mit der man eine Umorganisation im inneren Bereich der Hochschulen vornehmen sollte - die Frage des Herausprüfens und Ähnliches mehr. Sie haben zum Ausdruck gebracht, Herr Minister, daß Sie unsere heutige Anfrage begrüßen, insbesondere weil sie Ihnen Gelegenheit gibt, hierzu Stellung zu nehmen. Wir begrüßen das auch. Wir halten in der Tat jede restriktive Maßnahme, auch eine zeitbedingte, sofern sie nicht durch die Arbeitsplätze etwa im naturwissenschaftlich-technischen Bereich zwangsläufig bedingt ist, für verfehlt. Wir halten es für notwendig, als einzige Konsequenz aus der Denkschrift die Folgerung zu ziehen, daß nunmehr in verstärktem Maße und mit allen verfügbaren Mittel von Bund, Ländern und von privater Seite das Erforderliche getan wird, um diesen Notstand zu beseitigen, der ohne Frage - und von allen Stellen unbestritten - insbesondere auf dem Gebiet des Hochschulwesens da ist. Wir würden uns freuen, wenn man diesen konkreten Notstand zum Gegenstand bestimmter Maßnahmen machte und sich nicht allzusehr auf einen hypothetischen Notstand und die Notstandsgesetzgebung für diesen möglichen Fall konzentrierte, sondern für diesen konkreten Notstand ein Notstandsgesetz oder eine Notstandsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Notstände im Bereich von Wissenschaft und Forschung zustande brächte. ({2}) Das wäre eine dankbare und wirklich helfende Maßnahme, eine Maßnahme, die, wenn man die gesamtpolitische Situation betrachtet, dringlicher ist als ein Gesetz für einen allgemeinen Notstand und einen Eventualfall, der einmal eintreten könnte. Damit möchte ich den ersten Teil beschließen und kurz noch auf die Begründung des Gesetzentwurfs Drucksache 1314 eingehen. Dieser Gesetzentwurf sieht vor, daß der Wissenschaftsrat in einem gewissen Umfang erweitert, ich will nicht sagen: umgebildet wird, daß seine Autorität aber verstärkt wird. Ich darf mich darauf berufen, daß auch von amtlicher Seite, etwa im Bulletin der Bundesregierung von 1958, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht worden ist, welche Bedeutung man dieser Einrichtung beimißt, so, wenn es dort heißt: Es ist erforderlich gewesen, eine autoritative Stelle zu schaffen, die der deutschen Öffentlichkeit, den Parlamenten und Regierungen mit aller Überzeugungskraft vor Augen führt, wie der Stand der deutschen Wissenschaft zur Zeit im historischen und internationalen Vergleich zu bewerten ist, wo sich Nachholbedarf und fühlbare Lücken zeigen und welche Wege gewiesen werden können, um der Wissenschaft den ihr gebührenden Platz und Rang in der Wertordnung und Wertskala der staatlichen Aufgaben zu stellen. Unter den Aufgaben, die der Wissenschaftsrat zu lösen hat, ist die dringlichste und schwerste eine Aufgabe, die bisher von anderer Seite nicht gelöst worden ist, die man in diesem Umfang auch nicht angepackt hat, nämlich die, einen Gesamtüberblick, einen Gesamtplan über die erforderlichen Maßnahmen zu geben, die zu treffen sind, um die Notstände in der Wissenschaft zu beseitigen. Man sollte also einen Gesamtplan auf lange Zeit aufstellen, so wie man z. B. einen „Grünen Plan" aufgestellt hat, von dem gestern abend gesprochen wurde und über den wir noch sprechen werden. Man hat diesen „Grünen Plan" sehr hoch dotiert, hat dieses Jahr sogar noch einige hundert Millionen draufgepackt, wogegen nichts gesagt sein soll. Offenbar ist der Grüne Plan wesentlich attraktiver als ein Bildungsplan. Offenbar mißt man einem Bildungsplan nicht die gleiche Bedeutung bei wie einem „Grünen Plan". Das hängt mit der Wertordnung zusammen, die man den verschiedenen Dingen gibt. Dies ist vielleicht nicht nur in diesem Hause so, sondern allgemein. Oder nur bei der Regierung? Ich weiß es nicht und lasse es deshalb dahingestellt. Mit unserem Gesetzentwurf kommt es uns darauf an, die Stellung des Wissenschaftsrates zu stärken. Der Wissenschaftsrat soll nicht nur eine allgemeine Aufstellung geben, und es soll nicht mehr so sein, daß der Wissenschaftsrat jährlich nur dem Bundesministerium und den Länderministerien Unterlagen für die Vorhaben und für die benötigten Mittel unterbreitet, so daß wir dann nur die Ansätze im Entwurf des Haushaltsplans sehen. Was hatte diese Methode bisher zur Folge? Wir erlebten es in dem diesjährigen Haushalt wieder: Der Wissenschaftsrat nennt eine bestimmte Summe. Ich darf daran erinnern, daß es in diesem Jahre 205 Millionen Mark sind. Die Rektorenkonferenz hat diese Summe übernommen. Im Entwurf des Haushaltsplans erscheinen nun aber nicht etwa die vom Wissenschaftsrat beantragten Mittel - die einzelnen Vorhaben kennen wir auch nicht -, sondern es erscheint eine Summe, die die Ministerialbürokratie - in diesem Falle die des Innenministeriums, vielleicht im Einvernehmen mit den Ministerialbeamten der Länder - für erforderlich gehalten hat. Das Parlament kennt nicht die Ursache der Differenz zwischen den beantragten und den im Haushaltsplan angesetzten Mitteln; es weiß nicht, wieviel Geld tatsächlich notwendig ist und um welche Vorhaben es sich handelt. Herr Minister, Sie haben im Sommer eine Anzahl solcher Vorhaben aufgezählt. Ich finde das sehr verdienstvoll, Ich halte es aber für notwendig, daß sowohl dieses Haus als auch die Länderparlamente bei jeder Etatberatung in vollem Umfange Kenntnis von den Grundlagen haben, die der. Wissenschaftsrat erarbeitet hat, und zwar sowohl hinsichtlich des Gesamtplans als auch hinsichtlich der jährlichen Pläne. Die Abgeordneten in den Parlamenten müssen genauso wie die Regierungsbeamten in der Lage sein, zu beurteilen, ob etwas gestrichen werden kann und was bewilligt werden muß oder wo Änderungen vorgenommen werden können. Indem der Wissenschaftsrat in eine Stiftung umgewandelt wird, wird er bis zu einem gewissen Grade haushaltsfähig. Er hat nicht ein eigenes Vermögen zu verwalten, wenigstens nicht insoweit, als es sich um öffentliche Mittel handelt, vielmehr bleibt es dabei, daß die Mittel auf dem bisherigen Wege zugeteilt werden. Das Budgetrecht der Länderparlamente und dieses Hohen Hauses bleibt in vollem Umfange ebenso erhalten wie die Verwaltungszuständigkeit und das Kontrollrecht der Regierung. Vielleicht wird sich einmal im Wissenschaftsrat ein Zentrum bilden, bei dem sich Vermögen aus Spenden ansammelt, wie es beim Stifterverband z. B. der Fall ist, das dann der Wissenschaft zugute kommt. Es ist ja zu hoffen, daß in zunehmendem Maße auch Mittel aus Spenden anfallen, In den Vereinigten Staaten ist das in einem ganz anderen Umfange der Fall. Der Wissenschaftsrat hätte dies mit einzuplanen, in die Gesamtplanung mit aufzunehmen und uns dann ebenfalls vorzulegen. Auf Einzelheiten des Entwurfs möchte ich nicht eingehen. Die Organe der Stiftung - Vorstand, Kuratorium usw. - ergeben sich aus dem Charakter der Stiftung und ihren Aufgaben von selbst. In den Ausschüssen läßt sich darüber noch manches sagen. Ich möchte deshalb beantragen, diesen Initiativgesetzentwurf einmal dem Haushaltsausschuß, dann aber auch dem Kulturpolitischen Ausschuß und dem Innenausschuß - dem letzten am besten als federführendem - zu überweisen, damit wir Gelegenheit haben, im Zusammenhang mit dem dem Ausschuß bereits vorliegenden Gesetzentwurf über die Beseitigung der Schulraumnot als Folge des Krieges über den Gesamtkomplex zu beraten und zu einem vernünftigen Ergebnis zu kommen. Ich darf abschließend darauf hinweisen, daß wir uns in der Kompetenzverteilung hierbei bewußt auf die Gegebenheiten gestützt haben. Wir halten es aber für besonders günstig, im Wissenschaftsrat eine Plattform zu verstärken, auf der wie in keinem anderen Gremium Vertreter der Verwaltung auf der einen Seite, Vertreter der Wissenschaft auf der anderen Seite - wiederum Vertreter des Bundes und der Länder, wenn man dieses Gegenpaar nimmt - zugleich vertreten sind und damit ein Forumgespräch und eine Beschlußfassung möglich ist, die sonst offensichtlich nur sehr schwer herbeigeführt werden kann. Denn wenn es leichter wäre, hätten wir über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern schon einiges gehört. Aber wir werden es vielleicht jetzt hören. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesminister zur Beantwortung der Anfrage.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tage mit kulturpolitischen Debatten sind in diesem Hause selten. Leider entspricht die Besetzung des Hauses bei den kulturpolitischen Debatten nicht dem Seltenheitswert des Ereignisses. Das mag daran liegen, daß die kulturpolitischen Fragen, wie sie hier behandelt werden, einen so starken Einschuß rein verwaltungsmäßiger Gesichtspunkte haben, daß sie nicht das Interesse des ganzen Hauses gewinnen. Es handelt sich im ganzen um eine etwas zähflüssige Materie. Sie entbehrt der Anregungen, wie sie andere kulturelle Veranstaltungen leicht haben können. Aber trotzdem wollen wir uns diesem Gegenstand einmal intensiv zuwenden. Der Herr Vorredner hat bereits hervorgehoben, daß die letzte Debatte ähnlicher Art im April 1958 stattgefunden hat. Damals habe ich hier die Erwartung ausgesprochen, daß sich Bund und Länder über eine Abgrenzung der beiderseitigen Aufgabenbe5454 reiche verständigen sollten und auch könnten. Ich habe ganz klargemacht, daß ich diese Abgrenzung niemals als eine solche im Sinne eines Finanzausgleichs angesehen habe, sondern immer nur als den Versuch einer Verständigung über die Sachzuständigkeit, d. h. über die Wahrnehmung der Aufgaben selbst. Auf diesen Gedankengängen beruht auch der Bundestagsbeschluß vom 3. Oktober 1958, den wir damals in jener Berliner Sitzung gefaßt haben. Es ist der Beschluß, auf den sich Ziffer 1 der Großen Anfrage bezieht. Ich werde nun eine zusammengefaßte Anwort auf die beiden ersten Ziffern der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion geben. Die Besprechung des Herrn Bundeskanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder, die im Zuge jenes Bundestagsbeschlusses stattgefunden hat, war am 19. Dezember 1958. Das Ergebnis war, daß eine Verhandlungskommission eingesetzt wurde. Diese hat im April 1959 den ersten Entwurf eines von den Ländern gewünschten sogenannten Rahmenabkommens vorgelegt. In diesem Abkommen sind eine Reihe von Aufgabengebieten bezeichnet, die nach übereinstimmender Auffassung von Bund und Ländern gemeinsam zu behandeln sind. Die Zuständigkeiten auf diesen Gebieten sollten im Zuge von Einzelverhandlungen näher abgegrenzt werden. Keine Übereinstimmung, meine Damen und Herren, konnte auf zwei wichtigen Gebieten erzielt werden. Es handelte sich erstens um die Frage des Schulbaues und zweitens um die der Finanzierung von Forschungsinstituten überregionaler Bedeutung. Die Ländervertreter mußten danach neue Instruktionen von der Konferenz der Ministerpräsidenten einholen. Diese Konferenz der Ministerpräsidenten hat sich mit der Frage am 19. und 20. Juni 1959 in Kiel befaßt. Sie hat es abgelehnt, in den beiden offenen Punkten ein Entgegenkommen zu zeigen. Vor Wiederaufnahme der Verhandlungen sollte der zur Zeit amtierende Vorsitzende der Ministerkonferenz, Ministerpräsident von Hassel ({0}), ein Gespräch mit dem Herrn Bundeskanzler führen. Dieses Gespräch hat am 9. Dezember 1959 stattgefunden. Eine Einigung ist immer noch nicht erzielt. Es erschien auch richtig, bei diesem Einigungsversuch einige Umstände zu berücksichtigen, die in der Zwischenzeit eingetreten waren. Sie werden sich erinnern, daß das Bundesverfassungsgericht ein Urteil über die sogenannten Ausgleichsforderungen erlassen hat. Das Ergebnis der Verhandlungen darüber zwischen dem Finanzminister des Bundes und den Finanzministern der Länder erschien für den Versuch einer weiteren Einigung doch sehr wesentlich. Nun hat sich, wenn man den Nachrichten darüber trauen darf und davon ausgehen kann, daß sie sich schließlich in Fakten umsetzen werden, hier die Möglichkeit einer Einigung gezeigt, einer Einigung, die das Finanzvolumen der Länder auf Jahrzehnte hinaus um 275 Millionen DM erhöhen würde. Das kann nach meiner Meinung die Abgrenzungsverhandlungen, von denen wir gerade sprechen, beträchtlich erleichtern. Ich komme nun zur Antwort auf Ziffer 3 der Antrage. Die Bundesregierung hat sich in diesen Beratungen und Verhandlungen, wie ich schon sagte, um eine umfassende Regelung der Probleme bemüht. Das Ziel der Bundesregierung in diesen Verhandlungen ist eine Vereinbarung, die nach Maßgabe bestimmter beiderseits anerkannter Ordnungsprinzipien die Aufgabenteilung für alle Bereiche des kulturellen Lebens regeln soll. Ich bin der Meinung, daß die Lösung von Einzelproblemen nur Flickwerk bliebe und deswegen ausscheiden sollte. Nach unserer Auffassung muß die Regelung den Gesamtbereich im Blickfeld haben. Sie muß auf Jahre hinaus eine praktische Arbeitsgrundlage bieten. Zu den erwähnten Prinzipien gehört vor allem der Grundsatz der Subsidiarität. Der Bund wird nur dort eine Zuständigkeit für sich in Anspruch nehmen, wo die Lösung der Aufgabe die Kraft des einzelnen Landes ganz offensichtlich übersteigt. Das gilt dann, wenn die Aufgaben ihrer Natur nach nicht an den Bezirk eines einzelnen Landes gebunden sind, sondern das gesamte Bundesgebiet betreffen, also überregionale Bedeutung haben. Die Länder haben diesen Grundsatz bisher nicht anerkannt. Sie berufen sich vielmehr auf eine angeblich im Grundgesetz für sie verbriefte „Kulturhoheit". Meine Damen und Herren, ich habe in der vergangenen Zeit wiederholt hervorgehoben, daß in einer freiheitlich demokratischen Staatsordnung die Vokabeln „Kultur" und „Hoheit" nicht zu einem einzigen Wortbegriff verschmolzen werden können. Daran ändert nichts, daß dieser Terminus in der Vergangenheit unter anderem auch in parteiprogrammatischen Entschließungen, z. B. meiner eigenen Partei, gebraucht worden ist. Bei kritischer Betrachtung - und die Freiheit zu einer solchen kritischen Betrachtung haben wir doch sicher - stellt sich nämlich heraus, daß dieser Terminus ungenau, ja daß er irreführend ist. Denn es ist ein Kriterium des freiheitlichen Staates, daß in ihm die kulturelle Betätigung grundsätzlich nicht Gegenstand staatshoheitlicher Gebote und Verbote ist. Der freiheitliche Staat tritt in der Regel nur als Förderer kultureller Bestrebungen und Veranstaltungen auf, wenn deren kulturelle Bedeutung seine Unterstützung rechtfertigt. Das geschieht dadurch, daß der Staat entweder kulturelle Einrichtungen selbst schafft oder kulturellen Einrichtungen materielle und ideelle Hilfe gewährt. Die Diskussion der letzten Monate, nicht zuletzt auch die Diskussion um die Rundfunkprobleme, hat die Einsicht in den gerade geschilderten Tatbestand gestärkt. Ich begrüße das. Der Terminus „Kulturhoheit" sollte in Zukunft lieber nicht mehr verwendet werden. ({1}) Sicher ist aber, daß man sich nicht auf diesen Terminus im Sinne eines Ausschließlichkeit beanspruchenden Postulats berufen kann. Das Grundgesetz hat eine ausschließliche Länderzuständigkeit nicht gewollt. Dem Bund sind an verschiedenen Stellen des Grundgesetzes ausdrücklich Zuständigkeiten übertragen worden. Dabei lasse ich hier einmal ganz offen und unerörtert, wo und wieweit sich andere Aufgaben des Rundes aus der Natur der Sache ergeben. Entscheidend ist, daß die angestrebte Lösung den praktischen Notwendigkeiten Rechnung trägt, wie sie sich aus der alltäglichen Erfahrung der letzten zehn Jahre und aus der fortschreitenden Entwicklung ergeben haben. Deshalb handelt es sich hier nicht um eine, sagen wir einmal, juristisch-theoretische Preisfrage, sondern um eine den Bedürfnissen der Praxis genügende Abgrenzung einerseits und Zusammenarbeit andererseits. Ich komme zur Antwort auf die Ziffer 4 der Großen Anfrage: Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Gedanken, die ich gerade entwickelt habe? Die Bundesregierung denkt nicht an eine Grundgesetzänderung mit dem Ziel erweiterter kulturpolitischer Zuständigkeit des Bundes. Der Streit, der darüber draußen gelegentlich geführt wird und der offenbar dazu geführt hat, daß der verehrte Präsident der Ständigen Konferenz der Kultusminister, der Berliner Senator Tiburtius, gestern sein Amt als Vorsitzender der Kultusministerkonferenz niedergelegt hat, geht nach meiner Meinung an den, ich sage jetzt wieder: praktischen Lösungsmöglichkeiten vorbei. Es handelt sich nicht um die Erweiterung kulturpolitischer Zuständigkeit des Bundes, sondern lediglich um praktische Lösungen der gestellten Fragen. So wünscht die Bundesregierung - ich glaube in Übereinstimmung mit dem Hohen Hause - ein Abkommen, das unserem föderalistischen Staatsaufbau entspricht. Dabei ist von vornherein klar, daß der bei weitem größte Teil aller kulturellen Aufgaben in jedem Fall in der Sphäre der Länder bleibt. Dazu gehört in allererster Linie das gesamte Schulwesen, das doch ganz offensichtlich den größten Teil der praktischen Kulturbemühungen ausmacht. Die Kraft der Länder wird von solchen Aufgaben, die unzweifelhaft in ihrer Zuständigkeit liegen, in den nächsten Jahren mehr und mehr beansprucht werden. Daher liegt es im Interesse der Länder selbst, dort in einem gewissen Umfang entlastet zu werden, wo Art und Bedeutung der Aufgabe die Ländergrenzen sprengen. Das gilt ganz offensichtlich für die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Die richtige Einschätzung dieses Problems hat vor nun mehr als zehn .Jahren der Verfassungsgeber durchaus gehabt. Daraus, daß er in Art. 74 Ziffer 13 GG die Förderung der wissenschaftlichen Forschung ausdrücklich im Zuständigkeitskatalog des Bundes aufgeführt hat, ergibt sich, daß er damals bereits eine ganz zutreffende Einsicht in die überragende Wichtigkeit dieses Problems gehabt hat. Wissenschaftliche Forschung von heute ist mit der von vor fünfzig Jahren überhaupt nicht mehr zu vergleichen, ganz sicher aber nicht in zweifacher Beziehung: Einmal wirkt die Bedeutung der wissenschaftlichen Forschung heute auf alle Bereiche des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens ein; das brauche ich nicht länger auszuführen. Der andere entscheidende Gesichtspunkt ist der, daß der finanzielle Bedarf der wissenschaftlichen Forschung in den letzten fünfzig Jahren ganz gewaltig gewachsen ist und immer noch weiter steigt. Lassen Sie mich Ihnen dafür einige - wie ich glaube, ganz eindrucksvolle - Beispiele geben. So kostet z. B. das Großrechenzentrum, das augenblicklich in Darmstadt errichtet wird, etwa 11,5 Millionen DM. Die Jahresbetriebskosten dieses Großrechenzentrums sind nicht geringer als etwa 600 000 DM. Man vergleiche das einmal mit den kulturellen Anforderungen von vor 50 Jahren! Die Kosten eines Elektronenmikroskops, wie wir sie in dem sogenannten Großgeräte-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft benötigen, stellen sich auf 150 000 DM. Eine normale Großrechenanlage, wie die Hochschulen und die wissenschaftlichen Institute sie brauchen, kostet zirka 2,5 Millionen DM. Der Bau eines chemischen Hochschulinstituts verlangt heute einen Aufwand von 15 Millionen DM, die Einrichtung eines chemischen Hochschullaboratoriums verlangt einen Aufwand von etwa 300 000 DM und einen jährlichen Zuschußbetrag von etwa 60 000 DM. Meine Damen und Herren, das sind ganz wenige Zahlen, die man nach den verschiedensten Richtungen hin erweitern könnte. Aber sie machen ganz deutlich, daß es hier offensichtlich um Objekte geht, die aus den Dimensionen herausgewachsen sind, die vielleicht noch vor einigen Jahrzehnten als angemessen erscheinen mochten. Was ist das Ergebnis? Das Ergebnis dieser Betrachtung ist, daß es der Sinn der im Grundgesetz geschaffenen konkurrierenden Bundeszuständigkeit ist, der Notwendigkeit zu entsprechen, daß diese Aufgaben in großräumiger, das gesamte Bundesgebiet umfassender Planung mit dem Ziel angefaßt werden, den Einsatz der Mittel zu konzentrieren und zu rationalisieren. Daraus ergibt sich zwingend, daß die Standortwahl ohne Rücksicht auf Ländergrenzen unter übergeordneten Gesichtspunkten erfolgen muß. Ich möchte in diesem Zusammenhang lediglich anmerken, daß die Anforderungen der wissenschaftlichen Forschung heute bereits selbst die nationalen Grenzen überschreiten und auf manchen Gebieten Planung und Arbeitsteilung auf internationaler Ebene verlangen. Auch für die Planung des Ausbaus der Hochschulen sind solche übergeordneten Gesichtspunkte notwendig. Bestimmte Wissenschaftsgebiete verlangen zur Vermeidung von Fehlinvestitionen Arbeitsteilung. Wir erwarten konkrete Vorschläge in dieser Richtung von dem umfassenden Gesamtplan des Wissenschaftsrates. Der Wissenschaftsrat ist heute schon mehrfach erwähnt worden. Er ist eine Einrichtung, die den gerade gekennzeichneten Erfordernissen Rechnung trägt. Ihm haben Bund und Länder gemeinsam die Aufgabe gestellt, für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik zu planen. Seine Vorschläge und Empfehlungen werden noch im Laufe des ersten Halbjahres 1960 erwartet. Der Bericht des Wissenschaftsrates soll darlegen, welch gewaltiger Anstrengungen Bundesinnenminister Dr. Schröder es bedarf, um der deutschen Wissenschaft den ihr gebührenden Platz zu erhalten. Regionale Sonderinteressen werden zurücktreten müssen, wenn Fehlausgaben, die zu Lasten aller gehen würden, vermieden werden sollen. Bund und Länder werden sich, sobald der Plan vorliegt, überlegen müssen, wie er durch gemeinsame Arbeit zu verwirklichen ist. Ich erwähne am Rande, daß der niedersächsische Finanzminister im Blick auf die auf die Länder zukommenden neuen Aufgaben bereits gefordert hat, daß sich der Bund sogar an den laufenden Aufwendungen für die Hochschulen beteiligen solle. Seit 1956 hat der Bund an der Finanzierung des Aufbaus der Hochschulen, an der Ausstattung der Institute und an der Gerätebeschaffung tatkräftig mitgewirkt. Seit Bestehen des Wissenschaftsrates werden diese zusätzlichen Bundesmittel nach den Empfehlungen des Wissenschaftsrates verteilt. Die Landeskultusministerien haben dadurch weder etwas von ihrer Zuständigkeit noch ihrem Einfluß auf die Hochschulen eingebüßt. Dagegen ist dank der Mitwirkung des Bundes der Aufbau der Hochschulen und Forschungsinstitute beträchtlich gefördert worden. Lassen Sie mich dafür einige Beispiele geben. In den Rechnungsjahren 1958 und 1959 hat sich der Bund an 133 Bauvorhaben für wissenschaftliche Einrichtungen, dabei insbesondere an Hochschul-Bauvorhaben, beteiligt. In diesen beiden Jahren sind Mittel in Höhe von etwa 114 Millionen DM bewilligt worden. Der Ausbau aller Universitäten, Technischen und sonstigen Hochschulen mit Hilfe des Bundes ist in Angriff genommen. So werden z. B. an der Universität München zur Zeit 11 große Bauvorhaben durchgeführt, an deren Finanzierung der Bund beteiligt ist. Ich führe sie einmal auf, meine Damen und Herren, damit man entgegen anderen Annahmen sieht, wie intensiv und wie ins einzelne gehend die Förderung des Bundes hier ist. Zu diesen 11 Bauvorhaben gehören die Institutsgebäude der Philosophischen und Theologischen Fakultäten, das Hörsaalgebäude der Chemischen Institute, ein Neubau der Institute für Pharmazie und Lebensmittelchemie, der Wiederaufbau des Zoologischen Instituts, das Instituts- und Seminargebäude der Juristischen Fakultät, das Gebäude des Zoologisch-Parasitologischen Instituts, das Gebäude der Tierärztlichen Fakultät, der Neubau des Max-Pettenkofer-Instituts für Hygiene, der Neubau der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten, das Sonnenobservatorium der Sternwarte Wendelstein, das Anatomische Institut der Tierärztlichen Fakultät und schließlich der Neubau des Tierhygienischen und Tierpathologischen Instituts mit Versuchstierstallungen und Werkwohnungen. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß dieser Hinweis auf konkrete Objekte überzeugender ist als manche nur theoretische Betrachtung. Die Gesamtkosten dieser Bauvorhaben betragen mehr als 42 Millionen DM. Der Bund wird davon voraussichtlich etwa ein Drittel übernehmen. In den Rechnungsjahren 1958 und 1959 sind bereits etwa 8 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Weitere aufschlußreiche Beispiele dieser Art bieten die Universität Köln und die Technische Hochschule in Karlsruhe. Bei der Universität Köln beteiligt sich der Bund zur Zeit an vier Bauvorhaben, deren Gesamtkosten rund 41 Millionen DM ausmachen. Der Bund wird dazu voraussichtlich zwischen 14 und 15 Millionen DM beitragen. In den Rechnungsjahren 1958 und 1959 hat er bereits etwa 9 Millionen DM zur Verfügung gestellt. Bei der Technischen Hochschule Karlsruhe beteiligt sich der Bund an der Finanzierung von fünf größeren Bauvorhaben mit einem Gesamtkostenaufwand von etwa 24 Millionen DM. Der Bundesanteil beträgt voraussichtlich etwa 9 Millionen DM; davon sind bisher rund 3 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Auch an der finanziellen Förderung der Sachfonds der Hochschulen beteiligt sich der Bund. In den letzten vier Rechnungsjahren wurden vom Bund über 53 Millionen DM für die Verstärkung der Sachfonds der Hochschulen zur Verfügung gestellt. Der Abruf der Baumittel wird allerdings zum Teil durch die Notwendigkeit technischer Planung und die begrenzte Kapazität der Bauindustrie verzögert. Von den dem Wissenschaftsrat zur Verfügung gestellten Mitteln für den Ausbau von Hochschulen im Rechnungsjahr 1959 sind bisher etwas mehr als 28 Millionen DM - mehr als ein Drittel - nicht abgerufen worden. Dabei steht das Ende des Haushaltsjahres bereits vor der Tür. Ich erwähne diese Ziffern auch deshalb, um darauf hinzuwirken, daß sich alle unsere Kritiker wirklich auf dem Boden der Tatsachen halten. Das Ergebnis dieser Betrachtungen ist folgendes: Nicht die Änderung des Grundgesetzes ist ein Allheilmittel. Notwendig ist vielmehr die sach- und zeitgemäße Auslegung und Anwendung der grundgesetzlichen Bestimmungen. Der Bund hat nur den Wunsch, dasjenige zu tun, was die gesamte Öffentlichkeit mit Recht von ihm erwartet und was zum Besten des Ganzen unter voller Berücksichtigung der Aufgaben und der Möglichkeiten der Länder getan werden muß. So hat die Bundesregierung denn auch ganz konsequent den Ländern vorgeschlagen, die wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen, die bisher noch nach dem sogenannten Königsteiner Staatsabkommen der Länder finanziert werden, in die finanzielle Betreuung des Bundes zu übernehmen. Das Königsteiner Abkommen selbst bezeichnet diese Aufgaben und die Bedeutung dieser Institute als „über den allgemeinen Wirkungsbereich eines einzelnen Landes hinausgehend". Das Abkommen erkennt an, daß der Zuschußbedarf dieser Institute die finanzielle Leistungskraft eines einzelnen Landes übersteigt. Es liegt nun wirklich nahe, die Erfüllung solcher Aufgaben als Sache des Bundes anzuerkennen. Dabei ist selbstverständlich, daß die Verbindung der Institute mit der Hochschulforschung gewährleistet bleiben muß. Im übrigen ist auch nicht daran gedacht, die Vertretung der Länder in den BeschlußBundesminister Dr. Schröder gremien der Institute zu ändern, einerlei wie die Finanzierungsfrage geregelt wird. Nach dem bisherigen Verlauf der Besprechung ist jedoch anzunehmen, daß die Länder das Angebot einer Gesamtfinanzierung der Institute durch den Bund weiterhin ablehnen werden. ({2}) Vielleicht läßt sich aber ein Kompromiß erreichen, und wir versuchen, darauf hinzuzusteuern. Denn die Kosten für diese Institute - nicht zuletzt im Hinblick auf die Ansprüche der Kernenergieforschung - wachsen ständig. Die Länder würden also selbst bei einer eingeschränkten Beteiligung des Bundes noch eine starke Entlastung erfahren. Diese finanzielle Entlastung sollten sie nach unserer Meinung in erster Linie dem Schulbau und der Förderung des Lehrernachwuchses zugute kommen lassen. Eine direkte Unterstützung des Schulbaues durch den Bund, die ja oft diskutiert worden ist und über die sich mein Herr Vorredner ebenfalls verbreitet hat, dürfte in Zukunft aus der Betrachtung ausscheiden. Die erwähnten neuen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, die im Zuge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts über die Regelung der Ausgleichsforderungen geführt werden, sollen in der Tat - das ist übrigens die Meinung aller Beteiligten, nicht nur des Bundes - einen Schlußstrich unter das Kapitel der Kriegsfolgelasten ziehen, das, wie Sie wissen, bisher sehr oft für die Beanspruchung des Bundes auf dem Gebiet des Schulbaues angeführt worden ist. Der oft und zu Recht beklagte Schulnotstand ist in den letzten Jahren ganz wesentlich gemindert worden. Das wissen Sie alle aus den Gemeinden, in denen Sie zu Hause sind. Ich verweise auf eine der neuesten Veröffentlichungen von Professor Heckel, der sich gerade mit diesem Arbeitsgebiet eingehend befaßt hat. Er hat folgendes geschrieben: Von einer Reihe besonderer Brennpunkte der Schulraumnot, insbesondere von einigen sehr zerstörten westdeutschen Großstädten, und von solchen Orten abgesehen, deren Bevölkerung nach 1945 unverhältnismäßig angewachsen ist, ist der ärgste Mangel im wesentlichen überwunden. ... so ist doch nicht zu bestreiten, daß der Schichtunterricht im großen und ganzen die Ausnahme bildet und daß die äußeren Unterrichtsbedingungen sich in der Regel einem, wenn auch zunächst noch recht bescheidenen, Normalzustand einigermaßen genähert haben. Ich bin mit meinem Herrn Vorredner durchaus der Meinung, daß das Schulwesen sicherlich eines weiteren starken Ausbaues bedarf, nicht nur mit Rücksicht auf die Einführung des neunten Schuljahres auch in denjenigen Ländern, die es noch nicht eingeführt haben. Diese Aufgabe gehört aber zu den ureigenen Aufgaben der Länder. Ich halte es nicht für richtig, sie in Zukunft als unter die Verantwortung des Bundes fallend anzusehen. ({3}) Ich komme zu der Antwort auf die unter Ziffer 5 der Großen Anfrage gestellte Frage. Ich möchte zunächst einmal klarstellen - das gilt nicht für meine Herren Vorredner, aber für die in der Öffentlichkeit geäußerte Kritik -, daß die Bundesregierung zu einer Denkschrift über die Überfüllung der Hochschulen zweifellos berechtigt war. Ich sage das, wenn auch der eine oder andere meiner politischen Freunde in den Ländern anders darüber denkt. Er irrt dann, und ich will begründen, warum er irrt. Einmal ist die Mitarbeit der Bundesregierung an den Planungen des Wissenschaftsrates für den Ausbau der Hochschulen eine feststehende Tatsache. Zweitens ist es eine feststehende Tatsache, daß der Bund hierfür sehr bedeutende Mittel aufwendet. Und schließlich folgt daraus, daß er doch wohl auch eine Verantwortung für den sachgemäßen Einsatz der vom Hohen Hause bewilligten Mittel trägt. Der Herr Vorredner hat etwas gesagt, was ich nicht ganz wörtlich, aber dem Sinne nach wiedergeben kann: er hat sich etwas verwundert darüber ausgedrückt, daß man, wenn man Geld gibt, auch Einwirkung haben möchte. ({4}) - Beim Parteiengesetz ist das etwas anderes, da handelt es sich um idealistische Spenden; ({5}) darauf kann ich gleich zurückkommen. Die Bemerkung war aber sehr gut; ich kann meine Antwort deshalb gleich etwas erweitern. Ich meine folgendes. Abgesehen davon, daß bei karitativen Zuwendungen der Spender oft auch bestimmte Wünsche äußert - das kommt selbst bei karitativen Spenden vor! -, ist der natürliche Zusammenhang zwischen der Geldhingabe und dem Objekt, für das das Geld gegeben wird, doch mindestens der eines beträchtlichen Interesses. ({6}) - Herr Kollege Blachstein, wenn ich Sie sehe, dann denke ich natürlich immer nur an einen beatus possidens, aber auf einem ganz anderen Gebiet. Vielleicht nähern wir uns aber im Laufe des Jahres einander. Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß durch die Hingabe von Geld ein Interessenverhältnis begründet wird. Ich will jetzt einmal, wenn ich für die Bundesregierung spreche, vom Interessenverhältnis absehen; der Bund gehört mehr in die Kategorie der wirklich idealistischen Spender. ({7}) - Das Wort „Idealismus" erweckt auf der linken Seite des Hauses immer Heiterkeit. ({8}) - Ach so, nicht allgemein. Ich meine das durchaus ernsthaft. Ich staune manchmal darüber, mit welchem Idealismus - ich will jetzt einmal dieses Wort „Idealismus in Anführungszeichen setzen -, mit wie wenig Anspruch auf Mitwirkung der Bund oft große Leistungen erbringt. Sehen Sie sich einmal den britischen Haushalt und die britische Regierung in ihrem Verhältnis zu den, sagen wir einmal, örtlichen Lebensbereichen an. Die Briten haben eine Kunst entwickelt, in eleganter und unauffälliger Weise ({9}) - es ist ein sehr einschlägiges Beispiel -, ohne viele gesetzliche Bestimmungen durch Geld einen angemessenen Einfluß auszuüben. ({10}) - Herr Kollege, ich will gern gleich auf Ihre Frage zurückkommen, möchte aber diesen Gedanken nicht verlieren. Ich habe vom Interesse gesprochen. Aber davon abgesehen gibt es eine Verantwortung, und diese müssen wir unter allen Umständen wahrnehmen. Wenn wir die von den Steuerzahlern mühselig aufgebrachten Gelder nach einem vorgefaßten Plan verteilen, dann haben wir doch wohl gegenüber denjenigen, die wir besteuern müssen, ohne Zweifel die Verantwortung dafür, daß dieses Geld auch unter unserer Kontrolle ausgegeben und nicht -sozusagen - gutgläubig zur Verfügung gestellt wird. Für meinen Geschmack bleiben wir sehr oft hinter dem Minimum dessen zurück, was hier von allen als angemessen anerkannt werden müßte. - Bitte sehr, Herr Kollege.

