Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/4/2008

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle herzlich! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Als Thema der heutigen Kabinettssitzung hat die Bundesregierung mitgeteilt: Gesetzentwurf zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Kabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt beschlossen. Wir setzen damit als Gesetzentwurf um, was wir als Verfassungsgesetzgeber in der Föderalismusreform I im Jahre 2006 in das Grundgesetz eingefügt haben. Abweichend von der bisherigen Ordnung unseres föderalen Sicherheitssystems, in dem die Polizeien der Länder ausschließlich für die präventive polizeiliche Gefahrenabwehr zuständig sind - eine kleine Ausnahme ist die Bundespolizei mit ihrem engen Bereich der Grenzkontrolle und der bahnpolizeilichen Aufgaben -, soll in Zukunft auch das Bundeskriminalamt eine Gefahrenabwehrbefugnis zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus bekommen. Das war die Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers angesichts der schwerwiegenden Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus. Diese Entscheidung setzen wir mit diesem Gesetzentwurf um. Wir haben bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfes natürlich die Landespolizeigesetze, in denen bisher die Aufgabe polizeilicher Gefahrenabwehr ausschließlich geregelt wurden, zum Vorbild genommen und haben das, was sich in den Gesetzen aller Bundesländer an gesetzlichen Instrumenten zur polizeilichen Gefahrenabwehr bewährt hat, in diesen Gesetzentwurf eingefügt. Wir haben dabei neuere technische Entwicklungen und Entwicklungen in der Verfassungsdebatte berücksichtigt. Aber wir haben das Rad nicht neu erfunden. Manche haben in der öffentlichen Debatte um den Gesetzentwurf nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Bund bisher keine polizeiliche Gefahrenabwehrbefugnis hatte. Deswegen gab es auch keine entsprechenden Verfahren. Ich will daher zu einigen Punkten, die in der Debatte eine Rolle gespielt haben, einige wenige Bemerkungen machen. Wir haben in der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeien bzw. Landeskriminalämtern mit der Formulierung des § 4 a des Gesetzentwurfes sichergestellt, dass den Landeskriminalämtern bzw. Landespolizeien keinerlei Befugnisse genommen werden, sondern dass die Gefahrenabwehrbefugnis des Bundeskriminalamtes additiv hinzukommt, sodass die Zusammenarbeit zwischen Bundeskriminalamt und Landespolizeien - die im Alltag, etwa im GTAZ, reibungslos funktioniert - samt einer ständigen Unterrichtung gewährleistet ist. All die polizeilichen Ermittlungsinstrumente, die die Polizeien zur Gefahrenabwehr brauchen, etwa die Befragung von Personen oder Platzverweise sowie alle anderen Instrumente, die man zur polizeilichen Gefahrenabwehr auch braucht, haben wir in den Gesetzentwurf gemäß den Auflagen unseres Grundgesetzes aufgenommen, wonach Eingriffe in grundgesetzlich geschützte Bereiche nur unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen und durch richterliche Entscheidungen im Einzelfall erlaubt sind. Dieser Grundsatz wurde in diesem Gesetzentwurf umfassend berücksichtigt. Ein Teil der Öffentlichkeit hat in diesem Zusammenhang überhaupt erst zur Kenntnis genommen, dass unser Grundgesetz in Art. 13 die polizeiliche Gefahrenabwehr höher bewertet als die repressive Strafverfolgung und das Bundeskriminalamt bisher nur nach den Regeln der Strafprozessordnung tätig werden konnte. Der Gesetzentwurf sieht dementsprechend vor, dass die Wohnraumüberwachung nach Art. 13 des Grundgesetzes zur GefahrenabRedetext wehr eingesetzt werden kann. In den Landespolizeigesetzen ist das bereits entsprechend geregelt. Infolgedessen haben wir diese Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen. Das entspricht der Erfahrung, die wir mit den Landespolizeigesetzen gemacht haben. Das ist nichts Überraschendes, sondern entspricht Art. 13 des Grundgesetzes. Überraschend war nur, dass man in der öffentlichen Debatte feststellen konnte, dass manch einer, der sich in der Debatte zu Wort gemeldet hat, diesen Artikel nicht kannte. Wir haben klargestellt, dass die TKÜ - das betrifft etwa die neue Kommunikationstechnologie Voice over IP - den Regeln der Telekommunikation und der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Das ist kein neues Ermittlungsinstrument, sondern eine Klarstellung. Wir schaffen erstmals eine gesetzliche Grundlage für Onlinedurchsuchungen. Dafür werden enge Voraussetzungen gelten. Diese Regelung ist notwendig geworden, weil die von der früheren Bundesregierung eingeführte Praxis einer analogen Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen vom Bundesgerichtshof als nicht zureichend erklärt worden ist. Deswegen müssen wir eine eigene gesetzliche Grundlage dafür schaffen. Das ist unter engen Voraussetzungen möglich. Wir schützen den Kernbereich der privaten Lebensgestaltung, wie es der Verfassung entspricht. Bei der akustischen Überwachung, bei der Telekommunikationsüberwachung, schützen wir den Kernbereich folgendermaßen: Das Band darf weiterlaufen, wenn der Kernbereich berührt sein könnte. Der anordnende Richter muss entscheiden, ob der Kernbereich berührt ist. Bejaht er dies, muss das Material unter Protokollierung vernichtet werden. Bei der Onlinedurchsuchung haben wir dasselbe System. Die Onlinedurchsuchung muss durch den Präsidenten des Bundeskriminalamtes oder seinen Stellvertreter beantragt werden, das zuständige Amtsgericht entscheidet. Wenn die Maßnahme angeordnet ist, wird das aufgekommene Material durch zwei beamtete Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes, von denen mindestens einer die Befähigung zum Richteramt haben muss, gesichtet. Wenn bei der ersten Sichtung der Eindruck entsteht, dass kernbereichrelevantes Material enthalten sein könnte, muss das Material dem anordnenden Gericht genau wie bei der Telekommunikationsüberwachung vorgelegt werden. Das entspricht unserem Grundgesetz. Diese Regelung ist deswegen ohne jeden Zweifel verfassungsrechtlich richtig und sachlich notwendig. Eine letzte Bemerkung: Zur polizeilichen Gefahrenabwehr brauchen wir natürlich - wie immer - auch eine Eilbefugnis. Deshalb kann bei Gefahr in Verzug der Präsident des Bundeskriminalamts die Maßnahme anordnen. Er muss unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeiführen. Erhält er nicht innerhalb von drei Tagen eine richterliche Genehmigung, muss die Maßnahme beendet werden. Auch das entspricht den Regelungen zur polizeilichen Gefahrenabwehr in allen Landesgesetzen. Dieser Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein unserer Sicherheitsarchitektur. Er versetzt unsere Sicherheitsbehörden insgesamt verstärkt in die Lage, die Einhaltung von Verfassung und Gesetz in diesem Land zu gewährleisten. Gesetze allein reichen nicht. Sie müssen auch eingehalten werden. Der Staat muss garantieren, dass sie eingehalten werden. In anderem Zusammenhang erleben wir, wie notwendig es ist, dass staatliche Organe auf der Grundlage von Verfassung und Gesetz die Einhaltung von Gesetzen garantieren. Herzlichen Dank.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die erste Nachfrage zu diesem Bericht kommt von der Kollegin Piltz.

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Innenminister, Sie wissen, dass das ein Thema ist, mit dem wir uns schon lange inhaltlich auseinandersetzen. Insbesondere Ihre Argumentation zu den Onlinedurchsuchungen finde ich interessant. In der Tat sind Onlinedurchsuchungen unter Rot-Grün veranlasst worden. Aber ich kann mich gut erinnern, dass Sie mir vor anderthalb Jahren gesagt haben, sie bräuchten keine Rechtsgrundlage. Von daher ist jeder Fortschritt zu begrüßen, auch wenn wir diese Maßnahme kritisch sehen. Sie haben hier ausgeführt, dass dieser Entwurf zum BKA-Gesetz einen Fortschritt für die polizeiliche Arbeit bedeutet. Das ist aus Ihrer Sicht sicherlich richtig. Man darf aber nicht verschweigen, dass es Ihnen gelungen ist, alles, was in den 16 Polizeigesetzen vorgesehen ist, in einen Gesetzentwurf zusammenzukehren. Das Fazit lautet: Mehr geht nicht. Denn nicht jedes Polizeigesetz der Länder beinhaltet alle diese Maßnahmen. Sie fassen jetzt alles in diesem Gesetzentwurf zusammen. Wir finden bemerkenswert, wie Sie das gemacht haben. Meine Frage bezieht sich auf die Onlinedurchsuchungen. Wenn Sie eine heimliche Onlinedurchsuchung durchführen lassen, können Sie diese Daten nach § 20 v Ihres Gesetzentwurfes an den Verfassungsschutz weitergeben; das ist da so geregelt. Damit umgehen Sie möglicherweise das Trennungsgebot, das in diesem Land immer noch gilt und aus unserer Sicht auch dringend gelten muss, und zwar so, dass der Verfassungsschutz an Informationen aus einer heimlichen Onlinedurchsuchung kommt, ohne dass er dafür eine eigene Rechtsgrundlage hat. Ich würde Sie gerne fragen, wie Sie das mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen vereinbaren. Denn Sie haben keine Rechtsgrundlage dafür. Der Verfassungsschutz braucht aus meiner Sicht eine Rechtsgrundlage, um Onlinedurchsuchungen durchzuführen oder an Erkenntnisse, die durch Onlinedurchsuchungen gewonnen wurden, zu kommen.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin, wir haben in diesem Gesetzentwurf - wie auch in allen anderen Gesetzen - den InformaBundesminister Dr. Wolfgang Schäuble tionsaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden streng geregelt. Es ist nicht so, dass das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendiensten, das wir ja beachten und berücksichtigen, bedeutet, dass sich die Behörden nicht gegenseitig Informationen zur Verfügung stellen können. Dann bräuchten wir keinen Verfassungsschutz. Wenn der Verfassungsschutz den Polizeien Informationen nicht zur Verfügung stellen dürfte - so lautet Ihre Interpretation des Trennungsgebotes -, dann wäre seine Arbeit umsonst, unnütz und hätte keinen Sinn. Deswegen haben wir beispielsweise das GTAZ, das ich vorher schon erwähnt habe. Ich rate Ihnen, es einmal zu besuchen. Dann werden Ihre Albträume ein Stück weit durch die Wirklichkeit widerlegt. Dort arbeiten die Behörden auf der Grundlage geltender Gesetze zusammen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich, wie Sie in Ihrer Frage behauptet haben, einmal gesagt habe, man brauche für Onlinedurchsuchungen keine Rechtsgrundlage. Solch einen Unsinn kann ich niemals gesagt haben. Das ist wirklich ausgeschlossen. Denn in unserem Grundgesetz steht - ich habe es dabei -, dass man in grundrechtlich geschützte Bereiche nur aufgrund eines Gesetzes eingreifen darf. Das ist die Systematik unseres Gesetzes. Sie sagen, wir hätten uns aus den Polizeigesetzen der Länder alles zusammengesucht. Die meisten Polizeigesetze haben ziemlich übereinstimmende Regelungen. Mit einem haben Sie aber in der Tat recht - ich vermute, dass Sie der Föderalismusreform I zugestimmt haben -: ({0}) - Nein? Dann war das ein Fehler; aber das ist Ihre Sache. ({1}) Der Verfassungsgesetzgeber hat gesagt, dass es sich um eine besonders schwere Gefahr handelt. Sonst wäre er nicht - mit Zustimmung des Bundesrates - entgegen der Ordnung unseres Grundgesetzes, dass polizeiliche Gefahrenabwehr Sache der Länder und nicht des Bundes ist, auf die Idee gekommen, zu sagen: Diese Gefahr ist so schwerwiegend, dass auch das Bundeskriminalamt zuständig sein muss. Es geht nicht um Handtaschendiebstahl, sondern um Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus. Ein Gesetzentwurf, der die Instrumente der Landesgesetze, die man zur Abwehr der allgemeinen Kriminalität hat, nicht auch zur Abwehr dieser Gefahr vorsehen würde, würde der Verantwortung einer Bundesregierung und eines Parlaments nicht gerecht werden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Wieland hat die nächste Frage.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Bundesminister. Nach unserer Einschätzung werden wir eine Art deutsches FBI bekommen. Einige wollen das ja. Andere behaupten, dass das nicht stimmt. Jedenfalls wird Polizei in diesem zentralen Bereich nicht mehr Ländersache, sondern Bundessache sein. Die Länder dürfen mitarbeiten. Einvernehmen ist offenbar nicht notwendig, sondern nur Benehmen. Die Generalbundesanwältin wird nach diesem Gesetzentwurf nicht einmal mehr informiert; sie ist völlig außen vor. Einzige Voraussetzung ist: Gefahr von grenzüberschreitendem Terrorismus. Diese Gefahr werden wir - das sage ich, ohne Schwarzseher sein zu wollen - in den nächsten 20 Jahren täglich erleben. Das heißt, zunächst einmal ist das BKA für alles in diesem Bereich zuständig. Meine Frage in diesem Zusammenhang ist: Welche Sicherheitslücke gab es denn bis zum heutigen Tage bzw. gibt es bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes? Der 11. September 2001 ist mittlerweile fast sieben Jahre her, und Sie sind im dritten Jahr Ihrer Amtszeit. Wie konnten Sie es eigentlich verantworten, ohne diese Präventivbefugnisse Innenminister zu sein? Daran anschließend: Wer soll das BKA eigentlich kontrollieren? Die Nachrichtendienste werden - man streitet darüber, ob das effektiv ist oder nicht - vom Parlamentarischen Kontrollgremium und dann, wenn sie abhören, sogar noch von der G-10-Kommission kontrolliert. Wer wird das BKA, dem ebenfalls das gesamte nachrichtendienstliche Instrumentarium zur Verfügung steht - es darf verdeckte Ermittler, V-Leute und das gesamte Spektrum der Nachrichtentechnik einsetzen -, kontrollieren? ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Wieland, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, waren Sie einmal Mitglied einer Landesregierung. ({0}) Dann sollten Sie nicht völlig vergessen haben, dass nach der Landesgesetzgebung die Landespolizeien auf der Grundlage gesetzlicher Befugnisse die Aufgabe der polizeilichen Gefahrenabwehr wahrnehmen; das gilt auch im Land Berlin. Wenn in grundgesetzlich geschützte Bereiche eingegriffen wird - das ist bei der Berliner Polizei nicht anders als bei der baden-württembergischen Polizei, und das gilt in diesem engen Bereich der Gefahrenabwehr in Zukunft auch für das Bundeskriminalamt -, dann ist dafür eine richterliche Genehmigung notwendig, die beantragt werden muss. Sie haben übrigens - da Sie Anwalt sind, sollte ich Ihnen das eigentlich nicht erklären müssen; aber Ihre Äußerungen zeigen die Notwendigkeit, das dennoch zu tun ({1}) nicht berücksichtigt, dass es einen Unterschied zwischen Strafverfolgung und Gefahrenabwehr gibt. ({2}) Bei der Strafverfolgung hat die Staatsanwaltschaft die Federführung; das war schon immer so. Bei der Gefahrenabwehr muss die Staatsanwaltschaft nicht informiert werden, auch die Bundesanwaltschaft nicht. Insofern haben Sie hier etwas verwechselt. Es wäre hilfreich, wenn Sie das im weiteren Verlauf dieser Debatte nicht mehr verwechseln würden. Denn sonst könnten Sie den Eindruck erwecken, Sie wüssten nicht genau, wovon Sie reden. Das wäre doch furchtbar. Wir reden jetzt nicht über die Strafverfolgung, ({3}) sondern ausschließlich über die Gefahrenabwehr. Ich habe gerade noch einmal nachgeschaut, was der Verfassungsgesetzgeber in Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a des Grundgesetzes festgelegt hat. Dort heißt es: Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalpolizeiamt in Fällen, in denen eine länderübergreifende Gefahr vorliegt, die Zuständigkeit einer Landespolizeibehörde nicht erkennbar ist oder die oberste Landesbehörde um eine Übernahme ersucht. Diese Vorgabe des Verfassungsgesetzgebers setzen wir mit diesem Gesetzentwurf um. Der Verfassungsgesetzgeber hatte sicherlich gute Gründe, das so vorzuschreiben, egal wie die einzelnen Mitglieder des Bundestages auch abgestimmt haben mögen. Nun greifen dieselben Mechanismen, die bei der polizeilichen Gefahrenabwehr im Lande Berlin und in allen anderen Bundesländern auch bereits seit Jahrzehnten angewandt werden. Somit sind alle Verdächtigungen, die Sie hier insinuieren, im besten Fall durch mangelnde Sorgfalt, wahrscheinlich aber - da man Ihnen keine mangelnde Sorgfalt unterstellen kann - eher durch böse Absicht zu erklären. Das ist nicht in Ordnung. Weil, Herr Kollege Wieland, wir wirklich aufhören sollten, unsere Bevölkerung zu verunsichern und unserer Bevölkerung einzureden, dieser freiheitliche Rechtsstaat - in den engen Begrenzungen unserer Verfassung und der Handlungsmöglichkeiten seiner Organe, die notwendig sind, um Sicherheit, Freiheit und Grundrechte zu schützen der bedrohe diese Freiheit. ({4}) Das ist eine Diffamierung, die die Institutionen unseres Verfassungsstaates, der Bundesgesetzgeber und der Verfassungsgesetzgeber nicht verdient haben und die nicht geeignet ist, diese Freiheit zu sichern, sondern eher, sie zu gefährden. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Wieland noch einmal.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, dass ich unsere freiheitliche Demokratie diffamiere, indem ich nach Kontrollmechanismen frage, das ist Ihre Interpretation. Wenn auch ich Ihnen einmal einen Rat geben darf: Sie sollten als Verfassungsminister mehr Gelassenheit an den Tag legen und die Opposition weniger beschimpfen. ({0}) Die Sorge um die vielfältigen Eingriffsbefugnisse, die in meiner Frage zum Ausdruck kam, habe nicht nur ich. Es geht in diesem Zusammenhang um das Polizeirecht. Allerdings muss noch nicht einmal eine Straftat vorliegen, und anders als in den Fällen, die Sie geschildert haben, handelt es sich hierbei nicht um Ausnahmefälle, zum Beispiel um eine Geiselnahme in einem Bundesland, sondern um die tägliche Arbeit des BKA. Das ist der große qualitative Unterschied. Deswegen frage ich Sie jetzt noch einmal nach einem Detail, nämlich nach dem Schutz der Berufsgeheimnisträger. Lese ich Ihren Entwurf richtig, dass nach § 20 c Abs. 3 selbst Berufsgeheimnisträger im Fall von Gefahr für Leib und Leben einer Person oder für die Sicherheit des Staates nicht zur Verweigerung der Auskunft berechtigt sind und dass auch gegen Berufsgeheimnisträger - und zwar gegen alle Berufsgeheimnisträger - verdeckte Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden können? Wie wollen Sie das eigentlich begründen?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Wieland, ich sage noch einmal: Wir setzen mit diesem Gesetzentwurf den Auftrag des Verfassungsgesetzgebers um. Wir müssen dem Auftrag von Art. 73 Abs. 1 Nr. 9 a Grundgesetz entsprechend dem Bundeskriminalamt die gesetzlichen Instrumente für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus übertragen. Das ist die Entscheidung des Verfassungsgesetzgebers. Deswegen bleibe ich dabei, dass es nicht angemessen ist - insbesondere für ein früheres Mitglied einer Landesregierung, das also Erfahrung mit der gesetzlichen Grundlage polizeilicher Gefahrenabwehr haben muss -, den Eindruck zu erwecken, als würde hier etwas Neues geschaffen, was irgendwie in Richtung Überwachungsstaat geht. Die Verunsicherung der Bevölkerung - die in Teilen der Bevölkerung Erfolgt hat, das ist wahr, sonst bräuchten wir ja nicht darüber zu reden, die aber nicht angemessen ist - muss aufhören! Dafür werbe ich. Ich sage das entspannt, aber mit Entschiedenheit; es geht schließlich um wichtige Dinge. Es ist unsere gemeinsame Verpflichtung und Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die rechtsstaatlich verbürgte Ordnung unseres Grundgesetzes die Polizei in die Lage versetzt, das notwendige Maß an Sicherheit zu gewährleisten. Wenn es für die Einhaltung von Gesetzen keine gesamtstaatliche Organisation gibt, sind ausschließlich die Länder zuständig. Jetzt haben wir in einem schmalen Bereich eine ergänzende Zuständigkeit des Bundeskriminalamts. Wenn wir die nicht hätten, würde unsere Verfassung weniger geschützt werden. Darum geht es, und das muss man mit der notwendigen Sorgfalt machen. Was das Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgeheimnisträger angeht, nehmen wir bei unserer Gesetzgebung ausdrücklich Bezug auf die Regelungen des § 53 der Strafprozessordnung, insbesondere auf die Rechtsprechung zu § 53 Strafprozessordnung. Insofern schaffen wir auch hier nichts Neues, sondern knüpfen an das an, was sich über Jahrzehnte bewährt hat und jahrzehntelang von niemandem in den Dunstkreis gerückt worden ist, als wäre dies ein Staat, der nicht die Freiheit seiner Bürger schützt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Stadler.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ich bitte um Verständnis, dass wir von der Opposition genau nachfragen. Es geht bei diesem Gesetzentwurf ja nicht um den Bereich der Strafverfolgung, wo man einen klaren Anknüpfungspunkt hat, nämlich die begangene Straftat, die es aufzuklären gilt, sondern es geht um den Bereich der Gefahrenabwehr. Das ist ein viel weiter gefasster Begriff, sodass die Gefahr, dass Eingriffe uferlos erfolgen, sehr wohl gegeben ist. Es ist gerade die Aufgabe des Gesetzgebers, die notwendigen Eingrenzungen vorzunehmen, wie beispielsweise im bayerischen Polizeiaufgabengesetz in Art. 11 geschehen. Die dortige Grundnorm bezieht sich auf konkret bestehende Gefahren. In § 4 a Ihres Entwurfes zur Änderung des BKA-Gesetzes ist das nicht der Fall, da reichen abstrakte Gefahren aus. Daher müssen wir im Hinblick auf die einzelnen Maßnahmen genau nachfragen. Ich möchte in Bezug auf das sogenannte Richterband nachfragen. Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich herausgearbeitet, dass es einen Kernbereich der privaten Lebensführung gibt, der sich staatlicher Überwachung entzieht. Das ist die Grundposition, von der aus man das Problem angehen muss. Nun ist es bei der Onlinedurchsuchung manchmal schwierig, von vornherein zu wissen, ob die Daten, die man gerade ermittelt, dem Kernbereich der privaten Lebensführung zuzurechnen sind, sodass ihre Ermittlung unzulässig ist. Deswegen hat das Bundesverfassungsgericht bei der Onlinedurchsuchung einen zweistufigen Schutz des Kernbereiches der privaten Lebensführung zugelassen: dass in einer zweiten Stufe aussortiert wird, was den Staat nichts angeht und unbedingt privat bleiben muss. Wenn wir Ihren Entwurf richtig verstehen - ich bitte Sie, mir zu bestätigen, ob das so ist -, wollen Sie nun diesen zweistufigen Schutz des Kernbereichs, der eben schwächer ist, als wenn man von vornherein gar nicht erst in die Privatsphäre eindringen darf, auch auf den sogenannten großen und den sogenannten kleinen Lauschangriff übertragen. Meine Frage lautet daher: Sind Sie mit uns der Meinung, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Onlinedurchsuchung gerade nicht ergibt, dass die Zweistufigkeit und damit schwächere Form des Schutzes der Privatsphäre plötzlich auch hinsichtlich anderer Maßnahmen gelten soll?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Stadler, zunächst einmal ist es richtig, es gibt einen Unterschied zwischen Prävention und Repression. Ich habe einleitend darauf hingewiesen und das Bundesverfassungsgericht hat dies in seinem Urteil zu dem Verfassungsschutzgesetz von Nordrhein-Westfalen auch bestätigt - dieses Gesetz, das von vornherein auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen ist, die das Bundesverfassungsgericht auch so judiziert hat, was nicht überraschend war, hat übrigens ein Parteifreund von Ihnen verantwortet -, dass nach Art. 13 Grundgesetz nicht nur zur Verfolgung von Straftaten, sondern auch zur Verhinderung der Realisierung schwerer Gefahren, also zur Gefahrenabwehr, unter engen Voraussetzungen möglicherweise weitergehende Eingriffe in grundrechtlich geschützte Bereiche erlaubt werden können. Die Verhinderung des Schadens ist nämlich noch wichtiger als die strafrechtliche Ahndung des eingetretenen Schadens. Das ist die Systematik, die hinter Art. 13 Abs. 4 des Grundgesetzes steht. Darauf hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal hingewiesen. Deswegen haben wir das in dem Gesetzentwurf für das BKA-Gesetz auch so umgesetzt. Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Zweistufigkeit komme ich gleich anschließend. Zur Abwehr von Gefahren durch den internationalen Terrorismus haben wir - nach einem intensiven Diskussionsprozess mit den Ländern in § 4 a die Zusammenarbeit mit den Ländern verankert. Diese Zusammenarbeit wollen wir ja nicht irgendwie belasten, sondern weiterhin so intensiv und fruchtbar halten, wie sie bisher Gott sei Dank gewesen ist. Ich bin ja jemand, der die föderale Sicherheitsarchitektur immer mit großem Nachdruck und großer Überzeugung verteidigt. Aber natürlich sind die konkrete und abstrakte Gefahr durch den internationalen Terrorismus ein Stück anders als bei anderen Straftaten. Das liegt nun einmal in dem Netzwerk begründet, mit dem uns der islamistische Terrorismus bedroht. In den letzten Monaten mussten wir im Netz beispielsweise Videobotschaften mit deutschen Untertiteln aus dem al-Qaida-Netzwerk zur Kenntnis nehmen. Darin wurden in einer wirklich sehr konkreten Weise schwere Gefahren angedroht. Diesen Netzwerkcharakter des internationalen Terrorismus haben wir auch bei den Ermittlungen im Sauerland festgestellt, und wir haben den Erfahrungsbericht der EG Zeit auch hinsichtlich dieses Punktes intensiv ausgewertet. Die Innenminister von Bund und Ländern, die Fachleute der Polizeien und auch der Verfassungsschutz von Bund und Ländern haben sich mit all den Erfahrungen beschäftigt, die in diesem umfangreichen Verfahren gemacht wurden. Dem können wir nach unserer Überzeugung nicht anders als durch die Formulierung entsprechen, die wir hinsichtlich der Aufgaben der Gefahrenabwehr in § 4 a verwendet haben. Darin besteht übrigens Übereinstimmung mit den Ländern. Insofern glaube ich auch nicht, dass es einen Widerspruch zum Bayerischen Polizeige17424 setz gibt. Ich befinde mich jedenfalls auch mit dem bayerischen Kollegen Herrmann in großer Übereinstimmung. ({0}) - Ihr Kollege hat gerade auf das Bayerische Polizeigesetz Bezug genommen. Ich kann nur unterstreichen, dass das ein sehr gutes Gesetz ist. Sie haben mir gesagt, ich solle Sie loben und Ihnen zustimmen. Jetzt habe ich es getan, aber das ist Ihnen auch wieder nicht recht. Was soll ich denn noch machen? Jetzt zur Zweistufigkeit. Herr Kollege Stadler, bei der Telekommunikationsüberwachung haben wir die Regelung, die das Bundesverfassungsgericht in dem Urteil über das nordrhein-westfälische Gesetz ausdrücklich bestätigt hat: Wenn der Kernbereich berührt sein kann, dann muss bei einer Maßnahme, bei der nicht nur technisch aufgezeichnet wird, sondern auch jemand mithört, das Mithören eingestellt werden. Es darf nur noch technisch aufgezeichnet werden. Das technisch Aufgezeichnete muss dem anordnenden unabhängigen Richter vorgelegt werden, der dann entscheidet, ob das kernbereichsrelevant ist. Dann ist das unter Aufsicht und Protokollierung zu vernichten oder auch nicht. Dies ist ausschließlich Sache des Gerichts. Das haben wir nicht verändert; so steht es im Gesetzentwurf. Bei der Onlinedurchsuchung haben wir nun von vornherein nicht die Situation, dass möglicherweise ein Band läuft und jemand mithört; sie läuft nur technisch ab. Deswegen wird das gesamte Material zunächst einmal durch zwei Mitarbeiter des Bundeskriminalamts gesichtet, von denen mindestens einer die Befähigung zum Richteramt haben muss. Wenn bei der Telekommunikationsüberwachung die Situation eintritt, dass derjenige, der mithört, das Gehörte für kernbereichsrelevant hält und sagt, er dürfe nun nicht mehr mithören, dann läuft nur noch das Band, und dieses Material muss dem anordnenden Richter vorgelegt werden. Insofern haben wir genau dasselbe System: Sobald es kernbereichsrelevant sein kann, muss der Richter, der die Maßnahme anordnen kann, darüber entscheiden, ob es zu vernichten ist oder nicht. Insofern haben Sie, glaube ich, den Gesetzentwurf richtig verstanden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich habe noch Fragewünsche der Kollegin Pau, des Kollegen Montag und der Kollegin Jelpke, die wir nur dann berücksichtigen können, wenn sowohl die Fragen als auch die Antworten etwas konzentrierter ausfallen, was sich übrigens selbst bei Würdigung der komplizierten Materie mit Blick auf die Richtlinien unserer Fragestunde ohnehin empfiehlt. ({0}) Frau Kollegin Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, ich habe zwei Fragen zu den personellen Konsequenzen, die sich aus der Umsetzung des Gesetzes ergäben, wenn es denn so beschlossen würde: Erstens. Anfang des Jahres wurde berichtet, dass das BKA 500 neue Stellen hauptsächlich aus dem Bereich der Bundespolizei erhalten werde. Trifft diese Meldung zu, und, wenn ja, inwieweit ist dies im Gesetz abgebildet, und welche Aufgabenbereiche sollen dadurch übernommen werden? Zweitens. Wie soll das BKA die Vorfeldermittlungen im Bereich des internationalen Terrorismus personell bewältigen? Das heißt, wie viele Beamtinnen und Beamte mit welchen Kompetenzen werden benötigt, aus welchen Bereichen sollen sie kommen, und wo sollen sie, wenn man dies heute schon sagen kann, angesiedelt werden?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Das ist heute nicht zu sagen, weil wir jetzt den Gesetzentwurf im Kabinett beschlossen haben und ihn den parlamentarischen Körperschaften übergeben, die ihn nach den Regeln unseres Grundgesetzes beraten werden. Wenn das Gesetz eines Tages beschlossen, verkündet und in Kraft getreten sein sollte, wird der Haushaltsgesetzgeber daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Montag.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke, Herr Präsident. - Herr Minister, ich habe mich gemeldet, weil ich im Zusammenhang mit der Beantwortung der Frage meines Kollegen Wieland die Überheblichkeit, mit der Sie dargestellt haben, der beste Jurist hier im Hause zu sein, nicht unwidersprochen lassen wollte. ({0}) Die Zeiten sind vorbei, Herr Minister, in denen wir so mit uns umgehen lassen. Gehen Sie in dieser Frage nicht den Weg Ihres Vorgängers; wohin dies führt, können wir an Ihnen gerade feststellen. Sie haben die Frage meines Kollegen Wieland nicht beantwortet, weshalb ich sie wiederhole. Es geht darum, ob es in den Jahren seit dem 11. September 2001 Vorfälle in Deutschland gegeben hat, die im Rahmen der Prävention nicht gelöst werden konnten, weil die neuen Zuständigkeiten des Bundeskriminalamtes nicht bestanden. Als eigene Fragen schließe ich an: Im Hinblick auf die Onlinedurchsuchung haben Sie sich jetzt darauf verständigt, nicht den bayerischen Weg zu gehen, obwohl er ja, wie Sie sagen, angeblich so wunderbar ist, und nicht in Wohnungen einzudringen, sondern diese Durchsuchung mittels technischer Möglichkeiten durchzuführen. An welche technischen Möglichkeiten denken Sie und Ihr Haus sowie das Bundeskriminalamt? Außerdem sagJerzy Montag ten Sie, Sie hätten sich an die bewährten Eingriffsbefugnisse der Landespolizeien gehalten. Nun regeln Sie hier die präventive Funktion der Polizei bei grenzüberschreitendem internationalen Terrorismus. Wozu braucht das Bundeskriminalamt hierbei den Platzverweis?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Montag, erstens habe ich keine Bemerkungen über die juristische Qualifikation von Mitgliedern dieses Hauses gemacht. Insofern müssen Sie irgendetwas falsch verstanden haben. Zweitens. Meinen Vorgänger habe ich im politischen Raum zum ersten Mal als Fraktionsvorsitzenden der Fraktion Die Grünen erlebt, als er den Parlamentarischen Geschäftsführer Fischer bei den Parlamentarischen Geschäftsführern der anderen Fraktionen eingeführt hat. Er ist dann später zur SPD gegangen. Sie brauchen keine Sorge zu haben: Ich habe meine Laufbahn nicht bei den Grünen angefangen und werde sie nicht bei der SPD beenden. ({0}) Insofern können Sie völlig entspannt bleiben, was mich anbetrifft.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das bringt eine erhebliche Beruhigung in die Debatte. Es wäre schön, wenn die Aufmerksamkeit für die Ausführungen des Ministers wiederhergestellt würde.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Herr Präsident, ich versuche, die Fragen zu beantworten, soweit es mir nach den Richtlinien für die Befragung der Bundesregierung möglich ist. - Deswegen will ich nochmal sagen: Der Verfassungsgesetzgeber hat die Entscheidung, dem Bundeskriminalamt eine Gefahrenabwehrbefugnis zu übertragen, nach meiner sicheren Überzeugung nach sorgfältiger Erwägung getroffen. Jedenfalls hat sie Eingang ins Grundgesetz gefunden. Wie alle Bestimmungen des Grundgesetzes ist auch diese verbindlich. Sie bindet Gesetzgeber und Regierung, und wir versuchen, sie umzusetzen. In der Tat ist es wahr, dass wir Glück gehabt haben. Wir haben bisher auch ohne diese Regelung Anschläge vermeiden können. Bei den Kofferbomben hatten wir Glück, dass sie nicht funktioniert haben. Im SauerlandFall haben wir unsere Aufgabe mit der EG Zeit in einer ungeheuer aufwändigen Aktion in einem sehr bewährten Verfahren der Kooperation bewältigt. Allerdings - das muss man gleich hinzufügen, auch wenn Sie nicht danach gefragt haben - wäre das ohne die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ausländischen Nachrichtendiensten überhaupt nicht möglich gewesen. Drittens. Die Bundesanwaltschaft ist in solchen Verfahren immer relativ früh gebeten worden, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durchzuführen, damit das Bundeskriminalamt eingeschaltet werden kann. ({0}) - Das war nicht meine Entscheidung. Ich habe damit nichts zu tun. Herr Kollege Wieland, ich versuche gerade, die Frage des Kollegen Montag zu beantworten. Wir kommen damit zu einem Bereich, den wir auch in einem anderen Zusammenhang diskutieren. Um die Gefahrenabwehr leisten zu können - um mögliche Sprengstoffanschläge verhindern zu können, wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung eingeleitet -, ist es möglicherweise richtig, unter den engen Vorgaben unseres Grundgesetzes entsprechende Regelungen der polizeilichen Gefahrenabwehr zu schaffen. Vielleicht war das ein Grund für den Verfassungsgesetzgeber, Art. 73 des Grundgesetzes um die Ziffer 9 a zu erweitern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Jelpke.

