Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/4/2009

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Umsetzung der Breitbandstrategie der Bundesregierung. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg. - Bitte schön.

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herr Präsident, vielen Dank. - Meine Damen! Meine Herren! Das Internet ist längst eine Lebensader der Informations- und Wissensgesellschaft; eine Lebensader, die in vielerlei Hinsicht die Gesellschaft als solche durchzieht. Leistungsfähige Breitbandnetze sind für Wirtschaft und Gesellschaft mittlerweile so bedeutend wie Straßen, Schienen, Flüsse, Kanäle, wie Gas-, Wasser- und Stromverteilnetze geworden. Entsprechend emotional wird die Debatte in unserer Bevölkerung begleitet. Die Ausgangslage insgesamt ist gut. Ich möchte nicht euphorisch werden, aber fast 60 Prozent der Haushalte nutzen heute Breitbandanschlüsse, und für 92 Prozent der Haushalte ist mittlerweile ein Breitbandanschluss mit einer Übertragungsrate von 1 Megabit pro Sekunde verfügbar. Unser Land liegt damit im internationalen Vergleich mit anderen großen Volkswirtschaften an der Spitze. Doch ich sage sehr offen: Wir müssen noch erheblich besser werden. Dies ist kein Ruhekissen, auf dem wir uns ausruhen können. Insbesondere im ländlichen Raum - ich selbst komme aus dem ländlichen Raum - ist erheblicher Verbesserungsbedarf gegeben. Viele Bürgerinnen und Bürger können das Breitbandinternet bislang nicht oder nur eingeschränkt nutzen. Hier ist über das Wort „Kreativität“ hinaus mehr erforderlich. Von daher brauchen wir heute Internet überall: in jedem Dorf - mag es in einem oberbayerischen Bergdorf sein - oder auf jedem Hof auf einer Hallig. Wir brauchen es schlicht überall. Mehr noch: Wir brauchen morgen die modernsten Netze, damit die neuesten Entwicklungen entsprechend genutzt werden können. Die Zahl hochleistungsfähiger Breitbandanschlüsse muss schneller wachsen, um unserem Land zusätzliche Wachstumsimpulse zu geben. Der Wachstumsaspekt bei dieser Technologie kann gar nicht überschätzt werden. In Deutschland wollen wir bis Ende 2010 leistungsfähige Breitbandanschlüsse für alle Haushalte verfügbar machen. Das ist ein ehrgeiziges Vorhaben; das weiß ich. Aber vor diesem Vorhaben sollten wir uns nicht wegducken. So ist es auch in der Breitbandstrategie der Bundesregierung vorgesehen, die wir vor 14 Tagen verabschiedet haben: Bis 2014 sollen bereits 75 Prozent der Haushalte Anschlüsse mit Übertragungsraten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde haben. Möglichst bald danach sollen solche hochleistungsfähigen Breitbandanschlüsse flächendeckend verfügbar sein. Der Staat alleine kann das nicht richten. Er soll es auch nicht richten. Wir werden diese Zahlen und diese Ziele nur erreichen, wenn wir weiterhin auf Wettbewerb, Anbieter- und Technologievielfalt bauen. Technologievielfalt heißt auch: Die Ziele der Breitbandstrategie der Bundesregierung lassen sich nur erreichen, wenn neben modernen leitungsgebundenen Netzen auch leistungsstarke Funktechnologien mit zum Einsatz kommen. Hier kommt die Digitale Dividende ins Spiel. Wir haben heute im Bundeskabinett die entsprechende Verordnung verabschiedet. Ich würde Ihnen gerne den Namen dieser Verordnung ersparen. Ich will dieses Wortungetüm trotzdem ins Spiel bringen: Es ist die Frequenzbereichszuweisungsplanverordnung. Man muss es erst einmal schaffen, ein solches Wort zu kreieren. Danach wird die Digitale Dividende künftig vorrangig in die Schließung von Versorgungslücken in ländlichen Bereichen fließen. Gleich nach der Zustimmung des Bundesrates, die wir derzeit für Mai dieses Jahres erwarten, kann dann die bundesweite Vergabe durch die Bundesnetzagentur anlaufen. Redetext Mit dem heutigen Beschluss des Kabinetts setzen wir Wachstumskräfte frei. Dieser Wachstumsaspekt ist uns außerordentlich wichtig: für das Internet und - noch wichtiger - für unsere Volkswirtschaft insgesamt. So setzen wir gerade in der Finanz- und Wirtschaftskrise ein wichtiges Signal. Wir nutzen die Krise in dieser Hinsicht als Chance und wollen sie als solche begriffen wissen. Deutschland soll gerade jetzt moderner werden. Es wird Potenzial für den flächendeckenden Ausbau breitbandiger Infrastrukturen und für die Stimulierung des Wettbewerbs freigesetzt. Dieser Begriff wird in diesem Zusammenhang gerne inflationär gebraucht, erfährt jedoch immer wieder eine unterschiedliche Konnotation. Bislang haben wir mit der Stimulierung des Wettbewerbs gute Erfahrungen gemacht: Intensiver Wettbewerb hat auf dem Telekommunikationsmarkt doch einiges bewirkt. Ich erinnere nur daran, wie stark die Telefonkosten in der Vergangenheit zurückgegangen sind. In diesem Sinne ist das auch eine gute Verbraucherpolitik. Neben der Nutzung der Digitalen Dividende basiert unsere Breitbandstrategie auf drei weiteren Elementen: Zum einen ist das die Nutzung von Synergien beim Infrastrukturausbau. Das heißt konkret, dass vorhandene und noch entstehende Einrichtungen für die Mitnutzung durch Telekommunikationsanbieter geöffnet werden müssen. Zum Zweiten müssen die nationale wie die europäische Regulierungspolitik stärker wachstumsorientiert sein, und zum Dritten sollen finanzielle Fördermaßnahmen nur dort bereitgestellt werden, wo Marktprozesse nicht in Gang gesetzt werden können. Ich war gestern auf der CeBIT. Dort traf die Breitbandstrategie der Bundesregierung auf große öffentliche Resonanz. Natürlich fand über den einen oder anderen Punkt auch eine Diskussion statt. Ich bin überzeugt davon: Wenn alle an einem Strang ziehen und gemeinsame Anstrengungen aufbringen - Politik und Unternehmen, der öffentliche und der private Bereich, Verbände und Unternehmen, Bund, Länder und Kommunen -, können wir diese ambitionierten Ziele, deren Umsetzung wir auf den Weg gebracht haben, erreichen. Vielleicht ist das bei dem einen oder anderen Punkt sogar früher möglich, als wir avisiert haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen. Ich beginne mit Kollegin Petra Sitte.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr zu Guttenberg, Sie haben über das grundsätzliche Herangehen der Bundesregierung gesprochen. Das hat Herr Schauerte vor zwölf Monaten auch schon einmal getan. Er hat gesagt, dass das Problem 2008 gelöst wäre. Er meinte damals, es wäre gelacht, wenn wir das Thema nicht in relativ kurzer Zeit - ich sage noch einmal: binnen zwölf Monaten - im Wesentlichen gelöst hätten. Die Kanzlerin hat in ihrer Neujahrsansprache Ähnliches versprochen, insbesondere moderne Wege der Kommunikation auf dem Land. Vorgestern hat sie auf der CeBIT noch einmal ausdrücklich gesagt, dass in der Bundesrepublik Deutschland Breitbandanschlüsse privat entstehen sollen. Ich zitiere wörtlich: Aber der Staat hat die Aufgabe, diese Entwicklung der Infrastruktur so zu fördern, die Anreize so zu setzen, dass wir nicht nur in den Ballungsgebieten gute Anschlussmöglichkeiten haben, sondern dass dies flächendeckend und somit auch für die ländlichen Regionen gilt. Ich komme aus Sachsen-Anhalt. Auch ich weiß also, wovon ich spreche, nicht nur Sie aus Oberbayern. ({0}) - Oh Gott! Ich entschuldige mich bei allen Oberbayern. Im Gesetz zum Konjunkturpaket ist keine einzige Zahl enthalten; jedenfalls ist uns das nicht bekannt. Insofern fragen wir Sie, welche Beträge für 2009 und 2010 seitens des Staates vorgesehen sind, um jene Anreize zu setzen, von denen die Kanzlerin gesprochen hat.

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Frau Kollegin Sitte, herzlichen Dank für die Nachfrage. Zunächst einmal möchte ich sagen, dass der Hinweis auf Oberfranken gestattet sein muss, da es zwischen Oberbayern und Oberfranken den einen oder anderen Unterschied gibt. Von Ihrer Seite wurde richtigerweise angedeutet, dass die Versorgung des ländlichen Raumes einer der Punkte ist, derer wir uns intensiv anzunehmen haben. In das Konjunkturpaket haben wir unter anderem Infrastrukturmaßnahmen aufgenommen, die insbesondere den Kommunen zugute kommen sollen. Über den Teil des Paketes, mit dem diesem kommunalen Aspekt Rechnung getragen wird, ist eine gewisse Abdeckung möglich. Da Sie aus Sachsen-Anhalt kommen, möchte ich darauf hinweisen, dass zu prüfen sein wird, auf welche Mittel aus der Gemeinschaftsaufgabe zurückgegriffen werden kann. Man wird sich diesbezüglich einbringen können. Wenn unser Konzept umgesetzt wird, kommen auf den Steuerzahler selbst - über das Konjunkturpaket hinausgehend - Beträge in einem geringen Millionenbereich zu. Vor diesen Beträgen muss uns nicht grauen. Das wäre anders, wenn man das Ganze lediglich in die öffentliche Hand geben würde oder ausschließlich leitungsgebundene Netze nutzen würde und die Funktechnologien nicht einbeziehen würde.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Sitte.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich würde gern nochmals nachfragen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie bezogen auf das Konjunkturpaket keine konkreten Zahlen nennen können. Daher frage ich prinzipiell: Die Kanzlerin spricht davon, Anreize dafür zu setzen, dass Breitbandanschlüsse für den ländlichen Raum geschaffen werden. Wie sehen diese aus? Wir wisDr. Petra Sitte sen, dass die großen Anbieter sagen: Wer gräbt, verliert. Insofern stellt sich für mich die Frage, wie sich das gestalten soll. Sie haben heute nur eine Verordnung verabschiedet, und zwar für nur ein Segment.

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Frau Kollegin Sitte, das eine Segment darf schon hervorgehoben werden. Die Digitale Dividende ist nicht gering zu schätzen. Hierdurch haben wir die Möglichkeit, gewisse weiße Flecken wirksam und effektiv abzudecken. Ich füge hinzu: Eine gewisse Kommunikationsarbeit wird allerdings noch vonnöten sein, etwa hinsichtlich der Nutzung von Funk. Wir als Bundesregierung wollen uns nicht nur an dieser Vermittlungsarbeit beteiligen, sondern auch vor Ort Informationen zur Verfügung stellen. Bei der Ausgestaltung als solche geht es darum, auf bereits vorhandene Synergien beim Infrastrukturausbau zurückzugreifen, die Optionen, die auf kommunaler Ebene und auf Landesebene gegeben sind, entsprechend zusammenzuführen und insbesondere die Eigenverantwortung nicht zu vernachlässigen. Es sollte nicht alles an einer monopolistischen Struktur ausgerichtet werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Cornelia Behm, bitte.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, vielen herzlichen Dank für Ihren Bericht. Dass Sie heute hier stehen und die Breitbandstrategie der Bundesregierung vorstellen, zeigt, wie groß die Not ist. Ich erinnere mich heute schamvoll daran, wie ich vor ungefähr anderthalb Jahren das BMF im Rahmen einer Haushaltsdebatte gescholten habe, dass es Mittel für die Breitbandversorgung im Rahmen der Entwicklung ländlicher Räume bereitstellt. Damals habe ich gesagt: Meine Güte, das ist doch nicht Sache des BMF, sondern des Wirtschaftsministeriums. Es ist also ein gutes Zeichen, dass Sie hier stehen. ({0}) - Ja, ich bin außerordentlich dankbar, vor allen Dingen im Interesse der betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Wie sehen die Pläne der Bundesregierung zum Aufbau dieses Infrastrukturatlasses aus? Wir kommen jetzt von einem Atlas zum nächsten Atlas - das kann durchaus Sinn haben - und zu dem Aufbau dieser Baustellendatenbank. Wie soll das finanziert werden? Welche Kosten entfallen auf den Bund, auf die Länder und auf die Kommunen? So eine Datenzusammenstellung ist sicherlich nicht für lau zu haben. Dass die Bundesregierung bereit ist, Fördermittel in die Entwicklung der Breitbandversorgung zu investieren, ist mit Sicherheit sinnvoll, gerade da, wo Lösungen geschaffen werden müssen, die im Moment nicht selbsttragend sind. Aber wie halten Sie es mit der Bereitstellung von Fördermitteln für Techniken, die auf der Nutzung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern basieren, zum Beispiel Wimax, UMTS oder HSDPA? Ich frage dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Bundesamt für Strahlenschutz vorsorgliche Maßnahmen zur Verringerung der Strahlung in diesem Bereich fordert, weil immer noch keine gesicherten Erkenntnisse über Gesundheitsschädigungen durch hochfrequente elektromagnetische Felder bei Kindern und Jugendlichen sowie in Bezug auf Langzeitfolgen, also bei einer Nutzung über zehn Jahre, vorliegen. Werden Sie auch für diese Technologien Fördermittel bereitstellen?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Vielen Dank, Frau Kollegin. Zunächst zum Infrastrukturatlas: Unsere Zielsetzung ist, dass wir die Bundesnetzagentur beauftragen wollen, bereits im Herbst einen ersten Entwurf dieses Infrastrukturatlasses vorzulegen. In diesen Atlas sollen unterschiedliche Erkenntnisse einfließen. Es ist ja nicht so, dass jede Erkenntnis gänzlich neu gewonnen werden muss, sondern man kann auf Erfahrungswerte zurückgreifen, die es auf kommunaler Ebene, auf Landesebene und auf unternehmerischer Ebene gibt. Die Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass wir zu diesen Erkenntnissen gelangen, ohne uns in erhebliche finanzielle Kalamitäten zu begeben. Hier ist auch erkennbar, Frau Kollegin, dass es zu einer entsprechenden Kooperation kommen wird. Ich verhehle allerdings nicht, dass der Wunsch, diesen Zeitrahmen einzuhalten, noch einmal deutlich gemacht werden darf und kann. Das werden wir von der Regierungsebene tun. Wir freuen uns über jede Begleitung auf parlamentarischer Ebene. Zum zweiten Teil Ihrer Frage, zur Strahlenbelastung und Ähnlichem: Hier werden die Bundesregierung und das Bundeswirtschaftsministerium auf entsprechende Information setzen; dies haben wir bereits in die Wege geleitet. Wir werden nicht nur Informationen über die Möglichkeiten des Internets bereitstellen, sondern wir wollen auch vor Ort mehr über die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die uns vorliegen, informieren. Dabei wollen wir auch über die Themen, bei denen möglicherweise in dem einen oder anderen Punkt noch Dissens besteht, offen und klar berichten. Soweit ich weiß, ist es so, dass zwar nicht bei jeder der genannten Technologien, aber bei denen, die für die Beseitigung der weißen Flecken - Stichwort: Digitale Dividende - eine Rolle spielen, von gesundheitsschädlichen Aspekten die Rede ist. Man sollte im Zusammenhang mit den Erkenntnissen, die uns vorliegen, darüber nachdenken, ob diese Auswirkungen abzufedern sind.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Kollege Klaus Hofbauer, bitte.

Klaus Hofbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir ist es ein Anliegen, der Bundesregierung ein herzliches Wort des Dankes zu sagen. Durch diese Initiative haben wir, was die Breitbandversorgung insgesamt und unsere Bemühungen, diese Technik zu fördern, angeht, einen großen Schritt nach vorne gemacht. Man möge mir verzeihen, dass ich insbesondere den beiden CSU-Ministern, Frau Aigner und Herrn zu Guttenberg, aber auch seinem Vorgänger, danken möchte. ({0}) - Erstens brauche ich niemanden zu fragen. Zweitens haben insbesondere diese beiden Ministerien Gott sei Dank gut zusammengearbeitet und einiges auf den Weg gebracht. Man sollte zum Beispiel wissen, dass auch im Rahmen der GAK Förderungen getätigt werden. Dafür sind das Landwirtschaftsministerium und das Wirtschaftsministerium zuständig, wie auch für die Gemeinschaftsaufgabe Konjunkturprogramm. Man muss das nur nachlesen. Dann weiß man, welche finanziellen Möglichkeiten bestehen. Herr Minister, ich denke, die Rahmenbedingungen sind optimal. Jetzt geht es um die praktische Umsetzung, insbesondere um die Umsetzung vor Ort. Dazu möchte ich drei Anmerkungen machen. Zunächst möchte ich betonen, dass wir dringend einen Infrastrukturatlas benötigen, und zwar aus einem einfachen Grund: weil die Verantwortlichen vor Ort zum Teil gar nicht wissen, welche Glasfaserleitungen überhaupt vorhanden sind. Hier ist eine Kooperation, auch unter den Kommunen, erforderlich. Wir brauchen eine interkommunale Zusammenarbeit. Herr Minister, das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist Folgendes: Ich bitte darum, dass die Beibehaltung der Tarifeinheit sichergestellt wird. Es darf nicht passieren, dass bei den Tarifen wesentliche Unterschiede zwischen ländlichen Räumen und Ballungsräumen entstehen. Meine dritte Anmerkung. Wir brauchen die Bereitschaft, intensiver zu kooperieren, auch aufseiten der Telekom. Vor Ort ist in vielen Fällen die Zusammenarbeit mit der Telekom erforderlich. Manche Entwicklungen stimmen mich allerdings nachdenklich. Manchmal funktioniert diese Kooperation nicht. Im Großen und Ganzen haben wir allerdings einen großen Schritt nach vorn gemacht.

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herzlichen Dank, Herr Kollege Hofbauer. - Der Begriff „Kooperation“ wird sich nicht nur im Hinblick auf dieses Jahr, sondern auch, was den Gesamtaspekt angeht, zum Schlüsselwort entwickeln. Wir dürfen allerdings nicht nur darüber sprechen, wie wir diese Kooperation auf den unterschiedlichen Ebenen der öffentlichen Hand gewährleisten können, sondern wir müssen auch darüber nachdenken, wie sich eine Kooperation der Unternehmen mit ihren Wettbewerbern realisieren lässt. Das führt mich zum zweiten Aspekt, der mir wichtig ist. Wir müssen weiterhin eine wettbewerbsorientierte Politik betreiben; das ist auch in ordnungspolitischer Hinsicht von Bedeutung. Diesen Ansatz müssen wir mit dem, was wir im ländlichen Raum erreichen wollen, in Einklang bringen. Dabei sollten wir vor allem auf Kooperation setzen. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass uns dies gelingt. Herr Kollege, mit dem Infrastrukturatlas setzen wir an der gleichen Stelle an. Neben der Kooperation spielen dabei auch andere Dinge eine Rolle. Geht es beispielsweise um Straßenbaumaßnahmen oder Leerrohrverlegungen, sollte man in der Lage sein, bereits vorhandene Erkenntnisse zu nutzen bzw. gewonnene weiterzugeben, damit sie genutzt werden können. In diesem Bereich ist in den letzten Jahren vieles versäumt worden. Hier kommt es allerdings auch auf die Offenheit und Kreativität vor Ort an. Diese Ansätze muss man miteinander verbinden, um am Ende des Tages Erfolg zu haben.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Kollege Jörg Tauss, bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, nachdem alle gesagt haben, woher sie kommen, muss auch ich das sagen. Ich komme aus dem Landkreis Karlsruhe. Dieser ländliche Raum hat ähnliche Probleme. Deshalb schließe ich mich hinsichtlich der Danksagungen meinen Vorrednern vollinhaltlich an: Auch ich begrüße die Initiative der Bundesregierung. In dem ländlichen Raum, aus dem ich komme, herrscht zurzeit viel Kurzarbeit, gerade in Betrieben der Telekommunikationsbranche. Ein Teil der Strukturen in dieser Branche ist durchaus noch als monopolistisch zu bezeichnen. Meine Frage: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, das ehrgeizige Ziel, dass bis 2014 75 Prozent der Bevölkerung Anschlüsse mit Übertragungsraten von 50 Megabit pro Sekunde zur Verfügung stehen, mit Wertschöpfung im eigenen Lande zu verbinden? Ganz konkret: Wie können die Kapazitäten, die im Moment nicht ausgelastet sind, unter Berücksichtigung europäischer und anderer ausschreibungsrechtlicher Bedingungen - selbstverständlich auch im globalen Bereich - genutzt werden, um zu Wertschöpfung im eigenen Lande zu kommen?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Vielen Dank, Herr Kollege Tauss. Ich habe bei meiner vorherigen Antwort nicht umsonst auf den Begriff „Wettbewerb“ Wert gelegt. Ich glaube, dass wir diesem Begriff Tiefe verleihen können. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass wir die Ziele erreichen. Der eine oder andere glaubt, das ist nur mit einem Bezugspunkt herzustellen. Ich glaube, dass man das auffächern kann. Man muss allerdings im Blick behalten, was sich in der Regulierungspraxis darstellen lässt und was sich im Rahmen der Verantwortung, die die Bundesnetzagentur trägt, darstellen lässt. Wenn wir über das Arbeitsplatzpotenzial sprechen, ist anzumerken, dass es interessante Zahlen gibt. Einer Erhebung zufolge wird damit gerechnet, dass der Wachstumsmarkt Breitbandinternet in Europa in den nächsten fünf Jahren bis zu 2 Millionen neue Arbeitsplätze realisieren könnte. Diese Perspektive wollen wir nicht abschneiden.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Frage bezog sich allerdings auf die Hersteller der Systeme.