Dr. Günter Frede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000575, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß gerade England unter Verzicht auf staatliche Einflußnahme in großzügiger Weise Mittel für die Wissenschaft und die Studentenförderung, etwa dem University Grants Committee, zur Verfügung stellt und darauf vertraut, daß diese Mittel auch ohne unmittelbare behördliche Beeinflussung und Beaufsichtigung in sinnvoller Weise verwendet werden? ({0})

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Kollege, ich kann darauf sehr leicht antworten. Die Betrachtung, die ich vorhin angestellt habe, war etwas umfassender. Aber jenem britischen Beispiel vergleichbar ist etwa das Verhältnis, das wir seit Jahren zur Deutschen Forschungsgemeinschaft haben. Wie Sie wissen, haben wir dieser Einrichtung das Geld tatsächlich in völligem Vertrauen zu ihrer Selbstverwaltung zur Verfügung gestellt. Das Ist sicherlich dem genannten britischen Beispiel absolut vergleichbar. Die Zeit reicht leider nicht aus, um die Einzelheiten aufzuzeigen, aber von der britischen Kunst, Schwierigkeiten-nicht mit Ländern, aber dort gibt es Schwierigkeiten mit den großen Kommunen - in einer hervorragenden, eleganten Weise durch die richtige Behandlung finanzieller Fragen zu überwinden, können wir noch lernen. Das ist jedenfalls meine Überzeugung. Den Vorschlägen des Wissenschaftsrates und des Deutschen Ausschusses für das Erziehurigs- und Bildungswesen greift. die Denkschrift, über die ich gerade gesprochen habe, nicht vor. Sie ist lediglich ein Diskussionsbeitrag, der Anregungen für die öffentliche Erörterung dieser Fragen gehen sollte und, wie das starke Echo zeigt, auch gegeben hat. Der Herr Vorredner war liebenswürdig genug, hervorzuheben, daß die Denkschrift ausdrücklich als Arbeit eines Referenten meines Hauses gekennzeichnet worden ist. Leider, Herr Kollege, haben sich nicht alle die Mühe gemacht, diesen Tatbestand nachdrücklich genug bei ihren öffentlichen Äußerungen zur Grundlage der Betrachtung zu machen. Ich habe oft den Eindruck gehabt, daß es sich leichter und offenbar auch mit größerem öffentlichem Widerhall gegen mich polemisiert als gegen einen Referenten des Innenministeriums. Trotzdem ist es nicht fair, rein aus Gründen der Publizität und der Polemik, die grundlegenden Tatsachen dabei leichthin wegzulassen. Für wertvoll halte ich - das möchte ich noch einmal hervorheben - die in der Denkschrift unter Mitarbeit des Statistischen Bundesamtes zum erstenmal gegebenen Zahlen- und Entwicklungsübersichten. Sie konnten nur von dem Statistischen Bundesamt - in Verbindung mit uns - und von keiner anderen Stelle in Deutschland gegeben werden. Diese Zahlen- und Entwicklungsübersichten bilden sicherlich eine notwendige Bereicherung des Materials für die anstehenden Erörterungen. Über einige in der Denkschrift ausgedrückte Meinungen des Referenten kann man verschiedener Auffassung sein. Diese Meinungen haben draußen sowohl Ablehnung als auch Zustimmung gefunden. Allgemein ist anerkannt worden, daß die Denkschrift - sowohl ihre Zahlen als auch die Auffassungen des Referenten - das Thema der Überfüllung der Hochschulen einer intensiven und breiten Diskussion zugeführt hat. Folgende Tatsachen möchte ich noch einmal hier festhalten. Nach unseren Schätzungen ist für 1965 mit etwa 285 000 deutschen und ausländischen Studenten zu rechnen. Dieses starke Anwachsen der Studentenzahlen beschränkt sich übrigens nicht auf Deutschland, sondern es ist, wie die mir vorliegenden Zahlen zeigen, eine internationale Erscheinung. Was läßt sich unter diesen Umständen tun? Auf längere Sicht kann die Hilfe nur im Ausbau der Hochschulen bestehen, das heißt in ihrem räumlichen Ausbau und in der Bereitstellung von mehr Lehrkräften. Zu diskutieren bleibt, auf welches Fassungsvermögen die Hochschulen vernünftigerweise ausgebaut werden sollen. Bei dem derzeitigen Stand der Erörterungen halte ich es für zweckmäßig, vor einer endgültigen Festlegung der Meinung der Bundesregierung die angekündigte Arbeit des Wissenschaftsrates abzuwarten. Nach meiner Meinung wird für die endgültige Entscheidung viel davon abhängen, ob wir uns entschließen können, anzuerkennen, daß die Führungsschicht in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts sehr verschiedene Funktionen zu erfüllen hat. Dieser Verschiedenheit der Funktionen der Führungsschicht sollte sich die Ausbildung des Nachwuchses anpassen. Nicht alle Führungskräfte werBundesminister Dr. Schröder den eine Ausbildung auf den wissenschaftlichen Hochschulen brauchen, die sich in der Berührung mit der wissenschaftlichen Forschung vollzieht. Für viele Funktionen wird eher die Spezialausbildung auf ,,Fachhochschulen" angemessen sein. Lassen Sie mich dafür ein Beispiel geben, von dem ich meine, daß es das Problem etwas beleuchtet. Bereits jetzt kommt bei uns auf einen Ingenieur ein Diplomingenieur. Das richtige Verhältnis wäre nach sachkundiger Meinung dagegen etwa vier Ingenieure auf einen Diplomingenieur. Mit anderen Worten: Die Betrachtungen über den Ausbau der Hochschulen dürfen die Bedeutung der Fachhochschulen nicht gering veranschlagen. In England kommen bei gleicher Einwohnerzahl und Gesellschaftsstruktur wie in Deutschland nur 18 Studenten auf 10 000 Einwohner. In Deutschland sind es 33. Ich lasse die Frage offen, ob England sich etwa in Zukunft umstellen wird. Sicher ist aber, daß es ein reich gegliedertes mittleres Bildungswesen vor allem in den Ingenieurschulen hat. Die Frage des Ausbaues der Hochschulkapazität hängt aber nicht nur von der richtigen Berücksichtigung der Fallschulbildung ab, sondern auch von der Einschätzung des Reservoirs der Hochschulbildungsfähigen. Ich weiß, daß die Meinungen über den Umfang dieses Reservoirs zwischen der sozialdemokratischen Opposition und mir auseinandergehen. Sicher wäre es verhängnisvoll, wollten wir das Reservoir unterschätzen und damit eine Kraftquelle nicht erschließen, die uns zur Verfügung stünde. Mindestens ebenso verhängnisvoll wäre es aber, wollte man die Begabungsreserven überschätzen und dem Ausbau der Hochschulen Zahlen zugrunde legen, die auch jene einschließen, die zwar den Anforderungen der Hochschule nicht genügen, jedoch in falschem Geltungsstreben und in Verkennung der richtigen Entwicklung ihrer Anlagen Kurs auf die Universität und Technische Hochschule nehmen. Sie treten damit eine Reise an, deren Endstation weder sie noch ihre Eltern befriedigt und die den Aufwand für die zu einem guten Teil aus öffentlichen Mitteln bezahlte Fahrkarte sicher nicht lohnt. In den letzten Monaten hat sich manche Stimme gemeldet, die darauf hingewiesen hat, daß man nicht unbedingt ein Hochschul- oder Staatsexamen abgelegt haben müsse, um sozusagen als hochschulgebildet anerkannt zu werden. Sicher muß die Hochschule, wie es ihrer Tradition jedenfalls bei uns entspricht, auch Platz haben für Menschen, die auf ihr ernsthaft studieren, ohne einen akademischen Grad zu erwerben oder ein Staatsexamen abzulegen. Hier wird es sich aber nicht um große Zahlen, sondern erfahrungsgemäß nur um wenige handeln. Welche Voraussetzungen sollen nun für ein Hochschulstudium überhaupt, insbesondere aber heute angesichts der Überfüllung der Hochschulen, verlangt werden? Meine Damen und Herren, alles Nachdenken darüber führt im Grunde doch immer wieder darauf zurück, am Abitur als dem wichtigsten Eingangstor zur Universität festzuhalten. Das gilt unbeschadet der Förderung eines zweiten Bildungsganges - um diese Problematik gleich von vornherein auszuräumen. Wer die Verhältnisse kennt und Gelegenheit gehabt hat, die Anforderungen verschiedener höherer Schulen miteinander zu vergleichen, wird immer wieder den Wunsch empfinden, die Anforderungen, die im Abitur gestellt werden, gleichmäßig über das ganze Land hin und möglichst gleichmäßig über die ganze Bundesrepublik hin den Anforderungen der Hochschulen entsprechend hoch anzusetzen. Was hier in den einzelnen Ländern selbst und in der Zusammenarbeit der Länder untereinander geschehen kann, mag heute unerörtert bleiben. Nun erlauben Sie mir noch eine umstrittene Frage anzuschneiden, nämlich diese: Was ist von Eignungsprüfungen nach einer gewissen Zeit des Studiums zu halten? Die Technischen Hochschulen kennen, wie Sie wissen, solche Eignungsprüfungen. Das Physikum der Mediziner und Philosophikum für die Bewerber des Lehramts an höheren Schulen erfüllen mindestens teilweise einen ähnlichen Zweck. Ich darf auch auf Frankreich verweisen, wo man sich von Jahr zu Jahr durch scharfe Zwischenprüfungen über die Studienerfolge seiner Studenten vergewissert. Ähnlich ist es in England und ganz besonders in den Vereinigten Staaten. Leider fehlen uns genaue Unterlagen über die Ergebnisse dieser Zwischenprüfungen. Von der Technischen Hochschule Aachen ist bekanntgeworden, daß bei ihren Zwischenprüfungen jährlich etwa ein Drittel der Studenten ausscheidet. Die Rektoren der deutschen Hochschulen haben - ich möchte das doch in Erinnerung bringen, weil gelegentlich das Bedürfnis bestand, mit der Polemikwelle etwas mitzugehen - lange vor Erscheinen der Denkschrift aus dem Innenministerium - am 27. Juni 1958 - auf einer Sitzung der Westdeutschen Rektorenkonferenz zum Thema „Überfüllung der Hochschulen" folgende Empfehlung Begeben: Die Westdeutsche Rektorenkonferenz empfiehlt den Fakultätentagen ({0}) und Fakultäten ({1}), nunmehr, da nach der Einsetzung des Honnefer Modells Rücksichten auf die soziale Situation des Prüflings nicht mehr notwendig sind, wissenschaftliche Prüfungen und insbesondere Zwischenprüfungen wieder mit voller Schärfe durchzuführen. Wohlgemerkt, meine Damen und Herren, das ist kein Erlaß aus dem Bundesministerium des Innern, sondern das ist das Wort der Westdeutschen Rektorenkonferenz. Diese Prüfungen sind das den wissenschaftlichen Hochschulen angemessene Mittel, ihrer Belastung mit ungeeigneten Studenten zu steuern. Die Zwischenprüfung soll natürlich nicht den Zweck haben, eine bestimmte Zahl von Studenten aus Platzmangel aus den Hochschulen „herauszuprüfen". Diesen Ausdruck in der Denkschrift, der auch dort bereits in Anführungszeichen gesetzt war, halte ich nicht für glücklich. Gemeint ist und war die Feststellung der Eignung nach einem strengen, aber studiengerechten Maßstab. Dabei war als Ergebnis ein Ausscheiden von vermutlich 25 Prozent erwartet worden. Ein Schlüssel dagegen zur mechanischen Drosselung der Studentenzahlen kann selbstverständlich nicht in Betracht gezogen werden, und damit befinde ich mich durchaus im Einklang mit der Empfehlung der Rektorenkonferenz. Lassen Sie mich zusammenfassen. Das dringendste Problem bleibt eine angemessene und sachgerechte Erweiterung der Hochschulen, sowohl räumlich als auch personell. Ein genaues Urteil über Umfang und finanziellen Aufwand wird, wie ich hoffe, in wenigen Monaten der Bericht des Wissenschaftsrats erlauben. Der derzeit praktizierte Numerus clausus muß so schnell wie möglich verschwinden. Von den 18 Universitäten haben im übrigen nur 3 - meine Damen und Herren, man muß sich die Namen dieser Universitäten einmal merken -, nämlich Erlangen, Münster und Saarbrücken, keine irgendwie geartete Zulassungsbeschränkung. Von den 8 Technischen Hochschulen hat nur Aachen keinen Numerus clausus. Hier wird der Notstand unserer Hochschulen mit aller Deutlichkeit sichtbar. Wir sollten gemeinsam alle Anstrengungen machen, ihn so schnell wie möglich zu beheben. Die Hochschulen sind das Herzstück unseres Bildungswesens. Von ihrer Gesundung und Entwicklung hängt für das künftige Schicksal unseres Volkes unendlich viel ab. Heute - und das ist eine Erkenntnis, die ja allmählich weltweit zu werden beginnt - entscheiden Begabung und Fleiß über den nationalen Wohlstand. Wir brauchen dafür jeden Begabten. Seine Ausbildung darf an wirtschaftlichen Schwierigkeiten seiner Familie nicht scheitern. Ich habe in meinen Ausführungen wiederholt auf künftige Entscheidungen, die nach dem erwarteten Bericht des Wissenschaftsrats erforderlich sein werden, hingewiesen und die Entscheidungen von diesem Bericht abhängig gemacht. Ich vermag heute nicht zu sagen, welche finanziellen Aufwendungen dieser Bericht für notwendig erachten wird. Ich bin aber ganz sicher, meine Damen und Herren, daß Bund und Länder diese neuen Aufgaben gemeinsam meistern werden. ({2})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Heck ({0}).