Ulla Jelpke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001023, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Minister, im Vorfeld des BKA-Gesetzes gab es heftige Differenzen in der Koalition, aber auch zwischen den Ländern. Wie ist nach dem Kabinettsbeschluss der Stand der Dinge, was diese Differenzen angeht, und in welchen Fragen bestehen sie noch? Nach dem Beitrag des Kollegen Edathy im Frühstücksfernsehen zum Beispiel hat man den Eindruck, dass der Gesetzentwurf von der Koalition nicht einheitlich getragen wird.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin, wir befinden uns in der Regierungsbefragung. Ich berichte über die Kabinettssitzung. Darin haben wir den Gesetzentwurf, den wir intensiv erarbeitet und einvernehmlich vorbereitet haben, auch einvernehmlich beraten und beschlossen. Es gibt nicht die geringste Differenz unter den Mitgliedern der Bundesregierung. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich bitte um Nachsicht. In der Regierungsbefragung geht es um die Berichterstattung aus der Kabinettssitzung. Es ist eine Frage gestellt worden, die beantwortet wurde. Wie immer ist die Beurteilung, ob man mit diesen Antworten jeweils einverstanden ist, dem subjektiven Ermessen aller Beteiligten überlassen. Das ist nicht weiter zu kommentieren. Es gibt aber den Wunsch nach einer Frage an die Bundesregierung außerhalb des Themenbereichs, über den gerade berichtet worden ist. Das sollten wir im Rahmen der wenigen noch verfügbaren Sekunden der dafür Präsident Dr. Norbert Lammert vorgesehenen Zeit noch ermöglichen. Ich erteile dafür dem Kollegen Rohde das Wort.

Jörg Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003831, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich frage die Bundesregierung: War in der Kabinettssitzung heute das Filmförderungsgesetz ein Thema? War auch die Möglichkeit, blinde und sehbehinderte Menschen mit einzubeziehen, Teil der Beratungen? Immerhin werden dafür Steuermittel ausgegeben. In den vorhandenen Richtlinien sind keinerlei Hinweise zu finden, ob Audiodeskription, also Hörfilme, besondere Berücksichtigung finden. Wäre die Bundesregierung gegenüber Vorschlägen offen, zum Beispiel einen deutschen Filmpreis für eine herausragende Einzelleistung „Beste Audiodeskription“ zu vergeben oder im Rahmen der bereitgestellten Mittel einen Teil des Budgets für die Audiodeskription zur Verfügung zu stellen und bei größeren Produktionen eine verpflichtende Vorschrift und bei kleineren Produktion eine Kannvorschrift zu erlassen?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Verehrter Herr Kollege Rohde, da es zunächst um die Klärung der Frage geht, ob es überhaupt Gegenstand der Kabinettsberatungen war, ({0}) erübrigt sich, glaube ich, im Augenblick die Spezifizierung, was alles Gegenstand einer zusätzlichen Preisverleihung sein könnte. ({1}) Frau Staatsministerin.

Not found (Gast)

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kollege, in der Tat war das Filmförderungsgesetz Gegenstand der heutigen Kabinettsberatungen. Wir sind einen entscheidenden Schritt bei der Unterstützung des deutschen Films nach vorne gekommen, der gerade in den letzten Jahren im internationalen Bereich enorm an Renommee gewonnen hat. Zu der spezifischen Frage, ob solche Förderpreise ausgelobt werden sollen, rege ich an, ein Gespräch mit dem Staatsminister für Kultur und Medien zu führen. Dann könnte ich Ihnen konkret antworten. Vielleicht nennen Sie uns noch Förderpreiskriterien. Dann kann ich auch darauf eingehen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Wie zugesagt, beende ich damit den Tagesordnungspunkt 1, Befragung der Bundesregierung. Die Fraktionen sind übereingekommen, heute eine vereinbarte Debatte über das Thema „Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom und Konsequenzen“ durchzuführen. - Dazu stelle ich Einvernehmen fest. Ich rufe die soeben aufgesetzte vereinbarte Debatte als Zusatzpunkt 1 auf: Vereinbarte Debatte Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom und Konsequenzen Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem dem Kollegen Dr. Jürgen Gehb, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um gleich Klarheit zu schaffen: Die Vorgänge bei der Deutschen Telekom, über die wir heute debattieren, sind ein Skandal. Die möglicherweise massiven Gesetzesverstöße geben keinen Anlass, sie auch nur annähernd zu entschuldigen oder sogar zu rechtfertigen. Aber aus meiner Sicht als Mitglied des Deutschen Bundestages besteht auch kein Anlass zu hektischer Betriebsamkeit. Dies ist nicht die Stunde des Gesetzgebers, sondern die Stunde der Strafverfolgungsbehörden. ({0}) Ich finde, so wie wir jeden Hühnerdieb oder jeden schweren Verbrecher mit rechtsstaatlichen Mitteln über die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsbehörden verfolgen, sollten wir das auch hier tun, um dann im Lichte der Erkenntnisse zu prüfen, ob weitere gesetzgeberische Maßnahmen erforderlich sind. Wenn ich sehe, wie man mit diesem Thema umgeht, wie man geradezu beißreflexartig um neue Gesetze feilscht, ({1}) obwohl bereits alles gesetzlich geregelt ist, zum Beispiel im Telekommunikationsgesetz, im Datenschutzgesetz oder im Strafgesetzbuch, auch bezüglich der Sanktionen, die bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe gehen oder sogar zum Lizenzentzug führen, dann muss ich sagen: Natürlich kann man das noch zwei-, dreimal verbieten. Aber dadurch wird es nicht besser. Man kann auch hineinschreiben: Die Gesetze sind einzuhalten. ({2}) Aber das nutzt nichts. ({3}) Deswegen ist es völlig fehl am Platz, nach weiteren Gesetzen zu rufen. ({4}) Viel wichtiger wäre es, vielleicht dafür Sorge zu tragen, wie man die Einhaltung solcher Gesetze sicherstellt. Das ist allerdings immer dann schwierig, wenn es um individuelles Fehlverhalten geht. Wenn ich vom Kollegen Volker Beck höre, der beste Datenschutz sei die Datenarmut, ({5}) dann kann ich nur sagen: Der beste Schutz vor Flugzeugabstürzen ist natürlich, keine Flugzeuge fliegen zu lassen. ({6}) Wenn übermorgen oder in den nächsten Tagen in der Charité ein Radiologe im Zusammenhang mit einer Mammografie einer Frau sexistisch an den Busen fasst, ({7}) dann kann man auch nicht verlangen, dass die Mammograie eingestellt wird. ({8}) Mit solchen Forderungen kann man den Auswüchsen nicht begegnen. Sie reagierten eben so empfindlich, weil der Herr Innenminister eine Antwort gegeben hat, die Ihnen nicht gefallen hat. ({9}) Ich will zum Abschluss etwas dazu sagen, wie man den Innenminister angegangen ist. Es wundert mich nicht, wenn so etwas aus dem Mund der Linken kommt; wenn aber der Kollege Niebel die Bemühungen des Bundesinnenministers zur Klärung des Sachverhalts - jetzt gut zuhören! - als „Spitzel-Gipfel“ betrachtet und auch noch sagt, wenn der Herr Bundesinnenminister einlade, werde der Bock zum Gärtner gemacht, dann nähert er sich langsam dem Niveau des Chefdemagogen Lafontaine, ({10}) der am Sonntag in der Sendung Anne Will gesagt hat, wenn Herr Minister Schäuble eines Tages ins Saarland komme und Herr Lafontaine Ministerpräsident sei, dann werde man Herrn Schäuble vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Noch etwas anderes: Bisher war es immer so, dass die Datenschützer den Staat als Verletzer des Datenschutzes, als Big Brother, angesehen haben. Umso verwunderter waren diese Herrschaften jetzt, dass es plötzlich ein privates Unternehmen ist. Obwohl diese Vorgänge zu einem Zeitpunkt stattgefunden haben, in dem das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung noch gar nicht in Kraft war, wird schon jetzt nach Aufhebung dieses Gesetzes gerufen. Meine Damen und Herren, diesen Gefallen werden wir von der CDU/CSU und, wie ich glaube, auch unser Koalitionspartner Ihnen nicht tun. Sie müssen sich schon überlegen, wo Sie den Bösewicht suchen, ob bei der staatlichen Macht oder bei privaten Unternehmen. Deswegen bleibt es bei der Vorratsdatenspeicherung. Jedenfalls wir werden das Gesetz nicht aufheben. ({11}) - Wir werden aufgehoben, das ist eine andere Frage. Jeder wartet bei einer Rede von mir auf einen lateinischen Ausspruch. ({12}) Den will ich Ihnen nicht vorenthalten. Schon der römische Poet Juvenal hat gesagt: Quis custodiet ipsos custodes? Das heißt: Wer überwacht eigentlich die Wächter? - Das müssen wir gut prüfen, auch was die Telekom betrifft.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Gehb.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur, hat heute gesagt, es werde eine Schwachstellenanalyse durchgeführt. Die warten wir einmal ab. Wenn dann Schwachstellen gefunden werden, dann müssen wir überlegen, wie wir die Lücken schließen. Herzlichen Dank. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Was immer hier vorgetragen werden soll, sollte in Deutsch wie in Latein möglichst in der vorgesehenen Redezeit erfolgen. ({0}) Frau Kollegin Piltz ist die nächste Rednerin für die FDP-Fraktion. ({1})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir fällt zu Ihrer Rede, Herr Gehb, eigentlich nur ein: Lieber verlieren, als freiwillig klug werden. - Wenn das die Methode ist, nach der Sie hier Politik machen, dann weiß ich nicht, wie wir das hier noch gut ein Jahr aushalten sollen. Das war wirklich beschämend. ({0}) Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. - Sie, die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie, die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, und Sie, die Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, haben den Datenschutz in diesem Hause in den vergangenen Jahren doch eigentlich zum Abschuss freigegeben. ({1}) Das, was wir jetzt hier erleben, bei der Deutschen Telekom, bei Lidl und bei anderen Discountern, ist auch die erschreckende Folge einer grundrechtsfeindlichen Politik, die Sie alle hier betrieben haben. ({2}) Deshalb ist es falsch, wenn nun Herr Kauder und Herr Struck - Herr Gehb, auch Sie haben es versucht -, in seltener Einmütigkeit übrigens, ({3}) behaupten, das sei alles eine Sache der Justiz und nicht der Politik. Das ist aus meiner Sicht völlig falsch. Es ist nämlich Sache der Politik, wenn in unserem Land manchmal mit persönlichen Daten wie mit Freibier umgegangen wird. Es ist Sache der Politik, wenn die Datenschutzgesetze nicht mit der modernen Technik mithalten. In den vergangenen zehn Jahren haben wir in diesem Haus - das haben Sie gemeinsam zu verantworten - nichts, aber auch gar nichts daran geändert. ({4}) Herr Gehb, ich wünsche mir, dass gerade Sie als CDU/CSU auch in anderen Bereichen mehr Gelassenheit an den Tag legen, insbesondere bei den Themen der inneren Sicherheit. Da kann es Ihnen nicht schnell genug gehen, da peitschen Sie hier Gesetzentwürfe durch. Das ist Ihr Job, und daher müssen Sie sich dem hier auch stellen. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Piltz, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss zu?

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn Herr Tauss nicht dazwischenruft, sondern fragt, immer gerne. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie mich zu Wort kommen lassen, dann muss ich nicht dazwischenrufen. - Ich möchte zwei Dinge ansprechen. Verehrte Frau Kollegin, Sie haben eben dargestellt, dass in den letzten Jahren nichts geschehen sei. Darf ich Sie zum einen daran erinnern, dass es beispielsweise Gesetze aus NRW waren, die für verfassungswidrig erklärt worden sind, ({0}) und zum anderen daran, dass wir in den letzten zehn Jahren etwa die EU-Richtlinie zum Datenschutz umgesetzt haben, in der es um Videoüberwachung und an verschiedenen Stellen auch um eine Stärkung des Datenschutzes ging? Ich wiederhole: Das ist innerhalb der letzten zehn Jahre geschehen. Darf ich Sie einfach darauf aufmerksam machen, dass Ihre Aussage nicht ganz korrekt war?

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, meine Aussagen waren völlig korrekt. Ich finde es schön, dass Sie mich indirekt auch noch bestätigen. Das habe ich mir von Ihnen im Deutschen Bundestag immer gewünscht. ({0}) Ich habe nämlich gemeint, dass sowohl Rot-Grün als auch Schwarz-Rot behaupten, in den letzten Jahren etwas für den privaten Datenschutz getan zu haben. ({1}) Ganz im Gegenteil: Sie haben ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen, nach dem alle Kommunikationsdaten für die Dauer von sechs Monaten gespeichert werden müssen. ({2}) Sie jedoch stellen sich hierhin und verkaufen das als etwas Positives für die Bürgerinnen und Bürger! ({3}) Herr Tauss, ich glaube, Sie leben in einer anderen Datenschutzwelt als ich. ({4}) Ich bin froh, dass ich in meiner lebe und nicht in Ihrer leben muss. ({5}) Aus meiner Sicht ist es Sache der Politik, dass sich der Bundesinnenminister jetzt auf einmal als oberster Datenschützer der Nation aufspielt. Herr Schäuble, dazu kann ich nur sagen: Auch Sie haben die Saat gelegt, die wir in den letzten Monaten ernten mussten. Interessant finde ich auch, wie die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der Union, damit umgehen. Herr Uhl zum Beispiel hat gesagt, die Unternehmen sollten an eine Art öffentlichen Pranger gestellt werden, damit sich die Kunden ein Bild über den Konzern machen können; das sei moderne Transparenz. Ehrlich gesagt, habe ich jetzt begriffen, dass die CSU unter Menschenwürde etwas anderes versteht als ich. Ich freue mich darauf, dass Sie bei der nächsten Verfehlung des BND Herrn Uhrlau irgendwo an den Pranger stellen. Ich wünsche mir, dass Sie sich mit der gleichen Vehemenz für die Anprangerung der Verfehlungen der Geheimdienste und nicht nur der Unternehmen, in denen es um privaten Datenschutz geht, einsetzen. ({6}) Datenmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt. Es ist ein Angriff auf die Menschenwürde, aus der sich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ableitet. Arbeitnehmerinnen werden in der Umkleide gefilmt. Es wird Tagebuch darüber geführt, wie es einem geht, mit wem man telefoniert, ob man glücklich ist oder nicht. Videokameras nehmen alles auf. Vorstände werden in der Telekommunikation überwacht, mit wem sie wann gesprochen haben, wie lange und wie oft, wer ihnen eine E-Mail geschickt hat und wie viele, wie lange sie sich irgendwo aufgehalten haben - das lässt sich dadurch herausbekommen, dass man feststellt, wo das Handy eingeloggt war - und mit welchem Journalisten sie gesprochen haben. Überwacht wurden nämlich auch diejenigen am anderen Ende der Leitung: Journalisten, Kunden, Anwälte, Bürger, Mitarbeiter. Sie? Ich? Vielleicht wir alle? Wer weiß! ({7}) Das erinnert mich ganz persönlich an Stasimethoden, und das nicht nur, weil dort offensichtlich Stasimitarbeiter eingesetzt waren. Ich finde das sehr bedenklich. ({8}) Die Grundrechte werden auch dadurch eingeschränkt, dass sich die Menschen aufgrund der Sorge vor dieser Überwachung überhaupt nicht mehr trauen, mit ihren Daten offen umzugehen. Das hat uns das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur heimlichen Onlinedurchsuchung jüngst wieder ins Stammbuch geschrieben. Der Staat muss jetzt dafür Sorge tragen, dass die Grundrechte geachtet werden, auch von der Wirtschaft, auch von den Arbeitgebern und auch gegenüber Vorständen von Unternehmen. Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich ist auch Grundrechtsschutz, und das nicht erst seit diesen Vorkommnissen. ({9}) Doch seit Jahren warten wir auf ein Datenschutzauditgesetz. Rot-Grün hat es nicht eingebracht, SchwarzRot auch nicht. Stattdessen haben Sie die Vorratsdatenspeicherung eingeführt - Herr Tauss, das haben Sie selber eben angesprochen -, erst die rot-grüne Regierung in Brüssel, dann die schwarz-rote Regierung in Deutschland. ({10}) - Wenn Sie nicht wissen, wie Gesetze in Brüssel zustande kommen, dann kann ich Ihnen das hier jetzt auch nicht erklären. Sie sitzen im Bundestag; da müssen Sie schon wissen, wie das geht. ({11}) Stattdessen haben Sie die Fluggastdatenspeicherung eingeführt, erst die rot-grüne Bundesregierung zusammen mit den USA, dann die schwarz-rote Regierung in der EU. Sie haben faktisch das Bankgeheimnis abgeschafft. ({12}) Sie wollen eine elektronische Gesundheitskarte einführen. Sie haben auch schon elektronische Pässe eingeführt und wollen dies auf die Personalausweise ausdehnen. Wer so mit den Daten von Bürgerinnen und Bürgern umgeht, muss sich nicht wundern, wenn es Unternehmen ebenfalls an der Achtung von Grundrechten fehlt. ({13}) - Das entschuldigt in keiner Weise eines dieser Unternehmen. Die Fraktionen von Grünen, SPD und CDU in diesem Hause können ihre Hände aber nicht in Unschuld waschen. Nicht einmal jetzt dämmert bei Ihnen die Erkenntnis, dass der Datenschutz im nichtöffentlichen Bereich einen anderen rechtlichen Rahmen braucht. Sie haben ja selber gesagt, jetzt sei die Stunde der Justiz und nicht die der Politik. Das haben Sie hier als erster Redner bekannt. Wo bleibt denn das Datenschutzauditgesetz? Wo bleibt denn die schon längst angemahnte Vorlage zum Arbeitnehmerdatenschutz? Wo bleibt der Rechtsrahmen für RFID-Chips, die es in immer mehr Produkten gibt? ({14}) Warum nehmen Sie nicht endlich die Bedenken der Datenschützer hinsichtlich der Gesundheitskarte auf? Nichts davon kann ich erkennen. Das wäre aber die Aufgabe dieses Bundestages. ({15}) Es geht nicht nur um Gesetzesänderungen. Das, was bei der Telekom passiert ist, verstößt schon gegen das geltende Recht. Das ist überhaupt keine Frage. Es ist ein Skandal, dass das passiert ist, was passiert ist. ({16}) Die Verantwortlichen haben sich selbstverständlich strafbar gemacht. ({17}) Das ist gar keine Frage. Aber wir sind nicht die Justiz, sondern die Politik. Wir müssen hier die Folgen für die Politik diskutieren. Hier müssen Konsequenzen gezogen werden. Das müssen Sie erkennen. ({18}) Diese Vorfälle zeigen nämlich überdeutlich, dass es Handlungsbedarf gibt - sowohl im Hinblick auf eine Änderung der grundrechtsfeindlichen Politik als auch ganz konkreten Handlungsbedarf. Wo dieser besteht, habe ich Ihnen eben aufgezeigt. Daher fordere ich alle Fraktionen in diesem Hause auf, sich intensiv um den privaten Datenschutz zu kümmern. Das haben Sie bisher leider nicht getan. Zum Schluss möchte ich einen Satz zitieren, den Herr Prantl gestern in der Süddeutschen Zeitung geschrieben hat: Der Datenschutz schützt nämlich nicht abstrakte Daten, sondern konkrete Bürger. Das sollte der Auftrag an dieses Haus sein. Herzlichen Dank. ({19})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Michael Bürsch ist der nächste Redner für die SPDFraktion.