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Auch im Hinblick auf die Hersteller der Systeme kann der Begriff des Wettbewerbs nicht ausgeklammert werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Hans-Joachim Otto, bitte. ({0})

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der Kollege Tauss hat recht: Ich komme aus dem ländlichen Bereich: aus Frankfurt am Main. Deswegen möchte auch ich Dank und Anerkennung für die Breitbandstrategie der Bundesregierung zum Ausdruck bringen. Sie enthält viel Sinnvolles. Vieles wird präziser gefasst, als es bisher der Fall ist. Das ist gut so. Sehr gut ist auch, dass Sie in Ihrem mündlichen Vortrag mehrfach das Wort „Wettbewerb“ benutzt haben. Ihnen persönlich - das will ich einmal sagen - traue ich durchaus zu, dass Sie das durchsetzen: Breitbandstrategie mit Wettbewerb. In der Breitbandstrategie der Bundesregierung stehen allerdings zwei Dinge, die mich beunruhigen. In „Maßnahme 8: Zusätzliches Geld für Infrastrukturaufbau“ ist der Vorschlag enthalten, dass die Kommunen Leerrohre verlegen lassen. Ist der Weg, die Gemeinden Telekommunikationsinfrastruktur bauen zu lassen, richtig? Sollten das nicht lieber, wie bisher, schwerpunktmäßig private Unternehmen machen? Mein Hauptkritikpunkt betrifft Maßnahme 10. Ich frage Sie, Dr. zu Guttenberg: Wofür brauchen wir neue „Eckpunkte über die regulatorischen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung moderner Telekommunikationsnetze“? Man ahnt, was dahintersteckt, wenn man die Unterpunkte sieht: Angemessene Eigenkapitalverzinsung für den Fall einer Entgeltregulierung … und Ökonomische und rechtliche Planungssicherheit … Dahinter verbirgt sich der große Anbieter, der noch Vorteile aus seiner Monopolzeit hat. Die Deutsche Telekom legt seit langem Wert darauf, dass man ihr den Wettbewerb vom Hals hält. Sie will neue Infrastruktur aufbauen, aber nur, wenn ihr der Wettbewerb vom Hals gehalten wird. Sie haben gesagt, Sie wollen den Aufbau der Infrastruktur durch Wettbewerb erreichen. Meine konkrete Frage: Warum sollen dann neue „Grundzüge einer wachstums- und innovationsorientierten Regulierung“ festgelegt werden? Haben wir solche Grundzüge nicht bereits?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Es gibt manche, Herr Kollege Otto, die das aufgrund der bestehenden Regulierung ebenfalls infrage stellen. Deswegen - um das noch einmal zu betonen - ist der grundsätzliche Ansatz in meinen Augen nicht falsch. Ich glaube, dass die Richtigkeit des Ansatzes, Planungssicherheit zu ermöglichen, angesichts der de facto bestehenden Lücken bei der Breitbandversorgung nicht von der Hand zu weisen ist. Diese Forderung kann man in einem solchen Papier durchaus einmal aufstellen. Dies ist in diesem Sinne auch geschehen. Der Wettbewerbsaspekt ist betont worden. Diesen Aspekt müssen wir zugleich aber mit unserer Zielsetzung abwägen. Sollte irgendwann der Eindruck nicht nur entstehen, sondern sich auch manifestieren, dass das Wettbewerbsprinzip in seiner reinen Form gänzlich zum Hemmschuh würde, müssten wir alle uns an der tatsächlichen Maßnahmenfestigkeit ausrichten. Aber ich bleibe dabei: Ich halte diesen grundsätzlichen Ansatz für richtig, und er verschwindet aus diesem Papier nicht. Sie haben zwei Punkte genannt, die dies darstellen. Das zusätzliche Geld von der öffentlichen Hand ist tatsächlich additiv zu sehen. Zunächst einmal - so steht es auch in diesem Papier - wollen wir alles ausgeschöpft sehen, was in dem Miteinander von Privat- und Eigeninitiative möglich ist. Nur dort, wo es notwendig und geboten ist, werden wir entsprechend einsteigen. Dies gilt etwa für den von Ihnen genannten Aspekt: Wenn eine Kommune eine Straßenbaumaßnahme vornimmt und es um Leerrohre geht, dann wäre draußen kaum noch zu erklären, dass man dies einer anderen Ebene übertrüge, zumal es im Zweifel auch nicht mit erheblichen Mehrkosten verbunden ist. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir haben noch eine ganz lange Liste von Fragestellern.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nur noch eine ganz kurze Frage! - Herr Bundeswirtschaftsminister, können Sie ausschließen, dass die Bundesregierung der Bundesnetzagentur konkrete Vorgaben macht, um neue Eckpunkte für diese regulatorischen Rahmenbedingungen zu setzen? Ist die Netzagentur völlig frei, wird sich das Ministerium in keiner Weise einschalten?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Es ist Ihnen bekannt, dass die Bundesnetzagentur in diesem Sinne nicht weisungsgebunden ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Diana Golze, bitte.

Diana Golze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003759, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Sehr geehrter Herr Minister, Bestandteil der Breitbandstrategie ist es, bis 2010 jedem Haushalt eine Verbindung mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 1 Megabit pro Sekunde zur Verfügung zu stellen. Wie begründen Sie dies vor dem Hintergrund, dass inzwischen schon 80 Prozent der Haushalte über Anschlüsse mit 2 Megabit pro Sekunde und mehr verfügen? Halten Sie die Sicherstellung einer Versorgung mit nur 1 Megabit pro Sekunde wirklich für eine ambitionierte Zielsetzung? Zweite Frage: Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, dass zum Beispiel Großbritannien und Frankreich planen, einen Breitbanduniversaldienst einzuführen, und gibt es Überlegungen der Bundesregierung in diese Richtung?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Nein, einen Universaldienst unterstützen wir nicht. Hierzu haben wir auch keine weiteren Überlegungen angestellt, zumal dessen Einführung unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht sehr einfach wäre. Wir haben dies auch unter europarechtlichen Gesichtspunkten einer genauen Prüfung unterzogen. Diesen Ansatz teilen wir also nicht. Was die Frage nach den 1 Megabit oder 2 Megabit pro Sekunde oder wie viel auch immer anbelangt, so freuen wir uns natürlich grundsätzlich über jede höhere Geschwindigkeit. De facto gibt es aber, wie vorhin schon betont, noch immer weiße Flecken, in denen sogar von 1 Megabit pro Sekunde derzeit nur geträumt werden kann. Dort wollen wir bis 2010 einen Mindeststandard erreicht haben. Ich spreche bewusst von einem Mindeststandard. Dort, wo sich die Möglichkeit ergibt, zugunsten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, wird dies gern gemacht. Aber zunächst einmal ist dieser Mindeststandard als eine erste Zielmarke zu erfüllen, um bis 2014, wie wir festgelegt haben, in eine ganz andere Sphäre vorstoßen zu können.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Grietje Staffelt, bitte.

Grietje Bettin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003439, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, die Kolleginnen und Kollegen haben schon Kritik am Mindeststandard 1 Megabit pro Sekunde deutlich gemacht, weshalb ich mich auf den Hinweis beschränke, dass so die digitale Spaltung in unserem Land nicht wirklich aufgelöst werden wird. Insofern hoffen wir auf weitergehende Bestrebungen. Meine Frage bezieht sich auf frei werdende Rundfunkfrequenzen. Hat die Bundesregierung die verbindliche Zusage aller Bundesländer und deren zuständigen Institutionen, dass die frei werdenden Rundfunkfrequenzen an die Mobilfunkdiensteanbieter abgegeben werden?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Wir haben eine erfreuliche Nachricht seitens der Bundesländer. Anderenfalls hätte ich vorhin nicht davon gesprochen, dass wir davon ausgehen, dass wir bereits bei der Bundesratssitzung im Mai einen entsprechenden Beschluss werden herbeiführen können. Wir hätten heute die Digitale Dividende nicht im Kabinett erörtert, wenn wir diese Signale der Bundesländer nicht erhalten hätten. Es gibt natürlich einige Folgeprobleme, bei denen jetzt das eine oder andere noch im Detail zu lösen ist. Beispielsweise gibt es eine ganz interessante Fußnote, die bei eigenen Parteitagen oder bei Musikveranstaltungen vielleicht einmal plötzlich relevant werden könnte. Es geht darum, dass für die freien Mikrofone, mit denen dort gearbeitet wird, genau der gleiche Frequenzbereich genutzt wird. Wir sind dabei, hierfür einen anderen Frequenzbereich nutzbar zu machen. Auch hier ist eine weitgehende Einigkeit hergestellt. Die eine oder andere Nuance bedarf also noch einer entsprechenden Schärfung, aber wir sind hier auf einem erstklassigen Wege. Ich freue mich, dass wir auch mit den Bundesländern so schnell zu einer zügigen Einigung gekommen sind.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Kollege Martin Dörmann.

Martin Dörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003517, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, auch ich begrüße die Breitbandstrategie der Bundesregierung ausdrücklich. Den Dankesworten meines Kollegen Hofbauer möchte ich noch hinzufügen, dass ich auch Vizekanzler Steinmeier sehr herzlich dafür danke, dass das ins Konjunkturpaket II aufgenommen wurde. ({0}) Er hat sich nämlich besonders dafür und übrigens auch dafür eingesetzt, dass das auch auf europäischer Ebene ein wichtiges Thema ist. ({1}) Das werde ich gleich auch noch in einer Frage aufgreifen. Ich möchte noch einmal betonen: Herr Minister, Sie haben hier gesagt, dass wir in erster Linie darauf setzen müssen, dass die Unternehmen innerhalb des Wettbewerbs die Investitionen erbringen, die für die Verwirklichung der ehrgeizigen Ausbaupläne notwendig sind. Das sind zweistellige Milliardenbeträge. Ich glaube, wir alle stimmen hier überein: Wenn es Möglichkeiten gibt, dass nicht der Steuerzahler das zu bewerkstelligen hat, sondern dass die Unternehmen das machen können, dann ist das nur zu begrüßen. Vor diesem Hintergrund unterstreiche ich das, was Sie gesagt haben, dass wir nämlich gerade im Bereich der Regulierung, und zwar sowohl der nationalen als auch der europäischen Regulierung, einen Rahmen brauchen, der auf Wachstum und Investitionen ausgelegt ist. Weil von einigen hier in Zweifel gezogen worden ist, dass das ein ganz wichtiges Thema ist, will ich das noch einmal betonen. Der praktische Hintergrund ist nämlich Folgender: In den ländlichen Räumen rechnet sich heute die Investition für die Unternehmen in vielen Fällen nicht, weil der Rahmen eben so ist, wie er ist. Die Telekom hat im letzten Jahr zwar 400 Gemeinden neu angeschlossen, aber es bringt eben nicht überall Gewinn; denn sonst würde es ja überall gemacht werden. Deshalb brauchen wir einen entsprechenden Rahmen. Mit meinen Fragen beziehe ich mich auch auf die europäische Ebene, weil wir alle wissen, dass sie für die Rahmengesetzgebung zuständig ist, die gerade aktuell diskutiert wird. Gestern erreichte uns die Mitteilung, dass die britische Regulierungsbehörde Ofcom das britische Telekommunikationsunternehmen BT zukünftig mit einem flexiblen Regulierungsrahmen ausstatten möchte, wenn es Investitionen in neue und schnelle Breitbandnetze tätigt. Das ist eine Zielsetzung, die ich in der Breitbandstrategie in gewisser Weise - aber nicht bezogen auf ein einzelnes Unternehmen - durchaus wiederfinde. Gleichzeitig blockiert aber die britische Seite Vorschläge auch seitens der Bundesregierung, mit denen auf stärkere Investitionsanreize im Regulierungsrahmen auf europäischer Ebene gesetzt wird. Deshalb meine Fragen an Sie, Herr Minister: Erstens. Inwieweit gibt es diesbezüglich möglicherweise eine Meinungsänderung auf britischer Seite? Wie kommen wir hinsichtlich des Regulierungsrahmens auf europäischer Ebene weiter? Zweitens. Ich habe das Beispiel BT aus Großbritannien angesprochen. Gehen Sie davon aus, dass auch durch die Eckpunkte der Bundesnetzagentur ein Rahmen geschaffen wird, aufgrund dessen die Investitionstätigkeit sozusagen auch an dieser Stelle verstärkt werden kann?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herzlichen Dank, Herr Kollege. - Zunächst einmal zu den Hintergründen der Entscheidung in Großbritannien: Ich kann sozusagen nicht jede Windung des geistigen Prozesses des gestrigen Tages und dessen, was dort im Vorfeld gelaufen ist, von außen nachvollziehen. Hinsichtlich dieser Frage werde ich allerdings das Gespräch mit den britischen Kollegen suchen, gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir uns in Brüssel und auf nationaler Ebene nicht diametral unterschiedlich verhalten, sondern dass hier auch auf europäischer Ebene eine Schlüssigkeit erreicht wird. Da wir heute schon über Kommunikationsnetze sprechen: Das ist etwas, was wir am ehesten durch die Verstärkung der Kommunikation auch auf politischer Ebene darstellen können und sollten. Es gibt in diesen Tagen viele Möglichkeiten und Optionen, mit den Briten ins Gespräch zu kommen. Ich bin morgen in Brüssel. Möglicherweise ergibt sich dort auch schon die Möglichkeit, das Thema einmal anzureißen. Ich bitte Sie, die zweite Frage noch einmal schnell zu stellen. ({0})

Martin Dörmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003517, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe gerade ein Beispiel dafür genannt, wie auf britischer Ebene Investitionsanreize für investierende Unternehmen konkret gesetzt werden. Gehen Sie davon aus, dass auf der nationalen Ebene hier in Deutschland, eventuell auch in den Eckpunkten der Bundesnetzagentur, Entsprechendes vorzusehen ist?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Ich bin nicht mit der Gabe der Prophetie gesegnet. ({0}) - Sehr schade, Herr Kollege Otto. - Ich habe vorhin schon einmal darauf hingewiesen, dass sich die Optionen des Durchgriffs der Bundesregierung auf die Bundesnetzagentur in den Grenzen zu halten haben, die gezeichnet sind. Von daher werden jetzt Gespräche stattfinden. Dann werden wir sehen, in welcher Form sich das darstellt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Gudrun Kopp, bitte.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. - Herr Minister, ich setze in Fragen des Wettbewerbs auf Sie und wüsste gerne, wie ich mir das vorstellen soll. Wenn ich mich recht erinnere, hat die Bundeskanzlerin in einer ihrer letzten Reden von einem Gesamtvolumen von 160 Millionen Euro für den Ausbau des schnellen Internets gesprochen. Heute war von dieser Zahl nicht die Rede. Gibt es jetzt eine andere Strategie? Gehen wir einmal von einer Summe X aus. Heißt das konkret vor Ort - ich komme aus dem ländlichen Raum -, dass diese Summe im Rahmen eines eingeschränkten Vergabeverfahrens den Anbietern für den Ausbau zugeteilt wird? Denn wir wollen den Wettbewerb stärken, statt Sonderkonditionen für einen großen Marktanbieter zu schaffen. Mich stört des Weiteren - ich möchte wissen, ob Sie diese Ansicht teilen -, dass immer wieder von Glasfaserverlegung die Rede ist, obwohl wir wissen, dass eine flä22362 chendeckende Glasfaserverkabelung der Bundesrepublik in etwa 50 Milliarden Euro kosten würde. Das kann doch nicht wahr sein. Wir müssen sehr gezielt auf der Grundlage einer verlässlichen Datenbasis zum Ausbau kommen. Mein Nachbarkreis Höxter in Nordrhein-Westfalen - ein sehr ländlicher Bereich - hat durch eine Universität erfassen lassen, was an schnellem Internet vor Ort gewünscht wird. Sie hat sehr dezidiert fantastisch verlässliche Daten für diesen Bereich vorgelegt, die besagen, dass schon 1 Megabit pro Sekunde beim Ausbau des schnellen Internets eine Unterversorgung darstellt. Meinen Sie nicht, dass man gerade dann, wenn man einen zukunftsgerichteten Ausbau vornimmt, nicht so niedrig ansetzen sollte, sondern als Mindestkriterium mit 2 Megabit pro Sekunde beginnen müsste?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Vielen Dank für die Nachfrage, Frau Kollegin Kopp. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass das Ausbauvorhaben, das von unserer Seite auf den Weg gebracht worden ist, als Prozess zu sehen ist. Wir müssen zunächst einmal - ich glaube, das ist der maßgebliche Punkt - die flächendeckende Versorgung erreichen. Das entspricht der Erwartungshaltung in der Bevölkerung. Ich kann nur wiederholen, dass das erst der Anfang ist und wir viel mehr erreichen wollen. Ich spreche auch nicht von 2 Megabit im Jahr 2014, sondern es geht um 50 Megabit in 75 Prozent der Haushalte. Wir haben als Zielsetzung, auch das flächendeckend weiter auszubauen. Von daher sind die 2 Megabit eine erste ehrgeizige Minimumzielsetzung. Was in Ihrer unmittelbaren Nachbarschaft offensichtlich in bewundernswerter Weise dargestellt wurde, ist genau das, was wir für einen Infrastrukturatlas brauchen. Wir sind alle aufgefordert, mit dazu beizutragen, dass ein solcher Atlas erstellt werden kann, indem die entsprechenden Erfahrungswerte mit eingebracht werden. Vielleicht ist mein Haus bereits damit befasst. Es ist aber wichtig, dass wir über diesen Ansatz Kenntnis erlangen. ({0}) - Einer Ausschreibung gegenüber bin ich unter Wettbewerbsgesichtspunkten zunächst einmal nicht negativ eingestellt. Aber Sie haben das Gesamtvolumen benannt, um das es geht. Angesichts der von Ihnen genannten 50 Milliarden Euro können wir, glaube ich, in der Phase, in der wir uns gerade befinden, nur von einer Illusion sprechen, das von staatlicher Seite begleiten zu wollen. Insofern komme ich zu dem Punkt zurück: Wir wollen das ausschöpfen, was privatwirtschaftlich, durch kommunalen Einsatz und auf den unterschiedlichen Ebenen möglich ist bzw. additiv dort herangehen, wo es nicht anders möglich ist. Wir werden die Maßnahmen, die im Wettbewerb möglich sind, durchführen. Ob das überall durch Ausschreibung gelingt, wird sich zeigen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rechne mit Ihrer Zustimmung, wenn ich die Zeit für die Regierungsbefragung etwas verlängere. Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragestellern. Das geht zulasten der Fragestunde, wie Sie wissen. Jetzt hat Kollegin Veronika Bellmann das Wort.