Dr. Bruno Heck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000837, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Begründung und Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD ist über viele Probleme gesprochen worden. Man könnte nun zu dem vielen vielerlei sagen. Ich halte es für nützlicher, zu nur einer Frage etwas zu sagen, und zwar möchte ich mich auf das Thema beschränken, das in Ziffer 5 der Großen Anfrage angesprochen ist, auf das Thema der Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen. Die Denkschrift, die der Ministerialrat Dr. Scheidemann dankenswerterweise ausgearbeitet hat, ist - darauf wurde schon hingewiesen - in der Öffentlichkeit sehr kontrovers behandelt worden. Ich war deswegen angenehm berührt, daß unser Kollege Frede in doch sehr gemessenen Worten sachlich zu dieser Denkschrift Stellung nahm. Er befand sich allerdings im Gegensatz zu Herrn Waldemar von Knoeringen, dessen Kommentar zu der Denkschrift wie folgt lautete - ich bitte den Herrn Präsidenten, zitieren zu dürfen -: Noch nie zuvor hat die Bundesregierung so grandios dokumentiert, wie unfähig sie ist, die Hochschulen-Bildungsprobleme des technischen Zeitalters zu bewältigen. Meine Damen und Herren, als ich das in der Zeitung las, fiel mir ein Wort Napoleons ein. Er hatte sich eines Tages einmal über die französische Literatur geärgert, und sein Kommentar lautete: Wir haben eine schlechte Literatur; schuld daran ist nur der Innenminister. ({0}) Dieser Kommentar des Herrn von Knoeringen mag vielleicht ein Beitrag zu seinem Bemühen sein, sich im Rahmen der langfristigeren Wahlvorbereitungen neben dem Herrn Bundesverteidigungsminister eine weitere negative Symbolfigur in der Gestalt des Herrn Bundesinnenministers zu schaffen. Ich glaube aber, zur sachlichen Erörterung des Problems trägt diese Art und Weise der Kommentierung nicht bei. Um was geht es eigentlich bei dem Thema, das mit der Denkschrift des Bundesinnenministeriums angesprochen worden ist? Es geht - ich sagte es schon - um die Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen. Das Problem, vor dem die wissenschaftlichen Hochschulen stehen, ist sehr viel älter als der aktuelle Aspekt von heute, der die Diskussion dieses Problems ausgelöst hat. Friedrich Schiller hat dieses Problem in einem Distichon über die Wissenschaft festgehalten. Er schreibt: Einem ist sie die hohe, die himmlische Göttin, dem anderen Eine tüchtige Kuh, die ihn mit Butter versorgt. Das, meine Damen und Herren, ist tatsächlich das Problem dieser Reform. Die Diskussion um die Bildungsreform in der Bundesrepublik und die Diskussion um die Reform unserer wissenschaftlichen Hochschulen gerät, vom einen wie vom anderen her gesehen, in Gefahr, am Ende beide Aufgaben, die unseren wissenschaftlichen Hochschulen gestellt sind, zu verfehlen. Ein Bildungssystem kann kein autonomes Dasein führen unabhängig von den geschichtlichen, gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und religiösen Gegebenheiten und Aufgaben, auf die hin allein ein Bildungswesen entworfen werden kann. Der derzeitige Reformplan ist überwiegend von den Bedürfnissen des technischen Zeitalters, näherhin des Zeitalters der Automation, der Elektronik und der nuklearen Energie, und dann noch von einigen soziologischen Überlegungen her gespeist. Was wird nun in diesem Zeitalter von den wissenschaftlichen Hochschulen erwartet? Im Grunde nichts anderes, als was zu allen Zeiten von den Universitäten, besonders von den Landesuniversitäten Dr. Heck ({1}) erwartet wurde. Die Landesuniversitäten sind von den Fürsten nicht zuletzt gegründet worden, weil sie sich für die Durchführung ihrer Aufgabe, nämlich der Herrschaft, ihre Berufsstände schaffen wollten, neben den übrigen Ständen den Verwaltungsstand. Hierbei ist nun sehr interessant, daß im 17. und 18. Jahrhundert die soziale Stufenleiter über die Geburtsstände hinweg auf dem Wege der Bildung erklommen werden konnte. Erst durch die Einführung des Abiturs durch Humboldt wurde die für das 19. Jahrhundert so charakteristische Verbindung zwischen Besitz und Bildung verfestigt. Diese Verbindung zwischen Besitz und Bildung war nicht nur ungerecht gegenüber den Nichtbesitzenden, sie war auch schlecht für die Bildung; denn sie unterwarf die Bildung im Laufe der weiteren Entwicklung immer mehr dem Gesetz des Besitzes und dem Gesetz des Erwerbs. Welche Möglichkeiten sind nun heute den wissenschaftlichen Hochschulen in unserer modernen Gesellschaft gegeben, Möglichkeiten, Bildung als gesellschaftliche Befähigung zu vermitteln, näherhin als Befähigung für die höheren Ämter und Berufe? Heute sind es nicht mehr Staaten und Kirchen allein, die als Institutionen irgendwelche Ämter verleihen und die für diese Ämter wissenschaftliche Bildung für notwendig halten. Neben dem Staat verleihen heute vielerlei gesellschaftliche Gruppen solche Ämter. In immer wachsendem Maße wird heute wissenschaftliche Bildung, ober besser gesagt, wissenschaftliche Ausbildung von immer mehr Gruppen für immer mehr Berufe gefordert. Das, meine Damen und Herren, ist eine Tatsache, an der keine Überlegung über die Aufgabe der wissenschaftlichen Hochschulen von heute vorbeigehen kann. Dabei ist gar nicht entscheidend, ob diese Entwicklung vorwiegend verursacht ist durch das gesellschaftliche Ansehen, das die Bildung an wissenschaftlichen Hochschulen genießt, oder durch den Nutzwert, den man sich von der wissenschaftlichen Ausbildung verspricht. Es hat wenig Sinn, die gesellschaftliche Wertschätzung wissenschaftlicher Bildung als unechtes Bildungsmotiv abtun zu wollen. Ganz im Gegenteil, meine Damen und Herren, diese Wertschätzung offenbart auch, wie im Volk noch ein ganz gutes Gefühl dafür vorhanden ist, daß es Werte gibt, die nicht in Mark und Pfennig umzusetzen sind und die höher sind als alles, was man sich mit Mark und Pfennig erwerben kann. ({2}) Entspricht aber nun - diese Frage muß gestellt werden - der gesellschaftlichen Wertschätzung wissenschaftlicher Bildung auch ein Selbstbewußtsein der wissenschaftlich Gebildeten, ein Selbstbewußtsein im Sinne eines Standesbewußtseins, das in gesellschaftlicher Haltung sichtbar wird, sichtbar durch die Wahrnehmung einer besonderen Verantwortung und einer besonderen Verpflichtung, ein Selbst- und Standesbewußtsein, das auf der anderen Seite auch wiederum von der Gesellschaft entsprechend respektiert würde? Das ist heute offensichtlich nicht der Fall. Ich meine, daß das seine Gründe habe. Wer heute das Staatsexamen oder das Doktordiplom einer wissenschaftlichen Hochschule in der Tasche hat, dem ist für sein Fachgebiet gegenüber der Gesellschaft bescheinigt, daß er wissenschaftlich mindestens mit ausreichendem Erfolg ausgebildet ist. Über seine Bildung ist mit dem Examensschein keine Aussage gemacht. Was alle Absolventen wissenschaftlicher Hochschulen heute noch gemeinsam haben, ist die Wissenschaftlichkeit ihrer Ausbildung, nicht aber die wissenschaftliche Bildung. Der Staat und die Organisationen, die Akademiker in Ämter und Stellen übernehmen, fragen ja auch in erster Linie nach der beruflich verwertbaren Wissensfülle und weniger nach der Bildung, die über ein Fachstudium erworben wurde. Was verspricht der Absolvent einer wissenschaftlichen Hochschule in dieser oder jener Stelle für diesen oder jenen Zweck zu leisten. Das ist heute, meine Damen und Herren, die erste und häufig leider auch die einzige Frage, die gestellt wird. Daß diese Frage gestellt wird, ist berechtigt. Daß nur diese Frage gestellt wird, müßte nachdenklich machen; denn das, meine Damen und Herren, führt dazu, daß die wissenschaftlich gebildete Schicht, die ja im allgemeinen berufen sein müßte, einen wesentlichen Teil der Führungsschicht unseres Volkes zu stellen, nur noch dazu da ist, Funktionen in der Gesellschaft zu übernehmen, für deren Ausübung wissenschaftliche Ausbildung notwendig oder nützlich ist. Gehlen sagt dazu folgendes - ich bitte den Herrn Präsidenten, zitieren zu dürfen-: Die Intellektuellen - er meint die Akademiker -haben es mit dem Geist zu tun, und der Geist läßt sich nicht in Fachwissen und Information auflösen. Es hilft nichts, man muß es bekennen: er will herrschen. Man kann dem Geist die Kompetenz nicht nehmen, über seine eigene Kompetenz zu entscheiden. Der Bildung und geistigen Qualifikation kommt ein auf das Individuum reflektiertes soziales Ansehen immer noch zu, wie gerade das Aufstiegsstreben selbst beweist; aber das durchaus legitime Bedürfnis des Geistes, der Wirklichkeit das Siegel des Gedankens aufzuprägen, läuft leer aus. Unser Gesamtsystem deckt sehr wesentliche Bedürfnisse, auch der Intellektuellen, das nach einem Arbeitsplatz, nach Daseinssicherheit, das nach Aufstieg, nach rechtlicher und politischer Gleichheit usw. Aber die von diesem Gesamtsystem nicht gedeckten Bedürfnisse kommen in die Außenlage, und zwar endgültig, so z. B. das nach überfunktionalen, vorbildhaften Autoritäten. Zusammenfassend möchte ich sagen: Die Veränderung der Gesellschaft hat dazu geführt, daß das Ansehen des einzelnen oder das Ansehen von Gruppen heute eng mit dem Begriff der Leistung in einem bestimmten Fach und für einen bestimmten Zweck verbunden ist. Die wisenschaftlichen Hochschulen vermitteln die Befähigung, in die anerkannte Leistungsschicht einzurücken. Das wird von den wissenschaftlichen Hochschulen in erster Linie erwartet, und das, meine Damen und Herren, leisten sie mehr oder weniger gut. Dr. Heck ({3}) Man mag der Auffassung sein, darin liege begründet, daß die wissenschaftliche Bildung zu kurz komme oder gar ausbleibe. Ich meine, das sei nur zum Teil richtig. Man mag dies beklagen, aber man darf daraus nicht den Schluß ziehen, die wissenschaftlichen Hochschulen seien als höchste und unentbehrliche Bildungsinstitutionen nur noch durch eine rigorose Beschränkung der Studentenzahl auf diejenigen zu retten, die sowohl für die wissenschaftliche Ausbildung als auch für die wissenschaftliche Bildung besonders befähigt sind. Sicher, die moderne Gesellschaft benötigt sehr viel mehr wissenschaftlich Ausgebildete als frühere Zeiten. Diese Menschen auszubilden ist Aufgabe der wissenschaftlichen Hochschulen und muß deren Aufgabe bleiben. Nun ist aber die Zahl der für eine wissenschaftliche Ausbildung noch Befähigten wesentlich größer als die Zahl derer, die darüber hinaus die Befähigung und den Willen zu einer wissenschaftlichen Bildung haben. Aus dieser Tatsache, meine Damen und Herren, sollten der Staat und die wissenschaftlichen Hochschulen die Konsequenzen ziehen. Man sollte nicht daran denken, die wissenschaftliche Ausbildung auch nur zu einem Teil von den wissenschaftlichen Hochschulen abzudrängen, einmal deswegen nicht, weil es kaum eine Möglichkeit gibt, die lediglich für die wissenschaftliche Ausbildung Befähigten auch nur mit einiger Sicherheit von denen zu unterscheiden, die darüber hinaus befähigt und gewillt sind, sich wissenschaftlich zu bilden, und zum anderen, weil die Zahl der wissenschaftlich Gebildeten nicht groß genug sein kann und es deswegen ratsam ist, allen wissenschaftlich Auszubildenden die Chance zu erhalten, von dem Geist wissenschaftlicher Bildung erfaßt zu werden. Meine Damen und Herren! Ich sagte, es gelte, für den Staat und die wissenschaftlichen Hochschulen daraus die Konsequenzen zu ziehen. Was heißt das nun? Der Staat muß erstens das Fassungsvermögen der bestehenden wissenschaftlichen Hochschulen his zu deren optimalen Größen ausbauen. Zweitens. Sollte sich ergeben - und das ist wahrscheinlich -, daß trotz dieses Ausbaues die vorhandenen wissenschaftlichen Hochschulen nicht ausreichen, müßten neue wissenschaftliche Hochschulen gegründet werden. Drittens. Die Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen müssen so erweitert und ergänzt werden, daß wieder eine solide wissenschaftliche Ausbildung aller Studierenden möglich ist und darüber hinaus wissenschaftliche Bildung all denen vermittelt werden kann, die dafür befähigt und dazu gewillt sind. Ich denke dabei unter anderem an die Vorschläge, die der Hofgeismarer Kreis der Öffentlichkeit unterbreitet hat. Die Anpassung an die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse und deren Bedürfnisse erfordert allerdings die volle Mitarbeit der wissenschaftlichen Hochschulen selbst. Ich glaube, daß die Regierungen und Parlamente der Länder sowie die Bundesregierung und dieses Hohe Haus ohne Unterschied der Parteien bereit und willens sind, das Ihre zum Ausbau und zur Reform der wissenschaftlichen Hochschulen beizutragen. Die Bemühungen darum sind ja auch schon seit Jahren im Gange. Sie können aus dem Entschließungsantrag ersehen, wie wir uns das weiterhin im einzelnen vorstellen. Mein Kollege Dr. Stoltenberg wird darüber noch ausführlicher sprechen. Wir sind uns aber darüber im klaren - ich wiederhole es , daß die eigentliche Reform von den wissenschaftlichen Hochschulen selbst durchgeführt werden muß. Darunter verstehe ich allerdings nicht nur den ergänzenden Umbau des Lehrkörpers. Nachdem in den vergangenen Jahren im allgemeinen nur von dem die Rede war, was die wissenschaftlichen Hochschulen vom Staat erwarten, darf und muß von dieser Stelle aus auch einmal davon gesprochen werden, was die Gesellschaft, was der Staat von den wissenschaftlichen Hochschulen erwartet: nicht nur die wissenschaftliche Ausbildung, nicht nur die Weiterführung der Forschung, sondern vornehmlich auch die wissenschaftliche Bildung. Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir hier eine erste Frage, die zunächst schockieren mag. Ich muß sie aber stellen, weil ich sie im wahren Sinne des -Wortes für „notwendig" halte. Sind die wissenschaftlichen Hochschulen überhaupt noch in der Lage, wissenschaftliche Bildung zu vermitteln? -Ich möchte Ihnen sagen, wie ich auf diese Frage gekommen bin. Sie drängte sich mir einfach auf, als ich 1945 vom Krieg nach Hause kam und mir meinen eigenen Weg zwischen 1933 und 1945 und den Weg der deutschen Universitäten sowie derer, die auf diesen Universitäten ausgebildet worden sind, klarzumachen suchte. Von welcher Schicht unseres Volkes hätte denn - neben dem Widerstand der Kirchen - der Widerstand gegen die perverse Lüge und gegen das infernalische Verbrechen des Nationalsozialismus am ehesten erwartet werden müssen? Doch wohl von den Professoren - Professor, meine Damen und Herren, kommt von dem lateinischen Wort „profiteri", und das heißt „bekennen" -, die ihr Leben und ihre Arbeit der Wahrheit um der Wahrheit willen verschrieben haben, und von denen, die auf unseren Universitäten zur Wahrheit hätten erzogen werden sollen. Sicher, es gab Bekenner unter ihnen, aber die überwiegende Mehrzahl hat geschwiegen oder sich der Tyrannei zur Verfügung gestellt. Ich sage das nicht, meine Damen und Herren, weil ich anklagen wollte; denn hier gilt nahezu für alle Schichten unseres Volkes die Mahnung: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!" Ich sage das, weil ich das beängstigende Gefühl nicht loswerde, daß wir uns im allgemeinen über die Frage, die zwölf Jahre Nationalsozialismus an uns stellen müssen, solange wir leben, wenigstens soweit wir diese zwölf Jahre bewußt und auch verantwortlich miterlebt haben, zu leicht in dem Bewußtsein beruhigen, nunmehr als Demokraten in einem demokratischen Staat zu leben. ({4}) Ich wage die These, daß die Periode des Nationalsozialismus nicht möglich gewesen wäre, wenn damals die wissenschaftlich ausgebildete Schicht unseres Volkes auch eine wissenschaftlich gebildete Dr. Heck ({5}) Schicht mit überfunktionaler vorbildhafter Autorität gewesen wäre. ({6}) Ich wage eine zweite These: Wenn die wissenschaftlich ausgebildete und auszubildende Schicht dieses demokratischen Staates nicht auch die wissenschaftlich gebildete Schicht mit überfunktionaler vorbildhafter Autorität wird, dann wird auch dieses demokratische Staatswesen einen Sturm schwerlich überstehen. Deswegen ist diese Frage so brennend, die Frage, ob unsere wissenschaftlichen Hochschulen heute imstande sind, über die wissenschaftliche Ausbildung auch die wissenschaftliche Bildung zu vermitteln. Denn davon wird ja auch abhängen, mit welcher Befähigung, zu bilden und zu erziehen, unsere Lehrer an unseren Schulen werden tätig sein können. Was ist nun das Ziel wissenschaftlicher Bildung? Doch wohl, den Menschen zu befähigen, im höchsten Sinne Mensch zu sein. Thomas von Aquin hat dies folgendermaßen formuliert ich zitiere ihn, weil ich keine bessere und keine umfassendere Definition gefunden habe -: „Das Ziel des menschlichen Lebens besteht darin, die ganze Ordnung des Universums und deren Ursachen in die Seele einzuschreiben." Ich kann mir keine umfassendere Definition dessen vorstellen, was den wissenschaftlichen Hochschulen als Bildungsaufgabe gestellt ist. Von hier aus ist die Frage aller Fragen an die wissenschaftlichen Hochschulen zu stellen: Sind die wissenschaftlichen Hochschulen dazu in der Lage, ja, sind sie dazu bereit? Die überlieferte Universität ist offensichtlich bedroht durch die Auflösung in ein Nebeneinander vielgestaltiger Fachhochschulen, denen die innere Einheit fehlt und die so immer mehr die Möglichkeit verlieren, aus einer inneren Einheit heraus zu wirken. Mit dieser inneren Einheit ist nicht die Einheit von Forschung und Lehre gemeint. Sie ist unumstritten und anerkannt, wenn auch nur in Bruchstücken noch verwirklicht. Gemeint ist auch nicht das Prinzip der Geistesfreiheit, das alle Disziplinen gemeinsam für sich beanspruchen und verwirklichen. Doch schon hier ist eine weitere Frage erlaubt und notwendig, nämlich die Frage, ob all diese Wissenschaften noch redlicherweise in der Lage sind, die Forderung nach der Freiheit der Wissenschaften in einem übereinstimmenden Sinne zu begründen. Die Freiheit der Wissenschaften wurde gefordert und anerkannt aus einem ganz bestimmten Verständnis der Wissenschaft, einem Verständnis, das sie ausschließlich in den Dienst der Wahrheit stellte. ist dieses Verständnis der Wissenschaft heute noch gültig, ist es von allen Wissenschaften heute noch anerkannt und für alle verbindlich? Das ist die Frage. Es scheint heute keine Übereinstimmung mehr darüber zu geben, was das Wesen der Wissenschaft sei, auch wenn es noch eine Einigung über manche Attribute wissenschaftlicher Arbeit geben mag. Professor Schumann aus Münster sagt dazu - ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, zitieren zu dürfen -: Die Einheit der Wissenschaft ist dadurch verlorengegangen, daß die Wissenschaften sich seit rund 100 Jahren nicht mehr um die Einheit der Wissenschaft bemüht haben. Die Einheit der Wissenschaft lag noch zu keiner Zeit auf der Straße. Sie war immer nur in dem Maße da, wie man sich um sie mühte. Seit rund 100 Jahren haben die Wissenschaften sich nicht mehr um ihre Einheit gemüht, weil sie fürchteten, diese Bemühung sei ein Hindernis für ihre eigene erfolgreiche Entwicklung. Die Wissenschaft kann sich aber nicht der Bemühung um ihre Einheit entziehen, ohne die Wahrheit zu verlieren und sich dem Nihilismus auszuliefern. Der Wahrheit aber können die einzelnen Wissenschaften nur verbunden bleiben, wenn sie über sich selbst hinausweisen auf das Gesamt der Wissenschaften. Nur so ist die Wissenschaft als die Gesamtheit aller wissenschaftlichen Disziplinen in der Lage -- ich erinnere an die Definition von Thomas von Aquin -, die gesamte Ordnung des Universums und deren Ursachen erkennend zu erforschen und erforschend zu erkennen. Nur so ist die Wissenschaft in der Lage, die gesamte Ordnung des Universums und deren Ursachen in die Seele einzuschreiben. Das, meine Damen und Herren, und nur das macht wissenschaftliche Bildung aus. Das nun scheint mir der große Auftrag zu sein, der unseren wissenschaftlichen Hochschulen neben der wissenschaftlichen Ausbildung heute drängender denn je gestellt ist. Ob unsere wissenschaftlichen Hochschulen diesen Auftrag annehmen und sich um ihn bemühen, entscheidet nicht nur darüber, ob wir künftighin noch zu Recht von der universitas literarum sprechen können. Das entscheidet darüber, ob die wissenschaftlichen Hochschulen ihren Bildungsauftrag noch verwirklichen können. Unser ganzes Volk ist heute in seiner staatlichen und gesellschaftlichen, ja seiner menschlichen Existenz darauf angewiesen, daß unsere wissenschaftlichen Hochschulen diesen Bildungsauftrag wieder zu erfüllen in der Lage und bereit sind. Professor Flitner sieht diese Notwendigkeit in ihrer geschichtlichen Bedingtheit: Auch seit die Monarchien verschwunden sind, seit der Adel aufgehört hat, seine Rolle in der Stabilisierung des Staats zu spielen, seit die Kirche sich vom Staat losgelöst hat, sind die Garantien für die Menschlichkeit in Gemeinwesen noch entschiedener als zuvor den akademischen Ämtern und Berufen anvertraut, so das Prinzip des Rechtsstaates, der sauberen und gerechten und die Wohlfahrt gesitteter Zustände umsorgenden Verwaltung, der geschichtliche Sinn, der Schutz des Glaubenslebens gegenüber Aberglauben und sophistischer Auflösung, die wissenschaftlich durchdachte Heilpraxis, die Lauterkeit und Wahrheit in der Lehre und im Jugendunterricht, und in alledem die Bewahrung der Person vor Sklaventum und Mißbrauch der Gewalt aller Art, also die Rechtssicherheit und äußere wie innere Freiheit der personalen Existenz inmitten moderner Öffentlichkeit. Dr. Heck ({7}) Wir laufen Gefahr, in der Wissenschaft in erster Linie, ja fast nur noch die tüchtige Kuh zu sehen, die uns mit Butter versorgt. Die Wissenschaft muß wieder die hohe, die himmlische Göttin werden, wenn wir nicht am Ende als Erfinder und Konstrukteure des modernen technischen Zeitalters auch dessen Opfer werden wollen. Die Wissenschaft, meine Damen und Herren, soll mit der Zeit gehen. Sie darf sich aber der Zeit, ich möchte sagen, nicht noch einmal unterwerfen. ({8})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, damit keine Mißverständnisse entstehen: Zum Vortrag von Zitaten ist die Genehmigung des Präsidenten nicht nötig. Nach der Geschäftsordnung ist nur eine Genehmigung zum Vorlesen erforderlich, aber die ist auch dann überflüssig, wenn alles verlesen wird. ({0}) Nächster Redner ist der Herr Abgeordneter Lohmar.