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dies ist in der Tat ein sehr ernstes Thema, das aus meiner Sicht nicht nur die Wirtschaft betrifft, sondern weit mehr. Das Ganze betrifft uns alle, auch die Politik, wenngleich man zu Recht sagen kann, das Problem sei zunächst einmal in der Wirtschaft entstanden. Ein Kollege hat schon einen Vergleich zur SpiegelAffäre gezogen. Da bestehen sicherlich Unterschiede. Damals hat der Staat Missbrauch betrieben. Daraus sind auch Konsequenzen gezogen worden, was die Rechtsstaatlichkeit beim Umgang mit Daten angeht. Jetzt haben wir - wenn man diesen Vergleich ziehen will - nicht einen Abgrund von Landesverrat, sondern einen Abgrund von Datenverrat. Die Frage ist, wie wir jetzt gemeinsam einen Weg finden. Vielleicht können wir schon heute ein paar Schlussfolgerungen ziehen, die auf der Hand liegen, Herr Kollege Gehb. Das ist keine Hektik, sondern erfolgt nach den Motiven „In der Ruhe liegt die Kraft“ und „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Ich nenne einmal fünf Feststellungen, die man zu diesem Zeitpunkt schon treffen kann. Erstens. Bei der Telekom hat es - das ist auch nach ihren eigenen Angaben unbestritten - schwere Verstöße gegen das Datenschutzgesetz gegeben. Die Telekom hat sich im Bereich Datenschutz quasi zur rechtsfreien Zone erklärt. Zweitens. Alles spricht dafür, dass dies kein Einzelfall ist, sondern dass wir es womöglich mit der Spitze eines Eisbergs zu tun haben. Wir kennen den Fall Lidl. Wir hören, dass die Bahn ebenfalls diese ominöse Berliner Agentur beauftragt hat. Ich nehme auch an, es wird beileibe nicht nur die früheren öffentlichen Unternehmen angehen, sondern eine ganze Reihe der 5 000 Unternehmen im IT-Sektor. Drittens. Zunächst ist sicherlich die Wirtschaft gefordert; das ist richtig. Aber alles spricht schon jetzt dafür das ist auch an den Innenminister gerichtet -, dass es nicht genügt, auf die Selbstheilungskräfte und die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu setzen. Das wird nicht genügen. ({0}) Viertens. Schon jetzt zeigt eine erste Analyse - Herr Gehb, auch das hat nichts mit Hektik oder übertriebenem Rufen nach Gesetzesänderungen zu tun, wie das so beliebt ist, wenn irgendwo etwas schiefgeht -, die man in den ersten drei, vier oder fünf Tagen anstellen konnte, wenn man ein bisschen juristisch geübt ist: ({1}) Es gibt wirklich Handlungsbedarf, den wir schon jetzt festmachen können. Darüber, was im Einzelnen notwendig ist, werden wir uns verständigen müssen. Die fünfte Feststellung: Es gilt der Grundsatz genauer Betrachtung. Die Staatsanwaltschaft und die Gerichte müssen ihre Arbeit machen. Angesichts des politischen Schadens, der schon jetzt eingetreten ist, des riesigen Vertrauensschadens, den die Telekom mit ihrem Verhalten auch uns in der Politik zugefügt hat, können wir aber nicht zwei Jahre warten, bis ein Gericht entschieden hat, sondern müssen klären: Was müssen wir schon jetzt ins Auge fassen? Wofür müssen wir gemeinsam Lösungen finden? In Bezug auf Handlungsempfehlungen möchte ich dreierlei sagen. Ausgangspunkt ist: Was ist überhaupt passiert? Das ist keine Spökenkiekerei oder Kaffeesatzleserei; offensichtlich steht fest: Begonnen haben die schweren kriminellen Handlungen, über die wir hier reden, am 20. Januar 2005, als im Vorstand der Telekom zum wiederholten Male Klage darüber geführt wurde: Warum gibt es alle möglichen Indiskretionen? Warum gehen Informationen raus? - Dann hat der Vorstand oder der Vorstandschef offensichtlich gesagt: Das muss sich ändern. - Das ist auf die Arbeitsebene delegiert worden nach dem Motto: Ich weiß von nichts. Es gibt keine schriftliche Anweisung. Aber das Problem muss gelöst werden. - Dann kommt am Ende eine Agentur in Berlin ins Spiel, die sich in einem noch rechtsfreieren Raum bewegt als vielleicht die untere Ebene, die Arbeitsebene der Telekom. Das ist insofern nicht eine kriminelle Handlung eines Telekom-Mitarbeiters. Wenn man dies unterstellt, wird man sagen müssen: Es steckt dahinter doch System, das wir so wirklich nicht bestehen lassen dürfen. Es kann nicht sein, dass man sich für dumm erklärt und sagt: Es soll alles legal sein, aber die Ausführung soll Ergebnisse liefern. Daraus erwachsen schon jetzt, finde ich, Handlungsempfehlungen, erstens im Bereich Sanktionen. Wenn man genau hinschaut, wie die Sanktionen im Bereich des Datenschutzes aussehen, dann stellt man fest: Sie sind - darauf ist schon hingewiesen worden - unzulänglich. Bei uns gibt es die überaus bescheidene Summe von 300 000 Euro, wenn es um Verletzung von Datenschutzregeln geht. Da ist ein Land wie Griechenland wesentlich weiter als wir. Da gab es gegen die Firma Vodafone Verfahren vergleichbarer Art. Die Summen, um die es dabei ging, waren 19 Millionen Euro in dem einen Fall und 35 Millionen Euro in dem anderen Fall. Das zahlt man nicht aus der Portokasse. Das tut weh. Insofern steckt in der Sanktion wahrscheinlich auch ein didaktischer Wert. ({2}) Ein näherer Blick in die Gesetze zeigt, dass der wirklich harte Tatbestand des § 206 Strafgesetzbuch - Verletzung des Post- oder Fernmeldegeheimnisses - höchstwahrscheinlich für die Telekom selbst gilt, aber wahrscheinlich nicht für die Dienstleister, für diesen grauen Wirtschaftszweig, der sich da entwickelt hat, der Arbeiten übernimmt, von denen am Ende niemand wissen will, wie etwas zustande gekommen ist; Hauptsache, es gibt Ergebnisse. - Diese Branche, die offenbar ein aufblühender Zweig im Wirtschaftsleben ist, hat keine Regeln, jedenfalls keine harten Regeln, die die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses betreffen. Sonst existiert ja immerhin die hohe Strafandrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe. Es gilt also, sich mit der Frage zu befassen: Kann man an den Sanktionen etwas ändern? Zweitens. Eine Frage ist meines Erachtens in den letzten Tagen noch viel zu wenig thematisiert worden, nämlich: Wie können wir Kontrolle verbessern und verstärken? Ihre bisherige Vorgehensweise, verehrter Innenminister, ist in einer Zeitung, wie ich finde, sehr schön zusammengefasst worden. Es hieß, Sie hätten das Lenin-Prinzip offenbar umgedreht: Kontrolle ist gut - das müssen wir vielleicht auch leisten -, aber Vertrauen in die Selbstheilung ist besser. - Das wird nicht funktionieren. Deshalb werbe ich dafür, dass wir - die Andockstellen kann man schon jetzt finden - die Kontrollmöglichkeiten verbessern, dem Datenschutzbeauftragten deutlich verbesserte Möglichkeiten geben, ({3}) der Regulierungsbehörde deutlich bessere Kontrollmöglichkeiten geben. Auch die Datenschutzaufsicht muss verbessert werden. Drittens. Es muss ferner diskutiert werden - die Durchführung ist dann allerdings nicht unsere Angelegenheit -, was der betriebliche Datenschutz kann und darf. Offensichtlich ist das eine bisher relativ schwach ausgebildete Institution. Das zeigt sich auch bei allem, was in der Telekom wohl stattgefunden hat. Man kann schon jetzt sagen: Der Datenschutzbeauftragte ist bei all den Dingen, die seit 2005/2006 intensiv gelaufen sind, und selbst bei der Aufklärung dessen, was ja offensichtlich schon länger als April/Mai dieses Jahres läuft, nicht beteiligt gewesen. Daran wird deutlich: Der Datenschutzbeauftragte ist eher ein zahnloser Tiger, auch wenn er dem Vorstand berichten darf. Aber das genügt aus meiner Sicht nicht. Für ihn muss Kündigungsschutz gelten, er muss direkten Zugang zu allen Vorgängen haben, und er muss alle Datenbewegungen wirklich kontrollieren können. Nun zum Stichwort Vorratsdatenspeicherung. Bei ruhiger Betrachtungsweise gibt es, wie ich meine, schon einen Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privatwirtschaftlichen Bereich. Welche Barrieren sind doch für die Ermittlungsbehörden bei der Vorratsdatenspeicherung aufgebaut worden: Es muss sich um schwere Straftaten handeln, und es muss ein Richter darüber befinden, ob es geschehen darf. Bis zum Beweis des Gegenteils vertraue ich auf das rechtsstaatliche Vorgehen und die Rechtstreue der deutschen Verwaltung bzw. des öffentlichen Bereichs. Die Schwachstelle ist doch ganz offensichtlich die Wirtschaft. An dieser Stelle müssen wir ansetzen, indem wir zum Beispiel sicherstellen - das ist meine erste Schlussfolgerung, Frau Piltz -, dass die bei der Vorratsdatenspeicherung erhobenen Daten von der Wirtschaft nicht missbraucht werden können. Der Datenschutzbeauftragte schlug deshalb eben im Innenausschuss vor, ob die Daten nicht vielleicht separiert werden können, nämlich die Verkehrs- und Geschäftsdaten, die zum Beispiel die Telekom für ihre Geschäfte benötigt, von den Daten, die wir für die Kriminalitätsbekämpfung und die Verhinderung von Terrorismus brauchen. Es gibt also verschiedene Ansatzpunkte. Ich möchte in der Tat, dass diese mit allen Interessierten, also mit allen in diesem Hohen Hause vertretenen Fraktionen und der Wirtschaft, gemeinsam bearbeitet werden. Hier muss es zu einer konzertierten Aktion kommen. Anders können wir den riesigen Vertrauensschaden nicht kompensieren. Ich sehe in dem, was die Telekom gemacht hat, eine wirklich nachhaltige Verletzung unseres Gesellschaftsvertrages. Wenn sich Unternehmen die Freiheit nehmen, die Gesetze zu brechen, die wir alle uns auferlegt haben, dann wird dadurch der Gesellschaftsvertrag, dem wir alle unterliegen, verletzt. Deshalb sehe ich uns alle in der Pflicht, diesen Schaden gemeinsam zu beheben. Es geht hier also nicht um eine Frage der politischen oder gar parteipolitischen Auseinandersetzung; denn gemeinsam können wir hier mehr erreichen. In diesem Sinne: Gutes Schaffen! ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Petra Pau für die Fraktion Die Linke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Telekom soll über einen längeren Zeitraum Mitarbeiter, Führungskräfte und Journalisten ausgespäht, abgehorcht und überwacht haben. Von einer Spitzelaffäre ist die Rede. Andere vergleichen sie bereits mit der Spie17432 gel-Affäre in der alten Bundesrepublik in den 1960erJahren. Inzwischen ist auch die Bahn AG in ähnliche Schlagzeilen geraten. Einige Kollegen vermuten sogar öffentlich, dass auch sie und weitere Abgeordnete im Visier Mehdorns waren. Sollte das stimmen, dann hat der Bundestag ein sehr ernstes Problem; denn für beide, für die Telekom und für die Bahn, trägt die Bundesregierung eine besondere Verantwortung. ({0}) Zurück zur Telekom. Von einer Affäre ist die Rede. Ich finde, so schreibt man einen Skandal klein. Nach Lage der Dinge geht es nämlich um Verfassungsbruch, und zwar mit Vorsatz und mindestens dreifach: Persönlichkeitsrechte wurden ausgehebelt, das Post- und Fernmeldegeheimnis wurde gebrochen, und die Pressefreiheit wurde attackiert. Umso erstaunter vernahm ich die ersten Reaktionen der Bundesregierung: Die Telekom und weitere Telekommunikationsunternehmen sollten nach Berlin kommen und eine Selbstverpflichtung abgeben. Ja, was sollten diese denn sagen? „Wir wollen das Grundgesetz wieder lieb haben“ oder Ähnliches? Oder worum sollte es bei dieser Selbstverpflichtung gehen? Das ist doch Bundeskabarett der schlechtesten Art. ({1}) Inzwischen wurden weitere Stellungnahmen ausgetauscht. Von krimineller Energie ist die Rede und vom berühmten Einzelfall. Aufklärung wird gefordert und vor Schnellschüssen gewarnt. Die einen wollen schärfere Gesetze, andere wollen härtere Strafen. Wieder andere fordern mehr Datenschutzkontrollen. Das mag alles sinnvoll sein; ({2}) aber - Kollege Gehb, in der Sache gebe ich Ihnen recht das geht am eigentlichen Problem vorbei. Der Datenschutzbeauftragte des Bundes, Peter Schaar, hat übrigens vorgestern gesagt, er habe fünf Mitarbeiter für 5 000 Telekommunikationsunternehmen. Er hat also gar keine Chance, großflächig zu kontrollieren. Folglich ist die Gefahr, beim Datenmissbrauch erwischt zu werden, sehr klein. Sie wäre übrigens kaum größer, wenn Schaar 50 Mitarbeiter hätte, die sich um die Telekommunikationsbetriebe kümmern. Ich möchte Ihnen dazu eine kleine Rechnung präsentieren: Nehmen wir einmal an, an einem Tag telefonieren in Deutschland nur 50 Millionen Bürgerinnen und Bürger, und zwar nur einmal. Sie schicken zudem je eine SMS und eine E-Mail ab. Wenn man Absender und Empfänger addiert, fallen so an einem einzigen Tag 300 Millionen Sätze mit Verbindungsdaten an. Diese wiederum sollen nun laut Gesetz für ein halbes Jahr auf Vorrat gespeichert werden. Das heißt, binnen dieses halben Jahres kommen somit rund 60 Milliarden Datensätze zusammen. ({3}) In Wirklichkeit sind es dreimal so viel. Aber allein diese Zahl - 60 Milliarden - sollte uns ein Gefühl dafür geben: Das alles ist nicht mehr kontrollierbar. Das eigentliche Problem ist daher nicht der Missbrauch, sondern die Vorratsdatenspeicherung selbst, und deshalb muss sie vom Tisch. ({4}) Denn je mehr Daten erfasst werden, umso größer ist die Gefahr, dass alles aus dem Ruder läuft. Der einzig sichere Datenschutz ist und bleibt die Vermeidung von Daten. ({5}) Mit der Vorratsdatenspeicherung haben sich die Union und die SPD für das Gegenteil entschieden. So wachsen die Datenberge, und niemand darf sich wundern, wenn daraus auch kriminelle Begehrlichkeiten wachsen. Nein, eine falsche Politik ist der Kern des Telekom-Skandals. ({6}) Nun habe ich sehr wohl den Einwand des Kollegen Bosbach und anderer gehört, die Telekom habe die Daten missbraucht, bevor die Vorratsdatenspeicherung zur Pflicht wurde. Natürlich weiß ich auch, dass bereits vordem Verbindungsdaten gespeichert wurden, ({7}) unter anderem, weil die Telekom-Kunden natürlich ein Recht auf eine transparente Rechnung haben. ({8}) Aber dieser geschäftliche Speichergrund entfällt im Zeitalter der Flatrate immer mehr. Umso mehr wäre die eigentlich spannende Frage: Wie kann man die Speicherung persönlicher Kommunikationsdaten minimieren, statt sie zu maximieren? ({9}) Die Koalition hat sich mit der Vorratsdatenspeicherung fürs Maximieren entschieden. Das ist das Gegenteil von Bürger- und Datenschutz. Die Koalition hat damit noch ein zweites Signal gesetzt, nämlich: Wir brauchen möglichst alles über jeden. Rechtsstaatlich - das habe ich schon damals in der Debatte hier gesagt - rütteln Sie damit an der Unschuldsvermutung, weil auf diese Weise unterstellt wird, jede und jeder ist ein potenzieller Krimineller oder Terrorist. Auch Lidl hat übrigens so argumentiert: Alle sind potenzielle Ladendiebe; also wurden alle überwacht. Genauso war auch die Denkweise bei der Telekom: Im Zweifelsfall hat der Datenschutz zu weichen, allemal, wenn es ums eigene Geschäft geht. Das ist letztlich dieselbe Haltung, die immer wieder in Äußerungen der Unionsparteien, aber auch anderer zu finden ist, nämlich wenn sie behaupten, dass Datenschutz eigentlich Täterschutz sei. Denn so legitimiert man Datenmissbrauch. Datenschutz ist aber kein Täterschutz, sondern Persönlichkeitsschutz. Das hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach bekräftigt. Wenn es seiner eigenen Rechtsprechung treu bleibt, dann wird auch die Vorratsdatenspeicherung keinen Bestand haben. ({10}) Über 30 000 Bürgerinnen und Bürger haben in Karlsruhe inzwischen dagegen geklagt. Auch ich gehöre zur Klagegemeinschaft. Es geht im Übrigen aber um noch mehr. Im sogenannten Volkszählungsurteil hatte das Bundesverfassungsgericht betont: Bürgerinnen und Bürger, die nicht mehr wissen oder nicht mehr wissen können, wer was über sie weiß, sind nicht mehr souverän. Und wer nicht mehr souverän ist, kann auch kein Souverän sein. Eine Demokratie ohne Souveräne aber ist undenkbar. So urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits vor 25 Jahren. Wer den Datenschutz aushöhlt, untergräbt die Demokratie. Das war die mahnende Botschaft. Sie gilt heute mehr denn je; denn noch nie war das technische Überwachungspotenzial so groß wie heute im Zeitalter der Handys, des Internets und der allgegenwärtigen Videokameras. ({11}) Deshalb fordert die Linke auch: Wir brauchen endlich ein neues und modernes Datenschutzrecht. ({12}) Das alte Datenschutzrecht folgt noch häufig den Spielregeln der Zeit, da mit dem Bleistift geschrieben und das Dampfradio gehört wurde. Heute sind wir im 21. Jahrhundert, im Internet-Zeitalter. Es ist also höchste Zeit, den Datenschutz den neuen Bedingungen anzupassen. Unter diesen Bedingungen heißt Datenschutz für mich übrigens nicht, rechtsstaatlich zu regeln, wie Daten erfasst, gehortet und gehandelt werden können. Im Gegenteil: Moderner Datenschutz verlangt, rechtsstaatlich zu regeln, wie das Erfassen, Horten und Handeln von persönlichen Daten grundsätzlich minimiert werden kann. Das wäre eine verantwortungsvolle Aufgabe des Bundestages. Stattdessen werden immer mehr persönliche Daten erhoben und via EU und USA ins unkontrollierbare Nirwana verschickt. Dagegen ist der TelekomSkandal sogar noch ein Kavaliersdelikt. Das macht ihn allerdings nicht besser. Aber es zeigt: Der politisch eingeschlagene Weg ist ein Irrweg. ({13}) Der leichtfertige und gefährliche Umgang mit persönlichen Daten von Staats wegen und in der Wirtschaft hat leider eine Entsprechung in der Bevölkerung. Noch nie wurde so leichtsinnig mit den eigenen Daten umgegangen wie heute. Prüfe jede und jeder selbst, wie viele PayCards er oder sie in Erwartung von Rabatten oder anderen Vorteilen mit sich herumträgt. ({14}) - Löblich, Herr Kollege. ({15}) Es wäre also eine wichtige Aufgabe der Politik - nicht nur von uns beiden, Kollege Tauss -, viel mehr über die Risiken und Nebenwirkungen dieser Karten und der gedankenlosen Datenherausgabe und -weitergabe aufzuklären. ({16}) Die Bundespolitik aber setzt das gegenteilige Signal. Denn sie suggeriert, gegenüber der Sicherheit und für Schnäppchen sei der Datenschutz zweitrangig. Das kann nicht gut gehen, weil damit die Demokratie nicht reparierbar aufs Spiel gesetzt wird. Deshalb habe ich am Anfang der Woche gesagt: Der Telekom-Skandal ist ein Glücksfall; denn er kann erhellen, ({17}) welche Gefahren lauern, wenn wir dem Datenschutz nicht endlich den Stellenwert einräumen, der ihm zukommt. ({18}) Davon sind wir aber weit entfernt. Also wünsche ich mir etwas weniger Empörung über die Telekom und dafür etwas mehr bundespolitische Verantwortung insgesamt für den Datenschutz und die Bürgerrechte. Abschließend: Es ist höchste Zeit für eine neue Bürgerrechtsbewegung. Sie beginnt rund um den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Dieser hatte sich am vergangenen Wochenende bundesweit mit dezentralen Aktionstagen zu Wort gemeldet. Er folgt der Erkenntnis, die ich hier unterstreichen will: Der beste Verfassungsschutz sind noch immer agile Bürgerinnen und Bürger. Das war so, und das bleibt so. ({19})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Renate Künast das Wort. ({0})

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines dürfen wir nicht vergessen: Es ist eine Frage der Grundeinstellung, wie wir mit den Daten der Bürgerinnen und Bürger umgehen. Ist es eigentlich so, wie Herr Schäuble es sieht, nämlich dass alle Bürgerinnen und Bürger potenziell Verdächtige sind? Oder gibt es ein Grundrecht auf Privatheit und ein Selbstbestimmungsrecht bei den eigenen Daten? Genau darum geht die heutige Debatte. ({0}) Die Auffassung von Herrn Schäuble führt eben dazu, dass alles über jeden und das möglichst lange gespeichert wird. An der Stelle kann ich Ihnen nur sagen: Wer das tut, schafft Gelegenheit, und Gelegenheit macht Diebe. ({1}) Wir haben, wenn wir uns das jetzt einmal genauer ansehen, lange Zeit damit zu kämpfen gehabt, dass immer gesagt wurde, der Datenschutz sei so eine Art lästiges Hindernis bei der Verbrechensbekämpfung. An dieser Stelle sehen wir, dass der Datenschutz gar nicht hoch genug bewertet werden kann in dieser digitalen Welt, in der Sie mit jeder Karte, die Sie haben, und mit jeder Information, die Sie an Behörden und an die Wirtschaft geben, einen Beitrag dazu leisten, dass Ihre persönlichen Daten einmal rund um den Globus gehen. Angesichts dessen, dass so etwas bei der Telekom trotz toller Aufsicht über Jahre geschehen kann, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lidl ausgeforscht und gefilmt werden und möglicherweise die Deutsche Bahn - unter Bundesbeteiligung - ihre Kritiker ausspäht - auch das wäre aufzuklären -, kann man nur eines sagen: Wir müssen das Grundrecht auf Privatheit hochhalten und es in das Grundgesetz aufnehmen. ({2}) Wir müssen dafür sorgen, dass möglichst wenige Daten erhoben werden - nur diejenigen, die nötig sind, und für die Dauer, für die dies nötig ist. ({3}) - Da kommen wir aber zu einem anderen Ergebnis, selbst ohne Mammografie, Herr Gehb. Ich sage Ihnen an dieser Stelle ganz klar: Die Regierung streut uns Sand in die Augen. Sie lenken von dem Datenmissbrauch bei der Telekom und den Ursachen dafür ab, indem Sie auf der einen Seite verstärkte Sanktionen fordern. Auf der anderen Seite wollen Sie mit freiwilligen Selbstverpflichtungen arbeiten. Das reicht mir aber nicht. ({4}) „Freiwillige Selbstverpflichtung“ ist ungefähr so wie weißer Schimmel, egal wie lang Sie das Wort noch machen. Trotzdem muss natürlich jede Firma dafür Sorge tragen, dass sie die Gesetze einhält. Das wird - logisch auch die Aufgabe der Telekom sein. ({5}) Ich frage mich angesichts der Placeboeinladung, die Herr Schäuble an die entsprechenden Unternehmen ausgesprochen hat, was der Sinn dieser Einladung war. Warum haben Sie, Herr Schäuble, sie nicht früher eingeladen? Ihre Aufgabe ist doch die Aufsicht der Unternehmen beim Umgang mit Daten. Da ist doch vorher etwas schiefgelaufen; darauf will ich zurückkommen. Ich sage Ihnen ganz klar: Es hat vorher einen Mangel an Kontrolle und eine zu große Datensammelwut gegeben. Genau das muss man abstellen. ({6}) Ihre Einladung wirkt ungefähr so: Nachdem es eine allgemeine Empörung über Lidl, die Telekom und möglicherweise die Bahn gibt, wird Herr Schäuble jetzt vom vehementen Datennutzer zu einer Art Wolf im Schafspelz. ({7}) - Gegen Grimms Märchen können Sie nichts haben. Herr Minister, Sie waren es doch, der das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gemacht hat, das die Telekom quasi zur Schatzhüterin der Verbindungsdaten von Bürgerinnen und Bürgern gemacht hat. Ich sage Ihnen: Dieses Gesetz wird künftig dazu führen, dass Sie ungeheure Datenberge haben werden - noch mehr, als Frau Pau es vorgerechnet hat. Mit jeder weiteren Information und Verbindung, die gespeichert werden, wird die Missbrauchsgefahr ganz stark steigen. ({8}) Herr Schäuble, Sie haben uns hier vorgemacht, dass es eine Art Heiligenschrein gebe, in dem Millionen von Verbindungsdaten lagern, und nur auserlesene Hohepriester hätten jemals wieder Zugang zu diesen Daten. Wie wollen Sie eigentlich damit umgehen, dass es diese Unzuverlässigkeit gegeben hat? Ich glaube, damit ist Ihre Argumentation wie ein Kartenhaus zusammengefallen. Ich sage Ihnen: Die Vorratsdatenspeicherung muss weg; denn sie ist eine Gelegenheit für Diebe. ({9}) Wir leben in einer digitalen Welt. Dabei ist eine Leitlinie die richtige, nämlich die, Datenarmut herzustellen. Möglichst wenige Daten zu erheben und zu speichern, ist die beste Prävention. ({10}) Herr Schäuble, wir alle wissen, dass das Bundesverfassungsgericht die Anwendung der Vorratsdatenspeicherung mit einer einstweiligen Anordnung beschränkt hat. Lassen Sie uns nach dem Onlineurteil nicht auf die nächste Ohrfeige aus Karlsruhe warten! Legen Sie an dieser Stelle nicht weiter Hand an die Sicherheitsarchitektur, sondern sorgen Sie dafür, dass wir diese Daten nicht erheben! Ich will Ihnen sagen, warum wir als Grüne dieses große Misstrauen hegen. Ich stelle mir das bildlich vor: Telekom-Mitarbeiter wenden sich an einen Dienstleister und vergeben dort Aufträge in sechsstelliger Höhe. Keiner der Beteiligten hatte offensichtlich die Sorge, dass es irgendwelche Kontrollen gibt und dass das Ganze auffliegt. ({11}) - Jetzt liest Herr Schäuble tatsächlich Herrn van Essen seine SMS vor. ({12}) Die Nummer ist gut. Das ist ein interessanter Fall von Datenweitergabe. ({13}) Herr Schäuble, 3 000 Bürgerbeschwerden gingen 2007 beim Bundesdatenschutzbeauftragten ein, doppelt so viele wie noch vor Jahren. Was tun Sie eigentlich, um den Bundesdatenschutzbeauftragten mit entsprechendem Personal auszustatten? Was tun Sie dafür, dass es so etwas wie Protokolle über den Zugriff auf Daten bei den Telekommunikationsfirmen gibt? Was tun Sie dafür, dass es wirklich eine effiziente und effektive Kontrolle gibt? Auch da haben Sie versagt. Datenmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt. Wir haben ein Recht auf Privatheit. Dies muss im Grundgesetz festgelegt werden. Der erste Schritt dazu ist: Weg mit der Vorratsdatenspeicherung. Nur Aufräumen hilft hier nichts. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Bundesregierung hat nun der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, das Wort.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Künast, da Transparenz ein Mittel ist, um die schwierige Frage zu beantworten: „Wie können wir den Notwendigkeiten des Schutzes von Grundrechten im Allgemeinen und des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung - also Datenschutz - im Besonderen Rechnung tragen?“, will ich Ihnen nicht verschweigen, womit wir uns gerade beschäftigt haben. Da Sie den Wolf im Schafspelz mit Grimms Märchen in Verbindung gebracht haben und wir Zweifel daran hatten, ob das zutreffend ist, haben wir nachgeforscht. Jetzt kann ich Ihnen sagen, dass das falsch ist. ({0}) Wie das meiste, was Sie gesagt haben, war auch das Zitat falsch. ({1}) Ich will Ihnen aber sagen, was richtig ist. Es stammt aus Matthäus 7, Vers 15. Darin wird vor falschen Propheten gewarnt, die im Schafspelz daherkommen und inwendig reißende Wölfe sind. ({2}) So ist es. Genau so sind Sie mir gerade ein wenig vorgekommen. ({3}) Die Richtlinie der Europäischen Union, die umzusetzen die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet ist - wir haben das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht aus Jux und Tollerei gemacht, sondern weil das Vorgaben einer Richtlinie der Europäischen Union sind -, stammt vom 15. März 2006. Solche Richtlinien werden nicht als Schnellschüsse vorgelegt; da gibt es eine lange Vorbereitung. Das heißt, sie ist schon zu der Zeit, als Frau Künast ehrenwertes Mitglied der Bundesregierung war, erarbeitet, vorbereitet und zur Entscheidung gebracht worden. Reden Sie doch nicht falsch Zeugnis gegenüber Ihrer eigenen Vergangenheit! ({4}) Eine weitere Bemerkung, ({5}) unabhängig von dem konkreten Fall, der sehr schlimm ist. Herr Kollege Bürsch, in der Tat habe ich in dieser Woche erklärt: Der Satz „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ ist gefährlich. - Ich finde schon, dass eine freiheitliche Ordnung - ich habe das nicht im Zusammenhang mit dem Datenschutz gesagt, sondern das grundsätzlich gemeint - auch auf Vertrauen beruht. Wenn alles nur mit Kontrolle geht, kommen wir zu einem totalen Überwachungsstaat. ({6}) - Ich habe Ihnen auch zugehört. Ich versuche gerade, zu erklären, warum ich diesen Satz gesagt habe. Freiheitliche Verfassungen leben von Voraussetzungen, die sie selber nicht so leicht gewährleisten können. Dazu gehört ein hinreichendes Maß an Vertrauen. Deswegen ist der Schaden so groß, wenn das Vertrauen gerade auch durch Verantwortungsträger und Eliten verletzt wird. Wir haben Gesetze. Wo Menschen sind, wird gegen Gesetze auch verstoßen. Frau Kollegin Piltz hat zu Recht aus der Bibel zitiert: „Wer unter Euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Frau Kollegin, Sie haben nur den Fehler gemacht, anschließend Steine zu werfen. Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie ohne Sünde sind? Ich fürchte, nein, Frau Kollegin Piltz, Sie kommen mir nämlich ziemlich menschlich vor. ({7}) - Nein, ich greife nur Ihr Zitat auf. Der Sinn einer Debatte besteht doch darin, dass man auf das eingeht, was zuvor gesagt worden ist. Sonst macht eine Debatte schließlich keinen Sinn. Auch das ist ein Teil von Kommunikation. Ich möchte folgende Bemerkung machen, weil das in der Debatte bisher noch nicht gesagt worden ist: Für die Kontrolle der Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist nicht nur und nicht in erster Linie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz zuständig; ({8}) da wären seine fünf Mitarbeiter völlig überfordert. Der Vollzug der Gesetze ist gemäß Grundgesetz in der Regel Sache der Länder. Die Bundesländer sind für die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zuständig. Es gibt Verwaltungseinrichtungen, die versuchen, die Einhaltung dieser Bestimmungen zu gewährleisten. Trotzdem wird dagegen verstoßen. Dieser Fall muss uns natürlich Anlass geben, darüber nachzudenken, was man daraus lernen kann. Ich finde, es war richtig, dass der Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Dr. Beus, nach Bekanntwerden des Vorfalls in der vergangenen Woche die Vertreter der Branche zu einem Treffen eingeladen hat. Es ist gut, mit den betroffenen Verbänden und Unternehmen - das sind die, die es am besten wissen müssten - darüber zu reden, was man tun kann, um die Wahrscheinlichkeit, dass gegen solche Gesetze verstoßen wird, zu verringern. Ich kann verstehen, dass manche Unternehmen gesagt haben, dass sie im Augenblick nicht gemeinsam mit diesem Unternehmen auftreten möchten, sich lieber fernhalten. Es bleibt ihnen allerdings nicht erspart, sich im Sinne einer sachkundigen Beratung Gedanken darüber zu machen, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Kollege Bürsch, wir müssen Konsequenzen ziehen. Es liegt viel Arbeit vor uns. ({9}) Wir müssen mit den Betroffenen reden. Damit kann man nicht schnell genug anfangen. Wir werden aber keinen Schnellschuss machen. In dem Gespräch haben wir verabredet, dass die Telekom, die mit der Beauftragung des früheren Bundesrichters Dr. Schäfer und anderen Maßnahmen wichtige Schritte auf dem Weg zur eigenen Aufklärung unternommen hat, den anderen Unternehmen und den Verbänden ihre Erkenntnisse zur Verfügung stellt. Diese Erkenntnisse werden mit der Bundesnetzagentur, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Datenschutzbeauftragten erörtert. Danach werden wir im Beratungsprozess vorangehen und die notwendigen Entscheidungsgrundlagen erarbeiten. Es ist zu berücksichtigen, dass der Datenschutz bei Telekommunikationsunternehmen noch sensibler zu handhaben ist als bei anderen Unternehmen, die auch gegen den Datenschutz verstoßen können, weil die Telekommunikationsunternehmen mit den vielen Daten umgehen müssen. Nach der Architektur unseres Grundgesetzes müssen wir den Schutz der Daten gewährleisten und den Zugriff darauf rechtlich begrenzen, und zwar auch gegenüber staatlichen Sicherheitsorganen. Deswegen ist dieses Thema besonders sensibel. Zusätzliche institutionelle Vorkehrungen können getroffen werden. Der Gesetzgeber muss gegebenenfalls Schlussfolgerungen ziehen. Das machen wir - zügig und intensiv, aber sorgfältig. Daran wird gearbeitet. Neben dem Spaß an den neuen Telekommunikationstechnologien gibt es auch eine große Besorgnis. Aufgrund des ungeheueren Fortschritts im Bereich der Telekommunikationstechnologien gibt es viel mehr Kommunikation, übrigens auch im Reiseverkehr. Deswegen sind fälschungssichere Ausweise wichtig. Am Flughafen Frankfurt zum Beispiel starten und landen jährlich 40 Millionen Passagiere. Das Reiseaufkommen nimmt ungeheuer zu. Das ist eine Frage der Mobilität, der Globalisierung und des technischen Fortschritts. Der Umfang an Kommunikation nimmt enorm zu. Es ist hier ein Rechenspiel angebracht worden zu der Datenmenge, die entsteht, wenn jeder täglich einen Telefonanruf tätigt, eine SMS und eine E-Mail verschickt. Das ist ja wahr. Auf der anderen Seite ist das Mehr an Daten eine wichtige Grundlage unseres unglaublichen technischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritts. Wie sollen 6,5 Milliarden Menschen auf dieser Erde leben, wenn wir keinen technischen und wissenschaftlichen Fortschritt haben? ({10}) Trotzdem gibt es Probleme, an deren Lösung wir jeden Tag arbeiten. - Herr Kollege Beck, ich rede ernsthaft über wirklich grundlegende Probleme. ({11}) - Mobilität ist auch Kommunikation und Kommunikation zwischen Menschen. ({12}) Wir kommunizieren ja auch, manchmal fröhlich und manchmal ernst. Auf jeden Fall bemühen wir uns. Infolge von mehr Kommunikation entstehen mehr Daten. Demnächst werden wir vielleicht eine Debatte darüber führen, ob sichergestellt ist, dass die Banken mit den Daten vernünftig umgehen. Die Daten sind notwendig, damit Sie wissen, wie viel Geld Sie auf Ihrem Konto haben und wer darauf zugreift. Als Innenminister muss ich sicherstellen - das ist meine, aber auch Ihre Aufgabe -, dass niemand auf Ihr Konto zugreift, der dazu nicht befugt ist. Deswegen muss ich Ihnen beispielsweise eine sichere Identifizierung ermöglichen. Auf der anderen Seite wird dann wiederum die Sorge geäußert, ob das nicht übertrieben ist. Das ist ein Zielkonflikt, den wir aushalten müssen. Wir sollten es uns nicht zu leicht machen. Wir sollten aber auch keine Debatte führen, die in der Öffentlichkeit Verunsicherung erzeugt. Sonst beklagen wir diese anschließend und machen uns gegenseitig einen Vorwurf daraus. Natürlich ist es in der Menschheitsgeschichte - wir haben die Bibel schon viel zitiert: seit Adam und Eva und der Vertreibung aus dem Paradies - schon immer so gewesen, dass jeder Fortschritt ambivalent ist. Er ist Fluch und Segen zugleich. Der technische Fortschritt ist ein großes Glück. Wir arbeiten daran, wir setzen auf Forschung und Innovation. Anders werden wir unseren Platz in der globalisierten Welt nicht behalten können. Aber wir müssen verantwortlich damit umgehen. Ängste zu schüren, wird uns nicht in die Lage versetzen, verantwortlich Schlussfolgerungen zu ziehen und immer wieder aus auch schmerzlichen Erfahrungen zu lernen. Die offene Gesellschaft beruht auf dem Wissen, dass Fehler geschehen, aber auch auf der Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, sie zu korrigieren und immer wieder neu darüber zu diskutieren. Aber das Prinzip, Debatten nach dem oberflächlichen Regelwerk von Political Correctness zu tabuisieren, bewirkt keinen Fortschritt, keine Sicherheit, von Grundrechten nicht und auch nicht von menschlicher Freiheit. Deswegen werbe ich für eine tabufreie Debatte, die sensibel ist und keine Ängste schürt, sondern unsere Verantwortung als Mitglieder des höchsten Verfassungsorgans ernst nimmt. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Minister, gestatten Sie am Ende Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage des Kollegen Bürsch?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Wenn Sie, Frau Präsidentin, am Ende der Redezeit noch eine Zwischenfrage ermöglichen, dann gerne.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Natürlich. - Herr Dr. Bürsch, bitte sehr.