Veronika Bellmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, Sie haben den Infrastrukturatlas angesprochen und ihn mit Versäumnissen beim Ausbau des schnellen Internets auch in den Kommunen in Zusammenhang gebracht, die aufgearbeitet werden sollten. Vielleicht ist Versäumnis nicht das richtige Wort. Zumindest lässt sich ein Versäumnis mit dem finanziellen Hintergrund erklären, den der Ausbau der Breitbandversorgung hat. Ich bin deshalb sehr froh, dass zumindest Sachsen einen Teil der Mittel des Konjunkturpakets II, das 65 Prozent für Bildungsaufgaben und 35 Prozent für die Infrastruktur vorsieht, für die Verbesserung der Breitbandversorgung nutzen kann. So viel zum finanziellen Hintergrund. Ich habe eine Frage zu dem Thema „digitale Dividende“. Im Vorfeld der Beschlussfassung dazu gab es eine seltene Einigkeit von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. Sie haben sich zusammengesetzt, um über alle frei werdenden Frequenzen zu sprechen, und sind an die Staatskanzleien herangetreten. Ich weiß nicht, wie viele weitere eher unnütze Fernseh- und Rundfunkprogramme ins Auge gefasst wurden. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, dass Sie sich, wie Sie vorhin dargelegt haben, mit den Bundesländern ins Benehmen setzen konnten und frei werdende Frequenzen für die Breitbandversorgung verwendet werden können. So viel zum Thema „digitale Dividende“. Ich habe es vorhin akustisch nicht ganz verstanden: Haben Sie schon etwas zum Zeitpunkt der Frequenzvergabe gesagt, oder ging es nur um den Zeitpunkt der Bundesratsbefassung? Es wäre schön, wenn Sie das wiederholen könnten. Ich weiß, dass einige Pilotversuche sowohl in Brandenburg als auch in Mecklenburg-Vorpommern laufen. Demnächst soll auch in Sachsen ein Pilotversuch starten, in dessen Rahmen insbesondere die Störsignale, die offenbar von Nachrichtensendern kommen, untersucht werden. Vielleicht können Sie dazu noch etwas sagen. Vorhin wurde kurz der EU-Regulierungsrahmen angesprochen. Ich möchte nicht auf diesen Rahmen eingehen, sondern die etwas nebulösen Aussagen der EU zur Verbesserung der Breitbandversorgung und der Infrastruktur ansprechen. Die Bundesseite ist relativ detailliert. Zwar sagt die EU, dass sie die Breitbandversorgung fördern will. Aber bislang kann man sozusagen nicht richtig in die Tiefe schauen. Welche Erkenntnisse können Sie uns dazu vermitteln?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Frau Kollegin Bellmann, die bisherigen Erkenntnisse versetzen auch mich nicht in glühende Euphorie. Aber es handelt sich um Bestandteile, die in vertiefende Gespräche - auch in Brüssel - einfließen werden. Solche Gespräche suche ich gezielt. Das muss und wird in den nächsten Wochen geschehen. Zu den von Ihnen angesprochenen Versäumnissen. Ich möchte nicht missverstanden werden: Es geht mir im Zusammenhang mit den Versäumnissen bei den Infrastrukturmaßnahmen nicht darum, mit dem nackten Finger auf die Kommunen zu deuten und Schuldzuweisungen vorzunehmen. Vielmehr haben wir noch nicht alles gemacht, was wir mit Blick auf den Infrastrukturatlas tun können. Wir könnten bessere Erkenntnisse bekommen, wenn wir uns der Gegebenheiten vor Ort sicher wären. Das ist man in der Regel auf kommunaler Ebene. Ich bitte daher seitens der Bundesregierung, die Kräfte zu bündeln und diesen Atlas - das ist ein sehr ehrgeiziges Vorhaben - bis zum Herbst dieses Jahres zu erarbeiten. Zumindest sollte es im Herbst eine erste Vorlage geben. Das darf auf keinen Fall auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden. Ich greife Ihre Frage nach dem Zeitpunkt auf; das ist wichtig. Sie haben auf die Pilotprojekte hingewiesen. Diese sollte man nicht außer Acht lassen. Nun gibt es unterschiedliche Einschätzungen, bis wann das umsetzbar ist. Ich höre aus meinem Hause, dass man zumindest 2010 mit einem Beginn, was die weißen Flecken angeht - darüber müssen wir Klarheit gewinnen -, rechnen kann.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Enkelmann, bitte.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Der Infrastrukturatlas ist bereits von mehreren Seiten angemahnt worden. Gehe ich recht in der Annahme, dass die Bundesregierung über den tatsächlichen Istzustand der Versorgung nicht Bescheid weiß? Ich frage das aus folgenden Gründen: Sie sprechen die ganze Zeit von ländlichen Räumen und dünnbesiedelten Gebieten. Aber selbst in der Nähe von Ballungsräumen wie Berlin gibt es Orte wie Fredersdorf-Vogelsdorf und AhrensfeldeBlumberg, die sehr schlecht ausgestattet sind. So gibt es Gewerbegebiete und Unternehmen, die keinen Zugang zum schnellen Internet haben. Wir brauchen also dringend einen Infrastrukturatlas. Stimmt es, dass die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt über die Lage nicht ausreichend informiert ist?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Frau Kollegin Enkelmann, ich würde die Notwendigkeit eines Infrastrukturatlasses nicht betonen, wenn ich diese Notwendigkeit nicht erkannt hätte. Die Erkenntnisse, um die es hier geht und die wir erlangen wollen, kann die Bundesregierung aber nicht eben aus dem Ärmel schütteln. Vielmehr kommt es dabei auf Kooperationsbereitschaft auf unterschiedlichen Ebenen an. Da ist die kommunale Ebene ebenso gefragt wie unternehmerische Kenntnisse, die wir natürlich auch mit einbeziehen müssen, obwohl wir wissen, dass es nicht immer einfach ist, auch in diesem Bereich den Kenntnisstand zu erreichen, den wir brauchen. All das ist zusammenzuführen, damit wir wirklich die Gewissheit darüber erlangen, wo die unterschiedlichen Defizite bestehen. Wir haben zwar mittlerweile die tollsten Karten, auf denen grob weiße Flecken aufgezeichnet sind. Diese werden aber der notwendigen Differenzierung vor Ort nicht gerecht. Der Infrastrukturatlas wird in seiner Zielsetzung auch deswegen ambitioniert auf den Weg gebracht, um in der Zusammenarbeit aller Ebenen, die über Kenntnisse verfügen, zu diesem Lückenschluss - oder wie auch immer man das bezeichnen will - kommen zu können. Zumindest gilt dies für die Erkenntnisgewinnung.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Uwe Barth, bitte.

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, es ist in den Ausführungen verschiedentlich auf das Konjunkturpaket II hingewiesen worden. Sie haben es eingeführt. Im Rahmen einer Frage vonseiten der SPD ist ausdrücklich dem Außenminister gedankt worden. Ich finde, Sie könnten an der Stelle auch einmal der Gesundheitsministerin danken. ({0}) In dem Zusammenhang habe ich immer ein bisschen den Eindruck, dass wir der Versuchung, der Verlockung der großen Zahlen erliegen. Es ist von 50 Milliarden Euro die Rede. Das ist viel Geld. Ich habe meiner Zeitung vom Wochenende eine Liste entnommen, die aufzeigt, wie sich das Geld aus dem Konjunkturpaket II auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Da gibt es eine Gemeinde - ich werde den Namen jetzt nicht sagen, weil ich dem Bürgermeister nicht Unrecht tun will; er kann ja nichts dafür -, die aus dem Konjunkturpaket II 2 719 Euro bekommt. Mit dem Eigenanteil von 680 Euro sind es rund 3 400 Euro. Davon fließen 65 Prozent in die Bildung. Dann bleiben ungefähr 1 000 Euro übrig. ({1}) Welche Effekte, welche nennenswerten Impulse, Herr Minister, erwarten Sie denn für diese Gemeinde im ländlichen Raum - sie ist offenkundig Ziel- und Problemgebiet -, selbst wenn wir annehmen, dass diese 1 000 Euro insgesamt in den Ausbau der Breitbandversorgung fließen?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herzlichen Dank für die Frage, Herr Kollege. Ich darf trotzdem darauf hinweisen, dass wir das richtige Plenum für diese Frage nutzen sollten, und das richtige Plenum für diese Frage wäre das des Landtages. ({0}) - Ja, es ist doch so. Denn hier reden wir über einen Verteilungsschlüssel, der nicht vom Bund festgelegt wird. Vielmehr spielt sich die Verteilung der Mittel auf der Landesebene ab. ({1}) Deswegen müssen wir hier vorsichtig sein, dass wir nicht eine direkte Schuldzuweisung in Richtung Bund konstruieren, die aufgrund des Verteilungsschlüssels woanders angesiedelt ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letzte Fragestellerin zu diesem Themenbereich erteile ich Kollegin Pawelski das Wort.

Rita Pawelski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003607, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich komme aus der CeBIT-Stadt Hannover und habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie als neuer Wirtschaftsminister nicht nur die weltgrößte Computermesse eröffnet haben, sondern dass Sie sich sehr viel Zeit genommen haben, um sich an den Ständen kundig zu machen. Schließlich spielt das Thema Breitbandverkabelung auf dieser Messe eine große Rolle. Da wir jetzt viel über die Kosten der Breitbandverkabelung gesprochen haben, frage ich einfach einmal nach dem Nutzen. Welchen volkswirtschaftlichen Nutzen erwarten Sie von einer flächendeckenden Versorgung mit Breitbandanschlüssen vor allem für den ländlichen Raum vor dem Hintergrund, dass die jetzt immer noch vorhandenen weißen Flecke durchaus Standortnachteile für den ländlichen Raum bedeuten?

Karl Theodor Guttenberg (Minister:in)

Politiker ID: 11003543

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Pawelski. - Zunächst darf ich darauf hinweisen, dass - gottlob! - die Bundeskanzlerin die CeBIT eröffnet hat. ({0}) - Ich war dabei und habe insbesondere entsprechenden kalifornischen Avancen Tribut gezollt. Die Impulse seitens dieser Breitbandstrategie gerade für den ländlichen Raum erwarte ich vor allem deshalb, weil ich dem ländlichen Raum nicht ansatzweise seine Wettbewerbsfähigkeit in der Zukunft absprechen will und weil wir alles zu unternehmen haben, dass sich diese Punkte nicht nur auf die Ballungsräume konzentrieren. Wenn wir über Wachstumspotenziale sprechen, dann meinen wir damit Potenziale, die wir nicht lediglich auf die Metropolen konzentrieren sollten, sondern die in meinen Augen gerade in diesem Land auch im ländlichen Raum liegen könnten. Wettbewerbsfähigkeit desselben ist der eine Punkt. Der zweite Punkt ist folgender: Ich habe vorhin schon einmal bescheiden darauf hingewiesen, dass vielerlei Experten einen erheblichen Schub in Richtung Arbeitsplätze in diesem Sektor in den nächsten Jahren erwarten und dass man dieser Tage in gewisser Weise beruhigt sehen kann, dass sich die Informations- und Telekommunikationsbranche als sehr krisenresistent zeigt. Wenn all das in einen vernünftigen Zusammenhang gebracht wird, dann kann man sich davon schon Wachstumsimpulse versprechen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Herzlichen Dank, Herr Minister. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 16/12074, 12093 Zu Beginn der Fragestunde rufe ich gemäß unseren Richtlinien zunächst die dringlichen Fragen auf Drucksache 16/12093 auf. Ich rufe die dringliche Frage 1 auf: Welche konkreten Maßnahmen werden von Opel/General Motors Europe, GM Europe, in den Bereichen Arbeitsplätze, Standorte, Finanzbedarf, Unternehmensstruktur, Produktportfolio sowie Patentrechte im am Wochenende vorgelegten Zukunftsplan des Unternehmens vorgeschlagen, um die Zukunft der Adam Opel GmbH zu sichern? Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium Dagmar Wöhrl zur Verfügung. Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Dückert, wir hatten schon heute Morgen im Wirtschaftsausschuss Gelegenheit, uns sehr intensiv mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Ich will nichtsdestoweniger auch für die Kolleginnen und Kollegen, die heute Morgen nicht im Wirtschaftsausschuss gewesen sind, Ihre Frage beantworten: Bei der Vorstellung des Konzepts diese Woche wurden auch die in Ihrer Frage erwähnten Punkte angesprochen. GM Europe schließt Werkschließungen in Europa nicht aus, will diese aber durch Einsparverhandlungen mit der Arbeitgeberseite möglichst verhindern. Dies wird zurzeit mit dem Betriebsrat diskutiert. GM Europe spricht von einer Reduzierung der Strukturkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro und einer nötigen Unterstützung durch Bund und Länder in Höhe von 3,3 Milliarden Euro. Opel soll nach den Überlegungen von GM Europe integraler Bestandteil des GM-Konzerns bleiben, aber eine größere Eigenständigkeit erhalten. Damit stellt sich die Frage eines eventuell nötigen Abschottungskonzepts, das wir heute Morgen hier diskutiert haben, welches ein Abfließen von Geldern in die USA wirksam verhindern soll. Seitens GM wird eine Unterstützung in Höhe von 3 Milliarden Euro in Form von Sacheinlagen in Aussicht gestellt. Bei dem Konzept bleibt allerdings unklar, inwieweit der amerikanische Mutterkonzern diese Unterstützung verbindlich zugesagt hat - konkrete Aussagen sind nötig. Auch bleibt fraglich, ob dies nur über buchungstechnische Maßnahmen stattfinden soll oder mehr damit verbunden ist. Ferner bleibt die Frage offen, wie verlässlich solche Zusagen sind, solange die Zukunft von GM in den USA noch ungeklärt ist. Nach Aussage von Opel/ GM Europe will das Unternehmen bis 2011 wieder proParl. Staatssekretärin Dagmar Wöhrl fitabel werden. Dies soll durch eine innovative Modellpolitik sowie durch Restrukturierungsmaßnahmen erreicht werden. Die weitere Nutzung der Patente durch Opel/GM Europe soll möglich sein. Die Gefahr, dass GM nach dem amerikanischen Insolvenzrecht Chapter 11 anmeldet - das hatten wir heute Morgen diskutiert -, ist weiterhin nicht ausgeschlossen. So benötigt GM offensichtlich noch weitere Hilfen in Milliardenhöhe, um den Bankrott zu vermeiden. GM ist von der amerikanischen Regierung aufgefordert worden, bis Ende März einen umfassenden Sanierungsplan auf den Tisch zu legen. Weiterhin hat sich das US-Finanzministerium das Eigentum an den geistigen Schutzrechten als Sicherheit abtreten lassen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Dückert, bitte.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin. Sie haben heute Morgen im Ausschuss in Ihrem schriftlichen Bericht darauf hingewiesen, dass Ihr Haus den Zukunftsplan, der vorgelegt worden ist und der über 150 Seiten umfasst, erstens kennt und zweitens sehr detailliert prüft. Ich will nachfragen, weil mich eines heute Morgen irritiert hat: Ist es richtig, dass dieser Plan, den Sie jetzt im Detail prüfen, nicht mit dem GM-Mutterkonzern abgestimmt ist, sondern nur ein Zukunftsplan ist, der zunächst einmal ohne Abstimmung vorliegt?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

GM kennt den Zukunftsplan. Er ist auch grundsätzlich - ich sage das so explizit - gebilligt worden, aber GM hat nicht gesagt, wie weit das Unternehmen bereit ist, unter anderem GM Europe in die Eigenständigkeit zu entlassen. Der Umfang ist also nicht klar und deutlich benannt worden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage, bitte.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn das in dem Zukunftskonzept offengelassen wird, ist es dann gleichwohl richtig - dies ist uns beispielsweise vom Ersten Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, und von Klaus Franz, dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Adam Opel AG, in einem Brief mitgeteilt worden -, dass dieses Konzept, dieser Unternehmensplan, eine grundsätzliche Wachstumsannahme beinhaltet, die die Gewerkschaften selber als konservativ einschätzen? Ist es richtig, dass eine solche Wachstumsannahme diesem Konzept zugrunde liegt? Wenn ja, wie beurteilen Sie das angesichts der bekannten Tatsache, dass es im gesamten Automobilbereich Überkapazitäten in Höhe von 30 Prozent gibt? Ist in diesem Konzept die Entwicklung von Zukunftsmodellen, von kleinen Modellen, von neuen Antriebstechniken enthalten oder nicht? Was ist mit der anscheinend vorhandenen

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Es wird in diesem Papier von einer Wachstumsprognose ausgegangen. Wie ich vorhin erwähnt habe, geht man davon aus, dass man bis 2011 wieder profitabel ist. Man spricht natürlich auch von beschleunigten Produkterneuerungen, von neuen Antriebstechniken und von Restrukturierungsmaßnahmen. Wie gesagt, sind das alles Annahmen. Dieses Papier ist heute Morgen im Bürgschaftsausschuss vorgestellt worden. Dieser Ausschuss wird sich mit den Gegebenheiten dieses Papiers - uns liegt ein umfangreiches Dolument vor - sehr detailliert und ganz explizit auseinandersetzen. Er wird auch Fragen behandeln, die Sie hier zu Recht gestellt haben, etwa: Wie soll die Produktentwicklung zukünftig aussehen? Auch wird er den vielen offenen Fragen in anderen Bereichen nachgehen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage dazu vom Kollegen Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine Nachfrage zu dem letzten Thema. Ist davon auszugehen, dass dieser Plan, der Ihnen vorgelegt worden ist, mit dem Betriebsrat und den Gewerkschaften abgestimmt worden ist? Wenn das so ist, wie erklärt sich dann, dass in öffentlichen Äußerungen seitens der Arbeitnehmervertreter immer wieder gesagt wird, es dürfe dabei keine betriebsbedingten Kündigungen geben und es dürften keine Arbeitsplätze verloren gehen, obwohl den heutigen Nachrichten zu entnehmen war, dass der Chef von GM Europe erklärt hat, dass 3 000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Nach unserer Kenntnis werden Gespräche mit den Betriebsräten geführt bzw. sind schon geführt worden. Nach den Aussagen, die uns gegenüber von der Firmenleitung - nicht vom US-Mutterkonzern, sondern von GM Europe - gemacht worden sind, ist es auf jeden Fall notwendig, dass die Restrukturierungsmaßnahmen einen Arbeitsplatzabbau beinhalten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine letzte Nachfrage dazu stellt die Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Frau Wöhrl, ich komme selbst aus Bochum und arbeite mit dem Betriebsrat der Opel-Werke in Bochum intensiv zusammen. Gedenkt die Bundesregierung, die den vorliegenden Plan von GM Europe prüft und anschließend bewertet, in der Zwischenzeit selbst einen Plan, ein Konzept zu erstellen, mit dem sie in die Verhandlungen mit General Motors Europe gehen kann? In der Vergangenheit wurde gesagt, die Bundesregierung habe Arbeitsgruppen einge22366 richtet. Was ist das bisherige Ergebnis dieser Arbeitsgruppen? Erwägt die Bundesregierung, ein eigenes Konzept, einen eigenen Plan zu erstellen?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Die Bundesregierung wird kein eigenes Konzept erstellen; denn der Staat ist nicht der Unternehmer. Hier ist das Unternehmen gefordert, uns ein Zukunftskonzept vorzulegen, welches aufzeigt, dass Opel zukunftsfest ist und dass auch die Arbeitsplätze erhalten werden können. Der Plan, der momentan vorliegt, entbehrt dieser Grundlage. Es sind noch zu viele Fragen offen, als dass gesagt werden könnte, hier wäre eine betriebwirtschaftliche und förderfähige Basis gegeben. Wir werden die offenen Fragen zusammenstellen, auch mithilfe des Bürgschaftsausschusses, und werden noch einmal an das Unternehmen herantreten mit dem Ziel, dass die Fragen beantwortet werden. Um nur einige zu erwähnen: Es ist vollständig offen, wie die Unternehmensstrategie zukünftig, auch im Verbund, aussehen soll. Es ist vollkommen offen, welche Mehrheitsbeteiligung die Mutter an der Tochter zukünftig haben möchte. Wir werden also kein eigenes Konzept auf den Tisch legen - das betrifft nicht nur Opel; das betrifft auch andere Unternehmen -; das ist nämlich nicht unsere Aufgabe als Staat.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Ich rufe die dringliche Frage 2 der Kollegin Dückert auf: Werden mögliche Hilfsmaßnahmen seitens der Bundesregierung für die Adam Opel GmbH und GM Europe mit anderen europäischen Staaten koordiniert und auf Europarechtskonformität überprüft? Frau Staatssekretärin, Sie haben weiterhin das Wort zur Beantwortung.