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf um Ihre Nachsicht bitten, wenn ich Sie aus den Höhenflügen unseres Kollegen Dr. Heck in die Niederungen der Kulturpolitik zurückführen muß, von der zu reden heute auch unsere Aufgabe ist. I Um zunächst auf die Beantwortung der Großen Anfrage der SPD durch den Herrn Bundesminister des Innern zurückzukommen: er hatte seinen Vortrag offenbar in den geistigen Rahmen eingebettet, den der Bundestagspräsident bei zweien seiner Vorträge, in Göttingen und in Mainz, gezogen hat. Dort hat Dr. Gerstenmaier - so berichtete die Presse - ausgeführt, man müsse sich der gemeinsamen Verantwortung für die Zukunft der deutschen Kultur erinnern und dürfe auch die Probleme der Kulturpolitik nicht zu einer Angelegenheit machen, die sich in Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern erschöpfe. Nun, der Herr Bundesminister des Innern hat dieser Darlegung mit den ihm eigenen Worten einen etwas anderen Dreh gegeben, wenn ich so sagen darf. ({0}) Er sprach in diesem Zusammenhang von der „sachund zeitgerechten Auslegung" des Grundgesetzes. Eine für einen Juristen - verzeihen Sie, Herr Bundesminister! - bemerkenswert unklare Formulierung! ({1}) Weiterhin haben Sie auf die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern hingewiesen. Diese gemeinsame Verantwortung schließt allerdings die Notwendigkeit ein, in der heutigen Debatte die entscheidenden Fragen - wenn sie im Rahmen von Bund und Ländern aufgeworfen werden - auch an die Christlich-Demokratische Union im Bund und in den Ländern zu richten. Das bedeutet, daß man nicht nur die Möglichkeiten feststellt, die sich in der Bundesrepublik ergeben, sondern daß man nach allen kulturpolitischen Problemen fragt, die gelöst werden müssen. Sie erinnern sich daran, daß die Sozialdemokraten vor geraumer Zeit in ihrem „Plan Zukunft" der Öffentlichkeit eine Darstellung der kulturpolitischen Aufgaben sowie einen Vorschlag zu iher Bewältigung unterbreitet haben. Manchem Kritiker dieses „Planes Z" ist es ebenso ergangen wie manchem Kritiker des Deutschland-Planes. Der eine oder andere hat ihn als ein Allheilmittel, als ein Patentrezept begriffen, während es sich dabei doch nur um eine - allerdings sehr ernstgemeinte - Diskussionsgrundlage handeln sollte, eine Diskussionsgrundlage, auf die wir bis heute eine Antwort in Form einer in sich geschlossenen Konzeption der Christlich-Demokratischen Union vermissen müssen. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen jetzt nicht all die Vorschläge vortragen, die im „Plan Zukunft" oder in anderen Stellungnahmen meiner Fraktion und der Sozialdemokratischen Partei enthalten waren oder enthalten sind. Aber ich möchte doch mit wenigen Worten auf das Neun-PunkteProgramm zu sprechen kommen, das der vorhin von Herrn Dr. Heck so ungnädig beurteilte zweite Vorsitzende der Sozialdemokratie, Herr von Knoeringen, vor kurzem der Öffentlichkeit unterbreitet hat. ({3}) - Das ist eine präzise und dankenswerte Einschränkung Ihres Urteils! In dem Programm nennt Herr von Knoeringen neun kulturpolitische Forderungen, um deren Verwirklichung es sich hier und jetzt handelt. Vier dieser kulturpolitischen Aufgaben fallen in die Zuständigkeit oder Mitzuständigkeit des Bundes, fünf sind Anliegen, für deren Bewältigung die Länder sorgen müssen. Aber da wir von der gemeinsamen Verantwortung von Bund und Ländern ausgegangen sind, erlauben Sie mir, die neun Punkte zu nennen. Die Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern über einen sich anbahnenden Lösungsvorschlag bei den Verhandlungen mit den Ländern über die Finanzierung des Schulhausbaues haben wir zur Kenntnis genommen; darüber wird mit der gebotenen Sachlichkeit zu sprechen sein. Bisher gehörte nach unserer Meinung als Punkt 1 in die Zuständigkeit des Bundes eine Übernahme der Kosten für den Schulhausbau, und zwar im Rahmen der Kriegsfolgelasten. Wenn sich auf eine andere sachlich vertretbare Art und Weise die Finanzierung dieses Nachholbedarfs ergeben sollte, werden wir die letzten sein, die sich einer solchen Regelung verschließen. Aber ich darf in diesem Zusammenhang eine Zahl nennen, die Herr Professor Wenke, der ehemalige Kultursenator in Hamburg, vor kurzem auf einer Tagung in der Friedrich-Naumann-Stiftung erwähnt hat. Professor Wenke sprach davon, daß unter der Voraussetzung einer Modernisierung unserer Schulen, unter der weiteren Voraussetzung der Einführung des 9. und langfristig des 10. Schuljahres und unter der Voraussetzung der Abschaffung des Schichtunterrichts schließlich damit gerechnet werden müsse, daß wir 65 000 Klassenräume zusätzlich zu dem, was wir jetzt haben, benötigen. Ich nenne die Zahl nur, um darauf hinzuweisen, um welche Größenordnungen es sich dabei handelt. Ich glaube, man sollte dem Deutschen Städtetag dankbar sein, daß er in seiner Stellungnahme zu unserem heutigen Beratungsgegenstand seinerseits auf die Vordringlichkeit der Regelung der Schulhausbaufrage hingewiesen hat. Zweitens handelt es sich nach unserem Dafürhalten um einen Ausbau des Wissenschaftsrates - ich komme später darauf zurück -, drittens um einen Ausbau der Stipendien und der Erziehungsbeihilfen, viertens um eine großzügige Förderung der Studentenwohnheime. Das sind die vier Punkte, in denen wir eine Mitzuständigkeit oder Zuständigkeit des Bundes sehen. Die nächsten fünf Punkte nenne ich als Fragen an die CDU im ganzen in der Bundesrepublik, vor allem in den Ländern. Wie stellt sich die Christlich-Demokratische Union zur Einführung des 9. in naher Zukunft und prinzipiell zur Einführung des 10. Schuljahres in weiterer Zukunft?

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist Ihnen entgangen, Herr Lohmar, daß wir in den von der CDU regierten Ländern das 9. Schuljahr nicht in der nächsten Zukunft einzuführen brauchen, sondern - wie in Schleswig-Holstein - teilweise schon seit langem haben?

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Stoltenberg, eine Schwalbe macht noch keinen Sommer! ({0}) - Ich wäre froh, wenn ich daraus entnehmen dürfte, daß Sie meine Frage mit Ja beantworten wollen; dann erübrigt sich eine Debatte darüber. Zweitens wäre von der Christlich-Demokratischen Union eine Antwort auf die Frage zu erbitten, wie sie sich zur Beseitigung des Lehrermangels stellt und welche Wege dazu gegangen werden sollen. Ich darf noch einmal Herrn Professor Wenke zitieren, der unter den vorhin genannten Voraussetzungen von einem zusätzlichen Bedarf von 53 000 Lehrern spricht. In diesem Zusammenhang darf man daran erinnern, wie sehr auch jetzt große Teile der Lehrerschaft, insbesondere die Rektoren, die Schulleiter, durch Verwaltungsarbeiten überlastet sind und wie wenig Zeit sie dadurch für ihre eigentlichen pädagogischen Aufgaben finden. ({1}) Auch dieser Übelstand sollte im Zuge einer vernünftigen Regelung beseitigt werden. In bezug auf die Aufgaben der Länder richte ich an die christlich-demokratische Fraktion die Frage, in welcher Weise sie sich eine Vertiefung des zeitgeschichtlichen Unterrichts an allen Schulen und die Förderung von Einrichtungen der politischen Bildung, z. B. von politischen Akademien, vorstellt. Ich habe die Ausführungen von Herrn Dr. Heck über die Aufgaben der Hochschulen, insbesondere in bezug auf die Bewältigung der Fragen, die uns noch aus der Zeit des Nationalsozialismus zu einer Klärung verblieben sind, dankbar begrüßt. Wir sollten uns in diesem Zusammenhang etwas eingehender mit den Gutachten beschäftigen, die der „Deutsche Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen" jetzt zur Frage des Antisemitismus und vor geraumer Zeit zur Frage der politischen Bildung ausgearbeitet hat und die, soweit ich weiß, im März dieses Jahres zur Frage der Erwachsenenbildung vorgelegt werden sollen. Ferner wäre eine Äußerung der CDU zu dem vom Deutschen Ausschuß vorgelegten Rahmenplan von klärender Wirkung. In welchen Teilen gedenkt die CDU den Vorschlägen dieses Rahmenplans zu folgen und inwieweit gedenkt sie die ihr angehörenden Kultusminister zu veranlassen, an der baldigen Verwirklichung dieses Rahmenplans mitzuarbeiten? Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich daran erinnere, daß die Initiative in dieser Richtung bisher von den Kultusministern ausgegangen ist, die der Sozialdemokratischen Partei angehören. Schließlich möchte ich der Vollständigkeit halber nach den Vorstellungen der CDU über den Ausbau des zweiten Bildungsweges fragen. Wenn wir einmal eine zusammenfassende Darstellung der Meinungen der CDU/CSU zu den Problemen, von denen ich eben gesprochen habe, hätten, ließe sich etwas über eine mögliche Übereinstimmung oder über Differenzen sagen, und nur so wäre es sinnvoll, den „Plan Z" zu diskutieren. Aber lassen Sie mich jetzt die Fragestellung ein wenig einengen und auf die Bemerkungen des Herrn Bundesministers des Innern über den Zusammenhang des Bundes mit der Kulturpolitik zurückkommen. Herr Dr. Schröder hat sich eine zweite, recht unjuristische Formulierung gestattet. ({2}) - Herr Minister, ich bin kein Jurist, aber Sie sind einer. Sie sprachen davon, daß der Bund andere Aufgaben als die im Grundgesetz vorgesehenen insoweit übernehmen solle, als sie sich aus der „Natur der Sache" ergäben. Nun ist die „Natur der Sache" sicher einer präziseren Definition zugänglich. Vielleicht könnten wir erfahren, Herr Bundes5466 minister, In welcher Richtung Sir sich eine solche Präzisierung vorstellen. ({3}) - Dann hätte es Ihrer zusätzlichen Feststellung „andere Aufgaben, die sich aus der Natur der Sache ergeben," nicht bedurft, wenn Sie diese Definition jetzt unterlegen. Ich darf daran erinnern, daß wir am 3. Oktober 1958 in Berlin, als wir über den Fragenkomplex „Bewältigung kulturpolitischer Aufgaben durch Bund und Länder" zum erstenmal miteinander diskutiert haben, zwei Meinungsverschiedenheiten konstatieren mußten, die leider, so vermute ich, auch jetzt noch nicht ganz ausgeräumt sind. Die christlich-demokratische Fraktion hat in Berlin in ihrer Stellungnahme durch die verehrte Kollegin Frau Dr. Maxsein durchblicken lassen, daß ihr in erster Linie an einer Regelung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern gelegen sei. Wir haben dafür viel Verständnis, soweit das nicht den im Grundgesetz festgelegten Rahmen sprengt. In Berlin ging es uns entscheidend - und darum geht es uns auch noch heute - um die Lösung der Sachprobleme. Bei der Zuständigkeit von Bund und Ländern für die eine oder andere Frage geht es um das Bereitsein zur Zusammenarbeit. In diesem Punkt ist manches von dem zu unterstreichen, was der Herr Bundesinnenminister gesagt hat. Wir glauben nicht, daß ein Bundeskultusministerium eine zweckentsprechende Lösung wäre. Wir glauben das auch dann nicht, wenn wir die sehr theoretische Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sich in diesem Hause dafür eine Zweidrittelmehrheit fände. Ich teile auch die Bedenken des Herrn Bundesinnenministers gegen den Begriff der Kulturhoheit, allerdings nicht nur dann, wenn er von den Ländern verwandt wird, sondern auch dann, wenn der Sache nach etwas Ähnliches in Maßnahmen des Bundes deutlich wird. Ich darf einige Gründe anführen, die uns dazu bewegen, bei unserem Nein gegenüber einem Bundeskultusministerium zu bleiben. Wir glauben, daß eine Begründung für den Föderalismus, also für das Nichtvorhandensein eines Bundeskultusministeriums, heute nur noch zum Teil in der sogenannten landsmannschaftlichen oder kulturellen Eigenheit der Länder gefunden werden kann. Die landsmannschaftliche oder kulturelle Eigenheit gilt bis zu einem gewissen Grade noch für Bayern oder für Städte wie Hamburg, Bremen und Berlin. Diese Begründung hat aber keine Durchschlagskraft mehr, wenn man sich Länder wie Nordrhein-Westfalen oder Rheinland-Pfalz ansieht, Länder, die aus dem geschichtlichen Zufall nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind. Wir sind jedoch der Meinung, daß man den föderalistischen Aufbau in Fragen der Kultur aus zwei anderen Überlegungen unterstützen sollte. Einmal ist zu sagen, daß in diesem föderalistischen Aufbau in Fragen der Kulturpolitik ein erhebliches Maß an Sicherheit gegenüber der Versuchung zu einer Uniformierung dessen liegt, was sich im kulturellen Bereich tut. Zweitens liegt nach unserer Auffassung in dieser föderalistischen Struktur eine Sicherung gegenüber der Versuchung zur Steuerung der Kultur durch eine zwangsläufig zentralistisch agierende Bundesbürokratie; denn sie würde einer solchen Versuchung sicher nicht widerstehen. Es könnte jedoch nichts schaden, wenn sich der Herr Bundesminister des Innern in diesem Zusammenhang überlegte, ob es nicht an der Zeit wäre, die Leitung der Kulturabteilung im Bundesinnenministerium so zu besetzen, daß man sie qualitätsmäßig mit dem Leiter der Abteilung vergleichen könnte, die für die auswärtige Kulturpolitik zuständig ist; für diese Abteilung ist vor einiger Zeit eine angemessene Lösung gefunden worden. ({4}) - Es wäre das erstemal, Herr Bundesminister, daß Sie einen Personalvorschlag der Opposition ernsthaft in Erwägung zögen. ({5}) - Wir werden uns Gedanken machen und Ihnen einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. ({6}) - Sehr schön! Lassen Sie mich nach dieser, wie ich meine, deutlichen Abgrenzung gegenüber dem Vorschlag zur Schaffung eines Bundeskultusministeriums einiges zu der augenblicklichen Situation sagen, die wir keineswegs als befriedigend betrachten. Gegenüber dem Kulturföderalismus beklagen die Menschen heute zwei Dinge. Sie beklagen die Unübersichtlichkeit des Geschehens im kulturellen Bereich und eine von ihnen vermutete - sicherlich nur zum Teil vorhandene, sachlich nicht begründbare - Zersplitterung. Vielleicht darf man in diesem Bundestag eine Bitte an die Kultusminister äußern: sich einmal zu überlegen, ob es in den vergangenen Jahren immer gelungen ist, die Einheitlichkeit der deutschen Kulturpolitik - nicht im Sinne der Uniformität, sondern im Sinne der Gemeinsamkeit - so sichtbar zu machen, wie die Kultusminister angesichts der föderalistischen Struktur der Bundesrepublik das tun müssen, wenn der Föderalismus in der Meinungsbildung der Deutschen eine glaubwürdige Chance haben oder gewinnen soll. Föderalismus ist, glaube ich, mehr, als nur gegen Bonn sein. Manchmal hat man bei Äußerungen des einen oder anderen Kultusministers den Eindruck, daß alle Vorschläge, die aus Bonn kommen, a priori als ein Verstoß gegen den Föderalismus betrachtet werden. Ich halte das für falsch, solange nicht die Kultusminister die eben von mir zurückhaltend angedeutete Aufgabe überzeugender - sachlich und optisch überzeugender - lösen als bisher. Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode lohmar Nun wird man nicht verkennen dürfen, daß die Praxis dei Zusammenarbeit der Kultusminister in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gerade in dieser Richtung erkennen läßt. ({7}) Aber vielleicht wäre es nützlich, wenn sich die Kultusminister einmal Gedanken darüber machten, in welcher Weise eine engere Zusammenarbeit zwischen der Kultusministerkonferenz auf der einen Seite und dem Wissenschaftsrat und dem Deutschen Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen auf der anderen Seite erreicht werden könnte. Bei der Eigenart von Bürokratien, sich auseinanderzubewegen, sollte man auch überlegen, oh nicht eine institutionelle Verbindung zwischen diesen drei Einrichtungen geschaffen werden kann, die es ihnen unmöglich macht, aneinander vorbeizugehen, und sie dazu nötigt, aufeinander einzugehen. Aber das ist in der Form eine Frage, die man überlegen kann. Ich meine nur, daß hier in der Sache eine engere Zusammenarbeit erreicht werden muß. Dann darf vielleicht - gerade weil man bei einem föderalistischen Staatsaufbau bleiben will - eine letzte Bitte an die Kultusminister geäußert werden. Sie bezieht sich auf die Notwendigkeit der Aufstellung von Bedarfsplänen für das Bildungswesen überhaupt. Wir haben jetzt durch den Wissenschaftsrat die Möglichkeit geschaffen, eine solche Einschätzung des Bedarfs für Wissenschaft und Forschung aufzustellen. Genauso notwendig aber ist eine Übersicht über den Bedarf in den anderen Bereichen unseres Bildungswesens, die nicht nur nach Meinung der Kultusminister in ihre Zuständigkeit fallen. Man sollte zu solchen Bedarfsplänen kommen, die nicht starr sein müssen, nicht bis auf das letzte Komma fertig sein müssen, aber Hinweise für Schwerpunkte der Kulturpolitik geben. Lassen Sie mich auf die Frage 5 unserer Großen Anfrage zurückkommen, auf die sowohl der Herr Bundesminister wie auch Herr Kollege Dr. Heck dankenswerterweise so ausführlich eingegangen sind. Ich möchte zunächst ein paar Bemerkungen zu der Denkschrift und ihrem Inhalt machen. Sicher war es eine gute Idee, eine solche Denkschrift überhaupt zu verfassen und damit in den Teich einen Stein zu werfen, der auch von anderer Seite lange vorher hätte in den Teich geworfen werden können, was Herrn Dr. Scheidemann einige Irrtümer und viel öffentliche Kritik erspart hätte. Von einigen nach meiner Meinung in der Denkschrift vorhandenen Irrtümern möchte ich kurz sprechen. Herr Dr. Scheidemann spricht in seiner Denkschrift von einem Bedarf von 208 000 Studenten. Der Herr Bundesminister des Innern hat vorsichtig angedeutet, man solle erst einmal die Bedarfsrechnung des Wissenschaftsrates abwarten, bevor man sich hier endgültig festlege. Ich möchte nachdrücklich unterstreichen, daß die hier hypothetisch eingesetzte Zahl von 208 000 keineswegs als so gesichert angesehen werden kann, daß man darauf eine entsprechende Politik gründen könnte. Ein anderer Denkfehler in der Schrift scheint mir zu sein, daß Herr Dr. Scheidemann auf die seiner Meinung nach gegebene Alternative hinweist, entweder das Chaos, das wir heute an den Hochschulen lieben, in Kauf zu nehmen oder aber sich zu einer Berufslenkung zu entschließen. Diese Schlußfolgerung ist insoweit falsch, als die Alternative von Chaos nicht Lenkung, nicht Planung ist, sondern z. B. akademische Berufsberatung, die sehr viel weiter ausgebaut werden könnte. Allerdings müßte auch einer solchen Beratung eine Bedarfseinschätzung zugrunde liegen. Schließlich hätten wir uns gewünscht, daß in der Denkschrift nicht nur mit einem lapidaren Satz ohne jede Stellungnahme davon die Rede gewesen wäre, man könne noch nicht abschätzen, welcher Bedarf an Akademikern für die Förderung der Entwicklungsländer besteht. Der Bundesminister des Innern oder Herr Dr. Scheidemann als Verfasser dieser Denkschrift hätten sich ein Verdienst erwerben können, wenn sie diese Möglichkeit nicht nur registriert hätten, sondern auf die Notwendigkeit einer Berücksichtigung von akademisch ausgebildeten jungen Deutschen bei der Förderung der Entwicklungsländer hingewiesen hätten. Schließlich darf ich der Vollständigkeit halber einen demagogischen Nebeneffekt der Denkschrift zurückweisen. Ich glaube, man hätte sie nicht mit „Überfüllung der Hochschulen" überschreiben sollen; denn darum handelt es sich nicht. Es handelt sich sachlich um eine mangelnde Kapazität der Hochschulen, und das ist etwas anderes. Es sind zwei verschiedene Akzente, die damit gesetzt werden. Vielleicht kann man das im nachhinein noch korrigieren. Nun haben wir ebenso wie die Fraktion der CDU/ CSU diesem Hohen Hause einen Entschließungsantrag vorgelegt, der unter anderem in bezug auf die Hochschulpolitik eine Anpassung des sogenannten Honnefer Modells an die Entwicklung fordert und die Frage der Studentenwohnheime behandelt. Ich will dazu ganz wenige Bemerkungen machen. Wir meinen, daß die Stipendien in ihrer Höhe den gestiegenen Lebenshaltungskosten angepaßt werden müßten, und zwar nicht nur beim Honnefer Modell, sondern auch bei der Studienstiftung und bei den vier Hochbegabtenförderungseinrichtungen. Zweitens sollte eine Ausweitung des Kreises der aus dem Honnefer Modell geförderten Studenten gefordert werden. Der Herr Bundesminister des Innern hat die Frage der Begabungsreserve angesprochen, die sicherlich einer eingehenden Untersuchung bedarf. Aber in Anbetracht dessen, daß heute nur ein Fünftel der Studenten aus dem Honnefer Modell gefördert wird, und in Anbetracht der Maßstäbe, die dieses Modell anlegt, ist durchaus eine Ausweitung des Kreises der zu Fördernden vertretbar und wünschenswert. Bei den Studentenwohnheimen haben wir es heute mit einer Situation zu tun, die durch drei Zahlen gekennzeichnet ist: Wir haben für 9 % der Studenten gleich 16 000 in 240 Wohnheimen Raum geschaffen. Nach den Erhebungen, die das Deutsche Studentenwerk angestellt hat, benötigen wir für 30 % gleich 51 000 Studenten solche Wohnheime, so daß uns heute 35 000 Plätze fehlen. Professor Hallenmann hat auf Grund seiner Erhebungen erklärt, daß man bei den jetzigen Möglichkeiten etwa 60 Millionen DM pro Jahr verbauen könne. Das würde bedeuten, daß diese Ausweitung der Studentenwohnheimplätze in fünf Jahren erreicht werden könnte, wenn die Finanzierungsgrundlagen dafür geschaffen werden könnten. Ich halte den Ausbau der Studentenwohnheime auch aus einem Grunde für wesentlich, den man bei dieser Gelegenheit nennen darf, ohne der Debatte über die auswärtige Kulturpolitik vorzugreifen. Für ausländische Studenten in Deutschland, insbesondere für Studenten ohne Sprachkenntnisse, ist es eine sehr große Erleichterung, wenn man ihnen einen Platz in einem Studentenwohnheim geben kann, weil sie auf diese Weise sehr viel leichter Kontakt zu ihren deutschen Kommilitonen finden können, als wenn sie den oft recht eigenwilligen Vorstellungen und Verhaltensweisen deutscher Wirtinnen und Vermieter ausgeliefert werden. ({8}) - Es käme auf die Einrichtung an, Herr Dr. Dresbach. ({9}) Ich meine, die Erfahrungen, die die Einrichtungen gesammelt haben, die sich mit der Betreuung ausländischer Studenten befassen, erlauben den Schluß, daß wir eine bessere Lösung finden würden, wenn wir diesen Weg gingen. Lassen Sie mich mit wenigen Worten noch zu unserem Gesetzentwurf Stellung nehmen, nach dem der Wissenschaftsrat die Form einer Stiftung bekommen soll. Wir sind dazu nicht nur aus unserer Abneigung gegen ein Bundeskultusministerium gekommen, sondern wir möchten das, was sich der eine oder andere bei der Anregung, ein Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zu schaffen, gedacht hat, in dieser Form des Wissenschaftsrates verwirklichen, weil wir meinen, daß es darum geht, zwar eine Zentrale für die Bearbeitung der Fragen von Forschung und Wissenschaft zu schaffen, sie aber so einzurichten, daß ein Maximum an Selbstverwaltung und Selbstverantwortung bei den sachlich dafür Zuständigen vorhanden ist. Wir glauben, daß dies am ehesten dadurch zu erreichen ist, daß man den Wissenschaftsrat in eine weitgehend selbständige Stiftung umwandelt und ihm das Recht einräumt, der Bundesregierung und dem Bundestag die jeweiligen Bedarfspläne vorzulegen, die selbstverständlich der Kritik der Bundesregierung und der Abänderung durch die Bundesregierung oder durch den Bundestag zugänglich bleiben. Ich meine, wir würden auch dem Ansehen des Wissenschaftsrates sehr viel besser gerecht, wenn wir ihm diese Stellung einer Stiftung gäben. Lassen Sie mich abschließend einige ,Bemerkungen zu den beiden Entschließungsanträgen der Fraktion der CDU/CSU und meiner Fraktion machen. Ich darf vorweg vorschlagen, beide Anträge den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zu überweisen, weil ich glaube, daß sich bei einer gründlichen Diskussion über die eine oder andere Frage eine weitergehende Übereinstimmung wird erzielen lassen, als dies aus der Formulierung beider Anträge zunächst ersichtlich sein mag. Ich möchte Ihnen nicht verhehlen, weshalb sich meine Fraktion dazu entschlossen hat, einen eigenen Antragsentwurf vorzulegen. Um diese unsere Reserve deutlich zu machen, darf ich mir einige Bemerkungen zu dem Antrag der CDU/CSU gestatten. In Punkt 1 wird die Bundesregierung aufgefordert, die Verhandlungen mit den Ländern baldmöglichst zum Abschluß zu bringen. Das halten wir bei allem Wohlwollen, das man der Bundesregierung von Ihrer Seite entgegenbringen mag, für eine zu dehnbare Aufforderung angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung sehr wenig getan hat, um die Verhandlungen - wir wissen natürlich, daß Meinungsverschiedenheiten bestanden - schneller zum Abschluß zu bringen. Seit anderthalb Jahren warten wir auf einen Abschluß der Verhandlungen. Deshalb sollte man, so meinen wir, einen Termin setzen, sollte die Bundesregierung ersuchen, bis zum 1. Juni dieses Jahres die Verhandlungen zum Abschluß zu bringen und dem Bundestag einen schriftlichen Bericht über das Ergebnis vorzulegen, wie es in Nr. 1 unseres Antrages zu lesen ist. Zu Nr. 2 des Antrags der Fraktion der CDU/CSU ist kritisch wenig zu sagen, falls sich Bund und Länder darüber einigen können. Wir haben deshalb darauf verzichtet, diesen Punkt in unseren Antrag zu übernehmen. Was Nr. 3 des Antrags der Fraktion der CDU/CSU anbelangt, so darf ich bemerken, daß ich es für wenig sinnvoll halte, sich auf 200 Millionen DM für fünf Jahre festzulegen, da man den vom Wissenschaftsrat berechneten Bedarf noch nicht kennt. Warum wollen wir nicht die Bedarfsrechnung des Wissenschaftsrates abwarten, bevor wir uns auf eine Summe festlegen? Wir haben eine Anregung in dieser Richtung in unseren Antrag aufgenommen. Nach Nr. 4 des Antrags der Fraktion der CDU/CSU soll im Einvernehmen mit den Ländern geprüft werden, inwieweit neben dem Ausbau der vorhandenen die Gründung neuer wissenschaftlicher Hochschulen notwendig ist. Sosehr wir dieses Anliegen sachlich unterstützen, sind wir doch der Meinung, daß sich darum die Länder zu kümmern haben, aber nicht die Bundesregierung. Zu dem Ersuchen in Nr. 5 des Antrags der Fraktion der CDU/CSU, im Einvernehmen mit den Ländern einen Plan über den Bau von Studentenwohnheimen und Studentenhäusern aufzustellen, ist nichts Kritisches zu bemerken. Ich meine nur, daß man eine präzisere Fassung wählen und die Regierung ersuchen sollte, Verhandlungen mit dem Ziele zu führen, daß binnen fünf Jahren für 30 v. H. der Studenten Plätze in Wohnheimen zur Verfügung gestellt werden. Nr. 6 des Antrags der Fraktion der CDU/CSU bezieht sich auf die Reform der Lehrkörper an den wissenschaftlichen Hochschulen. Wir möchten dazu bemerken, daß das eine Länderangelegenheit ist. Verhandlungen der Bundesregierung mit den Ländern darüber halten wir deswegen für überflüssig. Gefreut habe ich mich über den Vorschlag in dem Antrag der CDU/CSU, einen Teil der Mittel aus der Stiftung Volkswagenwerk für Wissenschaft und Forschung zur Verfügung zu stellen. Wir erblicken darin immerhin eine gewisse Einsicht der CDU/CSU, daß die Anregung der sozialdemokratischen Fraktion gut war, das Volkswagenwerk im ganzen für diese Zwecke in eine Stiftung umzuwandeln. Wären Sie, meine Damen und Herren, unserem Plan gefolgt, könnten Sie jetzt in dieser Frage sehr viel großzügigere Vorschläge machen. ({10}) Wir meinen aber, daß man jetzt nicht um der Optik willen oder um einer teilweise sachlichen Lösung willen vergessen sollte, daß man die Finanzierung der hier aufgezählten kulturpolitischen Aufgaben, soweit sie nicht Ländersache sind, nicht allein auf die Stiftung Volkswagenwerk abschieben kann; es muß mit aller Deutlichekit betont werden, daß die Verantwortung des Bundes dafür bestehenbleibt. Deswegen sollte man die Einbeziehung des Volkswagenwerks nicht eigens erwähnen. Der letzte Punkt des Antrages der Fraktion der CDU/CSU, der sich auf die Übernahme des Schuldendienstes der Ausgleichsforderungen in Höhe von 275 Millionen DM bezieht, ist, wie ich mir habe sagen lassen, gestern Gegenstand einer Konferenz der Finanzminister gewesen. Wir müssen das Ergebnis abwarten. Deshalb möchte ich mich im Augenblick nicht näher dazu äußern. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit noch auf die Anregung in dem Antrag der Fraktion der SPD lenken, mit den Ländern, den Trägern der Erwachsenenbildung und den Hochschulen über einen Ausbau der Einrichtungen der politischen Bildung zu beraten und alle Bestrebungen auf diesem Gebiet nachdrücklich zu fördern. Sicher werden wir über Inhalt und Form einer solchen gemeinsamen Arbeit noch eingehend miteinander sprechen müssen. Aber ich müßte sowohl den Bundesminister des Innern wie Herrn Dr Heck falsch verstanden haben, wenn ich eine prinzipielle Opposition von seiten der Mehrheitsparteien gegenüber dieser unserer Anregung annehmen wollte. In den Verhandlungen mit den Ländern, die, so hoffe ich, jetzt ernsthaft aufgenommen werden, ist daran zu denken, daß wir vor nicht allzu langer Zeit in der sogenannten DDR einen Vorgang erlebt haben, der uns zu denken geben sollte. In der sowjetischen Besatzungszone ist ein umfassender Bildungsplan vorgelegt worden, dessen einzelne Teile nur als eine Herausforderung an die Bundesrepublik auf dem Sektor der Kulturpolitik und der Bildung verstanden werden können. Wir werden sehr viel größere Anstrengungen machen müssen als bisher, um der Herausforderung auf diesem entscheidenden Gebiet gewachsen zu sein und ihr langfristig zu begegnen. Vielleicht überlegen Sie einmal in diesem Sinne, was Herr von Knoeringen mit seiner Anregung gemeint hat, eine große Koalition der Bildung in unserem Volk zu erwägen und zu versuchen. Wir meinen damit nicht eine Verteilung von Ministersesseln oder die Bildung einer Regierungskoalition in diesem Hause. Wir meinen vielmehr die gemeinsame Bereitschaft und die gemeinsame Verpflichtung aller Fraktionen dieses Bundestages, zusammen mit den Ländern dafür Sorge zu tragen, daß wir unsere Bildungseinrichtungen auf der Höhe der Zeit halten oder sie auf die Höhe der Zeit bringen. ({11})