Dr. Michael Bürsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003018, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte Ihnen, Herr Minister, Gelegenheit geben, Ihren Gedanken fortzuführen. Alles verändert sich: der technische Fortschritt, gesellschaftliche Entwicklungen. Wäre es nicht logisch, wenn Sie Ihren Gedanken über den technischen Fortschritt, dem wir Rechnung tragen müssen, so fortführen, dass wir jetzt gemeinsam eine Modernisierung des Datenschutzrechtes angehen sollten, und zwar noch in dieser Legislaturperiode? Das Datenschutzrecht - da gebe ich manchen Rednern recht - ist auf dem Stand von anno Tobak. Sollten wir Ihre richtige Analyse dieser Zeit also nicht dazu nutzen, gemeinsam eine Modernisierung anzugehen? ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Sie wissen, dass mein Ministerium und ich mit Hochdruck daran arbeiten. Wir legen zum Beispiel einen Gesetzentwurf zum Scoring vor, weil wir das Problem bei den Auskunfteien haben. Daran arbeiten wir intensiv. ({0}) Um die Chance, die Sie mir durch Ihre Zwischenfrage - mit der Genehmigung der Präsidentin - eröffnet haben, nicht exzessiv zu nutzen, sage ich nur Folgendes: Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Herr Schaar, hat gesagt, und zwar öffentlich, wir hätten zurzeit endlich wieder einen Innenminister, dem der Datenschutz wichtig sei, bei seinen Vorgängern sei das nicht der Fall gewesen. Herzlichen Dank. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Jörg van Essen für die FDP-Fraktion.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat mich natürlich gefreut, dass engagierte Christen in der FDP den Christdemokraten Nachhilfe in Bibelkenntnis geben konnten. Das nur als Bemerkung vorweg. Ich glaube, dass die Diskussion der letzten Tage, aber auch der letzten Monate über die Fälle Lidl und jetzt Telekom zeigt, dass wir beim Datenschutz möglicherweise einen Bereich vernachlässigt haben, der wieder in den Fokus gehört, nämlich die Datennutzung durch Private. Wir führen intensive Debatten über die Datennutzung durch den Staat. Es gibt heftige Debatten darüber, ob Kameras auf Bahnhöfen aufgebaut werden dürfen und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden. Wir nehmen es als ganz selbstverständlich hin, dass wir jedes Mal dann, wenn wir tanken, gefilmt werden. Es interessiert uns überhaupt nicht, was mit diesen Aufnahmen geschieht, welche Zeitspanne aufgenommen wird und wie lange die Aufnahme gespeichert wird. Ich glaube, eine der Lehren aus den letzten Tagen ist, dass wir uns dem Datenschutz im privaten Bereich wieder sehr viel intensiver widmen müssen. ({0}) Die FDP-Bundestagsfraktion hat dazu einen ganz hervorragenden Antrag eingebracht. Ich erhoffe mir, dass wir dazu im Bundestag eine sachliche Debatte führen werden. Herr Kollege Bürsch, Sie haben in diesem Zusammenhang einige Vorschläge gemacht, die meine ausdrückliche Zustimmung finden. Mir hat Ihre Rede von den vielen Reden, die wir bisher gehört haben, ganz besonders gut gefallen. Ich glaube, dass es sich lohnt, über Ihre Vorschläge nachzudenken. ({1}) Ich habe wie Sie das Gefühl, dass wir im Bereich der Sanktionen nachsteuern müssen. Wenn es tatsächlich so ist, dass die beauftragten Firmen strafrechtlich nichts zu befürchten haben - das haben Sie gesagt, und das ist auch mein Gefühl -, dann müssen wir dieses Thema selbstverständlich auf die Tagesordnung setzen. Ich glaube auch, Sie haben zu Recht vorgetragen, dass wir die Ausstattung im Bereich des Datenschutzes, insbesondere die der Datenschützer, verbessern müssen. In einem Punkt bin ich völlig anderer Auffassung als Frau Künast. ({2}) Es war wieder einmal typisch, dass die Grünen an dieser Stelle nur nach dem Staat rufen. Ich hingegen teile die Auffassung des Innenministers, dass hier zunächst einmal die Unternehmen Verantwortung tragen. Ein Unternehmen wie die Telekom steht zunächst einmal selbst in der Verantwortung, ({3}) dafür zu sorgen, dass es sauber ist bzw. dass die Konsequenzen aus einer solchen Affäre gezogen werden. ({4}) Darüber hinaus müssen wir natürlich auch den anderen Fragen, die hier aufgeworfen worden sind, nachgehen. Wir als FDP haben, wie gesagt, einen entsprechenden Antrag in den Deutschen Bundestag eingebracht. ({5}) Ich glaube, dass diese Debatte zum Anlass genommen werden sollte, darüber nachzudenken, wie der Staat mit dem Datenschutz umgeht. Wir sammeln immer mehr Daten, und viele erwecken den Eindruck: Je mehr Daten vorhanden sind, desto sicherer können wir in unserem Land leben. ({6}) Das Gegenteil ist der Fall. Das hat spätestens der 11. September 2001 gezeigt. Alle Daten waren vorhanden, man hat sie aber nicht zusammenführen können. Eine Konsequenz des uferlosen Sammelns von Daten ist, dass ihre Zusammenführung immer schwieriger wird. Deshalb denke ich, dass auch hier ein Nachdenken erforderlich ist. ({7}) An einem Thema, das auch Gegenstand der heutigen Debatte war, wird das ganz besonders deutlich: an der Vorratsdatenspeicherung. Als wir damals über dieses Thema diskutiert haben, habe ich für meine Fraktion geredet und die Vorhersage gemacht, dass man mit diesem Vorhaben vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern wird. Die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts ist ein erstes Anzeichen dafür, dass diese Regelung so, wie sie verabschiedet wurde, nicht bestehen bleiben wird. ({8}) - Ja, das weiß ich. Ich habe mich sehr intensiv damit beschäftigt. Deshalb lautet unsere Forderung - ich wiederhole sie -: Mit der Vorratsdatenspeicherung muss schnellstmöglich Schluss sein. Wir fordern Sie auf, das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufzuheben; ({9}) denn es fehlt schon die Grundlage. Irland hat nicht ohne Grund Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erhoben. Der Europäische Gerichtshof hat nämlich im Hinblick auf die Fluggastdatenspeicherung festgestellt, dass die rechtliche Grundlage für diese Maßnahme nicht ausreicht. ({10}) Deshalb ist schon jetzt klar, wie das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ausfallen wird. Das heißt, diese Richtlinie hat keine rechtliche Grundlage.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, ich möchte gerne zu Ende reden. ({0}) Hinzu kommt: Dass das Bundesverfassungsgericht eine vorläufige Anordnung erlässt, macht deutlich, dass hier etwas geregelt worden ist, das so keinen Bestand haben kann. Ich komme zum Schluss. Die FDP-Bundestagsfraktion fordert die Koalitionsfraktionen mit Nachdruck auf, das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung aufzuheben. Das wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Datenschutz in unserem Land. Vielen Dank. ({1})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Sebastian Edathy.