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Danke, Herr Präsident. - Ich beantworte die dringliche Frage 2 wie folgt: Die Bundesregierung wird, sobald sich konkrete Maßnahmen zugunsten des Unternehmens abzeichnen, mit der Europäischen Kommission offiziell Kontakt aufnehmen, um sicherzustellen, dass eventuelle Beihilfen auch europarechtskonform sind. Die Bundesregierung ist natürlich weiterhin im Gespräch mit den Mitgliedstaaten, in denen es Produktionsstätten von General Motors Europe gibt. Der Minister hat sich persönlich mit den Ministerpräsidenten der einzelnen Länder kurzgeschlossen - das vielleicht nur noch als Ergänzung -, und er wird jetzt bei seinem Besuch in Brüssel dieses Thema noch einmal mit betroffenen Mitgliedstaaten erörtern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Dückert, bitte.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist es richtig, dass in den vorliegenden Zukunftsplänen an das Modell einer europäischen Aktiengesellschaft gedacht ist?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Ich möchte jetzt nicht Details dazu nennen, was in dem Papier vorgesehen ist. Fakt ist, dass wir EU-rechtlich bestimmte Vorgaben zu beachten haben, gerade wenn es um Bürgschaften gehen sollte. Wir haben natürlich zu prüfen, ob die Voraussetzungen gegeben sind. Sie wissen, dass die bis 2010 befristete Regelung für Bürgschaften am 27. Februar dieses Jahres genehmigt worden ist. Auch dafür müssen bestimmte Voraussetzungen gegeben sein. Das Unternehmen darf vor dem 1. Juli 2008 nicht in Schwierigkeiten gewesen sein. Die Schwierigkeiten müssen durch die Finanzmarktkrise verursacht worden sein und dürfen nicht struktureller Natur sein. Die Bank muss bereit sein, beim Kredit 10 Prozent der Haftung zu übernehmen. Falls das nicht gegeben sein sollte, kommen die EU-Regelungen für Rettungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen zur Anwendung; dann brauchen wir eine Einzelgenehmigung von Brüssel. Hinsichtlich eines Zusammenschlusses, wie Sie ihn angesprochen haben, müssen noch Gespräche mit den einzelnen Ländern stattfinden, in denen es Standorte von General Motors Europe gibt. Diese Gespräche sind noch nicht sehr weit gediehen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage?

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich habe noch eine weitere Nachfrage. - Sie haben vorhin zu Recht auf das gravierende Problem hingewiesen, dass Opel im Moment überhaupt keine Patente besitzt, weil die in den USA liegen. Wenn man über eine Trennung von General Motors nachdenkt, wird man einsehen: Das ist für die zukünftige Ausrichtung von Opel natürlich problematisch. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass die US-amerikanische Regierung diese Patente offenbar als eine Art Garantie beansprucht. Schließe ich richtig, wenn ich sage, dass die Möglichkeit einer Rückübertragung der Patente nach Europa, zu Opel hin damit ausgeschlossen ist bzw. dass Sie als Wirtschaftsministerium diese Lösung ablehnen, weil das natürlich etwas kostet?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Sie sprechen diese Problematik zu Recht an. Für uns wäre es sehr wichtig, dass die Patente hier auch weiterhin genutzt werden können. Vor zwei Jahren sind sie an die Muttergesellschaft übertragen worden. Wir müssten natürlich auch ausschließen, dass die 3,3 Milliarden Euro, die als notwendig erachtet werden, dafür verwendet werden, diese Patente zu bezahlen. Dann fände nämlich ein Abfluss des Geldes nach Amerika statt, was wir eben nicht wollen. Wir wollen, dass das Geld hier bei uns eingesetzt wird. Sevim DaðdelenSevim Dağdelen Zusätzlich ist noch die Frage zu klären - das haben Sie zu Recht angesprochen -, wie man mit dem Problem der Absicherung umgeht. Die amerikanische Administration hat sich ja die Patente als Sicherheit abtreten lassen. Sie sehen, es gibt viele offene Fragen, die vom Unternehmen noch nicht zur Zufriedenheit beantwortet worden sind.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Dağdelen zu einer weiteren Nachfrage.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Wöhrl, wird sich die Bundesregierung bei der EU-Kommission, wenn diese das Beihilferecht eng auslegen will - Herr Verheugen hat ja bereits verlautbaren lassen, dass man das müsste -, dafür einsetzen, dass auch im Falle einer Hilfe für Opel in Form einer Staatshilfe oder einer Staatsbürgschaft durch die Bundesregierung das Beihilferecht wie beim Rettungsschirm für die Banken generös ausgelegt wird?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Ich glaube, es ist jetzt erst einmal wichtig, dass eine Bank gefunden wird. Es geht ja nicht nur darum, eine Bürgschaft zu übernehmen. Vielmehr brauchen Sie auch eine Bank, die das verbürgt. Es ist uns nicht bekannt, dass zurzeit irgendeine Bank bereit ist, einen Kredit zu gewähren. Auch mangelt es noch am Engagement des Unternehmens, sich um einen Investor zu kümmern. Das reicht bisher nicht aus. Es ist nicht Aufgabe des Staates, auf Investor- oder Bankensuche zu gehen. Auch in diesen Fragen muss das Unternehmen erst selbst tätig werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön, Frau Staatssekretärin. - Es gibt keine weiteren Nachfragen. Dann können wir jetzt zu den Fragen auf Drucksache 16/12074 in der üblichen Reihenfolge kommen. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Kirsten Tackmann werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zur Frage 3 der Kollegin Inge Höger: In welchem Umfang sind Verträge für wehrtechnische Beschaffungen im Rahmen des Konjunkturpaketes II geplant bzw. wurden bereits abgeschlossen? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt zur Verfügung. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Höger, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland sieht die Errichtung eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“ vor. Innerhalb dieses Sondervermögens sind 2 Milliarden Euro für unmittelbare Bundesinvestitionen aller Ressorts, damit auch des Bundesministeriums der Verteidigung, vorgesehen. Diese Gelder werden der Zweckbestimmung des hierzu erstellten Wirtschaftsplans entsprechend für Bauten, Ausrüstungen und die Ressortforschung des Bundes verwendet. Der Anteil des BMVg für den Bereich des Investitions- und Ausstattungsbedarfs beläuft sich auf 226 Millionen Euro. Einen entsprechenden Überblick über die geplanten Maßnahmen - ich sage: geplanten Maßnahmen - hat Staatssekretär Wolf den Berichterstattern des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages zum Einzelplan 14 sowie den Obleuten des Verteidigungsausschusses bereits in einem Schreiben von Mitte Februar dieses Jahres bekannt gegeben. Diese Maßnahmen dienen der Zweckbestimmung des Gesetzes, namentlich der schnellen Umsetzbarkeit in den Jahren 2009 und 2010 mit dem Ziel der Ankurbelung der Binnenkonjunktur und der Sicherung heimischer Arbeitsplätze. Darüber hinaus berücksichtigen die identifizierten Maßnahmen auch den Auftrag der Streitkräfte. Dementsprechend sind unter anderem die Beschaffung weiterer geschützter Fahrzeuge, von Feldlagerkomponenten sowie von Material für die Sanität im Einsatz vorgesehen. Auf diese Weise werden die Lebensbedingungen unserer Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzgebieten verbessert und der Schutz, wo notwendig, verstärkt. Die Beschaffung weiterer geschützter Straßentankfahrzeuge dient darüber hinaus der Verbesserung der Einsatzlogistik. Ich weise allerdings darauf hin, dass diesbezügliche Verträge noch nicht abgeschlossen sind und dass beabsichtigt ist, nach Inkrafttreten des Gesetzes mit den erforderlichen Ausschreibungen zu beginnen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollegin Höger, Sie haben Gelegenheit zur Nachfrage.

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe eine Nachfrage zu den Zahlen. Die von Ihnen genannten 226 Millionen Euro entsprechen den Angaben, die Herr Kossendey anlässlich meiner schriftlichen Frage gemacht hat. Es existieren aber sehr widersprüchliche Zahlen. Mir liegt zum Beispiel eine Liste aus dem BMVg vor, aus der hervorgeht, dass 256 Millionen Euro für Beschaffung geplant sind. Gestern gab es eine Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik, auf der Staatssekretär Dr. Wichert gesagt hat, die Liste - ich vermute, er meinte die mir vorliegende Liste, nach der es 256 Millionen Euro sind - sei noch längst nicht vollständig; weitere Beschaffungsprojekte könnten durch das Ministerium angemeldet werden. Der für gewöhnlich gut informierte Behörden-Spiegel schreibt gar, dass 1 Milliarde Euro für Beschaffung im Rüstungsbereich zur Verfügung stehen. Was stimmt nun?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Frau Kollegin, ich darf erstens vorweg sagen, dass ich mich sehr darüber freue, dass mein Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Kossendey, der heute seinen Geburtstag feiert, nun auch von Ihnen ein Geburtstagsgeschenk erhalten hat, nämlich indem Sie bestätigen, dass beide Staatssekretäre gleiche Zahlen nennen; denn das deutet doch auf eine gute Abstimmung im Bundesministerium der Verteidigung hin. ({0}) Das werde ich ihm anschließend mit Ihrer Erlaubnis auch gerne persönlich übermitteln. Zum Zweiten will ich sagen, dass ich Ihre Frage nachvollziehen kann. Ich habe sie nicht zu bewerten; aber es ist verständlich, dass solche Fragen gestellt werden. Denn bei der Aufteilung der Mittel aus diesem Konjunkturprogramm werden sehr viele Dinge antizipiert und als bereits entschieden angesehen. So sind wohl auch die unterschiedlichen Zahlen zu verstehen, die aus den bekannten, gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen - die ab und zu feststellen müssen, dass sie so gut gar nicht unterrichtet sind, wie sie manchmal tun - kommen. Die 1 Milliarde Euro ist mit Sicherheit nicht zutreffend. Man muss allerdings einbeziehen, dass im Rahmen der energetischen Gebäudesanierung auch eine Ausdehnung des Kasernensanierungsprogramms vorgesehen ist, und zwar in einer erheblichen Größenordnung. Das ergibt dann immer noch nicht 1 Milliarde Euro, aber insgesamt wohl doch 250 Millionen Euro. Ich nenne nur die Größenordnung, konkrete Zahlen liegen mir im Augenblick nicht vor; ich kann sie schriftlich nachliefern. Wenn solche Vorhaben nicht einbezogen werden, kommt man auf andere Zahlen, und dann ist es nachvollziehbar, dass es ein unterschiedliches Verständnis gibt. Die Liste mit der Übersicht der Vorhaben, die wir gegenwärtig in der Planung und Bewertung haben, die also noch nicht abgeschlossen sind, weist in der Summe in der Tat 256 Millionen Euro aus. Ich weise aber darauf hin, dass konkrete Zahlen erst dann genannt werden können, wenn die Verträge wirklich geschlossen sind. Dazu wird selbstverständlich eine frühzeitige Information der betreffenden Ausschüsse, insbesondere des Haushalts- und des Verteidigungsausschusses, stattfinden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage?

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich habe noch eine weitere Nachfrage. - Geben Sie mir recht, dass es sich überwiegend um bereits geplante Beschaffungsprojekte handelt, also um Projekte, die eigentlich nicht der Intention des Konjunkturprogramms entsprechen, und dass darüber hinaus Beschaffungsprojekte im Rüstungsetat in Höhe von über 25 Millionen Euro dem Verteidigungs- und dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden müssen, sodass man hier den Eindruck haben kann, dass die demokratische Willensbildung in den Ausschüssen umgangen werden soll?