Dr. Max Becker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000130

Meine Damen und Herren, es wird Sie interessieren, daß es in diesem Hause statistisch veranlagte Kollegen gibt, die in gewissen zeitlichen Abständen einmal feststellen, wie stark alle Fraktionen noch anwesend sind. Es soll Momente geben, in denen eine Fraktion alle anderen überstimmen kann. ({0}) Nur könnte das den Erfolg haben, daß nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung die Abstimmung dann wirkungslos sein dürfte. Als nächster von noch sechs Rednern hat der Abgeordnete Eilers das Wort.

Jan Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000457, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorhin wurde schon zum Ausdruck gebracht, daß Kulturdebatten im Bundestag einen gewissen Seltenheitswert hätten. Ich glaube, diesen Seltenheitswert teilen die Kulturdebatten mit den Beratungen über den Haushaltsplan des Bundes in diesem Hohen Hause. In den Haushaltsberatungen pflegt es um „nur" 40 bis 42 Milliarden DM zu gehen und darum, wie man diese hohe Summe am besten und ehesten verwendet. Ich meine, daß das Vertrauen dieses Hohen Hauses alle jene Damen und Herren dieses gleichen Hauses ehrt, die eine solche Debatte zu führen und zu tragen haben. Wir dürfen uns beim Hohen Haus für dieses Vertrauen herzlich bedanken. Meine Damen und Herren! Wieder einmal hat es unser Herr Bundesinnenminister verstanden, die Gemüter zu bewegen, diesmal mit der in seinem Ministerium verfaßten Schrift zur Überfüllung der Hochschulen. Ich darf insbesondere dazu und noch zu einigen anderen, aber tragenden Problemen Stellung nehmen. In der Denkschrift des Bundesinnenministeriums hat der Herr Bundesinnenminister dem deutschen Volke - wenigstens indirekt - den Vorschlag unterbreitet, es möge jeden vierten Studenten aus seinen Hochschulen herausprüfen - um nicht zu sagen: davonjagen -, damit für die anderen Luft geschaffen werde. Die Fähigkeit, überall anzustoßen, hat unser hochverehrter Herr Bundesminister des Innern schon so oft bewiesen, daß einige Menschen, wie ich hörte, hierin eine seiner charakterlich bedingten Unge5470 Eilers ({0}) schicklichkeiten zu erblicken meinen. Ich kann mich allerdings dieser Auffassung keineswegs anschließen. Im Gegenteil, ich halte den Herrn Minister für viel zu klug, als daß er z, B. nicht vorher gewußt hätte, welche Erregung er mit einem solchen Vorhaben hervorrufen würde und daß eine solche Maßnahme technisch undurchführbar, für die Hochschulen unzumutbar und denkbar ungeeignet ist, die Überfüllung der Hochschulen zu beseitigen. Ich habe auch den Verdacht, sehr verehrter Herr Minister, daß Sie absichtlich den Advocatus diaboli spielen wollten, um sich auf diese Weise von der Welle des Unmutes in der Bevölkerung hochtragen zu lassen und um dann in diesem Hause eine größere Geneigtheit für Ihre weitreichenden Vorschläge zu finden. Wenn Sie, Herr Minister, durch den von Ihnen hervorgerufenen Sturm unter anderem auch bezweckt haben sollten, die Herzen Ihrer nahen und nächsten Parteifreunde aufzuschließen, damit die Mittel für die Zwecke der Forschung, Lehre und Wissenschaft in Zukunft reichlicher fließen als bisher, dann können Sie gewiß sein, daß die große Mehrheit dieses Hauses und auch der Freien Demokraten Ihnen Dank und Anerkennung nicht versagen wird. Es scheint mir aber wesentlich zu sein, einmal herauszubekommen, was der Herr Bundesinnenminister tatsächlich geplant hat. Deshalb habe ich mir gestattet, nicht nur sein Vorwort, sondern selbstverständlich den gesamten Inhalt dieser Schrift zu studieren. Ich sage das, da Sie es vorhin bei Ihren Ausführungen beklagten, Herr Bundesinnenminister, daß offensichtlich manche, die über diese Schrift sprächen, sie wenig gelesen zu haben schienen. Aber was Sie im Vorwort gesagt haben, haben Sie zweifellos selbst gewollt. Dort sagten Sie erstens, Sie hätten einen Diskussions-Beitrag leisten wollen. Nun, das ist Ihnen gelungen. Sie haben nicht nur eine Diskussion, Sie haben einen Sturm entfacht. Sie hegten zweitens die Hoffnung, daß durch diese Schrift auch Taten ausgelöst würden. Sie haben allerdings in Ihrem Vorwort leider verschwiegen, welche Taten Sie nun erwarten; denn daß Sie im Ernst das „Herausprüfen" als eine Tat ansehen, kann ich von Ihnen nicht erwarten. Wenn der Herr Bundesinnenminister - soweit kennen wir ihn doch, glaube ich, alle - bescheiden wird wie in diesem Vorwort, dann wird es entweder gefährlich oder wahrhaftig. Ich glaube, daß die SPD sich deshalb den letzten Punkt ihrer Großen Anfrage in dieser Form hätte sparen und selbst beantworten können, nämlich dergestalt: Die Bundesregierung will die übergeordneten Gesichtspunkte zum Tragen bringen; sie will, auch wenn sie sich dessen vielleicht noch nicht so ganz bewußt war, in allen ihren Teilen damit das Bundeskultusministerium oder wenigstens ein Bundesministerium für Erziehung und Wissenschaft. Wir Freien Demokraten haben ein solches Ministerium immer gewollt, wir sehen in diesem Ministerium den Kern des ganzen Problems und den einzigen Schlüssel zu seiner Lösung. ({1}) - Ja, sehr verehrte Frau Kollegin Wessel. ({2}) - Sehr verehrte Frau Kollegin Weber! Ich habe mich versprochen. Das kann schon einmal passieren. Ich habe gar keinen Grund, eine Änderung Ihres Namens beim Standesamt zu beantragen. ({3}) - Ja, es sind beides Helenen! Also ich glaube, diese Bekräftigung ist immerhin interessant. Meine Damen und Herren, es wurde hier davon gesprochen, daß von der SPD, und zwar von Herrn von Knoeringen, die „große Koalition der Bildung" gefordert worden sei. Das, was der Herr Bundesinnenminister mit „übergeordneten Gesichtspunkten" bezeichnet, das, was Herr von Knoeringen die große Koalition der Bildung nennt, und das, was wir mit der Forderung nach Schaffung eines Bundesministeriums für Erziehung und Wissenschaft bezeichnen möchten, ist nämlich das gleiche. Wenn Sie anderer Meinung sind, Herr Kollege Frede, können Sie es ja zum Ausdruck bringen. Wir sind bereit, mit allen Parteien dieses Hohen Hauses gemeinsam das heiße Eisen anzupacken und zu schmieden. Wir sind auch bereit - und was ich hier sage, ist wohl beachtlich -, jeden sonst leider nur zu berechtigten Argwohn gegenüber der Bundesregierung hintanzustellen und angesichts dieser staatspolitischen Aufgabe auch die Fragen der Parteitaktik zurückzustellen. Wir können nämlich nicht gut der Bundesregierung die Verantwortung aufbürden und ihr gleichzeitig das einzige Instrument vorenthalten, mit dem sie der uns bedrohenden Not wirksam zu Leibe gehen und dem wahren Föderalismus eine ebenso echte und dauernde Ergänzung und Stützung geben könnte, nämlich eine wirksame Bundesinstanz für das gesamtdeutsche Erziehungs- und Bildungswesen. Es bleibt uns im Interesse unserer Jugend keine Zeit, zu warten, bis einmal eine spätere und anders zusammengesetzte Bundesregierung an die Arbeit gehen kann. Die Westdeutsche Rektorenkonferenz hat den Notstand für die deutschen Hochschulen ausgerufen. Wir dürfen das nicht überhören. Der Notstand ist da. Ich darf auf das verweisen, was Herr Professor Coing, der Präsident des Wissenschaftsrates, gestern oder vorgestern noch einmal in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geschrieben hat. Ich appelliere an die Bundesregierung, an die Regierungsparteien und an die Männer und Frauen der Opposition in diesem Hause: Lassen Sie uns heute und hier freimütig und in vertrauender Großzügigkeit die große Koalition der Bildung verwirklichen! Das Volk fordert von uns, daß wir ihm in seiner Not helfen. Die übergeordneten Gesichtspunkte des Herrn Bundesinnenministers - ich darf es wiederholen -, die große Koalition der Bildung und das, was wir Freien Demokraten wollen, sind, wenn auch mit unterschiedlichen Worten dargestellt, im Grunde das gleiche Wollen, resultiert aus der Beachtung der gleichen Sorge und der gleichen Not. Eilers ({4}) Sollten wir uns hier nicht zu einer entscheidenden Tat aufraffen können, dann befürchte ich allerdings, daß wir noch einmal über diese Frage nicht mehr werden miteinander sprechen können. Dann wird das Bildungsniveau unseres Volkes weiter steil nach unten fallen. Wir aber tragen dann auch die Schuld, denn wir in diesem Hause sind die einzigen, die in der Lage wären, übergeordneten Gesichtspunkten - und um diese allein geht es bei unserem Problem - zum Durchbruch und zur Geltung zu verhelfen. Ist es nicht betrüblich, daß gestern, offensichtlich in der Sitzung der Konferenz der Länderkultusminister, der Berliner Senator für das Bildungswesen, Herr Senator Tiburtius, sein Amt zur Verfügung gestellt hat, weil er im Kreise seiner Kollegen, nämlich der Länderkultusminister, der einzige war, der es wagte, für eine Bundesinstanz - er nannte es das Bundeskultusministerium - einzutreten! Mir scheint, in dieser Tatsache liegt die eigentliche Ursache all unserer Sorgen und Befürchtungen: daß wir uns nicht durchzuringen bemühen. Auf dem Gebiet des Erziehungs- und Bildungswesens fehlt uns der gemeinsame Weg, fehlen uns die gemeinsamen Richtlinien und Begriffe, fehlt uns ein gemeinsam anzustrebendes Ziel. Das hat mit Gleichmacherei absolut nichts zu tun. Aber es muß doch möglich sein, in unserer Bundesrepublik eine tragende Richtlinie für das Wesentliche zu finden, nach der wir einigermaßen einheitlich arbeiten könnten. Lassen Sie mich an dieser Stelle wenigstens ein kurzes Wort des Dankes an den Beamten einfügen, der diese Schrift des Bundesinnenministeriums erarbeitet hat und dafür nach meiner Meinung völlig zu Unrecht Prügel bezogen hat. Er hat seine Arbeit redlich getan und Lösungen angeboten, die wir - und darüber können wir uns nicht täuschen - annehmen müssen, wenn wir nicht bereit sind, über den diesem Beamten vorgeschriebenen Rahmen unseres Verfassungslebens hinauszugehen. Das Erscheinen dieser Schrift ist leider ihr einziges Verdienst. Der Minister aber irrt, wenn er meint, daß sie übergeordnete Gesichtspunkte zum Ausdruck bringe. Ich bin mit Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, der Meinung, daß schon die Themenstellung falsch ist. Es dürfte nicht heißen „Überfüllung der Hochschulen", nein, es müßte vielmehr heißen „Unterentwicklung und Vernachlässigung der Hochschulen". Das wäre das richtige Thema gewesen, und seine Behandlung hätte uns auch zu richtigen Schlußfolgerungen geführt. Meine Damen und Herren, damit soll durchaus nicht verkannt werden, daß die Länder in einem ganz erheblichen Umfang Leistungen auch finanzieller Art erbracht haben. Herr Professor Coing hat darauf hingewiesen, daß allein in den zehn Jahren 1,2 Milliarden DM von den Ländern dafür investiert worden sind. Das ist zweifellos eine Leistung. Aber alle diese Leistungen genügen nicht, weil die Folgen der Geburtenlawine der Jahre 1934 bis 1941, wie wir alle wissen, auf die Universitäten zukommen. Wir hätten es längst wissen müssen, wenn wir uns einigermaßen rechtzeitig mit dieser Frage befaßt hätten. ({5}) Es gibt für uns keinerlei Entschuldigung. Wir sollten uns darauf einrichten, endlich das anzufangen, was wir bisher leider zu tun versäumt haben. Die einzelnen Länder haben vieles, oft ihr Möglichstes getan, ohne Zweifel. Aber für größere Aufgaben reichten ihre einzelnen Kräfte und ihre Mittel zweifellos nicht aus. An der eifersüchtig bewachten Kulturhoheit - so wird es ja leider immer wieder zum Ausdruck gebracht - der Länder wird der Föderalismus eines Tages zugrunde gehen, wenn der Bund nicht treuhänderisch für seine Glieder handelt, wenn der Bund ihnen nicht aus dieser Verfassungsnot hilft. Darum handelt es sich doch im Grunde. Der Bund hat durch den Bundesinnenminister gesprochen. Was ist dabei herausgekommen? Der numerus clausus, das Herausprüfen! Ich darf den Herrn Minister fragen, ob er einmal darüber nachgedacht hat, wen dieses Herausprüfen trifft. Ich mache ihm keinen Vorwurf; denn er hat sich nicht mit all den Maßnahmen, die in der Schrift aufgezeigt wurden, identifiziert. Aber lassen Sie uns das selbst einmal sagen: Die Generation, um die es jetzt geht, hat in ihren ersten Kinderjahren den Krieg und die Bombennächte erlebt. In der Nachkriegszeit hatten wie diesen heranwachsenden Menschen nichts anderes zu bieten als Hunger, Wohnungselend, Schwarzmarkt und leider auch Unmoral. ({6}) - Darauf komme ich gleich noch, Herr Frede. Wir haben an ihnen erzieherisch herumexperimentiert, wir haben sie als Versuchskaninchen betrachtet und haben sie noch durch den Schichtunterricht gejagt. Schließlich, als es uns wieder besser ging, haben wir sie verwöhnt und leider viel zuviel allein gelassen. Jetzt stellen wir uns hin und machen sie für das verantwortlich, was wir, die ältere Generation, allein verschuldet haben. Jetzt erklären wir: Ihr seid nicht reif und würdig für die Universität, wir werden die Tore zur Bildung vor euch verschließen, ({7}) vor euch, unseren Kindern! Meine Damen und Herren, wir sind nicht bereit, das zu tun. Bitte, betrachten Sie das nicht parteipolitisch, sondern als eine Frage, die uns alle miteinander angeht, auch unseren guten Freund Stoltenberg, der vor einiger Zeit meinte, wir hätten keinen Schichtunterricht mehr in der Bundesrepublik. ({8}) - Sie kommen ja nachher noch heran und können das richtigstellen, wenn Sie inzwischen anderer Meinung geworden sein sollten. ({9}) - Ja, das tue ich. In der ganzen Entwicklung unseres gemeinsamen Erziehungs- und Bildungswesens nach dem Kriege spiegelt sich nach meiner Auffassung die Tragik Eilers ({10}) eines überspitzten und völlig mißverstandenen Föderalismus wider. Man spürt wohl mit ungutem Gewissen die Notwendigkeit einer Gemeinsamkeit. Aber dem gemeinsamen Bund das Vertrauen und damit die Aufgaben zu übertragen, dazu konnte man sich bisher nicht aufraffen. So blieb alles Stückwerk, blieb fast alles auf der Strecke. Die Not führte die Rektoren der westdeutschen Universitäten und Hochschulen zur Rektorenkonferenz zusammen. Machtlos, handlungsunfähig kann diese Konferenz leider nur mahnen und bitten und muß sich auf die Vertretung der Interessen ihrer angeschlossenen Hochschulen beschränken. Vor kurzem hat man nach vielem Hin und Her den Wissenschaftsrat gebildet. Ich hoffe nicht nur, sondern bin auch überzeugt davon, daß wenigstens er zu übergeordneten Gesichtspunkten kommt. Aber, meine Damen und Herren, das frage ich Sie: Wenn ja, wer ist dann da, um sie auszuführen oder für ihre einheitliche Befolgung zu sorgen, nämlich für das, was als Erkenntnisse und Vorschläge des Wissenschaftsrates auf den Bund und die Länder zukommen wird? ({11}) - Ja, ja, da ist die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, meine Damen und Herren. ({12}) - Sehr verehrter Herr Kollege Frede, nennen Sie mir eine einzige große Tat, eine einzige bahnbrechende Handlung, zu der diese Konferenz bisher fähig gewesen ist! ({13}) Ich kenne keine. Daß sich diese hochachtbaren Herren Kultusminister darum bemühen, wissen wir. Wenn sie aber nach Hause kommen und der gesamten Landesregierung berichten, wird ihren Vorschlägen nur teilweise gefolgt. ({14}) - Doch! ({15}) Ich anerkenne durchaus, daß sie sich in Teilfragen außerordentlich stark bemüht haben. Aber eine wirklich bahnbrechende, eine tragende Handlung haben sie nach meiner Auffassung bisher nicht aufzuweisen vermocht. ({16}) - Meine Damen und Herren, Sie haben die Möglichkeit, Ihre Auffassung nachher zum besten zu geben. So, wie die Lage sich zeigt, haben wir bisher im Leerraum eines nicht existenten Bundeskultusministeriums herumexperimentiert. Hoffentlich werden Bildung, Forschung und Lehre nicht auch in der Zukunft weiter so zerwaltet und heruntergewirtschaftet, bis von dem einstigen Glanz und der einstigen Größe deutscher Bildung nicht mehr viel vorhanden sein wird. ({17}) - Lassen Sie mich das hier ruhig einmal ansprechen. Wir haben in diesem Hohen Hause so selten eine Kulturdebatte. Das muß einmal gesagt werden. ({18}) Die Misere beginnt bei uns ja bereits in der Grundschule. Unser Volk der Dichter und Denker hat noch nicht einmal eine einheitliche Grundschule. Wir sind uns nicht einig über das Erziehungssystem, wir sind uns auch nicht einig über die Dauer einer solchen Schule, die für alle und alles die Grundlage bilden soll. ({19}) - Meine Damen und Herren, wenn unsere deutsche Muttersprache nicht so übermächtig wäre, würden sich, glaube ich, heute schon die Erziehungsprodukte einer solchen Zerrissenheit und Zerfahrenheit nicht mehr der gleichen Sprache bedienen. ({20}) - Ja, Sie meinen, das habe mit der Überfüllung der Hochschulen wenig zu schaffen. ({21}) - Lieber Herr Schmitt, Sie pflegen, wenn Sie Gemälde zeichnen, mit scharfen Konturen zu arbeiten. Mir geht es heute genauso. Ich freue mich immer, wenn Sie so scharf und deutlich zeichnen. ({22}) - Die Genauigkeit ist durchaus darin, lieber Herr Stoltenberg. Es ist doch in der Tat so, daß unsere