Sebastian Edathy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003111, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vorkommnisse bei der Telekom, die nun bekannt geworden sind, sind vor allem eines: ein Vertrauensmissbrauch gegenüber den Millionen Kunden dieser Firma. Millionen Bürgerinnen und Bürger sind davon ausgegangen, dass ihre Daten bei diesem Unternehmen in sicheren Händen sind. Zunächst einmal - darauf ist zu Recht hingewiesen worden - ist es Sache der Staatsanwaltschaft in Bonn, die Aufklärung voranzutreiben und zu bewerten, gegen welche rechtlichen Vorschriften verstoßen wurde: ob gegen das Bundesdatenschutzgesetz, gegen das Telekommunikationsgesetz oder gegen das Strafgesetzbuch. Ich gebe dem Kollegen Gehb an einer Stelle ausdrücklich recht: Wir als Gesetzgeber sind gut beraten, den Verlauf dieser Ermittlungen abzuwarten. Ich halte nichts davon, auf Gesetzesverstöße mit dem Reflex der Gesetzesänderung zu reagieren. Herr Gehb, ich hoffe, das gilt künftig auch für das Jugendstrafrecht. ({0}) Denn als es zu Beginn dieses Jahres um dieses Thema ging, haben wir bei Ihnen und Ihren Parteifreunden leider ein anderes Verhalten erlebt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Kernproblem scheint nicht notwendigerweise die Rechtslage zu sein, sondern eine zumindest in Teilen der deutschen Wirtschaft vorhandene Gleichgültigkeit gegenüber der Rechtslage. ({1}) Wer gewillt ist, gegen Gesetze zu verstoßen, wird sich letztlich auch nicht durch eine Rechtsänderung ({2}) von der Verwirklichung dieses Willens abhalten lassen. ({3}) Ich habe übrigens gewisse Zweifel daran, ob wir solcher Ignoranz mit Appellen zur Abgabe von Selbstverpflichtungen entgegenwirken können. ({4}) Jeder Bürger in diesem Land hat die selbstverständliche Pflicht, sich an geltendes Recht zu halten. Dazu bedarf es keiner Deklarationen. All das hindert uns keineswegs daran, mit aller Sorgfalt - da bin ich mit dem Kollegen Bürsch einig - zu prüfen, ob die Rahmenbedingungen für die Beachtung des Datenschutzes ausreichend sind. Lassen Sie mich drei Aspekte ansprechen. Erstens. Wie ist es um den betrieblichen Datenschutz bestellt? Ist der Datenschutzbeauftragte hinreichend unabhängig, und ist er hinreichend wirkungsmächtig? Ist er für seine Aufgaben hinreichend qualifiziert? Ist er, zumindest bei größeren Firmen, für die Wahrnehmung seiner Aufgaben abgestellt, oder ist das eine Nebentätigkeit, die er quasi ehrenamtlich erledigt? Sind die gesetzgeberischen Vorschriften in diesem Bereich ausreichend? Zweitens. Wie kann man, um auf den konkreten Fall zu sprechen zu kommen, bei den Telekommunikationsdienstleistern sicherstellen, dass der Zugriff auf Datenverkehrsinformationen nicht unbemerkt bleibt? Wäre es zum Beispiel sinnvoll, vorzuschreiben, dass interne Zugriffe auf Daten der Kunden automatisch protokolliert werden, ({5}) damit sie vom betrieblichen Datenschutzbeauftragten systematisch entdeckt werden können, damit man nicht auf Zufälle angewiesen ist? Wäre es nicht eine Überlegung wert, zu einem System überzugehen, bei dem die Daten prinzipiell verschlüsselt werden, um den Kreis der potenziellen Personen, die Zugriff nehmen können, möglichst klein zu halten? Wäre es nicht denkbar, vorzuschreiben, dass die Unternehmen Kunden, deren Daten missbräuchlich verwendet worden sind, automatisch benachrichtigen müssen, damit sie ihre Interessen wahrzunehmen und ihr Recht gegebenenfalls gerichtlich durchzusetzen in der Lage sind? Drittens. Wie ist es um die Arbeitsfähigkeit der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden bestellt? Der Bundesinnenminister hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Länder mit in der Verantwortung stehen. Es geht allerdings auch darum, das Amt des Bundesbeauftragten für den Datenschutz als Aufsichtsamt ernst zu nehmen. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Schaar hat mitgeteilt, dass er für den Bereich der Firmenüberprüfung gerade einmal 6,8 Stellen zur Verfügung hat und dass diese Mitarbeiter auch die Beschwerden, die schriftlich eingehen, bearbeiten müssen. Die Zahl der Beschwerden hat sich in den Jahren von 2002 bis 2007 von 1 600 auf 3 200 verdoppelt, ohne dass das Personal aufgestockt worden wäre. Wir sollten, wenn wir in Bälde über den Bundeshaushalt 2009 sprechen, beim Haushalt des Bundesinnenministeriums überlegen, wie wir im Konsens der Fraktionen den Stellenpool beim Bundesdatenschutzbeauftragten aufstocken können. Niemand wird ernsthaft die Forderung stellen, dass die Mitarbeiter des Bundesdatenschutzbeauftragten gewissermaßen wöchentlich bei den Firmen auf der Matte stehen. Aber wenn die Firmen davon ausgehen können, dass eine Überprüfung praktisch nicht vorkommt, dann ist das so, als wenn angekündigt wird, dass es keine Straßenbahnkontrolleure mehr gibt: Viele Passagiere würden wegen des guten Gewissens weiterhin eine Fahrkarte kaufen; aber die Zahl der Schwarzfahrer wird größer sein, als wenn bekannt ist, dass, zumindest sporadisch, Kontrollen stattfinden. Deshalb muss sichergestellt werden, dass Datenschutzkontrollen in den Firmen vorkommen können. ({6}) Mit diesen Fragen sollte sich der Deutsche Bundestag in den kommenden Wochen und Monaten intensiv beschäftigen. Dabei sollte auch die Frage der Obergrenzen für Bußgelder eine Rolle spielen. Es ist in der Tat zu hinterfragen, ob eine Grenze von 250 000 Euro, wie im Bundesdatenschutzgesetz vorgesehen, bzw. von 300 000 Euro, wie im Telekommunikationsgesetz vorgesehen, ausreichend ist. Für eine kleinere Firma, für einen Mittelständler ist das sicherlich ein Batzen Geld; aber für die Telekom sind das, um das verruchte Wort in den Mund zu nehmen, Peanuts. Ich glaube, es ist wesentlich, durch eine verbesserte Prävention alles zu tun, um zu vermeiden, dass es überhaupt zu Datenmissbrauch kommt. Ein Vergehen verhindern zu helfen, ist besser, als es strenger zu ahnden, wobei sich beides nicht ausschließt. Heute Morgen haben alle Fraktionen im Innenausschuss vereinbart, miteinander Gespräche über Veränderungen des Bundesdatenschutzgesetzes aufzunehmen. Ich glaube, man sollte den Fall Telekom dabei nicht isoliert betrachten. Auch vor dem Hintergrund der Bespitzelung von Mitarbeitern durch die Firma Lidl ist es völlig gerechtfertigt, die Frage zu stellen, ob es noch zeitgemäß und zu verantworten ist, dass wir durch das geltende Gesetz zwar sicherstellen, dass öffentliche Stellen nicht nur Schadenersatz leisten müssen, sondern auch Schmerzensgeld zu zahlen haben, wenn sie Datenmissbrauch betrieben haben, dass aber private Firmen nur Schadensersatz zahlen müssen. Damit ist der Verkäuferin bei Lidl, deren Privatgewohnheiten ausgespäht worden sind, im Zweifelsfall nicht geholfen. Diese Privilegierung von privaten Stellen gegenüber öffentlichen Behörden bei Verstößen gegen das Bundesdatenschutzgesetz halte ich nicht für vertretbar. ({7}) Beim Thema Datenschutz geht es nach meinem Dafürhalten im Kern nicht um Parteipolitik. Es muss vielmehr um ein Anliegen gehen, dass jedem Demokraten wichtig ist. Deswegen habe ich den herzlichen Wunsch und die herzliche Bitte - auch vor dem Hintergrund einiger Beiträge heute -: Wir sollten uns hier im Bundestag nicht gegenseitig absprechen, dass uns Datenschutz wichtig ist. ({8}) Lassen Sie mir noch ein paar Sekunden Zeit, um folgenden Gedanken zu äußern: Wer die Vorratsdatenspeicherung für Zwecke der Strafverfolgung befürwortet, ist deswegen noch lange kein Gegner von Datenschutz und auch kein Feind der Achtung der Privatsphäre. Es ist gerade keine Missachtung der Privatsphäre, wenn der Staat zum Beispiel bei der Ermittlung eines Terrorverdächtigen sicherstellt, die Telefonverbindungen der betreffenden Person in den letzten Wochen und Monaten überprüfen zu können, ohne diese Daten selber zu speichern. Ich glaube, die Aussage, dass wir alles speichern und überwachen müssen, ist genauso falsch, wie zu sagen, dass wir in diesem Bereich auf alles verzichten können. Wir brauchen einen Mittelweg. Wir brauchen eine Balance, durch die die Achtung der Sicherheitsinteressen unseres Landes und zugleich die Achtung der Freiheitsund der Bürgerrechte der Menschen, die in diesem Land leben, sichergestellt wird. Danke schön. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Silke Stokar von Neuforn für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es seit Tagen mit dem größten Datenschutzskandal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu tun. Ich finde, dass wir in dieser Debatte im Parlament relativ brav über Datenschutz und unsere unterschiedlichen Bewertungen diskutieren. Lassen Sie mich noch einmal auf den Kern des Skandals zurückkommen. Hier ist mit großer krimineller Energie - anders kann man das nicht ausdrücken - gegen die Pressefreiheit in unserem Lande und gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vorgegangen worden. Hintergrund war der sogenannte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Es hat kein Schuldbewusstsein gegeben; das Bewusstsein dafür, dass DaSilke Stokar von Neuforn tenschutz ein wichtiges Grundrecht unserer Gesellschaft ist, fehlte. So langsam dämmert dem Konzern Telekom offensichtlich, dass hier ein riesiger Vertrauensverlust entstanden ist, der nicht ohne ökonomische Schäden bleiben wird. Herr Bundesinnenminister Schäuble hatte die Telekommunikationsunternehmen für Montag zu einem Treffen eingeladen. Ich fand es schon ziemlich arrogant, dass Unternehmen, die im Auftrag des Staates mit sensiblen Kommunikationsdaten umgehen - sie sind einmal privatisiert worden -, es nicht für nötig befunden haben, der Einladung zum Thema Datenschutz Folge zu leisten. ({0}) Herr Bundesinnenminister Schäuble hat in seiner Rede erklärt, er wolle aus dem Skandal lernen. Aber hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung hat er den Ablauf falsch dargestellt. Ich erinnere mich sehr gut daran, dass wir hier im Parlament nach Art. 23 Grundgesetz gemeinsam - fraktionsübergreifend - unseren Vorbehalt gegenüber der Vorratsdatenspeicherung zum Ausdruck gebracht haben. ({1}) Es bedurfte des Wechsels hin zur Großen Koalition, damit dieser Vorbehalt unter dem Druck der CDU/CSU wieder zurückgenommen werden konnte. Erst danach hat Bundesjustizministerin Zypries auf europäischer Ebene die in meinen Augen verfassungswidrige Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht. So waren der Ablauf. ({2}) Was Herr Bundesinnenminister Schäuble aus dieser Affäre lernen will, hat er uns heute vor dieser Debatte verkündet, als es um das BKA-Gesetz ging. Wir haben es hier mit einer Vertrauenskrise im Bereich Telekommunikation zu tun, und gleichzeitig reden wir über ein BKA-Gesetz, mit dem der Staat zum ersten Mal - das ist eigentlich ein krimineller Akt - die Rechtsgrundlage dafür schaffen will, sich selbst als Hacker betätigen und in die Internetkommunikation der Bürgerinnen und Bürger eindringen zu dürfen. Es ist jetzt nicht nur die Stunde der Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft. Auch in Richtung der FDP, die beim Datenschutz immer dann, wenn es um Privatunternehmen geht, etwas zurückhaltender wird ({3}) - bei Steuerhinterziehung tun Sie es auch -, sage ich: Die Telekom ist kein normales Privatunternehmen. Sie handelt im staatlichen Auftrag, und der Staat hat Anteile an der Telekom. Die Telekom soll Aufträge im Zusammenhang mit der Gesundheitskarte bekommen. Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass das Telefonsystem des Bundestages und der Ministerien, der sogenannte Informationsverbund, und damit alle unsere Telefonate und E-Mails über die Telekom gehen, von der wir heute wissen, wie sie arbeitet? Ich sehe es als Aufgabe des Parlaments an - das habe ich heute auch im Innenausschuss gesagt -, hier Aufklärung zu betreiben, weil es darum geht, ob die Telekommunikationsunternehmen - an erster Stelle die Telekom - noch die für die Erledigung staatlicher Aufträge erforderliche Zuverlässigkeit aufweisen. Dies haben wir zu prüfen; das ist, Herr Kollege Gehb, nicht Aufgabe der Staatsanwaltschaft. ({4}) Die Vorschläge zu mehr Datenschutz sind hier genannt worden. Die grüne Fraktion fordert seit Jahren, das Datenschutzaudit umzusetzen. ({5}) Wir werden das noch spezifizieren und verlangen, dass Telekommunikationsunternehmen nicht vom Staat damit beauftragt werden dürfen, Daten zu speichern, solange es in diesem Verfahrensbereich kein staatliches Audit gibt. ({6}) Meine Damen und Herren, ich habe nichts gegen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft, wenn sie zwei Bedingungen erfüllen.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Redezeit?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, das ist mein letzter Satz. - Selbstverpflichtungen der Wirtschaft müssen sanktionenbewehrt sein; sie können nicht freiwillig sein. Die Standards einer Selbstverpflichtung unterliegen einer staatlichen Kontrolle. Dann können wir über diesen Punkt reden. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Sie hatten vorhin schon den letzten Satz angekündigt.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das einzig Gute an dieser Affäre ist: Datenschutz ist wieder ein Wert in dieser Gesellschaft, und er sollte auch ein Grundwert in unserer Verfassung werden. Danke schön. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Martina Krogmann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Martina Krogmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003163, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren hier heute ein wirklich sensibles Thema. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam auf unsere Wortwahl achten. Frau Pau, Sie haben mehrfach gesagt, die Telekom habe gegen Gesetze verstoßen und Mitarbeiter ausspioniert. Das ist erstens falsch, weil es einzelne Personen bei der Telekom waren - ich halte es für ganz wichtig, darauf hinzuweisen -, und es ist zweitens gefährlich, weil Sie dadurch automatisch alle über 200 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unter Generalverdacht stellen und für die kriminelle Energie Einzelner in Sippenhaft nehmen. ({0}) - Sie haben völlig recht, Frau Enkelmann, man darf es nicht kleinreden. Darauf komme ich noch zu sprechen. Aber man darf auch nicht alle Mitarbeiter und das gesamte Unternehmen unter Generalverdacht stellen; denn auch damit richtet man Schaden an. Es war mir wichtig, das zu betonen. Worum muss es uns in der Debatte gehen? Wir sind uns darin einig, dass es sich um einen ungeheuerlichen Skandal handelt, weil einzelne Personen vorsätzlich und systematisch gegen grundgesetzlich verankerte Bürgerrechte, das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit und gegen den Datenschutz und die Datensicherheit verstoßen haben. Deshalb besteht eine Dimension dieser Debatte in der Frage, ob die bestehenden Gesetze ausreichen, um solche Rechtsverstöße zu unterbinden, oder ob wir noch mehr dafür tun müssen, dass die bestehenden Gesetze beachtet und angewandt werden. In der Bewertung schließe ich mich ausdrücklich meinem Kollegen Jürgen Gehb, Minister Schäuble und auch meinem Kollegen Edathy an. Ich möchte aber zum jetzigen Zeitpunkt der Debatte noch einen anderen Punkt thematisieren, der meines Erachtens auch zur politischen Dimension dieses Skandals gehört. Ich finde, dass wir uns auch im Deutschen Bundestag Gedanken darüber machen müssen, welche Folgen dieser Skandal für das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung hat, was unser Gemeinwesen und auch die soziale Marktwirtschaft angeht. Denn wir müssen leider zur Kenntnis nehmen, dass das nicht der erste Rechtsbruch durch Einzelpersonen und Manager großer Unternehmen ist. Es hat in letzter Zeit zu viele Skandale gegeben. Große Teile der Bevölkerung fragen sich inzwischen zu Recht: Machen die da eigentlich, was sie wollen? Haben die den Bezug zur Realität, zu Recht und Gesetz inzwischen völlig verloren? Deshalb ist es wichtig, wie wir darauf reagieren. Das ist aus meiner Sicht eine andere Dimension, die zu dieser Debatte gehört. Es ist klar, dass wir damit einen schmalen Grat beschreiten und dass die Debatte nicht einfach ist. Es wäre völlig falsch, pauschale Unternehmerschelte zu betreiben. Das wäre schädlich und würde unsere Gesellschaft spalten. Wir dürfen es uns aber andererseits auch nicht zu leicht machen und sagen: Ach, das ist nur ein Einzelfall, von Einzelnen begangen. Wenn wir das Problem so angehen und es lapidar wegschieben, dann werden wir selbst auch nichts dazu beitragen können, das notwendige Vertrauen wieder zu stärken. ({1}) Ich bin fest davon überzeugt - der Kollege Bürsch hat das bereits in einem anderen Zusammenhang angesprochen -, dass wir das nur schaffen können, wenn auch die Wirtschaft stärker als bisher ihren Teil dazu beiträgt. Viele sind sich durchaus darüber im Klaren, dass auch die Wirtschaft eine Bringschuld hat. Denn es liegt in ihrem ureigenen Interesse, das Vertrauen wieder zu stärken. ({2}) Ich bin mir aber nicht sicher, dass das schon in allen Teilen der Wirtschaft verstanden worden ist. ({3}) Das gilt besonders für die Telekommunikationsbranche oder, um es noch weiter zu fassen, die Informations- und Kommunikationsbranche, in der alle Unternehmen mit sensiblen Daten und Fragen des Datenschutzes und der Datensicherheit zu tun haben. Das ist im Übrigen eine Kernfrage, wenn es darum geht, uns in der Informationsgesellschaft weiterzuentwickeln. Das werden wir nur schaffen, wenn jeder Vertrauen in die Sicherheit seiner eigenen Daten hat. Wenn Vertreter der Branche - aber nicht der Deutschen Telekom -, die an dem Gespräch am vergangenen Montag teilgenommen haben, immer noch lapidar sagen: Wieso, wir werden doch von der Bundesnetzagentur lizenziert, da müssen wir doch unser Sicherheitskonzept vorstellen, und die prüfen uns doch einmal im Jahr?, dann reicht das nicht aus. Es ist Schaden für alle entstanden. Das muss auch diesen Unternehmen klar sein, und sie müssen gemeinsam handeln, um mehr Transparenz und Vertrauen in unser System wiederherzustellen. ({4}) Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. Das Vertrauen zu stärken, muss das gemeinsame Ziel von Wirtschaft und uns im Deutschen Bundestag sein. Wir dürfen es nicht einfach wegschieben. Jeder muss an seinem Platz etwas tun. Wir müssen uns fragen, wie die Gesetze noch besser eingehalten werden können. Die Führungspersonen in der Wirtschaft müssen sich fragen, welchen Beitrag sie leisten können, um das Vertrauen in unser Erfolgsmodell soziale Marktwirtschaft, das die Grundfeste unseres erfolgreichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systems darstellt, wieder zu stärken. Darum muss es uns gehen. Vielen Dank. ({5})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist der Kollege Jörg Tauss für die SPD-Fraktion.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Lieber Kollege van Essen, mir war die von Ihnen geschilderte Tankstellenproblematik nie gleichgültig. ({0}) Ich kann Ihnen nur sagen: Die Kollegin Stokar, der Kollege Fritz Rudolf Körper und ich haben uns damals Abende damit herumgeschlagen, entsprechende Regelungen - 24-Stunden-Regelung bei der Bahn, eine Bahnhofsregelung und eine Regelung für öffentliche Plätze in das Datenschutzgesetz aufzunehmen. Liebe Frau Piltz, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass unsere Sensibilität in den letzten zehn Jahren viel größer war, als dies bei Ihnen angekommen ist. Aber das können wir miteinander freundschaftlich klären. Übrigens, Frau Künast, die Überlegungen des Kollegen Wiefelspütz, die Sie vorgetragen haben, halte ich für interessant. Das, was das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren formuliert hat - Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Grundrecht auf Vertraulichkeit und Grundrecht auf Integrität informationstechnischer Systeme -, ist eine Überlegung wert. Darüber müssen wir in diesem Zusammenhang sicherlich ebenfalls diskutieren. Ich gebe der Kollegin Krogmann völlig recht: Die Vorgänge bei der Telekom sind schockierend. Wir dürfen das aber nicht kollektiv betrachten, sondern müssen deutlich machen: Hier haben Einzelne kriminell gehandelt. Aber diese kriminellen Handlungen bzw. Vorgänge, die in letzter Zeit in Unternehmen wie Lidl und Burger King geschehen sind, müssen wir uns genau anschauen. Kollege Gehb, die Koalitionsvereinbarung ist an dieser Stelle völlig klar. Wir haben vereinbart: Das Datenschutzrecht bedarf vor dem Hintergrund der technischen Entwicklungen der Überprüfung und an verschiedenen Stellen der Überarbeitung und Fortentwicklung. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir in der Tat angelangt. Frau Piltz, ich mag die FDP, wenn es um Bürgerrechte geht. Wenn es um Steuern geht, habe ich immer ein Problem mit euch. Ihr wärt aber viel glaubwürdiger, wenn ihr das, was verdienstvollerweise von vielen eurer Kolleginnen und Kollegen vorangetrieben wird - ich nenne ausdrücklich namentlich Frau LeutheusserSchnarrenberger -, aufgreifen würdet und aus dem Bundesrat viele Initiativen zum Datenschutz kämen, mit denen wir uns auseinandersetzen könnten. Das ist aber leider nicht der Fall. In der Tat teile ich die Auffassung aller, die sagen: Lasst uns das als gemeinsames Projekt und nicht gegeneinander, sondern miteinander verwirklichen. Umso ärgerlicher sind daher solche Äußerungen wie von Herrn Hans-Olaf Henkel. Er sagt mit Blick auf die Telekom-Affäre, die deutsche Wirtschaft brauche von der deutschen Politik keinen Nachhilfeunterricht in Moral und Ehtik. Ich glaube, die Arroganz, die hier zum Ausdruck kommt, ermöglicht solche Vorgänge wie die bei der Telekom erst. Wer Ethik, Moral und Geldeinsatz für sich selbst gepachtet zu haben glaubt und für sich in Anspruch nimmt, bei der Verfolgung eigener Interessen über rechtliche, politische und gesellschaftliche Rahmenregelungen hinwegzugehen, der sagt so etwas wie Herr Henkel. Das ist nicht akzeptabel. Natürlich ist es immer problematisch, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Herr Kollege Uhl, wie Sie wissen, haben wir schon Sprüche gehört - nicht von mir - wie Datenschutz sei Täterschutz. Das wurde in diesem Hause geäußert. Der Fall Telekom macht deutlich, dass das Gegenteil der Fall ist. Die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, die Gewährleistung von IT-Sicherheit sowie die Verhinderung von kriminellen Verstößen gegen das Datenschutzgesetz sind bei der Bekämpfung von Kriminalität notwendig. Die Bekämpfung von Missbräuchen des Datenschutzes bzw. Verstößen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verhindert Kriminalität. Dies sollten wir uns künftig - in Umkehrung von manchem, was wir hier gehört haben auf die Fahne schreiben. Der zweite Spruch, der mich immer ärgert, ist - das liest man gelegentlich in Leserbriefen der Bevölkerung; wir haben zum Teil auch hier solche Debatten geführt -, wer nichts zu verbergen habe, könne sich uneingeschränkt und getrost überprüfen lassen. Erstens halte ich einen Menschen, der nichts zu verbergen hat, für abgrundtief langweilig. Mit dem würde ich nicht gerne etwas zu tun haben wollen. Das ist aber ein anderer Punkt. Zweitens macht auch hier das Beispiel der Telekom deutlich, dass die Mentalität, die in dem Spruch „Wer nichts zu verbergen hat, kann sich auch überwachen lassen“ zum Ausdruck kommt, sei er Aufsichtsrat, Journalist oder Verkäuferin bei Lidl oder wo auch immer, aufhören muss. Es gibt Dinge, die ein Mensch zu verbergen hat, und wir müssen die Absicht dieses Menschen, etwas zu verbergen, respektieren. Dies ist im Sinne des Bundesverfassungsgerichts, wie es heute bereits zutreffend zitiert worden ist. ({1}) Ich glaube, es gibt einen gewissen Handlungsbedarf. Verehrte Frau Kollegin Philipp, ich wende mich explizit an Sie. Wir haben schon manche Diskussionen darüber geführt, ob es Handlungsbedarf gibt oder nicht. Ich nenne als Stichwort das Datenschutzaudit. Sie waren bisher der Auffassung, ein Handlungsbedarf bestehe nicht wirklich. Ich glaube, dass wir an dieser Stelle, an der das Innenministerium zwar gearbeitet hat, aber mit Rücksicht auf die Wirtschaft noch nicht so richtig in die Puschen gekommen ist, miteinander etwas tun können. Der Handlungsbedarf ist nun evident. Das können wir gemeinsam in dieser Debatte feststellen. Was wollen wir mit dem Auditgesetz? Wir wollen damit die Anständigen, die den Datenschutz zu einem Wettbewerbsvorteil für sich machen wollen, belohnen. Das ist genau das, was wir jetzt brauchen. Wir müssen die Unternehmen stärken, die Datenschutz betreiben und die mit den bei Ihnen gespeicherten Daten von Kundinnen und Kunden sensibel und vertraulich umgehen. Das wäre das beste Signal, das wir im Zusammenhang mit dem Telekom-Skandal aus diesem Haus senden könnten. ({2}) Was den EuGH angeht, so weiß ich nicht, worauf Ihre Kenntnisse, Herr Kollege van Essen, beruhen. Ihr Wort in Gottes Ohr, aber Irland - das müssen wir wissen klagt gegen die Vorratsdatenspeicherung, weil ihm die drei Jahre nicht genug sind. Sie müssen an dieser Stelle schon aufpassen, wen Sie bejubeln. ({3}) Wir haben gesagt, dass wir die Mindestzeit von sechs Monaten umsetzen. Da gibt es mit Sicherheit Punkte, über die man reden muss. Herr Kollege Gehb, wir beide haben uns hier schon heftig miteinander über diese Frage gestritten. Ich habe da meine Bauchschmerzen, aber, wie gesagt, das ist eine Richtlinie. Wir sollten das gerade unter dem Gesichtspunkt der Telekom betrachten. Ich sage das mit Blick auf den Kollegen Hartenbach und das Justizministerium. Dass es jetzt ausgerechnet die Telekom war, die Verbindungsdaten zur Überwachung von Journalistinnen und Journalisten benutzt hat, wäre für mich ein Hinweis darauf, die Frage, ob man die Verbindungsdaten von Journalisten im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung speichert, nochmals zu überprüfen. Wir können hier feststellen: Der Telekom-Skandal bietet auch eine Chance. Das sage ich als Bildungspolitiker. Ähnlich wie wir nach dem PISA-Schock das Ganztagsschulprogramm und vieles mehr in der Bildungspolitik auf den Weg gebracht haben, hilft uns der jetzige Skandal vielleicht, nicht nur wieder eine Datenschutzdebatte zu führen - die wir in der Tat schon lange nicht mehr hatten -, sondern den Datenschutz zu einem gesellschaftlichen Thema zu machen, damit deutlich wird: Unterlassener Datenschutz ist Täterschutz. In diesem Sinne können wir die Arbeit ganz gut bewältigen. Ich freue mich, wenn alle mitmachen. Vielen Dank. ({4})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es wurde gefragt: Ist der Fall Telekom ein Fall für die Justiz? Sicher ja. Es wurde gefragt: Ist er ein Fall für die Politik, für uns, für das Parlament? Das wird unvermeidlich sein. Davon gehe ich aus. ({0}) Ich finde es gut - Herr Tauss und Herr Bürsch haben darüber geredet, und zwar aus meiner Sicht sehr zustimmend -, dass man über den Datenschutz ganz generell und darüber sprechen sollte, ob wir mit dem Datenschutz in unserer ganzen Gesellschaft richtig umgehen und wer denn wirklich zu schützen ist. Da sehe ich eigentlich drei Dimensionen. Erstens sehe ich die Dimension, dass die Menschen vor sich selbst zu schützen sind. Wenn ich sehe, wie Jugendliche im Internet chatten, intimste Daten von sich selber preisgeben - zur freien Verfügung für jedermann - und sich selbst dadurch gefährden, dann muss ich schon sagen: Man muss die Menschen vor sich selbst, vor der Verletzung der eigenen Daten schützen. Zweitens müssen wir die Menschen - das ist der Fall Telekom - vor dem wirtschaftlichen Missbrauch schützen. Drittens - das ist nicht die Regel, sondern die absolute Ausnahme -: Wir müssen den Menschen vor dem Staat schützen, weil es auch Missbrauch durch Vertreter des Staates geben kann. Wir sollten dieses Thema also in seiner ganzen Dimension behandeln. Aufgrund des Gesprächs von heute Vormittag habe ich den Eindruck, dass die Telekom die Botschaft verstanden hat. Sie ist sehr bemüht, die Konsequenzen aus den Vorgängen in ihrem Unternehmen zu ziehen. Sie hat neue Konzepte entwickelt, zum Beispiel ein Sicherheitskonzept. Sie hat diejenigen, die sich etwas haben zu Schulden kommen lassen, aus ihren Ämtern entlassen. Dort ist also sehr viel getan worden, und es wird noch mehr getan. Was kann der Staat im Hinblick auf die Telekom oder auf andere Unternehmen tun, die zum Teil durch ihre Selbstgerechtigkeit auffallen? Ich glaube nicht, dass es in der Telekommunikationsbranche ein einziges schwarzes Schaf und ansonsten nur weiße Lämmer gibt. Das würde mich wundern; selten ist es so. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass allein bei der Telekom in einem einzigen Jahr und nur beim Festnetzgebrauch 180 Milliarden Datensätze entstehen. Wer da auf die Idee kommt, der Staat solle dafür zu sorgen, dass diese Datensätze nicht missbraucht werden, der stellt dem Staat falsche Aufgaben. Es kann also nur darum gehen, dass sich die Unternehmen erst einmal eigenverantwortlich kontrollieren und kein Organisationsverschulden auf sich laden. Die Unternehmen müssen selber dafür sorgen, dass mit den Daten, die ihnen anvertraut wurden, zum Schutz der Bürger richtig umgegangen wird. Es stellt sich die Frage: Was macht der Staat? Der Staat hat die Aufgabe, die Kontrolleure der Privatwirtschaft zu kontrollieren. Der Staat hat die Aufgabe, einzelne Schwerpunktaktionen zu starten. Viel mehr kann er bei jährlich 180 Milliarden Datensätzen in einem einzigen Unternehmen gar nicht leisten. Ich meine nicht, dass wir die Arbeit der Behörde von Herrn Schaar um das Hundert- oder Tausendfache steigern, also Bürokratie bis zum Exzess produzieren sollten. ({1}) Herrn Schaars Behörde würde diese Kontrolle auch dann nicht durchführen können. Wir werden über all diese Dinge noch zu reden haben. Wir sollten einen weiteren Gedanken weiterentwickeln: die Herstellung von mehr Transparenz. Wenn man dafür sorgen würde, dass ein Telekommunikationsunternehmen massive Verstöße gegen den Datenschutz im eigenen Haus bei der Bundesnetzagentur selbst melden muss, dann hätte das, glaube ich, eine generalpräventive Wirkung. Diese Wirkung wäre vielleicht stärker, als 300 000 Euro, 500 000 Euro oder 3 Millionen Euro Bußgeld. Das ist meine Einschätzung. Darüber werden wir aber noch in Ruhe zu reden haben. ({2}) - Das eine schließt das andere nicht aus. Da haben Sie vollkommen recht. Ich möchte ein Wort noch zur Vorratsdatenspeicherung sagen. Frau Künast ist nicht mehr da. Sie marschiert sicherlich schon zur nächsten Kamera und sagt wahrheitswidrig, dass sie die Vorratsdatenspeicherung abschaffen will. ({3}) Sie wird dabei verschweigen, dass die Grünen in Berlin und in Brüssel mit für die Grundlage, die EU-Richtlinie, gesorgt haben. ({4}) Sie wird nicht sagen: Jawohl, wir Grünen haben einen Fehler gemacht, als wir diese EU-Rechtsgrundlage geschaffen haben. Vielmehr wird sie nur sagen: Wir wollen das abschaffen. Dabei haben Sie diese selber geschaffen ({5}) Herr van Essen, bitte lesen Sie sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal durch! Ich glaube, dass Sie sich da etwas geirrt haben. Das Verfassungsgericht wird bei dem, was wir hier besprechen, kein Thema sein.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege, Sie achten bitte auf die Zeit.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss. - Die Telekommunikationsunternehmen benutzten für diese Missbräuche nur frische Daten und niemals die, die auf Vorrat ein halbes Jahr zu speichern sind. So ist es, so war es, und so wird es immer sein. Dieses Thema hat mit jenem Thema also überhaupt nichts zu tun. Das Verfassungsgericht hat nur zu bedenken gegeben, dass Vorratsdatenspeicherung für Zwecke der Strafverfolgung problematisch sein kann, wenn die Straftat, um die es geht, eine mindere ist. Wir reden hier von Terrorismusgefahren, Stichwort BKA-Gesetz. Um damit fertig zu werden, brauchen wir die Vorratsdatenspeicherung. Sie wird Bestand haben. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun hat der Kollege Uwe Küster das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Uwe Küster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001249, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal auf das Feld zu sprechen kommen, das Frau Krogmann dankenswerterweise erwähnt hat. Wir spüren ein wachsendes Unwohlsein der Bevölkerung, der Menschen gegenüber unserer Wirtschaftsordnung. Das muss uns ernst stimmen. Neben dem Spitzelskandal bei der Deutschen Telekom gab es kürzlich die Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei Lidl, die von Siemens gezahlten Schmiergelder und die Affäre der gefügig gemachten Betriebsräte bei VW. Wir haben die Raffgier von Spitzenverdienern wie Herrn Zumwinkel, die nicht ihren Beitrag zu unserem Staatswesen leisten wollen. ({0}) Dies alles trägt zum negativen Image der Wirtschaftseliten bei. Die von Herrn Müntefering aufgespießten Heuschrecken höhlen gesunde Unternehmen finanziell aus. In diesen Zusammenhang gehört auch die vor drei Wochen geäußerte Kritik des Bundespräsidenten an den „Finanzmonstern“ und den mangelnden Fähigkeiten der Finanzindustrie. Grundgesetzlich verbriefte Rechte auf Persönlichkeitsschutz und informationelle Selbstbestimmung werden in krimineller Form missachtet. Kriminelles Handeln und ungezügelte Raffgier müssen mit allen Mitteln des Rechtsstaats benannt und bekämpft werden. Andererseits lehnen wir eine primitive Kapitalismuskritik ab. Ebenso lehnen wir aber auch einen entfesselten Kapitalismus, der zu nichts verpflichtet ist, ab. ({1}) Wir wollen eine Neubesinnung auf die soziale Marktwirtschaft mit ihren fortschrittlichen Elementen: die ökologische Orientierung, die Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften und die sozialpartnerschaftliche Verantwortung. Wir haben wirksame Datenschutzbestimmungen zur Sicherung von Persönlichkeitsrechten. Diese hat die Telekom in krimineller Weise missachtet. Trotzdem bedarf das Datenschutzrecht einer Überprüfung, einer Überarbeitung und einer Fortentwicklung. Die bisherigen Bußgelder sind für viele große Unternehmen wie die Telekom Peanuts. Auch „Peanuts“ ist ein von den Großen unserer Wirtschaft geprägtes Unwort. Es verkennt die Bemühungen unzähliger Arbeitnehmer, die sich für 1 000, 2 000 und 3 000 Euro im Monat krumm machen. Gleichzeitig gehen andere mit Milliarden um, als wären es Wischlappen. Kommunikationsunternehmen müssen definierten Standards gerecht werden. An dieser Stelle möchte ich den Gedanken von Sebastian Edathy noch einmal deutlich aufnehmen. Datenschutz muss einer verpflichtenden Qualitätssicherung unterliegen: Zugriff auf Daten nur nach dem Mehraugenprinzip; Erstellung von Zugriffsprotokollen; automatische und sofortige Weiterleitung der Zugriffsprotokolle an den Datenschutzbeauftragten des Unternehmens; klare Definition von Verantwortlichkeiten. Überwachungskameras zur Sicherung eines Unternehmens sollen vor Dritten schützen und nicht die Mitarbeiter überwachen. Für die gesamte Privatwirtschaft muss innerbetrieblicher Datenschutz etabliert werden, der unabhängig von der Konzernleitung ist, die Verpflichtung festlegt, bei jedweden Ungereimtheiten externe Kontrollinstanzen anzurufen, und die Bundes- und Landesdatenschutzbeauftragten stärker einbezieht. Datenschutz schützt nämlich nicht abstrakte Daten; Datenschutz schützt konkrete Bürger. ({2}) Es ist ein besseres Datenschutzbewusstsein in Deutschland gefordert. Die jüngsten Ereignisse - nicht nur bei der Telekom - zeigen, dass das Datenschutzbewusstsein und die Datenschutzkultur in der Wirtschaft dringend verbessert werden müssen. Gestärkte Datenschutzaufsicht und schärfere Sanktionen müssen den notwendigen Bewusstseinswandel fördern. Wir erinnern die Topmanager an ihre Vorbildfunktion. Wer Verantwortung hat, muss sich nicht nur ethisch einwandfrei verhalten, sondern auch vorbildlich handeln. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Laurenz Meyer, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Laurenz Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003592, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass die Kollegin Krogmann den richtigen Punkt angesprochen hat. Der Vertrauensverlust für unser Wirtschaftssystem, für die Wirtschaft insgesamt ist eine der Kernfolgen, mit denen wir uns hier beschäftigen müssen. ({0}) - Ja. - In einem ganz wichtigen Punkt stimme ich mit dem Kollegen van Essen voll überein. Wenn ich das mit meinen Worten ausdrücken darf: Wir als Staat dürfen nicht den Versuch machen, den Unternehmen die Verantwortung dafür zu nehmen, dass in ihrem Bereich Gesetze eingehalten werden. ({1}) Wenn wir uns diesen Schuh anziehen würden, würden wir dem Vorschub leisten, dass gesagt wird: Aber ihr kontrolliert uns doch. Warum habt ihr das dann nicht gemerkt? - Damit wären wir wirklich auf dem Holzweg. ({2}) Die Schärfe der Gesetze muss die treffen, die die Gesetze brechen. Es geht doch nicht an, dass wir die Verantwortung dafür übernehmen, wenn in Unternehmen die Gesetze gebrochen werden. Transparenz und Öffentlichkeit solcher Vorgänge - das hat der Kollege Uhl vorhin gesagt; das ist aber völlig falsch ausgelegt worden - sind eine der ganz wichtigen Voraussetzungen. Wenn von der Netzagentur ein Bußgeld verhängt wird, ohne dass das jemand mitbekommt, dann macht das überhaupt keinen Sinn. Hier wurde - auch vom Kollegen Bürsch - über die Verschärfung von Strafen gesprochen und davon, dass 300 000 Euro für die Telekom lächerlich sind. Das mag richtig sein, aber der Wirklichkeit entspricht das nicht. Die Telekom hat schon heute, ehe der Vorgang überhaupt zu Ende untersucht worden ist, die Höchststrafe; ({3}) denn der Verlust an Kunden, an Umsatz, an Vertrauen, an Gewinn, den das Unternehmen haben wird, wird viel höher sein als die Strafen, die in Griechenland jemals verhängt werden können. Im Prinzip ist das der Punkt, an dem angesetzt werden muss. ({4}) Wenn wir durch unsere Diskussion erreichen, dass in der Bevölkerung wahrgenommen wird: „Wer gegen Gesetze verstößt, gerade in Bereichen, in denen wir bestimmte Notwendigkeiten sehen, etwa in der Frage der Datensammlung, der muss sich selbst bestraft sehen, und zwar von den Kunden“, dann wird das die größte Bedrohung sein, die die Vorstände und die Unternehmensleitungen sehen müssen. Laurenz Meyer ({5}) Es sind schon konkrete Vorschläge gemacht worden. Manche dieser Vorschläge hören sich zunächst gut an. Aber lassen Sie uns bitte genau hinschauen, damit wir nicht wegen der Telekom und des Fehlverhaltens von Mitarbeitern der Telekom die gesamte deutsche Wirtschaft bis hin zum Mittelstand mit einem Geflecht von Kontrollen und Bürokratie und damit auch Kosten überziehen. ({6}) Ich bitte wirklich darum, dass wir die Auswirkungen auf die mittelständischen Unternehmen im Auge behalten. Wir machen den Unternehmen gutgemeinte zusätzliche Auflagen. Ich habe mir das angeschaut. Ich bin technischer Laie in diesem Bereich. ({7}) - Das müssen gerade Sie sagen! Sie haben keinen besonders prägnanten Beitrag geleistet. Deswegen beschäftige ich mich damit nicht. ({8}) Das war nicht besonders herausragend. Es waren die üblichen vorgestanzten Geschichten. Man hat gemerkt, dass es Ihnen gar nicht um diesen Fall geht, ({9}) sondern darum, Ihre politische Linie beim BKA-Gesetz zum Ausdruck zu bringen. Mehr hatten Sie doch gar nicht im Sinn. ({10}) Es heißt, wir sollten das Sammeln von Daten Dritter verringern. Aber an verschiedenen Stellen haben wir sogar noch zusätzliche Wünsche vorgetragen. Man hat all die Daten doch gebraucht, um die Rechnungen erstellen zu können oder um den automatischen Verlauf von Handytelefonaten überhaupt möglich zu machen. Jetzt kommt ein Weiteres hinzu. Wir möchten, dass die Anbieter in Zukunft die Handynutzer bis auf fünf Meter genau orten können, und zwar nicht, um die Betroffenen zu verfolgen, ({11}) sondern um zu erreichen, dass die Rettungsdienste in einem Notfall wirklich schnell genug bei denen sind, die die Notruftaste bedient haben. Wir wollen das, und das ist wirklich gutgemeint. Wir müssen zwar sicherstellen, dass mit den Daten kein Missbrauch betrieben wird, dürfen an dieser Stelle aber nicht die Datenerhebung infrage stellen. Es nutzt dem Betroffenen, wenn der Rettungsdienst im Notfall möglichst schnell dahin kommen kann. Das kann Leben retten. Das wollen wir doch nicht infrage stellen, weil hier irgendwo Missbrauch betrieben worden ist. ({12}) - Wir reden zum Beispiel davon, dass es möglich sein soll, bis auf fünf Meter genau zu orten, also präziser, als das heute möglich ist. Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen. Woher nehmen Sie, Frau Pau, eigentlich den Mut, ({13}) so einen Vortrag, wie Sie ihn eben hier gehalten haben, zu bringen? ({14}) Sie reden von Überwachung, haben aber Vertreter des größten Überwachungsstaates, den wir in Deutschland im letzten Jahrhundert gehabt haben, in Ihrer eigenen Fraktion sitzen. ({15}) Sie schaffen es nicht einmal, diese Überwacher aus Ihrer eigenen Fraktion auszuschließen, reden aber anderen ins Gewissen! ({16}) Woher nehmen Sie eigentlich den Mut? ({17}) Solange Sie nicht bei sich selber aktiv werden, kann ich zu Ihrer Rede nur sagen: Das war an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns Verhältnismäßigkeit bei den Diskussionen der kommenden Monate wahren, sowohl bei denen über das Sammeln von Daten wie auch bei denen über die Konsequenzen, die aus den aktuellen Vorfällen zu ziehen sind. Wir sollten uns daher bemühen, die zu treffen, die hier wirklich Mist gebaut haben, und nicht das Land mit irgendwelchen neuen Vorschriften überziehen, die keiner will. ({18})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 16/9388, 16/9414 Entsprechend Nr. 10 Abs. 2 der Richtlinien für die Fragestunde rufe ich zunächst die zugelassenen dringlichen Fragen für die heutige Fragestunde auf. Diejenigen, die an der gerade stattgefundenen Debatte beteiligt waren, sich aber mit dem nächsten Tagesordnungspunkt nicht weiter beschäftigen können oder wol17448 Präsident Dr. Norbert Lammert len, bitte ich, möglichst zügig das Feld zu räumen. - Ich bedanke mich. Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. In diesen zwei dringlichen Fragen geht es um den Beteiligungsvertrag zwischen Bund und Deutscher Bahn AG. Ich rufe die dringliche Frage 1 der Kollegin Dr. Dagmar Enkelmann auf: Inwiefern ergeben sich aus dem Entwurf des Beteiligungsvertrages zwischen Bund und Deutscher Bahn AG Möglichkeiten, mehr als einen Anteil von 24,9 Prozent der DB Mobility Logistics AG an private Investoren zu verkaufen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Kollegin Dr. Enkelmann, aus dem Vertragsentwurf ergeben sich keine derartigen Möglichkeiten.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Der Vertragsentwurf liegt mir vor. Er ist dem Parlament von Achim Großmann, Parlamentarischer Staatssekretär, zugeleitet worden. Wir haben in der vergangenen Woche erfahren, dass der Kollege Großmann in diese neue Gesellschaft wechseln soll. Das ist möglicherweise der Grund, dass er jetzt nicht erkennen kann, dass weitere Privatisierungen vorgesehen sind. Meine erste Frage wäre also, ob er in diese Gesellschaft wechselt.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Frau Kollegin Enkelmann, ich darf Sie mit meinem demokratischen Verständnis konfrontieren. Ich bin von den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises sechsmal direkt in den Deutschen Bundestag gewählt worden und gehöre zu den Parlamentariern, die dieses Mandat sehr ernst nehmen. Die Meldung, dass ich angeblich in den Vorstand einer Holding wechseln soll, ist also nicht nur eine Zeitungsente, sondern widerspricht auch meinem Verhalten während der letzten Jahre. Ich habe mehrfach Angebote aus der freien Wirtschaft abgelehnt und bin und bleibe nach wie vor Abgeordneter des Deutschen Bundestages.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage, Frau Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich komme zurück zum Entwurf des Beteiligungsvertrages, genauer auf die §§ 7 und 8. Hier ist die Rede von einer 75,1-prozentigen Beteiligung der DB AG an der DB ML AG und von Mehrheitsbeteiligungen. Sie kennen ja den Text. Teilen Sie meine Bewertung, dass der Wortlaut des Vertragsentwurfs zulässt, dass diese neue Gesellschaft Tochtergesellschaften gründet, an denen sie - so heißt es lediglich - nur eine Mehrheitsbeteiligung hält, und damit die Möglichkeit besteht, dass diese Tochtergesellschaften ebenfalls kapitalprivatisiert werden, also weitere Privatisierungen nicht ausgeschlossen sind?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich teile Ihre Auffassung insofern nicht - Sie greifen übrigens der zweiten dringlichen Frage vor, in der Ihre Kollegin genau das gefragt hat -, als wir als Bundesregierung ressortabgestimmt den Entwurf fortgeschrieben und an dieser Stelle präzisiert haben. Deshalb ist es so, wie ich es vorhin sagte: Eine Interpretation Ihrer Art lässt die neue Vertragsgestaltung nicht zu.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nun bin ich in Sachen Bahnprivatisierung kein Fachmann. Aber aus Ihren Antworten ist mir nicht klar geworden, aus welcher konkreten Vorschrift des Beteiligungsvertrages sich nun rechtlich exakt ergibt, dass nicht mehr als 24,9 Prozent privatisiert werden können. Diese Vorschrift bitte ich uns jetzt vorzutragen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Das mache ich gerne, Herr Kollege Beck, wenn Sie die Stelle selber nicht gefunden haben. Der Entwurf liegt Ihnen ja vor. Dort heißt es in § 7: Der Erhalt des integrierten Konzerns und der 75,1-Prozent-Beteiligung der DB AG an der DB ML AG wird als satzungsgemäßer Unternehmensgegenstand der DB AG festgeschrieben. Ich glaube, eindeutiger kann man das nicht formulieren.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrter Herr Staatssekretär, nachdem wir heute eine denkwürdige Ausschusssitzung miterleben durften, in der genau dieser Beteiligungsvertrag abgesetzt wurde und in der wir einen lebhaften Streit zwischen Ihnen und den beiden verkehrspolitischen Sprechern der Regierungsfraktionen erleben durften, frage ich Sie jetzt: Dürfen wir Sie hier so verstehen, dass der Beteiligungsvertrag abgeändert wird und die umstrittene Vorschrift, dass Tochterunternehmen der ML nur mehrheitlich im Besitz der ML bleiben, gestrichen wird, oder in welcher Hinsicht soll das verändert werden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Dr. Hofreiter, ich bin ein bisschen verwundert über die Frage, weil ich sie im Ausschuss schon beantwortet habe. Aber ich will meine Antwort gerne in Erinnerung bringen, auch für die Kolleginnen und Kollegen, die an der Ausschusssitzung nicht teilnehmen konnten. Wir haben die Passage bezüglich der Tochtergesellschaften im Entwurf des Beteiligungsvertrages - der immer noch ein Entwurf ist, weil der Verkehrs- und der Haushaltsausschuss sich am Freitag noch einmal damit beschäftigen wollen - präzisiert und reden von einer 100-prozentigen Beteiligung, die satzungsgemäß sichergestellt werden muss.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, da drängt sich mir die Frage auf: Über welches Stadium des Entwurfs reden wir hier überhaupt? Wir haben einen Entwurf mit Stand 30. Mai zugeleitet bekommen. Mir ist heute über den Haushaltsausschuss ein Entwurf mit Stand 2. Juni zugeleitet worden. Ist das jetzt der letzte, oder werden wir in den nächsten Tagen mit einem weiteren Entwurf konfrontiert? Wie bewerten Sie die Vermutung, dass das auch Unruhe in einem Unternehmen, das uns ja noch zu 100 Prozent gehört, bei den Mitarbeitern schaffen könnte?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich teile Ihre Einschätzung nicht. Es geht darum, dass wir im Bundestag in der letzten Woche in einem Antrag beschlossen haben, dass der Beteiligungsvertrag dem Parlament vorgelegt werden soll. Das haben wir vorige Woche Freitag gemacht. Ungefähr eine Stunde nachdem der Antrag hier mit deutlicher Mehrheit verabschiedet worden ist, haben wir den Beteiligungsvertrag im Entwurfsstadium zugeleitet. Jetzt gibt es natürlich aus dem Parlament - das ist so üblich; das war mit diesem Prozedere auch so gewollt - Anregungen und Fragen, die wir zurzeit klären. Ich habe Ihnen schon heute Morgen im Ausschuss gesagt, dass ich davon ausgehe, dass Sie einen ressortabgestimmten Entwurf im Laufe des morgigen Tages vorliegen haben, sodass der Verkehrsausschuss und der Haushaltsausschuss sich am Freitag mit einem ressortabgestimmten Entwurf befassen können, der dann hoffentlich schon Anregungen und Fragen des Parlaments aufnimmt und klärt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die dringliche Frage 2 der Kollegin Menzner auf: Wie erklärt die Bundesregierung die Tatsache, dass der Entwurf eines Vertrages „über die Beteiligung von Kapitalanlegern an den Verkehrs-, Logistik- und zugehörigen Dienstleistungsgesellschaften der Deutschen Bahn AG“ - Beteiligungsvertrag - nunmehr neben der 24,9-prozentigen Beteiligung privater Geldgeber an der DB Mobility Logistics AG weitere Beteiligungen privaten Kapitals an Gesellschaften des Deutsche-Bahn-Konzerns vorsieht, indem die vertragliche Vorgabe zur Änderung der Satzung der Deutschen Bahn AG, DB, es gestattet, Anteile an einzelne DB-Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Hälfte und Anteile an DB-Logistik- und Dienstleistungsgesellschaften in Gänze zu veräußern? Herr Staatssekretär.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Vielen Dank, Herr Präsident. - Im Beteiligungsvertrag verpflichtet sich die DB AG in §§ 7 und 8, die Aufrechterhaltung der 100-Prozent-Beteiligung der DB Mobility Logistics AG an den Eisenbahnverkehrs- und Logistikunternehmen als satzungsgemäßen Unternehmensgegenstand der DB Mobility Logistics AG festzuschreiben.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, ich habe eine Zusatzfrage. - Sie beziehen sich auf den Entwurfsstand 2. Juni. Wie ist zu verstehen, dass die Dienstleistungsunternehmen in dem § 7, den Sie eben zitiert haben, nicht aufgeführt sind? Ist davon auszugehen, dass aus der Liste der Unternehmen, die unter DB ML fallen werden, die Nichtlogistikunternehmen, also die Dienstleistungsunternehmen, einer anderen Regelung unterliegen, die eine weitere Privatisierung beinhalten kann?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Der Beteiligungsvertrag regelt gemäß den Eckwerten, die der Deutsche Bundestag beschlossen hat, die Beteiligung an der DB Mobility Logistics AG. Was zu den Untergesellschaften gesagt worden ist, ist quasi eine Erläuterung, um sicherzustellen, dass die Philosophie des Antrags der Koalition auch für die Untergesellschaften gilt. Wir können aber nicht das gesamte Feld der Dienstleistungsgesellschaften regeln, an denen die DB AG teilweise nur mit Anteilen von wenigen Prozent beteiligt ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage? - Bitte schön, Frau Menzner.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, es gibt sehr wohl Dienstleistungsgesellschaften, die zu 100 Prozent der DB AG gehören. Sie beziehen sich jetzt ausdrücklich auf die Logistikunternehmen. Ist das so zu verstehen, dass zum Beispiel die DB Dienstleistungen GmbH, die unter dem Dach der DB ML zu finden sein wird, sehr wohl teilprivatisiert werden könnte?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir regeln die Logistik-Holding und die in § 2 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes aufgeführten Untergesellschaften. Das ist der Regelungsbedarf, den wir mit der DB AG haben. Alles andere ist Sache des Unternehmens. Im Übrigen gibt es sehr starke Gewerkschaften, die eine klare Vorstellung davon haben, wie sich der Konzern weiterentwickeln soll. Deshalb macht es keinen Sinn, dass wir für jede Gesellschaft die Mehrheitsbeteiligung präzise formulieren. Das würde es unmöglich machen, den Konzern zu führen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Es wird in der Öffentlichkeit so dargestellt, als seien die jeweiligen Prozentsätze in Stein gemeißelt. Deshalb frage ich Sie, Herr Staatssekretär, ob Sie mir zustimmen, dass es jederzeit möglich ist, diesen Beteiligungsvertrag im Einvernehmen zwischen beiden Vertragsparteien, also zwischen der DB AG und der Bundesrepublik Deutschland, zu ändern? Teilen Sie die Einschätzung, dass es nach der Wahl - man weiß ja nicht, welche Konstellation danach an der Macht ist; Sie stehen ja bekanntermaßen bei 20 Prozent - jederzeit möglich wäre, den Anteil Privater auf 49, 50 oder 75 Prozent zu erhöhen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wenn Sie auf das Grundgesetz abheben, dann teile ich Ihre Auffassung. Gesetze ändern zu können, ist aber ein Grundsatz der Demokratie. Gott sei Dank haben die Wählerinnen und Wähler regelmäßig die Möglichkeiten, neue politische Mehrheiten in den Deutschen Bundestag zu wählen. Deshalb gibt es kein einziges Gesetz, das in Stein gemeißelt ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollegin Enkelmann.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, abgesehen davon, dass die Linke aus gutem Grund die Privatisierung abgelehnt hat, haben wir die große Sorge, dass es bei einem Anteil der Privaten von 24,9 Prozent nicht bleibt, obwohl Sie versuchen, uns diese Sorge zu nehmen. Ich möchte Sie nun mit einer Aussage des neuen Personalvorstandes der Bahn, des ehemaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft Transnet, Norbert Hansen, konfrontieren, die Obergrenze für eine Privatisierung liege für ihn bei 49,9 Prozent. Wie bewerten Sie diese Aussage vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Diskussion?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sie haben sicherlich Verständnis dafür, dass sich die Bundesregierung zu dieser Aussage nicht verhält. Ich weiß nämlich nicht, ob das angeführte Zitat dem entspricht, was die betreffende Person wirklich gesagt hat. ({0}) Der Deutsche Bundestag ist Gesetzgeber, und wir richten uns nach den Beschlüssen des Deutschen Bundestages. Danach muss sich auch der Personalvorstand richten. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Scheuer.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, dass das Argumentieren der Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion und der Grünen mit Prozentsätzen Kaffeesatzleserei ist? Seit ungefähr eineinhalb Jahren beschäftigen wir Verkehrspolitiker uns tagtäglich im Verkehrsausschuss dezidiert mit ganz vielen Einzelfragen. Würden Sie nach der Rede des Kollegen Gysi in der Debatte zur Bahnreform am Freitag letzter Woche auch bestätigen, dass wir, wenn die Linkspartei in Deutschland an die Macht käme, zur ehemaligen Reichsbahn der DDR zurückkämen?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Ich kann Ihnen bestätigen, dass wir uns seit Januar 2006 - da darf ich Sie leicht korrigieren; da ist das PRIMON-Gutachten vorgelegt worden - sehr ausführlich mit diesem Thema beschäftigen. Selbst wenn wir jetzt keine Lösung finden würden, könnte nach der Bundestagswahl 2009 jede andere Lösung im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Das heißt, wir reden jetzt über einen aus meiner Sicht sehr wichtigen Schritt; denn aufgrund des Verfahrens, das wir jetzt gewählt haben, sind zum Beispiel die Tarifvertragsparteien in der Lage, betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahre 2023 auszuschließen. Mir ist kein Unternehmen bekannt, in dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen derartigen Schutz genießen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Beck.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Großmann, ich habe den Eindruck, Sie versuchen, Ihren eigenen Kolleginnen und Kollegen weiterhin Sand in die Augen zu streuen, damit sie nicht sehen, was sie letzten Freitag beschlossen haben. Woher nehmen Sie denn die Behauptung, dass der Deutsche Bundestag konstitutiv mitzureden hat, wenn die Bundesregierung im Kabinett beschließt, der Vertrag solle geändert werden und statt einer Privatisierung in Höhe von 24,9 Prozent solle eine von 77,5 Prozent erfolgen? Was kann der Bundestag dann machen? Er kann zwar die Regierung beschimpfen. Aber ansonsten haben Sie, die Koalition, dem Bundestag durch das Verfahren, das Sie gewählt haben - es hätte ja nicht so sein müssen; dies hätte ja gesetzlich geregelt werden können -, alle Möglichkeiten der Intervention bei einer weiteren Privatisierung aus der Hand genommen. Es ist auch ein schwaches Argument, man solle SPD wählen, um eine weitere Privatisierung zu verhindern und diese Volker Beck ({0}) 24,9 Prozent beizubehalten. Denn dies nützt nichts, solange sich die Regierung entschließen kann, sich gegen die Meinung des Parlaments zu verbünden, wie sie es übrigens - darüber haben wir vorhin diskutiert - in Brüssel in der Frage der Vorratsdatenspeicherung gemacht hat. Dies wäre eine Regierungskonstellation, der man so etwas ausdrücklich zutrauen kann.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Beck, wir beide sind ja nun schon ein paar Jährchen im Deutschen Bundestag. Ich glaube nicht, dass es sich eine Regierung zur Gewohnheit machen kann, gegen das Parlament zu regieren. Ich habe sehr großes Zutrauen zum Parlament und zu den jeweils gewählten Regierungen. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die nächste Frage stellt die Kollegin BullingSchröter.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Ich komme jetzt zum Kaffeesatz. Ich denke, dass dies auch die Wählerinnen und Wähler in Passau interessiert. Herr Staatssekretär, meine Frage: Die Dienstleistungs-GmbHs werden ja jetzt dem Markt übergeben; eine wirtschaftliche Tätigkeit ist vorgesehen. Ich möchte wissen, welchen Wert dann der konzerninterne Arbeitsmarkt hat; denn die GmbHs müssen sich ja im Rahmen der Wirtschaftlichkeit rechnen. ({0}) - Ich frage detailliert zum Arbeitsmarkt. - Aus der betrieblichen Praxis weiß ich, dass es vor diesem Hintergrund keine Möglichkeiten der Versetzung mehr gibt. Ich möchte daher von Ihnen den Wert des konzerninternen Arbeitsmarktes wissen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Zunächst muss ich Ihrer Wertung widersprechen, dass die Dienstleistungsgesellschaften dem freien Markt ausgesetzt würden - was immer Sie damit meinen. Wir führen den Status quo fort. Bereits jetzt ist es so, dass die Dienstleistungsgesellschaften auf der einen Seite innerhalb des konzerninternen Arbeitsmarktes, aber auch innerhalb des integrierten Konzerns Aufgaben für jeweils andere Töchter der DB AG übernehmen; das ist so und das bleibt so. Sie müssen allerdings auf der anderen Seite ihre Leistungen - dazu gibt es, wie Sie vielleicht gelesen haben, eine entsprechende Formulierung im Beteiligungsvertrag - zu marktgerechten Konditionen anbieten. Das ist aber auch dann so, wenn wir nichts am Status quo ändern. Von daher ist die Absicherung des integrierten Konzerns Voraussetzung dafür, dass viele Dienstleistungen innerhalb der DB - ich hoffe, möglichst viele - von eigenen Gesellschaften erbracht werden können.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Hierzu gibt es keine weiteren Fragen. Dann rufe ich nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Hierzu sind insgesamt sechs dringliche Fragen vorgelegt worden, und zwar der Kollegen Schäffler, Zeil und Thiele, die sich allesamt mit den Unterstützungszahlungen des Bundes an die Deutsche Industriebank AG und dem laufenden Verkaufsprozess beschäftigen. Ich rufe zunächst die dringliche Frage 3 des Kollegen Schäffler auf: Wann wurden Mitglieder des Deutschen Bundestages erstmalig über die im Sommer 2007 erfolgte Zahlung der Finanzagentur GmbH des Bundes an die Deutsche Industriebank AG, IKB, in Höhe von 500 Millionen Euro unterrichtet, und gibt es weitere Zahlungen von Unternehmen oder Institutionen des Bundes an die IKB, über die die Mitglieder des Deutschen Bundestages bisher nicht unterrichtet wurden? Bitte schön, Frau Kollegin Kressl.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrter Kollege Schäffler, zu Fragen des Bundesschuldenwesens unterrichtete das Bundesfinanzministerium das parlamentarische Gremium nach § 3 des Bundesschuldenwesengesetzes, umgangssprachlich Bundesfinanzierungsgremium genannt. Die Gremiumsmitglieder und alle Sitzungsteilnehmer sind zur Geheimhaltung der ihnen dort gegebenen Informationen nach § 3 Abs. 3 des Gesetzes verpflichtet. Die heute über die Presse verbreiteten Informationen und Spekulationen über Engagements der Finanzagentur dürften auf einen Bruch dieser gesetzlichen Geheimhaltungspflicht beruhen, was ich persönlich bedauere. Ich will das auch begründen. Es ist völlig legitim und in Ordnung, dass es die Notwendigkeit zur Transparenz und zur Kontrolle des Parlaments gegenüber der Bundesregierung gibt. Diese beruht in diesem Fall aber auch darauf, dass die Verpflichtung zur Geheimhaltung eingehalten wird. Die Fragen, die die IKB betreffen, hat das Finanzministerium schriftlich und auch mündlich am 29. Mai 2008 dem Bundesfinanzierungsgremium ausführlich beantwortet. Zu Einzelheiten der dort gegebenen Informationen möchte ich nicht nur nicht, sondern kann ich aus den vorher angegebenen Gründen - die Geheimhaltungspflicht habe ich erwähnt - nicht Stellung nehmen. Es ist mir aber wichtig, darauf hinzuweisen, dass es bei der von Ihnen in der Frage angesprochenen „Zahlungen“ - das sage ich ausdrücklich - nicht um Stützungsmaßnahmen zugunsten der IKB geht, sondern um Anlagen, die sich im Rahmen des Geschäftsbereichs der Finanzagentur bewegen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zusatzfrage, Herr Kollege Schäffler.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich habe nicht von Stützungsmaßnahmen, sondern von Zahlungen gesprochen. Insofern ist es schon verwunderlich, dass Einlagen gehalten wurden. Ich frage Sie: Wer ist im Bundesfinanzministerium für die Aufsicht der Finanzagentur persönlich zuständig? Wann wurde die Leitung des Ministeriums, insbesondere Minister Steinbrück, über das Geschäft mit der IKB informiert?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, man muss hier zwischen Kreditlimits und Anlagen unterscheiden. Kreditlimits werden im Rahmen der Verantwortung des BMF abgesprochen und liegen bei 500 Millionen Euro. Die Entscheidung über die Anlagen selbst, nicht über die Frage der Kreditlimits, trägt die Finanzagentur in eigener Verantwortung.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage?