Christian Schmidt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002003

Dem letzten Eindruck kann ich nur widersprechen. Die demokratische Willensbildung soll nicht beeinträchtigt werden. Das Haushaltsrecht ist in jedem Falle gewährleistet. Allerdings liegt der Haushaltsvollzug, der eine Angelegenheit der Exekutive, des Ministeriums, ist, in unserer Zuständigkeit. Bei den angedachten Vorlagen gibt es zwei oder drei sogenannte 25-Millionen-EuroVorlagen, die im Haushaltsausschuss noch einmal gesondert beraten werden müssen. Hierbei handelt es sich insbesondere um die Beschaffung von Gerätschaften für die Marine sowie um die Beschaffung von Beobachtungs- und Aufklärungsfahrzeugen. Es sind keine völlig neuen Überlegungen, die zu neuen Programmen und zur Entwicklung neuer Produkte führen. Die Entwicklungszyklen im militärischen Bereich sind derart lang, dass mit der Entwicklung neuer Produkte die Vorgabe des Konjunkturprogramms, nämlich schnell und sichtbar Arbeitsplätze und Investitionen in unserem Lande zu unterstützen, nicht erfüllt werden kann. Es handelt sich also nicht um neu zu entwickelnde, sondern um zusätzliche Projekte und Programme, bei denen es um die Deckung eines Mehrbedarfs oder die Durchführung von längerfristig geplanten Vorhaben geht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Der Parlamentarische Staatssekretär Hermann Kues steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Kollegen Jörg Tauss auf: Ist es die Auffassung der Bundesregierung oder die Auffassung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BMFSFJ, dass die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zu den technischen und rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen von Sperrverfügungen „einseitig ausgelegt und zudem interessegeleitet“ sei oder sogar als „unterirdisch“ zu bewerten sei, und aufgrund welcher Erkenntnisse kommt die Bundesregierung bzw. das BMFSFJ zu dieser Einschätzung?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte zunächst zum gegenwärtigen Sachstand etwas sagen, bevor ich im Einzelnen auf die Frage eingehe. Seit dem 23. Januar tagt unter Federführung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Arbeitsgruppe, die aus Vertretern des Bundesinnenministeriums, des Bundeswirtschaftsministeriums, des Bundeskriminalamtes, des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik und der acht großen deutschen Internetprovider sowie der Verbände BITKOM, eco und FSM besteht. Ziel und Auftrag der Arbeitsgruppe ist es zunächst, einen Vertrag zwischen dem Bundeskriminalamt und den Zugangsprovidern über die Zusammenarbeit bei der Erschwerung des Zugangs zu kinderpornografischen Inhalten im Internet zu erarbeiten. In diesem Zusammenhang haben sich in den Medien wiederholt kritische Stimmen gemeldet, die sich zum Teil auf Aussagen im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes - Sie sprechen in Ihrer Frage passenderweise von einer „Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes“ - zum Thema Sperrverfügungen gegen Internetprovider stützen. Dabei wird häufig übersehen, dass die in dem Gutachten geäußerten rechtlichen Bedenken nicht die derzeit angedachte Vorgehensweise in der Sache betreffen. Das Gutachten bezieht sich auf Sperrverfügungen gegen Internetprovider. Die derzeitigen Aktivitäten der beteiligten Bundesressorts sind hingegen auf den Abschluss freiwilliger vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Internetprovidern und dem Bundeskriminalamt gerichtet. Das Gutachten ist somit - ungeachtet der nach Auffassung der beteiligten Bundesressorts teilweise unzutreffenden Feststellungen - im Hinblick auf das angestrebte Verfahren überwiegend nicht einschlägig und zielführend und somit auf den beschriebenen Sachverhalt nicht anwendbar. Sie kennen das Gutachten, Herr Kollege Tauss. Die Ministerin hat Ihnen angeboten, mit Ihnen im Einzelnen über die verschiedenen Zusammenhänge zu reden. Sie müssen das Angebot nur annehmen. Das Gutachten besteht aus 27 Seiten. Neun Seiten enthalten Begriffsbestimmungen. Es folgen eine umfängliche Darstellung der Geschichte des Internet und ein Hinweis auf mögliche chinesische Verhältnisse. Wir glauben, dass diese Darstellung dem Ziel nicht Rechnung trägt, dass die gegenwärtig geführte Debatte auf eine freiwillige Vereinbarung hinauslaufen soll und dass diejenigen, die solche Seiten betreiben, geächtet werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Tauss, bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ungeachtet der Tatsache, dass wir uns in der Bekämpfung von Kinderpornografie sicherlich einig sind, und ungeachtet der Frage, ob das von Ihrem Haus vorgeschlagene Verfahren technisch und rechtlich realisierbar ist, möchte ich hervorheben, dass sich meine Frage auf die Behauptung Ihres Hauses bezieht, dass die Studie „einseitig ausgelegt und zudem interessegeleitet“ sei. Ich frage als Parlamentarier - ganz egal, wer regiert -, ob es wirklich die Auffassung der Bundesregierung ist, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, der eine hohe Reputation hat, interessegeleitet ist. Von welchen Interessen reden Sie hier? Das ist der Gegenstand meiner Frage. Wenn Sie sagen würden, Sie nähmen dieses Urteil zurück, dann hielte ich das für gut. Wenn Sie sagen, dass die Bundesregierung der Auffassung sei, dass der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages interessegeleitet sei, dann müssen wir darüber reden. Dies ist der Inhalt meiner Frage. Es geht nicht um die anderen Punkte, die Sie angesprochen haben und über die wir an anderer Stelle diskutieren.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Es ist zunächst gut, dass wir uns in der Sache im Prinzip einig sind.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Übrigens, mit der Ministerin treffe ich mich jederzeit. Ich möchte nur nicht das Ergebnis vorher in einer Pressemitteilung lesen. Vielleicht könnten wir uns darauf verständigen. - Aber das nur am Rande.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Die Dinge entwickeln sich ja Gott sei Dank weiter. Insofern gibt es etwas Neues zu berichten. Die Entwicklung ist sehr positiv - hoffentlich auch in Ihrem Sinne. Was das Gutachten angeht - Sie haben es mit Sicherheit gelesen -: Es ist zwar im Januar 2009 veröffentlicht worden. Die gesamte Entwicklung jedoch, die es seit Oktober/November des vergangenen Jahres gibt, wird überhaupt nicht aufgegriffen. Vor dem Hintergrund, dass immerhin in fünf Ländern seit 2004 das AccessBlocking angewandt wird, ist es schon ein Problem, dass diese Fragestellung überhaupt nicht aufgegriffen wird. Deswegen glauben wir, dass dies eine sehr verkürzte Darstellung ist, die für das, was wir vorhaben, nicht zielgerichtet ist. Es ist aber die Basis für Pressemeldungen gewesen. Wir haben die Beobachtung gemacht, dass das, was wir vorhaben und was andere Länder längst mit großem Erfolg praktizieren, wehtut. Dahinter stehen Interessen. Ich sage nicht, dass sie vom Wissenschaftlichen Dienst bewusst aufgenommen worden sind; das liegt mir fern. Aber die Art der Darstellung ist zumindest verkürzt. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Zweite Nachfrage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir können gerne über die Wirksamkeit dieser Maßnahme in anderen Ländern diskutieren. Ich halte dies für weiße Salbe, die in Wirklichkeit verhindert, dass wir tatsächlich zu einer effektiven Bekämpfung des Missbrauchs von Kindern in diesem Bereich kommen. Das ist aber ein anderer Punkt. Sie sagen, das Gutachten sei interessegeleitet: Welche Interessen vertritt nach Ihrer Auffassung der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich würde das dem Wissenschaftlichen Dienst in seiner Gesamtheit nicht unterstellen. ({0}) Ich sage nur: Aufgrund dessen, wie das Gutachten formuliert ist, aufgrund der Tatsache, dass es den geringsten Anforderungen nicht genügt - ich erwarte von einem Gutachten zumindest, dass auch die Diskussion der letzten Monate dargestellt wird -, dass wichtige Studien, die es auf diesem Gebiet unstrittig gibt - Sie sind ja Fachmann auf diesem Gebiet -, nicht aufgegriffen werden und man zu völlig falschen Schlussfolgerungen kommt, fragt man sich schon, ob bestimmte Interessen eine viel zu große Rolle gespielt haben, weil sie eben schief dargestellt werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage der Kollegin Stokar von Neuforn.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, ich habe versucht, im europäischen Bereich eine Studie zu finden, die tatsächlich auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruht - wir alle sind uns einig, dass wir uns auf einer guten wissenschaftlichen Grundlage schlaumachen bzw. informieren sollten -, die belegt, ob es bisher in irgendeinem europäischen Land aufgrund von Sperren einzelner Internetseiten gelungen ist, die Verfügbarkeit von Kinderpornografie insgesamt zu verringern. Ich sage dies vor folgendem Hintergrund: Ich habe mich in den letzten Tagen im Rahmen der CeBIT nochmals bei Providern schlaugemacht. Alle haben mir bestätigt, dass es nach wie vor innerhalb von Sekunden möglich ist, eine gesperrte Seite - diese Sperrung wird der Öffentlichkeit als Erfolg präsentiert auf anderem Wege wieder zur Verfügung zu stellen. Gibt es eine Studie, die den Erfolg solcher Sperrungen belegt?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Sie wissen, dass wir dazu verschiedene Anfragen, auch schriftlich, beantwortet haben, im Einzelnen bezogen auf die Länder, die immer beispielhaft genannt werden, unter anderem Norwegen, aber auch Dänemark, Schweden, Finnland, Italien und Großbritannien. ({0}) Aufgrund der Aussagen auch der Polizei dieser Länder wissen wir, in welchem Umfange Zugriffe tatsächlich gesperrt werden. Ich behaupte überhaupt nicht, dass das Gesamtproblem damit gelöst wird; das sagt auch niemand. Aber ich glaube schon, dass wir einen Zugriff erheblich erschweren. Nach den mir geläufigen Angaben ist es so, dass 70 Prozent derjenigen, die auf diese Seiten zugreifen, keine Schwerstkriminellen sind. Diese wissen auch nicht ohne Weiteres, wie man diese Sperrungen umgehen kann. In diesen Fällen lohnt sich die Mühe, zumindest das zu tun, was andere Länder offenkundig erfolgreich getan haben. Wir sind dabei in guten Gesprächen. Mich wundert die Schieflage in der gegenwärtigen öffentlichen Debatte. Dabei wird von vornherein gesagt: Das könnt ihr aus technischen Gründen nicht. Außerdem muss man die rechtliche Seite im Auge behalten. - Deswegen haben wir gesagt, dass wir in mehreren Schritten vorgehen. Zunächst einmal muss darüber gesprochen werden, wie eine technische Lösung aussehen kann. Dabei sollen die Provider mit überlegen, was sie auch tun. Zumindest sind sie alle der Auffassung gewesen, dass eine Lösung im Prinzip möglich ist. Die Verbände tun sich etwas schwerer. Das hat auch eine Anhörung in einem Fachausschuss ergeben. Zu dieser Anhörung waren interessanterweise nur die Verbände eingeladen. Diese sagen, dass eine Lösung möglich ist und dass sie sie mit uns gemeinsam entwickeln. Wenn das gelingt, muss man parallel Eckpunkte für eine rechtliche Regelung erarbeiten. Natürlich muss man auch sehen, dass es nicht zu Schadensersatzforderungen kommt. Aber das ist eine Phantomdiskussion. Uns ist aus anderen Ländern nicht bekannt, dass es dort auch nur in einem einzigen Fall eine Schadensersatzforderung gegeben hätte. Das haben wir Ihnen bereits mitgeteilt. Vor diesem Hintergrund ist es so: Wenn wir meinen, dass es Hebel gibt - meinetwegen auch nur beschränkte -, um hier anzusetzen, dann sollten wir diese zunächst nutzen. Damit sind wir noch nicht am Ende, weil gegenwärtig noch verhandelt wird. Aber wir sind auf einem guten Wege.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen damit zur Frage 5 des Kollegen Tauss: Ist es die Auffassung der Bundesregierung oder die Auffassung des BMFSFJ, dass eine Sperrung von strafrechtlichen Inhalten, die auf ausländischen Servern bereitgehalten und nicht anders verfolgt werden können, aufgrund einer freiwilligen Vereinbarung zwischen dem Bundeskriminalamt und den Internetprovidern erfolgen könne, oder teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass dies allenfalls auf einer gesetzlichen Grundlage und in einem rechtsstaatlichen Verfahren denkbar ist? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich will noch einmal ausdrücklich sagen, dass man sich bei dem Spitzengespräch, das am 13. Januar dieses Jahres zwischen Minister Schäuble, Ministerin von der Leyen und Minister Glos und Vertretern der großen deutschen Internetanbieter stattgefunden hat, auf ein zweistufiges Verfahren geeinigt hat. Um zügig zu einer Sperrung kinderpornografischer Inhalte im Internet zu gelangen, soll die Sperrung zunächst auf der Grundlage von verbindlichen Vereinbarungen zwischen den Internetanbietern und dem Bundeskriminalamt erfolgen. Dann soll in einem zweiten Schritt in einem klar zeitaufwendigeren Verfahren eine auf den Bereich Kinderpornografie bezogene, in der Wirkung allerdings zwingende gesetzliche Regelung gefunden werden. Der Vertrag ist so, wie er jetzt angedacht ist, weitaus mehr als eine Selbstverpflichtung. Es handelt sich vielmehr um eine verbindliche Vereinbarung zwischen jedem einzelnen Provider und dem Bundeskriminalamt. Nach Auffassung der an der Arbeitsgruppe beteiligten Ressorts ist die Sperrung kinderpornografischer Inhalte auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrages in Verbindung mit den für die Vertragsbeziehungen der Internetanbieter mit ihren Kunden geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Wie man diese Regelung einbezieht, wie man das handhabt, wie das künftig gesetzlich organisiert wird, ist derzeit noch offen und Teil der Verhandlungen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Tauss.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ungeachtet der Tatsache, dass dieses Gespräch und sein Ergebnis offensichtlich unterschiedlich interpretiert werden, möchte ich nachfragen. Es war übrigens nicht so, dass zu dieser Anhörung nur Fachverbände eingeladen waren, sondern es war in großem Umfang juristischer Sachverstand bis hin zum Bundeskriminalamt vertreten, damit man der Problematik gerecht werden konnte. Es war mit Ausnahme des BKA die einhellige Auffassung der Beteiligten, dass es einer gesetzlichen Grundlage bedürfe und dass eine rein vertragliche Gestaltung zur Lösung des Problems nicht ausreiche. Ich frage Sie: Ist es die Meinung der Bundesregierung, dass zur Lösung dieses Problems eine einfache Vertragsgestaltung genüge? Wenn ja: Warum wurde nicht das BMJ einbezogen, beispielsweise bei den Verhandlungen der Bundesregierung?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich habe Ihnen eben gesagt, welche Ressorts in erster Linie beteiligt waren, weil sie in erster Linie zuständig sind. Natürlich wird das BMJ bei allen rechtlich relevanten Sachverhalten einbezogen. Das ist auch gegenwärtig der Fall. Das würde im Endeffekt auch dann geschehen, wenn man eine vertragliche Regelung gefunden hätte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Teilt das BMJ die Auffassung, dass eine einfache vertragliche Gestaltung genügt?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich äußere mich hier für die Bundesregierung und nicht für ein einzelnes Ressort.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nun gut, aber zur Bundesregierung gehört ja auch das BMJ.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Es ist normal, dass es im Laufe des Prozesses zwischen den einzelnen Ressorts immer wieder Diskussionen darüber gibt, wie die Dinge zu gewichten sind. Das wird auch hier der Fall sein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke. - Es gibt zwei weitere Nachfragen in diesem Zusammenhang. Zunächst Kollegin Stokar von Neuforn und dann Kollege Ströbele.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Lassen Sie mich eine Vorbemerkung machen: Wir alle sind uns darin einig, dass wir Kinder schützen wollen. ({0}) Ich sehe aber nicht, dass ein einziges Kind geschützt wird, indem eine Seite im Internet gesperrt wird, wenn die Aufnahmen des Kindes weiterhin auf anderen Seiten weltweit kursieren. Das ist eine Illusion. Meine Frage an die Bundesregierung lautet - ich begrüße den Staatssekretär aus dem BMI -: Wir Abgeordnete bekommen zwar nicht alle Informationen, sie sind aber im Internet frei verfügbar, so auch der Entwurf des Vertrages zwischen BKA und den Providern vom 19. Februar. Da das überhaupt nicht zum Aufgabenbereich des BKA gehört, sondern zum Aufgabenbereich des LKA, frage ich mich, auf welcher Rechtsgrundlage das BKA einen Vertrag abschließen will. Das BKA ist über sieben Jahre alt und geschäftsfähig. Das kann aber nicht die Rechtsgrundlage für Grundrechtseingriffe sein. Die nachfolgende Frage lautet: Selbst wenn das BKA einen Vertrag außerhalb des BKA-Gesetzes abschließen kann, was ich bezweifele, dann ist das BKA nicht leistungsfähig, weil das BKA-Gesetz keine rechtliche Grundlage für die Erfüllung dieses Vertrages bietet. Ich verstehe dieses merkwürdige Konstrukt nicht. Können Sie es mir erläutern?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Das ist kein merkwürdiges Konstrukt. Das ist eine Anlehnung an Regelungen, die es in anderen europäischen Ländern gibt, was wir ansonsten auch tun. Darüber müsste man im Einzelnen diskutieren. Ich habe angeboten, dass wir darüber im Detail reden können. Wir haben uns im Ausland Informationen geholt. Ich will nicht verhehlen, dass die Frage, ob man das regeln kann, in Deutschland viel zu lange negativ beantwortet worden ist. Andere Länder haben uns gezeigt, dass dies möglich ist. Das ist ganz offenkundig. Die Möglichkei22372 ten, die wir haben - wir werden im Einzelnen zu prüfen haben, wie die Konstruktion auszusehen hat -, wollen wir nutzen; denn die Zahlen, die uns über die verhinderten Zugriffe in Ländern wie Norwegen vorliegen, sind aussagekräftig. Wenn man diese Zahlen auf Deutschland übertragen könnte - Sie können dann immer noch sagen, dass das Problem dadurch weltweit betrachtet nicht gelöst wird; das ist ganz unstrittig -, wäre das eine erhebliche Irritation. ({0}) Ich glaube vor allen Dingen, dass eine öffentliche Debatte darüber absolut hilfreich wäre. Ich bestreite nicht, dass wir das gleiche Anliegen haben. Wir müssen uns aber genau überlegen, wie der rechtliche Rahmen auszusehen hat. Das ist nicht unkompliziert. Wir haben ein zweistufiges Verfahren vor. Wir wollen erstens Absprachen treffen und mit den Internetprovidern vertragliche Regelungen treffen, was sie bereits zugestanden haben. Sie haben auch eingestanden, dass das ein Problem ist. Das ist schon eine ganze Menge. Im nächsten Schritt soll - das ist wesentlich komplizierter; das habe ich bereits dargelegt - der rechtliche Rahmen für ein Verbot geschaffen werden. Das ist ein weites Feld. Insofern kann ich die Frage zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantworten.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun Kollege Ströbele.

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, Sie beantworten die Fragen nicht. ({0}) Der Kollege Tauss und die Kollegin Stokar haben doch eine klare Frage gestellt, nämlich: Beabsichtigt die Bundesregierung, diese freiwilligen Vereinbarungen zwischen BKA und Providern auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen? Ja oder nein? Wenn nein: Warum nicht? Ist das nicht erforderlich? Das können Sie doch beantworten, oder Sie können sagen, dass Sie es nicht wissen.

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Ich habe klar gesagt, dass wir zweistufig vorgehen. Als Erstes schließen wir vertragliche Vereinbarungen. ({0}) Da ist nicht von gesetzlichen Regelungen die Rede; das habe ich auch klar gesagt. ({1}) Im zweiten Schritt geht es - weil es viel zeitaufwendiger und komplizierter ist - um klare gesetzliche Regelungen. ({2})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Es gibt zwei weitere Fragen. Kollegin Pau und dann Kollege Singhammer.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme auf die Frage der Kollegin Silke Stokar von Neuforn zurück. Mir ist sehr wohl bekannt, dass in anderen Ländern andere Rechtssysteme und andere Gesetze gelten. Sie hat aber nach der Grundlage des Vertrags des BKA mit den Internetprovidern gefragt. Ich würde gerne wissen, auf welcher Grundlage ein solcher Vertrag geschlossen wird. Hier sind - wenn überhaupt eindeutig die Landeskriminalämter zuständig. ({0})

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wir können nur im Rahmen der gegenwärtigen rechtlichen Regelungen eine Antwort finden. Ich habe ja gesagt, dass wir später über gesetzliche Regelungen nachdenken werden. Es wird nicht so sein, dass wir jetzt einen Vertrag schließen, für den es keine Rechtsgrundlage gibt. Da können Sie ganz beruhigt sein.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, dass alle wirksamen und technisch möglichen legalen Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen ({0}) - woanders auch, aber jetzt sind wir beim Internet -, dass sich alle bisherigen Maßnahmen als wenig wirksam herausgestellt haben und es deshalb an der Zeit ist, die guten Erfahrungen anderer Staaten zu übernehmen, und dass es kaum mehr jemand in Deutschland verstehen würde, wenn man mit Hinweis auf Bedenken, wie sie hier vorgetragen worden sind, nichts unternehmen würde und letztlich als Staat mit der Botschaft, dass wir leider nichts tun können, weil es ein globales Phänomen ist, dastehen würde? ({1}) Stimmen Sie mir zu, dass dies der erste wirksame, effektive und gangbare Weg ist, den wir beschreiten müssen?

Dr. Hermann Kues (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002709

Wir haben viele Jahre - auch auf internationalen Konferenzen - über dieses Problem diskutiert und es beklagt. Es werden offenkundig - ich sage es ganz drastisch auch Kleinstkinder systematisch ausgebeutet und missbraucht. Wenn wir jetzt auch aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern meinen, Hebel zu haben, und sagen, dass wir jetzt das machen, was uns möglich ist, dann hat das Unterstützung verdient. Man braucht keine gespenstische Diskussion darüber zu führen. Über rechtliche Einzelheiten werden wir in Ruhe reden, wenn es so weit ist. Wir wollen aber zunächst einmal etwas auf den Weg bringen, von dem wir meinen, dass es unter den Bedingungen, die es bei uns gibt, möglich ist. Wir sind da sehr zuversichtlich. Andere Länder haben uns geraten, diesen Weg endlich zu beschreiten. Nicht mehr und nicht weniger machen wir gegenwärtig.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Die Frage 6 des Kollegen Peter Hettlich wird schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes zur Verfügung. Ich rufe Frage 7 des Kollegen Seifert auf: Welche Gründe gab es für die Bundesregierung, das Kriterium der Barrierefreiheit nicht als Voraussetzung für die Bereitstellung von Mitteln des Bundes für Investitionen zum Ausbau der Infrastruktur und von Bildungseinrichtungen im Rahmen des Konjunkturpaketes II vorzuschreiben, obwohl dies - auch mit Blick auf die UN-Behindertenrechtskonvention und den im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD festgeschriebenen „Paradigmenwechsel“ - nicht nur von Behindertenorganisationen und der Fraktion Die Linke, sondern auch von sachkundigen Vertreterinnen der Koalition wie der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Karin Evers-Meyer ({0}), und der behindertenpolitischen Sprecherin der Fraktion der SPD, Silvia Schmidt ({1}) ({2}), gefordert wurde? Bitte, Herr Staatssekretär.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werter Kollege Seifert, ich beantworte die Frage wie folgt: Die Bundesregierung hat von einer Festschreibung des Kriteriums „Barrierefreiheit“ als Voraussetzung für die Bereitstellung von Bundesmitteln für Investitionen in Bildung und Infrastruktur abgesehen, weil dies auf Bundes- bzw. auf Landesebene im Wesentlichen bereits durch entsprechende Regelungen zur Berücksichtigung von Barrierefreiheit bei Neubauten und größeren Umbauten gewährleistet ist. Zusätzliche, überwiegend sich doppelnde Regelungen für diesen Bereich wurden auch im Hinblick auf eine zügige Umsetzung der Maßnahmen für nicht erforderlich gehalten. Im Übrigen sind innerhalb der geplanten Verkehrsinvestitionen des Konjunkturpaketes II im Programm „Personenbahnhöfe“ Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit ausdrücklich genannt. Hierdurch sollen gezielt Investitionen an bestehenden Bahnhöfen zur Verbesserung der Barrierefreiheit gefördert werden. Der Bund wird daher im Rahmen der ihm aufgrund der föderalen Finanzverfassung eingeräumten Kompetenzen möglichst weitgehend die barrierefreie Umsetzung der beschlossenen Verkehrsinvestitionen fördern.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Seifert, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Sie wissen so gut wie ich, dass zwar in den Landesbauordnungen vorgeschrieben ist, dass bei größeren Umbauten und bei Neubauten Barrierefreiheit herzustellen ist, dass diese Vorschrift aber oftmals nicht eingehalten wird. Da die Durchführung infrastruktureller Maßnahmen durch das Konjunkturprogramm II sogar noch beschleunigt wird, ist die Gefahr, dass das Prinzip der Barrierefreiheit dabei wieder nicht berücksichtigt wird, sehr groß. Insofern ist es sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Barrierefreiheit ein besonderes Kriterium der Nachhaltigkeit ist. Ein neu gebautes barrierefreies Gebäude wird schließlich nicht so schnell wieder abgerissen.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Seifert, in allen Bundesländern gibt es Gleichstellungsgesetze. Ich gehe davon aus, dass wir gemeinsam mit den Verbänden der Menschen mit Behinderungen und im Rahmen des politischen Diskurses, den wir führen, darauf achten, dass das Prinzip der Barrierefreiheit überall dort, wo jetzt Investitionen getätigt werden, umgesetzt wird. Auch in den Papieren des Bundesverkehrsministeriums zur Umsetzung des Konjunkturprogramms II wurde ausdrücklich gefordert, dass die Prinzipien der Barrierefreiheit bei den energetischen Investitionen, die in solchen Gebieten, die sich außerhalb der Städtebauförderungsgebiete befinden, getätigt werden, Berücksichtigung finden sollen. Auch unser Haus hat Abgeordnete aufgefordert, sich in ihren Wahlkreisen dafür einzusetzen, dass die Prinzipien der Barrierefreiheit bei der Umsetzung dieser Maßnahmen mitberücksichtigt werden. Hier haben wir das gleiche Anliegen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage?

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. Ich habe noch eine Nachfrage, Herr Präsident.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Das, was Sie sagten, ist der springende Punkt: Wenn wir alle wirklich das gleiche Anliegen haben, dann verstehe ich nicht - vielleicht können Sie mich aufklären -, warum Sie die dringenden Warnungen Ihrer eigenen Behindertenbeauftragten und der behindertenpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion und, wenn die Ihnen nicht reichen, die Forderung des Landes Rheinland-Pfalz, dass die Barrierefreiheit im Hinblick auf das Konjunkturprogramm II als Kriterium gelten müsse, nicht zur Kenntnis nehmen. Offensichtlich ist es notwendig, den Verantwortlichen immer und immer wieder zu sagen: Ihr könnt nicht erst irgendetwas basteln und es hinterher umbauen bzw. die Barrierefreiheit sozusagen im Nachhinein einbauen, sondern ihr müsst die Prinzipien der Barrierefreiheit von vornherein berücksichtigen. - Darauf muss man immer wieder hinweisen, in der Hoffnung, dass dies eines Tages eine Selbstverständlichkeit ist. Dieser Tag scheint aber noch sehr weit entfernt zu sein.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Kollege Seifert, wir beide stehen auf der gleichen Seite, wenn es darum geht, bei der Umsetzung der Maßnahmen auch dafür Sorge zu tragen, dass durch die Investitionen, die getätigt werden, letztlich auch Barrierefreiheit hergestellt wird. Jeder spürt, wie ungeduldig die Kommunen auf Regeln warten, nach denen die Mittel vor Ort verwendet werden können. Wir haben vereinbart, auf diese Prinzipien hinzuweisen, aber keine doppelten Regelungen zu treffen. All das ist nämlich schon in den jeweiligen Bauvorschriften und Gleichstellungsgesetzen der Länder geregelt. Wir appellieren an die Verantwortlichen, die Prinzipien der Barrierefreiheit zu berücksichtigen. Das tun wir übrigens auch bei den Veranstaltungen, die wir im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenkonvention unter anderem zum Thema Barrierefreiheit durchführen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zu Frage 8 des Kollegen Seifert: Welche Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Gespräch der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel mit den Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Behindertenrates, DBR, am 10. Februar 2009 im Bundeskanzleramt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Seifert, ich beantworte die Frage wie folgt: Im Mittelpunkt des Gesprächs der Bundeskanzlerin mit den Vertreterinnen und Vertretern des Deutschen Behindertenrates und der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen standen aktuelle behindertenpolitische Themen, unter anderem die Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes, die Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe, die Hilfsmittelversorgung und das UN-Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Die Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Behindertenrates haben die Gelegenheit genutzt, der Bundeskanzlerin zu den verschiedenen Themen ihre Anliegen und ihre Erwartungen vorzutragen. Eine Erkenntnis war dabei, dass in Deutschland der Anteil behinderter Kinder, die gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern die Schule besuchen, im europäischen Vergleich gering ist. Daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, obliegt allerdings in erster Linie den Bundesländern; sie sind für die schulische Bildung zuständig.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wenn das Gespräch, wie Sie sagen, wichtig gewesen sei, kann ich nicht verstehen, wieso weder auf der Internetseite der Bundeskanzlerin noch auf den Internetseiten der Bundesregierung ein einziger Hinweis auf dieses Gespräch zu finden ist. Wenn man nachschaut, was die Bundeskanzlerin am 10. Februar gemacht hat, erfährt man, dass sie an einer Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum des Vorlesewettbewerbs des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels teilgenommen hat, nicht aber, dass sie mit Vertretern der Behindertenorganisationen, die sich im Deutschen Behindertenrat zusammengeschlossen haben, über so wichtige Dinge wie die UNOBehindertenrechtskonvention und die Umsetzung der Gleichstellungsgesetze gesprochen hat. Insofern muss man sich schon fragen, welchen Stellenwert dieses Gespräch für die Bundeskanzlerin und für die Bundesregierung insgesamt hat.