Grundschule heute je nach den wechselnden Mehrheiten unserer Landesregierungen vier oder sechs Jahre dauert. ({23}) - Meine Damen und Herren, es ist Tatsache, daß wir in Hamburg noch bis vor einigen Jahren die sechsjährige Grundschule hatten. ({24}) - In Bremen haben wir jetzt noch die sechsjährige Grundschule. Wir leisten es uns, in Bayern im Herbst einzuschulen, in allen anderen Ländern dagegen im Frühjahr. ({25}) - Herr Heck, was ich sagte, trifft schon zu! Wir wissen alle, daß die Eltern, die einmal den Wohnort wechseln müssen, die größten Sorgen wegen der Nöte ihrer Kinder haben. ({26}) Eilers ({27}) - Hochverehrter Herr Frede, Sie wissen ganz genau, daß die Freizügigkeit, die im Grundgesetz verankert ist, durch die Verschiedenheit der einzelnen Schulsysteme weitgehend aufgehoben wird. Sie können einer Familie mit vier oder sechs Kindern gar nicht zumuten, von Bayern nach Bremen und von Bremen etwa nach Niedersachsen umzusiedeln. Der Rahmenplan ist zwar gestaltet worden. Ich will darüber nicht sprechen. Wir werden über diesen Rahmenplan in Deutschland noch sehr viel zu reden haben. Ich hoffe nur, daß nach Verabschiebung eines solchen Planes endlich das Herumexperimentieren mit unseren Kindern aufhört, und ich bin davon überzeugt, daß das möglich ist. Wir sehen, daß in der Grundschule und auch in der Oberschule verschiedene Systeme in Deutschland herrschen. Dann stellen wir überrascht fest, daß 25% unserer Studenten nicht die Universitätsreife haben. Anstatt ihnen zu helfen und die an ihnen begangenen Fehler wiedergutzumachen, weiß die Studie des Bundesinnenministeriums nichts anderes anzubieten als die vorübergehende Einführung eines Numerus clausus oder ein Herausprüfen. Bei diesem Herausprüfen kann es sich doch nur um ein Prüfen auf Quantität und nicht auf Qualität handeln. Denn wer an den Universitäten sollte angesichts der Überlastung, die wir an den Universitäten heute schon haben, solche Prüfungen durchführen. Es wird behauptet, daß die deutsche Wissenschaft, die seit 1935 mehr und mehr vom Ausland isoliert war, wieder den Anschluß an den internationalen Standard gefunden hat. Ich möchte diese Behauptung nicht in Bausch und Bogen gelten lassen. Das Ergebnis ist aber sicherlich nicht auf Grund einer glänzenden Verwaltungsleistung von Regierung und Parlamenten erreicht worden, sondern nur deshalb, weil die Elite der deutschen Wissenschaftler jede freie Minute, die ihr ein solcher Massenbetrieb noch läßt, mit geradezu übermenschlicher Kraft ihrer Forschung widmet. Noch erhalten die deutschen Wissenschaftler sich die Höhe ihrer geistigen Leistung - ich betone das „noch" -, aber auch die Wissenschaftler sind in ihren eigenen Ordnungen befangen, in Ordnungen, die ihre Wurzel in der Vergangenheit und ihre heutige Berechtigung oft auch im wesentlichen in der Tradition haben. Ich will Gesagtes nicht wiederholen, auch mit Rücksicht auf diese Stunde und diesen Tag. Aber lassen Sie mich sagen, daß das Gebot der Stunde nach meiner Auffassung lautet: Raum und Freiheit für Wissenschaft, Forschung und Lehre. Die Vergleichszahlen aus dem Ausland sind bereits vorgetragen worden, ich will auch sie nicht wiederholen. Ich muß noch einmal das sagen, was Professor Coing ausgeführt hat: daß eine große Zahl, nämlich 15 %, unserer Hochschulprofessoren in der Zeit von 1933 his 1937 Deutschland verlassen mußten und daß bis zum Jahre 1939 45 % aller Lehrstühle an den Hochschulen und Universitäten umbesetzt wurden. Der Verlust an geistiger Substanz, Lehrfähigkeit und Forschung ist überhaupt nicht in Zahlen auszudrücken. Lassen Sie mich noch etwas, was heute nicht angesprochen wurde, in unser Gedächtnis zurückrufen; es Ist in diesem Zusammenhang durchaus interessant und wichtig. Der Ausschuß für Fragen der wissenschaftlichen und technischen Forschung des Europarates hat zur Gründung einer europäischen Universität aufgerufen. Er hat folgendes gesagt - ich darf das zitieren -: Es ist allgemein bekannt, daß die bestehenden Landesuniversitäten wegen Überfüllung schon den bisherigen Forschungs- und Lehraufgaben, vor allem als Forschungsanstalten nicht gerecht werden können. Es wird allgemein beklagt, daß viele Landesuniversitäten unter dem Zwang der Verhältnisse ihre Anstrengungen auf Lehrtätigkeit beschränken müssen. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten können durch Vergrößerung des Lehrkörpers allein nicht überwunden werden. Die Gründung neuer Universitäten ist daher dringend erforderlich. Was ist aber festzustellen? Ausgerechnet die deutschen Vertreter im Europarat haben die Gründung einer solchen Universität abgelehnt. Ohne den Qualitätsunterschied zu leugnen, halte ich es doch für etwas wenig Schönes in unserer westdeutschen Kultur, daß in einer Zeit, in der in der sowjetischen Besatzungszone 28 neue Hochschulen eröffnet wurden, in der Bundesrepublik nur 4 Neugründungen erfolgten. Was soll man dazu sagen, daß sich dann in derselben Zeit die freie Welt weigert, eine solche europäische Universität ins Leben zu rufen? Das scheint mir nicht miteinander zusammenzuklingen. ({28}) - Ja, dazu kann man allerlei sagen, sehr verehrte Frau Kollegin Weber. - Man sollte im Zusammenwirken der freien Völker Europas versuchen, eine gemeinsame geistige Grundlage zu finden. Das graue Bild, das ich Ihnen hier zeichnen mußte, läßt noch manche schwarze Farbflecke vermissen, die man eigentlich hätte hinzufügen sollen. Die Überwindung dieser grauen Situation ({29}) ist nur möglich, wenn wir in der Tat versuchen, aus den uns alle verbindenden Zielen die Folgerungen zu ziehen, und bereit sind, die notwendige Organisationsform für ,ein deutsches Erziehungs- und Bildungswesen zu schaffen. ({30}) - Warum nicht, lieber Herr Frede? Ich nehme an, daß Sie das unterstützen werden, zumal der nordwestdeutsche Raum seit Jahrhunderten einen solchen weißen Fleck - keinen schwarzen - aufzuweisen hat, und ich würde es durchaus begrüßen, wenn ich dabei Ihre Unterstützung fände. ({31}) Der Herr Bundesinnenminister ließ es zu, daß in der Denkschrift davon gesprochen wurde, wir hätten zu viele Studierende. Ich behaupte: wir haben Eilers ({32}) zu wenig Studenten. Ich kann nur mit Besorgnis in die Zukunft blicken, wenn ich an die auf uns zukommende geistige Auseinandersetzung mit dem Kommunismus, an die Weiterentwicklung der Industriegesellschaft, an die immer näher auf uns zukommende und fortschreitende Automation denke. Gewiß, viele der heutigen Studierenden studieren zuviel, und viele studieren falsch. Aber über eines sollten wir uns nicht täuschen: Der Osten verwirklicht das, von dem wir immer behaupten, es sei unser Ziel, nämlich die Mobilisierung des letzten Bildungspotentials. Während dort die Menschen zu Hunderttausenden in mittlere und höhere Fachschulen gehen, während dort auch Unterbegabte durch Training und Schulung dazu gebracht werden, daß sie einen gehobenen oder teilweise gehobenen Beruf ausfüllen, während dort über die Hälfte des intellektuellen Nachwuchses aus der breiten Schicht der Arbeitnehmer gewonnen wird, erklärt das Bundesinnenministerium in seiner Studie, man dürfe das vorhandene Bildungspotential nicht überschätzen. Herr Bundesinnenminister, woher wissen Sie, daß das Bildungspotential in unserem Volk bereits erfaßt ist? ({33}) - Schön, ich komme darauf noch zu sprechen. Ich möchte auch sehr gern einmal eine Schrift darüber vom Bundesinnenministerium erhalten. Es geht aber nicht darum, was heute ist, sondern wir müssen uns fragen, was wir in 10, 20 oder 30 Jahren an Führungskräften benötigen. Wir dürfen nicht vergessen, daß es in unserer heutigen Zeit um den Kampf zweier Gesellschaftsstrukturen geht, daß seit 40 Jahren eine eigentumslose Funktionärsgesellschaft des Bolschewismus gegen unsere gegliederte Eigentumsgesellschaft mit der Freiheit und Würde des Menschen anrennt. Dieses Problem ist nicht mit Atombomben zu meistern, sondern dazu bedarf es eines geistigen Bewußtseins der Freiheit, das jeder Angehörige unserer Gesellschaft haben muß. ({34}) Wissen wir eigentlich alle, daß auf jeden ausgebildeten deutschen Techniker acht ausgebildete Techniker in den Vereinigten Staaten und 28 in der Sowjetunion entfallen. Man komme mir bitte nicht mit dem alten Lied des Leistungs- und Qualitätsunterschiedes. Sind wir so sicher, daß der so groß ist - ich meine das im technischen, nicht im humanen Sinne -? Wer hat sich einmal Gedanken darüber gemacht, auf welche Leistungshöhe dieser eine deutsche Techniker noch gehoben werden müßte, um gegenüber den 28 bestehen zu können? So viele Fragen und, wie ich befürchte, so wenig Antworten. ({35}) - Das ist richtig, aber dennoch dürfen wir dann nicht sagen, unser Bildungspotential sei erfaßt und wir könnten auf eine weitere Erfassung verzichten. ({36}) Ich möchte an den Herrn Bundesinnenminister die Bitte richten, uns doch einmal eine Schrift etwa gleicher Ausführung und gleichen Umfanges wie die Denkschrift zu unterbreiten, in der auf diese Fragen Auskunft gegeben wird. Wir wollen und müssen nämlich auf diese Fragen eine Antwort haben. Der Bedarf an geistigen Führungskräften kann nicht so bemessen werden wie der Stellenplan einer deutschen Verwaltungsbehörde; er richtet sich vielmehr nach der politischen Situation unseres Volkes von morgen. Die Bundesrepublik gibt für die militärische Aufrüstung jährlich 10, 11 oder vielleicht 12 Milliarden DM aus. Der Ausbau und die Neugründung von Universitäten entsprechend den Vorschlägen des Wissenschaftsrates würde schätzungsweise in den nächsten fünf Jahren den einmaligen Betrag von 21/2, 3 oder 4 Milliarden DM erfordern, je nachdem, ob wir die Studentenwohnheime einrechnen oder nicht. 13 Milliarden DM geben wir für Subventionen aus; der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, diese Subventionen seien der Krebsschaden unseres Haushalts. Angesichts dieser Zahlen sollten wir auch bereit sein, in den nächsten fünf Jahren einmal den Betrag von 21/2, 3 oder 4 Milliarden DM aufzuwenden. ({37}) Die Freien Demokraten schlagen Ihnen vor, aus unserer Mitte eine Kommission von etwa acht bis zehn Köpfen zu bilden, die im Sonderauftrag und in Zusammenarbeit von Bundestag, Bundesregierung und Wissenschaftsrat uns die Vorschläge unterbreiten, auf die wir uns dann in diesem Hohen Hause einigen können. Wir sollten auch bereit sein - ich komme damit auf meine anfängliche Anregung zurück-, sofort eine Bundesinstanz zu schaffen. Ich bin mir klar, daß mit der Organisation allein noch nichts getan ist. Aber wir müssen die Voraussetzungen schaffen, damit wir überhaupt handeln können. Wenn wir uns schon nicht entschließen können, sofort ein eigenes Bundesministerium für Erziehung und Wissenschaft aus der Taufe zu heben, dann sollten wir wenigstens ein bereits bestehendes Ministerium befristet bevollmächtigen, für die allgemeine Durchsetzung von übergeordneten Gesichtspunkten tätig zu werden. Dabei denke ich allerdings nicht an das Bundesinnenministerium. Mit Herrn Professor Schmid teile ich die Abneigung, kulturelle Fragen in die Nähe von Verwaltung und Polizei zu rücken. ({38}) - Aber in diesem Falle langt es! Wenn wir jedoch nicht sogleich ein neues Ministerium schaffen wollen, dann bietet sich das Bundesratsministerium geradezu an. ({39}) Eilers ({40}) - Vielleicht sind Sie so liebenswürdig, sich diesen Gedanken einmal anzuhören. Ich glaube, er kommt auch Ihren Intentionen entgegen. Der Minister für Angelegenheiten des Bundesrates hat sicherlich Erfahrung im Koordinieren und im behutsamen Ausgleich. Wir können, glaube ich, sicher sein, daß er nicht die - in Anführungsstrichen gesprochen - „blühende Fülle" unserer Länder in ein „trostloses Einerlei" verwandelt, sondern daß er mit ruhiger Hand auf der einen Seite Bewährtes bewahrt und auf der anderen Seite Störendes entfernt. Wir sollten bereit sein, das zu tun, und in diesem Ministerium auch die Mittel zusammenfassen, die aus der von der SPD vorgeschlagenen Stiftung „Wissenschaftsrat" und aus der Stiftung „Volkswagenwerk" fließen, damit sie einheitlich eingesetzt werden können. In diesem Hause sind wir uns wohl alle einig, daß ein Zurückdämmen der Bildungswelle einfach nicht gestattet werden kann. Die bestehenden Hochschulen müssen schnellstmöglich ausgebaut und auf eine optimale Größe ausgeweitet werden. Ich bin da mit Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/ CSU und von der SPD einer Auffassung. Ich glaube wie Sie, daß jede Hochschule irgendwo eine Fassungsgrenze hat, die nicht überschritten werden darf, wenn sie Hochschule bleiben soll. Nicht jede Hochschule kann soweit ausgebaut werden, daß sie beliebig viele Studenten aufnehmen könnte. Ist aber eine Hochschule bis zu ihrer optimalen Grenze ausgebaut, müssen wir dann, wenn sie voll belegt ist, für sie den Numerus clausus verhängen. Das ware berechtigt und würde, glaube ich, auch verstanden werden. Darüber hinaus aber kommt auf die Bundesregierung als Aufgabe die wesentliche finanzielle Unterstützung der Neugründung von Universitäten zu. Ich stimme da durchaus mit dem Kollegen Heck überein. Ich meine auch, wir sollten alles tun, um der Wohnungsnot unserer Studenten zuleibe zu gehen, Mittel dafür planvoll einsetzen. Meine Damen und Herren, ist es nicht bedauerlich, daß wir zwar Jahr für Jahr eine halbe Million Wohnungen errichten, es aber bisher nicht fertiggebracht haben, hunderttausend Studentenzimmer zu schaffen? Ein Bauplan dafür wäre mit Hilfe des Deutschen Studentenwerks sicherlich schon in absehbarer Zeit zu erlangen, so daß wir uns insoweit auf eine gute Vorarbeit des Studentenwerks stützen könnten. Schließlich und endlich sollten auch die Universitäten aus ihrer Trägheit herauskommen und dem Neuen den Platz einräumen, der ihm gebührt, das heißt, daß nicht nur die alten Disziplinen, sondern auch junge, denen die Jugend besonders zustrebt, hinreichend mit Lehrkräften ausgestaltet werden. Hier wäre für die akademische Selbstverwaltung ohne Zweifel noch ein weites Feld. Ich teile auch die Auffassung, die sowohl von der SPD als von der CDU hier ausgesprochen wurde, daß das Fachschulstudium weiter auszubauen wäre, daß mehr Fachhochschulen als bisher zu errichten und von den eigentlichen Universitäten zu trennen wären. Ich will über anderes, was hier schon erörtert worden ist, nicht mehr sprechen, auch nicht über den „Zweiten Bildungsweg", möchte nur auf ein Letztes und meiner Ansicht nach Wichtiges zu sprechen kommen. Meine Damen und Herren, wir kennen alle die Namen Krupp, Bosch und Zeiß, auch in Verbindung mit Stiftungen. Diese sind natürlich geringeren Umfangs als etwa die Rockefeller-Stiftung oder die Ford Foundation, oder auch als etwa die Stiftung Volkswagenwerk, die uns ja nun einige Mittel geben wird. Wenn auch nicht verkannt werden darf, daß die Beiträge der Wirtschaft zur Forschungsgemeinschaft einen echten Beitrag darstellen, so sind doch Stiftungen der Wirtschaftsführer leider in unserem Wirtschaftswunderland bisher weitgehend unbekannt. ({41}) Nichts aber hindert die Inhaber großer Vermögenskonzentrationen, durch Stiftungen, die ihren Namen tragen, das gesamte Volk zum Miteigentümer dieser Vermögen zu machen. Diese Mahnung richte ich an die Öffentlichkeit, da gegenwärtig einzelne Unternehmen 12 bis 16 % Dividende verteilen. Eine noch schönere Form des Miteigentums als ein Schule, eine Universität, eine Akademie oder eine Bibliothek vermag ich mir schlechthin nicht vorzustellen. Ein solches Miteigentum würde auch noch den Enkeln und Urenkeln dienen und den Namen derer wachhalten, die die Stiftung veranlaßten. Meine Damen und Herren, ich habe versucht, auf einiges hinzuweisen, was nach meiner Auffassung falsch verstandener und überspitzter Föderalismus war. Ich habe auch Fehler aufzuzeigen versucht. Ich habe bei Ihnen nicht immer den vollen Beifall finden können. Darüber bin ich mir von vornherein klar gewesen. Wohin kämen wir, wenn wir stets von vornherein einer Meinung wären, wenn wir nicht mehr in der Lage wären, eine sachliche, harte Auseinandersetzung zu führen. Die Besorgnis aber, daß wir etwas falsch machen könnten, darf uns nicht Begründung dafür sein, überhaupt nichts zu tun. ({42}) Voraussetzung allerdings ist, daß wir nicht nur im Politischen, sondern im Staatsmännischen denken. Im Erziehungs- und Bildungswesen geht es nach meiner Überzeugung nicht um politische Momente allein, es geht um die kommenden Generationen. Denken wir daran: „Geld in Schulen angelegt stets die besten Zinsen trägt!" ({43}) - Vielleicht wird danach doch noch gehandelt. Meine Damen und Herren! Die FDP hatte vor, wie die CDU/CSU und die SPD Ihnen einen Antrag vorzulegen. Da aber wahrscheinlich Zweifel über die Beschlußfähigkeit auftauchen würden, werden wir uns erlauben, Ihnen den Antrag dann zu überreichen, wenn das Haus beschlußfähig ist. ({44})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Knorr.

Dr. Friedrich Knorr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf Ihr volles Verständnis hoffen, wenn ich mich in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und der langen Dauer dieser Debatte auf ein paar kurze Bemerkungen zur Hochschulfrage beschränke, die mir als Ergänzung zu dem, was mein Kollege Heck vorhin ausgeführt hat, wichtig erscheinen. Die im Lauf unserer Unterhaltung schon sehr häufig zitierte Denkschrift aus dem Innenministerium hat eine für viele Leute erstaunlich starke öffentliche Debatte hervorgerufen. Dies ist sehr zu begrüßen; denn die Frage, was aus unseren Hochschulen wird, ist ein Problem ersten Ranges, das die Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik im tiefsten angeht. Wir sind in ein Zeitalter eingetreten, in dem die Gesellschaft zweifellos mehr wissenschaftlich vorgebildete Menschen braucht und auf einer ganzen Reihe von Gebieten mehr hochqualifizierte Fachkräfte und Spezialisten benötigt, als es früher der Fall war. Daß die Hochschulen diese Kräfte bereitstellen, ist eine Lebensfrage für die ganze Nation. Die Denkschrift hat deshalb wohl so erregend gewirkt, weil sie in völlig nüchterner Weise bezweifelt hat, daß die Hochschulen in ihrer gegenwärtigen Verfassung in der Lage sind, diesen Nachwuchs sicherzustellen, und weil sie einen besonders drastischen Weg vorgeschlagen hat, sie in diese Lage zu versetzen. Die Diskussion um diese Vorschläge hat nun freilich etwas ergeben, was allen Sachkennern längst klar war, daß die Überfüllung der Hochschulen zwar im Augenblick ein sehr bedrückender Notstand ist, daß sich aber das Hochschulproblem darin keineswegs erschöpft und daß es mit einer Beseitigung der Überfüllung keineswegs aus der Welt geschafft wäre. Die verschiedenen Krankheitsherde in unserem Hochschulwesen sind dabei auch der breiten Öffentlichkeit deutlich zum Bewußtsein gebracht worden und damit auch die außerordentliche Größe und Schwere des Problems, das sich da vor uns auftut und das sich durch schöne Reden und Schlagworte keinesfalls bewältigen läßt. Im Rahmen dieser Gespräche haben sich die Hochschulen selbst zu einem in ihrer Geschichte ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Sie haben sich an die Öffentlichkeit gewandt und sie sind mit der Bitte um Hilfe auch an die Parteien dieses Hohen Hauses herangetreten. Wir waren also auch unmittelbar aufgerufen, uns mit diesem Problem -unbeschadet der Begrenztheit unserer Kompetenz in dieser Frage, der wir uns voll bewußt sind - zu befassen. Die Hochschulen sollten wissen, daß wir uns hier sehr eindringlich mit ihren Nöten befaßt haben, nicht nur mit den großen Bildungsfragen, die vorhin Herr Kollege Heck auseinandergesetzt hat, sondern vor allen Dingen auch mit den vielen einzelnen kleinen Sorgen des Hier und Jetzt, die die Hochschulen im Augenblick bedrängen und um deren Lösung sie ringen. Sie sollten wissen, daß wir entschlossen sind, im Rahmen des uns Möglichen jede denkbare Hilfe zu leisten. Es versteht sich dann aber von selbst, daß wir uns sorgfältige Gedanken darüber machen müssen, wo nun für uns solche Möglichkeiten einer Hilfeleistung für die Hochschulen liegen. Bevor ich dazu einige ganz wenige Bemerkungen mache, darf ich ein paar Vorbemerkungen vorausschicken. Die Notlage der Hochschulen begann keineswegs mit der Überfüllung. Das Problem ist viel älter und letztlich wohl eine Folge der großen Umwälzungen, die sich in unserem Jahrhundert vollziehen. Das Problem ist so weitreichend und so schwierig, daß es nicht im Handumdrehen von heute auf morgen gelöst werden kann. Es wird also sehr viel Geduld notwendig sein. Es ist sicher, daß es in der Weise gelöst werden muß, daß wir künftighin mehr Menschen mit wissenschaftlicher Vorbildung zur Verfügung haben. Dieser Prozeß vollzieht sich in allen Ländern des Westens. Wir werden uns ihm keineswegs entziehen können. Ebenso sicher ist, daß es nur so gelöst werden darf, daß der eigentliche Auftrag der Hohen Schulen, nämlich das Ringen um Wahrheit und Erkenntnis, dabei nicht aufgegeben wird. Erwägt man nun, wo für uns Möglichkeiten der Mithilfe bei der Lösung dieses Problems liegen, so ergeben sich in der Fülle der Aufgaben sogleich drei klar abgrenzbare Bereiche: ein erster, wo wir keinesfalls helfen können, wo die Hochschulen auch künftighin ganz und gar auf sich allein gestellt sein werden; ein zweiter Bereich, wo wir nicht zu helfen brauchen, weil es sich um Aufgaben handelt, die von eh und je durch die Länder wahrgenommen worden sind; und schließlich ein dritter Bereich, wo wir helfen müssen, weil die Anforderungen dieser hochindustrialisiertere Zeit zu groß geworden sind, als daß die Länder sie allein zu lösen vermöchten. Ich darf zu den einzelnen Bereichen einige wenige Worte sagen. Wo es sich um die Frage der inneren Reform der Hochschule handelt, können wir nicht helfen. Die Zurückgewinnung der Einheit der Wissenschaft ist Sache der Hochschulen allein. Sie müssen darum kämpfen; davon wird es weitgehend abhängen, ob sich die Einheit von Forschung und Lehre wirklich auf die Dauer bewahren läßt. Die Hochschulen werden auch um die Erhaltung ihrer Selbstverwaltung kämpfen müssen und sie werden sich überlegen müssen, ob sie neue Organe dieser Selbstverwaltung brauchen. Denken Sie etwa an die großen Anforderungen, die in dieser Zeit an die Rektoren gestellt werden, und an anderes. Sie werden sich überlegen müssen, wo die Grenzen der Selbstverwaltung liegen, wenn sie sich vergrößern müssen. Alles das aber sind Fragen, die die Hochschulen selbst entscheiden müssen. Wir können die Hochschulen hier nur ermutigen, mit großer Energie an die Lösung dieser Frage heranzutreten, nichts von ihren großen Traditionen aufzugeben, was sich bewährt hat, aber auch den Mut zu unter Umständen radikalen Schritten zu haben, wenn sich solche als notwendig erweisen. Ich will nur zwei Kleinigkeiten erwähnen, etwa die vielzitierte Hörgeldfrage oder die Frage der Berufungen. Vielleicht muß man wirklich, wie manche Ordinarien fordern, jüngere Kräfte und mit mehr Mut auch Außenseiter berufen, um die Fakultäten wieder aufzufüllen. Ich glaube, man sollte diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne den Universitäten auch einmal dafür zu danken, was sie unbeschadet aller noch vor ihnen liegenden ungelösten Probleme seit dem Zusammenbruch geleistet haben. Man darf ja nicht vergessen, in welcher Verfassung sich unsere Hochschulen befunden haben und was unterdessen schon wieder aus ihnen geworden ist. Man sollte auch den jungen Menschen danken, die dort studieren und es unverdrossen weiter tun, obwohl, wie wir aus der Denkschrift, aus der Diskussion, die sie ausgelöst hat, und aus eigener Anschauung an den Universitäten wissen, heute das Leben an den Hochschulen auch für die Studenten schwer geworden ist. Wir können nur hoffen, daß die jungen Menschen mit der gleichen Unverdrossenheit dort ihre Aufgaben weiter erfüllen. Zur Frage der Länder und ihrer Mitwirkung bei der Lösung dieser Probleme darf ich kurz folgendes sagen. Es ist zuzugeben, daß die Länder in ständig wachsendem Maße die Verpflichtungen übernommen haben, die ihnen die notwendige und unaufhaltsame Fortentwicklung der Hochschulen auferlegt. Mein Kollege Stoltenberg wird Ihnen dazu noch einige Zahlen bekanntgeben, die recht imponierend sind. Wir haben meiner Meinung nach alle Veranlassung, den Ländern dafür dankbar zu sein, daß sie diese Aufgaben klar erkannt und in Angriff ) genommen haben. Es besteht nicht die mindeste Veranlassung zu der Annahme, daß sie in Zukunft diesen Verpflichtungen nicht entsprechen werden. Freilich bleibt, wenn man an die Notwendigkeit der Lösung des Hochschulproblems denkt, gerade den Ländern noch eine ganze Reihe sehr schwerwiegender Aufgaben, die zunächst einmal gar nichts mit Finanzen zu tun haben. Man denke etwa an das - dies wird heute an den Hochschulen viel besprochen - oft nicht mehr so gut wie in früheren Jahrzehnten funktionierende Zusammenspiel zwischen den Fakultäten und der Ministerialbürokratie bei der Frage der Berufungen. Oder man denke daran, daß die Länder nicht in jeder Hinsicht den Wünschen mancher Ordinarien, mancher Fakultäten entsprechen, jüngere Kräfte oder auch einmal Außenseiter zu berufen. Oder man denke an die große Aufgabe, die den Ländern dadurch gegeben ist, daß sie das mittlere Lehrpersonal der Universitäten vergrößern und es sowohl im Hinblick auf die Berufungsaussichten als auch auf die Dotierung und vor allen Dingen im Hinblick auf die Alterssicherung besserstellen müssen. Vor allem haben die Länder die große Aufgabe, durch eine wirklich großzügige Reform unseres höheren Schulwesens für eine Verbesserung des Nachwuchses für die Hochschulen und durch die Schaffung von mehr mittleren Fachschulen und Fachhochschulen für eine bessere Verteilung des Nachwuchses zu sorgen und dadurch den einseitigen, beängstigenden Zustrom zu den Hochschulen zu beenden. Ich glaube, nichts ist in diesem Zusammenhang dringlicher und nichts wird von der gesamten Elternschaft in der Bundesrepublik mehr gefordert als eine gründliche Überprüfung unseres Berechtigungswesens. Dies alles sind Aufgaben, ohne deren großzügige Lösung eine Hochschulreform nicht möglich ist; aber es sind Aufgaben der Länder und nicht des Bundes. Für den Bund bleiben freilich im dritten Bereich noch der Aufgaben genug. Die Zeit fordert bei vielen Hochschulen die Einrichtung ganz neuer Institute, vor allem auf dem Felde der Naturwissenschaft und Medizin. Große Bauvorhaben und all die anderen Aufgaben, die in den bisherigen Ausführungen angesprochen worden sind, müssen bewältigt werden. Wir dürfen uns in keiner Richtung unserer Verpflichtung zur Hilfeleistung entziehen. Wir wollen helfen und wir werden helfen. Ich glaube, dieses Hohe Haus wird es mit dem Gefühl der ganzen Verantwortung tun, die ihm dabei auferlegt ist. Wir haben im Honnefer Modell, im Düsseldorfer Wohnungsbauprogramm und vor allem im Deutschen Wissenschaftsrat ja nun schon Einrichtungen geschaffen, in denen Bund und Länder und die Wissenschaft gut zusammenarbeiten und die uns die Aussicht bieten, auch in Zukunft schnell mit den Problemen fertigzuwerden. Die Universitäten müssen freilich erkennen - das hat sich wohl aus dieser weitreichenden Diskussion ergeben -, daß keineswegs alles mit Geld allein gelöst werden kann. Je energischer sie selbst ihre inneren Probleme in Angriff nehmen und ihre notwendigen Zielsetzungen klarer formulieren, um so leichter wird es sich auch ermöglichen lassen, sie zu unterstützen. Wir wissen, daß es sehr schwere Aufgaben sind und daß sie sich nicht von heute auf morgen lösen lassen. Es wird sehr viel Geduld notwendig sein, und es wird noch manchen harten Strauß um einzelne Fragen geben. Aber ich glaube, wir dürfen das Vertrauen in unsere Hochschulen haben, daß sie im Blick auf die große Tradition und die hohen Verpflichtungen - deren sind sie sich auch bewußt - in diesem Lande, in ganz Europa und in der ganzen Welt diese Aufgaben in Angriff nehmen und dies so tun, daß sie auch angesichts aller Wünsche und Notwendigkeiten hinsichtlich der weiteren Spezialisierung vieler Forschungsbereiche Stätten der Freiheit des Geistes, der Freiheit der Forschung und einer wirklich freiheitlichen Selbstverwaltung bleiben. ({0})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat der Abgeordnete Probst.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Maßhalten ist mein politischer Grundsatz. Ich will ihn jetzt auch auf die Technik übertragen und mich so kurz fassen, wie es möglich ist. Teilen Sie also mit mir die Hoffnung, daß wir heute mittag fertig werden. Wer der Debatte zuhört, ist versucht zu sagen Wie sich die Bilder gleichen! Wie sich die Bildei gleichen, die hier jedes Jahr entwickelt werden: die sachlichen Forderungen auf Ausbau der Schulen, die finanziellen Ansprüche gegen den Bund und auf der anderen Seite die Wünsche nach einer gewissen Probst ({0}) Koordination! Auf der einen Seite haben wir Forderungen, aus bestimmten Notwendigkeiten geboren, auf der anderen Seite immer wieder das Zurückschrecken vor den Konsequenzen, die sich ergeben, wenn wir die Frage prüfen, ob die Organisation unserer Gesellschaft, die Organisation unseres Staates überhaupt noch die Voraussetzungen bietet, diesen Notwendigkeiten gerecht zu werden. Die Notwendigkeiten muß man wohl aufgliedern, einmal in die finanziellen und dann in die der Koordination. Den finanziellen Notwendigkeiten kann entsprochen werden; denn dies hat mit dem Steueraufkommen und der Steuerverteilung zu tun. Man kann das Geld umwälzen über den Bund, man kann es umwälzen über die Länder, und man kann es über die Gemeinden umwälzen. Das sind rein formale Fragen, die lösbar sind. Aber man begegnet hier sofort dem zweiten Problem, dem der Koordination, das vor allen Dingen durch die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers ganz klar aufgezeigt wurde. Das Koordinationsproblem ist aber so schematisch wie das der Finanzierung nicht zu lösen. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, ob wir mit der Organisation unserer Gesellschaft, mit unserer staatlichen Organisation noch in der Lage sind, diesen Notwendigkeiten in der Erziehung und in der Wissenschaft Rechnung zu tragen. Da kann ich nicht umhin, die Äußerung von Herrn Lohmar zu unterstreichen, der nämlich sagte: Föderalismus ist mehr, als gegen Bonn zu sein. Ich komme nicht darum herum, den Begriff des Föderalismus einmal zu definieren. Bei uns wird „Föderalismus" ausgelegt als ein Abgeben von Zuständigkeiten, die man abgeben kann, möglichst an die unterste Stelle. Eine andere Auslegung ist: Föderalimus ist das Beharren auf Kompetenzen, und es kommt darauf an, niemand anderem etwas davon abzugeben. Beide Definitionen sind falsch. Föderalismus besagt nichts anderes, als daß die Aufgaben, die unten nicht gelöst werden können, nach oben abgegeben werden. Der Schwerpunkt des Föderalismus liegt nicht oben, sondern unten. Unten, von wo die Staatsgewalt ausgeht, ist die Heimat des Föderalismus. Und der föderale Staat ist der, der sich in der Lösung derjenigen Aufgaben findet, die örtlich und wegen Kompetenzüberschreitung oder wegen Überschreitung der Möglichkeiten nicht gelöst werden können. Hier müssen wir wieder zu dem ursprünglichen Inhalt des Begriffes „Föderalismus" zurückkehren. Bei uns hat dieses Wort nämlich seinen Sinngehalt verloren. Im englischen Sprachschatz hat er sich erhalten. In Amerika ist „federal", was der einzelne Staat nicht lösen kann, was also der gesamte Staat löst. Bei uns laufen wir Gefahr, daß wir durch unsere Verfassungswirklichkeit dem Begriff „Föderalismus", wie ihn das Grundgesetz in dem genannten Sinn umschreibt, eine andere Auslegung geben und die Lücke zwischen der Verfassungsnorm und Verfassungswirklichkeit so groß machen, bis wir auch nicht mehr in der Lage sind, diese Probleme mit dem Grundgesetz zu lösen. Das zeigt sich ganz offensichtlich in der Frage der Kulturpolitik, der Erziehung und der Wissenschaft. Die Länder vertreten den Gedanken, daß das Grundgesetz diese Aufgaben ausschließlich den Ländern zuweist. Unter Föderalismus ist nach meiner Meinung zu verstehen, daß die Aufgaben, die von den Ländern nicht gelöst werden können oder nicht in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, zur Koordination an den Bund und zur Hilfe durch den Bund abgegeben werden. Was der Herr Bundesinnenminister in dieser Richtung zu tun versucht, tut er einmal in richtiger Auslegung des föderativen Gedankens, aber auch einfach aus der staatlichen Notwendigkeit heraus. Es gibt in diesem Hause gar keinen Streit darüber, daß der Bund auch auf diesem Gebiete für bestimmte Dinge schlechthin zuständig ist, weil sie, wie ich schon sagte, entweder die Kompetenzen oder die Möglichkeiten der Länder überschreiten. Diesen Begriff des Föderalismus müssen wir bei der Lösung dieser Aufgabe unterlegen. Wir müssen dann aber auch den Mut haben - einen Mut, den ich in diesem Hause immer wieder nicht finde -, Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn wir auf der einen Seite Notwendigkeiten, auf der anderen Seite Möglichkeiten feststellen und wenn sie noch dazu durch eine falsche Auslegung des Begriffes Föderalismus in einem schlechten Verhältnis zueinander stehen. Wir haben Ihnen schon vor Jahren den Vorschlag gemacht, ein Bundesministerium für die Erziehung und die Wissenschaften zu errichten. Sie haben es abgelehnt. Wir wollten gar nicht mehr als diese zentrale Stelle schaffen, die zur Koordination unvermeidlich ist. Wir wollten beim Bund eine zentrale Stelle schaffen, die zur Erfüllung der Aufgaben, die der Bund von sich aus durchführen muß, notwendig ist. Der Herr Bundesinnenminister hat gar keine andere Möglichkeit, als dieses Bundesunterrichtsministerium, oder wie wir es immer nennen wollen, im Schoße seines Ministeriums in der Form eines Referats zu führen. Wir haben große kulturpolitische Aufgaben gegenüber dem Ausland. Wir haben auf dem Gebiet der Erziehung und Wissenschaft Aufgaben, die nur der Bund lösen kann. Sie wurden heute aufgedeckt. Wir haben weiterhin die Pflicht, den Gemeinden beim Schulbau und den Ländern zu helfen. Das ist eine Aufgabe des Bundes. Ob man hier nun die Form eines Referates oder eines Ministeriums wählt, ist doch nicht eine Frage des Föderalismus oder des Grundsatzes, sondern allein eine Frage der Zweckmäßigkeit. Insofern steht unser Wunsch nach einem Bundesministerium für Erziehung und Wissenschaft keineswegs dem Grundgesetz. entgegen, weil es nur dem Sinn des Grundgesetzes, dem föderalistischen Aufbau entspricht, im Bund eine Stelle zu schaffen, an die die Länder und die Gemeinden Aufgaben und Kompetenz abgeben können, die ihre Kräfte oder ihren Rahmen übersteigen. Sie haben sich nun in die bisherige - ich möchte sagen falsche - Auslegung des föderalistischen Gedankens verbohrt. Auf der anderen Seite haben Probst ({1}) sich die Länder bis zu einem gewissen Grade in eine Haltung verbohrt, die der Begriff des Föderalismus nicht mehr deckt, sondern die schlechthin Partikularismus ist, und zwar die Form eines Partikularismus, der der Totengräber des echten Föderalismus sein kann, weil er sich an dessen Stelle setzt und weil sich mit ihm die Probleme nicht mehr lösen lassen. Da besteht die Gefahr, daß das ganze föderalistische Gefüge eines schönen Tages über Bord geworfen werden könnte. Ich habe die echte Definition des Begriffes Föderalismus im Auge, wenn ich wieder darauf hinweise, daß der Bund eine Stelle, ein Referat bzw. ein Ministerium für Erziehung und Wissenschaft braucht. Das war auch der Rahmen, in den wir seinerzeit die Zuständigkeiten eines Bundesministeriums für Erziehung und Wissenschaft eingepaßt sehen wollten. Wir wollen keine Vergewaltigung der Länder, sondern lediglich eine Stelle zur Koordinierung dessen, was über den Rahmen der einzelnen Länder hinausgeht. Es muß wirklich schwer sein, eine Politik zu führen, die wegen eines falsch ausgelegten Föderalismus - in Wirklichkeit nämlich eines Partikularismus - die allgemeinen Interessen weiterhin so schädigt, wie es bisher auf dem Gebiet der Erziehung und der Wissenschaft der Fall ist. Hier müssen wir etwas mehr Mut haben. Wir haben unseren Antrag seinerzeit zurückgezogen, nachdem man so aus allen Parteien gehört hat, es habe gar keinen Zweck. Nehmen Sie das einfach als guten parlamentarischen Stil, den wir pflegen wollen. Sie können nicht erwarten, daß wir Anträge verfechten wie ein wild gewordener Mann und daß wir mit dem Kopf durch die Wand zu gehen versuchen, wenn uns von allen Seiten erklärt wird, so gehe es einfach nicht. Wir halten diesen Antrag und unsere Überlegungen in dieser Richtung aber so lange bereit, bis bei Ihnen die Vernunft einkehrt. Wir sind dann auch bereit, Sie an den Beinen aus der Sackgasse herauszuziehen, in die Sie sich mit dem Kopf hineinverrannt haben. ({2}) Ich hoffe nur, daß diese Vernunft nicht erst zu einem Zeitpunkt kommt, wo dem Ganzen auf dem spezifischen Gebiet der Wissenschaft und der Erziehung schon ein unheilbarer Schaden zugefügt ist. ({3})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat der Abgeordnete Stoltenberg.

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist keine angenehme Aufgabe, zu dieser Stunde die Debatte auch nur noch um fünf oder sieben Minuten zu verlängern. Ich verzichte deshalb auf meine Unterlagen und Stichworte. Ich halte es aber für notwendig, zur Begründung unserer Entschließung kurz noch einiges zu sagen. Ich kann es in fünf Punkte fassen. 1. Der Bund hat bereits bisher vor der Klärung aller Kompetenzfragen mit den Ländern seine Leistungen für Wissenschaft und Forschung erheblich gesteigert. Er stellte im Jahre 1959 im Etat fast 1 Milliarde DM hierfür zur Verfügung, davon etwa 40% für Aufgaben, die in der Zuständigkeit der Länder liegen. Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern hat sich unseres Erachtens durch gemeinsame Planungen in verschiedenen Gebieten und die Gründung des Wissenschaftsrates bereits erheblich verbessert. Die Länder geben jetzt jährlich über 4,2 Milliarden DM in ihren Kulturetats aus, davon über 1 Milliarde DM für Wissenschaft und Forschung. Man muß diese Zahlen zur Kenntnis nehmen, wenn man hier von völlig unzureichenden Leistungen oder katastrophalen Entwicklungen spricht. ({0}) 2. Im Vordergrund steht mit Recht der beschleunigte Ausbau der Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen. Der Bund hat seit 1956 über 250 Millionen DM hierfür bereitgestellt. Im Etat 1960 sind insgesamt 170 Millionen DM hierfür vorgesehen. Die CDU/CSU tritt für eine weitere Erhöhung dieser freiwilligen Bundesleistungen ein. Sie will in den nächsten fünf Jahren insgesamt 1 Milliarde DM in den Etats des Innen- und des Atomministeriums hierfür zur Verfügung stellen. Da der Bund 50 O/o der Kosten für den Bau und die Erstausstattung tragen will und damit auf die Länder, die ja Träger der Hochschulen sind, der gleiche Anteil entfällt, können in den nächsten fünf Jahren 2 Milliarden DM verwendet werden. Ich bin überzeugt - das muß ich Herrn Kollegen Eilers sagen; leider ist die Fraktion der FDP überhaupt nicht mehr vertreten -, daß die sinngemäße, zweckmäßige und zeitgerechte Verwendung dieser Mittel alle verantwortlichen Stellen bis auf das äußerste in ihrer Leistungsfähigkeit beanspruchen wird. Ich darf betonen - entgegen den Katastrophenprophezeiungen, die wir hier gehört haben -, daß damit die Wünsche der Hochschulen und der Kultusminister selbst erfüllt sind. Die Kultusminister haben 1957 einen Betrag von 2,6 Milliarden DM für die nächsten sieben bis zehn Jahre in ihren Bedarfsplänen veranschlagt. Der Wissenschaftsrat, dessen Arbeiten, wie wir auch von der Bundesregierung gehört haben, noch nicht abgeschlossen sind, hat vorläufig eine Summe von 2 bis 2,5 Milliarden DM genannt. 3. Das schnelle Ansteigen der Studentenzahlen macht nach Ansicht der CDU/CSU die sofortige Prüfung der Frage durch Bund und Länder nötig, inwieweit zusätzlich die Gründung neuer wissenschaftlicher Hochschulen und Fachschulen erforderlich ist. Diese Planungen beinhalten fraglos eine Klärung der Finanzierungsfrage. Die CDU/CSU tritt für eine weitgehende Verwendung der Mittel aus der Privatisierung des Volkswagenwerkes für diese Aufgabe ein. Dies setzt freilich voraus, daß der Bund diese ihm nach dem Vergleichsvertrag zur Nutzung überlassenen Mittel nicht zu verzinsen und zu tilgen braucht. Darüber wird mit Niedersachsen gesprochen werden müssen, und Sie, sehr verehrte Kollegen von der SPD, können uns bei diesen Verhandlungen sicher gute Dienste leisten. Ich muß der Ansicht des Kollegen Lohmar widersprechen, das sei praktisch eine Realisierung der Idee der SPD von der Schaffung einer Stiftung Volkswagenwerk. Die von der SPD vorgeschlagene Stiftung Volkswagenwerk hätte nicht zu einer Veräußerung, nicht zu einer Privatisierung geführt und damit auch nicht die Mittel in die Hände des Bundes gegeben, mit denen allein diese Maßnahme möglich ist. ({1}) - Bei einer vollen Stiftung, Herr Kollege Schäfer, bekommen Sie nicht, sofern Sie nicht privatisieren, die Mittel, mit denen diese Aufgabe wahrgenommen werden könnte. 4. Diese freiwilligen Bundesleistungen müssen den Schwerpunkt bilden. Die CDU/CSU lehnt es auch weiterhin ab, den Bund für alle Sorgen im kulturellen Bereich ohne jede Rücksicht auf die Verfassung haftbar zu machen. Sie ist jedoch bereit, auf Grund von Vereinbarungen mit den Ländern für mehrere Jahre in bestimmten, klar umrissenen Gebieten auch außerhalb der verfassungsmäßigen Kompetenzen des Bundes zur Beseitigung von Notständen Bundesmittel einzusetzen. Die Länder und Gemeinden haben bewiesen, daß sie die Schulfrage in wenigen Jahren aus eigener Kraft lösen können. Nach den Unterlagen der Kultusminister - Herr Kollege Frede hat schon darüber gesprochen - hat sich die Zahl der Klassenräume in Volks-, Mittel-, Realschulen und Gymnasien von 1955 bis 1959 von 147 000 auf über 165 000 erhöht. Dies bedeutet: bei einer Steigerung der kommunalen und Landesmittel für Schulbau auf jetzt über 750 Millionen DM im Jahr ist in drei Jahren der Nachholbedarf ohne direkte Bundeshilfe zu bewältigen. Der Bund gibt jedoch eine wirkungsvolle indirekte Hilfe, indem er die Länder durch eine Änderung des Finanzausgleichs um jährlich 275 Millionen DM entlastet. Diese Mittel sollten nach Ansicht der CDU/CSU von den Ländern in erster Linie für Zwecke des Schulbaus eingesetzt werden, vor allem, Herr Kollege Lohmar, zur baldigen Einführung des 9. Schuljahrs im ganzen Bundesgebiet. 5. Umstritten ist noch der Bereich der überregionalen Forschung. Die CDU/CSU verweist darauf, daß der Bund nach Artikel 74 Nr. 13 des Grundgesetzes eindeutige Zuständigkeiten besitzt. Sie steht weiterhin zu der Entschließung des Bundestages vom 12. .Juni 1959, nach der vom Bund die Finanzträgerschaft für die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft übernommen werden sollte. Es ist unbefriedigend, gerade auch vom Standpunkt des parlamentarischen Etatrechts her, daß der Bund z. B. 75 % der Mittel für die Deutsche Forschungsgemeinschaft heute aufbringt, während die Länder die Trägerschaft weiterhin für sich allein beanspruchen. Die CDU/CSU ist bereit, durch ihren Vorschlag die Länder in diesem Bereich um weitere 60 Millionen DM jährlich zu entlasten. Es bleibt hier nur noch ein kurzes Wort zu dem Gesetzentwurf der SPD zur Stiftung Wissenschaftsrat zu sagen. Wir lehnen diesen Antrag aus rechtlichen wie aus politischen Gründen ab. Es wird, kurz gesagt, der Versuch gemacht, ein Gremium von hohen Landes- und Bundesbeamten und namhaften Vertretern der Wissenschaft, das durch ein Verwaltungsabkommen geschaffen wurde, jetzt durch Gesetz in eine Stiftung umzuwandeln und ihm Vollmachten bei der Erstellung des Etatentwurfs zu übertragen, die eindeutig der parlamentarisch verantwortlichen Regierung zukommen. ({2}) Uns scheint dies abwegig zu sein. Es liegt gewiß nicht im Sinne des parlamentarischen Prinzips, das wir sonst hier oft genug gemeinsam betonen. Ich glaube auch nicht, daß Sie dem Wissenschaftsrat mit einem solchen Antrag einen Gefallen erweisen. Er leistet als angesehenes Fachgremium ohne falsche politische Ambitionen eine ausgezeichnete Arbeit, gerade auch im Zusammenwirken von Bund und Ländern, und hat sich bei allen Fraktionen wie auch bei der Öffentlichkeit Gewicht verschafft. Wir bekommen seine Vorschläge auch ohne ein solches Gesetz. Jedes Mitglied des Haushaltsausschusses weiß es und prüft sie bei den Etatberatungen. So soll es unseres Erachtens bleiben. Darum lehnen wir diese Vorlage ab.

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lohmar?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Dr. Ulrich Lohmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001370, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Dr. Stoltenberg, können Sie mir einen Hinweis auf eine Bestimmung in unserem Gesetzentwurf geben, durch deren Verwirklichung die Kompetenz dieses Parlaments eingeschränkt werden würde?

Dr. Gerhard Stoltenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es heißt dort, wenn ich mich nicht irre, in § 2 Abs. 1, daß die Bundesregierung im Regelfall den Etatvoranschlag des Wissenschaftsrates übernehmen soll. Erst in einem Nachsatz heißt es dann, daß sie in der Lage ist, davon abweichende Feststellungen zu treffen. Das scheint mir eine Einschränkung des verfassungsmäßigen Rechtes der Bundesregierung zu sein, den Etat in eigener Verantwortung aufzustellen. Ich komme zum Schluß und fasse zusammen. Es wäre unfruchtbar, den bisherigen Meinungs- und Auslegungsstreit zwischen Bund und Ländern über die vermeintliche Kulturhoheit der Länder unbegrenzt fortzusetzen. Die Verwaltungszuständigkeit der Länder für das Unterrichts- und Erziehungswesen im weitesten Sinne des Wortes ist unbestritten. Veränderte und erweiterte Aufgaben eines modernen Kulturstaates erlauben es aber dem föderalistischen Bundesstaat nicht mehr, auf diesem Gebiete politisch untätig zu sein. Es gibt heute eine gemeinsame, eine gesamtstaatliche Verantwortung für die Kultur, die als politische Verantwortung auch ungeschrieben in jeder modernen Verfassung steht. In der Bundesrepublik gibt es zudem, wie wir wiederholt in dieser Debatte betont haben, die Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes. Davon ist bisher kein Gebrauch gemacht worden, weil der Bund eine Verständigung mit den Ländern ohne Gesetz vorzieht. Die gewachsene Verantwortung des Bundes für das gesamte Kulturgesicht unseres Volkes macht es erforderlich, die organisatorischen und finanziellen Bemühungen des Bundes und der Länder zu vereinigen und der Förderung der Wissenschaft eine noch breitere Grundlage als bisher zu geben. Dafür gibt es, wie ich gezeigt habe, eine Reihe von positiven Beispielen, die bei aller maßvollen und sachlichen Kritik daran, daß manche Fragen noch ungelöst sind, nicht übersehen werden können. Wir hoffen, daß sich Bund und Länder auf der Basis der jetzigen Verfassungsordnung noch mehr als bisher finden und wechselseitig zu Konzessionen bereit sind. Daran mitzuwirken ist unseres Erachtens eine Aufgabe aller Parteien, die in Deutschland politische Verantwortung tragen. ({0})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.

Dr. Friedrich Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001930, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte den Auftrag, zur finanziellen Seite der Kulturpolitik Stellung zu nehmen, und zwar in einer umfassenden Weise. Das ist angesichts der fortgeschrittenen Zeit nicht möglich. Deshalb will ich hier lediglich ankündigen, daß ich bei den Haushaltsberatungen zum Einzelplan 06 darauf zurückkommen werde. Ich werde dabei sowohl zur Frage des Umfangs der auf dem Gebiete der Kulturpolitik notwendigen finanziellen Mittel überhaupt wie auch zu der entscheidenden zweiten Frage Stellung nehmen, wie die Länder und die Gemeinden in die Lage versetzt werden können, diesen ihren Aufgaben nachzukommen. ({0}) Damit später bei der Haushaltsdebatte nicht gesagt wird, das hätte man heute hier vorbringen müssen, wollte ich das angekündigt haben. Ich glaube, man kann die Frage, wie der Finanzausgleich in diesem Zusammenhang behandelt werden soll, nicht so am Schluß der Debatte anhängen, sondern muß darauf ausführlich eingehen. ({1})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Damit ist die Diskussion über die Große Anfrage der Fraktion der SPD erledigt. Wir haben nun zunächst noch den unter Punkt 9b der Tagesordnung aufgeführten Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer „Stiftung Wissenschaftsrat" zu behandeln. Hier wird interfraktionell die Überweisung lediglich an den Kulturausschuß beantragt. Wer der Überweisung des Antrages auf Drucksache 1314 an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen. Für die Anträge der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 468 und der Fraktion der SPD auf Umdruck 469 ist interfraktionell die Überweisung an den Ausschuß für Kulturpolitik und Publizistik als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zur Mitberatung vereinbart worden. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Auch das ist so beschlossen. Zu Punkt 9c, also zu der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz", hat nunmehr Frau Abgeordnete Dr. Maxsein das Wort.

Dr. Agnes Katharina Maxsein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001445, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. Februar 1957 hat dieses Hohe Haus das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" beschlossen. Seitdem sind drei Jahre ins Land gegangen. Die Diskussion über die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Stiftung war langwierig. Ihr wurde durch die Erklärung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli vergangenen Jahres, daß das Gesetz über die Errichtung einer Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" mit dem Grundgesetz vereinbar sei, ein Ende gesetzt. Damit ist ein Schlußstrich unter die Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern gezogen. Heute, drei Jahre nach der Verkündung des Gesetzes und ein halbes Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ist diese Stiftung noch immer nicht über ihre Satzung ins Leben getreten. Ich bin der Meinung, dieses Parlament, das dieses Gesetz nahezu einmütig - bei einer Stimmenthaltung - beschlossen hat, besitzt nicht nur ein Recht, sondern hat sogar die Pflicht, sich danach zu erkundigen, wie es mit dieser Stiftung steht, nicht zuletzt in der Erkenntnis der Bedeutung der Sache. Ich möchte die Bedeutung Ihnen nicht in der Form meiner individuellen Auffassung nahebringen, sondern mich auf ein ausgezeichnetes Gutachten der ehemals Staatlichen Museen beziehen, das fast wörtlich mit der Formulierung übereinstimmt, die sich in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts findet: Die Bedeutung der Museen und die Aufgaben der Stiftung bestehen darin, daß der preußische Kulturbesitz - mindestens seit der Reichsgründung - eine Aufgabe hatte, die den preußischen Sammlungen einen gesamtdeutschen, national-repräsentativen Charakter verlieh. Diese Sammlungen bieten ein in Deutschland einmaliges Gesamtbild der kulturellen und geistesgeschichtlichen Entwicklung des Erdkreises von den Anfängen bis zur Gegenwart. Im Urteil wird weiter festgestellt, daß die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" die Aufgabe hat, die während des Krieges und des Zusammenbruchs verstreuten Bestände wieder zusammenzuführen, zu ergänzen, zu pflegen und die Tradition als gesamtdeutsche Aufgabe fortzuführen. Schließlich hat sie die Verpflichtung, die Auswertung des Kulturbesitzes für die Interessen der Allgemeinheit in Wissenschaft und Bildung und für den Kulturaustausch zwischen den Völkern zu gewährleisten. Im September 1958 ist die Rückführung des gesamten ausgelagerten Kunstbesitzes der Berliner Museen beendet worden. Die finanzielle Situation ist so, daß die Auswertung dieses unersetzlichen Kulturbesitzes auch nicht annähernd erfolgen konnte, weder die konservatorische Pflege noch die wissenschaftliche Auswertung, noch die Erfüllung der Bildungsaufgaben, wozu es erforderlich ist, den Kulturbesitz einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ich kenne diese Verhältnisse nicht nur aus ausgezeichneten Gutachten, sondern auch aus persönlicher Erfahrung. Ich möchte mich kurz fassen, kann aber an einer Aufgabe nicht vorübergehen. Ich bin der Meinung, daß in dieser Stunde den erzieherischen und den Bildungsaufgaben eines solchen Kulturbesitzes ganz besondere Beachtung geschenkt werden muß. Ich sprach von seiner nationalen Repräsentanz und seiner gesamtdeutschen Bedeutung. Wir unterhalten uns darüber, wie wir das Verhältnis des Volkes, insbesondere der Jugend, zu Nation und Staat pflegen können. Ich glaube, daß man ein gesundes Nationalbewußtsein gerade in der Begegnung mit dem Kulturbesitz, der Ausdruck besten deutschen Geistes ist, entwickeln kann. Sie werden verstehen, daß auch diese Überlegungen uns veranlaßt haben, die Große Anfrage zu stellen. Es geht uns nicht darum, eine Kontroverse zwischen Bund und Ländern zu vertiefen. Ganz im Gegenteil. Wir sind der Meinung, daß diese Angelegenheit für die Öffentlichkeit so bedeutungsvoll ist, daß hierüber eine parlamentarische Auseinandersetzung erfolgen sollte. Wir stellen die Anfrage recht besorgt, aber doch in der Hoffnung, daß die Bundesregierung eine sehr positive Antwort über den Stand der Verhandlungen geben kann. Wir wissen von der Bundesregierung, daß sie alles getan hat, um den Kunstbesitz wieder zur Geltung zu bringen. Ich möchte nicht verschweigen, daß auch von seiten der Länder große Opfer gebracht worden sind. Die Große Anfrage lautet: Wie weit sind die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern gediehen, damit die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" ins Leben treten kann? ({0})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Sie haben die Begründung der Großen Anfrage durch Frau Kollegin Maxsein gehört. Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Gerhard Schröder (Minister:in)

Politiker ID: 11002077

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht hätten wir diese Anfrage zu Beginn der heutigen kulturpolitischen Debatte behandeln sollen; dann hätte man sich einmal die Mühe machen müssen, über die Hintergründe der Kanzleien zu sprechen und den ganzen Jammer vor dem deutschen Volke auszubreiten, der bei der Lösung von Problemen wie diesem sichtbar wird. Bevor ich hier eine wohlformulierte Antwort gebe, erlauben Sie mir, aus meinem Herzen keine Mördergrube zu machen. Wenn man einen föderalistischen Staatsaufbau hat und die heutigen Schwierigkeiten sieht, dann kann man sich sehr wohl wünschen, daß es in einem solchen Staat ein Gebilde wie Preußen geben möge. Dann täte sich nämlich manches sehr viel leichter, als wir es derzeit erleben. Ich kann nur sagen: hoffentlich geht es dem preußischen Kulturbesitz nicht so schlecht, wie es Preußen gegangen ist. Die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage lautet wie folgt: Um die Stiftung „Preußischer Kulturbesitz" und ihre Organe, insbesondere den Stiftungsrat, handlungsfähig machen zu können, ist der Erlaß der Satzung erforderlich. Voraussetzung hierfür ist die Klärung der Frage, ob und welche Länder sich an der Stiftung beteiligen wollen. Die Verhandlungen hierüber mit den Ländern schweben noch. Es geht vor allem um die politisch schwierige Frage des Beteiligungs- und Stimmenverhältnisses zwischen Bund und Ländern, womit nach § 11 des Gesetzes über die Errichtung der Stiftung auch die Verteilung der finanziellen Lasten gekoppelt ist. Es steht zu hoffen, daß bald eine im Hinblick auf die kulturelle und gesamtdeutsche Bedeutung des preußischen Kulturbesitzes geeignete Lösung gefunden wird. Über die Eilbedürftigkeit sind sich alle Verhandlungspartner im klaren. - Aber erlauben Sie mir einzuschieben: Einsicht in die Verhältnisse führt noch lange nicht zur Lösung der gestellten Aufgaben. - In dem von der Sache her sehr bedauerlichen Schwebezustand darf die ordnungsgemäße und zweckentsprechende Betreuung des preußischen Kulturbesitzes in dem, was sachlich und personell erforderlich ist, keinen Schaden nehmen. Auch darüber sind sich alle Beteiligten einig. Der Bund wird deshalb mit Beginn des neuen Rechnungsjahres in Verbindung mit den Ländern, in denen sich die einzelnen Teile des preußischen Kulturbesitzes befinden, die erforderliche finanzielle Hilfe leisten müssen. Herr Präsident, erlauben Sie mir bitte, im Anschluß daran nur noch einiges wenige zu sagen, das ich bisher noch nicht ausgesprochen habe. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich das, was in der voraufgegangenen Debatte gesagt worden ist, hinsichtlich seiner Möglichkeit, verwirklicht zu werden, überlegen, dann müssen Sie zugeben, daß das Schicksal, das der preußische Kulturbesitz trotz eines einstimmig angenommenen Gesetzes und nach einem siegreichen Urteil in Karlsruhe bis heute erlitten hat, kein besonders ermunternder Auftakt ist. Ihnen, Frau Kollegin Maxsein, die Sie die Anfrage begründet haben, möchte ich sagen: Wir werden nicht müde werden, weiter in der richtigen Richtung zu kämpfen, und wir hoffen, daß sich schließlich die Einsicht, wenn auch nicht gerade stürmisch, so doch wenigstens zentimeterweise durchsetzen wird. ({0})

Dr. Victor Emanuel Preusker (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001749

Sie haben die Antwort der Regierung gehört. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung auch dieser Großen Anfrage abgeschlossen. Wir sind damit am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf Mittwoch, den 17. Februar 1960, 9 Uhr. Ich schließe die heutige Sitzung.