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Habe ich Sie richtig verstanden, dass der Finanzminister darüber, dass die Finanzagentur Einlagen in Höhe von 500 Millionen Euro bei der IKB getätigt hat, nicht informiert gewesen ist?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Das kann ich Ihnen nicht beantworten. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Entscheidung über die Einlage selbst nicht im BMF getroffen wurde. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, können Sie dann die Frage beantworten, wann der Finanzminister über diesen Finanzierungsvorgang informiert worden ist und ob er diesen Vorgang gutgeheißen hat?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Solms, ich persönlich habe im Moment die Schwierigkeit, zu sagen, ab welchem Datum die Informationen dem Finanzminister - Sie haben nicht nach dem Finanzministerium gefragt - zugänglich waren. Ich werde das klären und Ihnen die Antwort schriftlich zukommen lassen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Zeil.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, anschließend daran frage ich Sie: Welchen Sinn hatte die ursprüngliche Entscheidung, wenn uns jetzt wieder über die Presse mitgeteilt wird, dass diese Einlage zurückgezogen werden soll? Befürchten Sie nicht, dass eine Rückziehung zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal ist?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Zeil, ich weiß nicht, mittels welcher Presseberichte Sie informiert worden sind. ({0}) - Lassen Sie mich doch bitte weiterreden. - Auf jeden Fall kann ich Ihnen sagen, dass es nicht darum geht, die Anlage zurückzuziehen. Sie läuft Ende Juni 2008 ganz regulär aus und wird nicht verlängert. ({1}) Das ist etwas anderes als ein Zurückziehen. Ich kann nicht bestätigen, dass es darum geht.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Thiele, bitte.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wir diskutieren hier nicht zum ersten Mal über die IKB. Ausgangspunkt der Diskussion war eine Sondersitzung an einem Wochenende, nachdem bekannt wurde, dass die IKB erhebliche Schwierigkeiten hat. Die Kreditwirtschaft, das Finanzministerium, der Finanzminister, die Bankaufsicht und die Bundesbank wurden tätig. Es geht darum, dass 500 Millionen Euro als Festgeld vergeben wurden. Dieses Festgeld wurde erst nach der Krisensitzung vergeben. Finden Sie es verantwortungsvoll, dass einem Kreditinstitut öffentliche Gelder in der Größenordnung von einer halben Milliarde Euro zu einem Zeitpunkt zur Verfügung gestellt wurden, als nicht mehr sichergestellt werden konnte, dass das Kreditinstitut überhaupt in der Lage ist, das Geld innerhalb der Laufzeit von einem Jahr zurückzuzahlen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, ich will auf den Unterschied zwischen Kreditlimits und tatsächlich getätigten Anlagen hinweisen. In meiner Antwort auf die Frage des Herrn Kollegen Schäffler habe ich schon darauf hingewiesen, dass das BMF die Entscheidung über das Liquiditätsmanagement an die Finanzagentur delegiert hat. Insofern habe ich diese Entscheidung nicht zu bewerten. Ich will aber darauf hinweisen, dass das Zurückziehen des Kreditlimits unserer Ansicht nach das falsche Signal gewesen wäre. Es geht bei dieser Frage - das sage ich ausdrücklich - nicht um die Anlage selbst.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe die dringliche Frage 4 des Kollegen Schäffler auf: In welchem Umfang hält die Bundesregierung hinsichtlich des Verkaufsprozesses der IKB weitere Garantien seitens des Bundes für erforderlich, und hält die Bundesregierung an ihrer Erwartung eines Verkaufserlöses von 800 Millionen Euro für den IKB-Anteil der KfW fest?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, zum laufenden IKB-Verkaufsprozess hat die Bundesregierung in der heutigen Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages eingehend Stellung bezogen. Ich kann nicht sagen, ob die Sitzung schon beendet ist oder die Information jetzt gerade weitergegeben wird. Bei dem Verkauf sind Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse Dritter, der Bieter, betroffen. Sie haben explizit um Vertraulichkeit des Verfahrens gebeten. Insofern muss ich noch einmal auf die rechtliche Lage bezüglich der Verschwiegenheitspflichten hinweisen. Über die rechtliche Bewertung dieser Pflicht haben wir in der letzten Sitzung des Finanzausschusses detailliert debattiert. Ich will aber auch darauf hinweisen, dass es im Interesse des Bundes und damit in unserem gemeinsamen Interesse liegt, bei dem Verkauf das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, und zwar sowohl, was den Verkaufserlös anbetrifft, als auch, was die Zukunft der Mittelstandsbank anbelangt. Abgesehen von der rechtlichen Bewertung der Sachlage halte ich es aus politischer Sicht nicht für angebracht, im Plenum des Bundestages Einzelheiten der Verkaufsgespräche darzulegen. Es ist aber völlig klar - das will ich hier deutlich machen -, dass die Bundesregierung den Haushaltsausschuss des Bundestages unter Maßgabe der Verschwiegenheitsverpflichtung, die ich angesprochen habe, über den weiteren Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden halten wird.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Erste Zusatzfrage.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte auf die Finanzagentur zurückkommen. Diese Frage hat mittelbar sicherlich Auswirkungen auf den Verkaufsprozess. Wer im Finanzministerium hat zu welchem Zeitpunkt über das Geschäft der Finanzagentur mit der IKB entschieden, und inwieweit ist das Geschäft mit den gesetzlichen Grundlagen der Finanzagentur und ihren Aufgaben, „die Bedingungen für die Finanzierung des Bundes nachhaltig zu verbessern“ und „die Zinskostenbelastung mittelfristig zu senken“ - das steht auf der Homepage der Finanzagentur -, vereinbar?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, ich bin mir nicht sicher, ob ich mich zu unverständlich ausgedrückt habe, als ich vorhin in der Beantwortung der Fragen von Herrn Thiele schon zweimal darauf hingewiesen habe, dass die Entscheidung über die Anlage selbst nicht im Bundesfinanzministerium getroffen wurde.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Zweite Zusatzfrage, Kollege Schäffler.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte noch einmal nachhaken. Es hat zu keinem Zeitpunkt Einwirkungen des Bundesfinanzministeriums auf die Anlageentscheidung der Finanzagentur - auf der einen Seite, dass Geld investiert wird, und auf der anderen Seite, dass das Geld wieder zurückgezogen wird gegeben? Habe ich Sie da richtig verstanden?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, ich muss leider schon wieder auf einen Punkt in Ihrer Frage hinweisen. Sie haben, obwohl ich es vorhin klargestellt habe, erneut unterstellt, dass die Anlage zurückgezogen wird. Ich stelle noch einmal klar: Sie wird nicht zurückgezogen. Sie wird nach ihrem regulären Ablauf nicht verlängert. Ich stelle noch einmal klar: Die Anlageentscheidungen trifft die Finanzagentur.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002190, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es nicht für ein eklatantes Versagen der Fachaufsicht der Bundesfinanzagentur, wenn diese nicht in dem Moment einschreitet, in dem sie erfährt, dass 500 Millionen Euro öffentliche Gelder einer Bank zur Verfügung gestellt werden, die sich in der Existenzkrise befindet?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Solms, ich weise darauf hin, dass es nicht um eine Finanzhilfe geht - das schwang in der Frage mit -, sondern um eine reguläre Anlageentscheidung im Rahmen des Geschäftes der Finanzagentur. ({0}) - Ich nehme das auf, obwohl es keine Zusatzfrage ist. Die Entscheidungen der Finanzagentur werden sicherlich in aller Verantwortung und mit allen Abwägungen getroffen. Mir ist wichtig, in dem Zusammenhang deutlich zu machen - es schwang gerade in der informell eingefügten Zwischenfrage mit -, dass wir die Anlage ausdrücklich als nicht gefährdet ansehen. Sie wissen, dass die Einlagen der IKB in einem durchaus schwierigen Prozess gesichert wurden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die Subprime-Krise in den USA hat mit dazu geführt, dass die IKB entsprechende Probleme hatte und hat. Deshalb gilt bei vielen Bankbilanzen heute der Grundsatz: On the left is nothing right, and on the right is nothing left. Wie kann man in diesen Zeiten Gelder zur Verfügung stellen, ohne sicherzustellen, dass sie zurückgezahlt werden? Ich habe vorhin in meiner Frage nicht gesagt, dass das BMF das getan habe. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass diese Gelder zur Verfügung gestellt wurden. Sie waren durchaus gefährdet. Insofern würde mich interessieren, wie Sie es bewerten, wenn zu einem solchen Zeitpunkt Gelder in dieser Größenordnung an eine Bank gegeben werden.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, es wurden nicht Gelder an eine Bank „gegeben“, sondern es handelte sich um eine reguläre Anlageentscheidung der Finanzagentur, die ich - das sage ich ausdrücklich - nicht zu bewerten habe. ({0}) - Es mag sein, dass Sie das interessiert, aber ich sage noch einmal: Es war eine Entscheidung der Finanzagentur, die ich für die Bundesregierung nicht zu bewerten habe. Ich will noch einmal betonen, dass die Bundesregierung ausdrücklich nicht davon ausgeht, dass dieses Geld auf irgendeine Weise - ich sage es einmal umgangssprachlich - verloren ist.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Zeil.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es mit Ihrer Aufgabe als Finanzaufsicht für vereinbar, wenn Sie sagen, dass Sie die Entscheidung nicht bewerten? Wenn hier von einem normalen Marktgeschäft die Rede ist, warum wird das Engagement dann nicht verlängert?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, auch in diesem Fall muss ich mich auf die Antwort beziehen, die ich bereits auf Ihre erste Frage gegeben habe. Ich habe deutlich gemacht, dass die Entscheidung, das Geld dort anzulegen, eine Entscheidung der Finanzagentur war. Natürlich war auch die Entscheidung, diese Anlage nicht zu verlängern, eine Entscheidung der Finanzagentur. Erlauben Sie mir noch eine kurze Anmerkung: Ich kenne zwar die rechtlichen Zusammenhänge, aber das BMF ist nicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Das wissen auch Sie. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, der Klarheit halber: Sie haben ausgeschlossen, dass die Entscheidung für die Anlage bei der IKB eine Entscheidung des Finanzministeriums war. Sie haben aber nicht explizit ausgeschlossen, dass es im Hinblick auf diese Anlage zu einer Einwirkung des Finanzministeriums auf die Finanzagentur gekommen sein könnte.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, da die Finanzagentur ihre Entscheidungen im laufenden Geschäft trifft, gehe ich davon aus, dass es keine Einwirkungen des Finanzministeriums gegeben hat. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich rufe nun die dringliche Frage 5 des Kollegen Zeil auf: Haben die verbliebenen Kaufinteressenten für die IKB die Abschirmung des Risikos durch den Bund zur Bedingung für einen Kauf gemacht, und, wenn ja, wird der Bund eine Ausfallbürgschaft übernehmen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Zeil, auch im Hinblick auf die Frage, inwieweit Kaufinteressenten Garantien und Bürgschaften zur Bedingung eines Kaufes gemacht haben, muss ich darauf hinweisen, dass es hierbei um Details der Kaufverhandlungen geht und ich angesichts der vorhin beschriebenen Verschwiegenheitspflichten nicht autorisiert bzw. befugt bin, Ihnen dazu Einzelheiten zu nennen.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine Zusatzfrage, bitte.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, die derzeit abzudeckenden Risiken haben eine Höhe von 8,5 Milliarden Euro. Können Sie bestätigen, wie hoch der Anteil der Risikoabdeckung durch den Bund ist?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, Sie haben Ihre Frage mit den Worten „Können Sie bestätigen“ eingeleitet. Würden Sie mir bitte erläutern, was genau Sie damit gemeint haben?

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Derzeit ist ein Risiko in Höhe von 8,5 Milliarden

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Ja, in dem Prozess, den wir alle kennen.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- und zwar von allen Beteiligten: von der KfW, vom Bund und von den Banken. Wie hoch ist derzeit der Anteil des Bundes an der Abschirmung des Risikos in Höhe von 8,5 Milliarden Euro?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Es stellt sich die Frage, ob wir von tatsächlich eingetretenen Risiken sprechen.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich meine die Risikovorsorge.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Ich habe die entsprechende Zahl gerade nicht im Kopf. Ich werde sie nachliefern.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Eine weitere Zusatzfrage, Kollege Zeil, bitte.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Glauben Sie, dass ein Verkauf der IKB überhaupt möglich ist, ohne die Risiken, über die wir jetzt sprechen, abzuspalten und zu versuchen, den guten Teil der IKB zu verkaufen und für die sogenannten schlechten Risiken eine andere Lösung zu finden?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, um nicht immer sagen zu müssen, dass ich das offiziell nicht bewerten kann - das kann ich allerdings in der Tat nicht -, möchte ich darauf hinweisen, dass in der Öffentlichkeit und in der Presse schon seit längerem eine Debatte darüber geführt wird, ob die IKB in eine „bad bank“ und in eine „good bank“ aufgeteilt werden kann. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Frage im weiteren Verlauf des Verkaufsprozesses eine entscheidende Rolle spielt. Das hätte natürlich auch Konsequenzen für die Debatte, die wir dann im Haushaltsausschuss des Bundestages zu führen hätten. Was Ihre Fragen, wie der Verkaufsprozess derzeit verläuft und wer welche Bedingungen stellt, angeht, muss ich Sie allerdings wiederum auf die Aussage verweisen, die ich schon mehrmals getroffen habe.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Schäffler.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, für den Verkaufsprozess ist nicht ganz unerheblich, inwieweit Mittel bei der IKB angelegt wurden. Erhöht sich aus Sicht der Bundesregierung der Liquiditätsbedarf der IKB dadurch, dass die Einlage über 500 Millionen Euro nicht mehr getätigt bzw. nicht mehr verlängert wird? Erhöht sich dadurch aus Ihrer Sicht die Schieflage der IKB? Zusätzlich würde mich interessieren, zu welchem Zinssatz die IKB diese Einlage verzinst hat.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, es ist auch im Rahmen der Geschäftstätigkeit der IKB durchaus üblich, dass Anlagen getätigt und dann nicht etwa abgezogen, sondern nicht verlängert werden. Ich kann und darf hier nicht bewerten, was von anderen Partnern an Anlagen getätigt wird. Insofern ist es schwer, die Gesamtsituation zu bewerten. Auf jeden Fall will ich mit dieser Antwort deutlich machen, dass es nicht so ist, dass - manchmal bekommt man ja diesen Eindruck - die ganze Geschäftstätigkeit der IKB von dieser Anlage der Finanzagentur abhängig ist.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Und der Zinssatz?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Den Zinssatz weiß ich nicht auswendig; den bekommen Sie noch.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Schriftlich?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Ja, klar.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wir unterhalten uns zum x-ten Mal über die IKB. Halten Sie es angesichts dessen nicht für erstaunlich, dass von den 500 Millionen Euro öffentlicher Gelder, die bei der IKB angelegt wurden, erst seit dieser Woche die Rede ist? Bisher haben weder der Finanzminister noch Sie noch zuständige Beamte des Finanzministeriums darüber gesprochen.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, mit dieser Frage implizieren auch Sie, dass es bei dieser Anlage um eine Finanzhilfe gegangen sei. Das ist nicht so. ({0}) Diese Anlage ist nicht erst zu diesem Zeitpunkt vonseiten der Finanzagentur bei der IKB getätigt worden. Ich will darauf hinweisen, dass es im Rückblick über mehrere Jahre regelmäßig Entscheidungen der Finanzagentur gab, bei der IKB - ich nenne es einmal so - Anlagen zu tätigen. Die Grundsätze der Bundesschuldenverwaltung werden immer in einem bestimmten zeitlichen Rahmen im Haushaltsausschuss besprochen. Es ist noch nie so gewesen, dass es Informationen über bestimmte einzelne Anlagen gegeben hätte. Ich will noch einmal betonen: Diese Anlage ist eine Anlage im Rahmen der regulären Geschäftstätigkeit der Finanzagentur.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt Kollege Dr. Wissing.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, nachdem in Sachsen eine Summe von etwa 5 Milliarden Euro an Steuergeldern verloren gegangen ist, hat dies zu personellen Konsequenzen geführt. Bekanntlich ist der Ministerpräsident zurückgetreten. Ich frage Sie: Ab welchem Betrag halten Sie personelle Konsequenzen auf Bundesebene für angezeigt?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Wissing, ich habe nicht beobachten können, ob Sie die ganze Zeit dabei waren. Daher sage ich: Ich habe schon zu Beginn der Beantwortung der dringlichen Fragen mehrmals darauf hingewiesen, dass die Unterstellung, diese Anlage - die eine Anlage im Rahmen der regulären Geschäftstätigkeit der Finanzagentur ist - sei eine verbotene Finanzbeihilfe, unzulässig ist. Insofern ist Ihre Frage, die sich an diese Unterstellung anschließt, nicht logisch.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das war nicht die Frage. Ich habe gefragt: Ab welchem Betrag halten Sie personelle Konsequenzen auf Bundesebene für angezeigt?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Wissing, ich finde es kreativ, dass Sie die verkappte Rücktrittsforderung, die wir mehrfach von Ihnen gehört haben, jetzt mit einer bestimmten Schadenssumme in Zusammenhang zu bringen versuchen. Weil das nichts, aber auch gar nichts mit einer fachlichen Beantwortung einer Frage zu tun hat, bin ich nicht bereit, Ihnen dazu eine Zahl zu nennen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen jetzt zur dringlichen Frage 6 des Kollegen Martin Zeil, FDP: Ist davon auszugehen, dass aufgrund der drohenden Aktionärsklagen eine Verschiebung der geplanten Kapitalerhöhung notwendig wird, und, wenn ja, welche Auswirkungen würde dies für die IKB und den Bund haben?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, die Bundesregierung geht derzeit nicht davon aus, dass es zu einer zeitlichen Verzögerung der Kapitalerhöhung kommen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, unabhängig davon, ob durch diese Klagen die Kapitalerhöhung gestoppt werden kann: Wie bewerten Sie angesichts dessen, dass jetzt ohnehin schon 45,5 Prozent im Besitz der KfW sind, die das Thema beherrschende Stellung und die daraus resultierenden rechtlichen und auch haftungsmäßigen Folgen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, wir haben über diese Frage ja schon im Zusammenhang mit der letzten dringlichen Frage gesprochen. Sie wissen, dass bestimmte Voraussetzungen dazu geführt haben, dass dieser hohe Kapitalanteil jetzt vorhanden ist. Sie wissen aber auch - das hat der Minister im Ausschuss ebenfalls sehr deutlich gemacht -, dass es hier nicht darum geht, diesen dauerhaft zu halten, sondern dass es das eindeutige Ziel der Bundesregierung ist, die IKB zum Verkauf zu stellen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Am 6. Mai 2008 gab es ja eine Sitzung des Unterausschusses zum ERP-Sondervermögen. Darin hat der Vorsitzende, der Kollege Michelbach, die letzten Wochen und Monate so bewertet, dass zu viel verschleiert worden ist. Er hat darauf hingewiesen, dass der Bundesrechnungshof beauftragt worden sei, den ganzen Vorgang zu überprüfen. Ist Ihnen bekannt, ob dieser Bericht des Bundesrechnungshofs bereits vorliegt?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Zur konkreten Frage: Nein. Da der Eingang der Frage nicht ganz unkommentiert stehen bleiben kann, will ich aber noch einmal deutlich machen, dass die Bundesregierung sowohl zur Fördertätigkeit durch das ERP-Sondervermögen als auch zur allgemeinen Fördertätigkeit der KfW mehrfach sehr eindeutig Stellung genommen hat. Wie Sie sicherlich wissen, wurde das Thema Fördertätigkeit durch das ERP-Sondervermögen in einem Brief der Minister Glos und Steinbrück klargestellt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Schäffler.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, für den Fall, dass die Bundesregierung nicht direkt, sondern vielleicht nur mittelbar eingewirkt hat, gibt es für die Finanzagentur doch sicherlich Richtlinien, nach denen sie Gelder anlegen darf. Sind Ihnen diese Richtlinien bekannt? Können Sie sie dem Parlament zur Verfügung stellen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Ich werde klären, in welcher Form wir sie Ihnen zur Verfügung stellen können. Ich will aber auch ganz eindeutig sagen, dass das Finanzministerium davon ausgeht, dass sich die Finanzagentur selbstverständlich im Rahmen dieser Richtlinien bewegt hat. Im Zweifel können wir dann ja auch einmal gemeinsam auf der Homepage der Finanzagentur nachschauen, ob sie dort nicht sogar stehen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Zusatzfrage hat der Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, was wäre eigentlich mit den 500 Millionen Euro passiert, wenn die Zahlungsfähigkeit der IKB nicht sichergestellt worden wäre und wenn die IKB ihre Geschäftstätigkeit wegen Illiquidität hätte einstellen müssen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, wie Sie wissen - und wie ich es vorhin schon angesprochen habe -, ist die Anlage der Finanzagentur bei der IKB keineswegs die einzige Anlage gewesen. Sie wissen auch, dass bei der schwierigen Abwägung, von der Ihnen der Minister im Ausschuss bereits berichtet hat, ob es eine Insolvenz der IKB oder Rettungsabschirmungen geben solle, immer auch auf die Frage der Einlagen insgesamt geachtet worden ist. Insofern stellen Sie eine hypothetische Frage, die ich Ihnen nicht beantworten kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Wissing.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, der Bund haftet meines Wissens bei der Erfüllung der durch die Deutsche Finanzagentur wahrgenommenen Verpflichtungen für jedes Verschulden der Deutschen Finanzagentur und ihrer Mitarbeiter. Können Sie ausschließen, dass es zu einer solchen Haftungsübernahme aufgrund eines Verschuldens der Mitarbeiter der Finanzagentur kommt, und, wenn ja, warum gehen Sie davon aus, dass eine solche Haftungsübernahme hier auszuschließen sei?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Weil eine Haftungsübernahme, Herr Kollege, immer voraussetzt, dass die Anlage gefährdet ist. Dass wir dies ausdrücklich nicht so sehen, habe ich zu Beginn dieser Fragerunde ebenfalls schon deutlich gemacht. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage ist nicht möglich. Die nächste Frage stellt Kollege Dr. Schick.