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Es hat einen sehr hohen Stellenwert: Es weist nach, dass wir am Dialog mit den Verbänden der Menschen mit Behinderung interessiert sind. Diesen Dialog führen die Vertreterinnen und Vertreter unseres Hauses kontinuierlich, zu verschiedensten Zeiten und über die verschiedensten Themen. Es obliegt dem jeweils zuständigen Verantwortlichen, der die Gespräche führt, darüber zu entscheiden - und zwar in Absprache mit den Beteiligten -, ob Veröffentlichungen über solche Gespräche und Unterredungen erfolgen. Ich bin nicht darüber informiert, welche Verabredungen in diesem Fall getroffen wurden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Eine weitere Nachfrage?

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Es ging in meiner Frage auch um die Schlussfolgerungen, die die Bundesregierung aus diesem Gespräch zieht. Wir alle wissen, dass die Legislaturperiode endlich ist. Deswegen die Frage: Was will die Bundesregierung tun, um ein Aktionsprogramm zur Umsetzung der Anforderungen der UNO-Konvention auf den Weg zu bringen, bevor das deutsche Volk eine neue Regierung beauftragt?

Franz Thönnes (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002818

Herr Kollege Seifert, ich habe am vergangenen Dienstag bei der UN in New York die von diesem Haus ratifizierte Urkunde der UN-Behindertenrechtskonvention überreicht. Sie tritt damit nach 30 Tagen in Kraft. Wir arbeiten bereits jetzt in Kontinuität daran, die Inhalte dieser Konvention in Deutschland bekannter zu machen, und zwar nicht nur bei denjenigen, die diese Konvention ursächlich angeht, nämlich bei den Menschen mit Behinderung. Wir brauchen einen Dialog von Politik und gesellschaftlichen Institutionen. In diesem Zusammenhang will ich die Initiative „inklusive Bildung“ nennen. Im Mai findet eine große Fachkonferenz statt, zu der der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Olaf Scholz, eingeladen hat. Im Rahmen dieser Fachtagung wollen wir mit Wissenschaftlern, mit Vertretern der Bundesländer und mit Vertretern der Organisationen der Menschen mit Behinderung darüber sprechen: Wie sieht es in Deutschland aus? Was können wir für „inklusive Bildung“ tun? Was ist aufzuholen? Bei „inklusive Bildung“ geht es darum, dazu zu kommen, dass die Kinder im Prinzip von Anfang an gemeinsam aufwachsen und gemeinsam lernen. Sie sollen dadurch ein Miteinander erfahren, sollen Kompetenzen und Fähigkeiten erwerben. Es soll zu einer Selbstverständlichkeit werden, dass man gemeinsam aufwächst und lernt und damit auch das Leben gestaltet. Das ist ein zentraler Punkt. Ein zweiter Punkt sind die Fachkonferenzen, die von der Behindertenbeauftragten der Bundesregierung durchgeführt werden. Es sind an die acht im ersten Halbjahr. Bis Ende März werden sie abgeschlossen sein. Dabei geht es auch darum, für das zu werben, was wir gerade im Bundestag beschlossen haben: unterstützte Beschäftigung. Wie bekommen wir es hin, dass junge Menschen aus Förderschulen in den ersten Arbeitsmarkt hineinkommen? Wie gestalten sich bei uns die Bedingungen für eine zwischen den Berufsbildungswerken und den Betrieben verzahnte Berufsausbildung? Wie setzen wir die Initiative „Jobs ohne Barrieren“ weiter um? Am Montag hat gerade eine Veranstaltung in Leipzig dazu stattgefunden; eine weitere Veranstaltung wird in etwa sechs Wochen stattfinden. Wir sind also permanent dabei, die Botschaften aus der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland flächendeckend zu vermitteln und dafür zu werben, dass das, was in dieser Konvention steht, von den Menschen aufgenommen wird. Wir beide wissen, dass es manchmal Barrieren im Kopf gibt, die es in unserem Land erschweren, eine Selbstverständlichkeit im Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu erzeugen. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg, diese Barrieren abzubauen. Ergänzend diskutieren wir darüber, ob uns ein Aktionsplan dabei helfen kann, der im ersten Halbjahr Fahrt aufnehmen, aber so konzipiert sein wird, dass er über die Bundestagswahl hinausreicht.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Die Frage 9 der Kollegin Zimmermann zur Frist für die Ausstellung von Schwerbehindertenausweisen wird schriftlich beantwortet. Dasselbe gilt für die Fragen 10 und 11 der Kollegin Bunge zur Kohleveredlung in Borna-Espenhain. - Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Astrid Klug zur Verfügung. Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Hans-Josef Fell auf: Hat die Bauverzögerung des EPR - neuer europäischer Kernreaktor - in Finnland zu sicherheitstechnischen Mängeln des Atomkraftwerks geführt, und welche Kostensteigerungen und Strafzahlungen zeichnen sich nach dem bisherigen Stand des Wissens bei dem Bauprojekt ab? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Fell, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundesregierung liegen im Zusammenhang mit der Bauverzögerung des EPR in Finnland keine offiziellen Informationen über sicherheitstechnische Mängel des Kernkraftwerks vor. Eine eigenständige Bewertung des Projekts durch die Bundesregierung ist allein aufgrund der Datenlage nicht möglich. Zu Kostensteigerungen des Bauprojekts und Strafzahlungen hat die Bundesregierung keine Informationen, die über das hinausgehen, was in allgemein zugänglichen Quellen wie der Presse bereits bekannt ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege Fell.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, verzeihen Sie mir, wenn ich sage, dass diese Antwort natürlich sehr ernüchternd ist, weil die Presse voll von den Problemen beim finnischen Reaktor ist. So sind wohl eine Kostensteigerung von über 2 Milliarden Euro und ein Bauverzug von über drei Jahren zu erwarten. Auch sind Sicherheitsmängel in großen Mengen vorhanden. Beispielsweise soll die Bodenplatte nicht ordnungsgemäß betoniert sein, und es soll Sicherheitsmängel am Druckwasserbehälter geben. Daher frage ich nach, ob dies der Bundesregierung nicht Anlass genug sein müsste, sich hier sachkundig zu machen. Immerhin handelt es sich bei diesem Europäischen Druckwasserreaktor um das Flaggschiff, aus dem man die Renaissance der Atomenergie herleitet. Dieser erste Bau führt aber in Wirklichkeit schon zu einem finanziellen Desaster, wie man jetzt am Gewinneinbruch von Areva sieht. Insofern bin ich erstaunt, dass die Bundesregierung diesen Fragen nicht nachgeht, zudem es in Teilen der Bundesregierung immer noch heißt, es sei wichtig, mit der Atomenergie weiterzumachen.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Es ist Aufgabe der finnischen und nicht der deutschen Atomaufsichtsbehörden, diesen Fragen nachzugehen. Dass es zu enormen Kostensteigerungen und Bauverzögerungen gekommen ist, hat offensichtlich auch etwas damit zu tun, dass Aufsichtsbehörden auf Sicherheitsmängel hinwiesen, die zu Nachbesserungen geführt haben. Diese Frage zu klären ist aber, wie gesagt, Aufgabe der finnischen und nicht der deutschen Behörden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, nach meiner Auffassung sind in hohem Maße deutsche Interessen berührt. Immerhin ist mit Areva auch die Firma Siemens dort beteiligt, weshalb Siemens ähnlich wie Areva wohl mit einem großen finanziellen Problem zu kämpfen hat. Zugleich ist die Bayerische Landesbank mit einem 2-Milliarden-Billigkredit beteiligt. Insofern ist die Frage für die Bundesregierung doch sicherlich relevant - zumal in einer Zeit, in der wir ohnehin mit wirtschaftlichen Nöten zu kämpfen haben -, ob hier nicht zusätzliche Belastungen auf die deutschen Steuerzahler, ein deutsches Unternehmen oder andere zukommen. Besteht also nicht doch ein hinreichendes Interesse für die Bundesregierung, sich hier sachkundig zu machen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Herr Kollege Fell, Sie können sicher sein, dass die Bundesregierung die Entwicklung in Finnland mit Interesse beobachtet. Aber es ist das unternehmerische Risiko der Unternehmen, die sich beim Bau dieses Reaktors engagieren. Wenn es zu Verzögerungen und Strafzahlungen kommt, dann werden sie dieses unternehmerische Risiko tragen müssen. Sie wissen, dass zumindest ein Teil der Bundesregierung gerade auch aus den Entwicklungen in Finnland durchaus den Schluss zieht, dass ein weiterer Bau von Atomkraftwerken - gerade in Deutschland - nicht nur aufgrund des technischen Risikos, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen und wegen des finanziellen Risikos nicht verantwortbar ist.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Wir kommen zur Frage 13 des Kollegen Hans-Josef Fell: Welche Konsequenzen hat der Verfall der CO2-Zertifikatspreise für den Bundeshaushalt im Allgemeinen und die einzelnen aus dem Verkauf der CO2-Zertifikate gegenfinanzierten Förderprogramme im Besonderen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Herr Kollege Fell, diese Frage beantworte ich wie folgt: Der Preis der Berechtigungen ist im Verlauf der letzten Monate deutlich gesunken. Im Jahr 2008 lag der Durchschnittspreis für CO2-Zertifikate bei 23,55 Euro. Dieser Preis ist insbesondere wegen des Rückgangs des Wirtschaftswachstums inzwischen deutlich gesunken. Anfang 2009 lag der Durchschnittskurs der verkauften Berechtigungen bei 11,30 Euro. Im vergangenen Haushaltsjahr hat der Bund aus dem Verkauf von Berechtigungen Einnahmen in Höhe von 932 Millionen Euro erzielt. Im laufenden Haushalt sind die Einnahmen mit 900 Millionen Euro veranschlagt. Ob in dieser Höhe tatsächlich Einnahmen erzielt werden können, ist abhängig von der weiteren Preisentwicklung. Auf die in 2009 laufenden Klimaschutzprogramme der Bundesregierung, die unter anderem mit den Einnahmen aus dem Zertifikateverkauf finanziert werden, hat diese Entwicklung keine Auswirkungen. Die hierfür jeweils erforderlichen Ausgabeermächtigungen sind im Bundeshaushalt veranschlagt. Die derzeit niedrigen Preise sind im Übrigen primär eine Folge der Konjunkturkrise. Sie bilden nicht den Maßstab für die weitere Entwicklung. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass sich die Einnahmen schon bald wieder erhöhen werden.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Fell, bitte.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gestatten Sie mir noch eine klarstellende Nachfrage: Obwohl viele der neuen Programme - vor allem des Umweltministeriums - mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden und die Mittel aufgestockt werden konnten, sagen Sie, dass es auch bei einem Rückgang der Einnahmen keinerlei Abstriche bei den Ausgaben geben wird, die mit diesen Programmen verbunden sind. Alle Mittel für die Förderprogramme bleiben also in ihrer ursprünglichen Höhe erhalten?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Das ist richtig. Das haben Sie richtig verstanden, ja.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Danke schön. Damit kommen wir zur Frage 14 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl: Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel, die Bevölkerung dürfe gewiss sein, dass die Bundesregierung versuchen wird, die Energieversorgungsunternehmen von der moralischen Mitverpflichtung zu überzeugen, sich an den Kosten für die Sanierung und Schließung des Atommülllagers Asse II zu beteiligen ({0}), und ist die Bundesregierung grundsätzlich der Auffassung, dass sich die Energiewirtschaft an den Sanierungs- und Schließungskosten des Atommülllagers Asse II beteiligen sollte? Bitte schön, Frau Staatssekretärin.

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Sehr geehrte Frau Kotting-Uhl, diese Frage beantworte ich wie folgt: 20 Prozent der Abfallgebinde, die in der Schachtanlage Asse II eingelagert sind, stammen unmittelbar aus Atomkraftwerken der Energieversorgungsunternehmen. Das entspricht 3 Prozent des radioaktiven Gesamtinventars. Ein großer Teil der in der Asse eingelagerten Abfälle stammt aus der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe, also aus einer öffentlichen Einrichtung. 90 Prozent des radioaktiven Inventars und knapp 50 Prozent der eingelagerten Gebinde in der Asse stammen aus dem Betrieb der WAK. In dieser ursprünglich als Pilotanlage für die kommerzielle Wiederaufarbeitung konzipierten Anlage wurden in den Jahren 1971 bis 1991 überwiegend Brennelemente wiederaufbereitet, die zu einem großen Teil aus Reaktoren der Energieversorgungsunternehmen stammten. Bei der Wiederaufarbeitung sind Betriebsabfälle, Arbeitsmaterialien, Handschuhe und Ähnliches angefallen. Diese Sekundärabfälle wurden von der WAK an die Asse abgeliefert. Damit haben etwa zwei Drittel der insgesamt in der Asse eingelagerten Aktivität ihren Ursprung in der Radioaktivität von Brennelementen, die von Energieversorgungsunternehmen zur Wiederaufarbeitung an die WAK geliefert wurden. Einlieferer der Abfälle war aber die WAK und damit eine öffentliche Einrichtung. Hinzu kommen die Gebinde, die direkt von den Kernkraftwerken angeliefert wurden. Das entspricht insgesamt etwa 40 Prozent der in der Schachtanlage Asse II eingelagerten Gebinde. Es ist in der Bundesregierung unstreitig, dass es keine rechtliche Handhabe gibt, den Verursachern der in der Asse eingelagerten Abfälle 30 Jahre später rückwirkend neue Gebühren aufzuerlegen. Die Frage, ob sich die EVUs wegen der beschriebenen Umstände an den Kosten der Stilllegung der Asse beteiligen sollten, obwohl sie rechtlich nicht dazu herangezogen werden können, wird innerhalb der Bundesregierung unterschiedlich beurteilt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen? - Frau Kollegin.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin Klug, vielen Dank für die Antwort. Ich bin mit der Zahl, die Sie angegeben haben, nicht ganz einverstanden, und ich glaube auch, dass sie dem widerspricht, was wir schon dem in Plenardebatten vielfach zitierten Inventarbericht von 2002 entnehmen können. Sie haben gesagt, dass sich 40 Prozent des radioaktiven Potenzials - darum geht es schließlich; wie viele Gebinde es sind, ist völlig nachrangig; es geht nicht um das Volumen, sondern um das radioaktive Potenzial, das in der Asse eingelagert ist - auf den Atommüll zurückführen lassen, der von den Atomkraftwerken in die Wiederaufarbeitungsanlage und von da aus in die Asse gebracht wurde. In dem Inventarbericht wird der Atommüll, der in die WAK und von da aus in die Asse gebracht wurde, genau aufgelistet. Das ist einer der wenigen Berichte, in dem das wirklich dargelegt ist. Ansonsten haben wir Begleitscheine, die nicht allzu viel hergeben. Aus dem Inventarbericht lässt sich leicht errechnen, dass allein 70 Prozent des letztendlich in der Asse vorhandenen radioaktiven Potenzials aus dem AKW Obrigheim - mithin ursprünglich von dem heutigen Energieversorger EnBW - stammen. Minister Gabriel hat zum Beispiel gegenüber dem Abgeordneten Christoph Pries geäußert: „Dass wir versuchen werden, die EVU von der moralischen Mitverpflichtung zu überzeugen, da dürfen Sie gewiss sein.“ Dabei geht es sicherlich auch um eine Kostenbeteiligung. Es gibt auch andere Zitate, die klarmachen, dass es einen politischen Willen gibt, die EVU an den Kosten zu beteiligen. Oft wird darauf verwiesen, dass es nach 30 Jahren nicht mehr möglich ist, einen Anspruch zu begründen. 30 Jahre sind angesichts der Gefahren, die von Atommüll ausgehen, bei dem es um Zeitspannen von bis zu 1 Million Jahre geht, in denen die öffentliche Hand die Lagerung überwachen muss, ein so lächerlich kurzer Zeitraum, dass wir es meiner Meinung nach nicht moralisch vertreten können, dass danach der Anspruch der öffentlichen Hand endet. Deshalb frage ich Sie, was Sie zu tun gedenken. Gibt es Bemühungen der Bundesregierung oder von Teilen der Bundesregierung, wenn es - wie bei AKW-Fragen allgemein üblich - unterschiedliche Auffassungen gibt, mit den EVU ins Gespräch zu kommen und sie zu einer Beteiligung zu bewegen?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Frau Kollegin Kotting-Uhl, wir müssen zwei Dinge unterscheiden: Das eine ist die rechtliche Situation und das andere die moralische Bewertung. Die rechtliche Situation habe ich eben beschrieben. Es gibt keine rechtliche Handhabe, Einlieferer der Asse nachträglich zu einer Kostenbeteiligung heranzuziehen. Sie wissen, dass das Bundesumweltministerium und der Bundesumweltminister sehr wohl die Frage bejahen, ob es eine moralische Verpflichtung und Verantwortung der Energieversorgungsunternehmen gibt, auf deren Brennelemente die Abfälle zurückgehen, die in der Asse eingelagert wurden. Nicht die Brennelemente selbst wurden dort eingelagert, sondern Abfälle, die bei der Wiederaufarbeitung der Brennelemente entstanden sind, eingelagert von einer staatlichen Einrichtung. Nichtsdestotrotz geht die Radioaktivität auf die Aktivität von bzw. auf Brennelemente aus kommerziell betriebenen Atomkraftwerken zurück. Deshalb bejaht der Bundesumweltminister die moralische Verantwortung, und deshalb hat er mit den EVUs Kontakt aufgenommen und diese Frage aufgeworfen. Zur Klarstellung der Zahlen, die ich eben schon einmal vorgetragen habe, will ich Anteile, wer was eingeliefert hat, in Prozenten erläutern. Ich habe vorgetragen, dass 3 Prozent des radioaktiven Gesamtinventars direkt von Atomkraftwerken, von den Energieversorgern, und etwas mehr als zwei Drittel des radioaktiven Inventars über den Umweg der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe eingeliefert wurden, sodass die Energieversorgungsunternehmen und die Atomkraftwerke für etwa 70 Prozent des radioaktiven Inventars verantwortlich sind. Das sind die Zahlen aus dem auch von Ihnen erwähnten Bericht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin Klug, ich spitze es ein bisschen provokativ zu, aber ich glaube, das hat in dieser Gemengelage seine Berechtigung. Was die AKW-Betreiber angeht, stelle ich noch einmal Obrigheim heraus; auch Gundremmingen hat sehr viel in die Wiederaufbereitungsanlage gebracht. Die WAK hat zehn Jahre lang keine Gebühren für die Einlagerung des Atommülls in der Asse verlangt. Drei Jahre waren die Gebühren sehr gering. Stimmen Sie mir zu - antworten Sie nicht nur mit Nein; ich bitte um eine etwas ausführlichere Antwort -, dass es sich hier um eine „Waschanlage“ für Atommüll der Wiederaufarbeitungsanlage in Karlsruhe handelte? Was halten Sie von diesem Begriff?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Entscheidend für die Bewertung, wer für die Abfälle in der Asse verantwortlich ist, ist die Frage, wer dort eingeliefert hat. Eingeliefert hat in diesem Fall die Wiederaufbereitungsanlage. Das Eigentum an den Brennelementen und den Abfällen, die bei der Wiederaufbereitung der Brennelemente in der Wiederaufbereitungsanlage entstanden sind, ist auf die Wiederaufbereitungsanlage übergegangen. Mit der Ablieferung der Abfälle ist das Eigentum an die Asse übergegangen. Deshalb gibt es keine rechtliche Möglichkeit, im Rückgriff diejenigen, die einst für die Abfälle verantwortlich waren, zu einer Kostenbeteiligung heranzuziehen. Das ist die rechtliche Bewertung dieser Frage. Diese ist in der Bundesregierung unstreitig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat die Kollegin Dorothée Menzner eine Frage.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke. - Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade ausgeführt, dass die Energiewirtschaft aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht der Bundesregierung im Hinblick auf die Kosten der Abfälle, solange die Abfälle in der Asse sind, nicht weiter zur Rechenschaft gezogen werden kann. Wir alle warten auf den Optionenvergleich, um entscheiden zu können, ob eine teilweise oder vollständige Rückholung der Abfälle aus der Asse geboten ist. Wie stellt sich für die Bundesregierung im Fall einer teilweisen oder vollständigen Rückholung die Frage nach der Kostenbeteiligung der Energiewirtschaft dar? Werden auch diese möglichen Kosten komplett vom Steuerzahler zu tragen sein, oder ist aus Ihrer Sicht hier die Option gegeben, die Verursacher zur Kasse zu bitten?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Ich kann mich nur wiederholen: Es gibt keine rechtliche Handhabe, die Energieversorgungsunternehmen zur Finanzierung der Stilllegung der Asse, unabhängig davon, welche Option am Ende umgesetzt wird, heranzuziehen. Das Bundesumweltministerium ist der Meinung, dass es eine moralische Verpflichtung gibt. Deshalb gibt es dazu Gespräche mit den Energieversorgern. Aber das Atomgesetz, in dem diese Frage eindeutig geklärt ist, bietet nicht die Möglichkeit, die Energieversorgungsunternehmen zur Kostenbeteiligung heranzuziehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat der Kollege Hans-Josef Fell eine Frage.

Hans Josef Fell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003115, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, wenn Sie sagen, es gebe keine rechtliche Handhabe für die Bundesregierung, die Verursacher, also die Atomkonzerne, an der Finanzierung der Beseitigung der Folgen des Desasters in der Grube Asse zu beteiligen, dann kann ich das nachvollziehen, wenn in der Forschungseinrichtung alles so gewesen wäre, wie es ursprünglich gedacht war. Nun hatten aber die Atomkonzerne großen Druck ausgeübt, dass die öffentliche Hand eine Forschungseinrichtung und damit die Wiederaufbereitungsanlage finanziert, um sich dieser Lasten zu entledigen. Es ist ein unglaubliches Privileg, dass die öffentliche Hand über Jahrzehnte einem gut verdienenden Konzern die Last, Forschung zu betreiben, abgenommen hat. Zudem wurde Atommüll in der Einrichtung, die eigentlich nur zu Forschungszwecken gedacht war, sozusagen reingewaschen, um sich seiner kostengünstig zu entledigen. Ist das nicht ein Sachverhalt, der über eine moralische Verpflichtung hinausgeht und im Nachhinein in eine Art Missbrauchstatbestand der Atomkonzerne, die sich über Jahrzehnte eines billigen Entsorgungswegs bedient haben, überführt werden könnte?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Herr Kollege Fell, man kann natürlich über die Frage diskutieren, ob diejenigen, die Nutznießer der Wiederaufbereitungsanlage und der Forschungseinrichtung in Karlsruhe waren, dann, wenn Jahrzehnte später Probleme auftreten, die auf ihre Abfälle zurückzuführen sind, zur Kostenbeteiligung herangezogen werden können. Über diese Frage muss man politisch diskutieren. Es gibt aber im Rahmen der Gebührenordnung für die Asse keine Möglichkeit, solche Rückgriffe zu organisieren und jemanden finanziell heranzuziehen. Es ist eine politische Frage, ob man die Energieversorgungsunternehmen, die Nutznießer solcher Einrichtungen waren und die zurzeit mit abgeschriebenen Atomkraftwerken Geld verdienen, dann, wenn der öffentlichen Hand Kosten entstehen, weil man bestimmte Risiken möglicherweise unterschätzt hat, zur Kostenbeteiligung heranzieht. Das ist eine politische Frage, die zwar beantwortet werden muss, aber nicht durch eine Gebührenordnung für die Asse gelöst werden kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön. - Wir kommen jetzt zu Frage 15 der Kollegin Kotting-Uhl. Inwiefern kann die Bundesregierung die Aussage von Eckbert Duranowitsch bestätigen, seinem Exarbeitgeber und ehemaligen Betreiber des Atommülllagers Asse II - Helmholtz-Zentrum München, vormals GSF - seien im Zusammenhang mit der Arbeit im Atommülllager Asse II mindestens sechs Todesfälle unter den Mitarbeitern bekannt ({0}), und gegebenenfalls welche näheren Informationen liegen der Bundesregierung in diesen Fällen hinsichtlich schwerer Erkrankungen bzw. möglicher Todesursachen vor?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Frau Kollegin Kotting-Uhl, diese Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesregierung und dem Bundesamt für Strahlenschutz sind aus Zeitungsberichten mehrere Erkrankungsfälle ehemaliger Beschäftigter der Schachtanlage Asse bekannt. Diese Erkrankungsfälle hat das BfS zum Anlass genommen, ein „Gesundheitsmonitoring Asse“ zu starten. Mit dem Gesundheitsmonitoring sollen für alle derzeitigen und für alle ehemaligen Beschäftigten der Schachtanlage Asse II Strahlenexpositionsprofile erstellt werden. Diese und umfangreiche Arbeitsanamnesen sind dann die Grundlage für gutachtliche Stellungnahmen zur Verursachungswahrscheinlichkeit berufsbedingter Erkrankungen. Das BfS wird Auskünfte aus dem „Gesundheitsmonitoring Asse“ allen Betroffenen, den Unfallkassen bzw. Berufsgenossenschaften und Ermittlungsbehörden unter Beachtung datenschutzrechtlicher Bestimmungen erteilen. Dem Bundesamt liegen derzeit keine Kenntnisse darüber vor, dass frühere Mängel im Strahlenschutz in der Asse zu Gefährdungen für die Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geführt haben. Eine Gesamterhebung aller Erkrankungsdaten von ehemaligen und derzeitigen Beschäftigten der Asse ist wegen der Zahl der Beschäftigten und der aufgrund der Krebsstatistik in Deutschland in dieser Gruppe zu erwartenden Fallzahlen aus statistisch-epidemiologischen Gründen nicht sinnvoll. Somit entfällt auch eine datenschutzrechtliche Rechtfertigung zur Erhebung entsprechender Gesundheitsdaten. Das „Gesundheitsmonitoring Asse“ ersetzt kein berufsgenossenschaftliches Anerkennungsverfahren auf Berufskrankheit. Dieses wird unabhängig vom „Gesundheitsmonitoring Asse“ auf Antrag von der zuständigen Unfallkasse bzw. der Berufsgenossenschaft geführt. Aber bei Bedarf und auf Antrag werden die Erkenntnisse des BfS in diesen Verfahren natürlich zur Verfügung gestellt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen, Frau Kollegin Kotting-Uhl? - Bitte schön.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin Klug, kann die Bundesregierung mittlerweile Aussagen ehemaliger Mitarbeiter dahin gehend, dass zum Beispiel in der Asse Lauge in Eimern weggetragen wurde oder dass man mit dem Boot zu bestimmten Messstellen über Laugensümpfe fahren musste, entweder bestätigen oder entkräften?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Das sind alles Fragen, die im Zuge der Sichtung von Akten derzeit vom Bundesamt für Strahlenschutz überprüft werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage?

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. Danke schön. - Eine zweite Nachfrage: Hat die Bundesregierung den ehemaligen Asse-Betreiber über die neu erlangten Informationen von ehemaligen Mitarbeitern informiert? Und wenn ja, welche Vorwürfe konnte der ehemalige Betreiber gegebenenfalls entkräften? Welche hat er bestätigt?

Astrid Klug (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003567

Es finden derzeit Untersuchungen statt. Das Bundesamt für Strahlenschutz ist erst seit Anfang Januar Betreiber der Asse. Die Unterlagen und Akten sind erst nach diesem Zeitpunkt dem Bundesamt für Strahlenschutz übergeben worden. Es werden derzeit Akten gesichtet und überprüft. Ihre Frage nach konkreten Mitarbeitern kann ich Ihnen nicht beantworten. Allerdings werden Befragungen von ehemaligen Mitarbeitern durchgeführt, um bestimmte Sachverhalte noch genauer aufzuklären. Diese Arbeiten werden derzeit vom BfS durchgeführt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung steht zur Verfügung Herr Staatsminister Dr. Gernot Erler. Die Fragen 16 und 17 sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen somit zu Frage 18 des Kollegen Wolfgang Gehrcke, der anwesend ist: Welche Haltung nimmt die Bundesregierung zur Forderung des US-Präsidenten Barack Obama, die Anzahl der in Afghanistan stationierten Soldaten bedeutend zu erhöhen, ein? Bitte schön, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Gehrcke, meine Antwort lautet wie folgt: Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama hat bislang keine konkreten Forderungen an die Bundesregierung gerichtet, die Anzahl der in Afghanistan stationierten Soldaten zu erhöhen. In der NATO wird derzeit über einen Truppenaufwuchs zur Absicherung der diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Afghanistan diskutiert. Die Bundesregierung hat frühzeitig gemeinsam mit den Partnern in der Nordregion Afghanistans die Anforderungen geprüft und entsprechende Planungen in die Wege geleitet.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfragen? - Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, wir hatten heute schon im Ausschuss die Gelegenheit, über diese Fragen zu reden. Ich möchte nachfragen: Der kommende NATO-Gipfel hat nicht nur eine Riesenbedeutung, weil einer 60-jährigen Geschichte gedacht werden soll. Ich finde, 60 Jahre sind zu viel; aber das ist meine Auffassung. Ist die Bundesregierung bereit, in einer Regierungserklärung vorzustellen, welche politischen und strategischen Fragen sie selbst auf dem NATO-Gipfel einbringen will?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, diese Frage führt jetzt ziemlich weit von Afghanistan weg. Ich möchte Ihnen aber sagen, dass wir uns natürlich sehr konkret auf diesen NATO-Gipfel vorbereiten, nicht nur deshalb, weil er teilweise in Deutschland stattfindet, sondern auch, weil wir die Aufgabe, nach 60 Jahren ein neues strategisches Konzept für die NATO zu entwickeln, angesichts der aktuellen Herausforderungen, die es gibt, sehr ernst nehmen. Sie können sicher sein, dass wir auch unsere inhaltlichen Beiträge für die Formulierung dieses Mandates rechtzeitig erarbeiten werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage? - Bitte.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatsminister, so weit ist das gar nicht von Afghanistan weg; denn im Zentrum des NATO-Gipfels werden das neue strategische Konzept und Afghanistan stehen. Deswegen, so finde ich, muss man dezidiert nachfragen, damit die Bundesregierung ihre Position hier im Parlament, das ein Mitspracherecht hat, öffentlich macht. Ich frage Sie also noch einmal: Gibt es derzeit in der Bundesregierung eigene Überlegungen, solche Fragen wie die Beendigung der Stationierung der amerikanischen Atomwaffen in Deutschland, wie die Erstschlagsdoktrin oder wie die Aufhebung des Bündnisfalles zur Debatte zu stellen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, noch einmal: Natürlich wird auch Afghanistan auf der Tagesordnung des NATO-Gipfels stehen. Aber Sie haben eben selber deutlich gemacht, dass es sich bei dem strategischen Konzept um eine sehr viel breitere Anlage handelt. Ich kann nur sagen: Sie sind der Souverän, Sie sind Abgeordneter, und Sie können natürlich jederzeit Fragen an die Bundesregierung richten, zum Beispiel nach dem Konzept, was Sie aber in dieser Fragestunde nicht gemacht haben. Sie können die Bundesregierung auffordern, hier im Hohen Haus ihre Position darzulegen. Ich bin ganz sicher, dass die Bundesregierung dieser Aufforderung auch nachkommen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön, Herr Staatsminister. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Peter Altmaier zur Verfügung. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Gehrcke auf: Ist die Bundesregierung bereit, sich für das Recht von Demonstrantinnen und Demonstranten, ihren Protest gegen die Politik der NATO zeit- und ortsnah während der Gipfelveranstaltungen in Baden-Baden und Straßburg zum Ausdruck zu bringen, einzusetzen?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Gehrcke, wie Sie sich denken können, geht die Bundesregierung selbstverständlich davon aus, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre verfassungsrechtlich verbürgten Versammlungs- und Demonstrationsrechte wahrnehmen können. Ich muss allerdings erläuternd das Folgende hinzufügen: Wie Sie als Mitglied des Hohen Hauses vermutlich selbst wissen, ist mit der Föderalismusreform vom 28. August 2006 die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht auf die Länder übergegangen. Das heißt, dass die Länder nunmehr sowohl für die Gesetzgebung als auch für den Gesetzesvollzug zuständig sind. Es ist somit Aufgabe der Länder, die Voraussetzungen für eine wirksame Verwirklichung der Versammlungsund Demonstrationsfreiheit zu schaffen. Die Entscheidung, in welcher Weise und mit welchen Prioritäten diese Verfassungspostulate bei den Demonstrationen im Bundesland Baden-Württemberg zu erfüllen sind, obliegt somit logischerweise den zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg. Ich gehe davon aus, dass dort wie auch in allen anderen Bundesländern in Übereinstimmung mit den grundgesetzlichen Vorgaben und Verbürgungen verfahren wird. Soweit Sie sich auf die Versammlungen in Straßburg bezogen haben, ist zu sagen, dass diese natürlich nicht in den Schutzbereich des deutschen Versammlungsrechts fallen; vielmehr ist über die Zulässigkeit von Demonstrationen nach französischem Recht von den französischen Behörden zu entscheiden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage des Kollegen Gehrcke. ({0})

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Meinen Sie mich? Ich, ja. Ich weiß nicht, ob der Herr Staatssekretär auch demonstriert; aber das ist nicht die Fragestellung. Ich habe einen anderen Ausgangspunkt. Die rechtliche Lage ist klar. Die Bundesregierung müsste doch ein großes Interesse daran haben, mit diesem NATO-Gipfel - auch in Kooperation mit Frankreich - zu signalisieren, dass man offen ist und dass man möchte, dass alle Menschen, die es wollen, sich friedlich, das heißt gewaltfrei, versammeln können, und das nicht außerhalb der Städte, sondern vor Ort. Eine Erklärung der Bundesregierung, dass sie nicht nur das Recht der NATO, sich zu versammeln, achtet, sondern auch das Recht der Demonstranten, gegen die NATO zu demonstrieren, würde ihre Wirksamkeit nicht verfehlen. Ich frage Sie, ob Sie bereit sind, eine solche Erklärung in der Öffentlichkeit abzugeben.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Wenn Sie eine solche Frage stellen, Herr Kollege Gehrcke, dann müssen Sie eigentlich Anhaltspunkte dafür haben, dass die Wahrnehmung des Versammlungsund Demonstrationsrechtes nicht gewährleistet ist. Die Bundesregierung hat großes Vertrauen in die zuständigen Behörden des Landes Baden-Württemberg, die eine jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit diesen wichtigen Grundrechten haben. Deshalb haben wir weder Weisungen noch Empfehlungen noch Erklärungen abzugeben; vielmehr gehen wir selbstverständlich davon aus - ich wiederhole es -, dass das Versammlungs- und Demonstrationsrecht der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage. Bitte, Herr Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Genau diese Kenntnis und diese Sorgen bringen mich dazu, diese Fragen zu stellen. Ich habe gehört, dass in Baden-Baden „Rote Zonen“ eingerichtet werden, also Zonen, die demonstrationsfrei bleiben sollen, dass die Brücke von Kehl nach Straßburg gesperrt und dass in Straßburg jeglicher Personennahverkehr für drei Tage eingestellt werden soll. Es wird ein sehr schwieriges Klima geschaffen. Deswegen lege ich Wert darauf, dass Sie mit einer solchen Erklärung die Situation entspannen und dass Sie nicht zur Eskalation, zu gegenseitigen Aggressionen beitragen.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Kollege Gehrcke, nach den Informationen, die der Bundesregierung vorliegen, ist in den derzeitigen Planungen sehr sorgfältig abgewogen zwischen dem Demonstrationsrecht und der Notwendigkeit beispielsweise die Brücke, die Sie angesprochen haben, für einen bestimmten, zeitlich sehr eng begrenzten Zeitraum zu sperren, wenn dort eine Veranstaltung stattfindet; ich komme darauf bei der Beantwortung der Frage Ihrer Kollegin Höger zurück. Eine solche Sperrung ist im Übrigen auch bei früheren Anlässen geschehen, und sie geschieht laufend. Ich kann darin keine Einschränkung des Demonstrations- und Versammlungsrechts erkennen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage stellt die Kollegin Dağdelen von der Fraktion Die Linke.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Lieber Herr Altmaier, die Europäische Union und auch die Bundesregierung betonen immer wieder den Wert der Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Wie hält es die Bundesregierung damit, dass das Schengener Abkommen in diesem Fall ausgesetzt werden soll, dass die Grenze zwischen Kehl und Straßburg sozusagen geschlossen werden soll? Ist das das Bild der Freizügigkeit, das die Bundesregierung, Frankreich und damit auch die Europäische Union uns, den Bürgerinnen und Bürgern, vermitteln möchte?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Dağdelen, Sie haben völlig Recht, dass es durch das Schengener Abkommen sowie durch den Einsatz dieser Bundesregierung und ihrer Vorgängerregierungen gelungen ist, die Bewegungsfreiheit von Millionen von europäischen Bürgerinnen und Bürgern ganz erheblich auszuweiten. Die letzte Erweiterung liegt gerade einmal etwas länger als ein Jahr zurück; damals wurden die Kontrollen an den Grenzen zu den neuen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Wesentlichen aufgehoben, mit Ausnahme von Bulgarien, Rumänien und Zypern. Dies alles ist ein großer Erfolg für die Bewegungsfreiheit in Europa. Da Sie im Innenausschuss häufiger Gelegenheit haben, darüber zu diskutieren, wissen Sie allerdings genauso gut wie ich, dass im Schengener Abkommen die Möglichkeit vorgesehen ist, eine zeitlich befristete Wiedereinführung von Grenzkontrollen vorzunehmen. Davon wird in einem sparsamen Umfang, aber durchaus hin und wieder Gebrauch gemacht. Eine solche Situation hatten wir beispielsweise bei der Fußballweltmeisterschaft. Eine solche Situation hatten wir auch bei dem G-8-Gipfel in Heiligendamm. Das hat mit dazu beigetragen, den gewaltfreien Ablauf von Demonstrationen und Kundgebungen wesentlich zu befördern. Inwieweit in dem in Rede stehenden Fall von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, muss nach der Lage vor Ort entschieden werden. Es ist aber keinesfalls außergewöhnlich, und es wäre auch nicht das erste Mal.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank. - Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Inge Höger auf: Ist die Bundesregierung bereit, sich dafür einzusetzen, dass die Europabrücke - E 52/B 28 - zwischen Kehl und Straßburg am Samstag, dem 4. April 2009, nicht geschlossen wird, um damit sicherzustellen, dass das Recht von aus Deutschland anreisenden Demonstrantinnen und Demonstranten, sich an der internationalen Großdemonstration gegen den NATO-Gipfel in Straßburg zu beteiligen, nicht eingeschränkt wird?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Das ist eine Frage, die sich nahtlos in diesen Kontext einfügt. Deshalb muss ich auch Ihnen sagen, dass die Streckenführung für angemeldete Demonstrationszüge und gegebenenfalls der Erlass behördlicher Auflagen dazu grundsätzlich dem einsatzführenden Land - damit dem Land Baden-Württemberg - obliegen. Sofern länderübergreifende Demonstrationszüge stattfinden werden, also mit Überschreiten der Grenze von Deutschland nach Straßburg, ist zusätzlich eine Abstimmung mit der französischen Präfektur angezeigt. Dem Bundesministerium des Innern liegen nach dem derzeitigen Sachstand keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Europabrücke aus einsatztaktischen Gründen grundsätzlich geschlossen werden soll. Eine Ausnahme bildet lediglich die temporär eng begrenzte Sperrung am Morgen des 4. April 2009 aus Sicherheitsgründen. Lassen Sie mich dazu das Folgende noch sagen: Während des Programmhöhepunktes - das ist das Überschreiten der gegenüber der Europabrücke liegenden Passerelle des deux Rives über den Rhein - haben die gastgebenden Länder Deutschland und Frankreich die Sicherheit der internationalen Staatsgäste aus über 30 Delegationen zu gewährleisten. Dazu ist unter anderem für einen eingeschränkten Zeitraum der Zugang zu der Europabrücke zu kontrollieren. Nach diesem Veranstaltungspunkt, der nach den derzeitigen Planungen etwa in der Zeit von 9 Uhr bis 10.30 Uhr stattfinden wird, werden Demonstrationszüge die Europabrücke voraussichtlich überschreiten können, wenn auch aus den obengenannten Gründen eben zeitversetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, ich habe eine Nachfrage. - Am 4. April soll auch ein Sonderzug aus Nordrhein-Westfalen nach Kehl fahren; die Menschen wollen sich dem Demonstrationszug über die Europabrücke anschließen. Denen, die den Zug anmieten wollen, ist von der Bahn gesagt worden, dass dieser Sonderzug schon vor Kehl, nämlich in Appenweier - das ist 16 Kilometer von Kehl entfernt -, gestoppt werden soll und nicht weiterfahren darf. Wissen Sie etwas davon, und werden Sie sich im Sinne des Demonstrationsrechts dafür einsetzen, dass dieser Zug bis nach Kehl fahren darf?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Diese Information ist mir zugegebenermaßen neu. Ich werde mich aber gern sachkundig machen und Ihnen gegebenenfalls berichten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage, Frau Höger?

Inge Höger-Neuling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003773, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Nein. - Ich danke Ihnen und hoffe, noch einmal davon zu hören.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön. - Haben Sie eine Nachfrage dazu? Bitte, Herr Ströbele. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Ich frage nicht danach, ob ich mein Fahrrad mitnehmen darf, sondern ich frage Sie: Wer ist nach Ihrer Auffassung für diese Brücke zuständig, Deutschland oder Frankreich?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Das hängt vom genauen Verlauf der Grenze in diesem Bereich ab. ({0}) Herr Kollege Ströbele, da wir in diesem Abschnitt über mehrere Hundert Kilometer Grenze verfügen, werden Sie es mir nachsehen, dass ich Ihnen nicht für jede einzelne Brücke sagen kann, ob die Grenze vor Beginn der Brücke, am Ende der Brücke oder in der Mitte der Brücke verläuft. Ich bin aber überzeugt, dass die örtlichen Behörden, sowohl die in Straßburg wie auch die in Kehl, dies sehr genau wissen. Im Übrigen entspricht es meiner Wahrnehmung, dass wir in den letzten Jahren eine Kultur der Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden über die Grenzen hinweg entwickelt haben, die in vielen Fällen auch über das hinausgeht, was offiziell gefordert wird, und in deren Rahmen man sich einfach abspricht und gegenseitig informiert. Ich habe großes Vertrauen darin, dass dies gerade auch in Kehl und in Straßburg funktionieren wird, weil dieser Bereich seit vielen Jahren ein symbolischer Ort für die deutsch-französische Freundschaft und die europäische Integration ist. ({1}) - Gern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 21 des Kollegen Sarrazin: Welche Verhandlungsposition vertritt die Bundesregierung in den derzeit auf europäischer Ebene laufenden Verhandlungen zu den praktischen Leitlinien für FRONTEX-Einsätze bzw. zum Schengener Grenzkodex generell und insbesondere im Hinblick auf die Geltung des Refoulement-Verbotes aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention auf hoher See?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Zu Ihrer Frage, Herr Kollege Sarrazin, kann ich Ihnen sagen, dass die Bundesregierung ausdrücklich das Anliegen der Kommission unterstützt, anerkannte Standards des Völker- und Europarechts in die Leitlinien einzubeziehen und damit zu mehr Klarheit und Vorhersehbarkeit bei gemeinsamen Einsatzmaßnahmen der Mitgliedstaaten unter der Ägide von FRONTEX zu kommen. Die beabsichtigten Regelungen müssen in Übereinstimmung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention stehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage? - Bitte.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, im Anschluss an Ihre Ausführungen möchte ich fragen, wie die Bundesregierung derzeit die Aussicht auf Erfolg des Komitologieverfahrens einschätzt. Das ist ja Voraussetzung, damit wir zu solchen einheitlichen Rechtsgrundlagen kommen.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Sie wissen, dass dieses Verfahren relativ neu ist. Die Kommission hat sich im Mai des Jahres 2007 erstmals zur Überwachung der Seegrenzen geäußert. Damals hat sie die Festlegung unverbindlicher Leitlinien vorgeschlagen. Sie hat dann, nachdem es mehrere Expertentreffen gegeben hat, ihre Auffassung geändert und beabsichtigt jetzt, bindende Regelungen zur Überwachung der Seegrenzen in dem von Ihnen genannten Komitologieverfahren festzulegen. Dazu gab es am 23. und 24. Februar eine konstituierende Ausschusssitzung. Bei dieser Ausschusssitzung hat sich eine Reihe von Mitgliedstaaten - es waren nach meiner Kenntnis insgesamt fünf gegen eine verbindliche Regelung ausgesprochen. Deutschland hat die Kommission unterstützt, wie ich es Ihnen eben auch schon mitgeteilt hatte. Es wird nun darauf ankommen, in den nächsten Wochen und möglicherweise Monaten die Bedenken dieser fünf Länder zu überwinden. Deutschland hat vor, sich aktiv an der Debatte zu beteiligen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage? - Bitte.

Manuel Sarrazin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003889, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ist es so, dass das Refoulement-Verbot aus Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Genfer Flüchtlingskonvention auf hoher See einer der Knackpunkte dieser Verhandlungen ist? Wie steht die Bundesregierung in den Verhandlungen einerseits zu dieser Regelung? Wie gedenkt die Bundesregierung andererseits im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen, das gemeinsame Ziel, nämlich europäische Rechtsgrundlagen, die für alle gelten, trotzdem zu erreichen?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass wir möchten, dass unter anderem die Genfer Konvention in die verbindlichen Leitlinien aufgenommen wird. Alles andere würde keinen Sinn machen. Das bedeutet natürlich, dass man auch das Refoulement-Verbot aufnimmt und dort verankern muss. Davon unabhängig ist allerdings die Frage, die unter Völkerrechtsexperten sehr umstritten ist, nämlich inwieweit dieses Verbot auch eine exterritoriale Wirkung entfaltet. Über diese Frage wird man möglicherweise auch im Rahmen des Komitologieverfahrens diskutieren. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, wie die Lösung aussehen wird. Die Bundesregierung hat dazu allerdings immer eine klare Auffassung vertreten. Diese hat sie auch im Europaausschuss und im Innenausschuss des Deutschen Bundestages dargelegt, auch wenn sie Ihnen im Ergebnis wahrscheinlich nicht allzu viel Freude gemacht hat. Wir werden diese Diskussionen mit allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union führen. Ich hoffe, dass man zu einer entsprechenden Lösung kommt. Ich will der Klarheit halber noch einmal sagen: FRONTEX-Operationen sind, wenn es denn zu diesen kommt, Operationen von nationalen Schiffen, nationalen Hubschraubern usw. unter der Ägide von FRONTEX. Jedes Land, das sich an diesen Einsätzen beteiligt, also auch die Bundesrepublik Deutschland - sie hat ja beispielsweise einen Hubschrauber nach Malta geschickt -, muss dann in seinem Verantwortungsbereich völlig unabhängig von dem Zustandekommen einer verbindlichen europäischen Leitlinie Sorge dafür tragen, dass die internationalen Übereinkommen, die es gezeichnet hat, voll und ganz eingehalten werden. Dies kann ich für die Bundesregierung und für die Bundesrepublik Deutschland für die Vergangenheit und auch für die Zukunft zusagen. Das stand nie außer Zweifel. Im Übrigen sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union Signatarstaaten. Wir haben dem Vorschlag der Kommission, dies nun noch einmal in verbindlichen Leitlinien zu regeln, unter anderem auch deshalb zugestimmt, weil wir glauben, dass man damit einen Beitrag zu mehr Rechtsklarheit schaffen kann. Aber die Verpflichtungen bestehen schon heute und sind schon heute einzuhalten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt habe ich noch eine Frage der Kollegin Dağdelen.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Lieber Herr Altmaier, Sie haben gerade von den Expertensitzungen gesprochen, die es zu dem Entwurf der Leitlinien gegeben hat, insbesondere hinsichtlich der Frage der exterritorialen Wirkung des Refoulement-Ver22384 bots der Genfer Flüchtlingskonvention. Weil in der Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage einer Kollegin von mir im Monat Februar - 2/48 - die Ergebnisse der Expertensitzungen aber nicht benannt werden, möchte ich gerne wissen: Was waren denn die Ergebnisse der Expertensitzungen?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Ich habe auf die Frage des Kollegen Sarrazin eben schon ausgeführt, dass wir in den Expertensitzungen am 23. und 24. Februar zunächst einmal darüber diskutiert haben, ob es gegebenenfalls eine verbindliche Regelung geben soll oder nicht. Wenn ja, soll sie im Schengener Grenzkodex verankert werden. Die Meinungen der Mitgliedstaaten sind bislang noch nicht auf einer Linie; fünf Mitgliedstaaten haben sich dagegen ausgesprochen. Diese Diskussion wird man erst einmal fortführen müssen, um zu einer möglichst breiten Übereinstimmung zu gelangen, zumal es ganz wichtig ist, dass in den notwendigen Konsens vor allen Dingen diejenigen Staaten eingebunden werden, die als Mittelmeeranrainer von den Flüchtlingsströmen besonders betroffen sind und sich an den FRONTEX-Operationen beteiligen. Nur dann macht eine solche gemeinsame Festlegung Sinn.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir sind zwar fast am Ende der Zeit für die Fragestunde, ich lasse aber noch die nächsten zwei Fragen zu. Ich rufe die Frage 22 der Kollegin Silke Stokar von Neuforn auf: Welches Einsatzkonzept liegt bislang für die Auslandseinsatzhundertschaft der Bundespolizei in Sankt Augustin vor? Bitte, Herr Staatssekretär.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin, es liegt noch kein Einsatzkonzept vor. Dieses wird derzeit zwischen dem Bundesinnenministerium und dem Bundespolizeipräsidium abgestimmt. Zurzeit sind noch keine konkreten Einsätze festgelegt. Sie wissen ja, dass die Aufstellung dieser Einsatzhundertschaften Teil der Reform der Bundespolizei ist und dass wir diese Reform mit der notwendigen sozialen Rücksichtnahme schrittweise umgesetzt haben. Wir befinden uns immer noch in diesem Umsetzungsprozess.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage? - Bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatssekretär, im Intranet der Polizei gibt es bereits die Aufforderung an die Bundespolizei, sich auf eine Auslandseinsatzhundertschaft zu bewerben, für die es nach Ihren bisherigen Ausführungen kein Konzept gibt. Stimmt meine Information, dass bei der Vorgabe der Konzepterstellung ausdrücklich gefordert wird, dass diese Auslandseinsatzhundertschaft auch im Rahmen sogenannter robuster Mandate einsatzbereit sein und dann auch Teil eines europäischen Gendarmerieverbundes werden soll?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Einen europäischen Gendarmerieverbund gibt es derzeit nicht. Es gibt eine Reihe von Staaten, die sich als Einzelstaaten zur sogenannten EGF, European Gendarmerie Force, zusammengeschlossen haben. ({0}) An diesem Zusammenschluss ist Deutschland, wie Sie wissen, nicht beteiligt. Das möchte ich der Klarstellung halber sagen. In dem Statut dieser EGF ist festgelegt, dass zur Teilnahme gehört, dass die entsprechenden Verbände über einen militärischen Status verfügen. Auch wenn die Einsatzkonzeption noch nicht endgültig abgestimmt ist, kann ich Ihnen aber an dieser Stelle schon sicher sagen, dass der Einsatz der Auslandseinsatzhundertschaft nicht unter militärischem Kommando erfolgen wird. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Es wird dabei bleiben - das sage ich vorausschauend -, dass die Teilnahme dem Grundsatz der Freiwilligkeit unterliegen wird. Wir planen nach wie vor, diese Kräfte in einem sicheren Umfeld einzusetzen. Das heißt, es geht bei diesen Einsätzen insbesondere um Beratung, Anleitung, Unterstützung, Trainingsunterstützung und natürlich um die Wahrnehmung exekutiver Aufgaben gemäß den internationalen Mandaten. Das bedeutet, dass sich die Einsätze im Wesentlichen im bisherigen Rahmen bewegen werden. Schon in der Vergangenheit war es im Einzelfall möglich, die von Ihnen angesprochenen Aufgaben zu übernehmen. Dies geschah allerdings nicht im Rahmen eines militärischen Statutes.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dass es nicht im Rahmen eines militärischen Statutes möglich ist, ist eine Selbstverständlichkeit. Denn ich gehe nicht davon aus, dass Sie verfassungswidrige Einsatzkonzepte erstellen. Sie haben meine Frage nach dem robusten Mandat nicht direkt beantwortet. Neben dem Prinzip der Freiwilligkeit muss auch die Mandatierung beachtet werden. Geben die Beamten, die sich heute für einen Einsatz in der Auslandseinsatzhundertschaft bewerben, eine Blankozustimmung zu allen möglichen Einsätzen, oder können sie auf der Grundlage von Einsatzmandat und von Einsatzgebiet selber neu über ihre Teilnahme an dem Einsatz entscheiden? Sevim DaðdelenSevim Dağdelen

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Es ist immer die Frage, was man unter einem robusten Mandat versteht. Wenn Sie darunter Einsätze in einem unsicheren Umfeld verstehen, dann sage ich Ihnen klar und deutlich: Solche Einsätze sind nicht vorgesehen. Wenn Sie darunter verstehen, dass überhaupt keine exekutiven Aufgaben wahrgenommen werden können, dann sage ich Ihnen genauso deutlich: Auch das ist nicht der Fall. Im Rahmen internationaler Mandate wird auch die Übernahme exekutiver Aufgaben zulässig sein, wie dies auch schon in der Vergangenheit geschehen ist. Der Grundsatz der Freiwilligkeit - das habe ich vorhin schon gesagt - bleibt weiterhin bestehen. Natürlich muss man erwarten, dass jemand, der sich freiwillig für die Teilnahme an einem bestimmten Einsatz meldet, daran auch teilnimmt. In der Vergangenheit hat es diesbezüglich nie Probleme gegeben. Auftretende Schwierigkeiten konnten zwischen den Vorgesetzten und den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gelöst werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, mir ist die Organisationsform dieser Auslandseinsatzhundertschaft nicht ganz klar geworden, obwohl Sie und der Bundesinnenminister sich in den Jahren 2007 und 2008 sehr viel Mühe gegeben haben, meiner Kollegin Stokar von Neuforn, den anderen Innenpolitikern und auch mir zu erklären, dass der im Organisationskonzept Bundespolizei vorgesehene Auslandspool nur eine technische Zusammenfassung ist und nicht etwa eine zusammengestellte Truppe von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten bedeutet, die in einen Auslandseinsatz geschickt werden. Aus Ihren Ausführungen ist mir noch nicht klar geworden, wie dieser Charakter und wie vor allen Dingen die Grundsätze der Freiwilligkeit bezogen auf den einzelnen Einsatz und nicht pauschal auf den Auslandseinsatz, der von Ihnen bestimmt wird, und bezogen auf die Rückkehr an den entsprechenden Dienstort - also entweder bei der Bundespolizei oder bei den Polizeien der Länder - gewahrt werden. Sie haben viel Mühe darauf verwendet, uns gegenüber zu betonen, dass es nicht eine geschlossene Einheit gibt, die für Auslandseinsätze vorgesehen ist.

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Das macht auch deshalb keinen Sinn, weil sich die betroffenen Beamtinnen und Beamten nicht permanent im Auslandseinsatz befinden werden. Es wird vielmehr punktuell Auslandseinsätze geben. Sie werden immer wieder von diesen Auslandseinsätzen zurückkehren und dann im Inland ihren Dienst tun. Das haben wir bei der Aufstellung dieser Hundertschaften berücksichtigt. Sie sollen nämlich am Standort Sankt Augustin aufgestellt werden. Dies ist deshalb wichtig, weil wir dort einen bedeutenden Bundespolizeistandort haben und es im Bereich Sankt Augustin ein ausgesprochen breites Spektrum an Anschlussverwendungsmöglichkeiten für die betroffenen Bundespolizistinnen und Bundespolizisten gibt, sodass sie dann ihrer ganz normalen Inlandsverwendung nachgehen können. Worin liegen der Vorteil und der Fortschritt im Vergleich zur bisherigen Situation, den wir mit der Aufstellung der Auslandshundertschaften erstreben wollen? Das ist ganz einfach: Wir haben damit einen Pool von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, die wir in der Zeit zwischen Auslandseinsätzen ganz gezielt auf diese Auslandseinsätze vorbereiten können. Das betrifft die Sprachschulung. Das betrifft den Umgang mit Auslandseinsätzen im Hinblick auf Beratungs- und Schulungstätigkeiten, die ausgeübt werden. Wir haben damit eine wesentlich zielgenauere Vorbereitung, als dies bei dem bisherigen Verfahren der Fall ist und möglich ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann kommen wir zur Frage 23 der Kollegin Stokar von Neuforn: In welchen konkreten Krisengebieten sollen die Bundespolizisten eingesetzt werden, die sich auf die Ausschreibung für die Auslandseinsatzhundertschaft in Sankt Augustin bewerben?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung: Ich hatte das schon mit beantwortet. - Es sind zurzeit keine konkreten Einsätze vorgesehen. Sobald sich dies ändert, werden wir Sie selbstverständlich darüber informieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Frau Kollegin Stokar von Neuforn hätte die Gelegenheit, noch zwei Nachfragen zu stellen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident, danke. Ich möchte diese zwei Nachfragen auch stellen. Afghanistan gilt für die Bundespolizei und die Polizeien der Länder als sicheres Einsatzgebiet. Bisher ist die Polizei dort nicht bewaffnet operativ eingesetzt. Meine Frage zielt auf das robuste Mandat. Wird diese Auslandseinsatzhundertschaft darauf vorbereitet, dass sie in sicheren Einsatzgebieten wie Afghanistan bewaffnet eingesetzt wird, das heißt, Teile der polizeilichen Aufgaben in Afghanistan wahrnehmen soll, die ja andere sind als hier in Deutschland?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Frau Kollegin Stokar, ich habe vorhin gesagt, dass die neuen Auslandseinsatzhundertschaften im Rahmen internationaler Mandate selbstverständlich auch exekutive Aufgaben übernehmen können. Das bedeutet aber nicht, dass solches im Hinblick auf Afghanistan vorgesehen ist. In Afghanistan sind wir in zweifacher Hinsicht enga22386 giert. Zum einen nimmt Deutschland an der europäischen Polizeimission EUPOL mit einer Reihe von Polizistinnen und Polizisten des Bundes und der Länder teil. Zum anderen führen wir in Afghanistan derzeit ein bilaterales deutsches Polizeiausbildungsprojekt durch, bei dem wir ebenfalls in erheblicher Weise personell engagiert sind. In beiden Fällen ist ein robustes Mandat nicht vorgesehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage, bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Diese Auslandseinsatzhundertschaft, die es noch nicht gibt und an deren Einsatzkonzept Sie arbeiten, ist ja ein Projekt des BMI, das in die Zukunft gerichtet ist. Es gibt wohl vom Auswärtigen Amt die Zusage an Amerika, dass Deutschland seine Polizeiaufbauarbeit in Afghanistan intensivieren wird. Deswegen meine konkrete Nachfrage: Müssen die Polizeibeamten, die sich heute freiwillig melden, ohne dass ein Einsatzkonzept oder ein Einsatzgebiet definiert ist, damit rechnen, dass sie in Afghanistan unter anderen Einsatzbedingungen als heute eingesetzt werden?

Peter Altmaier (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002617

Wenn sich jemand für eine Auslandseinsatzhundertschaft meldet, dann müssen wir zunächst einmal davon ausgehen, dass er sich bewusst ist, dass der konkrete Einsatz dieser Hundertschaft nicht für alle Zeiten im Voraus zu bestimmen ist, sondern sich nach ganz konkreten Mandaten im Rahmen der Europäischen Union, der Vereinten Nationen oder anderer internationaler Organisationen richten wird. Dies bedeutet aber nicht, dass keine Lösungen gefunden werden, wenn sich im Einzelfall Schwierigkeiten ergeben und der betreffende Soldat aus dieser Auslandseinsatzhundertschaft ausscheiden möchte. ({0}) - Ach so, Entschuldigung. Ich meinte, der einzelne Polizist oder die einzelne Polizistin.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Wir haben jetzt die Fragestunde um annähernd zehn Minuten überzogen. ({0}) Deswegen bitte ich die Kollegin Petra Pau um Verständnis dafür, dass wir ihre beiden Fragen nicht mehr aufrufen können. Die Fragestunde ist damit beendet. Die noch offenen Fragen werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, den 5. März 2009, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.