Dr. Gerhard Schick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003837, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, hat bei den Überlegungen im Finanzministerium hinsichtlich der „Rettungsaktionen“ für die IKB die Tatsache eine Rolle gespielt, dass Geld des Bundes bei der IKB gefährdet sein könnte?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schick, ich war nicht bei allen Gesprächen dabei und kann Ihnen nur für den Bereich, über den ich Kenntnisse habe, sagen: Nein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Damit kommen wir zu den dringlichen Fragen 7 und 8 des Kollegen Carl-Ludwig Thiele, die sich mit dem gleichen Sachzusammenhang befassen. Zunächst rufe ich die dringliche Frage 7 auf: Welche Finanzhilfen sind in der Verantwortung des Bundesministeriums der Finanzen über Beteiligungen des Bundes oder der Finanzagentur der IKB zur Verfügung gestellt worden?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, hinsichtlich der Beteiligungen des Bundes hat die KfW seit Ende Juli 2007 verschiedenste Maßnahmen zur Risikoabschirmung, die wir alle bereits im Finanzausschuss besprochen haben, auf den Weg gebracht, zum Beispiel den Eintritt der KfW in die Liquiditätslinie der IKB gegenüber dem Conduit Rhineland zugunsten der IKB Deutsche Industriebank. Stützungsmaßnahmen anderer Bundesbeteiligungen sind nicht bekannt. Dies entspricht dem, worüber wir vorhin einen Dialog geführt haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage des Kollegen Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich möchte wissen, wie der Einlagensicherungsfonds im Falle der Zahlungsunfähigkeit gewirkt hätte; denn 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals wären, glaube ich, weniger als 300 Millionen Euro gewesen, sodass die Gefahr bestanden hätte, dass der Rest nicht hätte zurückbezahlt werden können. Können Sie das bestätigen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, der Einlagensicherungsfonds hätte genau so gewirkt, wie es die Regeln vorsehen. Ich halte diese Frage, wie ich eben schon ausgeführt habe, weiterhin für hypothetisch, weil Sie ja wissen, dass es die entsprechenden Abschirmungsmaßnahmen gibt.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, können Sie die Wirkung des Einlagensicherungsfonds noch einmal beschreiben? Ist es zutreffend, dass der Einlagensicherungsfonds mit 30 Prozent des Kapitals der Bank haftet?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sie beschreiben die grundsätzliche Wirkung richtig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Schäffler.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wenn man die Anlageentscheidung kritisch beurteilt, dann ist zu berücksichtigen, dass zum Zeitpunkt der Verlängerung dieser Einlage das Individualrating der IKB bei D gewesen ist, was nach meinem Dafürhalten ein sehr schlechtes Rating ist. Sind Sie nicht der Auffassung, dass eine Finanzagentur, die ja das Vermögen und insbesondere den Schuldendienst des Bundes optimieren sollte, in solchen Anlageformen nichts zu suchen hat?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Schäffler, ich glaube, das ist jetzt der fünfte oder sechste Versuch, mich zu einer Bewertung zu veranlassen. Ich habe Ihnen schon mitgeteilt, dass das nicht ansteht, will aber deutlich machen, dass meines Wissens - auch in diesem Punkt muss ich wegen der Verschwiegenheitspflicht des Bundesschuldengremiums sehr vorsichtig sein - der Bundesrechnungshof diesbezüglich keine Beanstandungen hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat der Kollege Zeil.

Martin Zeil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003868, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, uns bereitet auch die Frage Sorge, inwieweit die gesamte Problematik die Fördertätigkeit der KfW und die KfW insgesamt in Gefahr bringt. Uns ist gesagt worden, dass es eine Ausgleichsvereinbarung geben soll, die sicherstellt, dass die Fördertätigkeit ungeschmälert fortgesetzt werden kann; sie befinde sich aber noch in der Abstimmung. Ist bald mit dieser Ausgleichsvereinbarung zu rechnen?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, ich muss meine Antwort etwas differenzieren. Sie wissen, dass sich die Vereinbarung auf die Fördertätigkeit im Zusammenhang mit dem ERP-Sondervermögen bezieht. Darüber hinaus gibt es die allgemeine Fördertätigkeit. Es geht nicht darum, ob die Fördertätigkeit beibehalten wird, sondern um die technische Ausgestaltung. Derzeit werden noch Gespräche zwischen den beteiligten Häusern, vor allem dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Bundesfinanzministerium, geführt. Ich gehe aber davon aus, dass in absehbarer Zeit ein Ergebnis erzielt wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat der Kollege Dr. Wissing.

Dr. Volker Wissing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003702, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben eben ausgeführt, dass Sie davon ausgehen, dass kein Verschulden seitens der Handelnden bei der Finanzagentur vorliegt, weil gegenwärtig keine Gefährdung der Anlage gegeben ist. Trifft es nicht vielmehr zu, dass man bei der Klärung des Verschuldens entscheidend auf den Zeitpunkt der Anlage abstellen muss? Insofern kommt es nicht auf eine Expost-Betrachtung an, wie sie sich heute darstellt, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Anlageentscheidung getroffen worden ist. Ist es nicht möglich, dass zu diesem Zeitpunkt eine erhebliche Gefährdung vorlag, sodass der Rückschluss auf ein Verschulden durchaus zutreffend ist?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, ich teile Ihre Einschätzung nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen dann zur dringlichen Frage 8 des Kollegen Carl-Ludwig Thiele: Wann wurden die entsprechenden Hilfen jeweils zur Verfügung gestellt?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege, im Prinzip muss ich bei der Beantwortung Ihrer Frage auf die Antwort zur dringlichen Frage 7 verweisen. Sie müssen die Frage der Risikoabschirmungen, die wir im Finanzausschuss jeweils einzeln behandelt haben, gesondert betrachten. Sollte sich Ihre Frage auf die viel diskutierte Anlage beziehen - das ist mir nicht ganz klar -, dann muss ich noch einmal deutlich machen, dass es nicht um Hilfen ging.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, Herr Kollege Thiele.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, um es auch den Zuhörern zu erklären: Der Bund nimmt auf der einen Seite Geld für die Neuverschuldung auf. Auf der anderen Seite verfügt er über Gelder, die er anlegt. Beides erfolgt über die Finanzagentur. Wenn die Finanzagentur für den Bund 500 Millionen Euro in Form einer Verlängerung, einer Neuanlage oder einer Neuvereinbarung von Festgeldkonditionen für ein Jahr anlegt und die Gefahr der GeCarl-Ludwig Thiele fährdung dieser Gelder besteht - was, wie mein Kollege Schäffler ausgeführt hat, bei dem Rating der IKB durchaus gegeben war -, halten Sie es dann für verantwortbar, dass die handelnden Personen die Steuergelder der Bürger durch die Anlage der Gelder bei der IKB gefährden konnten?

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Herr Kollege Thiele, ich habe bereits ausgeführt, dass über diese Frage meines Wissens - ich verweise noch einmal auf die Verschwiegenheitspflicht des Bundesschuldengremiums - diskutiert worden ist und dass mir auch vom Bundesrechnungshof, der das zu bewerten hat, keinerlei Kritik daran bekannt ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, bitte schön.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, von wann stammt denn die Bewertung des Bundesrechnungshofes? Der Vorgang ist doch gerade erst öffentlich geworden.

Nicolette Kressl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002706

Sehr geehrter Herr Kollege, wie ich in meiner allerersten Antwort ausgeführt habe, stellen die in den Zeitungen vorzufindenden Informationen einen Bruch der Verschwiegenheitspflicht dar. Ich hatte das vorhin beschrieben. Es steht außer Frage, dass ich das nicht fortsetzen und Ihnen detaillierte Informationen über die infrage stehende Sitzung geben kann.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Gibt es weitere Fragen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist die Behandlung der dringlichen Fragen beendet. Wir kommen nun zu den Fragen auf Drucksache 16/9388 in der üblichen Reihenfolge. Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 1 der Kollegin Silke Stoker von Neuforn wird schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 2 und 3 der Kollegin Dr. Kirsten Tackmann aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Alexander Bonde werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Christoph Bergner zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 der Kollegin Petra Pau auf: Werden Personen, die in der Datei „Gewalttäter Sport“ erfasst wurden, auch dann in dieser Datei weitergeführt, wenn ein gegen sie laufendes Ermittlungsverfahren eingestellt wurde oder mit einem Freispruch vor Gericht endete, und, wenn ja, zu welchen Zwecken werden diese Daten weiterverwendet? Herr Staatssekretär, bitte.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin Pau, nach § 8 Abs. 3 des Bundeskriminalamtgesetzes sind die Daten zu löschen, wenn der Beschuldigte rechtskräftig freigesprochen wurde, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn unanfechtbar abgelehnt oder das Verfahren nicht nur vorläufig eingestellt wurde und sich aus den Gründen der Entscheidung ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat, das heißt, wenn es sich um einen sogenannten Freispruch erster Klasse handelt. Wurde das Verfahren jedoch aus anderen Gründen eingestellt, zum Beispiel weil die Beweise zwar für einen hinreichenden Tatverdacht, nicht aber für eine Verurteilung ausgereicht haben, kann die Person weiter erfasst werden, wenn die Einstellung erfolgte und anzunehmen ist, dass der Betroffene in Zukunft Straftaten begehen könnte. Die weitere Datenspeicherung wäre dann zulässig, um die Begehung dieser Straftaten zu verhindern, wenn es sich also gewissermaßen um eine Einstellung zweiter Klasse handelte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, Frau Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Staatssekretär, zum zweiten Teil Ihrer Antwort: Nach welchen Kriterien und auf welcher gesetzlichen Grundlage wird die Weiterführung in der Datei „Gewalttäter Sport“ entschieden, und in welchem Teil des entsprechenden Errichtungsgesetzes ist das geregelt?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Die Weiterführung wird, wie bereits aus meiner ersten Antwort hervorgegangen ist, in Abhängigkeit davon vorgenommen, ob der Betroffene in Zukunft Straftaten begehen könnte, deren Verhinderung eine weitere Speicherung in der Datei „Gewalttäter Sport“ erforderlich macht. Als Rechtsgrundlagen gelten die einschlägigen Regelungen für die Anlegung solcher Dateien. Ich verweise auf §§ 8 und 9 des Bundeskriminalamtgesetzes.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Mich interessiert zweitens, wie die Einhaltung der Aussonderungsprüffrist von zwei Jahren praktiziert wird und ab wann diese läuft, insbesondere bezogen auf die zweite Fallgruppe, aber auch auf diejenigen, welche einen Freispruch erster Klasse bekommen haben. Beginnt die Aussonderungsprüffrist mit Einstellung des Ermittlungsverfahrens, mit dem Freispruch vor Gericht oder schon mit dem Zeitpunkt der Erfassung?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin, ich möchte Ihnen hierzu gerne schriftlich eine korrekte Auskunft geben. Ich sehe mich im Moment nicht in der Lage, Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage nach der zweiten Kategorie zu geben. Was die erste Kategorie betrifft, bin ich sicher, dass der Vorgang mit der Einstellung des Verfahrens bzw. der Nichteröffnung des Hauptverfahrens abgeschlossen ist und die Löschung vorgenommen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 7 der Kollegin Pau: Wer entscheidet nach welchen Richtlinien über die Löschung der Daten aus der Datei „Gewalttäter Sport“?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Nach § 11 Abs. 3 Bundeskriminalamtgesetz entscheidet hierüber die Polizeidienststelle, die die Daten gespeichert hat, als sogenannter Datenbesitzer. Grundlage für die Entscheidung sind insbesondere § 8 und § 32 des Bundeskriminalamtgesetzes.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Herr Staatssekretär, wenn Daten aus der Datei „Gewalttäter Sport“ gelöscht werden, bedeutet dies automatisch, dass diese Löschmitteilung auch an die mit ihr verbundenen Dateien geht? Das heißt, können die betroffenen Personen sicher sein, dass ihre Daten auch aus diesen Dateien, wenn sie im Zusammenhang mit der Erfassung in der Datei „Gewalttäter Sport“ aufgenommen wurden, gelöscht werden?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Sofern es sich um nachgeordnete Dateien der Datei „Gewalttäter Sport“ handelt, ist die Löschung vollständig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Nachfrage?

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke, Herr Präsident. - Herr Staatssekretär, dann interessiert mich zweitens noch, mit welchen Dateien von Bund und Ländern diese Gewalttäterdatei verbunden ist und ob Sie es für korrekt im Sinne der Zweckbindung der Erhebung dieser Daten halten, dass Personen, welche aus anderen Gründen in Polizeikontrollen kommen, sei es eine Verkehrskontrolle, sei es eine Grenzkontrolle anlässlich einer Ausreise für einen Urlaub, also nicht wegen einer Sportveranstaltung, wiederum in diesen Dateien mit einer sogenannten Treffermeldung registriert werden?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Ich habe die Rechtsgrundlagen bereits erwähnt, auf denen die Aufnahme in die Datei „Gewalttäter Sport“ oder in entsprechende Dateien vorgenommen wird. Ich will Sie darauf aufmerksam machen, dass sich die Datei „Gewalttäter Sport“ gerade bei sportlichen Großereignissen, wie wir sie im Jahr 2006 mit der Fußballweltmeisterschaft hatten, außerordentlich bewährt hat und dass sich nicht von ungefähr jetzt im Vorfeld der Europameisterschaft die Schweiz und Österreich als Austragungsstaaten sehr um die Sicherheitspartnerschaften mit der Bundesrepublik Deutschland bemühen, weil auf diesem Wege präventiv gewaltsame Ausschreitungen bei Sportgroßveranstaltungen verhindert werden konnten. Vor diesem Hintergrund ist mir nicht ganz klar, worauf sich Ihre Frage mit der sogenannten Trefferregistrierung bezieht. Ich will dem gern nachgehen, aber mir ist der Bezugspunkt Ihrer Frage nicht klar. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 8 der Kollegin Sevim Dağdelen: Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu treffen, um die zu erwartenden und laut Süddeutsche Zeitung vom 26. Mai 2008 ihr bekannten Probleme bei der Schulung von Lehrerinnen und Lehrern an Volkshochschulen zu beheben, die ab dem 1. September 2008 Interessierten Einbürgerungskurse anbieten werden, jedoch aufgrund der Planung von Schulferien und des Nichtvorliegens der 300 möglichen Fragen für Einbürgerungstests in Vorbereitungsschwierigkeiten geraten sind?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Dağdelen, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Die Bundesregierung sieht keine Veranlassung zu eigenen Maßnahmen hinsichtlich der auf Länderebene anzubietenden Einbürgerungskurse. Das für deren inhaltliche Vorbereitung erforderliche Curriculum ist den zuständigen Länderverwaltungen seit Juni 2007 bekannt. Die Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder hatte am 31. Mai/1. Juni 2007 in Berlin mit dem Konzept „Bundeseinheitliche Standards für das Einbürgerungsverfahren“ auch die darin angelegte Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern gebilligt. Danach sorgt der Bund zum 1. September 2008 für einen validen bundeseinheitlichen Einbürgerungstest. Dieser kann unabhängig vom Besuch eines Einbürgerungskurses abgelegt werden. Der Bund bietet den Ländern außerdem für die technische Durchführung die Infrastruktur des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an. Die Länder sorgen ihrerseits dafür, dass auf der Basis des oben genannten IMK-Beschlusses solche vorbereitenden Einbürgerungskurse angeboten werden. Die Teilnahme an solchen Kursen ist freiwillig. Der Bundesregierung erschließt sich nicht, weshalb von den Ländern mit der Planung ihrer Einbürgerungskurse betraute Anbieter, zum Beispiel Volkshochschulen, nicht in der Lage sein sollten, anhand eines ausforParl. Staatssekretär Dr. Christoph Bergner mulierten konkreten Curriculums den Lehrstoff für einen 60-Stunden-Kurs aufzubereiten und ab September 2008 Einbürgerungskurse anzubieten. Ergänzend ist anzumerken, dass ein Großteil der Anbieter bereits im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in dessen Integrationskursen erfolgreich sogenannte Orientierungskurse von 45 Stunden zur gleichen Thematik durchführt. Einbürgerungskurse gezielt nur auf die richtige Beantwortung prüfungsrelevanter Multiple-Choice-Fragen auszurichten, liefe der Intention des obengenannten IMK-Beschlusses entgegen, da dabei auch staatsbürgerliches Verständniswissen und länderbezogene Kenntnisse zu vermitteln sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage, Kollegin Dağdelen?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass die Volkshochschulen dafür verantwortlich sind, für an Einbürgerung Interessierte 60-Stunden-Kurse anzubieten. Ich komme aus Nordrhein-Westfalen, aus Bochum. Ende Juni beginnen dort die Sommerferien. Der Landesvorsitzende des Volkshochschulverbandes in Nordrhein-Westfalen sagt, dass nicht damit zu rechnen ist, dass die Lehrerinnen und Lehrer, die dafür abgestellt werden, sich vorbereiten können, weil ihnen die Fragen bisher noch nicht vorliegen. Ich möchte Sie gerne fragen: Wann gedenkt die Bundesregierung den Lehrerinnen und Lehrern die betreffenden Fragen vorzulegen, damit sie sich auf diese Kurse dementsprechend vorbereiten können, damit es ab 1. September nicht dazu kommt, dass Interessierte nur deswegen daran gehindert werden, Einbürgerungsanträge zu stellen, weil es zeitlich nicht angemessen vorbereitet wurde?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin Dağdelen, ich glaube, Ihre Fragestellung enthält zwei Missverständnisse. Erstes Missverständnis. Sie fragen nach der Verantwortung der Bundesregierung. Ich darf noch einmal sagen: Der IMK-Beschluss, den ich bereits zitiert habe, sieht insoweit eine Arbeitsteilung vor, als der Bund für einen einheitlichen Einbürgerungstest und die Länder für die darauf vorbereitenden Einbürgerungskurse sorgen. Das heißt, die Gestaltung der Kursverantwortung liegt bei den Ländern. Zweites Missverständnis. Der Bund hat nicht die Aufgabe, diese Einbürgerungskurse als Vorbereitung auf ein Multiple-Choice-Fragenraster durchzuführen - auch das habe ich in der Beantwortung der Frage zum Ausdruck zu bringen versucht -; vielmehr entwickelt der Bund ein Rahmencurriculum. Das hat er in einem recht aufwändigen Verfahren in einer Arbeitsgruppe der Innenministerkonferenz, also unter Beteiligung der Länder, erarbeitet. Nach diesem Rahmencurriculum sind entsprechende Bildungsangebote vorzunehmen. Dieses Rahmencurriculum liegt seit langem vor. Auf dieser Basis können Kurse gestaltet werden. Im Übrigen gibt es - darauf habe ich auch in der Antwort aufmerksam gemacht - enge Beziehungen zu den Orientierungskursen nach der Integrationskursverordnung. In dieser Hinsicht kann man auf didaktischen und inhaltlichen Erfahrungen vorhandener Träger aufbauen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, eigentlich hätte ich mehrere Nachfragen. Leider muss ich diese Problematik in einer einzigen weiteren Nachfrage zusammenfassen. Sie sagen, dass Sie für das einheitliche Testverfahren und die Länder für die darauf vorbereitenden Einbürgerungskurse zuständig sind. Dem IMK-Beschluss gingen der „Gesinnungstest“ in Baden-Württemberg und der „Wer wird Millionär?“-Fragebogen in Hessen voran. Die Situation war folgendermaßen: In 16 Bundesländern hatte man verschiedene Einbürgerungsverfahren; deshalb wollte man eine bundeseinheitliche Regelung. Inwieweit wird gewährleistet, dass die Kurse, deren Durchführung in der Länderverantwortung liegt, dem vom Bund vorgegebenen Curriculum entsprechen, damit man das, was vorher geschehen war - zum Beispiel ein Rückgang der Anzahl der Einbürgerungen seit Inkrafttreten des „Gesinnungstests“ in Baden-Württemberg -, vermeidet?

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Frau Kollegin Dağdelen, es wird Sie nicht überraschen, dass ich den Begriff „Gesinnungstest“ in diesem Zusammenhang zurückweise. Er entspricht jedenfalls nicht meiner Einschätzung. Es hat in der Vergangenheit unterschiedliche Versuche der Länder gegeben, als Voraussetzung für eine Einbürgerung gewissermaßen die Verbundenheit mit dem Gemeinwesen der Bundesrepublik Deutschland zum Gegenstand einer Prüfung oder eines Tests zu machen, was von allen Beteiligten als sinnvoll betrachtet wurde. Es hat sich als vorteilhaft herausgestellt, diesen Test bundeseinheitlich durchzuführen, um problematische Unterschiede zwischen den Bundesländern auszuschalten. Daher hat man sich mit den Ländern darauf verständigt, dass der Bund für ein einheitliches Rahmencurriculum sorgt und dass nach diesem Rahmencurriculum von denjenigen, die dies für notwendig halten, entsprechende Angebote gemacht werden können. Insoweit ist dem Gesichtspunkt der Einheitlichkeit Genüge getan. Aufgrund der Einheitlichkeit des Pools an Prüfungsfragen ist auch sichergestellt, dass Einbürgerungstests innerhalb der Bundesländer nach einem vergleichbaren Verfahren vorgenommen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt gibt es noch eine Frage der Kollegin Kornelia Möller.

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte noch einmal nachfragen, um auch ganz sicher zu sein. Ihren Antworten habe ich entnommen, dass es - anders als in der Süddeutschen Zeitung dargestellt kein Multiple-Choice-Verfahren geben wird.

Dr. Christoph Bergner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003505

Doch, es gibt ein Multiple-Choice-Verfahren. Der Sinn eines vorbereitenden Kurses ist aber nicht, die Fragen gewissermaßen vorher abzutesten. Ein Vorbereitungskurs, dessen Besuch ja freiwillig ist, hat den Sinn, demjenigen, der dies wahrnehmen will, die Gelegenheit zu geben, sich mit dem Gemeinwesen und dem Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland vertraut zu machen. Dieser Kurs befähigt auch dazu, anschließend in einem Multiple-Choice-Verfahren entsprechende Fragen zu beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Nun kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dagmar Wöhrl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Kollegen Rainder Steenblock auf: Wie beurteilt die Bundesregierung den Bericht des polnischen Abgeordneten Marcin Libicki, der am 27. Mai 2008 vom Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments angenommen wurde, und inwieweit folgt sie der Auffassung des Petitionsausschusses, die geplante Ostseepipeline sei eine „ernsthafte Umweltbedrohung“ und ein alternativer Routenverlauf sei notwendig - insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Betreibergesellschaft Nord Stream angekündigt hat, in Kürze einen Antrag auf Baugenehmigung bei der Bundesregierung zu stellen?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Vielen Dank. - Herr Kollege Steenblock, ich beantworte die Frage wie folgt: Der Bundesregierung ist der vom Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments vorgelegte Bericht zu den Umweltauswirkungen der geplanten Ostseepipeline zwischen Russland und Deutschland bekannt. Nach Kenntnis der Bundesregierung wird das Plenum des Europäischen Parlaments über den endgültigen Bericht erst im Juli 2008 beschließen. Der Beschluss wird zur Kenntnis genommen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erste Nachfrage.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, die in diesem Bericht genannten Umweltgefährdungen beziehen sich zu einem wesentlichen Teil auch auf die Munitionsaltlasten in der Ostsee. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind dort ungefähr 100 000 Tonnen Munition versenkt worden. Die Trasse der Ostseepipeline führt an ganz vielen Stellen durch die Risikozonen dieser Munitionsaltlastengebiete. Allerdings besteht das Problem, dass die USA und Großbritannien sich bisher weigern, sämtliche Munitionsverklappungsgebiete zu veröffentlichen. Das ist ein Risiko für diese - ja auch von der Bundesregierung unterstützte - Pipeline. Deshalb frage ich Sie: Was wird die Bundesregierung unternehmen, um auf die USA und Großbritannien einzuwirken, diese Verklappungsgebiete für Munitionsaltlasten vollständig zu veröffentlichen, und sicherzustellen, dass diese Pipeline nicht durch Munitionsaltlastengebiete verläuft?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Herr Kollege Steenblock, die Umweltaspekte sind im nationalen wie im völkerrechtlich festgelegten Verfahren zu prüfen. Die Nord Stream AG ist natürlich verpflichtet, die entsprechenden Vorgaben strikt einzuhalten. lm Rahmen der Überprüfungen im nationalen Genehmigungsverfahren wie im völkerrechtlichen Genehmigungsverfahren wie nach der Espoo-Konvention wird es wichtige Erkenntnisse geben. In diesem Zusammenhang sind ebenfalls wichtige Erkenntnisse zum Ökosystem zu erwarten - gerade auch im Hinblick auf den Umgang mit den in der Ostsee versenkten Munitionsaltlasten, die Sie angesprochen haben. Diese Fragen werden im laufenden Genehmigungsverfahren zu prüfen sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage.

Rainder Steenblock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002806, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Frage bezog sich allerdings in erster Linie darauf, was Sie tun, damit die USA und Großbritannien diese Gebiete veröffentlichen. Lassen Sie mich aber, weil Sie ja das Wirtschaftsministerium vertreten, eine zweite Frage stellen. Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, und der Direktor bei der EU-Generaldirektion „Energie und Verkehr“, Herr Hilbrecht, fordern einen freien Zugang Dritter zu den beiden Zuleitungen zur Ostseepipeline, also OPAL und NEL. Sie stimmen mit mir sicherlich darin überein, dass auch für diese Pipeline das europäische Wettbewerbsrecht gilt und die Regeln des Binnenmarktes einzuhalten sind. Deshalb frage ich Sie: Wie will die Bundesregierung den freien Zugang zur geplanten Pipeline für unabhängige Gasversorger sicherstellen, und in welcher Form wird die Bundesregierung die Einhaltung dieser EU-Wettbewerbsregelung zur Bedingung machen, wenn sie demnächst über den Bauantrag entscheidet?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Wie Sie wissen, Herr Kollege - Sie sind ja europapolitischer Sprecher Ihrer Fraktion -, ist dies nicht ein Projekt eines einzelnen Staates, sondern ein Projekt vieler Staaten und als ein Vorhaben bei den transeuropäischen Netzen ausgewiesen. In dem Rahmen werden auch diese Fragen zu überprüfen sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 10 der Kollegin Sevim Dağdelen: Welchen Standpunkt vertritt die Bundesregierung bezüglich des in der Presse gemeldeten Vergleichs ({0}) zwischen dem Handyhersteller Nokia und der nordrhein-westfälischen Landesregierung, die von ihrer Forderung nach Rückzahlung der gezahlten Subventionen inklusive Zinsen in Höhe von circa 60 Millionen Euro für das Werk in Bochum abgerückt sei und eine Einigung mit Nokia über die Rückzahlung von lediglich 30 Millionen Euro erzielt habe, sofern die Bundesregierung diesem Vergleich zustimme?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Frau Kollegin Dağdelen, die Antwort lautet wie folgt: Die in der Presse vermeldeten Informationen sind unzutreffend. Der Bundeswirtschaftsminister würde eine Einigung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und Nokia grundsätzlich begrüßen, erwartet nach Abschluss der Verhandlungen die Vorlage des Ergebnisses bezüglich der davon betroffenen Bundesmittel und würde im Rahmen des rechtlich Möglichen an einer konstruktiven Lösung mitwirken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, eine Nachfrage.

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Liebe Frau Wöhrl, hat die Bundesregierung oder das Bundeswirtschaftsministerium Kenntnis vom Stand der Verhandlungen, und inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Überlegung, die Subventionsrückzahlung von Nokia als Verhandlungssache anzugehen?

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Wir vom Ministerium haben Kenntnis davon: Es sind Vergleichsverhandlungen im Gange. Man versucht, sich außergerichtlich zu einigen. Es ist noch keine Einigung erzielt worden; es ist also noch kein Vergleich zustande gekommen. Die Vergleichsverhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind und es zu einem Vergleich gekommen ist, wird die Bundesregierung auf der Basis dieses Vergleichs nach Recht und Gesetz prüfen, wie wir uns an dem Verfahren weiter beteiligen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Noch eine Nachfrage?

Sevim Dağdelen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003746, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, Herr Präsident. - Nach Recht und Gesetz zu prü- fen, ist sehr begrüßenswert, vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die Subventionszahlungen von Bund und Land 83 Millionen Euro betragen haben und die Rückzahlungsforderung der Landesregierung Nord- rhein-Westfalen bzw. des Wirtschaftsministeriums dort in Höhe von 60 Millionen Euro nach den Pressemeldun- gen, die Sie als unzutreffend bezeichnet haben, auf 30 Millionen Euro reduziert worden ist. Wie will denn die Bundesregierung die öffentlichen Gelder - die Sub- ventionen sind aus öffentlichem Eigentum bezahlt wor- den - in voller Höhe zurückholen? Wenn ich sozusagen noch eine zweite Halbfrage stel- len darf: Mich würde auch interessieren, ob die Bundes- regierung gedenkt, auf der Grundlage dieser Erfahrun- gen mit Nokia in Bochum die Vergabebedingungen für Subventionen noch einmal zu überprüfen oder zu verän- dern. Denn nur mit der Schließung des Werks von Nokia ist ja an die Bildoberfläche gekommen, dass nicht ge- prüft worden ist, dass Auflagen nicht eingehalten wor- den sind usw. usf.

Dagmar G. Wöhrl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002829

Frau Kollegin Dağdelen, da Sie sich mit diesem Vor- gang beschäftigt haben, wissen Sie auch, dass es sich hierbei um GA-Fördermittel handelt. Bei GA-Fördermit- teln entscheiden die Länder über den Einsatz. Ihnen ob- liegt auch die Kontrolle, die Überwachung. So wird es beim Einsatz von GA-Mitteln, die von der Bundesregie- rung nachher aufgestockt werden, in Zukunft weiter sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Die Fragen 11 bis 16 sollen schriftlich beantwortet werden. Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Ministeri- ums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beant- wortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Karin Roth zur Verfügung. Es gibt eine ganze Reihe von Fragen zum Donauaus- bau zwischen Straubing und Vilshofen. Ich rufe zunächst die Frage 17 der Kollegin Eva Bulling-Schröter auf: Wie bewertet die Bundesregierung angesichts des gelten- den Bundestagsbeschlusses zum Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen vom 7. Juni 2002, welcher einzig ei- nen staustufenlosen Ausbau des Flusses durch die sogenannte Ausbauvariante A vorsieht, folgende Aktivitäten des Freistaa- tes Bayern: a) dass im Raumordnungsverfahren zum Donau- ausbau auf Wunsch der Bayerischen Staatsregierung auch die Varianten C/C 2,80 mit einer Staustufe und D 2 mit drei Stau- stufen untersucht wurden, b) dass durch die Regierung Nieder- bayern nach Abschluss des Verfahrens die Variante C/C 2,80 empfohlen wurde, wobei im Verfahren die Bundesanstalt für Gewässerkunde, BfG, und die Bundesanstalt für Wasserbau, BAW, als Prüfungsinstanzen beteiligt wurden?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, ich beantworte Ihnen Frage 17 gemäß den beiden Teilen wie folgt: Ich beginne mit a): Das Raumordnungsverfahren un- tersteht dem Landesrecht. Die Aussage, dass die Bundesanstalt für Wasserbau und die Bundesanstalt für Gewässerkunde beim Raumordnungsverfahren als Prü- fungsinstanzen beteiligt wurden, ist nicht zutreffend. Jetzt zu b): Die landesplanerische Beurteilung der Regierung von Niederbayern kommt zu dem Ergebnis, dass nur die Variante C/C 2,80, das heißt ein Ausbau mit flussregelnden Maßnahmen durch eine Staustufe, den Erfordernissen der Raumordnung entspricht. Die Bundesregierung hat diese Einschätzung der Regierung von Niederbayern nicht zu bewerten. Sie ist für ein künftiges Planfeststellungsverfahren rechtlich nicht verbindlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Frau Staatssekretärin, wie bewerten Sie denn die Aktivitäten in Niederbayern? Der Bundestag hatte ja im Jahre 2002 mit einer großen Mehrheit beschlossen, beim Donauausbau die Variante A zu realisieren. Hier liegt ja ein Widerspruch zu der Auffassung der Regierung von Niederbayern vor. Wie bewerten Sie das?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Frau Kollegin, es ist so, dass das Land Bayern, in dem Fall die Regierung von Niederbayern, unabhängig vom Bund aktiv geworden ist. Das ist möglich, aber das spielt zur Beurteilung von unserer Seite keine Rolle.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage? - Nein. Wir kommen zur Frage 18, ebenfalls von der Kollegin Bulling-Schröter: Wie bewertet die Bundesregierung angesichts des geltenden Bundestagsbeschlusses zum Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen vom 7. Juni 2002, welcher einzig einen staustufenlosen Ausbau des Flusses vorsieht, die Tatsache, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, im Juli 2007 einen Förderantrag der Rhein-Main-Donau Wasserstraßen GmbH, RMD, für eine variantenunabhängige Untersuchung des Ausbaus der Donau in diesem Abschnitt an die Europäische Kommission stellte, welche laut Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Kosten von 33 Millionen Euro verursachen wird, obwohl die Bundesregierung aufgrund des Bundestagsbeschlusses ausschließlich als Bauherr für die Variante A zur Verfügung stehen kann?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Meine Antwort lautet wie folgt: Bundesverkehrsminister Tiefensee hat das Anliegen des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung des Deutschen Bundestages unterstützt, einen Antrag auf Beteiligung an den Planungskosten zum Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen bei der Europäischen Kommission zu stellen. Diesen Antrag hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung am 20. Juli 2007 bei der Kommission eingereicht. Mit den Ergebnissen der Studie wollen Bund und Bayern die Entscheidung zum Donauausbau wissenschaftlich untermauern und Voraussetzungen zur Beantragung eines Planfeststellungsverfahrens schaffen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nachfrage?

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Der Abschnitt zwischen Straubing und Vilshofen wurde ja schon sehr oft untersucht. Es ist jetzt nicht das erste Mal. Sie wissen sicherlich besser, wie oft er schon untersucht wurde. Der gesamte Ausbau nach der Variante A ohne Hochwasserschutz kostet 126 Millionen Euro. Hierzu gibt es einen entsprechenden Bundestagsbeschluss aus dem Jahre 2002. Jetzt soll noch ein Gutachten, und zwar ein variantenunabhängiges Gutachten, erstellt werden, das 33 Millionen Euro kosten wird. Halten Sie diesen enormen Kostenaufwand gegenüber dem Steuerzahler für vertretbar? Es geht immerhin um 33 Millionen Euro.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, wir halten dies für vertretbar, vor allen Dingen auch aufgrund des Beschlusses des Verkehrsausschusses. Insofern, glaube ich, kommen wir in der Sache nur weiter, wenn wir so verfahren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Nachfrage?

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Dem Verkehrsministerium ist ein Schreiben des damaligen bayerischen Umweltministers Werner Schnappauf vom 2. Dezember 2004 bekannt, aus dem sich ergibt, dass der Vorstand der Rhein-Main-Donau AG, Thomas Barth, in Brandbriefen an die Minister Schnappauf, Wiesheu und Huber und an die Staatskanzlei darum gebeten hat, die vorläufige Einstufung von Oberflächenwasserkörpern nach der europäischen Wasserrahmenrichtlinie beim Donauabschnitt Straubing-Vilshofen - darüber sprechen wir ja gerade - so vorzunehmen, dass sie dem Staustufenausbau dieses Abschnitts nicht entgegensteht. Der Abschnitt solle entgegen der tatsächlichen Ausprägung nicht als „natürliches Gewässer“, sondern als „erheblich verändert“ ausgewiesen werden, um so die geplanten Staustufen schon vorwegzunehmen. Diesem Wunsch wurde natürlich prompt entsprochen. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob diese Vorgaben mit den Aufgaben eines neutralen Planungsbüros in Einklang stehen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin, bei der Frage des Donauausbaus geht es ja um verschiedene Varianten. Nur das ist von unserer Seite zu bewerten. Ich habe Ihnen deutlich gemacht, dass die variantenunabhängige Untersuchung für uns alle ein wichtiger Schritt ist, um zu klären - das ist bisher nicht geschehen -, welche Varianten die besseren sind. Dazu dienen die vorhandenen Untersuchungen, weitere müssen aber angestellt werden. Aufgrund der so gewonnenen Ergebnisse können wir dann zu Entscheidungen kommen. Was in 2004 gemacht worden ist, ist für diese Frage nicht relevant.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich habe eine Reihe von weiteren Fragen, zunächst von der Kollegin Brunhilde Irber.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, Sie gestatten eine Nachfrage. Sie haben in der Beantwortung der ersten Frage von Frau Bulling-Schröter gesagt, dass die Variante C/C 2,80, die das Ergebnis des Raumordnungsverfahrens der Regierung von Niederbayern ist, vom Bund nicht bewertet wird. Heißt das, dass Sie dieses Ergebnis des Raumordnungsverfahrens auch in den weiteren Planungen nicht berücksichtigen, und wird diese Variante in den angesprochenen Untersuchungen, die jetzt über die EU finanziert werden sollen, überhaupt weiterverfolgt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Irber, es gibt sehr viele Untersuchungen zur Donau, darunter das Raumordnungsverfahren von Niederbayern. Wir werden natürlich alles berücksichtigen. Aber für die Frage, ob und in welcher Weise ausgebaut wird, ist entscheidend, dass wir die variantenunabhängige Untersuchung machen. Sonst bräuchten wir die Untersuchung nicht einzuleiten. Insofern sind wir jetzt, glaube ich, einen Schritt weiter. „Variantenunabhängig“ heißt, alles zu untersuchen, um zu einem Ergebnis zu kommen, das vielleicht von den bisherigen Varianten abweicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage kommt von dem Kollegen Horst Meierhofer.

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben gesagt, Sie müssten jetzt die variantenunabhängige Bewertung durchführen bzw. die verschiedenen Varianten untersuchen, um sie dann bewerten zu können. Aufgrund welches Auftrages an das Verkehrsministerium oder an die Bundesregierung geschieht das? Soweit ich weiß, ist der letztgültige Beschluss noch derjenige, dass man die Variante A ohne Staustufen prüft. Deswegen weiß ich jetzt nicht, aus welchem Grund Sie das tun. Die wissenschaftliche Untermauerung, die Sie vorher angesprochen haben, scheint nicht unbedingt der Grund sein zu müssen; denn an dieser Stelle der Donau hat sich aus meiner Sicht nichts geändert. Oder sehen Sie das anders?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Kollege Meierhofer, ich habe in der Antwort auf die Frage deutlich gemacht, dass es einen Beschluss des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 4. Juli 2007 zu dieser Frage gibt. Diesen betrachten wir als Arbeitsauftrag des Ausschusses, den wir annehmen. Aufgrund dessen leiten wir das Verfahren ein. Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat die Bundesregierung auch bei der Europäischen Kommission die Planungsmittel beantragt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage geht an den Kollegen Dr. Anton Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ist Ihnen das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes bekannt, in dem festgehalten wird, dass der Bund der alleinige Bauherr ist, und ist Ihnen bekannt, dass es einen entsprechenden Bundestagsbeschluss gibt? Es ist daher vollkommen irrelevant, was der Verkehrsausschuss beschlossen hat, weil das Plenum des Deutschen Bundestages einen Beschluss gefasst hat. Außerdem kann man nicht von einem Beschluss des Verkehrsausschusses sprechen. Es gab vielmehr eine Bitte der Frau Abgeordneten Blank und des Herrn Abgeordneten Scheuer. Ist Ihnen also bekannt, dass es dieses Gutachten gibt und einen Ihrem Handeln widersprechenden gültigen Beschluss des Bundestages?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Dr. Hofreiter, es gibt einen Beschluss des Bundestages zum Ausbau bezogen auf die Variante A. Wir veranlassen jetzt eine variantenunabhängige Untersuchung, bei der das Ergebnis offen ist. Insofern handelt die Bundesregierung nicht gegen den Beschluss des Bundestages. Der Bundestagsbeschluss bleibt vielmehr bestehen. Aber die weitere Untersuchung wird Näheres zeigen. Sie ist also zur Erhellung des Tatbestandes sicherlich vernünftig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke schön. - Nun eine Frage des Kollegen Dr. Andreas Scheuer.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich will mich zunächst beim Kollegen Hofreiter bedanken. Aber ich muss schon sagen, dass es sich eher um eine Entscheidung des Verkehrsministers gehandelt hat, da er die verkehrspolitische Relevanz der Donau erkannt und damit die Variantenunabhängigkeit in die Diskussion gebracht hat. Frau Staatssekretärin, vielleicht könnten Sie ganz kurz Auskunft geben, was den Begriff der Variantenunabhängigkeit betrifft. Die Verkehrspolitiker und das Verkehrsministerium machen sich sehr stark Gedanken, wie ein Ausbau aufgrund der verkehrspolitischen Relevanz der Donau unter Beachtung aller ökologischen Schutzmaßnahmen durchgeführt werden kann. Wir haben ein Moderationsverfahren innerhalb der Europäischen Union angestoßen. Die Kollegin Irber weiß, dass die auf EU-Ebene zuständige Moderatorin in die Region eingeladen wurde. Können Sie bestätigen, dass durch die variantenunabhängige Untersuchung sichergestellt ist, dass wir die Durchführungen aller ökologischen Schutzmaßnahmen anstreben und entsprechende Überlegungen anstellen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Kollege Dr. Scheuer, wir würden eine variantenunabhängige Prüfung nicht vornehmen, wenn wir nicht der Auffassung wären, dass weitere Maßnahmen notwendig sind, um zu prüfen, inwieweit die ökologischen Belange bei der Donau zu berücksichtigen sind. Wir haben zwar schon sehr viele Gutachten. Aber auch Sie wissen, dass wir eine Einigung mit dem Freistaat Bayern brauchen. Es geht von unserer Seite daher auch darum, im Rahmen der variantenunabhängigen Untersuchung gute Argumente für eine Ausbauvariante zu erhalten, die nicht unbedingt diejenige Variante sein muss, die beispielsweise das Land Bayern oder in diesem Fall die Regierung von Niederbayern vorschlägt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Danke. - Die nächste Frage geht an die Kollegin Brunhilde Irber.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, ich muss noch einmal nachfassen. Der Bundestagsbeschluss aus dem Jahre 2002 sah ausdrücklich vor, dass die Variante A vom Bund weiter verfolgt werden soll. Das impliziert, dass andere Varianten nicht weiter verfolgt werden sollen oder dürfen. ({0}) Deshalb frage ich Sie, wieso eine Variante, die vom Freistaat Bayern als Ergebnis des Raumordnungsverfahrens ins Gespräch gebracht wurde, nun weiter geprüft werden soll. Wie ist das mit dem bestehenden Bundestagsbeschluss vereinbar?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Irber, genau das ist nicht der Fall; das habe ich gerade deutlich gemacht. Eine variantenunabhängige Untersuchung heißt auch, dass sie unabhängig von den Empfehlungen des Landes Bayern ist. Es geht darum, eine Lösung unter Einbeziehung des Bundestagsbeschlusses zu finden, um dann die ökologischen Maßnahmen so zu organisieren, dass am Ende eine Möglichkeit für den Ausbau der Donau besteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir haben jetzt eine Frage des Kollegen Ernst Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Frau Staatssekretärin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich die Verfahrensweise, die die Bundesregierung momentan im Rahmen des Donauausbaus gewählt hat, voll und ganz unterstütze und für die einzig richtige, vernünftige Verfahrensweise halte? Zweitens. Ich möchte darauf verweisen - ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. ({0})

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, das war ein Eingangssatz. Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bewusst, dass im Rahmen der Variante C/C 2,80 täglich 840 20-Tonnen-Lkws weniger auf der Autobahn fahren würden und deren Ladung auf die Binnenwasserstraße Donau verfrachtet werden könnte und dass bei der Variante A nur eine Reduzierung um 220 Lkws erfolgen würde und umgekehrt die Straßen zusätzlich belastet würden? Darüber hinaus muss ich darauf verweisen ({0}) - ich bitte, nicht gestört zu werden; auch ich habe Sie reden lassen -, dass die Donau bei Variante C/C 2,80 an 290 Tagen nutzbar ist, während sie bei Variante A nur an 155 Tagen nutzbar ist, und dass sich - das ist das Letzte in diesem Zusammenhang - zum Beispiel an den Uferstreifen zwischen Aicha und Straubing überhaupt nichts, also weder durch eine Buhne noch durch sonst etwas, ändert. Das, was die Variante C/C 2,80 beinhaltet, ist also als umweltfreundlichste Lösung anzusehen. ({1})

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ich versuche, das zu beantworten, Herr Kollege Hinsken: Als Grundlage dafür, was am Ende im Ministerium entschieden und dann dem Bundestag vorgelegt wird, haben wir eine variantenunabhängige Untersuchung eingeleitet. Dieses Verfahren haben wir bei der Europäischen Kommission angemeldet. Wir gehen davon aus, dass die Europäische Kommission die entsprechenden Mittel bereitstellt. Sie hat es schon beschlossen; aber das Europäische Parlament muss noch zustimmen. So sieht das Verfahren zurzeit aus. Wir sind im Moment in der Situation, dass wir noch nicht handeln können, weil wir noch nicht das Go vonseiten des Parlaments haben. Die verkehrliche Seite ist das eine; es geht aber auch um ökologische Fragen und um Fragen des Klimawandels, die wir berücksichtigen müssen. Da sind neue Aspekte aufgetaucht. Deshalb sind wir der Auffassung, dass zusätzliche Untersuchungen notwendig sind, um vor dem Hintergrund der Umweltverträglichkeit eine entsprechende Variante vorzuschlagen. Wenn wir uns für eine andere Variante als die, die im Bundestagsbeschluss vorgesehen ist, entscheiden würden, müsste der Bundestag damit befasst werden. Aber das ist offen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Es ist noch eine ganze Reihe von Fragen zu diesem Komplex gestellt worden, die anschließend aufgerufen werden. Deswegen und weil wir keine Zeit mehr haben, lasse ich als letzte Zusatzfrage die von Frau Kotting-Uhl zu. Denn ansonsten haben die anderen Fragesteller, die sich auf die Fragestunde vorbereitet haben, keine Chance mehr, zu Wort zu kommen. Ich bitte also darum, keine Zusatzfragen mehr zu stellen. Wir werden in der vorgesehenen Reihenfolge fortfahren. Frau Kotting-Uhl, bitte.

Sylvia Kotting-Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003792, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident. Es ist ja unser aller Zeit, die beansprucht wird. Ich muss sagen, dass ich als Mitglied des Umweltausschusses, in dem ich einen anderen Umgang mit Beschlüssen des Bundestages gewohnt bin, etwas irritiert bin. Ich möchte Sie fragen, ob dies im Verkehrsministerium die übliche Art ist, mit Bundestagsbeschlüssen umzugehen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, Sie gehen davon aus, dass der Bundestagsbeschluss für uns nicht maßgebend ist. Das ist falsch. Wir gehen mit dem Bundestagsbeschluss so um, wie es sein muss. Er ist für uns Grundlage. Er wurde von unserer Seite auch nicht verändert. Wir brauchen aber zusätzliche variantenunabhängige Untersuchungen. Diese werden jetzt eingeleitet. Am Ende wird ein Ergebnis stehen, mit dem sich der Bundestag befassen wird. Das Ergebnis ist offen. Sie können der Bundesregierung nicht unterstellen, dass sie den Auftrag des Verkehrsausschusses nicht umsetzt. ({0}) Sie setzt diesen Beschluss um, aber das Ergebnis ist offen. Wir halten den Bundestagsbeschluss ein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe die Frage 19 der Kollegin Brunhilde Irber auf: Hält die Bundesregierung die Rhein-Main-Donau-Gesellschaft, RMD, ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der RMD AG, die sich über ihre Gesellschafter Eon, LEW und EnBW vollständig im Besitz privater Stromversorger und Wasserkraftwerksbetreiber befindet und die zudem das Konzessionsrecht für die Stromnutzung an Staustufen der Donau zwischen Straubing und Vilshofen besitzt, für geeignet, wesentliche Dienstleistungen - Koordination, Erstellung des Untersuchungsprogramms, Betreuung der geplanten Vorgaben für die sogenannte variantenunabhängige Untersuchung einer staustufenfreien und einer staugestützten Ausbauvariante der Donau im erwähnten Abschnitt zu erbringen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Ihre beiden Fragen betreffen die RMD, die RheinMain-Donau-Gesellschaft. Ich möchte beide Fragen zusammen beantworten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich die Frage 20 der Abgeordneten Irber auf: Hält es die Bundesregierung für angemessen, dass das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit nicht an der Entscheidung über die Vergabe der Koordination der sogenannten variantenunabhängigen Untersuchung im Zusammenhang mit dem Donauausbau an die RMD beteiligt war, das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung also darüber allein entschieden hat, und warum wurde oder hat sich das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit angesichts der Tatsache, dass die Untersuchungen Teil der Vorarbeiten zur FFH-Verträglichkeitsuntersuchung - FFH: Flora-Fauna-Habitat - im Zusammenhang mit einem Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen sind, nicht an der Auswahl der RMD als Koordinator der sogenannten variantenunabhängigen Untersuchung beteiligt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Entscheidungen sind noch nicht getroffen worden. Zunächst bleibt die Entscheidung der Kommission über den TEN-Zuschuss zur variantenunabhängigen Untersuchung abzuwarten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sie haben jetzt die Möglichkeit, vier Nachfragen zu stellen, Frau Irber. Sie müssen diese aber nicht ausschöpfen.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben einen transparenten und offenen Prozess bei der Vergabe der Untersuchungsaufträge versprochen. Mich würde interessieren, wie dieser transparente Prozess aussehen soll. An welchem Tag werden die Anträge und Untersuchungsprogramme offengelegt? Sie haben einen Teil meiner zweiten Frage nicht beantwortet: Wie wird das Bundesumweltministerium beteiligt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Irber, zunächst zu Ihrer letzten Frage: Es ist gar keine Frage, dass das Bundesumweltministerium beteiligt wird. Es ist beteiligt und wird auch weiterhin beteiligt sein. Zum transparenten Verfahren: Ich habe Ihnen gesagt, dass wir noch keine Entscheidung getroffen haben. Wir setzen aber auch in diesem Zusammenhang auf ein transparentes Verfahren. ({0}) - Die Entscheidung treffen wir, nachdem die Kommission die TEN-Mittel zugesagt hat. Dann werden wir entscheiden, wie wir das organisieren. Dann werden wir das Thema Transparenz aufnehmen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Nachfrage.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, wann beginnt die RMD mit der Ausschreibung und der Vergabe von Verträgen für Dienstleistungen - sprich: Gutachten - im Zusammenhang mit den variantenunabhängigen Untersuchungen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Kollegin, das ist noch nicht entschieden. Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich weiß nämlich nicht, wann die Kommission entscheidet. Wir haben keinen Fahrplan vorliegen. ({0}) - Das ist interessant. Da wissen Sie mehr als ich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre dritte Nachfrage, Frau Irber.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wird im Juli mit einer Entscheidung der Kommission und einer Vergabe der Aufträge durch die RMD gerechnet?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Frau Kollegin, ob die Kommission im Juli entscheidet, weiß ich nicht. Das wäre aber zu wünschen. Das weitere Verfahren wird dann geklärt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ihre vierte Nachfrage.

Brunhilde Irber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002688, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mich würde interessieren, ob im Zuge des aktuellen Untersuchungsprogramms auch geschaut wird, ob die unterschiedlichen Varianten zu Grundwasserveränderungen führen, vor allem bezogen auf das Stadtgebiet von Deggendorf. Wenn Ja: Welche Szenarien werden zugrunde gelegt?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Irber, weil das Thema „Wasser und Klimawandel“ auf der Tagesordnung steht, werden wir natürlich entsprechende Untersuchungen durchführen lassen. Ob diese Untersuchung durchgeführt werden wird, weiß ich nicht. Ich werde Ihren Hinweis aber aufnehmen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Jetzt hat der Kollege Dr. Andreas Scheuer eine Zusatzfrage.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich erst einmal dafür, dass Sie einen transparenten Prozess zugesagt haben. Ich möchte zur Kenntnis geben, dass die EU-Koordinatorin Peijs in der Region war. Frau Irber, Sie waren bei dem Punkt ja zugegen. Die RMD hat den Bund Naturschutz definitiv eingeladen, an diesem transparenten Prozess mitzuarbeiten. Das war meine Nebenbemerkung. Nun zu meiner Frage. Wenn Sie - wie vorhin bei der Antwort auf die Frage des Kollegen Hinsken - von Klimawandel sprechen, glauben Sie dann, dass durch die Verkehrsrelevanz der Donau - wenn die Donau unter Berücksichtigung aller ökologischen Schutzmaßnahmen als Verkehrsträger fit gemacht wird - ein Beitrag zur Reduzierung der Schadstoffausstoße auf dem Transportweg Autobahn geleistet werden kann?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Lieber Kollege Scheuer, es ist gar keine Frage: Die Binnenschifffahrt ist der umweltverträglichste Verkehrsträger. Wir müssen alles tun, damit mehr Güter auf die Wasserstraßen bzw. auf die Schifffahrt umgeleitet werden. Insofern ist die Bundesregierung zurzeit nicht nur bezüglich der Donau, sondern auch in anderen Bereichen sehr aktiv, um genau dieses Ziel, mehr Klimaschutz, zu erreichen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage geht an den Kollegen Dr. Anton Hofreiter.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, Sie sprachen von einem fairen und transparenten Verfahren; gleichzeitig sprachen Sie von der RMD. Ist Ihnen bekannt, dass es in der Region keinen Beteiligten gibt, der auch nur annimmt, dass die RMD in der Lage ist, ein faires und transparentes Verfahren zu organisieren? ({0}) Oder anders gefragt: Bedeutet die Aussage, dass es ein faires und transparentes Verfahren gibt, dass der RMD der Auftrag entzogen wird?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Dr. Hofreiter, es ist mir bekannt, dass es Diskussionen über die RMD und deren Parteilichkeit gibt. Für die Bundesregierung ist die RMD aufgrund unserer Verträge mit ihr ein Partner. Von daher werden die Entscheidungen, wie die RMD im Rahmen des Donauausbaus involviert ist oder sein wird, dann getroffen, wenn es so weit ist. Es ist noch nicht so weit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage hat der Kollege Horst Meierhofer.

Horst Meierhofer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003806, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Schifffahrt der umweltfreundlichste Verkehrsträger sei. Wie definieren Sie das? Definieren Sie das unter Berücksichtigung aller ökologischen Probleme, die vielleicht durch die Schaffung eines neuen Kanals, durch die Staustufen oder durch Einflüsse auf Ökosysteme einbezogen werden? Oder sehen Sie das erst so ab dem Zeitpunkt, wenn der Fluss als Ökosystem bereits in die Schranken gewiesen worden ist und dadurch unter Umständen alles ökologisch Negative bereits erfolgt ist? Sprich: Ist es das Umweltfreundlichste, wenn schon ausgeteert oder ausbetoniert ist, oder definieren Sie das so ab dem jetzigen Zeitpunkt? Wenn Sie wüssten, dass zum jetzigen Zeitpunkt die Binnenschifffahrt der freundlichste Verkehrsträger ist, dann bräuchten Sie keine Untersuchung durchzuführen, sondern wüssten, dass es vernünftig ist, möglichst viele Staustufen zu bauen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Dr. Meierhofer, Sie unterstellen, dass ich das in meiner Antwort nur auf die Donau bezogen habe. Ich habe das generell gemeint. Das ist sehr wichtig und stimmt auch. Es ist ganzheitlich betrachtet so. Sie können auch nachlesen, dass die Binnenschifffahrt der umweltverträglichste Verkehrsträger ist. Natürlich ist es notwendig, bezogen auf den jeweiligen Fluss, also auf die jeweilige Bundeswasserstraße, entsprechende Vorkehrungen zu treffen, damit diese Umweltverträglichkeit zum Tragen kommt. Deshalb gibt es unterschiedliche Wasserstraßen. Es gibt, wie Sie wissen, nicht nur staugeregelte Wasserstraßen. Insofern widerspricht meine Aussage, die ich generell gemeint habe, nicht dem Anliegen, das wir hinsichtlich der Donau haben. Wir müssen nur klären, welches die beste Variante ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage geht an die Kollegin BullingSchröter.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön. - Ich habe gehört, dass Sie die Folgen des Donauausbaus noch einmal unter klimarelevanten Gesichtspunkten prüfen lassen möchten. So habe ich Sie verstanden. Jetzt würde ich gerne von Ihnen wissen, ob im Anhörungsverfahren des Umwelt- und Verkehrsausschusses in 2002 große Defizite bezüglich der Klimarelevanz angesprochen wurden. Ich war damals zugegen. Ich weiß, dass damals sehr intensiv - es ging über mehrere Stunden - darüber diskutiert wurde. Ich kenne die IPPC-Richtlinie und weiß natürlich, dass sehr viele Aspekte klimarelevant sind. Mich würde außerdem interessieren, ob ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie den Verkehr mehr als bisher vom Lkw auf das Schiff verlagern wollen. In den vertieften Untersuchungen wurde ausgeführt, dass verstärkt von der Bahn auf das Schiff verlagert werden soll. Das würde somit dem, was unter dem Gesichtspunkt der Klimarelevanz jetzt wichtig wäre, widersprechen.

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Zunächst einmal geht es um die Verlagerung von der Straße auf die Wasserstraße; das ist die wichtigste Maßnahme. Natürlich gab es schon damals Untersuchungen zum Klima; das ist klar. Heute gibt es aber neue Erkenntnisse, die wir im Rahmen der variantenunabhängigen Untersuchung aufbereiten wollen und die wir bewerten müssen. Deshalb werden zu diesem Thema weitere Untersuchungen durchgeführt. Insofern ist der Beschluss des Verkehrsausschusses im Hinblick auf diese Frage von besonderer Wichtigkeit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Frage des Kollegen Hinsken.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, sind Ihnen Aussagen von Experten bekannt, die zum Ausdruck bringen, dass der Verkehr in Ostbayern, wenn die Donau nicht bald ausgebaut wird, nicht mehr bewerkstelligt werden kann und ganze Gebiete im Verkehr ersticken werden?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

In der Bundesrepublik gibt es das Problem, dass insbesondere beim Güterverkehr mit einem steigenden Verkehrsaufkommen zu rechnen ist. Von daher ist es sehr wichtig, dass wir unsere Infrastruktur in allen Bereichen ausbauen, auch und gerade die Wasserstraßen. Glücklicherweise wurden die Investitionen im Bereich der Bundeswasserstraßen erhöht. Das ist eine wichtige Voraussetzung für ihren Ausbau, nicht nur für den der Donau, sondern auch für den anderer Wasserstraßen. Ziel der Bundesregierung ist, dafür zu sorgen, dass die Wasser17470 straßen, zu denen auch die Donau gehört, in größerem Umfang genutzt werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Uns verbleiben jetzt noch fünf Minuten. Zu diesem Themenbereich liegen mir noch vier Fragen vor. Ich muss also all diejenigen, die Fragen zu anderen Themen haben, bitten, darauf zu warten, dass diese schriftlich beantwortet werden; denn zu einer mündlichen Beantwortung kommen wir heute nicht mehr. Jetzt rufe ich die Frage 21 der Kollegin Kornelia Möller auf: Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass bei der Entscheidung über eine Variante des Donauausbaus im Abschnitt Straubing-Vilshofen das Einvernehmen mit dem Land Bayern erforderlich ist, und wie begründet sie ihre Position?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Liebe Kollegin Möller, auf die Frage, ob das Einvernehmen mit dem Land Bayern erforderlich ist, kann ich zunächst einmal mit Ja antworten; das ist so. Zum Ausbau der Donau sind seit 1921 zwischen dem Bund, dem Freistaat Bayern und der Rhein-Main-Donau-Gesellschaft verschiedene Verträge geschlossen worden. Diese sehen unter anderem vor, dass die wesentlichen technischen und finanziellen Grundlagen des Donauausbaus, also auch die Variante des Donauausbaus, vom Bund und vom Freistaat Bayern einvernehmlich zu legen sind. Das ist in § 3 Abs. 1 des Donaukanalisierungsvertrags aus dem Jahre 1976 geregelt. Im Übrigen bedarf der Planfeststellungsbeschluss, mit dem eine Ausbauvariante genehmigt wird, nach § 14 Abs. 3 des Wasserstraßengesetzes in Verbindung mit Art. 89 Abs. 3 des Grundgesetzes des Einvernehmens der zuständigen Landesbehörde, soweit das Vorhaben Belange der Landeskultur oder der Wasserwirtschaft berührt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Nachfrage, Kollegin Möller? - Nein. Kollege Dr. Hofreiter hat noch eine Nachfrage.

Dr. Anton Hofreiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003772, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, man hat das Gefühl, Sie tun alles, um den Eindruck zu erwecken, dass der Bund eigentlich keinen Einfluss hat. Ist Ihnen das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages bekannt, in dem deutlich gemacht wird, dass der Bund in der Frage, in welcher Form ausgebaut wird, die alleinige Entscheidungskompetenz hat? Ist Ihnen dieses Gutachten bekannt: ja oder nein?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Dr. Hofreiter, ich habe gerade sehr ausführlich dargestellt, dass wir aufgrund gesetzlicher und vertraglicher Vorschriften sowie vor allen Dingen aufgrund des Grundgesetzes ein Einvernehmen mit dem Freistaat Bayern herzustellen haben. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages möchte ich nicht bewerten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt der Kollege Dr. Scheuer.

Andreas Scheuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003625, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, würden Sie bestätigen, dass das Bundesverkehrsministerium bei all seinen Aktivitäten und Kompetenzen und so auch in dieser Sache Wert darauf legt, die Betroffenen vor Ort in einem transparenten Verfahren einzubinden, und das gerade im Gegensatz zu dem steht, was der Kollege Hofreiter sagt: dass der Bund zentralistisch entscheiden soll über eine Sache, die in der Region ein Thema ist?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Herr Kollege Scheuer, es ist so, dass wir als Bundesregierung an Gesetz und Verträge gebunden sind. Darüber hinaus gehört gerade zu diesem die Donau betreffenden Verfahren die Einbeziehung der Betroffenen. Deshalb gibt es ja entsprechende Anhörungsverfahren. Insofern sind wir in einem demokratischen Prozess, und darüber bin ich auch froh.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt die Kollegin BullingSchröter.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Staatssekretärin, ich habe mit großem Interesse Ihre Auslassungen ({0}) über das Einvernehmen gehört. Dann war der Bundestagsbeschluss von 2002 falsch; denn ein Einvernehmen gab es damals noch nicht. Es ist des Öfteren der Fall, dass auf Bundesebene Beschlüsse gefasst werden, für die es kein Einvernehmen mit den Ländern gibt. Ich möchte Sie gerne fragen: Hätte der Bundestag diesen Beschluss damals nach Ihrer Meinung gar nicht fassen dürfen?

Karin Roth (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003618

Herr Präsident! Liebe Kollegin, der Bundestag kann einen Beschluss fassen. Wenn der Freistaat Bayern mit dem nicht einverstanden ist, wird kein Einvernehmen hergestellt. Genau darüber reden wir: dass es einen Beschluss gibt, der mit dem Land Bayern ({0}) aber nicht realisierbar ist. ({1}) - Das gilt für alle Länder, wenn man entsprechende vertragliche Vorgaben hat. Das Grundgesetz gilt bekanntlich für alle, auch für die Länder. Das habe ich Ihnen gerade vorgelesen. ({2}) Insofern hat der Deutsche Bundestag eine Meinungsäußerung vonseiten des Bundes getätigt. ({3}) Das ist der Beschluss, der gilt. Für die Realisierung brauchen wir allerdings ein Einvernehmen mit dem Land. Wenn das Land die Realisierung der Variante A nicht erlaubt bzw. diese nicht im Einvernehmen zu regeln ist, müssen wir sehen, wie wir mit weiteren Argumenten variantenunabhängig die Bayerische Staatsregierung überzeugen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin! Die Zeit für die Fragestunde ist seit geraumer Weile abgelaufen. Deswegen beende ich die Fragestunde jetzt. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 5. Juni 2008, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen.