Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/29/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf unserer Zuschauertribüne hat der schweizerische Bundespräsident und Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport, Herr Bundesrat Adolf Ogi, Platz genommen. Ich begrüße ihn und heiße ihn herzlich willkommen. ({0}) Michael Glos Nun erteile ich dem Kollegen Peter Struck, Vorsitzender der SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da ich den Kollegen Adolf Ogi sehe und mich gut an Fußballspiele erinnere, die wir zusammen gemacht haben, möchte auch ich ihn herzlich willkommen heißen. Ich bedauere sehr, Herr Kollege Ogi, dass Sie gerade keine besonders hervorragende Rede in diesem Parlament miterlebt haben. Das ändert sich vielleicht noch. ({0}) Aber ein Gutes hat Michael Glos. Mittwochmorgen um neun Uhr ist er in der Lage, innerhalb von fünf Minuten richtig Stimmung in dieses Haus zu bringen. Dafür bedanke ich mich recht herzlich. Mit Substanz hatte das, was Sie, Herr Kollege Glos, gesagt haben, aber nicht viel zu tun. ({1}) Eigentlich sind Sie in Ihrer Rede mit uns sehr freundlich umgegangen, wenn ich an den Umgangston denke, der zurzeit in Ihren Reihen herrscht. ({2}) Herr Schäuble hat Herrn Kohl eine Intrige mit krimineller Energie vorgeworfen. Herr Kohl hat Herrn Schäuble der Lüge bezichtigt. Zu dem so genannten Tagebuch unseres Altbundeskanzlers darf ich mir eine Bemerkung erlauben: Ich finde das, was sich der Bundeskanzler a. D. erlaubt, nichts weiter als peinlich, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({3}) Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat beim CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Inkompetenz festgestellt, wenn es um die Fragen des Asyls geht. CSUGeneralsekretär Goppel hat Herrn Müller deshalb sofort als Exoten bezeichnet. Der neue CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer hat seinen Vorgänger Polenz einen Missgriff genannt. Richtig unappetitlich wird es, wenn sich der Kollege Zeitlmann einschaltet und über Frau Süssmuth unverschämterweise behauptet, sie habe vom Thema Zuwanderung so viel Ahnung wie eine Kuh von einer Nähmaschine. Es ist schon dreist, was sich Ihre Mitglieder erlauben. ({4}) Dann hat der Kollege Glos für das ganze Durcheinander aber eine sehr plausible Erklärung. Am 21. Oktober 2000 hat er die Nachrichtenagenturen morgens um vier Uhr Folgendes wissen lassen: Dem Merz fehlt es an gewachsener Autorität. - Lieber Herr Glos, Sie haben völlig Recht, aber das hätte man auch morgens um sieben oder acht Uhr sagen können. Dafür hätten Sie nicht um vier Uhr aufstehen müssen. ({5}) Meine Damen und Herren, was sind die Alternativen der Union? Man kann sie in einem Satz und in Abwandlung eines Filmklassikers so zusammenfassen: Denn sie wissen nicht, was sie wollen. Ob Zuwanderung, ob Asyl, ob Volksabstimmung und Volksbegehren, ob Wirtschaftspolitik, ob Rente, ob Betriebsverfassung, ob UMTS-Erlöse, ob NPD-Verbot, ob Umgang mit der PDS, ob Kanzlerkandidat jetzt oder später und wer, bis hin zu der Frage, wie man mit dem ehemaligen Ehrenvorsitzenden umgeht: ({6}) Es gibt nie eine Meinung der Union, es gibt immer mehrere Meinungen. Es gibt keinen Chor, es gibt nur Solisten, die sich selbst den Einsatz geben, und dann singt jeder seine eigene Melodie. Das ist das Bild, das Sie hier vermitteln, meine Damen und Herren. ({7}) Ich finde übrigens den Vorgang sehr seltsam, dass die Parteivorsitzende der CDU offenbar in dieser Debatte nicht reden darf. ({8}) Ich finde es auch sehr seltsam, dass sie in dieser Debatte nur sporadisch teilnimmt. ({9}) Der Bundeshaushalt 2001 ist ein Reformhaushalt. Nach 16 Jahren sozialem Raubbau und Investitionsstillstand in unserem Land, nach 16 Jahren schlampiger Haushaltsführung und Schuldentreiberei spürt wirklich jeder in diesem Land, dass es wieder aufwärts geht, dass soziale Gerechtigkeit in unserem Land gilt. ({10}) Wir haben in diesem Haushalt - dafür bin ich den Vertretern der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss sehr dankbar - etwas erreicht, was alle Vorgängerregierungen nie erreicht haben: Wir haben die vorgesehene Nettoneuverschuldung des Bundes noch einmal auf 43,7 Milliarden DM gesenkt. Das ist ein hervorragender Erfolg der Haushälter. ({11}) Der Geisterzug der Regierungszeit von Kohl und Waigel in den Schuldenstaat ist gestoppt worden, und es sind bessere Weichen für die Zukunft gestellt. Wir sind sozial und gerecht, meine Damen und Herren. Dass ausgerechnet Sie, Herr Kollege Glos, das Thema soziale Gerechtigkeit in den Mund nehmen, heißt ja wohl Präsident Wolfgang Thierse angesichts Ihrer vergangenen Politik, den Bock zum Gärtner zu machen. ({12}) 440 000 Studenten erhalten in diesem Jahr BAföG, so viele, wie es in unserem Land noch nie waren. Sie erhalten mehr Geld, und es sind 100 000 mehr BAföG-Empfänger als zu Ihrer Regierungszeit. ({13}) 400 000 Haushalte kommen neu in den Genuss von Wohngeld - auch ein Aufholen der Versäumnisse Ihrer Bundesregierung. ({14}) Wir, die Koalitionsfraktionen, haben ein Gesetz in diesem Bundestag durchgesetzt, und ich habe keinen Zweifel, dass es auch in Kraft treten wird, wonach alle einkommensschwachen Haushalte einen einmaligen Heizkostenzuschuss erhalten. Wir wollen damit der Kostentreiberei der Mineralölkonzerne entgegenwirken. Das ist soziale und gerechte Politik, Herr Kollege. ({15}) Wir sind sozial und gerecht, weil wir für ein besseres Erziehungsgeld, das seinen Namen nun wirklich verdient, im nächsten Jahr über 300 Millionen DM ausgeben, und wir haben den Elternurlaub erweitert. ({16}) - Da müssen Sie gar nicht „O Gott, o Gott!“ rufen. Das haben Sie während Ihrer Regierungszeit noch nie geschafft. ({17}) Meine Damen und Herren, wir sind sozial und gerecht, weil wir das erfolgreiche Sofortprogramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit fortsetzen, das über 200 000 Jugendlichen einen Arbeits- und einen Ausbildungsplatz gebracht hat. ({18}) Wir sind innovativ, im Gegensatz zum so genannten Zukunftsminister Rüttgers, der den Forschungsstandort Deutschland platt gemacht hat und nicht, wie Sie immer behauptet haben, Innovationen für die Zukunft gefördert hat. Wir haben für den Hochschulbau zusätzlich 2,2 Milliarden DM in diesem Haushalt eingesetzt. ({19}) Wir erhöhen die Haushaltsansätze für Forschung und Entwicklung; um über 10 Prozent steigt der Etat von Frau Ministerin Bulmahn. Innovationen werden auch durch Investitionen herbeigeführt. Über den Bundeshaushalt 2001 werden allein im nächsten Jahr 58 Milliarden DM für Investitionen bereitgestellt, ({20}) insbesondere bei der Verkehrsinfrastruktur. Wer dann wie Sie, verehrter Vorredner, davon redet, dass wir im Bereich der Innovationen und im Bereich der sozialen Gerechtigkeit Versäumnisse haben, der muss sich immer wieder die Frage stellen lassen: Was haben Sie 16 Jahre lang in diesem Land versäumt? ({21}) Was müssen wir aufräumen, weil Sie nicht ordentlich gearbeitet haben? ({22}) Wir haben in diesem Haushalt deutliche Akzente - darüber hat mein Vorredner bei seinen Ausführungen leider nicht gesprochen - bei einem 100 000-Dächer-Programm und beim CO2-Minderungsprogramm gesetzt. Wir fördern eine zukunftsfähige Energieversorgung, wir fördern die Genomforschung, wir fördern Hoch- und Berufsschulen, wir fördern Investitionen in die Schiene. Ich erinnere noch einmal daran: Sie waren sich lange nicht darüber einig, was man mit den Erlösen aus den UMTS-Milliarden macht. Wir haben gehandelt. Die Bahn bekommt 2 Milliarden DM für die Schiene, und diese Mittel sowie die 900 Millionen DM für den Bau von Ortsumgehungsstraßen sind Investitionen in die Zukunft. ({23}) Herr Kollege Glos hat das Thema Zuwanderung angesprochen. Wir wollen einen Konsens auch in dieser Frage. Jeder in unserem Land muss wissen, dass der, der Ressentiments gegen Fremde schürt, diesen Konsens und die Zukunft unseres Landes gefährdet. ({24}) Wir sind auf Zuwanderung angewiesen, wenn wir unseren Lebensstandard halten oder verbessern wollen, und deshalb müssen wir auch über Zuwanderung reden, aber nüchtern, sachlich und verantwortungsvoll und nicht populistisch. Wir haben ein klares Verfahren: Eine Kommission der Bundesregierung unter der Leitung der Kollegin Süssmuth wird uns Empfehlungen geben. Wir werden uns diese Empfehlungen genau anschauen und anschließend die notwendigen Entscheidungen treffen; wenn möglich, in einem breiten Konsens. Wir wollen in dieser Frage Konsens; denn die Regelung der Zuwanderung muss für lange Zeit - über mehrere Legislaturperioden hinweg halten. Damit das aber ganz klar ist: Es geht um die Steuerung der notwendigen Zuwanderung. Es geht nicht um die Abschaffung des individuellen Grundrechts auf Asyl und auch nicht um die Vermischung dieser beiden Fragen. ({25}) Die deutsche Volkswirtschaft hat schon in der Vergangenheit von der Zuwanderung sehr stark profitiert. Ausländer entlasten unsere deutschen Sozialsysteme nach Berechnungen des RWI um jährlich rund 30 Milliarden DM oder 400 DM pro Kopf der Bevölkerung, weil sie mehr einzahlen, als sie herausbekommen. Ohne den Anteil der ausländischen Mitbürger müssten die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung schon heute drastisch angehoben werden. Eine Studie der UNO besagt: Ohne Ausländer und ohne weitere Zuwanderung könnten die Deutschen trotz Beitragserhöhungen in Zukunft erst mit 77 Jahren in Rente gehen. Das sind Fakten gegen Stimmungsmache. Zuwanderung ist ein ökonomisches Muss. Aber sie wird das Leben in unserem Land auch farbiger und vielfältiger machen. ({26}) Deshalb gibt es keinen Grund, sich vor der Zuwanderung zu fürchten. ({27}) Sie haben in dieser Debatte allerdings einen Zusammenhang mit dem sehr verquasten Begriff der deutschen Leitkultur hergestellt. Was dazu zu sagen ist, hat Franziska Augstein am 7. November dieses Jahres in der „FAZ“ geschrieben. Ich zitiere das: Der Misston, den Friedrich Merz in die deutsche Liedkultur hineintrug, untermalt den Rechtsruck, den die Partei in Fragen der Ausländerpolitik gemacht hat: Die CDU schunkelt nur mehr in eine Richtung. Wenn die Partei so weitermacht, wird sie bei den nächsten Wahlen rechts von der Bank fallen. Recht hat sie. ({28}) Das Koordinatensystem hat sich bei der CDU/CSU eindeutig nach rechts verschoben. ({29}) Maßgebliche Teile der Unionsführung scheinen die politische Mitte inzwischen rechts außen zu vermuten. ({30}) Mit abstrusen Phantomdebatten versuchen insbesondere Stoiber und mein Kollege als Fraktionsvorsitzender am rechten Wählerrand auf Stimmenfang zu gehen. ({31}) Das gilt für den Begriff der deutschen Leitkultur genauso wie für die Forderung nach einer Einschränkung des Asylrechts. Aber auch Angela Merkel scheint in doppeltem Wortsinn „das rechte Maß für die Mitte“ zu fehlen, wie der „Tagesspiegel“ konstatiert hat. Was nützt es, in einer Sondersitzung des Deutschen Bundestages nach den Attentaten auf Synagogen in Düsseldorf und Berlin in wohlklingenden Reden den Antisemitismus zu verdammen, wenn einige Politiker am nächsten Tag Worte wählen, die missverstanden werden können? Wenn sie die Zuwanderungsfrage heute aus taktischen Gründen zum Wahlkampfthema machen wollen, von so genannten „nützlichen“ und „unnützen“ Ausländern faseln. ({32}) Was soll das Gerede um die Leitkultur? ({33}) Wer das gesagt hat, war der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, am 9. November 2000 vor dem Brandenburger Tor. Dass Sie bei dieser Kundgebung nicht mehr anwesend waren, Herr Kollege Merz, kann ich gut verstehen; denn diese Worte hätten Ihnen in den Ohren klingen müssen, weil Paul Spiegel mit seiner Bewertung Ihrer Äußerungen Recht hatte. ({34}) Zur Parteivorsitzenden der Union möchte ich sagen: Nicht jeder, der nicht bereit ist, Ihren deutschtümelnden Leitkultur-Eiferern zu folgen, hat deshalb schon ein gestörtes Verhältnis zur Nation. ({35}) Wir sind dabei, den Karren, den Sie in den Graben gefahren haben, wieder flottzumachen. ({36}) Wir wollen Deutschland mit unserer Politik in eine sichere Zukunft führen. Wir machen Politik für die Menschen in diesem Land, und zwar für alle Menschen, weil wir wollen, dass auch Ausländern mit Achtung und Anstand begegnet wird. ({37}) Wir wollen nicht, dass das Ansehen unseres Landes in der Welt beschädigt wird. Das ist unser Verständnis von Nation und Patriotismus. Darin unterscheiden wir uns in der Tat. ({38}) Man kann nicht gegen Rechtsradikale demonstrieren und gleichzeitig mit nationalistisch angehauchten Begriffen irgendwo zwischen Springerstiefeln und Glatze Wählersympathie suchen wollen. Das passt nicht zusammen. ({39}) Ich bedaure sehr, dass Kollege Kohl heute bei dieser Debatte nicht anwesend ist. ({40}) - Seien Sie einmal ganz ruhig, Herr Kollege. Wir kommen schon noch zu Ihnen. Die Staatsanwaltschaft hat in den vergangenen Tagen ein zweites Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl wegen Untreue eröffnet. ({41}) Herr Kohl hat das mit den Worten „eine Formalie“ kommentiert. Das muss man sich einmal vorstellen: Gegen den ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik Deutschland wird ein zweites Ermittlungsverfahren wegen Untreue eingeleitet und er hält das nur für eine Formalie. Das ist ein beredtes Zeugnis von dem Unrechtsbewusstsein, das dieser Herr hat. ({42}) Er lehnt es weiterhin ab, seine angeblichen Spender zu benennen. Ich bin davon überzeugt: Herr Kohl kann keine Spender benennen, weil es keine Spender gibt. ({43}) Was müssen das für Ehrenmänner und Wohltäter sein, die ihn so im Regen stehen ließen? Das macht überhaupt keinen Sinn. Wenn es aber keine Spender gibt, was ist dann mit dem angeblich gegebenen Ehrenwort? Es gab schon einmal einen CDU-Politiker, der mit seinem Ehrenwort die Öffentlichkeit zu täuschen versuchte. Sein Name war Uwe Barschel und sein Ehrenwort war nicht viel wert, wie wir alle wissen. Die Ehrenworte von Herrn Kohl erinnern mich in fataler Weise an diesen Vorgang. ({44}) Wolfgang Schäuble sieht das genauso. Er hat in seinem Buch „Mitten im Leben“ Folgendes dazu ausgeführt - Berichterstattung über ein Gespräch zwischen ihm und Herrn Kohl -: Die Nennung der Spender lehnte er strikt ab und fragte mich, was ich mit der Aufforderung zur wahrheitsgemäßen Aussage meine. Ich erläuterte, dass mir seine im ZDF gemachte Erklärung konstruiert erscheine. Mir erscheint sie auch konstruiert. Vor allem hatte ich noch in böser Erinnerung ein anderes Ehrenwort, das 1987 der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Barschel in der Abhöraffäre gegen seinen SPD-Konkurrenten Engholm abgegeben hatte. ({45}) - Regen Sie sich doch nicht auf. Ich lese gerade vor, was Ihr ehemaliger Fraktions- und Parteivorsitzender aufgeschrieben hat. Die Geschichte endete mehr als tragisch, und seither war ich gegen Ehrenworte in der CDU einigermaßen allergisch. Das ist auf Seite 211 nachzulesen. Das empfehle ich Ihnen und vor allen Dingen dem nicht anwesenden Herrn Kohl dringend. ({46}) Wo immer man das Denkmal Kohl lüftet, kommt Geld zum Vorschein - handelt es sich nun um die Spendenaffäre oder um den Panzerdeal mit Saudi-Arabien. ({47}) Niemand kann noch länger bestreiten, dass im Zusammenhang mit dem Verkauf der Spürpanzer Millionen Schmiergelder geflossen sind. Niemand kann das bestreiten. Nach den Ermittlungen der Fahnder stammt die Millionenspende des Herrn Schreiber an die CDU eindeutig von einem Schweizer Konto, das ausschließlich aus den Bestechungsgeldern des Thyssenkonzerns für das Panzergeschäft bestand. So verwandelt sich Bakschisch in eine Parteispende. Wäre die CDU keine Partei, sondern eine Ministerialbeamtin, wäre sie damit der Bestechlichkeit überführt. Das hat die Wochenzeitung „Die Zeit“ dazu geschrieben. ({48})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Struck, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Bonitz?

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, natürlich.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Struck, wenn Sie sich hier zum moralischen Saubermann machen, dann möchte ich Sie gerne fragen, wie Sie in diesem Zusammenhang bewerten, dass der ehemalige Bundesverkehrsminister Klimmt den Strafbefehl inzwischen akzeptiert hat bzw. zu akzeptieren gedenkt. Wie bewerten Sie daneben die Tatsache, dass der Bundeskanzler, gleichzeitig Vorsitzender der SPD, meiner Kenntnis nach bis heute nicht veranlasst hat, die Spende, die von der Caritas - offensichtlich aus einem Wetteinsatz resultierend an die SPD geflossen ist, an die Caritas zurückzuzahlen? ({0})

Dr. Peter Struck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002278, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, meine Position zu dem Verfahren von Reinhard Klimmt habe ich öffentlich deutlich gemacht. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. ({0}) Der Strafbefehl gegen Reinhard Klimmt wurde an einem Montag angekündigt, und am Mittwoch der gleichen Woche ist Herr Klimmt zurückgetreten. Wenn Sie von Anstand reden, frage ich Sie: Wieso sitzt eigentlich Herr Koch noch immer auf seinem Stuhl in Hessen? ({1}) Ich kenne hinsichtlich des übrigen Vorgangs nur die Presseveröffentlichungen. ({2}): Ha! Ha! Ha!) Dem Vorgang wird nachgegangen werden müssen. Wir werden sehen, was am Ende dabei herauskommt. ({3}) Ich habe in meiner vorausgegangenen Rede gesagt, die Union könne mit Schwarzgeld umgehen - wir haben das schon öfter betont und ich werde es Ihnen weiter vorhalten -, aber mit Haushaltsmitteln kann sie überhaupt nicht umgehen. ({4}) Sie haben sowohl im Plenum als auch im Haushaltsausschuss des Bundestages Anträge gestellt, die auf eine Erhöhung der Ausgaben und eine Senkung der Steuern abzielten. Diese beiden Elemente passen aber nicht zusammen und das hat schon Waigel übersehen; entweder man muss mehr Steuereinnahmen oder weniger Ausgaben haben. Aber beides zusammen, das heißt mehr ausgeben und trotzdem Steuern senken, funktioniert nicht. Das haben die 16 Jahre Ihrer Regierungszeit gezeigt. Sie haben uns den größten Schuldenberg in der Geschichte unseres Landes hinterlassen. ({5}) Herr Glos hat völlig zu Recht gesagt, wir gingen jetzt in das dritte Jahr der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder. Eine völlig korrekte Aussage, Herr Glos, aber leider die einzige in diesem Zusammenhang. Sie wollten in den letzten zwei Jahren mit Ihren Anträgen insgesamt - Hans Eichel lässt das in seinem Ministerium immer genau ausrechnen; er ist der beste Finanzminister, den wir je hatten ({6}) 75 Milliarden DM mehr ausgeben. Kürzlich haben Sie im Haushaltsausschuss zusätzlich 8 Milliarden DM verlangt, und zwar auch ohne Deckung. Das ist keine seriöse Finanzpolitik. ({7}) Sie können eben nicht mit Geld umgehen. Die Halbzeitbilanz, die Sie gezogen haben, steht übrigens in sehr merkwürdigem Kontrast zu dem, was andere über unsere Arbeit sagen: Ich glaube, wir sind gerade dabei, den Begriff Reformstau in Deutschland aus unserem Sprachgebrauch zu verdrängen. Es geht vorwärts! Ich sehe in der Steuer- und Wirtschaftspolitik sehr positive Signale. So Dr. Jürgen Strube, Vorstandsvorsitzender der BASF Ludwigshafen. Er hat Recht! ({8}) Allerdings bin ich auch der Meinung, dass wir in diesem Land in den vergangenen Jahren keine vorbildliche Wirtschafts- und Finanzpolitik erlebt haben. Da sind die letzten zwei Jahre eher ein gutes Ergebnis. So Rolf Breuer, Vorstandssprecher der Deutschen Bank. Auch er hat Recht! ({9}) Und so urteilen die Gewerkschaften: Die Wiederherstellung von Kündigungsschutz und Lohnfortzahlung, Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, eine Steuerreform, die den Arbeitnehmern und den Familien wieder mehr Geld in der Tasche lässt, und das Bündnis für Arbeit, dies ist eine andere Politik, als sie Helmut Kohl gemacht hat. Dies ist die Handschrift, die wir erwartet haben, und das ist eine sozialdemokratische Handschrift. So Dieter Schulte, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes. ({10}) Im „Handelsblatt“ vom 6. Oktober konnte man lesen: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie hat nach Einschätzung des ... BDI erheblich zugenommen. Und: Investoren machen keinen Bogen mehr um Deutschland. Das sagte der Bundesgeschäftsführer des BDI, von Wartenberg, der der CDU angehört. Gleichzeitig hat er der Union empfohlen, endlich ein brauchbares wirtschaftliches Konzept zu entwickeln. So liegen die Dinge in unserem Land und nicht so, wie Sie sie darzustellen versuchen. ({11}) Sie haben in der Sache nichts anzubieten, Sie haben keine wirkliche Alternative zu unserer Politik, zur Politik der Koalition, dargestellt. ({12}) Deshalb sollten Sie Oscar Wilde bedenken. Er hat gesagt: Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion, das Wort.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich - sicherlich auch in Ihrem Namen - unserem erkrankten Fraktions- und Parteivorsitzenden, Wolfgang Gerhardt, von hier aus gute Besserung wünschen. ({0}) Herr Bundeskanzler, wären Sie Fußballtrainer, Sie hätten ein Problem. Zur Halbzeit sind aus der Anfangself schon fünf Spieler nicht mehr dabei. ({1}) Einer hat seine Karriere beendet und kommentiert jetzt aus dem Saarland. Einer wurde zur Organisation der SPD abkommandiert, ein weiterer wurde ins Ausland transferiert, um hier der roten Karte zu entgehen. ({2}) Einer wurde wegen groben Foulspiels vom Platz gestellt, ein weiterer hat sich selbst ausgewechselt. Die spielerische Linie ist verloren gegangen. Der Schwung ist hin, wenn es ihn je gegeben hat. Die rotgrüne Wirtschafts- und Finanzpolitik ist ungereimt. ({3}) Die rot-grüne Bildungspolitik ist stecken geblieben. ({4}) Die rot-grüne Außenpolitik lebt von Geschichtsvorträgen des Außenministers, die rot-grüne Umweltpolitik ist unkoordiniert, die rot-grüne Sozial- und Gesundheitspolitik ist unprofessionell und wirkt reichlich ältlich. ({5}) Tief greifende ökonomische, ökologische und soziale Veränderungen verlangen aber geradezu nach einem geschlossenen zukunftsorientierten Entwurf. Davor zucken Sie zurück. Sie ändern hier ein bisschen, da ein bisschen, dann merken Sie, dass Sie konsequenterweise auch an anderer Stelle noch ein bisschen ändern müssen, vielleicht auch ein bisschen mehr. Am Ende der ersten Halbzeit ging vieles durcheinander. Aber jetzt geht gar nichts mehr - außer der Einrichtung von Verschiebebahnhöfen. Die Menschen merken das. Die Umfragewerte sprechen eine klare Sprache. Drei Viertel der Menschen sind der Meinung, dass Ihre Arbeitsmarktpolitik nicht zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktchancen führt. ({6}) Drei Viertel der Bevölkerung erwarten von der so genannten Rentenreform sogar eine Verschlechterung der eigenen Lebenssituation. Drei Viertel der Bevölkerung rechnen mit persönlichen Nachteilen durch die Gesundheitsreform. Zwei Drittel der Bevölkerung kritisieren die immer noch zu hohe Steuerbelastung. Zwei Drittel der Bevölkerung lehnen die Ökosteuer weiterhin ab. Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Der Sachverständigenrat hat es Ihnen erneut ins Stammbuch geschrieben: Die Ökosteuer ist keine Ökosteuer. Sie stellt nicht wirklich auf Klimaschutz ab. Sie belastet regenerative Energieträger, entlastet die Kohle, belastet den öffentlichen Personennahverkehr, schützt die, die viel in die Luft jagen, und belastet die, die keine Rentenversicherungsbeiträge zahlen. ({7}) Die erwartete doppelte Dividende stellt sich nicht ein. Ich zitiere: Die zusätzliche Belastung ausgewählter Energieträger dient vorwiegend der Einnahmebeschaffung für die Rentenversicherung. Darüber sind die ökologischen Zielsetzungen vernachlässigt worden, wie nicht zuletzt die vielen Ausnahmeregelungen belegen. Das ist ein wörtliches Zitat aus dem Gutachten der Sachverständigen. Leider ist der Satz richtig: Rasen für die Rente. - Wer weniger Sprit verbraucht und deshalb weniger Ökosteuer zahlt, der ist für Sie quasi ein Volksschädling, weil dadurch das Defizit in der Rentenkasse größer wird. ({8}) Die Grünen reden über viele Dinge, setzen aber nichts durch. Viele von ihnen werden selbst bei gesündester Ernährung das Abschalten der Kernkraftwerke in Deutschland nicht mehr erleben, wohl aber weitere Castor-Transporte nach den Wahlen im Frühjahr 2002. ({9}) Rezzo Schlauch plappert nach, was die Freien Demokraten seit Jahrzehnten erklären. Aber die Grünen stehen auf dem Schlauch und ziehen seinen Vorschlag wieder zurück. Wenn Herr Schlauch hier wäre, würde ich ihm sagen: Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. ({10}) Der Arbeitsmarkt bleibt weiter stranguliert und verriestert. Die SPD stolpert zurück in den Traditionalismus. Bei Arbeitsmarkt und Rente wird der Laden wieder dichtgemacht. Die Jungen werden verladen ({11}) und der Gewerkschaftsflügel wird ruhig gestellt. Die Bundestagsfraktion der F.D.P. trägt den ersten Schritt der Steuerreform mit, damit es überhaupt weitergeht und die schlimmsten Diskriminierungen des Mittelstandes gemildert werden. Wir sehen diesen Schritt allerdings nicht ({12}) - was jammern Sie denn? Ohne uns hätten Sie doch gar nichts zustande gebracht; Sie sollten dankbar sein ({13}) als Ende der Steuersenkungen, wie sich das Rot-Grün vorstellt, sondern nur als Steuerreform I, der möglichst bald eine Steuerreform II folgen muss. ({14}) Vor allen Dingen dürfen weitere Steuersenkungen bis 2005 nicht unterbleiben. Wir müssen die Wartehalle verlassen. Wenn Sie sich nicht weiterbewegen, dann werden wir Sie weiterbewegen. Die Bundestagswahl 2002 wird eine klare Mehrheit für frühere Steuersenkungen, für gerechtere Behandlung von unterschiedlichen Einkommen und vor allem für mehr netto für alle bringen. ({15}) Diese Mehrheit wird dann solche Äußerungen wie die von Bundesfinanzminister Eichel „Keine weitere Steuerreform in den nächsten sechs Jahren!“ schneller zur Makulatur werden lassen, als sich der Bundesfinanzminister das vorstellen kann. ({16}) Der Bundeskanzler sitzt jetzt sozusagen in der Halbzeit beim Pausentee, hat in der ersten Spielhälfte fünf Spieler ersetzen müssen und sieht - unausweichlich - weitere Auswechslungen vor sich. Im Gesundheitswesen werden die Rationierung, die Budgetierung, die Bevormundung und die Einschränkung der Therapiefreiheit für die Patienten in Deutschland zu einer unerträglichen Schikane. ({17}) Statt dafür zu sorgen, dass die Patienten optimal betreut werden können, werden Ärzte mit Punktwertetabellen und Planungsunsicherheit konfrontiert, in ein Korsett unterschiedlichster Budgetvorgaben gepresst und wird die Freiberuflichkeit, ein konstitutives Element unseres Gesundheitswesens, in Mitleidenschaft gezogen. ({18}) Frau Fischer hat die Zweiklassenmedizin in Deutschland wieder eingeführt. ({19}) Bis die Budgets aufgebraucht sind, können alle die gleiche Qualität der medizinischen Versorgung genießen. Wenn aber die Budgets aufgebraucht sind, bekommen diejenigen Probleme, die anspruchsvollere Medikamente benötigen, die sie aber nicht, so wie andere, selbst bezahlen können. ({20}) Frau Fischer muss vom Platz. Die Rationierung von Gesundheitsleistungen muss gestoppt, die Eigenverantwortung der Menschen muss gestärkt und bürokratische Überreglementierung muss abgeschafft werden. ({21}) - Was heißt „Lobbyist“? Ja, ich bin ein Lobbyist der Menschen, der Patienten. Das ist richtig. ({22}) Sie schaffen doch unter dem Motto „soziale Gerechtigkeit“ die Ungerechtigkeit, die zur Folge hat, dass die, die ins Ausland gehen und dort die Operation bezahlen können, dort die optimale Betreuung bekommen, während die anderen die Gefangenen Ihrer Ideologie sind. ({23}) - Es ist klar, dass es Ihnen wehtut, wenn Ihnen der Spiegel vorgehalten wird. Aber das ist das Schöne in einer Demokratie, Frau Kollegin: dass man hier seine Meinung sagen darf. Sie müssen sie sich anhören; dass gehört auch dazu. ({24}) Wir sind noch nicht so weit, dass Sie mit der Monstranz durch die Landschaft ziehen und alle Ihnen zuzuloben haben: Hosianna! - Die deutsche Einheitsmeinung gibt es Gott sei Dank - nicht. ({25}) - Aber für die falsche Sache! ({26}) - Ihre Politik ist eine Unverschämtheit, Frau Kollegin. In der Verkehrspolitik besteht die einzige Bewegung darin, dass es in zwei Jahren jetzt schon drei zuständige Minister, sechs Parlamentarische und vier beamtete Staatssekretäre gegeben hat. Das ist Ihre Art von Bewegung in der Verkehrspolitik. ({27}) Alle Beteiligten haben sich bisher erfolglos an der Frage versucht, wie die Mobilität der Bürger und der Transportbedarf der Wirtschaft in Zukunft sichergestellt werden können. Die deutsche Verkehrspolitik verkehrt verkehrt. Der deutsche Stau hat inzwischen ein ganzes Volk aufgehalten und hält es noch auf. Mehr und mehr Bürger wollen die atemberaubende Einschränkung ihrer Mobilität durch eine völlig verunglückte Verkehrspolitik nicht mehr ertragen. ({28}) Sie, die Sie so viel dazwischenschreien, frage ich: Wer gibt Ihnen das Recht - ({29}) - Herr Schmidt, ich meine Ihre Kollegin. Ich verstehe, dass es Ihnen peinlich ist, wie sie reagiert; aber so ist das nun einmal. - Wer gibt Ihnen das Recht, den Menschen so viel Freiheit wegzunehmen? ({30}) Was Sie in Deutschland an Stau produzieren, grenzt doch an Freiheitsberaubung. Die Arbeitnehmer verbringen täglich Stunden im Stau, weil Sie keine vernünftige Verkehrspolitik machen können. Das ist doch das Thema. ({31}) Das ist auch ein Freiheitsthema. So, wie Sie die Mobilität einschränken, ist das Freiheitsberaubung. ({32}) - Sie werden Ihre Quittung bekommen, warten Sie nur ab. Freuen Sie sich nicht zu früh. Der Hochmut kommt immer kurz vor dem Fall. Es gibt keinen einzigen Hoffnungsschimmer, dass RotGrün den Kollaps wirklich sieht und Konzepte entwickelt, um ihn zu verhindern. Die Eisenbahnpolitik fährt rückwärts. Sie sind gerade dabei, die Strukturveränderung, die die Chance bietet, Eisenbahnpolitik in Deutschland wieder modern und erfolgreich zu machen, nämlich die Trennung von Schiene und Betrieb, aufzugeben. Sie wollen wieder den Staatsmonopolisten einführen. ({33}) Die deutsche Einheitsbahn ist schon fehlgelaufen. Haben Sie doch den Mut zum Wettbewerb und zur Modernität und zeigen Sie nicht immer rückwärts gewandte Engstirnigkeit. ({34}) Die Straßenverkehrspolitik steckt im Stau. Die Luftverkehrspolitik ist ins Trudeln gekommen. Die Mehrheit der Koalition hat Wettbewerb noch nie für ein geeignetes Mittel gehalten, um Probleme zu lösen, Dienstleistungen bereitzustellen, Ressourceneinsatz zu bewältigen und Produktinnovation zu betreiben. Bei allen Privatisierungsvorhaben war die heutige Mehrheit hinderlich, zögerlich, bremsend und dagegen. Es war doch gerade der große Erfolg der Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte, dass wir heute vergleichbare Telefonkosten von hier, von Berlin, nach New York wie von New York nach Berlin haben. Früher war Berlin von New York aus für 9 Cent pro Minute zu erreichen, von Deutschland nach New York dagegen zahlte man 6 bis 7 DM. Die Entfernung von Berlin nach New York ist genauso groß wie die von New York nach Berlin. ({35}) - Das ist so, da können Sie sich einmal an der Uni erkundigen. Aber das übersteigt offenbar Ihren Horizont. Wir haben das Gleiche bei der Liberalisierung des Strommarktes erlebt. Die Entlastung der Bürger, des Mittelstands und der Wirtschaft durch die Liberalisierung hat eine Größenordnung von 16 bis 17 Milliarden DM im Jahr. Sie sind gerade dabei, durch die so genannte Pennerprämie, wie Herr Müller es genannt hat, die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung, der Zwangssubventionierung regenerativer Energien die Liberalisierung des Strommarktes wieder zurückzunehmen. Wettbewerb war den Funktionären immer ein Dorn im Auge. Sie würden Strom am liebsten wieder wie früher durch staatsmonopolistische Betrieben zuteilen lassen, statt ihn zu verkaufen und kundenorientiert zu handeln. ({36}) Unnötig hohe Preise, eine schlechte Infrastruktur, mangelnde Dienstleistungen und ein Verlust an Mobilität sind überall da aufgetreten, wo Monopolisten das Sagen haben. Mit Staatsmann-Denken löst man keine Verkehrsprobleme, durch Verhinderung des Wettbewerbs löst man kein Transportproblem und ohne Straßenbau kein einziges Umweltproblem. Der Gipfel des Versagens deutscher Verkehrspolitik ist, dass der Bau des Transrapid, einer in Deutschland entwickelten Technologie, die hier bisher keine Chance hatte, nun in China - vielleicht mit deutschem Geld bezuschusst - durchgeführt wird. Was ist das für eine Modernisierungsstrategie? ({37}) Auch so kann man eine forschungs- und technologiepolitische Aufbruchstimmung erzeugen, nämlich Aufbruch aus Deutschland und nicht Aufbruch in Deutschland. ({38}) - Das sollte Sie sehr nachdenklich stimmen. Wenn Sie wirklich etwas für die Arbeitnehmer tun wollen, dann sollten wir entsprechende Vorhaben bei uns umsetzen und wir sollten diese Technik nicht beispielweise nach China exportieren, weil sie mit der grünen Ideologie nicht vereinbar ist. Wenn in der Umgebung von Schanghai die Grünen oder drei bestimme deutsche Landesregierungen zusammen mit dem Bundesbahnvorstand die Verantwortung hätten, dann würde der Transrapid dort mit Sicherheit nicht gebaut werden. Die Regierung wollte die Ausgaben für Bildung und Forschung verdoppeln. Sie hat hinterher erklärt, gemeint sei, eine Verdoppelung beim Kern des Forschungsbereichs. Auch davon ist heute keine Rede mehr. Diese Pläne sind sang- und klanglos zurückgenommen worden. Die Haushalte 1999 und 2000 sowie der jetzige Entwurf für 2001 zeigen den Abschied der Bundesregierung von diesen großen Zielsetzungen. Die Bundesregierung setzt zu Beginn dieses Jahrtausends keine Akzente für Innovation, im Gegenteil: Sie steigt aus einer Technologie aus, die aus Gründen weltweiter Verantwortung für das Klima gerade von hoch entwickelten Ländern weiterhin genutzt werden müsste. Sie nimmt zusätzliche Emissionen in Kauf. Sie weiß um die Notwendigkeit des Imports von Energie aus Kernkraftwerken, die viel unsicherer als die deutschen sind. Sie läuft sehenden Auges in einen Kompetenzverlust Deutschlands auf einem Feld der Hochtechnologie hinein. Wir geben eine Technologieoption auf. Das ist nicht klug. ({39}) Die Regierung steigert die CO2-Emissionen und die Stromkosten, sie wirkt der Ressourcenschonung entgegen, sie entlastet die Strommärkte allein zulasten deutscher Unternehmen. Wahrscheinlich wird es demnächst eine Green Card für Kernphysiker geben, weil bei uns aufgrund eines Technologiestopps bestimmte Entwicklungen nicht mehr betrieben werden. Wir könnten eine „Violett Card“ oder eine „Kariert Card“ erfinden, je nachdem, wo gerade wieder - wie bei einem Flickenteppich - ein Problem gelöst werden muss, wo ein neues Heftpflaster aufgeklebt werden muss, um Schwierigkeiten temporär zu unterdrücken. Mein Kollege Helmut Haussmann hat gestern auf den deutlich negativen Saldo zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der Europapolitik der Bundesregierung hingewiesen. Die Bundesregierung hat am Anfang zu lange gezögert, einen überzeugenden und ehrgeizigen Fahrplan für die Osterweiterung der Europäischen Union aufzustellen. Die Osterweiterung der Europäischen Union ist gerade für Deutschland eine Zukunftsinvestition. ({40}) Es geht nicht darum, vorhandene Risiken herunterzuspielen oder in der Bevölkerung vorhandene Strömungen zu missachten. Es geht vielmehr darum, die Diskussion auf eine fundierte Basis zu stellen, unsere Interessen herauszuarbeiten und sich auf die Herausforderungen rechtzeitig vorzubereiten. Mittelosteuropa ist eine Region des wirtschaftlichen Wachstums mit rund 100 Millionen Verbrauchern. Die Wirtschaftskraft der Europäischen Union wird durch diesen Zuwachs gestärkt und sie erhält mehr Gewicht auf den Weltmärkten. Die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten bekennen sich zur freien Marktwirtschaft. Sie haben beachtliche Erfolge bei der Transformation ihrer Volkswirtschaften erreicht. Manchmal sind sie schon weniger staatsorientiert als manche in Deutschland. Sie wickeln den Hauptteil Ihres Handels mit der Europäischen Union ab und Deutschland ist für sie mit Abstand der wichtigste Partner. Die mittel- und osteuropäischen Reformstaaten haben den Weg zur Europäischen Union eingeschlagen. Sie haben das auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit aufgebaut und sich auf den Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Ihr Demokratisierungsprozess mit stabilen Institutionen ist der Hinweis auf ihren Anteil an der europäischen Identität. Nur Zivilgesellschaften werden Europa die Sicherheit auch für die Zukunft geben, die es braucht. Nur Zusammenarbeit in einer Europäischen Union wird aus der bisherigen westeuropäischen Union eine wirkliche europäische Union machen. ({41}) Die erste Beitrittsrunde sollte so bald wie möglich stattfinden. An ihr sollten die Länder teilnehmen, die am schnellsten vorangekommen sind. Es wäre sehr zu wünschen, dass Polen dazugehört. Es wäre gut, wenn einige dieser Staaten so rechtzeitig Mitglieder der Europäischen Union sein könnten, dass sie mit uns gemeinsam an der Wahl des Europäischen Parlaments im Jahre 2004 teilnehmen. In der Halbzeitpause muss der Trainer einer Fußballmannschaft oftmals eine aufmunternde Ansprache an sein Team halten, ({42}) vor allem, wenn es erfolgreich für die Bundesrepublik Deutschland spielen will und in der ersten Hälfte erkennbare Schwächen gezeigt hat. Wir brauchen mehr Beweglichkeit, müsste der Trainer sagen. Wir müssen angesichts der erkennbaren demographischen Entwicklung hin zu weniger Jüngeren und mehr Älteren die bestehenden Wachstumsbremsen beim Alter lockern. Ziel ist nicht mehr die Frühverrentung, müsste der Trainer sagen, sondern der frühere Eintritt ins Berufsleben und das spätere Ausscheiden aus dem Erwerbsleben. ({43}) Wir brauchen mehr Frische, müsste der Trainer sagen. Entscheidend sind kräftige Investitionen in Bildung und Ausbildung, ein besseres Training in den Einrichtungen, eine sportliche Haltung, die Wahrnehmung der erzieherischen Aufgabe der Schule und die Erziehung zur Demokratie in der Familie. Die Befähigung zu Verantwortung und Freiheit ist die Herausforderung. Es muss mehr in der Spitze gespielt werden, müsste der Trainer sagen. ({44}) Spitzentechnologien in Deutschland und eine Dimension ökologischer Verantwortung in technologischer Orientierung statt bürokratischer Gängelung, Bio- und Gentechnologien - ({45}) - Herr Außenminister, Dazwischenquaken ist ein Zeichen von Schwäche. Wenn Sie ein bisschen Format hätten, könnten Sie auch zuhören. Aber Sie können es nicht. ({46}) - Flegelhaftigkeit ist kein Stil der Politik. Bio- und Gentechnologien, neue Materialien und Werkstoffe, Kommunikationstechnologien, all das muss zur offensiven Spielkultur der Mannschaft gehören. Hineingrätschen, Blocken und Verhindern reichen nicht aus. ({47}) Wir brauchen mehr Spielerpersönlichkeiten in der Mannschaft, müsste der Trainer sagen. ({48}) Man muss den Ball fordern. Deutschland braucht Wettbewerbsföderalismus als Chance zur Profilbildung mit unterschiedlichen Facetten. ({49}) Die Deckung muss besser arbeiten, müsste der Trainer sagen. Im Verteidigungsbereich sind technische Schwächen unverkennbar. Der Investitionsstau wird nicht abgearbeitet, die Besoldungsstruktur bei der Armee wird nicht verbessert. Die Bundeswehr ist der Verlierer des Haushalts. ({50}) Keine Zusage wird eingehalten. Die Modernisierung bleibt Stückwerk. Die Wehrgerechtigkeit wird in Mitleidenschaft gezogen. Wer es uns nicht glauben will, sollte zur Kenntnis nehmen, dass der Wehrbeauftragte Willfried Penner in der „Süddeutschen Zeitung“ wie folgt zitiert wurde: Wir haben schon jetzt keine allgemeine Wehrpflicht mehr. - Das empfehle ich jedem zur Lektüre: „Süddeutsche Zeitung“, Willfried Penner, Sozialdemokrat. ({51}) Angesichts des Altersdurchschnitts der Mannschaft hätte der Trainer schon längst gezielt Neuzugänge aus dem Ausland verpflichten müssen. Eine gesetzliche Regelung der Einwanderung in einer internationalisierten Gesellschaft mit dem Ziel, viele gute und kenntnisreiche Menschen aus aller Welt einzuladen, ist überfällig. ({52}) Es liegt in unserem eigenen nationalen Interesse, bestimmen zu können, wie viele und welche Menschen zu uns kommen sollen. Integrationsangebote zu unterbreiten, aber auch die Bereitschaft zur Integration zu verlangen ist ganz wichtig. Viele unterschiedliche Spielerpersönlichkeiten müssen dies noch lernen, wenn sie mit Erfolg spielen wollen. Herr Bundeskanzler, wir haben in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der SPD ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz entwickelt. Unsere Bundestagsfraktion hat es wortgleich hier in den Bundestag eingebracht. Springen Sie doch über Ihren Schatten! Was Ihre rheinland-pfälzischen Genossen für richtig halten, kann doch für Sie nicht so falsch sein. Hören Sie doch einmal auf die RheinlandPfälzer! Die sind anständiger, als Sie denken, auch in der SPD. ({53}) Die Fraktion der F.D.P. beschleicht das Gefühl, dass die rot-grüne Mannschaft nicht weiß, in welcher Liga sie wirklich spielt oder spielen sollte. Da gibt es keine Stammplätze. Man kann schnell in die zweite Bundesliga absteigen, wenn man nicht den Mut zu richtigen Entscheidungen hat. Das politische Bodenturnen, der neue einjährige Verschiebebahnhof bei der Rente, das Ende für die Steuerreform, das Verbleiben bei der Gesundheitspolitik, die müde Innovationspolitik, der Stau im Verkehr, die ewigen europäischen „leftovers“, die Strangulierung des Arbeitsmarktes: Alles das zeigt eine Kleinräumigkeit, eine Kurzfristigkeit des Denkens. Erfolgreich ist der, der in klaren Linien denkt und handelt. Der Staat muss mehr ordnen, weniger lenken, weniger Misstrauen gegenüber den Menschen haben, mehr Vertrauen zu Menschen haben. Das ist die Basis für erfolgreiche Politik. ({54}) Meine Damen und Herren, ich bin neulich in Berlin zufällig hinter dem Auto eines Malermeisters gefahren. Er warb mit folgendem Spruch: „Tünchen, pinseln, kleistern - wir werden Sie begeistern.“ Kürzer und treffender lässt sich das Programm der rot-grünen Koalition nicht beschreiben. ({55}) Das reicht aber nicht aus. Deutschland braucht einen Aufbruch. Deutschland braucht Freiheit und Chancen für jedermann, zwischen Bildungseinrichtungen zu wählen, sich aus- und weiterzubilden und in zwölf Jahren das Abitur zu machen. Deutschland braucht Freiheit und Chancen des Einzelhändlers, seinen Laden auch nach 18.30 Uhr offen zu halten und selbst zu entscheiden, wann er die Tür auf- und zumacht. Er darf nicht aus ideologischen Grundsätzen heraus gegängelt werden. ({56}) Deutschland braucht Freiheit und Chancen der Haushalte, ihre Strom- und Telefonanbieter selbst auszuwählen und ihre Briefe über den Anbieter abzusenden, den sie wünschen. Deutschland braucht Freiheit und Chancen der Arbeitnehmer, im eigenen Betrieb über ihre eigenen Angelegenheiten, über Arbeitszeitregelungen und Einkommen innerhalb bestimmter Bandbreiten und im Ernstfall zugunsten des Erhalts ihres Arbeitsplatzes selbst bestimmen zu können, und weniger Funktionärsfremdbestimmung. ({57}) Deutschland braucht Freiheit und Chancen für die Sozialversicherungssysteme, um den wirklich Bedürftigen zu helfen und sich nicht in sozialer Bekleidung von Arbeitslosigkeit zu erschöpfen, sondern auf die größte soziale Sicherheit, den Arbeitsplatz selbst, abzustellen. Deutschland braucht Freiheit und Chancen für Sozialhilfeempfänger, eine Arbeit anzunehmen, wobei das Geld nicht gleich wieder voll weggesteuert wird. Deutschland braucht Freiheit und Chancen der Bürger, im Gesundheitssystem selbst zu entscheiden, wie man sich versichert, wie hoch man sich versichert, ob man sich mit Selbstbehalt versichert, ob man zu Zuzahlungen bereit ist oder ob man weiter Vollkaskoregelungen haben will. ({58}) Deutschland braucht Freiheit und Chancen aller Menschen in der Altersvorsorge, privates Geld selbst dort anlegen zu können, wo man es möchte, und nicht dort, wo die Gewerkschaften es gerne hätten. ({59}) Die Menschen in Deutschland wollen Orientierung statt Gängelung. Rot-Grün fürchtet nichts mehr als unabhängige, souveräne, eigene, selbstständige Entscheidungen von Menschen. Die Freie Demokratische Partei hat nichts lieber als die freie, selbstständige, souveräne, eigene Entscheidung von Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Freiheit ist wählbar. Die Alternative ist klar. ({60})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Kerstin Müller, Bündnis 90/Die Grünen.

Kerstin Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002741, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die politischen Debatten in Deutschland und auch in diesem Hause nehmen, wie ich finde, zeitweise schon recht merkwürdige Züge an. ({0}) Die CDU hat sich auf ihrem Parteitag in der vergangenen Woche ein neues Motto gegeben: Ehrlichkeit schafft Gerechtigkeit. ({1}) Ich habe über dieses Motto nachgedacht und komme zu dem Schluss: Sie haben es offensichtlich nötig. Ich bin gespannt, ob Sie dieses Motto demnächst auch auf den Plakaten von Herrn Koch kleben. Ich versuche, mir das ganze Trio infernale vorzustellen: Kohl, Kanther, Koch - Ehrlichkeit schafft Gerechtigkeit. ({2}) Liebe Frau Merkel, ich kann Ihnen nur raten, mit dem Begriff der Ehrlichkeit sehr vorsichtig zu sein; denn ich habe in den letzten Monaten bei der CDU von Ehrlichkeit nicht sehr viel sehen können. Beispiel Rentenpolitik: Monatelang haben wir uns bemüht, mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, einen Konsens zur Rentenreform zu finden, weil ein Konsens für die Menschen wichtig ist und weil sich die Menschen darauf verlassen müssen, dass wir bei der Rente in ein paar Jahren nicht wieder von vorne anfangen. Aber das interessiert Sie offensichtlich überhaupt nicht. Herr Merz, ich komme auf die Rede zu sprechen, die Sie in der ersten Lesung des Haushaltes 2001 am 13. September gehalten haben. Sie haben fünf Punkte vorgestellt, die für einen möglichen Rentenkonsens wichtig sind. Ich will diese Punkte in Erinnerung rufen. Erstens haben Sie gesagt, in die bestehenden Rentenanwartschaften und Rentenansprüche dürfe nicht eingegriffen werden. Ich stelle fest: Mittlerweile fordern auch Sie, dass die jetzige Rentnergeneration ihren Beitrag zur Sicherung der gesetzlichen Rentenversicherung leisten muss, und zwar von Anfang an. ({3}) Zweitens haben Sie gesagt, kommende Generationen dürften mit Beiträgen aus dem Umlageverfahren nicht dauerhaft höher belastet werden. Meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P., Sie hatten uns 1998 einen Rentenbeitrag von 20,3 Prozent hinterlassen. Nach der blümschen Reform läge er im kommenden Jahr schon bei 21 Prozent - Tendenz steigend. Ich stelle fest: Wir haben den Rentenbeitrag gesenkt. Im kommenden Jahr liegt er schon bei 19,1 Prozent. Er wird bis 2020 stabil unter 20 Prozent liegen. Das ist eine wirklich sinnvolle Rentenpolitik. ({4}) Drittens forderten Sie - ich kann Ihnen dies nicht ersparen - die zusätzliche private Altersvorsorge. Ich kann dazu nur sagen: Wir fordern nicht nur, sondern wir handeln auch. Wir schaffen nämlich mit der massiven staatlichen Förderung der privaten Altersvorsorge die Voraussetzung dafür, dass sich auch Familien mit kleinem Einkommen endlich die private Vorsorge erlauben können. Menschen mit hohem Einkommen konnten sich dies schon bisher leisten. Viertens haben Sie die nachgelagerte Besteuerung für die Alterssicherung gefordert. Genau die kommt jetzt. Wir beginnen mit der steuerlichen Freistellung der Beiträge für die private Vorsorge. Wenn Sie nun fordern, auch die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sofort freizustellen, dann muss ich Sie an die Debatten im Rahmen der Steuerreform erinnern. Gerade die Länderhaushalte können dies nicht verkraften. Deshalb ist diese Regelung im Bundesrat nicht durchsetzbar. Im Übrigen, Herr Merz, sind auch die CDU-Ministerpräsidenten dagegen. Mit Ihrem Kamikazekurs sind Sie schon bei der Steuerreform gescheitert. Wollen Sie, dass sich dieses Desaster bei der Rentenreform wiederholt? Wir jedenfalls werden da nicht mitmachen. ({5}) Fünftens haben Sie gefordert, die Alterssicherungssysteme müssten so ausgestaltet sein, dass Altersarmut nicht entstehen könne. Herr Merz, genau das erreichen wir mit unserem Gesetzentwurf. Denn erst dann, wenn alte Menschen einen eigenständigen Anspruch auf Sozialhilfe haben, ohne dass auf die Kinder zurückgegriffen wird, werden wir die verschämte Altersarmut wirklich überwinden. Ich halte also fest: Wir machen längst das, was Sie vor zwei Monaten in diesem Hause vorgetragen haben. Das ist aber nicht alles. Schon lange haben wir eine Kinderkomponente sowohl in der gesetzlichen als auch in der privaten Rente vorgesehen. Was aber machen Sie? Sie finden immer wieder neue Ausflüchte, nicht in den Rentenkonsens einzusteigen. Der Grund liegt darin, dass Sie sich vor der Verantwortung drücken wollen. Sie treiben ein zynisches Spiel auf dem Rücken der jungen Generation. Sie wollen in Wirklichkeit diesen Rentenkonsens überhaupt nicht, sondern Sie tragen einen Machtkampf innerhalb der Union aus. ({6}) Frau Merkel will ja eigentlich den Konsens, wie wir wissen. Herr Stoiber will Fundamentalopposition, wie er immer wieder deutlich macht. Und Sie, Herr Merz, können sich an diesem Punkt offensichtlich nicht entscheiden, vielleicht weil Sie Angst haben, dann erneut auf der Seite des Verlierers zu landen. Ich kann nur fragen: Wer hat bei der Union eigentlich das Zepter in der Hand? ({7}) Wer bestimmt eigentlich die Richtlinien Ihrer Politik: der CSU-Vorsitzende oder wer? Ich finde, das sollten Sie erst einmal klären, damit Sie mit Ihrem Chaos nicht weiter eine Einigung in der Rentenpolitik verhindern; denn wir brauchen einen Rentenkonsens. ({8}) - Bei uns ist das völlig geklärt, keine Sorge. Es geht hier nicht um Sie, sondern um die langfristige Sicherung der Altersvorsorge. Sie machen das, was bei diesem Thema schon viel zu lange gemacht wird: Sie betreiben eine schamlose Verunsicherung der Bürger, wider besseres Wissen und gerade auf dem Rücken junger Menschen. Wir wollen den Generationenvertrag erneuern. Wir sorgen dafür, dass alle Generationen - das sagen wir ganz ehrlich - von Anfang an ihren Beitrag leisten. Dabei sind wir - das wiederhole ich hier - im Interesse der Menschen nach wie vor zum Konsens bereit. Herr Merz, suchen Sie nicht weiter nach neuen Ausflüchten. Halten Sie Ihr Versprechen, das Sie in Ihrer Rede am 13. September hier gegeben haben. Stimmen Sie diesem guten Rentenentwurf endlich zu und beteiligen Sie sich konstruktiv! ({9}) Im Gegensatz zur Opposition hat diese Regierung klare Konzepte. Wir haben die notwendige Modernisierung nach den Jahren des Stillstands unter der alten Regierung begonnen. Die Steuerreform entlastet nachhaltig besonders Familien, Menschen mit kleinen Einkommen und die mittelständische Wirtschaft. Und, Herr Glos: Weil ja insbesondere die Grünen eine so mittelstandsfeindliche Politik machen, erhält heute Christine Scheel, die Vorsitzende des Finanzausschusses, den Mittelstandspreis, wozu ich ihr im Namen meiner Fraktion und auch im Namen der SPD ganz herzlich gratulieren möchte. ({10}) Mit der ökologischen Steuerreform haben wir die Arbeitskosten Schritt für Schritt gesenkt. Wir sorgen dafür, dass die Rentenbeiträge weiter sinken, dass die Beiträge in der gesetzlichen Krankenkasse stabil bleiben. Wir sind zuversichtlich, dass wir spätestens 2002 auch die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung senken können. Diese Koalition hält jedenfalls an dem Ziel fest, die Lohnnebenkosten bis 2002 unter 40 Prozent zu senken. Wir schaffen damit die Voraussetzung für eine dauerhaft bessere Wirtschaftsentwicklung und für den schnellen Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland. Die aktuellen Daten zeigen ganz klar, dass dieser Kurs zum Erfolg führt. Wir haben im Schnitt rund 500 000 Arbeitslose weniger als in Ihrem letzten Regierungsjahr, meine Damen und Herren von der Opposition. Zwei Jahre nach Regierungsantritt, im Oktober dieses Jahres, hatten wir mit 8,9 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote seit November 1994. Darauf kann man sich nicht ausruhen, aber das ist ein Erfolg! ({11}) Unser strikter Kurs der Haushaltskonsolidierung hat zu diesem Erfolg beigetragen. Wir machen Schluss mit dem Wirtschaften auf dem Rücken zukünftiger Generationen und wir sichern mit dieser Politik langfristig die Handlungsfähigkeit des Staates. Auch bei der Verwendung der Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen haben wir an diesem Kurs festgehalten - was die F.D.P. am liebsten nicht getan hätte, wie Sie in jedem Interview wieder beteuern. Wir haben diese Gelegenheit genutzt, um die gigantische Verschuldung in Höhe von 1,5 Billionen DM, die Sie uns hinterlassen haben ({12}) Kerstin Müller ({13}) - ich glaube, das bestreitet niemand mehr -, ({14}) um 100 Milliarden DM zu reduzieren. Mit den Zinsersparnissen finanzieren wir in den nächsten drei Jahren ganz wichtige Zukunftsinvestitionen: Klimaschutz, Energieforschung, Bildung und wichtige Investitionen in die Infrastruktur; zum Beispiel: Allein 6 Milliarden DM fließen in die Schiene. Herr Brüderle, dass Sie sich hier überhaupt trauen, von der Bahn und der Bahnreform zu reden, ist unfassbar. Sie, meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P., haben die Bahn über Jahrzehnte verkommen lassen. Wir sorgen jetzt erstmals für einen Investitionsschub, ({15}) der die Bahn vom Stand der 30er-Jahre ins neue Jahrtausend bringen soll. Dieses Zukunftsprogramm ist - das kann man wirklich sagen - das größte ökologische Modernisierungsprogramm, das in diesem Bundestag je beschlossen wurde. Darauf sind wir zu Recht stolz. Diesen Kurs der Konsolidierung und Innovation setzen wir auch mit diesem Haushalt fort. Schon die im Regierungsentwurf vorgesehene Neuverschuldung lag mit 46,1 Milliarden DM erneut unter der des Vorjahres. Dennoch konnten die Fraktionen sie nochmals absenken auf jetzt 43,7 Milliarden DM. Die Gesamtausgaben sinken um 0,4 Prozent, die Investitionsquote dagegen steigt auf 12,2 Prozent. Das ist seriöse, nachhaltige Finanzpolitik. Ich füge hinzu: Wir sparen nicht nur, wir gestalten auch. Wir haben mit diesem Haushalt wichtige zusätzliche Akzente gesetzt: Die Aufstockung des Markteinführungsprogramms für erneuerbare Energien um 100 Millionen DM war ein großer Schritt in Richtung ökologische Energieversorgung. Die Deutsche Bahn AG erhält 800 Millionen DM als Betriebskostenzuschuss statt als Darlehen. Auch hiermit schaffen wir zusätzliche Perspektiven für ein attraktives Bahnangebot. Mit der Aufstockung der Mittel für das Altbausanierungsprogramm um weitere 800 Millionen DM ermöglichen wir pro Jahr die Sanierung von insgesamt rund 150 000 Altbauwohnungen. Damit schaffen wir Arbeitsplätze im Handwerk und in der Bauwirtschaft. Mit diesem Haushalt geben wir auch ein klares Signal für eine internationale Politik der Konfliktvermeidung und für die Verstärkung der Entwicklungszusammenarbeit. Der Entwicklungshilfeetat steigt im Vergleich zum Regierungsentwurf um 207 Millionen DM und liegt damit - trotz Sparhaushalt! - 4,6 Prozent über dem des Vorjahres. Zusätzlich stellen wir 100 Millionen DM für den Aufbau in Serbien und 40 Millionen DM für die Krisenprävention bereit. ({16}) Meine Damen und Herren, das zeigt: Dieser Haushalt stärkt die Beschäftigung in Ost- und Westdeutschland, schafft mehr soziale Gerechtigkeit, unterstützt die ökologische Erneuerung und baut die Handlungsfähigkeit deutscher Außenpolitik weiter aus. Ich will ganz klar feststellen: Der Haushaltsausschuss insgesamt, aber ganz besonders die Haushälter der beiden Regierungsfraktionen haben hier in den letzten Wochen eine ausgezeichnete Arbeit geleistet. Dafür möchte ich Ihnen an dieser Stelle im Namen meiner Fraktion ganz ausdrücklich danken. ({17}) Die jetzige Regierung schafft die Voraussetzungen für eine notwendige Modernisierung unseres Landes. Wir geben dieser Modernisierung eine klare soziale und ökologische Richtung. Wir stärken das Solidarprinzip in dieser Gesellschaft, nachdem Sie jahrelang auf Entsolidarisierung gesetzt haben. Denn, verehrte Damen und Herren von der Opposition, es ist nicht gerade ein Zeichen besonderer Ehrlichkeit, wenn Frau Merkel hübsche Papiere zur so genannten Wir-Gesellschaft schreibt, Sie aber gleichzeitig eine Politik betrieben haben, die auf direktem Weg in die Ich-Gesellschaft geführt hat. Mittlerweile ist es doch so: Weder bescheinigen Ihnen die Gewerkschaften irgendeine soziale Kompetenz noch die Arbeitgeber irgendeine Wirtschaftskompetenz. Sie haben das Erbe von Ludwig Erhard längst verspielt. Soziale Marktwirtschaft, das ist für Sie mittlerweile ein Fremdwort. ({18}) Wir sind der Meinung, dass wir auch in Zukunft einen fairen Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern brauchen. Auch wenn wir Grüne nicht immer in allen Punkten mit den Gewerkschaften übereinstimmen, sind wir ganz klar der Meinung: Wir brauchen für diesen Ausgleich starke Gewerkschaften und starke Betriebsräte. Deshalb müssen wir das Betriebsverfassungsgesetz reformieren. Wir werden die Wahl von Betriebsräten in kleinen und mittleren Betrieben erleichtern und damit die demokratische Mitbestimmung stärken. Mehr Chancengleichheit für Frauen, mehr Mitbestimmung in Umweltfragen und eine bessere Berücksichtigung der Belange von Jugendlichen - all das, so meinen wir, ist überfällig, all das muss reformiert werden. Wenn wir von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mehr Flexibilität, mehr Verantwortung und mehr Risikobereitschaft erwarten, gerade dann müssen wir ihnen auf der anderen Seite auch mehr Sicherheit und mehr Mitbestimmungsrechte in den Betrieben gewähren. Mehr Einsatz und mehr Flexibilität, aber weniger Mitbestimmung und weniger Verantwortung, Herr Brüderle, liebe Kollegen von der F.D.P., das ist meines Erachtens nicht modern, das ist aus dem vorletzten Jahrhundert. Ich stelle hier für meine Fraktion klar - das unterscheidet uns fundamental -: Die Modernisierung und Stärkung des Solidarprinzips, das dürfen keine Gegensätze sein, das gehört für uns zusammen. ({19}) Wir geben der Modernisierung auch eine klare ökologische Richtung. Das Scheitern des Klimagipfels in Den Kerstin Müller ({20}) Haag ist ein schwerer Rückschlag für alle Menschen, die sich für den Klimaschutz engagieren. Ich kann nur sagen: Die Blockade des weltweiten Abkommens zum Schutz des Klimas vor allem durch die USA, Japan, Kanada und Australien ist absolut unverantwortlich. Verehrte Frau Merkel, ich finde, es ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten, ausgerechnet Umweltminister Jürgen Trittin für diese Blockade verantwortlich zu machen. Sämtliche Umweltverbände, von Greenpeace bis zum BUND, haben die positive Rolle der deutschen Regierung hervorgehoben - und ich sage: zu Recht. ({21}) Wenn Sie als Sprachrohr der wirklichen Blockierer jetzt Jürgen Trittin den schwarzen Peter zuschieben wollen, dann zeigt das doch nur eines: Sie hätten an seiner Stelle wahrscheinlich jeden faulen Kompromiss auf Kosten des Klimas und auf Kosten künftiger Generationen mitgemacht. ({22}) Man schützt das Klima nicht mit dem Hinweis auf die Existenz von Wäldern, wie das die Amerikaner gerne gehabt hätten, sondern nur durch eine echte Reduzierung der Schadstoffe. Es ist gegen jede Vernunft, den Schutz unserer Lebensgrundlagen kurzfristigen wirtschaftlichen Profitinteressen ausschließlich einzelner Unternehmer zu opfern. Das vorläufige Scheitern des Weltklimagipfels wird uns deshalb nicht dazu bringen, die eigenen Anstrengungen zurückzunehmen. Im Gegenteil: Wir werden den Klimaschutz weiter in den Mittelpunkt unserer Politik stellen. Die Regierung hat mit dem bereits beschlossenen nationalen Klimaschutzprogramm gezeigt: Wir tun alles, um die CO2-Belastung bis 2005, wie in Rio vereinbart, gegenüber 1990 um 25 Prozent zu reduzieren ({23}) durch die Energieeinsparverordnung, durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, indem wir Kraft-WärmeKopplung stärken, durch Investitionen in die Schiene, durch das Altbausanierungsprogramm und durch die Ökosteuer, denn die sorgt sowohl bei den Menschen als auch bei der Automobilindustrie für den Anreiz, Energie einzusparen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, gerade wegen Ihrer wirklich gnadenlosen Verdummungskampagne zur Ökosteuer kann ich Ihre Krokodilstränen über den Ausgang der Klimaschutzkonferenz wirklich nicht ernst nehmen. ({24}) Was haben Sie denn geleistet während Ihrer Regierungszeit? Ich will Ihnen sagen, was Sie gemacht haben: Ihr Klimaschutzprogramm bestand doch allein aus der Schließung von Unternehmen in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Ansonsten haben Sie in Sachen Klimaschutzprogramm nichts geleistet. Wir werden weiter konsequente Klimaschutzpolitik machen, weil wir das vor allem den nachfolgenden Generationen schuldig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kurzsichtigkeit ökologiefeindlicher Politik, die sich nur an vordergründigen Verbandsinteressen orientiert, erweist sich in den letzten Wochen ein weiteres Mal, nämlich in der Diskussion über BSE. Ich glaube, Andrea Fischer, die Gesundheitsministerin, hat zu Recht gesagt: Wir erleben hier den GAU der industrialisierten Landwirtschaft. ({25}) Der Vertrauensverlust bei den Verbrauchern ist wirklich immens. Ich meine, dass nach den ersten bekannt gewordenen BSE-Fällen in Deutschland die Regierung konsequent und auch schnell gehandelt hat. Alle geschlachteten Rinder über 30 Monate werden künftig auf BSE getestet. Noch in dieser Woche werden wir mit dem ganzen Hause hier ein umfassendes Tiermehlverbot beschließen - eine Forderung übrigens, die die Gesundheitsministerin schon vor Bekanntwerden der BSE-Fälle vertreten hat. Und dennoch - ich glaube, das ist der Punkt, über den wir nachdenken müssen -: Wir stehen heute mit diesem Skandal vor dem Scherbenhaufen einer grundsätzlich falschen Landwirtschaftspolitik, und zwar über Jahrzehnte hinweg. Niemand von uns kann behaupten, wir hätten es nicht gewusst. Viele haben immer wieder davor gewarnt. Seit 14 Jahren ist BSE bekannt. Spätestens seit 1988 gilt Tiermehl als Hauptüberträger von BSE. Trotzdem wurde in der EU erst 1994, also sechs Jahre später, das Verfüttern von Tiermehl verboten, und bis heute kann eine Vermischung nicht ausgeschlossen werden. Auch die Entwicklung der Tests - das muss man hier leider offen sagen - steht immer noch am Anfang. Es gab nur sehr wenige verantwortliche Politikerinnen und Politiker, die konsequent gegen die unselige Allianz von Teilen der Politik und dem Bauernverband Maßnahmen gegen BSE gefordert und durchgekämpft haben. ({26}) Das möchte ich hier sehr deutlich sagen. Dazu gehört wohl unbestritten die grüne Umwelt- und Landwirtschaftsministerin aus Nordrhein-Westfalen, Bärbel Höhn. ({27}) Dazu gehört ganz sicher nicht Jochen Borchert. Der hat noch im März 1998 in Brüssel vehement dafür plädiert, das Verbot der Verwendung von Risikomaterialien wie Rückenmark und Nieren zu verschieben, übrigens auf Druck aus der bayerischen Staatskanzlei, Herr Glos. ({28}) Wie viel Skrupellosigkeit gehört eigentlich dazu, wenn ausgerechnet der bayerische Ministerpräsident der rotgrünen Bundesregierung Versäumnisse vorwirft? ({29}) Kerstin Müller ({30}) Wenn einer auf der Bremse gestanden hat, dann war das an allererster Stelle Edmund Stoiber und mit ihm die Agrarlobby aus Bayern. ({31}) Dass Sie die BSE-Gefahren immer noch verharmlosen, hat gerade erst der bayerische Landwirtschaftsminister Josef Miller bewiesen, den wir in der „Süddeutschen Zeitung“ vor zwei Tagen mit den Worten vernehmen konnten: „Bayern ist BSE-frei!“ Wie viel ungeheuerliche Arroganz gehört dazu, jetzt noch solche Behauptungen aufzustellen? Das ist derselbe Minister, der Gesundheitsministerin Andrea Fischer noch vor Monaten gedrängt hat, zusätzliche Maßnahmen zur BSE-Bekämpfung in Brüssel zu blockieren. Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen: Wer im Glashaus sitzt, sollte wirklich besser nicht mit Steinen schmeißen. ({32}) - In dieser Frage lassen sich die Grünen überhaupt nichts zuschulden kommen. Wir haben jahre- und jahrzehntelang an dieser Stelle vor den Gefahren gewarnt und immer wieder die industrialisierte Landwirtschaft kritisiert. Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen hier umdenken. Und ich bin froh, dass dieses Haus in dieser Woche sehr konsequent und schnell handeln wird mit dem Tiermehlverbot. ({33}) Die Geschichte der BSE-Skandale hat uns eindringlich vor Augen geführt, wo die Ursachen liegen. Wir müssen uns von der industriellen Massentierhaltung verabschieden, wir müssen umkehren zu einer artgerechten Tierhaltung, zum ökologischen Landbau, zur regionalen Vermarktung und zu einer EU-Politik, die diesen Strukturwandel in der Landwirtschaft unterstützt. ({34}) Ich hoffe, dass Essen und Trinken wieder Genuss und Lebensqualität bedeuten werden und eben nicht ein massives Gesundheitsrisiko. ({35}) Modernisierung heißt für uns auch Stärkung der Demokratie und der Bürgerrechte und das ist gerade im Kampf gegen den Rechtsextremismus wichtig. Die rotgrüne Regierung hat hier einen großen Schritt nach vorn gemacht, denn die fundamentale Grundlage unserer Zivilgesellschaft sind gleiche Rechte für alle Minderheiten. ({36}) Das Gesetz zur Schaffung der eingetragenen Partnerschaft für schwule und lesbische Lebensgemeinschaften ist ein zentraler Beitrag zur Stärkung unserer Demokratie und zur Stärkung der „Wir-Gesellschaft“, liebe Frau Merkel. In Ihrer Regierungszeit wurden die Partner in solchen Lebensgemeinschaften vom Gesetz wie Fremde behandelt, selbst wenn sie seit Jahrzehnten zusammenlebten, selbst wenn sie alles miteinander teilten, füreinander einstanden und einer für den anderen sorgte. Indem wir diese massive Diskriminierung, diese Missachtung der Persönlichkeitsrechte jetzt beenden, verhelfen wir nicht nur Lesben und Schwulen zu ihrem Recht, sondern stärken wir auch den Gedanken der sozialen Verantwortung und der Toleranz gegenüber Minderheiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eben dieses Signal brauchen wir in Deutschland angesichts der schrecklichen Gewalttaten gegenüber Minderheiten in unserem Land. Auch deshalb kam dieser Gesetzentwurf genau zur rechten Zeit. ({37}) Ich möchte Sie von der Union noch einmal auffordern: Sorgen Sie am 1. Dezember, wenn der Gesetzentwurf zur Abstimmung im Bundesrat ansteht, dafür, dass Ihre Länder zustimmen. Verweigern Sie sich zumindest nicht den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Zeigen Sie wenigstens hier, dass Sie „mitten im Leben“ stehen, wie Ihr Slogan heißt, und nicht am rechten Rand. Herr Brüderle und liebe Kollegen von der F.D.P., ich bin gespannt, wie viel Ihre Stimme in den Landesregierungen von Hessen, Baden-Württemberg und RheinlandPfalz wert ist, wenn es um diese fundamentalen Freiheitsrechte für Minderheiten in unserer Gesellschaft geht. Wir müssen den Entwurf im Bundesrat verabschieden und dafür sind die Stimmen der F.D.P. sehr wichtig. ({38}) Die feigen antisemitischen Anschläge auf die Synagogen in Düsseldorf und Berlin, die Anschläge auf Gedenkstätten und Asylbewerberheime bestätigen eindringlich, dass Paul Spiegel in seiner Rede am 9. November in Berlin Recht hatte, als er sagte: Über das Stadium „Wehret den Anfängen!“ sind wir längst hinaus ... Wir befinden uns bereits mittendrin im Kampf gegen rechts. Meine Damen und Herren, so zeigen die Erkenntnisse von Bund und Ländern: Auch die NPD ist nicht nur eine widerliche rechtsextreme und antisemitische Partei, sie nutzt das Parteienprivileg auch zur Anstiftung und Verschleierung rechtsextremer Gewalttaten gegen Einwanderer und Flüchtlinge, gegen Menschen jüdischen Glaubens und Obdachlose. Deshalb möchte ich noch einmal eindringlich an die Abgeordneten des ganzen Hauses appellieren: Wir können dem nicht tatenlos zusehen! Ich meine, diese Partei muss verboten werden und der Bundestag sollte deshalb Kerstin Müller ({39}) einen Verbotsantrag mit größtmöglicher Geschlossenheit unterstützen. ({40}) Ich möchte für meine Fraktion klarmachen: Natürlich reicht ein NPD-Verbot allein nicht aus. Das allein hindert keinen rechten Gewalttäter und schützt kein Opfer rechter Gewalt. All das erreichen wir - das möchte ich ebenfalls sehr deutlich sagen - auch nicht mit einer Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit. Natürlich ist es widerlich, wenn diese grölenden braunen Gruppen am Brandenburger Tor oder gar am HolocaustMahnmal aufmarschieren; aber sollten wir darauf wirklich mit der Einschränkung dieses wichtigen demokratischen Grundrechts reagieren? Ich meine, das wäre eher die Kapitulation des Rechtsstaats vor den rechten Gewalttätern und genau das sollten wir nicht tun. ({41}) Wir müssen gegen die Vergiftung in den Köpfen und den Herzen der Menschen angehen, wenn wir Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus wirksam und dauerhaft bekämpfen wollen. Deshalb, meine Damen und Herren von der CDU, möchte ich noch einmal auf Ihren hessischen Ministerpräsidenten zurückkommen, der inzwischen immer häufiger als einer Ihrer zahlreichen nächsten Kanzlerkandidaten gehandelt wird. Was der sich in der vergangenen Woche geleistet hat, spottet wirklich jeder Beschreibung. Zum Anstieg der Anzahl rechtsradikaler Straftaten sagte Herr Koch im „Stern“ der vergangenen Woche: Und das hat nichts mit zunehmendem Radikalismus zu tun, sondern mit Teilen der Medien. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass dieser Mann so schnell wie möglich aus der Regierungsverantwortung verschwinden muss, dann ist das dieser gefährliche Unsinn. ({42}) Es sind doch nicht die Medien, die endlich nach Jahren des allgemeinen Schweigens das immense Problem rechter Gewalt thematisieren, sondern solche Politiker, die immer noch verharmlosen, die immer noch Wahlkampf auf dem Rücken von Minderheiten führen, die immer noch weiter zündeln: Sie schaffen den Nährboden, auf dem der Rechtsradikalismus in Deutschland wachsen und gedeihen kann. Das ist gefährlich und nicht die Tatsache, dass man über den Anstieg der rechtsradikalen Straftaten spricht. ({43}) Deshalb - ich meine das wirklich ernst - sollten Sie sich noch einmal genau anschauen, was der Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, am 9. November gesagt hat. ({44}) Er sagte nämlich: Überlegen Sie, was Sie sagen, und hören Sie auf, verbal zu zündeln! Schützen Sie die Menschen in unserem Land und schaffen Sie Rahmenbedingungen, damit wir alle gemeinsam leben können. Ich kann nur sagen, wir haben an dieser Mahnung nichts zu kritisieren. Wir nehmen diese Mahnung ernst. Vielleicht sollten Sie noch einmal darüber nachdenken, ob Sie diese Mahnung nicht auch ernst nehmen, statt gegen diese sehr nachdenkliche und wichtige Rede des Zentralratsvorsitzenden Sturm zu laufen. ({45}) Wir sind hier aktiv geworden. Wir stellen in diesem Haushalt 75 Millionen DM zur Bekämpfung des Rechtsextremismus bereit. Was machen Sie? Loben Sie die Weitsicht oder die Konsequenz der Regierungsfraktionen? - Nein, Sie werfen mit völlig verantwortungslosen Vorwürfen um sich: Die Regierung habe ein gestörtes Verhältnis zum Vaterland. - Sie, Frau Merkel, lieben es dagegen so inbrünstig wie sonst keine, wie man überall lesen kann. ({46}) Laurenz Meyer, Ihre neue Zauberwaffe, verkündet, er sei stolz, ein Deutscher zu sein, und Herr Merz tritt bekanntermaßen die unsägliche Debatte um die deutsche Leitkultur los. Ich kann nur sagen: Halten Sie inne! Machen Sie Schluss mit dieser miefigen Politik aus der nationalkonservativen Mottenkiste! Wachen Sie doch auf! Wir sind am Beginn des 21. Jahrhunderts und die Zeit der Deutschtümelei ist vorbei. Wir können solche Debatten in Deutschland nicht gebrauchen. Wir brauchen endlich eine vernünftige Debatte über Einwanderung, nicht aber solche deutschtümelnden Diskussionen, die alle in diesem Land nur noch nerven. ({47}) Dieser Begriff der deutschen Leitkultur taugt nicht als Leitlinie für die Integration von Einwanderern. Kultur ist Vielfalt und nicht Einfalt. Der Staat ist in erster Linie ein Rechtsinstitut und kein Erziehungsinstitut. Man muss Menschen als Individuen behandeln und beurteilen, nicht nach ihrer Religion oder Abstammung. An die Behauptung von Nationaleigenschaften kann man nicht die Erteilung oder Verweigerung von Rechten knüpfen. Wer die gleichen Pflichten zu erfüllen bereit ist, muss die gleichen Rechte besitzen. Diese Sätze stammen nicht aus dem grünen Wahlprogramm, das, werter Herr Merz - Sie werden es sicher sofort erkannt haben, da Sie sich vermutlich ausführlich mit der deutschen Kulturgeschichte befasst haben -, schrieb Kerstin Müller ({48}) Wilhelm von Humboldt, und zwar bereits 1809, über das Zusammenleben von Christen und Juden. Ich kann nur sagen: Das ist auch heute noch hochaktuell für das Zusammenleben in unserer multikulturellen Demokratie. ({49}) Ich bin davon überzeugt: Was wir brauchen, ist wirklich eine sensible und vernünftige Debatte über die Gestaltung der Einwanderung; denn Deutschland braucht Einwanderung, weil wir in vielen Wirtschaftsbereichen den Fachkräftebedarf nicht ausschließlich mit eigenen Kräften decken können, weil wir ohne den internationalen Austausch von Spitzenkräften in Forschung und Technologie bald zurücklägen und wegen der demographischen Entwicklung, also der absehbaren Überalterung unserer Gesellschaft, und nicht zuletzt - das will ich hier auch sagen - deshalb, weil wir selbst ein massives Interesse daran haben, unseren humanitären Verpflichtungen aus der Verfassung und aus völkerrechtlichen Verträgen nachzukommen. Deshalb sage ich: Wir brauchen noch in dieser Legislaturperiode ein Einwanderungsgesetz. Das ist jedenfalls die Debatte, die wir endlich führen müssen. Wie wollen wir künftig Einwanderung in dieser Gesellschaft gestalten? Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der CSU, haben auf ihren Parteitagen leider erneut deutlich gemacht, dass Sie immer noch an den alten Lebenslügen kleben. Wie anders kann ich das verstehen, wenn Sie verkünden: „Deutschland ist kein Einwanderungsland?“ Für Sie ist die Erde wohl immer noch eine Scheibe? Zum Asylrecht schweigen Sie, während Ihre Schwesterpartei CSU von nicht zu überbietender Klarheit ist. Die CSU will kein Einwanderungsgesetz, sondern sie will ein Asylbeseitigungsgesetz. Ich will hier sehr deutlich sagen: Darum wird es nicht gehen. Weder mit den Grünen noch mit der SPD - das haben uns die Kollegen sehr deutlich gesagt - wird es eine Verschärfung des Asylrechts geben. Wir brauchen keine Einschränkung des Asylrechts. Wir müssen Schutzlücken schließen. Für die Regierungsfraktionen sage ich sehr deutlich: Mit uns wird es keinen Abbau und keine Verschärfung des Asylrechts geben. ({50}) Ich glaube, nicht nur an der Einwanderungsfrage zeigt sich heute in aller Klarheit: Die Opposition hat keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft. Sie sucht deshalb ihr Heil in unglaubwürdigen Kampagnen und völlig haltlosen Angriffen. Wir können aber ganz gelassen sein; ({51}) denn Sie haben keine Chance: Diese Regierung schafft mehr Solidarität und sorgt für die ökologische Erneuerung. Wir stärken den Verbraucherschutz und bauen Demokratie und Bürgerrechte aus. Ich bin überzeugt: Das ist der richtige Weg in die Zukunft. Wir werden diesen Weg unbeirrt gemeinsam fortsetzen. Danke schön. ({52})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile dem Kollegen Roland Claus, Vorsitzender der PDS-Fraktion, das Wort.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die linke Opposition im Deutschen Bundestag hat es sich auch mit dem Haushalt für 2001 nicht leicht gemacht. Wir haben sehr sorgfältig abgewogen, wo Ausgabenerhöhungen durch Einnahmeerhöhungen ausgeglichen werden können. Wir versuchen auf diesem Wege, die öffentliche Meinung ein Stück zu korrigieren, dass die Sozialisten - die Linken in dieser Republik - nur gute Verteilungskünstler sind. Wir wollen den Nachweis antreten, dass wir auch von Finanz- und Wirtschaftspolitik etwas verstehen. ({0}) Deshalb sind wir auch nicht mit der Formel angetreten: Wir sind die Opposition und deshalb dagegen. Wir haben uns inhaltlich mit dem Haushalt auseinander gesetzt. Auch haben wir nicht versucht, die gesamte Gesellschaftspolitik auf ein Fußballfeld zu übertragen, wie wir es heute gehört haben; denn jeder, der ein bisschen davon versteht, weiß: Beim Fußball kann man schnell ins Abseits geraten. Auch das ist nicht unsere Logik. ({1}) Es gibt durchaus eine ganze Reihe von Haushaltsansätzen, die wir unterstützen. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es eine ganze Reihe von Vorschlägen gibt, die von unserer Fraktion eingebracht worden sind und mit diesem Haushalt verwirklicht werden. Dennoch - das ist das Ergebnis unserer Analyse - haben wir schwerwiegende Gründe für die Ablehnung dieses Haushaltes. Ich will versuchen, Ihnen die wichtigsten zu nennen. Ein erster Punkt: Auch mit dem Haushalt für 2001 transportieren Sie soziale Spannungen in die Zukunft. Das ist der Preis für Ihren Schuldenabbau. Wir polemisieren nicht gegen den Schuldenabbau schlechthin. Das wäre in der Tat töricht. Wir haben nur gesagt: Schuldenabbau darf nicht zum Selbstzweck werden. ({2}) Wir sehen das Problem darin, dass Sie die sozialen Spannungen, also die Unterschiede zwischen oben und unten in dieser Gesellschaft, weiter in die Zukunft transportieren. Das ist nicht modern, sondern ein Zukunftsrisiko. Wir wollen dabei nicht auf Gleichmacherei setzen. Aber wir wollen eben auch nicht, dass wachsende Unterschiede in dieser Gesellschaft mit dem Haushalt festgeschrieben werden. Es ist eben so, dass der Reichtum Weniger weiter ansteigt, während bei sehr vielen Menschen in diesem Lande leider eine zunehmende Armut zu registrieren ist. Kerstin Müller ({3}) Wenn Sie sich über solche Töne wundern, die Ihnen vielleicht ein wenig klassisch vorkommen, dann muss ich Ihnen sagen: Sie alle haben mehr oder weniger ungewollt etwas dazu getan, dass auch künftig demokratische Sozialistinnen und Sozialisten zu diesem Bundestag gehören. Sie sollten sich nicht wundern, wenn sich Sozialisten dann auch wie Sozialisten verhalten und solche Forderungen aufstellen. ({4}) Ich will das mit Zahlen untersetzen. Schauen wir uns einmal an, was die Folgen Ihrer Politik sind. Stellen wir einmal Folgendes gegenüber: auf der einen Seite einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresbruttoeinkommen von 40 000 DM - das ist zugegebenermaßen relativ wenig, aber kommt so selten nicht vor -, einer Wohnung von 80 Quadratmetern und einem Auto; auf der anderen Seite einen Zwei-Personen-Haushalt mit einem Jahresbruttoeinkommen von 100 000 DM - das ist ja noch nicht wirklich reich -, einer Wohnung von 70 Quadratmetern und einem Auto. Ich will an diesem Beispiel klar machen, dass wir die Probleme nicht nur an den Polen suchen, sondern durchaus in der Lage sind, in der Mitte zu rechnen. Jetzt haben wir folgende Ergebnisse: Der Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresbruttoeinkommen von 40 000 DM erfährt durch die Steuerreform eine Entlastung von 330 DM, aber er wird durch die Ökosteuer mit 500 DM zusätzlich belastet. Für ihn bleibt ein Minus von 170 DM. ({5}) - Ich komme gleich zu dem, was Sie in diesem Bereich noch machen. Das weiß ich wohl. ({6}) Der Zwei-Personen-Haushalt dagegen erfährt eine Steuerentlastung von 1 620 DM. Dazu kommt durch die Ökosteuer eine Entlastung von 250 DM. Das ist ein Plus von 1 870 DM. Ich sage ausdrücklich: Wir gönnen diesem Paar natürlich dieses Geld. Das Problem, auf das wir aufmerksam machen wollen, ist, dass Sie nicht in der Lage sind, auch an die sozial Schwächsten in dieser Gesellschaft zu denken, und dass Sie diese Verbesserung in den oberen Einkommensgruppen auf Kosten der sozial Schwächsten erreichen wollen. ({7}) Jetzt kommt das Problem, mit dem Sie es zu tun haben: Nachdem Sie diese Gesetze gemacht haben, stellen Sie fest, dass Sie solche sozialen Unterschiede nicht wollen. Dann setzt sozusagen Ihr soziales Langzeitgedächtnis ein und Sie erfinden Nachbesserungen wie die Entfernungspauschale. Ich will nur daran erinnern: In der ersten Haushaltslesung wurde Ihnen von unserer Fraktion genau diese Pauschale dreimal vorgeschlagen. Aber da haben Sie immer gesagt: Daraus wird nichts, das machen wir so nicht. Jetzt haben Sie selber darüber nachgedacht. Das Gleiche gilt für die Heizkostenpauschale. Wir haben ein Problem damit, dass das Soziale bei Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, in die Nacharbeit geraten ist. Es ist aus dem Ansatz herausgenommen und in die Nachbesserung verlagert worden. ({8}) Man muss leider feststellen: Wer es bei Ihnen nicht bis in die Mitte schafft, der ist unten durch. Eine solche Politik wollen wir nicht mitmachen. ({9}) Ein weiterer Punkt. Am Abbau der Arbeitslosigkeit wollten Sie gemessen werden - mit dem Versprechen, sich daran messen zu lassen, sind Sie vor den erfolgreichen Wahlen angetreten - und am Abbau der Arbeitslosigkeit müssen Sie jetzt auch gemessen werden. ({10}) Was haben wir gestern erlebt? Bundesminister Eichel und auch heute der Fraktionsvorsitzende Struck haben sich weitgehend von den Überlegungen fern gehalten, die Aussagen am eigenen Wahlprogramm zu messen. Sie haben sich vorwiegend an der Vorgängerregierung Kohl gemessen. Diese ist aber doch nun zu Recht abgewählt worden. Dieser Vergleich macht insofern keinen Sinn. Sie haben immerhin eins geschafft: Das Thema Arbeitslosigkeit von der Seite eins der Zeitungen auf die Wirtschaftsseiten zu verlagern, also wieder - wenn man so will - in die Mitte. Deshalb müssen wir Sie darauf aufmerksam machen, dass Sie die Arbeitslosigkeit nicht wirklich abgebaut haben, sondern vorwiegend den demographisch bedingten Rückgang zu Ihrem Erfolg erklärt haben. ({11}) Langzeitarbeitslose - vor allem langzeitarbeitslose Frauen - brauchen aber wirkliche Hilfe und nicht nur Erklärungen dieser Regierung. Man muss dazusagen: Die Menschen wollen Unterstützung und Hilfe im Kampf gegen Arbeitslosigkeit. „Bei Ihnen werden sie aber nicht geholfen, bei Ihnen werden sie erklärt.“ ({12}) Deshalb sagen wir, dass mit dem Haushalt die falschen Signale gesetzt werden. Sie setzen sich für eine drastische Kürzung der Bundesmittel für die Bundesanstalt für Arbeit ein. Das hat dramatische Folgen für ABM-Projekte. Sie wissen das und wir fordern Sie deshalb auf, diese drastischen Kürzungen zurückzunehmen. Sie geben zu wenig wirksame Hilfe für kleine und mittelständische Unternehmen - deshalb auch die Forderung der PDS-Fraktion, diese Mittel um 330 Millionen DM zu erhöhen. Das wären in der Tat Investitionen in die Zukunft. ({13}) Wir schlagen Ihnen vor, eine kommunale Investitionspauschale für die neuen Länder und für strukturschwache Regionen in den alten Ländern aus einem relativ geringen Teil der UMTS-Einnahmen einzusetzen. Wir haben das durchgerechnet und halten es für möglich. ({14}) Die PDS ist nicht wirtschaftsfeindlich. Wir sagen Ja zu einer vernünftigen Wirtschaft, die sozial und ökologisch Sinn macht. Wir fragen aber auch immer eins: Was ist der gesellschaftliche Zweck von Wirtschaft? Sie kann sich ja nicht im Selbstzweck erschöpfen. Wir wollen diese Bewegung mit den Gewerkschaften und nicht gegen sie. Es ist interessant, dass sich der Kollege Struck - das ist nicht verwunderlich - heute Morgen eine regierungsfreundliche Äußerung des DGB-Vorsitzenden Schulte herausgegriffen hat. Sie haben aber doch alle nicht vergessen - es ist erst einige Wochen her -, dass der gleiche DGB-Vorsitzende Schulte Ihnen den Vorwurf gemacht hat, unter Rot-Grün würden in diesem Land die Reichen immer reicher und die Armen immer mehr werden. Sie können doch Ansichten nicht nur selektiv wahrnehmen. ({15}) Beim Thema Tarifverträge steht nicht die Opposition, sondern die Koalition auf dem Schlauch. ({16}) Ich will diese Debatte zum Anlass nehmen, zur geplanten Bahnreform zu sprechen: Diese Reform geht in die falsche Richtung. Gerade die Entwicklung der Ölpreise sollte doch den letzten Anstoß dazu geben, zu überlegen, ob wir nicht alternativ auf eine anders ausgestaltete Bahnreform setzen sollten. Es darf nicht in erster Linie um die Frage gehen, wie sich jede einzelne Strecke rechnet; es muss zunächst die Frage gestellt werden: Wie viel Bahn braucht dieses Land? Wir fordern eine Chancengleichheit von Bahn und Straße. ({17}) Ich habe heute von meinen Kollegen in der Opposition gelernt, dass die Regierung auch für jeden Stau auf der Autobahn verantwortlich sein soll. ({18}) Ich habe das bisher immer selbstkritisch gesehen und auf eigene Planungsfehler zurückgeführt. Ich möchte meine Kollegen in der Opposition daran erinnern: Sie kommen in Schwierigkeiten, wenn Sie die Regierung für jeden Stau verantwortlich machen. Die Regierung könnte sonst leicht für sich in Anspruch nehmen, für jede staufreie Durchfahrt verantwortlich zu sein. Sie müssten dann jede Woche viele Dankschreiben absenden. ({19}) Ich will auch zur BSE-Problematik sprechen, die schon längst - und das völlig zu Recht - nicht mehr für Witze taugt. Ich finde, es ist gut, dass Bundestag und Bundesregierung in dieser Woche handeln. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die Äußerungen des Kollegen Merz von gestern zurückkommen. Er hat uns aufgefordert, mit diesem Thema ernsthaft umzugehen, und dabei die Regierung kritisiert, dass sie das Thema nicht ernsthaft genug angehe. Ein oder zwei Minuten nach diesen Äußerungen hat er einen sehr instinktlosen Witz im Zusammenhang mit BSE losgelassen. Das passt nicht zusammen: BSE eignet sich nicht als Kampfinstrument gegen die Bundesregierung. ({20}) Wir verkennen nicht, was die Regierung leistet, möchten aber auf eines hinweisen: Wir beschließen in dieser Woche den Bundeshaushalt und möchten Ihnen vorschlagen, noch in dieser Woche einvernehmlich einen Hilfsfonds für Landwirtschaftsunternehmen, die von der Seuche betroffen sind, in den Haushalt einzustellen. Wir denken an einen Bundesfonds, der von den Länderagrarministerien - ergänzt durch entsprechende Landesmittel verwaltet werden könnte und auf diese Weise die Betroffenen eher erreicht und ihnen eine wirksame Hilfe bietet. ({21}) Ich sage das nicht im Sinne von Besserwisserei oder als Kritik an der Regierung, aber der Haushalt ist nun einmal die ureigene Sache des Parlaments. Deshalb sollten wir ein möglichst einvernehmliches Zeichen setzen. Auch künftig müssen wir weiter über die deutsche Einheit reden, über die Angleichung der Lebensverhältnisse in allen Bundesländern. Wir beraten heute den ersten Bundeshaushalt nach zehn Jahren deutsche Einheit. Am 3. Oktober des vergangenen Jahres wurde viel versprochen. Gemessen an diesen Versprechungen ist dieser Haushalt leider enttäuschend. Ich gehöre nicht zu denen, die die Sommersafari des Kanzlers in den neuen Bundesländern kritisiert haben. Ich bin der Meinung: Einmal sehen ist besser als siebenmal hören. Wir haben sehr genau nachgeprüft, ob die Zusagen des Bundeskanzlers eingehalten wurden; sie wurden eingehalten - auch das gehört zur Wahrheit. ({22}) Man muss aber eines klar feststellen: Es war gewissermaßen ein weiterer Trip des Bundeskanzlers ins Ausland. Es war eine Reise in Bundesländer, die noch nicht wirklich als Teil des vereinten Deutschlands verstanden werden. Das ist unsere Kritik an dieser Reise. ({23}) Strukturprobleme in Deutschland sind längst kein reines Ostproblem mehr. Wir haben in einer ganzen Reihe von schwachen Regionen Strukturprobleme. Der Osten aber hat - das ist in diesem Zusammenhang ganz selten nach zehn Jahren deutsche Einheit dadurch einen Kompetenzvorsprung, dass er eine Reihe von Strukturproblemen erlebt und erfolgreich mit gelöst hat. Deshalb ist der Weg zum Solidarpakt II längst nicht mehr eine Frage des Transfers von West nach Ost, sondern ein gesamtdeutsches Problem. Schauen wir uns nur einmal die Arbeitslosenentwicklung in Bremerhaven und in anderen strukturschwachen Regionen an. Deshalb wird es so wichtig sein, zum Solidarpakt II hin für diese Gesellschaft klarzuRoland Claus stellen, welchen Weg wir gehen, ob wir den Weg in eine Solidargemeinschaft gehen wollen oder ob es der Weg in eine Ellenbogengesellschaft sein wird. Dafür müssen wir auch mit diesem Haushalt Weichen stellen. Ich will zwei weitere Vorschläge machen. Die PDS hat wie andere auf ein Riesenproblem aufmerksam gemacht: den Wohnungsleerstand im Osten. Das ist inzwischen ein Bundesproblem geworden, und zwar durch die unselige Privatisierungs- und Altschuldenbelastungspolitik und auch durch die verkorksten Sonderabschreibungen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, 3 Milliarden DM aus den Mobilfunklizenzerlösen für ein Sonderprogramm gegen diesen Wohnungsleerstand einzusetzen. Wir können Sie nur auffordern: Trauen Sie sich, einen solchen Schritt zu tun. Es wäre ein Schritt in den selbsttragenden Aufschwung. ({24}) Es wäre auch ein Schritt nach der Losung: Aus dem Osten etwas Neues, das für die ganze Republik von Nutzen sein könnte. Wir möchten auch darauf aufmerksam machen, dass noch immer nicht absehbar ist, in welcher Weise eine Rentenangleichung zwischen Ost und West erfolgen sollte. Wir wissen, dass das nicht einfach ist; aber die Schrittfolge wollen wir wissen. Wir wollen nicht, das ein heute 20-Jähriger noch in 40 Jahren, also mit Eintritt ins Rentenalter, gewissermaßen als Ossi identifiziert wird. Sie sind ja ohnehin, wenn wir das richtig sehen, dabei, in der Rentenreform einiges zu verändern. Ich glaube, man kann schon jetzt absehen: Das wird nichts mit „Basta“. Sie versuchen nun, wenn ich das recht verstehe, mit den Gewerkschaften zu einem Konsens zu kommen, der besagt: Wir bringen den Ausgleichsfaktor wieder ein Stück von dem weg, wo er jetzt ist. Wir reden über eine weitere Förderung der betrieblichen Rente. Dafür erwarten wir von euch einige Zugeständnisse. - Das geht in aller Stille vor sich. Das ist „gestruckt“ und nicht „geschrödert“, was wir jetzt erleben. Es ist Ihnen heute noch einmal deutlich gesagt worden: Der Versuch, in der Rentenfrage einen Mitte-rechts-Konsens zu erreichen, ist gescheitert. „Basta!“ hat man Ihnen heute dazu gesagt. ({25}) Deshalb fragen wir Sie noch einmal: Warum in aller Welt bringen Sie denn jetzt nicht den Mut auf, in der Rentenfrage einen Mitte-links-Konsens mit den Gewerkschaften, mit den Sozialverbänden, mit den Kirchen, auch mit der PDS auf den Weg zu bringen? Aber das sollten Sie dann bitte in aller Öffentlichkeit und nicht in aller Stille tun. ({26}) Meine Damen und Herren, im Kampf gegen den Rechtsextremismus haben wir wirkliche Fortschritte zu verzeichnen. Wir haben gesellschaftlich etwas in Bewegung gebracht. Dazu haben der Bundestag und auch die Bundesregierung einiges geleistet. In dieser Hinsicht enthält auch der Bundeshaushalt Fortschritte, aber, wie wir meinen, viel zu wenige. Deshalb sollten wir uns dafür einsetzen, dass die positiven Beispiele viel mehr Schule machen. Ich habe sehr viel Respekt vor dem Agieren des Bundestagspräsidenten, der nachweist, dass präsidiales Verhalten und das Vertreten einer eigenen Meinung zusammenkommen können. Ich wünschte mir aber, dass solche positiven Beispiele in der Gesellschaft mehr Schule machten und dass man endlich bei jenen Teilen der Industrie, die bei der Einzahlung in die Zwangsarbeiterentschädigungsfonds noch immer an dem unwürdigen Gezerre festhalten, zum Ziel käme. ({27}) Es besteht nämlich auch die Gefahr, meine Damen und Herren, dass wir die 200 000 Menschen, die sich am 9. November auf den Weg gemacht haben, enttäuschen. Deshalb brauchen wir mehr gesellschaftliche Konzepte gegen rechts. Das Vorhandene reicht längst noch nicht aus. Geld ist dabei nicht alles, aber Georg Weerth hatte Recht, als er einst gesagt hat: Wo das Geld ist, da ist der Teufel, aber wo kein Geld ist, da ist der Teufel gleich zweimal. ({28}) Ich will hier nur daran erinnern, dass Ihnen die Fraktionsvorsitzenden von F.D.P. und PDS in der ersten Lesung vorgeschlagen haben, eine große Bildungsoffensive im Kampf gegen den Rechtsextremismus aufzulegen und dafür die Zinsersparnisse aufgrund der Einnahmen aus den Mobilfunklizenzen einzusetzen. Das wäre eine Größenordnung bis zu 1 Milliarde DM. Sie sind dabei der Logik nachgegangen: Gegen Nazis in den Köpfen hilft am meisten Bildung. Gemessen an dem, was jetzt an positiven Ansätzen - die wir durchaus würdigen - herausgekommen ist, müssen wir sagen: Der Dimension dieses Problems wird der Haushalt nicht gerecht. Trotzdem werden wir weiter für gemeinsames Handeln eintreten. Es war richtig und wichtig, dass alle Bundestagsfraktionen zur Teilnahme an den Kundgebungen vom 9. November gemeinsam aufgerufen haben. Wir stehen in einer spezifischen Verantwortung. Wir Linken wollen dafür eintreten und darum ringen, dass es in diesem Lande einen gewinnenden und nicht einen ausgrenzenden Antifaschismus gibt. Aber wir wollen mit Ihnen zusammen auch noch etwas anderes erreichen: Der Begriff „Antifaschismus“ muss aus dem Verfassungsschutzbericht verschwinden und in der gesellschaftlichen Werteskala aufgewertet werden. ({29}) Letzter Punkt - das ist das dunkelste Haushaltskapitel, das Sie uns vorgelegt haben -: Wir haben es leider mit einem Einstieg in eine neue Aufrüstungsstrategie zu tun. Sie haben 10 Milliarden DM in den nächsten Jahren für ein Großraumflugzeug, einen regelrechten Überflieger, eingestellt, und zwar durch einen beispiellosen Handstreich im zuständigen Ausschuss. Das wird eine grundsätzliche Veränderung der Einsatzstrategie der Bundeswehr mit sich bringen. In diesem Zusammenhang muss ich Ihnen eines ganz besonders vorhalten: Während die Diskussion über die 10 Milliarden DM an einem einzigen Tag im AusRoland Claus schuss durchgezogen wurde, warten und fordern wir seit über zehn Jahren, dass der Ostwehrsold endlich an den Westwehrsold angeglichen wird. Das haben Sie nicht geschafft. Für die Angleichung wären nur 2 Prozent der für das Großraumflugzeug eingestellten Summe notwendig gewesen. ({30}) Wir hatten mit unserer Kritik Recht, als wir vermutet haben, dass Ihr Ja zum NATO-Krieg gegen Jugoslawien und Ihr Ja zur deutschen Beteiligung nicht die punktuelle Ausnahme, sondern der faktische Einstieg in eine neue Strategie waren. Die Militärausgaben steigen, während die Entwicklungshilfefonds stagnieren. Das sind wieder falsche Signale. ({31}) Wir brauchen eine europäische Einigung, die zivil gestaltet und nicht militärisch dominiert ist. Der Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Europarede gesagt: „Wir müssen Märkte in Osteuropa erobern.“ Ich betone: erobern. Die Militanz in der Sprache verrät den eigentlichen Ansatz. ({32}) Dieser Ansatz ist falsch. Das ist keine Einladung an Osteuropa.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Claus, kommen Sie bitte zum Schluss.

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine Damen und Herren, zum Schluss möchte ich Ihnen sagen: Politik, auch Finanz- und Haushaltspolitik, ist immer Menschenwerk. Sie ist nie alternativlos. ({0}) Bis 1998 hörte ich Bundeskanzler Kohl immer wieder sagen, seine Politik sei alternativlos. Seitdem erklären mir das Kanzler Schröder und die Minister Eichel, Riester und andere. Wir aber wollen Ihnen sagen: Es geht auch immer anders, wenn man es nur will. Eine solidarische Gesellschaft ist nicht unmöglich. Es lohnt sich weiterhin, um eine gesellschaftliche Mehrheit für eine Mitte-links-Politik in Deutschland zu werben. Weil Sie es diesmal noch nicht geschafft haben, das in Ihrem Haushalt zu verankern, können wir ihm auch nicht zustimmen. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Bundeskanzler Gerhard Schröder. Gerhard Schröder, Bundeskanzler ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe durchaus amüsiert vor allem dem Kollegen Glos zugehört - das tue ich immer gerne -, genauso wie dem Kollegen Brüderle. Wer zugehört hat, der wird gemerkt haben, dass die beiden - das war wirklich gelungen - in humorvoller Art und Weise, gelegentlich unterbrochen von rabaukenhaftem Verhalten ({1}) - mich hat das durchaus sympathisch berührt; haben Sie das nicht gemerkt? das sollten Sie aber -, ({2}) über ein Land geredet haben, das jedenfalls nicht Deutschland sein kann. ({3}) Die Situation in Deutschland ist anders - um das zu erkennen, muss man sich nur einmal mit der Wirklichkeit in unserem Land befasst haben -, als Sie sie darzustellen versucht haben. Durchaus sympathisch in der Art und Weise, aber schrecklich falsch in der Klassifizierung unseres Landes und damit auch in der Klassifizierung dessen, was die Menschen in unserem Land leisten. ({4}) Wer die Wirklichkeit in Deutschland so verzeichnet wie Union und F.D.P., der irrt, wenn er glaubt, dass er - das scheint nur vordergründig so zu sein - damit in erster Linie die Bundesregierung trifft. Nein, Ihr Verhalten ist die aus parteipolitischen Gründen bewusst vorgenommene Missachtung der Leistungen von Millionen Menschen in unserem Land. Das ist das, was Sie falsch machen. ({5}) Die erfreuliche wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland ist doch das Ergebnis der Arbeit dieser Menschen. Das sollten Sie erfreut zur Kenntnis nehmen und zu würdigen beginnen. Ihre Art, über Deutschland zu reden, ist eine Beleidigung der Leistungskraft der Deutschen und das werden diese spüren und Sie auch spüren lassen. ({6}) Befassen wir uns mit der Wirklichkeit und nehmen uns erstens das wirtschaftliche Wachstum vor. ({7}) Beim wirtschaftlichen Wachstum in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr haben wir ein Plus von 3,2 Prozent, das heißt, dass wir im Jahr 2000 im Vergleich zum Vorjahr ein wirtschaftliches Wachstum von 3 Prozent erreichen werden. Der Sachverständigenrat sagt, 3 Prozent - meine Damen und Herren, da haben Sie hier Recht - sei eine Menge, reiche aber nicht. Dies reicht auch uns nicht. Daher ist es sinnvoll, sich einmal zu fragen - was wir auch gemacht haben -, woher es kommt, dass zu diesen schon erfreulichen 3 Prozent - Sie hätten Freudentänze aufgeRoland Claus führt, wenn Sie zu Ihrer Regierungszeit ein solches Wachstum gehabt hätten, ({8}) aber wir sind ehrgeiziger - nicht noch ein paar zehntel Prozentpunkte hinzugekommen sind. Die Erklärung ist ziemlich einleuchtend und die geben Sie auch in anderen Zusammenhängen immer mit. Wir haben in der Tat Probleme in der Bauwirtschaft mit einem Schwerpunkt im Osten unseres Landes. Das ist gar keine Frage. Es gibt dort Kapazitäten, die nicht ausgelastet sind und auch nicht ausgelastet werden können. Es gab dort im letzten und leider auch in diesem Jahr noch immer eine sinkende Nachfrage nach Bauleistungen. Das ist bedauerlich. Interessant ist nun, dass wir mit dem, was wir vorgelegt haben, nämlich durch die Zinsersparnisse, die aus der Verwendung der UMTS-Erlöse resultieren, wirklich Investitionskraft zu schaffen, und mit dem, was sich dort ergeben wird, auch dieses Problems Herr werden. Aber klar ist: Dadurch ist die wirtschaftliche Entwicklung speziell im Osten unseres Landes noch immer nicht so gut, wie wir es gerne hätten. Klar ist auch - das sagen nun wirklich alle Sachverständigen -, dass die wirklich rasanten Ölpreissteigerungen in diesem Jahr, verantwortet durch die OPEC, Wachstumsdellen verursacht haben, die das Ergebnis nicht noch besser ausfallen lassen, als es ohnehin schon ist. Aber von wirklich allen wirtschaftswissenschaftlichen Experten werden 3 Prozent in diesem Jahr - das steht fest und 2,75 Prozent im nächsten Jahr trotz Ölpreissteigerungen prognostiziert. ({9}) Das steht so gut wie fest. Das ist ein Ergebnis, das Sie, meine Damen und Herren, in den letzen Jahren Ihrer Regierungszeit zu keinem einzigen Zeitpunkt zu verzeichnen hatten. ({10}) Gehen Sie in sich und freuen Sie sich mit uns darüber, dass die deutsche Wirtschaft, gespeist aus der Leistungskraft der Menschen in Deutschland, solche Erfolge zu zeitigen hat. Freuen Sie sich mit darüber und sitzen Sie nicht miesepetrig herum und machen alles schlecht. Das bringt doch nichts. ({11}) Ich sage noch einmal: Wenn es stimmt - viele Experten sagen das ja -, dass die Hälfte dessen, was sich in der Wirtschaft vollzieht, auf Psychologie beruht, dann ist die Miesepetrigkeit, dann ist das bewusste Schlechtreden aus parteipolitischen Gründen, was Sie machen, ökonomisch nachgerade gefährlich. Das dürfen Sie so nicht weitermachen. ({12}) Stellen Sie sich einmal vor, jemand aus dem Ausland hätte die Rede von Herrn Glos oder von Herrn Brüderle gehört: Was dächte der wohl über Deutschland? ({13}) Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist zwar nicht sehr groß; aber gefährlich wäre es schon, wenn Sie so über Ihr eigenes Land reden. ({14}) Schauen wir uns an, was sich als Folge unserer Politik auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland wirklich tut. Ich habe die Zahlen des Jahres 1997, also des Jahres, bevor wir ins Amt kamen, in etwa im Kopf: Die Zahl der Arbeitslosen lag zwischen 4,6 und 4,7 Millionen. Das können Sie nicht bestreiten. Das war das Ergebnis Ihrer Politik. Da sitzen Sie nun und schweigen mich an. ({15}) - Natürlich bekomme ich die Antwort nachher von Herrn Merz. Das ist ganz klar. Er wird sich genauso, wie Sie es eben getan haben, weiter in Schwarzmalerei ergehen. Das wissen wir doch schon jetzt. ({16}) Das ist nichts Neues und für die Menschen in Deutschland auch nichts Gutes, weil diese Form der Schwarzmalerei jenen Optimismus wirklich nicht hervorbringt, den wir brauchen und auf den wir angesichts der Erfolge der Menschen in Deutschland auch ein Recht haben. ({17}) Schauen wir uns an, was auf dem Arbeitsmarkt von 1997 bis jetzt passiert ist. ({18}) Am Ende dieses Jahres ist die Arbeitslosigkeit um nur etwas weniger als 1 Million niedriger als in der Schlussphase Ihrer Regierungszeit. Nach allen uns bekannten Prognosen werden wir Ende des nächsten Jahres eine Arbeitslosigkeit von 3,5 Millionen - vielleicht wird sie sogar etwas darunter liegen - erreichen können. Nun höre ich: Das reicht nicht. - Auch mir reicht das nicht; das ist gar keine Frage. Aber es ist schon richtig, zu würdigen, dass in den letzten zwei, zweieinhalb Jahren eine Menge passiert ist. ({19}) Wenn ich die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland von Oktober 2000 mit der von Oktober 1999 vergleiche, Bundeskanzler Gerhard Schröder dann stelle ich einen Anstieg von mehr als 550 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten fest. ({20}) Ich höre Sie schon reden, das reiche Ihnen nicht. - Auch mir reicht das nicht; aber Sie haben dergleichen in den 16 Jahren, in denen Sie regiert haben, doch nicht einmal zuwege gebracht. Was soll denn diese Art der Auseinandersetzung? ({21}) Ich gehöre zu denjenigen, die gesagt haben: Wir wollen, was unsere Regierungstätigkeit angeht, am Abbau der Arbeitslosigkeit und an der Gesundung bzw. an der Perspektive unserer wirtschaftlichen Entwicklung gemessen werden. Wir haben gut daran getan, dies - übrigens, man hätte sowieso nach dieser Elle gemessen - als Maßstab für die Bewertung des Erfolgs unserer Politik zu benennen. Ich stelle mit einem gewissen Stolz fest: Nicht zuletzt aufgrund der Politik, die wir eingeleitet haben, sind diese Erfolge durch die Menschen in Deutschland erreicht worden. Wir haben einen vernünftigen Rahmen gesetzt, der das ermöglicht hat. ({22}) Es ist immer wieder notwendig, darauf hinzuweisen - gerade in Zeiten aufgeregter Debatten -, was die Ursache für die doch insgesamt positiven Daten - eine Opposition kann das nicht ernsthaft bestreiten - ist, über die wir uns eigentlich alle freuen müssten. Ich nenne drei Ursachen und ich knüpfe damit an das an, was der Finanzminister gestern mit gutem Recht und mit ein wenig Stolz - ich finde, den darf man bei guter Arbeit empfinden - im Hinblick auf seinen Haushalt deutlich gemacht hat: Wir haben eine Konsolidierungspolitik begonnen und in die Tat umgesetzt, die diesen Namen wirklich verdient. ({23}) Meine Damen und Herren, diese Konsolidierungspolitik von Hans Eichel und des gesamten Bundeskabinetts, einmütig unterstützt von der Koalition, ist einer der wichtigsten Gründe für das Positive, das wir in den letzten Jahren erreicht haben; denn der vom Finanzminister verdeutlichte Zusammenhang zwischen der Konsolidierung auf der einen Seite und den damit freigesetzten Möglichkeiten für Zukunftsinvestitionen auf der anderen Seite ist ja nicht konstruiert, sondern ihn gibt es wirklich. Wir haben deshalb - das unterstreiche ich hier noch einmal sehr deutlich; Herr Claus, das geht auch an Sie - Sparen nie als Selbstzweck begriffen, ({24}) sondern erkannt, dass wir - übrigens auch wegen der Integration Europas; darauf hat der Finanzminister gestern ebenfalls hingewiesen - die öffentlichen Haushalte in Ordnung bringen müssen, weil dies ökonomisch notwendig ist, weil nur eine Finanzpolitik, die die Bezeichnung „nachhaltig“ verdient, unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht wird und weil nur diese eichelsche Finanzpolitik uns die Spielräume für das eröffnet, was wir zu Recht Zukunftsinvestionen nennen. ({25}) Konsolidierung - Sparpolitik kann man auch dazu sagen - ist also kein Selbstzweck. Ich bitte Sie, das im Auge zu behalten und weiter zu bedenken. Konsolidierung ist die Voraussetzung dafür, sich finanzielle Möglichkeiten zu verschaffen, um die wichtigen Zukunftsaufgaben anzugehen und zu erfüllen. Die zweite Grundlage dieses Erfolges ist die Steuerreform, die mühsam genug gegen Blockadehaltungen im Bundesrat durchzusetzen war. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie hierbei geholfen haben, meine Damen und Herren von der F.D.P. ({26}) Das war wirklich einmal Einsicht in eine historische Notwendigkeit. ({27}) Hier ist eine Wiederholung durchaus erwünscht, Herr Brüderle. ({28}) - Sie haben auch etwas dafür bekommen, was wir nicht wollten. Das ist fairerweise zuzugeben. ({29}) - Wenn man einen Kompromiss mit jemandem schließt, der anders denkt, dann kann das ja nur ein Geben und Nehmen sein. So war das auch hier. ({30}) Insoweit hat - anders, als ich es gelegentlich gelesen habe - niemand den anderen über den Tisch gezogen. Wir haben vielmehr miteinander geredet und uns auf ein vernünftiges Konzept geeinigt. So einfach kann das sein, auch wenn es so einfach nicht immer ist. ({31}) Diese Steuerpolitik hat neben der Konsolidierungspolitik die Grundlage für den wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland gelegt. Wir haben mit dem manchmal sehr merkwürdigen Gegeneinanderausspielen von angebots- und nachfrageorientierter Steuer- und Finanzpolitik aufgehört. Wir haben beides gemacht, meine Damen und Herren, und eine sinnvolle Balance gefunden. Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass zu Beginn des nächsten Jahres die größte Steuerentlastung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kraft treten wird, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. ({32}) Bundeskanzler Gerhard Schröder - Doch, so ist es. Ein verheirateter Arbeitnehmer mit zwei Kindern, der brutto 75 000 DM verdient, wird nach Abschluss aller Stufen der Steuerreform im Jahre 2005 ({33}) - ich komme auch zu den anderen Zahlen; ich habe sie alle im Kopf - im Vergleich zu 1998 deutlich mehr als 5 000 DM jährlich netto im Portemonnaie haben. Das ist ein Erfolg, den Sie, meine Damen und Herren, nicht klein schreiben sollten. ({34}) Herr Glos, da Sie über Gerechtigkeit geredet haben, sage ich Ihnen, dass das nicht nur ein Gebot praktizierter Gerechtigkeit, sondern auch ein Gebot ökonomischer Vernunft ist; denn die positiven Wirtschaftsdaten, die Sie wirklich würdigen sollten, haben jetzt Gott sei Dank nicht mehr nur mit der Außenkonjunktur zu tun. Natürlich freue ich mich darüber, dass wir in diesem Quartal im Vergleich zum dritten Quartal des Vorjahres immer noch ein Exportwachstum von etwas mehr als 12 Prozent haben. Dieses Wachstum können wir gut gebrauchen; das ist gar keine Frage. Wir sehen inzwischen, dass die von uns angekündigten Reformen, die 2001 in Kraft treten werden, auch auf dem Binnenmarkt Erfolge zeitigen. Im Vergleich zum Oktober 1999 stiegen die Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland - diese sind ein ganz wichtiger Indikator für das, was zukünftig in der Wirtschaft passieren wird - um sage und schreibe fast 9 Prozent; exakt um 8,9 Prozent, wie ich glaube. Das ist doch ein Erfolg. ({35}) Greifen Sie doch diese Erfolgsstory auf und sagen Sie den Menschen - ich hoffe, Sie tun das nachher, Herr Merz -: Das ist ein Erfolg; das ist euer Erfolg; macht weiter so; auch die CDU kapiert inzwischen, dass das, was momentan geschieht, vernünftig ist. Das wäre doch einmal etwas Neues und wäre auch nötig. ({36}) Aufgrund der Steuerreform, die wir gemacht haben und fortführen werden, entwickeln sich im Übrigen nicht nur die Ausrüstungsinvestitionen positiv, sondern auch der private Konsum zieht an. Das freut die Einzelhändler und auch die Konsumenten. In diesem Jahr ist die Nachfrage nach Konsumgütern gegenüber 1999 um 2 Prozent gestiegen. Nach den vorliegenden Prognosen wird sie im nächsten Jahr dank unserer Steuerreform um 3 Prozent steigen. Dieses kann sich doch sehen und hören lassen. Ich würde mir ein bisschen Freude über diese Entwicklung wünschen, auch wenn es Ihnen schwer fällt; übrigens kann man gelegentlich auch ein wenig Leidenschaft gebrauchen. ({37}) Ein wenig Leidenschaft angesichts der Leistungen der Menschen in Deutschland kann nicht so schlecht sein. Vielleicht kommen Sie damit nachher ja rüber. Ich würde mich darüber jedenfalls freuen. Ich höre auch genau zu; das verspreche ich Ihnen. Nicht alleine die Nachfrageseite haben wir verbessert, sondern auch die Unternehmensteuern kräftig gesenkt. Sonst hätten Sie ja nicht geholfen. Es ist eine Mär, dass wir nur etwas für die großen Kapitalgesellschaften gemacht haben. Diese höre ich immer wieder insbesondere von Herrn Glos; er hat zu Zeiten, in denen sich die PDS von Karl Marx abwendet, ({38}) sein antikapitalistisches Herz entdeckt und beginnt von ihm zu lernen. ({39}) Damit wird eine völlig neue Form der Programmdebatte in der CDU/CSU kreiert. Ich bin einmal gespannt, inwieweit das in Ihrer Partei Schule macht. Spaß beiseite. Wir haben, meine Damen und Herren, keineswegs nur etwas für die Großen gemacht, aber natürlich wegen des verschärften internationalen Wettbewerbs auch etwas für diese. Denn das ist kein Pappenstiel. Sie zahlen jetzt 25 Prozent Körperschaftsteuer. Das haben wir gemacht, damit die deutsche Wirtschaft bei der Eroberung von Märkten konkurrenzfähig bleibt. ({40}) Das internationale Geschäft, Herr Kollege Claus, ist nämlich wirklich hart. Wenn Sie sich damit näher beschäftigten, werden Sie merken, dass das nicht so einfach ist. ({41}) Wir tun das, weil möglichst hohe Marktanteile für Firmen in Deutschland Arbeitsplätze für unsere Menschen nach sich ziehen. Dieser Zusammenhang liegt dem zugrunde. Wir wollen dabei behilflich sein. 25 Prozent sind im internationalen Vergleich eine Menge, die sich wahrlich sehen lassen kann. Hinzu kommen - das ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich und darauf haben wir keinen Einfluss - im Durchschnitt 12 bis 13 Prozent Gewerbeertragsteuer. Diese 38 Prozent - das muss man endlich einmal in die Köpfe bekommen - nennt der Finanzminister Definitivbesteuerung. Das heißt, dieses Geld ist abzuliefern. Dagegen gibt es beim Mittelstand eine Einkommensbesteuerung. Sie setzen sich zu Recht für den Mittelstand ein; das wäre aber gar nicht nötig, weil wir ihn bei unserer Steuerreform berücksichtigt haben. ({42}) Diese Einkommensbesteuerung ist eine Grenzbesteuerung, wie Sie - insbesondere gilt das für Herrn Merz genau wissen. Das bedeutet, dass nicht schon von der ersten Mark an Steuern zu zahlen sind. Wir haben die Bundeskanzler Gerhard Schröder Steuerreform so konstruiert, dass mit ihr ein Traum des Mittelstandes in Erfüllung gehen konnte. ({43}) - Natürlich ist das so. Sie haben ja keine Ahnung von dem, was sich da vollzieht. Das ist Ihr Problem. ({44}) Es ist also ein Traum der mittelständischen Unternehmen in Erfüllung gegangen, dass die faktische Abschaffung der Gewerbeertragsteuer realisiert worden ist. ({45}) Der Unterschied zwischen uns ist: Sie haben Jahrzehnte darüber geredet, aber wir haben es gemacht. ({46}) Ich bestreite überhaupt nicht, dass es nicht einfach war. Ich mache jetzt noch eine Bemerkung zur Rente, weil sie zu dem Paket gehört, das in der Zukunft seine Wirkungen entfalten wird. Ich habe schon deutlich gemacht, dass wir in dieser Legislaturperiode im Deutschen Bundestag bei der Rente eine zentrale Aufgabe zu erfüllen haben. Sie werden es erleben - da bin ich ganz sicher -, dass ich fest mit der Koalition rechnen kann. ({47}) Wir müssen die Rente für die Alten so sicher wie möglich machen und für die Jungen bezahlbar halten. Angesichts der demographischen Entwicklung und der veränderten Arbeitsbiographien in unserem Land, die sich von den Biographien vor 20 Jahren unterscheiden, geht kein Weg daran vorbei, dass wir die umlagefinanzierte Rente zwar nicht ersetzen, aber doch ergänzen. Wir müssen also das aufbauen, was man private Vorsorge oder auch Kapitaldeckung nennt. Das ist der Kern dessen, was wir wirklich schaffen müssen. Ich sage an alle, die sich mit den Einzelheiten gelegentlich kritisch beschäftigen und insbesondere an alle Skeptiker in der Koalition: Der Kern der Rentenreform ist der Aufbau einer kapitalgedeckten Altersvorsorge. Das muss uns gelingen. Über die Einzelheiten kann man mit der Opposition, mit den Verbänden und den gesellschaftlichen Gruppen diskutieren. Man darf aber nicht - mit welchen Argument auch immer - vor der Einsicht flüchten, dass dieser Kern notwendig ist. ({48}) Wir brauchen diese Reform in Deutschland, wenn wir über die hinreichende Sicherheit für die Alten und die Bezahlbarkeit für die Jungen nicht nur sprechen, sondern sie wirklich erreichen wollen. Mir geht es auch und gerade in dieser Frage um das Machen. ({49}) Wenn man einen Strich zieht, kann man sagen, dass jeder Versuch der Opposition, eine andere Lage als die eben mit doch nüchternen Zahlen skizzierte zu beschreiben, ein bisschen beleidigend für unser Land und für die Menschen ist, die diese Leistungen erbracht haben. ({50}) - Es ist beleidigend; so ist es. - Das bedauere ich, weil eine Opposition, die ihre Verantwortung wahrnimmt, zwar die Regierung kritisieren sollte, aber doch nicht das Land permanent schlechtreden darf. Das ist doch nicht in Ordnung! ({51}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang ein schwieriges Problem ansprechen, nämlich die Frage, wie wir mit den BSE-Fällen in Deutschland in Zukunft umgehen werden. Ich bin dankbar dafür - so sieht es im Moment aus -, dass alle Fraktionen des Hohen Hauses der Meinung sind: Wir müssen in dieser Woche eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass Tiermehl nicht mehr verfüttert wird. Es soll nicht nur an Wiederkäuer nicht verfüttert werden - das ist schon seit 1994 der Fall - , sondern es soll ganz aus der Nahrungskette herausgenommen werden. Das ist ein wichtiger Fortschritt. ({52}) Ich erbitte die Unterstützung des ganzen Hauses - ich sage das ohne Einschränkung; die Opposition ist eingeschlossen, sie gehört ja dazu - für unsere Bemühungen. Nach dem, was man aus anderen Ländern hört, scheint es zu gelingen, entsprechende Regelungen europaweit in Kraft zu setzen. Angesichts der offenen Grenzen können diese Regelungen nur funktionieren, wenn man sie europaweit durchsetzt. Wir haben darüber hinaus Maßnahmen eingeleitet - ich denke, auch darüber besteht in diesem Hause Einigkeit -, die sicherstellen, dass die Schnelltests, die zur Entdeckung der Krankheit in Deutschland geführt haben, massiv ausgeweitet werden, sodass wir den Verbrauchern sagen können, was auf sie zukommt und was nicht. Ich will an das anknüpfen, was schon heute Morgen diskutiert worden ist, übrigens auch an das, was Sie, Herr Glos, gesagt haben. Ich weiß nicht, ob diese Sache in allen Einzelheiten so durchgeführt worden ist. Es gibt zum Beispiel in Bayern Ketten - solche Ketten gibt es nicht nur in Bayern, sondern auch in anderen Ländern ({53}) - es gibt sie ebenso in Niedersachsen, aber auch in BadenWürttemberg, das ist ja keine Frage; ({54}) wir sollten da nicht streiten, sondern sich vielleicht eine sinnvolle Konkurrenz, wer es besser macht, entfalten lassen - einer lückenlosen Verfolgbarkeit des Produkts Fleisch bis hin zum Erzeuger, und es gibt Formen der Bundeskanzler Gerhard Schröder Vertragslandwirtschaft - der Landwirtschaftsminister hat darüber gesprochen -, die das sicherstellen. Wer immer in der Vergangenheit Schuldzuweisungen machen wollte oder in der Gegenwart welche machen will, geht nicht richtig auf die Ängste der Verbraucher ein. Es ist notwendig, dass wir die eben dargestellten Maßnahmen durchführen. Außerdem müssen wir eine Landwirtschaftspolitik einleiten, die auf genau dieser Basis beruht. Wenn wir hier im Deutschen Bundestag klarmachen, dass das der feste Wille des ganzen deutschen Parlaments ist, sollte uns das auch gelingen. Wir könnten damit auf der einen Seite ein Beispiel in und für Europa geben und auf der anderen Seite wirklich eine Perspektive für unsere bäuerlichen Unternehmer schaffen und etwas gegen ihre Existenznot tun. Diese wiederum müssten und könnten dann eine Form von Produktion und Vermarktung schaffen, die diese Kontrollierbarkeit für die Verbraucher erlaubt. Dann kann der eine seinen Leberkäs und der andere seine Currywurst wieder ohne Ängste verzehren. ({55}) Aber wenn wir den Fehler machen, es jetzt bei der Aufdeckung und Bekämpfung der aufgetretenen Krankheiten und Missstände zu belassen, statt daraus eine Perspektive für eine andere, verbraucherfreundlichere Landwirtschaft zu entwickeln, also weg von den Agrarfabriken zu kommen, werden wir das nie mehr schaffen. ({56}) Ich bin im Übrigen froh darüber, dass wir nicht nur mit der Steuer- und Konsolidierungspolitik Maßstäbe haben setzen können - übrigens stark beachtet in Europa und über Europa hinaus -, sondern dass wir durch die Art und Weise, wie wir mit - wie hat Herr Eichel das genannt? dem Zufallsfund der UMTS-Lizenzen umgegangen sind, in doppelter Hinsicht Verantwortung für künftige Generationen bewiesen haben. Zum einen haben wir die Schulden um 100 Milliarden DM abgebaut. Das ist kein Pappenstiel. Außerdem können wir durch das aus den reduzierten Zinslasten gewonnene Geld zunächst für drei Jahre nachhaltig Zukunftsinvestitionen finanzieren. Wir tun das. Über die Bahn ist schon gesprochen worden: Wir werden in den nächsten drei Jahren jährlich 2 Milliarden DM zusätzlich - ich unterstreiche „zusätzlich“ - investieren. Ich hoffe, es besteht hier und in dem entsprechenden Ausschuss Einigkeit darüber, dass sie nicht zur Lösung bestehender betriebswirtschaftlicher Probleme genutzt werden können, sondern investiert werden müssen. Ich finde, das sollte für uns alle klar sein. ({57}) Zum anderen haben wir das Thema Straße nicht vernachlässigt. Wenn ich es richtig im Kopf habe, investieren wir in den nächsten Jahren dreimal 900 Millionen DM. Auch das ist kein Pappenstiel. Diese Investitionen erfolgen zusätzlich zu den Investitionen, die ohnehin im Bundesverkehrswegeplan stehen. Das zeigt ebenfalls, dass wir Verantwortung für die Infrastruktur, die ja auch zukunftsträchtig ist, wahrnehmen. ({58}) Dann gibt es noch etwas, auf das die Bildungs- und Forschungsministerin wirklich stolz sein kann. Wir haben nicht nur - so viel zum Punkt Gerechtigkeit; ich weiß, worüber ich in diesem Zusammenhang spreche - jungen Leuten aus ärmeren Familien geholfen, studieren zu können, sondern wir haben wirklich massiv mehr Geld gegeben, damit der Anteil derer aus Arbeitnehmerfamilien, die in materieller Hinsicht nicht die Möglichkeit haben, Deutschlands hohe und höchste Schulen zu besuchen, wieder steigt. Das ist wichtig. ({59}) Meine Damen und Herren, wir brauchen das übrigens nicht nur unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit. - Auch das! Das wird ewig so bleiben; mir ist das ein Herzensanliegen. - Wir brauchen dies vielmehr auch aus purer ökonomischer Vernunft. Ein hoch entwickeltes Land wie das unsere, dessen Produktion immer mehr auf Wissen basiert und basieren wird, kann es sich buchstäblich nicht leisten, eine einzige Begabung in unserem Volk unausgeschöpft zu lassen. Das gilt übrigens allemal auch für Frauen; das will ich hier sehr deutlich betonen. ({60}) Wir haben nicht nur das getan, sondern auch massiv in die Hochschulen und in Forschungsbereiche investiert, die mit über unsere Zukunftsfähigkeit entscheiden. Ich meine zum Beispiel das sehr schwierige Gebiet der Genomforschung. Es ist nicht meine Sache, hierzu einen Vorschlag zu machen. Aber ich würde mir wünschen, dass wir hier im Deutschen Bundestag, bevor wir zu Lösungen kommen, was diese einerseits unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten, aber andererseits auch sehr stark unter ethischen Gesichtspunkten zu beurteilende Frage angeht, eine Diskussion führen, die diesem Thema gerecht wird. Ich habe zum Beispiel in Amerika und England ganz unterschiedliche Ansätze wahrgenommen. Die Franzosen haben jetzt angekündigt, sie würden ein neues Gesetz machen. Frau Fischer arbeitet an Eckpunkten. Ich wünsche mir wirklich, dass das Parlament die Stunde nutzt, über dieses Thema, das sich sehr stark parteipolitischen Festlegungen entzieht - denn ethische Gesichtspunkte spielen in diesem Zusammenhang eine große Rolle -, wirklich intensiv zu sprechen. ({61}) Dies würde ich mir deshalb wünschen, weil es wirklich schwierig ist, auf diesem Gebiet eine feste Position zu haben, die auch einer breiten Diskussion zugänglich ist. Dieser Bereich ist sehr stark zum Ersten mit wirtschaftlichen Erwartungen, zum Zweiten mit Emotionen, was die Chance, schwere Krankheiten zu heilen, angeht und zum Bundeskanzler Gerhard Schröder Dritten, wie gesagt, mit prinzipiellen ethischen Fragen belastet. Ich glaube daher, dass diese drei Punkte im Mittelpunkt einer verantwortungsbewussten parlamentarischen Debatte stehen sollten. Wir werden sicher die Gelegenheit haben - wir werden sie uns nehmen müssen -, über diese Fragen hier miteinander zu diskutieren. Dass in diesem Bereich jetzt die Forschungsaufwendungen dramatisch erhöht werden, finde ich richtig. Dies muss aber durch die von mir soeben skizzierte Form der Auseinandersetzung begleitet werden. Meine Damen und Herren, ich habe gehört - lassen Sie mich zu meinen letzten beiden Punkten kommen -, dass der Oppositionsführer Herr Merz heute Morgen angekündigt hat, er wolle sich besonders mit den Fragen des Arbeitsmarktes auseinander setzen. ({62}) - Das ist schon okay; denn das ist eine wirklich ernsthafte Geschichte. - Ich will Ihnen die drei Punkte nennen, die wir gemacht haben und noch machen werden, und ich möchte, dass wir darüber in unserer Gesellschaft eine wirkliche Diskussion führen. Worum geht es bei den Fragen, die mit dem Beschäftigungsförderungsgesetz, mit der Teilzeitregelung und mit dem Betriebsverfassungsgesetz verbunden sind? Es geht uns dabei um das, was man einmal aus guten Gründen stolz das „Modell Deutschland“ genannt hat - es war richtig, das so zu nennen -, ein Modell der Industriegesellschaft also, das auf zwei Grundpfeilern ruht: zum einen auf der wirtschaftlichen Leistungskraft und zum anderen auf der Teilhabe aller in der Gesellschaft, an den Entscheidungen der Gesellschaft, aber auch an den materiellen Verdiensten der Gesellschaft, also Teilhabe in einem umfassenden Sinne. Philip Rosenthal, ein großer alter Mann der deutschen Sozialdemokratie, hat einmal gesagt: Worum es geht, ist die Teilhabe der breiten Schichten der arbeitenden Bevölkerung am Haben und am Sagen in der Gesellschaft. ({63}) Vielleicht unterscheidet uns das ja; vielleicht trennen sich da unsere Wege. Es wäre ein Stück Klarheit für die Wahlbevölkerung in Deutschland, wenn das so wäre. Dieses Prinzip der Teilhabe am Haben und am Sagen für die arbeitenden Schichten in unserem Volk ist für die deutsche Sozialdemokratie, Gott sei Dank auch für die ganze Koalition, unaufgebbar. ({64}) Nun geht es aber nicht darum, einfach festzuhalten am Überkommenen. Ich denke, wir haben deutlich gemacht, dass das nicht die Form ist, in der wir mit diesem Prinzip umgehen. Nein, es geht darum, in der jeweiligen historischen Situation die Veränderungen an der ökonomischen Basis zur Kenntnis zu nehmen, zu bestimmen, was das in unserer augenblicklichen Situation denn heißt: Teilhabe am Haben und am Sagen. Damit bin ich bei den drei Punkten, die ich Ihnen, Herr Merz, für die Debatte ganz klar sagen wollte. Erster Punkt: Beschäftigungsförderungsgesetz. Sie werden sich erinnern: Sie haben das gemacht, und Sie haben es befristet bis zum 31. Dezember dieses Jahres. Sie haben es befristet - damals vielleicht auf Druck der Opposition -, um im damaligen Bündnis für Arbeit, das es ja noch gab, den Gewerkschaften etwas entgegenzukommen. So war das doch wohl. Sie haben es befristet. Wenn wir nichts gemacht hätten, wäre das Gesetz sang- und klanglos ausgelaufen. Nun ging es für uns darum - immer das Stichwort Teilhabe im Hinterkopf -, dafür zu sorgen, dass die notwendige Flexibilität, die die Unternehmen brauchen bei der Befristung von Arbeitsverträgen, übereinkommt - Herr Glos, ich nehme Ihnen ja ab, dass Sie sich wirklich Sorgen machen um die kleinen Leute; die Kleinen sind ja meistens die ganz Großen - mit jenem Maß an Sicherheit und an Planbarkeit ihres Lebens und des Lebens ihrer Familien, auf das die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch angewiesen sind. Wir werden nicht zulassen, dass die deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter dem Stichwort Flexibilität zu einer fungiblen Menge werden. Das lassen wir nicht zu. ({65}) Deswegen sagen wir: Die Veränderungen in der Arbeitswelt erfordern befristete Einstellungen. Wir haben sogar - gegen den Rat der Freunde in den Gewerkschaften; Sie können sich vorstellen, das war nicht so ganz einfach gesagt: Wir machen das unbefristet und wir machen es viermal sechs Monate. Aber eine Übung, die eingerissen war, dass man zunächst jemanden mit einem sachlichen Grund, eine Krankheitsvertretung zum Beispiel, befristet einstellt und danach das Spiel mit den viermal sechs Monaten beginnen lässt, ist ein Verstoß gegen das notwendige Maß an Sicherheit, das die Beschäftigten nun einmal brauchen. Das können Sie auch nicht wollen, meine Damen und Herren. ({66}) Ich will nicht pathetisch oder zu leidenschaftlich werden. ({67}) Aber die Würde des Menschen ist eine Kategorie, die auch in der Arbeitswelt zu gelten hat, damit das völlig klar ist. ({68}) Zweitens: Teilzeitarbeit. Jeder in diesem Haus, der sich über Wirtschaftspolitik verbreitet hat, hat schon über die Notwendigkeit der Ausweitung der Teilzeitarbeit geredet, ({69}) übrigens nicht nur, aber auch und vor allem der Tatsache wegen, dass insbesondere Frauen dies wollen und darauf angewiesen sind. Was haben wir gemacht? Wir haben geBundeskanzler Gerhard Schröder sagt: Wir wollen darüber nicht nur reden, sondern wir wollen etwas dafür tun. Also geben wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das wünschen, einen Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit gegenüber dem Arbeitgeber. Nun ist klar, dass es Gründe geben kann und häufig gibt - sonst hätten wir im Vergleich zu den Holländern ja nicht so wenig Teilzeitarbeit -, wonach das im Betrieb nicht möglich ist. Das gibt es, das ist doch gar keine Frage. Was haben wir dann gemacht? Wir haben wieder einen sinnvollen Ausgleich zwischen den Interessen des einen und des anderen gefunden, indem wir gesagt haben: Wenn das nicht geht, dann muss der Arbeitgeber in der Lage sein, aus betrieblichen Gründen, ohne etwas davor oder danach, diesen Wunsch zurückzuweisen. ({70}) - Es sind immer unbestimmte Rechtsbegriffe, das lässt sich nun einmal nicht ändern. Es gibt im Übrigen seit langem eine ausgereifte Kasuistik in der Rechtsprechung. Damit können Sie sich ja einmal beschäftigen. Das ist ein sinnvoller Ausgleich zwischen den Interessen der Arbeitnehmerinnen - um die jetzt einmal zu nennen -, Teilzeitarbeit machen zu können, und den Interessen des Betriebes, wenn es nicht geht, auch Nein zu sagen. Ich weiß nicht, was man dagegen haben kann, meine Damen und Herren. ({71}) Exakt nach diesem Prinzip - seien Sie sich dessen sicher - werden wir auch beim Betriebsverfassungsgesetz verfahren. Die Arbeitswelt hat sich in den letzten 25 Jahren verändert. Deshalb macht es Sinn, darauf zu reagieren. ({72}) - Es geht hier nicht um Beruhigung, sondern um vernünftige Regelungen. Es reicht bei Ihnen allerdings nicht dazu, dass einzusehen. ({73}) Das ist es, was wir im Bereich des Arbeitsmarktes vorhaben; Teile davon haben wir schon umgesetzt. Es geht um einen sinnvollen Ausgleich zwischen den Interessen der Wirtschaft an Flexibilität und den Interessen der arbeitenden Menschen an Sicherheit und damit Planbarkeit für sich selber und ihre Familien. Es kann doch nicht angehen, dass Leute fordern, die Menschen in Deutschland, die jeden Tag zur Arbeit in die Fabriken, in die Dienstleistungszentren gehen und dort ihre Pflicht tun, einfach dem Prinzip auszusetzen: heute geheuert, morgen gefeuert. ({74}) Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang will ich noch etwas zum Bündnis für Arbeit sagen. Von manch einem bin ich über die Art und Weise enttäuscht, wie er mit diesem Bündnis umgeht. ({75}) Das betrifft alle beteiligten Parteien. Man kann ein Bündnis für Arbeit nicht immer nur dann gut finden, wenn man gerade die eigenen Interessen realisieren kann. Das Bündnis ist ein Instrument zur Konsensfindung in Situationen und zwischen Parteien, die nicht von vornherein auf einen Konsens ausgerichtet sind. Natürlich freuen wir uns zu Recht darüber - ich habe mich auch gefreut -, dass es nicht zuletzt durch das Bündnis erreicht werden konnte, dass wir eine Reihe von wirtschaftspolitischen Maßnahmen mit Zustimmung aus der Gesellschaft haben durchsetzen können, dass es in diesem Jahr Tarifvereinbarungen gegeben hat, die ihre wirtschaftliche Vernunft auf der Stirn getragen haben. Das hat mit dem Bündnis für Arbeit zu tun. Dann aber kann man doch vernünftigerweise nicht sagen: Wenn ihr jetzt einen Ausgleich im Sinne einer Teilhabe auf der anderen Seite schafft - der im Übrigen den Interessen der Gesamtwirtschaft entspricht -, dann ziehen wir uns zurück. Das kann nicht sein. ({76}) Durch das Bündnis ist eine Menge erreicht worden; aber es steht auch noch eine Menge bevor. Ich denke zum Beispiel an den Ausbildungskonsens. Ich weiß, dass es bei den jungen Leuten im Osten noch große Schwierigkeiten gibt. Aber wir haben zum ersten Mal seit sehr langer Zeit erreicht - das freut mich von ganzem Herzen -, dass die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze in ganz Deutschland - regionale Unterschiede zugestanden - die Zahl der nachgefragten Ausbildungsplätze wieder deutlich übersteigt. Das ist doch ein Fortschritt. ({77}) Wir alle haben mit bedrückten Mienen hier oder in den Wahlkreisen gesessen, wenn wir gehört haben, wie die Ausbildungsnot an den Jugendlichen nagt. Nun haben wir ein wenig erreicht. Darüber sollten wir uns freuen. ({78}) Abschließend will ich etwas zu einer Diskussion sagen, von der ich nicht weiß, ob ich sie richtig mitbekommen habe. Es handelt sich um die Diskussion über Zuwanderung auf der einen Seite und über angeblich vaterlandslose Gesellen auf der anderen Seite. ({79}) Worum geht es? Ich will hier keine neue Debatte über den Begriff der Leitkultur beginnen. Dazu hat Herr Struck heute Morgen das Notwendige gesagt. Mittlerweile hat auch jeder bemerkt, dass dieser Begriff missverständlich war. ({80}) - Herr Merz, ich werfe Ihnen das nicht vor. Es ist ein missverständlicher Begriff. Ich unterstelle Ihnen nicht, dass Sie ihn haben denunziatorisch gebrauchen wollen. Sie sollten aber sagen, dass Sie sich vergaloppiert haben. Sagen Sie: Dieser Begriff kann diese Wirkung entfalten. Bundeskanzler Gerhard Schröder Weg damit! - Das wäre eine sinnvolle Art und Weise des Umgangs. ({81}) Es besteht inzwischen im ganzen Haus Konsens darüber, dass wir eine gesteuerte Zuwanderung brauchen. Unsere Vorstellungen von Selbstachtung gebieten es, dass wir Flüchtlingen unabhängig davon Zuflucht gewähren. ({82}) Dies hat nach meiner Auffassung gar nichts mit Image zu tun - vielleicht hilft das -, auch nicht nur mit formalen Rechten. Dies hat etwas mit der Art und Weise zu tun, wie man in diesem Land mit sich selbst umgeht, wie ernst wir jene zivilisatorischen Fortschritte nehmen, die wir alle zusammen seit der Überwindung des Faschismus gemacht haben. Deswegen sage ich: Asyl hat etwas mit unserer Selbstachtung zu tun. ({83}) Für diejenigen, die wir wollen und die bei uns leben und arbeiten, gelten drei ganz einfache Grundsätze. Erstens. Unsere Verfassung, das Grundgesetz, ist das in eine juristische Form gegossene Erbe der europäischen Aufklärung, keineswegs nur der deutschen. ({84}) Die Normen und die Wertvorstellungen, die dem Grundgesetz zugrunde liegen, hat jeder, der bei uns leben will, zu achten, zu respektieren und einzuhalten - keine Frage. Das gilt aber für alle, nicht nur für Ausländer, sondern auch für Deutsche. ({85}) Die nun wirklich erhabenste Norm ist der Art. 1 des Grundgesetzes. Dort steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. ({86}) Vor dem Wort „Menschen“ steht kein Eigenschaftswort. ({87}) Ich denke, darüber sind wir uns in diesem Haus einig: Pöbelnde Banden, die Ausländer durch die Straßen treiben, verstoßen gegen diese Würde des Menschen, und zwar eindeutig. ({88}) Zweitens. Demokratisch zustande gekommene Gesetze sind einzuhalten. Das gilt für alle, für Deutsche wie Ausländer, aber natürlich auch für Ausländer, die hier leben und arbeiten wollen. Drittens. Ich gehöre zu denjenigen, die sagen - das mag umstritten sein -, die deutsche Sprache sollte gelernt werden. ({89}) Das sage ich, nicht, weil ich jemandem etwas aufdrängen möchte, weil ich ihm irgendwelche kulturellen Verpflichtungen auferlegen möchte. Das ist nicht mein Argument. Nein, es ist schlicht ein Erfordernis einer geglückten Integration, dass man die Sprache des Landes, in dem man lebt, auch beherrscht. ({90}) Wir sollten uns, was das Zusammenleben zwischen Deutschen und Nichtdeutschen angeht, ganz nüchtern auf diese drei Begrifflichkeiten und das, was daraus folgt, beschränken. Dann brauchen wir keine Überhöhung dessen, was ich eben auszudrücken versucht habe; ({91}) denn jede Überhöhung ist missverständlich und ist ja auch missverstanden worden. ({92}) Ich glaube jüngst mitbekommen zu haben, dass wir hier eine neue Debatte bekommen sollen - die Vorsitzende der Union hat das gelegentlich von sich gegeben über die Frage, wer nun ein vaterlandsloser Geselle oder eine vaterlandslose Gesellin ist und wer nicht. Ich kann Ihnen Folgendes sagen: Ich warne vor dieser Diskussion, vor dieser denunziatorischen Debatte; ({93}) denn das wird auf Sie zurückfallen, Frau Merkel. ({94}) Ich will Ihnen dazu einmal etwas sagen: Zu einem Zeitpunkt, als der deutsche Konservativismus ({95}) zuallererst den Verführungen der Nationalisten erlegen ist, haben Sozialdemokraten gelitten, gekämpft und sind im Kampf gegen die Faschisten gestorben. Eines muss ich Ihnen in aller Deutlichkeit sagen: Eine Partei - meine Partei - mit diesen Traditionen verbittet es sich ein für alle Mal, Belehrungen dieser Art speziell von den deutschen Konservativen zur Kenntnis zu nehmen. ({96}) Bundeskanzler Gerhard Schröder Was hier betrieben werden soll -, entweder aus historischer Unkenntnis oder aus politischer Dreistigkeit - ist die Spaltung unserer Gesellschaft. Dies wird mit Sozialdemokraten nicht zu machen sein. ({97}) - Man merkt Ihr schlechtes Gewissen. ({98}) Oder haben Sie noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen? Es wäre noch schlimmer, wenn Sie noch nicht einmal das hätten. ({99}) Denken Sie noch einmal in Ruhe darüber nach! Ich sage Ihnen ohne alle Aufregung: Was dieses Land braucht, sind doch nicht Ihre verquasten Vorstellungen von Leitkultur oder Ähnlichem. Was dieses Land braucht, ist ein Mehr an Internationalität und Modernität. Dafür steht diese Koalition - heute, morgen und mit ganz großer Sicherheit weit über das Jahr 2000 hinaus. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({100})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Friedrich Merz, das Wort.

Friedrich Merz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002735, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, Sie haben es für richtig gehalten, nach Ihrer ansonsten sehr ruhigen und sachorientierten Rede zum Schluss eben doch wieder zu spalten. ({0}) Ihre sehr auf Ausgleich und die Sachpolitik ausgerichtete Rede haben Sie dazu benutzt, zum Schluss wieder sehr stark parteipolitisch-emotional zu werden. ({1}) - Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören. Deswegen will ich zu Beginn, bevor ich auf die einzelnen Themen zu sprechen komme, in aller Ruhe, aber auch in aller Klarheit und Deutlichkeit auf Folgendes hinweisen: Erstens. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sitzen nicht die deutschen Konservativen, sondern die deutschen Christdemokraten - die Christlich-Demokratische und die Christlich-Soziale Union - als Parteien der Mitte und nicht der Rechten. ({2}) Zweitens. Es hat genauso großartige Frauen und Männer der deutschen Sozialdemokraten gegeben wie großartige Frauen und Männer unter den Christdemokraten. Hier in Berlin ist vor mehr als 50 Jahren die Christlich-Demokratische Union von Frauen und Männern gegründet worden, die zum Teil wenige Tage zuvor aus den Konzentrationslagern der Nazis entlassen worden waren. ({3}) Es hat in den 70er-Jahren einen vergleichbaren Vorfall gegeben, als der damalige Bundesfinanzminister Alex Möller im Deutschen Bundestag, damals noch in Bonn, die Union auch in die geistige Nähe der Nationalsozialisten gerückt hat. ({4}) - Herr Präsident, ich denke, dass der Zwischenruf des Kollegen Stiegler - den Sie vielleicht nicht gehört haben und den auch die Fernsehzuschauer nicht hören konnten -, der auf meinen Hinweis, was in den 70er-Jahren mit Herrn Möller passiert ist, mit den Worten: „Recht hat er!“ geantwortet hat, in ausreichender Weise vom Präsidium des Deutschen Bundestages gewürdigt werden muss. Das erwarte ich von Ihnen. ({5}) Dieses Land hätte nicht auf eine erfolgreiche 50-jährige Geschichte in Frieden und Freiheit zurückblicken können, wenn es nicht Christdemokraten und Sozialdemokraten gewesen wären, die aus den Erfahrungen der wirklich schrecklichsten Jahre der Geschichte unseres Landes gelernt und hier eine stabile Demokratie aufgebaut hätten. Sie hätten gut daran getan, dieses nicht, zumindest zwischen den Zeilen, mit Ihren Worten infrage zu stellen. ({6}) Bevor ich zur Wirtschafts-, Finanz-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik komme, will ich vorab zwei Themen aufgreifen, die Sie angesprochen haben und die eine kurze Erwiderung erfordern. Sie haben angeboten, in den nächsten Monaten miteinander über die sehr schwierigen Fragen zu sprechen, die mit der Erforschung des menschlichen Genoms zusammenhängen, und dies zum Gegenstand einer Aussprache im Deutschen Bundestag zu machen. Ich begrüße das und hoffe, dass wir Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, bevor die Bundesregierung entsprechende rechtliche Regelungen auf den Weg bringt. Ich würde es auch begrüßen, Herr Bundeskanzler, wenn Sie die Ankündigung, darüber zu sprechen, nicht nur bei Anwesenheit des Fernsehens machten, sondern auch zu einer Zeit, in der das Fernsehen vielleicht nicht dabei ist und Sie selbst im Deutschen Bundestag anwesend sind. ({7}) Bundeskanzler Gerhard Schröder Sie haben auch ein Problem angesprochen, das die Menschen in diesem Land in diesen Tagen besonders beschäftigt und bewegt, nämlich die BSE-Krise und die Konsequenzen für die menschliche Ernährung und die Gesundheit. Ich gebe Ihnen gerne die Zusage, dass wir in dieser Woche mit Ihnen zusammen alles tun werden, damit so schnell wie möglich ein größtmögliches Maß an Verbraucherschutz sichergestellt bzw. dort wieder hergestellt wird, wo es möglicherweise angezweifelt wird. Ich bitte Sie in diesem Zusammenhang aber auch darum, dass die Bundesregierung jede Anstrengung zur Erforschung der Zusammenhänge unternimmt, die mit dieser Erkrankung einhergehen, und dass sie im Bundeshaushalt, den wir hier zu verabschieden haben, entsprechende Maßnahmen ergreift. Herr Bundeskanzler, wir erwarten von Ihnen ebenfalls, dass die Bundesregierung entgegen ihrer bisherigen Gewohnheit auch den Landwirten in der Bundesrepublik Deutschland eine angemessene Hilfe für die Ausfälle zukommen lässt, die sie in diesen Tagen und Wochen haben. ({8}) Wir dürfen die Landwirte, die zum Teil in einer existenzbedrohenden Lage sind und die gerade in diesen Tagen und Wochen weiter in Schwierigkeiten geraten, nicht alleine lassen. Sie geraten nicht in Schwierigkeiten, weil sie die industrielle Produktion gewollt haben, sondern weil die Politik die Rahmenbedingungen so geschaffen hat, dass es nicht mehr anders ging. ({9}) Wir sind alle daran beteiligt. Machen Sie hier keine einseitigen Schuldzuweisungen! (Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nicht! Wir sind daran nicht beteiligt, Herr Merz! - Kerstin Müller ({10}) Wir alle haben es zu verantworten, dass sich die Agrarpolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten in diese Richtung entwickelt hat. Lassen Sie uns darüber reden, wie wir das korrigieren können! In der aktuellen Lage aber haben die Landwirte Anspruch darauf, dass wir sie nicht alleine lassen. ({11}) Ich komme nun zu den eigentlichen Themen, die diese Debatte bestimmen sollen: dem Bundeshaushalt, der Wirtschaftspolitik, der Arbeitsmarktpolitik und der Sozialpolitik. Herr Bundeskanzler, damit sich in der öffentlichen Wahrnehmung keine falschen Eindrücke festsetzen: In diesem Jahr hat die Bundesregierung - ich sage das mit Leidenschaft und Freude - ein wirtschaftliches Wachstum zu verzeichnen, das genauso hoch ist wie das Wachstum im letzten Jahr der Regierung der alten Koalition. Ich beglückwünsche Sie dazu, dass Sie im zweiten Jahr Ihrer Regierungstätigkeit das Wachstum wieder erreicht haben, das Sie vorgefunden hatten, als Sie 1998 gewählt worden sind. ({12}) Wir freuen uns mit Ihnen darüber. Den Wachstumseinbruch in Deutschland hat es nach Ihrer Regierungsübernahme gegeben. ({13}) Ich habe ein relativ gutes Zahlengedächtnis: ({14}) Wir hatten in Deutschland im Jahre 1999 ein wirtschaftliches Wachstum von 1,4 Prozent. Damit war Deutschland in Bezug auf das wirtschaftliche Wachstum im ersten Jahr Ihrer Regierungstätigkeit das Schlusslicht aller elf EuroTeilnehmerstaaten. Bei aller Freude darüber, dass das in diesem Jahr besser ist, sage ich: Auch im Jahre 2000 gehören wir zum letzten Drittel der elf Euro-Teilnehmerstaaten. Deutschland ist in diesem Bereich also nicht an die Spitze Europas gerückt, sondern im Geleitzug der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union wieder ein Stück weit nach vorne gekommen. Herr Bundeskanzler, der Trick funktioniert immer wieder: Kritik an der Bundesregierung ist Kritik am Volk ({15}) und weil man das Volk nicht kritisieren darf, darf man auch die Bundesregierung nicht kritisieren. Eine solche Arbeitsteilung machen wir aber nicht mit. ({16}) Unser Land nutzt zurzeit seine Chancen nicht ausreichend, weil es nicht die Bundesregierung hat, die es verdient hat. Darüber muss man reden, aber auch streiten dürfen. ({17}) Deswegen will ich auch darauf hinweisen, dass das gegenwärtige wirtschaftliche Wachstum Deutschlands ganz überwiegend vom Export getragen wird. Der Export ist in den letzten Monaten deswegen so gut gelaufen, weil er weitgehend von der Schwäche des Euro profitiert. Darüber kann sich aber in Deutschland in Wahrheit niemand freuen, ({18}) da die Schwäche des Euro unsere starke Abhängigkeit vom Export und gleichzeitig die Schwäche der Binnenkonjunktur aufzeigt. Darüber muss nicht in Europa und nicht weltweit, sondern in Deutschland gesprochen und gestritten werden. ({19}) Warum haben wir in Deutschland nicht das Wachstum, das wir eigentlich haben könnten? Warum liegen wir nicht innerhalb Europas an der Spitze, so wie es übrigens bei Helmut Kohl fast in allen Jahren seiner Regierung - in den furchtbaren 16 Jahren, die Sie ständig beschreiben - gewesen ist? Die Bundesrepublik Deutschland hat in den 16 Jahren der Regierungszeit von Helmut Kohl fast immer an der Spitze gelegen, sie war fast immer die Wachstumslokomotive in Europa. Jetzt ist Deutschland zur Wachstumsbremse geworden. ({20}) Herr Bundeskanzler, hinsichtlich der Steuerpolitik, die Sie in rosaroten Farben geschildert haben, gestehe ich Ihnen zu, dass Sie mit dem, was im Juli verabschiedet worden ist, einen wichtigen Schritt getan haben. Die Tatsache, dass große Unternehmen, große Kapitalgesellschaften in Deutschland steuerlich entlastet werden müssen, bestreitet bei uns überhaupt niemand. Wir brauchen in diesem Land große Kapitalgesellschaften. Die Industriegeschichte der Bundesrepublik und der Welt ist von großen deutschen Unternehmen geschrieben worden. Wenn große deutsche Unternehmen fortbestehen wollen, brauchen sie eine steuerliche Entlastung, um im internationalen Bereich wettbewerbsfähig zu sein. Aber warum werden eigentlich nur die großen Unternehmen entlastet? Haben nicht auch die kleinen Unternehmen, die nicht im weltweiten, sondern im lokalen Wettbewerb stehen, Anspruch darauf, so entlastet zu werden, wie es die großen zum 1. Januar 2001 erfahren? ({21}) Reden Sie doch nicht darum herum! Warum machen Sie denn eine Steuerreform, die bis zum Jahre 2005 reicht? Warum werden die kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland erst im Jahr 2005 entlastet und die großen schon im Jahr 2001? ({22}) Das ist der entscheidende Vorwurf, den wir Ihnen machen: Sie fokussieren Ihre Wirtschaftspolitik auf die großen Einheiten, auf die großen Unternehmen. Wenn Sie das bestreiten, dann nehmen Sie die Lebenswirklichkeit in Deutschland tatsächlich nicht mehr wahr. ({23}) Die kleinen und mittleren Unternehmen stehen zum Teil mit dem Rücken an der Wand. Wenn am 1. Januar 2001 die dritte Stufe der Ökosteuer in Kraft tritt, dann wird dies - das bezieht sich insbesondere auf die Steuerpolitik, die Sie in Deutschland betreiben -, für viele Unternehmen gerade im Transportgewerbe das Aus bedeuten. ({24}) Ich will mit einem zweiten Märchen aufräumen. Die Behauptung, dies sei die größte Steuerreform aller Zeiten, was sich wie ein roter Faden durch sämtliche Ihrer Reden hindurchzieht, kann nur jemand aufstellen, der die jüngste Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in der Steuerpolitik nicht mehr in Erinnerung hat. In den 80er-Jahren hat der damalige Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg noch für die alte Bundesrepublik Deutschland mit einem Bruttoinlandsprodukt, das nur etwa zwei Drittel des Bruttoinlandsproduktes betrug, das wir heute in der wiedervereinigten Bundesrepublik Deutschland haben, eine Steuerreform gemacht, die in ihrem Umfang größer gewesen ist als das, was Sie jetzt auf fünf Jahre verteilt bis zum Jahre 2005 machen. ({25}) Übrigens: Diejenigen, die von Ihnen bis zum Jahr 2005 entlastet werden sollen, werden nur in einem einzigen Jahr, nämlich im nächsten Jahr, geringfügig entlastet. Ab dem Jahr 2002 wachsen die kleineren und mittleren Betriebe und die Privathaushalte wieder so weit in die Progression hinein, dass sie diese Steuerreform allesamt selber bezahlen. Das ist die Steuerpolitik dieser rot-grünen Bundesregierung. ({26}) Noch eine kurze Bemerkung zum Bundeshaushalt. Selbstverständlich bemühen Sie sich darum zu sparen. Wer wollte das nicht unterstützen und dort, wo es richtig und möglich ist, nicht auch lobend und voller Freude erwähnen? Aber glauben Sie nur nicht, dass die Leute ein so schlechtes Gedächtnis haben, dass keiner mehr weiß, dass der erste Haushalt, den Sie zu verantworten haben, nämlich der Haushalt, den Oskar Lafontaine eingebracht hat, gegenüber der Finanzplanung von Theo Waigel um 30 Milliarden DM aufgebläht gewesen ist! ({27}) Sie haben zunächst einmal die große Kelle herausgeholt und 30 Milliarden DM mehr ausgegeben und anschließend reden Sie in kleinen Schritten über das Sparen. Das ist keine Sparpolitik, meine Damen und Herren. ({28}) Herr Eichel, Sie verlassen sich bei Ihrem Haushalt nicht auf eine Neustrukturierung der Ausgaben, sondern Sie freuen sich über eine wesentlich höhere Einnahmenlage im öffentlichen Gesamthaushalt, insbesondere durch solche Einnahmen, für die Sie nicht nur nichts können, sondern deren Grundlagen Sie bis zur Regierungsübernahme massiv bekämpft haben. Das ist die Wahrheit. ({29}) Nun zum Arbeitsmarkt. Auch da haben Sie, Herr Bundeskranzler, die Lage beschrieben, sich jede Kritik verbeten und gesagt, darüber, dass es auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland aufwärts geht, könne man wahrlich nicht mehr streiten. ({30}) Ich freue mich - mit Ihnen - darüber, dass es in einigen Branchen in Deutschland, insbesondere in der Telekommunikations- und Informationstechnologie, eine größere Zahl von neuen Arbeitsplätzen gibt. ({31}) Aber die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt ist doch dadurch unvollständig beschrieben. Wie sieht denn die Wirklichkeit aus? ({32}) Die statistisch erfasste Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im Jahre 1998 wirklich zurückgegangen. Im Jahr 1998, vor Ihrer Regierungsübernahme, hat es in Deutschland eine Reduzierung der Arbeitslosenzahl um ungefähr 400 000 gegeben. Das war die Bilanz des Jahres 1998: 400 000 Arbeitslose weniger, bevor Sie an die Regierung gekommen sind. ({33}) Seit 1999 verlassen Sie sich nur noch darauf, dass in der Arbeitslosenstatistik die demographische Entwicklung so durchschlägt, dass aus immer mehr älteren Arbeitslosen Rentner werden, statt darauf hinzuwirken, dass aus jüngeren Arbeitslosen Beschäftigte werden. Das ist die tatsächliche Lage auf dem Arbeitsmarkt. ({34}) Wenn Sie dem mit dem Argument widersprechen, man sehe das an der Tatsache, dass es eine Vielzahl neuer Beschäftigungsverhältnisse gibt - Sie haben in diesem Zusammenhang eben eine Zahl genannt, die sogar zu niedrig war -, dann möchte ich auf Folgendes hinweisen: Seit 1999 - genau: seit dem Frühjahr 1999 - hat die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland um etwa 1,8 Millionen bis 2 Millionen zugenommen. Was ist der Grund dafür? Das kommt daher, dass diejenigen, die vorher geringfügig beschäftigt waren, jetzt sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Das ist reine statistische Trickserei von Ihnen. Dies hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. ({35}) Nun mag es ja so sein, dass Sie das alles als Schwarzmalerei der Opposition abtun, die Ihnen den Erfolg und dem deutschen Volk den Fortschritt nicht gönnt. Es gibt allerdings unverdächtige wissenschaftlich tätige Zeitgenossen, die sich, von Ihnen - nicht von uns - berufen mit der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auseinander setzen. Im Herbstgutachten des Sachverständigenrates, das vor wenigen Wochen in Berlin veröffentlicht wurde, heißt es wörtlich: Alles in allem ist der Beschäftigungsaufbau im Gefolge des derzeitigen Konjunkturzyklus enttäuschend. Verglichen mit der Entwicklung während der vorangegangenen Aufschwungphasen in den siebziger, - jetzt hören Sie genau zu achtziger- und neunziger Jahren - damals waren bekanntlich wir an der Regierung nimmt die Beschäftigung nur mit großer Verzögerung zu. ({36}) Das ist so klar und überzeugend, dass man dem eigentlich nichts mehr hinzufügen muss. Trotzdem sage ich zur Klarstellung: Herr Bundeskanzler, ich bestreite gar nicht, dass es auf dem Arbeitsmarkt an der einen oder anderen Stelle substanzielle Verbesserungen gibt. Aber eine wirkliche Beschäftigungsdynamik, so wie sie in vielen anderen europäischen Ländern schon seit längerer Zeit festzustellen ist, gibt es in Deutschland nicht. Über die Gründe, warum das der Fall ist, müssen wir hier sprechen. ({37}) Ich möchte Ihnen zwei wesentliche Gründe - man kann sie auch als makroökonomische Ursachen bezeichnen nennen. Die erste Ursache ist: Der Grad der Regulierung unseres Arbeitsmarktes nimmt wieder zu. Sie haben zu Beginn Ihrer Regierungstätigkeit eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen der Arbeitsmarkt in Gang gebracht worden ist - darauf ist das gute Ergebnis des Jahres 1998 zurückzuführen -, rückgängig gemacht: Neuregelung der 630-Mark-Beschäftigungsverhältnisse, Änderung des Kündigungsschutzrechtes, Neuregelung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Wiedereinführung des Schlechtwettergeldes. Sie haben alle unsere Maßnahmen rückgängig gemacht ({38}) und haben dadurch die in Deutschland einsetzende Beschäftigungsdynamik abrupt gestoppt. ({39}) Eines muss ich Ihnen allerdings zugestehen: Es gibt eine Ausnahme, für die Sie selbst gesorgt haben und die seit November letzten Jahres gilt. Diese Ausnahme war - darauf hat der Kollege Michael Glos schon heute Morgen hingewiesen - der so genannte Haustarifvertrag bei der Philipp Holzmann AG. Hier wurde in einem großen Unternehmen - es geht nicht um ein kleines und mittleres Unternehmen ({40}) mit Ihrer Zustimmung und Billigung der bestehende Tarifvertrag gebrochen. Das war rechtswidrig. Aber als sich der Kollege Rezzo Schlauch darum bemüht hat, mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt auch im Interesse der kleinen und mittleren Unternehmen durchzusetzen, wurde er sofort von den eigenen Kollegen und von Ihnen zurückgepfiffen. ({41}) Man kann Arbeitsmarktpolitik nicht so betreiben, dass man den großen Unternehmen jede Ausnahme durchgehen lässt und den kleinen und mittleren Betrieben in der schwierigen Lage, in der sie sich befinden, die notwenFriedrich Merz dige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt vorenthält. So geht es nicht. ({42}) Herr Bundeskanzler, Sie sind in Ihrer Rede sehr ausführlich auf die Teilzeitbeschäftigung eingegangen. Auch hier stimmen wir Ihnen grundlegend zu: Wir brauchen in Deutschland mehr Teilzeitbeschäftigung. Wer will das bestreiten? Sie haben im Beschäftigungsförderungsgesetz einen Rechtsanspruch - Herr Metzger weiß schon, warum er so fröhlich schaut; bleiben Sie ruhig da ({43}) auf Teilzeit verankert. Sie haben das eben auch begründet. Aber Sie sind sich offensichtlich über die Konsequenzen dieser Regelung überhaupt nicht im Klaren: ({44}) Denn was ist jetzt geschehen? Es ist jetzt gesetzlich festgeschrieben worden, dass der Arbeitnehmer die Hauptleistungspflicht, die in seinem Arbeitsvertrag geregelt ist, einseitig zu seinen Gunsten ändern kann. Das Einspruchsrecht des Arbeitgebers beschränkt sich auf dringende betriebliche Gründe. ({45}) - Entschuldigung, Sie haben es korrigiert. Im Entwurf stand noch „dringende Gründe“; dann haben Sie es korrigiert und durch „betriebliche Gründe“ ersetzt. Ergebnis ist: Dies ist ein Beschäftigungsförderungsprogramm für die Arbeitsgerichte, aber nicht für die Arbeitnehmer in Deutschland. ({46}) Denn in Zukunft - Herr Bundeskanzler, das werden Sie nicht bestreiten - wird es jeder Arbeitgeber in diesem Land vermeiden, neue Mitarbeiter auf solchen Arbeitsplätzen einzustellen, die „teilzeitgefährdet“ sind. So wird es in der betrieblichen Praxis aussehen. ({47}) Wir haben einen konkreten Vorschlag unterbreitet, wie man es hätte besser machen können. Wir haben Ihnen gesagt: Lassen Sie uns doch diesen Weg für Väter und Mütter gehen, die in der schwierigen Lage sind, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu müssen. Wir wollten es auf der Basis der Freiwilligkeit. Wir hätten es hinbekommen, dass die Arbeitgeber einen Teilzeitarbeitsplatz nicht willkürlich hätten verweigern dürfen. Das hätte die notwendige Flexibilität in den Betrieben erhalten, das hätte keine neuen Einstellungsschwellen errichtet und das hätte vor allen Dingen einen wesentlichen Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet. Aber Sie waren überhaupt nicht bereit, über dieses Thema nachzudenken. ({48}) Sie haben das Betriebsverfassungsgesetz angesprochen. Dazu eine Vorbemerkung: Die betriebliche und außerbetriebliche Mitbestimmung, die wir in Deutschland durch das Betriebsverfassungsgesetz von 1972 und das Mitbestimmungsgesetz von 1976 haben, gehört zu den Kernelementen der Sozialpartnerschaft in Deutschland. Sie hat sich in vollem Umfang bewährt. ({49}) Wir wollen den Kernbestand der Mitbestimmung in Deutschland aufrechterhalten und dort, wo es nötig und möglich ist, auch fortentwickeln. Herr Bundeskanzler, das, was jetzt als Eckpunkte des Bundesarbeitsministers veröffentlicht worden ist, ist doch kein Beitrag zur Fortentwicklung der betrieblichen Mitbestimmung, sondern ein Beitrag zur Stärkung der Funktionäre gegen die Interessen der Belegschaften und der Betriebe. Ich will ihnen dazu ein konkretes Beispiel nennen. ({50}) Bei Ihnen steht nicht die Frage im Vordergrund, ob angesichts der erheblichen Veränderungen in den Betrieben möglicherweise ein Übergangsmandat des Betriebsrates festgeschrieben werden soll, wenn sich Betriebe in ihren Strukturen verändern. Im Vordergrund steht vielmehr - ich habe das sehr genau gelesen - die Absenkung der Schwelle für die Betriebsratspflicht. In Zukunft sollen bereits Betriebe mit drei Mitarbeitern betriebsratspflichtig werden. Im Vordergrund steht auch die Absenkung der Schwelle für die Freistellung hauptamtlicher Funktionäre in den Betrieben von 300 auf 200 Mitarbeiter. Außerdem wollen Sie - jedenfalls nach dem, was Ihr Bundesarbeitsminister plant - die Möglichkeit verbessern, sich von außen durch Minderheitenbetriebsräte gegen die Mehrheit der Arbeitnehmer durchzusetzen. Das ist die Wahrheit darüber, was Sie mit der Veränderung des Betriebsverfassungsrechtes planen. ({51}) Deswegen, Herr Bundeskanzler, sage ich noch einmal: Wir können offen mit Ihnen darüber reden, wie man geltende Regelungen verbessern kann. ({52}) Aber ich habe den Eindruck, dass seit einigen Wochen - man kann das vielleicht sogar ziemlich genau auf das Datum fixieren, an dem die Bundesregierung, an dem Sie ein Gespräch mit dem Vorstand des DGB geführt haben die Rolle rückwärts eingeleitet wird und die Gewerkschaften, insbesondere der DGB, die Gegenleistung für die 8 Millionen DM haben wollen, die die SPD im Bundestagswahlkampf 1998 bekommen hat. ({53}) Herr Bundeskanzler, wenn Sie uns das nicht glauben - es kann gut sein, dass die Rollenverteilung so ist, dass Sie uns das gar nicht glauben können und dürfen -, möchte ich Ihnen sagen, dass der Kollege Metzger vor einigen Tagen in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ eine ganz klare Aussage dazu gemacht hat: Als „Rückschritt“ kritisierte Metzger den geplanten Rechtsanspruch auf Teilzeit. Dieser werde Unternehmer von Neueinstellungen abhalten. Der Arbeitsmarkt dürfe nicht „immer weiter reguliert und bürokratisiert“ werden. Genau das ist der Punkt. ({54}) Wir brauchen für unseren Arbeitsmarkt angesichts der gewaltigen Veränderungen, vor denen wir stehen, nicht mehr Bürokratie und damit weniger Flexibilität, sondern mehr Flexibilität. Damit Sie sehen, dass sich unsere Kritik nicht nur in Ablehnung erschöpft, will ich Ihnen zwei konkrete Vorschläge machen, von denen wir glauben, dass ihre Umsetzung einen Beitrag zur Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt leisten könnte: Erstens. Warum bieten wir Beschäftigten keine flexibleren Modelle der Arbeitslosenversicherung an? Warum kann sich ein Arbeitnehmer nicht frei für eine Arbeitslosenversicherung vom ersten Tag, von der zweiten Woche oder vom dritten Monat an mit entsprechend gestaffelten Beiträgen entscheiden? Warum können wir da nicht zu mehr Flexibilität kommen, Herr Bundeskanzler? Wir machen Ihnen den Vorschlag, dass wir die Arbeitslosenversicherung an diesem Punkt stärker flexibilisieren. Zweitens. Warum denken wir hinsichtlich des Kündigungsschutzes nicht darüber nach, wie wir die Einstellungschancen gerade von älteren Arbeitslosen auf dem Arbeitsmarkt verbessern können? Warum schaffen wir in unserem Kündigungsschutzrecht nicht eine Möglichkeit, dass ältere Arbeitslose auf den Anspruch verzichten dürfen, einen Kündigungsschutzprozess zu führen, um dafür mit dem Arbeitgeber bei der Einstellung im Arbeitsvertrag eine Abfindungsregelung zu treffen? Das wäre ein Beitrag dazu, dass ältere Arbeitslose über mehr Flexibilität den Weg in den Arbeitsmarkt zurückfinden. ({55}) Das sind zwei Beispiele für die von Ihnen zitierte Flexibilität. Herr Bundeskanzler, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir für unseren Arbeitsmarkt auch dann Zuwanderung brauchen, wenn alle Bemühungen, Arbeitskräfte im Inland zu finden - ich halte sie für unvollständig -, erfolgreich sind. Ich unterstreiche ausdrücklich: Wir brauchen in der Bundesrepublik Deutschland in den nächsten Jahren sehr viel mehr Beschäftigte, und zwar in Spitzenpositionen der Wirtschaft und der Wissenschaft genauso wie in vielen Betrieben mit ganz normalen Tätigkeiten. Diese Menschen müssen wir aus dem Ausland hinzugewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir eine Regelung bzw. eine Steuerung. Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die erste Bedingung ist, dass wir, bevor wir versuchen, die Beschäftigungsprobleme auf dem deutschen Arbeitsmarkt über Einwanderung zu lösen, die Frage stellen, was auf dem deutschen Arbeitsmarkt selbst nicht in Ordnung ist. ({56}) Sie können unsere Probleme nicht durch Zuwanderung zu lösen versuchen und gleichzeitig 3,8 Millionen Arbeitslose und weitere 1,5 Millionen Menschen in der Arbeitslosenreserve sozusagen stilllegen, indem Sie sagen: Damit hat der deutsche Arbeitsmarkt nichts mehr zu tun. ({57}) Die Probleme müssen erst mit den hier vorhandenen Kräften gelöst werden. ({58}) Die zweite Bedingung lautet: Wenn wir Einwanderung wollen, dann brauchen wir ein Einwanderungs- und Integrationskonzept. Ich gehe noch einen Schritt weiter: Wir brauchen ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz. In diesem Gesetz müssen auch Maßstäbe aufgestellt und formuliert werden, die diejenigen einzuhalten haben, die als Einwanderer in die Bundesrepublik Deutschland kommen. Sie haben uns und insbesondere mir persönlich mit Pathos noch einmal die Debatte vorgehalten, die wir in den letzten Wochen und Monaten geführt haben. Ich will auch dazu zwei Feststellungen treffen: Erstens. Wenn wir diese Diskussion nicht geführt hätten, dann hätten Sie im Zweiten Deutschen Fernsehen nicht zugestanden, dass es noch in dieser Legislaturperiode zu diesem Thema eine Regelung geben muss. ({59}) Sie wollten es nicht und wir haben Sie mit dieser Debatte dazu veranlasst. Das wissen Sie. ({60}) Zweitens. Es mag sein, dass unsere Aussagen von einigen bewusst oder unbewusst missverstanden werden. Sie verlieren Ihren Kulturminister jetzt an eine große deutsche Wochenzeitung. Seitdem ich erfahren habe, dass er dort hingeht, weiß ich, was „Zeit ist Geld“ heißt. ({61}) Sei ‘s drum. ({62}) - Von Neid bin ich an dieser Stelle wirklich völlig frei. ({63}) Ich möchte Ihnen vortragen, was der frühere Herausgeber vor zwei Jahren in dieser Zeitung zu diesem Thema geschrieben hat: ... Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte. ({64}) Nun ist Theo Sommer schon ein bisschen älter. Aber es wird neben Ihnen, Herr Naumann, ab dem 1. Januar 2001 einen weiteren Mitherausgeber geben; wenn ich richtig informiert bin, ist es Josef Joffe. Er schrieb nicht vor zwei Jahren, sondern vor zwei Wochen in derselben Zeitung: Im heucheleigetränkten Streit der Deutschen um das L-Wort geht es in Wahrheit auch nicht um das Prinzip, sondern um das Profil. An anderer Stelle: Man kann das L-Wort drehen und wenden, wie man will: Ohne einen solchen Begriff, ohne Wertekanon, geht es nicht. Recht hat der Mann. ({65}) Meine Damen und Herren, es gibt eine zweite wichtige Ursache für die unbewältigten Probleme unseres Arbeitsmarktes. Das sind die unverändert hohen Arbeitskosten, Herr Bundeskanzler; auch darüber muss noch ein Wort verloren werden. Frau Müller hat sich heute Morgen mit beredten Worten der Tatsache berühmt, dass der Rentenversicherungsbeitrag jetzt auf 19,1 Prozent abgesenkt wird. In Wahrheit wird er durch die Ökosteuer heruntersubventioniert, ohne dass dadurch ein einziges Problem in der deutschen Rentenversicherung gelöst würde. Das verschweigen Sie bei jeder Darstellung der Rentenversicherungsbeiträge. ({66}) Die Betriebe und die Beschäftigten in Deutschland haben überhaupt nichts davon, wenn die Sozialversicherungsbeiträge sinken und dafür die tatsächliche Steuerbelastung weiter steigt. In Wahrheit sinken auch die Steuern und Abgaben in Deutschland nicht, sondern sie steigen insbesondere im laufenden Jahr 2000. ({67}) Die Steuerquote und die Abgabenquote sind gestiegen. Deswegen können Sie es drehen und wenden, wie Sie wollen: Sie kommen um eine grundlegende Sanierung der sozialen Sicherungssysteme nicht herum. Dies ist Allgemeingut. Das brauche ich gar nicht besonders zu betonen; das wollen auch Sie. Aber damit auch hier nicht falsche Erwartungen und zugleich falsche Vorwürfe entstehen, sage ich Ihnen noch einmal ganz klar und deutlich: Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen das große Problem einer Sanierung der Rentenversicherung in Deutschland zu lösen. Wir haben dazu Gespräche geführt. Es waren übrigens Gespräche, die von Wolfgang Schäuble und Edmund Stoiber im letzten Jahr ziemlich genau zu dieser Zeit angeboten worden sind; auf das Angebot sind Sie eingegangen. Wir haben am 13. Juni auf Ihre Einladung hin bei Ihnen im Kanzleramt - ich war dabei - ein letztes Gespräch in der Spitzenrunde über die Zukunft der deutschen Rentenversicherung geführt. Gegen Ende dieses Gesprächs haben Sie einen Zettel aus Ihrem Papierstapel herausgezogen. Das war dieser Zettel, den ich heute mitgebracht habe. Auf ihm steht oben: Kombinationsmodell aus Abzug von der Steuerbemessungsgrundlage und Zulage mit Staffelung der Höchstbeträge nach Kinderzahl. Gemeint ist die private Vorsorge, die Sie ursprünglich gar nicht wollten und die wir Ihnen abgerungen haben. ({68}) Geschenkt; es ist in Ordnung, dass Sie sie wollen. Wir müssen sie wollen und es ist richtig, wenn Sie sagen, dass die deutsche Rentenversicherung durch eine kapitalgedeckte private und betriebliche Altersversorgung begleitet und unterstützt werden muss. Nur, Herr Bundeskanzler, wir hatten von Anfang an verabredet, dass wir das Gespräch so führen: Wenn Sie neue Vorschläge machen, gehen wir auseinander, beraten darüber und kommen anschließend wieder zusammen. Sie aber haben uns den Zettel auf den Tisch gelegt, sind anschließend hinausgegangen und haben vor der deutschen Presse stolz erklärt, ({69}) Sie hätten uns 19,5 Milliarden DM auf den Tisch gelegt und wir seien völlig ratlos. Das war am 13. Juni. Vor drei Wochen haben der Arbeitsminister und der Finanzminister, ohne dass Sie offensichtlich davon wussten, beschlossen, dass die erste Stufe des In-Kraft-Tretens dieser privaten Vorsorge auf das Jahr 2002 verschoben werden soll. ({70}) Da war von 19,5 Milliarden DM nicht mehr die Rede, kein Ton mehr. Sie wollen die Einführung der privaten Vorsorge auf die Zeit nach der Bundestagswahl verschieben, damit die Leute nicht merken, dass die private Vorsorge völlig unzureichend ist. ({71}) Wir stehen ja erst am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens; deswegen kann das korrigiert werden. Wir haben Ihnen am 1. Juli dieses Jahres einen Brief geschrieben. In diesem Brief werden fünf Punkte genannt, die wir zur Bedingung machen, wenn wir mit Ihnen eine Reform der Rentenversicherung angehen sollen. Diese fünf Punkte gelten weiter; da werden keine weiteren Bedingungen draufgesattelt; von diesen fünf Punkten werden wir aber auch nicht abgehen. Wir brauchen die private Vorsorge. Wir brauchen eine gerechte Verteilung der Lasten aufgrund der demographischen Entwicklung auf die Schultern aller Generationen in Deutschland und nicht eine Verlagerung der Lasten ausschließlich auf die Schultern der jungen Generation. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie der Beitragssatz zur Rentenversicherung bei 20 Prozent stabilisiert werden kann. ({72}) Wenn Sie bereit sind, sich auf den von uns vorgeschlagenen Weg einzulassen, Herr Bundeskanzler, können wir auch zu einem Konsens kommen. Einen faulen Kompromiss, von Ihrer Mehrheit im Bundestag durchgedrückt, tragen wir allerdings nicht mit. ({73}) Sie brauchen ja nur für die private Vorsorge die Zustimmung des Bundesrates. Diese werden Sie bekommen, ({74}) wenn Sie den Ländern vernünftige Vorschläge machen, wie das finanziert werden kann. Dann ist die Zustimmung im Bundesrat kein Thema mehr, da es dabei nur noch um Finanzpolitik geht. Die eigentliche Rentenreform bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Wenn wir keinen Konsens finden, weil Sie den Fehler machen, die Lasten einseitig zu verteilen, dann werden wir vom Tag nach der Verabschiedung der Rentenreform hier im Bundestag an dafür kämpfen, dass dieses wieder korrigiert wird. Das sollen Sie wissen. ({75}) Zum Schluss noch zu einem Thema, das Sie nur ganz kurz angesprochen haben. Unsere Vermutung ist, dass hier noch größere Probleme auftreten werden als bei der Sanierung der Rentenversicherung. Ich meine die Sanierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Herr Bundeskanzler, das Zusammenwirken von demographischer Entwicklung und medizinischtechnischem Fortschritt birgt für die gesetzliche Krankenversicherung ein sehr hohes Kostenrisiko und kann geradezu zu einer Kostenexplosion führen. Die Unsicherheit hier ist wesentlich größer als die bezüglich der Rentenversicherung. Deswegen habe ich nur wenig Verständnis dafür, dass Sie erklärt haben, in dieser Legislaturperiode werde die Reform des Gesundheitswesens nicht angegangen. Ich habe den Wahlkampf 1998 noch in guter Erinnerung. Dort haben Sie massiv gegen die Union Politik gemacht, weil wir die Selbstbeteiligung erhöht und verschiedene Formen von Eigenverantwortung eingeführt hatten. ({76}) Wie sieht denn die Wahrheit zwei Jahre später aus? Sie haben das eine oder andere zurückgenommen; so haben Sie die Medikamentenzuzahlungen um 1 oder 2 DM gekürzt. Mittlerweile muss im Rahmen der Selbstbeteiligung aber mehr als ein Viertel der gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland bei Arzneimitteln Zuzahlungen leisten, die wir ihnen in diesem Umfang nie zugemutet hätten. ({77}) Ein Drittel der Patienten erhält nach Stichprobenuntersuchungen der gesetzlichen Krankenversicherungen nicht die Leistungen, die sie medizinisch brauchen. Ich sage Ihnen, Herr Bundeskanzler: Die brutalste Form der Selbstbeteiligung ist der Leistungsausschluss, der gegenwärtig stattfindet. ({78}) Deswegen werden Sie nicht umhinkommen, in den nächsten zwei Jahren, die Sie noch regieren, Vorschläge zu machen, wie das Gesundheitswesen in Deutschland saniert werden könnte. Sie selber haben hierzu ja schon einen Beitrag veröffentlicht. Weitgehend unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit schreibt der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder, in der Zeitschrift „Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte“, dass eine Neuabgrenzung zwischen Eigenverantwortung und kollektiver Absicherung für die Gesundheitspolitik zwingend erforderlich sei. Herr Bundeskanzler, warum schreiben Sie, wenn Sie zu dieser Erkenntnis gekommen sind, das dann nur in irgendwelchen interessanten akademischen Schriften und sagen es nicht hier im Deutschen Bundestag und handeln vor allem dementsprechend? ({79}) Sie werden nicht umhinkommen - das ist nicht nur ein Thema der Gesundheitspolitik, sondern ein Thema, von dem die Zukunft unseres Arbeitsmarktes substanziell abhängt -, wirkliche Reformen anzugehen und dafür zu sorgen, dass die Ausgaben begrenzt werden. Es reicht nicht aus, nur neue Einnahmequellen zu erschließen. Wenn Sie diesen Weg gehen würden, dann hätten Sie allen Grund zur Fröhlichkeit und könnten dem deutschen Volk sagen, es werde gut regiert. Aber davon sind wir noch verdammt weit entfernt. Solange wir nicht an diesem Punkt angekommen sind, wird die Opposition im Deutschen Bundestag und überall in der Bundesrepublik Deutschland sagen: Wir sind ein prima Land; aber wir werden miserabel regiert. ({80})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich Folgendes mitteilen: Weder die beiden Schriftführerinnen noch ich konnten vorhin die Zwischenrufe verstehen. Deswegen habe ich mir den entsprechenden Auszug aus dem Protokoll geben lassen. Auf die Bemerkungen von Herrn Merz hin, der an die Äußerung von Alex Möller in den 70er-Jahren erinnert hat, welcher damals die Union in die geistige Nähe des Nationalsozialismus gerückt hat, sagte der Kollege Stiegler: „Recht hat er!“ ({0}) Herr Kollege Stiegler, ich muss Ihnen dafür einen Ordnungsruf erteilen. Ich möchte hinzufügen, dass es unzulässig und auch nicht anständig ist, eine Partei in diesem Hause in die Nähe des Nationalsozialismus zu rücken. ({1}) Herr Stiegler, Sie haben das Wort.

Ludwig Stiegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002248, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, wenn Sie die Güte haben, möchte ich den damaligen Sachverhalt rekonstruieren. ({0}) Es ging damals in der Debatte um das Thema, wer an der Inflation Schuld sei. Die Union hat die damalige sozialliberale Koalition in die Nähe derer gerückt, die für die Inflation der 30er-Jahre verantwortlich waren. Daraufhin hat Alex Möller zu der Union gesagt: Diejenigen, die damals für die Inflation und für die Entwicklung während der Weimarer Zeit verantwortlich waren, stehen Ihnen näher als uns. - Das ist der gesamte Vorgang. Bevor Sie mir Vorwürfe machen, lassen Sie sich das Protokoll über die damalige Auseinandersetzung geben. ({1}) Ich empfehle außerdem den Aufsatz von Reinhard Kühnl in dem Taschenbuch „15 Millionen beleidigte Deutsche oder woher kommt die CDU?“ ({2}) Bevor Sie mir vorwerfen, ich würde der Union die Verantwortung für den Nationalsozialismus zuschreiben, nehmen Sie zur Kenntnis, was damals wirklich war. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Stiegler, über einen Ordnungsruf wird nicht diskutiert. Ich habe gedacht, Sie würden Gelegenheit nehmen, sich für diese Äußerung zu entschuldigen. ({0}) Da Sie das nicht getan haben, lasse ich den Ordnungsruf so stehen. ({1}) Als nächster Redner hat der Kollege Matthias Berninger das Wort.

Matthias Berninger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002627, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erinnere mich noch gut an die Debatte, als dieser Haushalt von der Bundesregierung eingebracht wurde. Damals hat der Kollege Merz die alte Bundesregierung in ein gutes Licht gerückt und die neue kritisiert, sie habe die deutsche Einheit nicht gewollt. Ich will daran einmal anknüpfen, Herr Kollege Merz, weil Sie in Ihrer Rede einen Punkt angesprochen haben, an dem Sie eine große Verantwortung dafür tragen, dass wir 4,7 Millionen Arbeitslose von der alten Bundesregierung übernehmen mussten. Der Kollege Merz steht nämlich einer Fraktion vor, die die deutsche Einheit über die Lohnnebenkosten finanziert hat. Von 1990 bis zum Regierungswechsel sind die Lohnnebenkosten in Deutschland um 6,5 Prozent gestiegen. Um es anders zu formulieren: Pro Monat wurden den Beschäftigten und denen, die sie beschäftigt haben, 300 DM aus der Tasche gezogen, um die deutsche Einheit zu finanzieren. Von jemandem, der so etwas tut, lassen wir uns keine Ratschläge dazu geben, wie man die Lohnnebenkosten senkt. ({0}) Ich finde Ihre Ratschläge aus einem zweiten Grund verlogen. Es vergeht kein Tag, an dem die Union nicht über die Ökosteuer polemisieren würde. Ich stelle fest: Ohne die Ökosteuer wären die Lohnnebenkosten in Schwindel erregender Höhe und wir hätten keinen Rückgang der Arbeitslosigkeit, sondern im Gegenteil eine Verschärfung des Problems. ({1}) Ich finde, Sie sollten sich einmal überlegen, wie das, was Sie fordern, bezahlt werden kann. Denn gleichzeitig die Abgaben zu senken und die Ökosteuer abzuschaffen funktioniert nicht. Dazu hat schon Adam Riese einiges Vernünftiges gesagt. ({2}) Deshalb lassen wir uns von der Union auch hierzu keine guten Ratschläge erteilen. Herr Kollege Merz, eine Fraktion, die damals in der Regierungsverantwortung nichts dagegen hatte, auf der einen Seite Millionen Spenden zu nehmen und auf der anderen Seite zum Beispiel aus den Eisenbahnerwohnungen ein Schnäppchen zu machen und sie weit unter Wert verkaufen zu wollen, sollte sich hier nicht hinstellen und der SPD oder irgendeiner anderen Fraktion vorwerfen, sie sei käuflich. Das halte ich für eine Unverschämtheit. Sie brauchen sich nur einmal anzuschauen, was sich noch vor zwei Jahren allein bei dem kleinen Thema Eisenbahnerwohnungen abgespielt hat. ({3}) Der dritte Punkt. Hier spielen Sie sich auf und sagen, die gesetzliche Krankenversicherung werde ein großes Problem. Es war die CDU, die die Gesundheitsreform Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms am Ende im Bundesrat blockiert hat. Warum? Weil sie zum Beispiel nicht wollte, dass man im Bereich der Krankenhäuser eine vernünftige Strukturpolitik macht, dass man dort Kosten spart, was die Beiträge gesenkt hätte, und stattdessen kleinliche und kleinkarierte Strukturpolitik gemacht hat. Auch deshalb lassen wir uns von Ihnen keine Ratschläge erteilen. ({4}) So leicht lassen wir es Ihnen, lieber Herr Kollege Merz, nicht durchgehen, dass Sie sich hier hinstellen und der Bundesregierung wirtschaftspolitisch kluge Ratschläge erteilen wollen. Sie müssen sich außerdem mit Ihren Fraktionskollegen einig werden, von welchen Zahlen Sie ausgehen. Es tut Ihnen nämlich regelrecht weh, dass wir zunächst ein Beschäftigungswachstum von 1 Prozent, dann von 1,5 Prozent und im nächsten Jahr wiederum von 1,5 Prozent haben. Deshalb redet Herr Merz so schlecht und sagt, die Zahlen kämen nur zustande, weil 1,8 Millionen geringfügig Beschäftigte in die Statistik hineingerechnet worden seien. Ihr Kollege Rauen - auch wenn er nicht zuhört - hat gestern in der Debatte gesagt, es seien 140 000 gewesen. Ich finde, Sie sollten erst einmal intern klären, von welchen Zahlen Sie ausgehen, statt der Bundesregierung vorzuwerfen, sie würde keine erfolgreiche Politik machen. ({5}) Man kann es am Arbeitsmarkt sehen. Man kann sehen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland, die fast 5 Millionen erreicht hatte, sich nun den 3 Millionen nähert. Aber auch 3 Millionen Arbeitslose sind uns noch zu viel. Wir lassen uns unsere Politik in dieser Beziehung von Ihnen nicht kaputtreden. ({6}) Wir wissen, dass die Senkung der Arbeitslosigkeit nicht von selbst kommt, sondern dass gezielte Reformen notwendig sind. Es war notwendig, die Staatsverschuldung zurückzuführen. Es war notwendig, eine Steuerreform zu machen, die die Unternehmen und die kleinen und mittleren Einkommen entlastet, um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Es wird auch notwendig sein, die Lohnnebenkosten weiter zu senken. Deshalb haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, die Lohnnebenkosten noch in dieser Legislaturperiode auf unter 40 Beitragspunkte zu senken. Warum wollen wir das? Weil das dazu führt, dass diejenigen, die nach wie vor zu hohe Belastungen haben - die sie aber nicht wegen uns haben, sondern weil wir sie geerbt haben -, mehr Geld in die Tasche bekommen. Wir wollen erreichen, dass die kleinen Leute bis zu 1 000, 1 200, 1 300 DM mehr Geld in der Tasche haben, damit erstens diese Menschen das Geld verkonsumieren können, wodurch neue Arbeitsplätze entstehen, und zweitens die Unternehmen mehr Bereitschaft zeigen, neue Leute einzustellen, weil Arbeit in Deutschland wieder bezahlbar wird. ({7}) Das ist das, was diese Regierung will. Sie haben das genaue Gegenteil davon gemacht. Mich ärgert maßlos, dass Sie hier zwar detaillierte Vorschläge darüber unterbreiten, wie man das Arbeitsrecht an der einen oder anderen Stelle ändern kann. Bei der Rentenreform aber, mit der wir verhindern wollen, dass die Lohnnebenkosten explodieren, blockieren Sie. Wie ein Naseweis stellen Sie an einem Tag die erste Forderung. Wenn diese erfüllt wird, kommt am nächsten Tag die zweite und am übernächsten Tag die dritte Forderung. Sie wollen sich nicht an der Rentenreform beteiligen, weil Sie daraus parteipolitischen Honig saugen wollen. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Antwort darauf wird sein, dass die Koalition ohne Sie eine Rentenreform verabschieden wird, mit der die Beiträge stabil gehalten werden, die jungen Menschen nicht über Gebühr belastet werden und mit der auch den alten Menschen eine verlässliche Rente präsentiert wird. Das wird unsere Antwort darauf sein, dass Sie mit uns Katz und Maus spielen wollen; auch das muss man Ihnen einmal deutlich sagen. ({8}) Ich bin der Meinung, dass wir das, was Sie hier veranstalten, wirklich nicht nötig haben. Wenn es Ihnen wirklich Ernst ist mit einer vernünftigen Rentenreform, sollten Sie an den Verhandlungstisch zurückkehren, den Sie verlassen haben. Denn das ist das Problem. Es ist nicht so, dass die Bundesregierung keinen Konsens will. Vielmehr will ihn die Union nicht. ({9}) Sie behaupten jetzt, dass der Vorschlag zu einer privaten Altersvorsorge ursprünglich von Ihnen gekommen sei. Den Gedanken einer privaten Vorsorge hat es unter Blüm nie gegeben. Das ist keine Erfindung der alten Bundesregierung. Herr Blüm hat einen Rentenreformvorschlag gemacht, mit dem diejenigen, die ein geringes Einkommen haben, nicht im Geringsten im Hinblick auf eine private Vorsorge unterstützt worden wären. Das war nie Ihre Politik. Also tun Sie jetzt nicht so, als würden wir etwas, was Sie ursprünglich gefordert haben, in schlechterer Form übernehmen. Das Gegenteil ist der Fall: Die jetzige Bundesregierung wird die private Altersvorsorge für viele Menschen, die über ein kleines oder mittleres Einkommen verfügen, attraktiv machen. Auch das war der Union so fern wie nur irgendetwas, als sie noch die Regierungsverantwortung trug. ({10}) Wir werden im nächsten Jahr in der aktiven Arbeitsmarktpolitik Spielräume für eine Senkung der Lohnnebenkosten haben. In diesem Jahr ist es mitnichten so, dass wir für die aktive Arbeitsmarktpolitik weniger ausgeben. Pro Arbeitslosen geben wir im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik nicht mehr nur 12 000 DM, sondern sogar 12 500 DM aus, weil wir diese Menschen nicht im Regen stehen lassen wollen, wie Sie das mit Ihrem Gesetz getan haben, das den Arbeitsmarkt vor der Wahl ein wenig korrigieren sollte und das nach der Wahl wieder abgeschafft werden sollte. Das tun wir nicht. Trotz der Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, meinen wir, dass die aktive Arbeitsmarktpolitik weiter ein wichtiger Punkt ist. Aber - das muss man hinzufügen - am Ende wird uns im nächsten Jahr die sinkende Arbeitslosigkeit Spielräume dafür geben - vor allem dann, wenn wir die durch die Einmalzahlungen entstandenen Belastungen nicht mehr haben -, den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung auf ein Niveau abzusenken, das sich am Ende in den Taschen der kleinen Leute bemerkbar macht. Die Senkung der Lohnnebenkosten hat nichts mit neoliberaler Politik zu tun, wie einige immer meinen. Das ist vielmehr eine Reform, die den kleinen Leuten zugute kommt. Von ihr profitieren diejenigen, die Lohnnebenkosten zu zahlen haben, am meisten. ({11}) Davon lassen wir uns nicht abbringen und wir lassen uns schon gar nicht Ratschläge von denjenigen erteilen, die die Lohnnebenkosten in die Höhe getrieben haben. Kollege Brüderle steht hier stellvertretend für 30 Jahre Regierungsverantwortung. ({12}) Die F.D.P. war immer für Steuer-, Abgaben- und Schuldenerhöhungen. Ihre gesamte Regierungszeit hat zu der schlechten Bilanz geführt, die wir jetzt wegzuräumen haben, und dafür stehen Sie. ({13}) Insofern ärgere ich mich darüber, dass Sie meinten, sich heute Morgen - das ist ja schon ein bisschen her - hier hinstellen und gute Ratschläge erteilen zu müssen. ({14}) Sie bekommen keinen Mittelstandspreis dafür, dass Sie am Ende im Bundesrat der notwendigen Steuerreform zur Zustimmung verholfen haben. Den Mittelstandspreis bekommen diejenigen - Christine Scheel bekommt ihn stellvertretend für sie -, ({15}) die eine Steuerreform auf den Weg gebracht haben, die ihresgleichen sucht. Eine solche Steuerreform hat es vorher nicht gegeben. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, anstatt hier eine selbstgefällige Rede zu halten. ({16}) Auf Ihre Äußerung von heute Morgen, wir würden für regenerative Energien Subventionen verteilen, ist zu antworten: Sie waren es doch, die der Atomlobby eine Subvention nach der anderen zugeschoben haben und die Öffentlichkeit mit dem Müllproblem allein gelassen haben. ({17}) Sie sollten also nicht kritisch über die Subventionspolitik im Energiebereich sprechen. Sie haben das Gegenteil gemacht, solange Sie Verantwortung trugen. Wir werden dafür sorgen, dass Sie diese Verantwortung nicht zurückgewinnen. Wir werden die Energiewirtschaft umbauen. Auch das sollten Sie sich einmal vergegenwärtigen. Wir lassen uns da von Ihnen nicht im Geringsten beeinflussen. Zu meinem letzten Punkt, zur Einwanderungspolitik. Herr Kollege Merz, Sie haben in sehr redlicher Weise gesagt, es habe in der Union einen Kurswechsel gegeben. Ich bin jetzt seit sechs Jahren Mitglied des Bundestages. Als ich hierher kam, gab es zwei Leitsätze. Der erste lautete: Die Rente ist sicher. Davon spricht keiner mehr. Der zweite lautete: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Davon hat sich die Union verabschiedet. Das begrüße ich sehr. Was mich aber ärgert, ist, dass Sie, um den Schmerz in Ihren Reihen darüber, dass Sie sich endlich den Realitäten annähern, zu lindern, permanent Nebelkerzen werfen und hier einen Popanz aufbauen, der auf die Knochen derjenigen geht, die in Deutschland zum Beispiel deshalb durch die Straßen gejagt werden, weil sie eine andere Hautfarbe haben. ({18}) Stellen Sie sich also hier hin und sagen Sie: „Wir haben unsere Position geändert; wir machen jetzt eine vernünftige Politik und sind zu einem Konsens in der Einwanderungspolitik bereit“, ohne das immer wieder mit irgendwelchen Debatten, vor allem Leitkulturdebatten, auszuschmücken, die nichts mit hochgeistigen Kulturdebatten zu tun haben, sondern nur dazu dienen, die Unzufriedenheit in Ihren Reihen in den Griff zu bekommen. ({19}) Ich halte das für falsch. Machen Sie das nicht mehr, und lassen Sie uns zu einem vernünftigen Einwanderungskonsens kommen. Der wird auch dazu beitragen, dass wir wirtschaftlich am Ende besser dastehen, als wir dastanden, als wir die Verantwortung von der alten Regierung übernommen haben. Vielen Dank. ({20})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort der Kollegin Sabine Kaspereit für die SPD-Fraktion.

Sabine Kaspereit (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002695, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn heute im Zusammenhang mit dem Kanzleramtshaushalt auch über Probleme in den neuen Ländern - der Kanzler hat einiges dazu gesagt - gesprochen wird, muss auch über ein anderes sehr ernstes Thema gesprochen werden, nämlich über Sebnitz. Zu sehr haben uns die Nachrichten aus dem kleinen Ort im Süden Sachsens aufgewühlt. Mit welchem Ergebnis auch immer der Todesfall des kleinen Jungen aufgeklärt werden wird, selbst wenn es sich um einen tragischen Badeunfall gehandelt haben sollte, befürchte ich: Der Name Sebnitz wird ein Politikum bleiben. Angesichts solch ungeheuerlicher beängstigender Vorwürfe finde ich es durchaus angemessen, dass sich sowohl der Bundeskanzler als auch der sächsische Ministerpräsident in ihrer jeweiligen Verantwortung des Falles angenommen haben. Die Vorgänge in Sebnitz gehen jedoch über den tragischen Tod des kleinen Jungen mit seinen noch ungeklärten Umständen weit hinaus. Lassen Sie mich stellvertretend für viele andere Berichte und Kommentare zu diesem Fall die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ vom vergangenen Montag zitieren: Was immer in dem Freibad vor drei Jahren geschehen ist ({0}): das Milieu existiert, in dem auch das Schlimmste denkbar ist. Schon die letzten Tage haben es bewiesen. Die Existenz dieses Milieus ist auch die Erklärung für eine eigentlich unbegreifliche Rohheit von Kindern und Jugendlichen, denen nicht einmal mehr der Tod das Herz erweicht. Diese Hasskultur ist nicht unmittelbares Erbe der DDR, an die sich die jungen Rechtsextremisten kaum erinnern können. Vielmehr hat sie das moralische Klima der Nachwendezeit hervorgebracht: das Selbstmitleid, das Opfergehabe, die Ressentiments und der Neid, die in den neuen Bundesländern gepflegt werden. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich teile diese Analyse nicht. Das ist nicht meine Wahrnehmung von den Menschen in den neuen Ländern. Das sind nicht meine Erfahrungen im Umgang mit ihnen. ({1}) Selbstmitleid, Opfergehabe, Ressentiments und Neid sind nicht die Ingredienzen des moralischen Klimas der Nachwendezeit. Ich halte das für falsch. Ich weiß, viele teilen diese Auffassung des „FAZ“-Kommentars. Sie ist weit verbreitet - weniger öffentlich als hinter vorgehaltener Hand, was noch schlimmer ist. Wir sollten uns daran gewöhnen, offen darüber zu reden und auch zu streiten. Ich muss gestehen, dass ich bei diesem Thema ein Stück ratlos bin. Ich weiß aber, dass eine solche Wahrnehmung - sei sie berechtigt oder nicht - politische Gefahren für das Zusammenwachsen unseres Landes heraufbeschwört, die wir dringend abwenden müssen. ({2}) Es kann ja sein, dass wir uns - auch in diesem Hohen Hause - zu einseitig den materiellen und wirtschaftlichen Problemen des Aufbaus gewidmet und dabei die Frage vergessen haben, wie die Menschen das Tempo der Veränderung überhaupt verarbeiten konnten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn über das moralische Klima der Nachwendezeit gesprochen wird, dann kann man über eine der zentralen Klimastörungen nicht hinwegsehen, und das ist nun einmal die hohe Arbeitslosigkeit, die von den Menschen in den neuen Ländern subjektiv als bedrückender angesehen wird als anderswo. Während in Westdeutschland die Konjunktur den Arbeitsmarkt voll erfasst hat, bleibt die Lage auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt nach wie vor bedrückend. Ein Viertel bis ein Drittel der arbeitsfähigen und arbeitswilligen Bevölkerung in den neuen Ländern ist ohne Arbeit. Der günstigere Verlauf der Arbeitslosenquoten ist vor allem durch die spürbare Ausweitung der staatlichen Förderung des zweiten Arbeitsmarktes bedingt, wie das Beispiel Brandenburg deutlich zeigt. Bei einem Wirtschaftswachstum von nur 0,6 Prozent ist die Arbeitslosigkeit um 6 Prozent gesunken. Dieser Rückgang korreliert nicht mit dem Wirtschaftswachstum, und wir sollten uns hier nichts vormachen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist noch weit von einem Normalzustand entfernt. In letzter Zeit sind eine Reihe von Modellen zur Förderung von Geringqualifizierten entwickelt worden, um der so genannten Sozialhilfefalle zu entkommen. Die Erfahrungen sind ermutigend, sodass ich hoffe, dass wir diese Instrumente bald flächendeckend anwenden können. Deshalb bleibt es richtig, die aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau fortzusetzen, so wie es die Bundesregierung getan hat. Es ist allemal besser, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Es ist allemal besser, Arbeitslose weiterzubilden oder zeitweise in öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen unterzubringen, als sie einer geregelten Tätigkeit vollständig zu entwöhnen. Werte Kolleginnen und Kollegen, welche Handlungsoptionen bleiben Bund, Ländern und Gemeinden? Welcher finanzielle Spielraum existiert für mehr Beschäftigung? Die Verschuldungslage der neuen Länder ist heute nicht weniger dramatisch als die von Bund und alten Ländern. Beim Schuldenstand pro Kopf der Bevölkerung liegen die neuen Länder heute bereits im oberen Drittel. Auch das, meine Damen und Herren von der Opposition, ist eine Erblast Ihrer Regierung. Die Hälfte des Schuldenbergs haben die neuen Länder in der Zeit zwischen 1990 und 1994 aufgehäuft. Die damalige Bundesregierung hatte bis zum Jahr 1994 mit den Dotierungen aus dem Fonds „Deutsche Einheit“ die ostdeutschen Länder und Gemeinden unterfinanziert. Sie hat damit die ostdeutschen Länder und Gemeinden in eine Schuldenfalle getrieben, aus der sie bis heute nicht herausgefunden haben. Der zwingend erforderliche Konsolidierungskurs seit Mitte der 90er-Jahre geht - das ist zu bedauern - angesichts des enormen Nachholbedarfs bei kommunalen Infrastrukturen zulasten der Investitionen. Eine solche Politik konterkariert die Bemühungen des Bundes, die Infrastrukturlücke zu schließen. Wir müssen heute erkennen, dass sich aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche, aufgrund des großen Nachholbedarfs und aufgrund der nach wie vor schweren Belastungen mit all den bekannten Folgewirkungen, die durch die 40-jährige Nachkriegsentwicklung in Ostdeutschland verursacht wurden, die neuen Länder noch immer in einer Sonderlage befinden, die mit den üblichen Instrumentarien der föderalen Finanzbeziehungen der alten Bundesrepublik nicht zu bekämpfen ist. Dass der Bund mehr als die Hälfte des Finanzvolumens im Länderfinanzausgleich schultert, dass 67 Prozent der Zuweisungen in die Flächenländer Ostdeutschlands fließen und gut 16 Prozent nach Berlin, ist genau dieser Sonderlage geschuldet. ({3}) Ich kann nur davor warnen, einen ähnlichen Fehler wie Anfang der 90er-Jahre zu wiederholen. Die neuen Länder brauchen eine angemessene Finanzausstattung, um die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen und den wirtschaftlichen Aufbau fortzusetzen. Wir werden deshalb auch zehn Jahre nach der Wiedervereinigung eine Reform des Länderfinanzausgleichs hinbekommen müssen, die dieser Sonderlage Rechnung trägt. Es ist geradezu eine Quadratur des Kreises, die zwingend gebotene Konsolidierungspolitik des Bundes und der Länder mit der nicht weniger zwingend gebotenen Politik des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Ländern zu kombinieren. In diesem Sinne hat die neue Bundesregierung einige wichtige Anstöße gegeben. Es geht um die Schaffung von Chancengleichheit, um die Möglichkeit für die Menschen, ihre Chance aktiv ergreifen zu können. Ich denke zum Beispiel an Inno-Regio. Ich gebe zu, dass wir noch nicht am Ende einer überfälligen Neuorientierung des Aufbaukonzeptes für Ostdeutschland stehen. Das gilt im Übrigen auch für Sie, meine Damen und Herren von der Union. Das 20-Punkte-Programm für den Aufbau Ost, das Sie am 21. Juni dieses Jahres der staunenden Öffentlichkeit vorgestellt haben, birgt wenig Überraschendes. Das meiste davon ist bereits oder wird von der Bundesregierung im Haushalt 2001 umgesetzt. Da heißt es bei Ihnen zum Beispiel bei den kurzfristigen Maßnahmen - ich zitiere -: ... wirtschaftsnahe Infrastrukturmittel im Haushalt 2001 erhöhen: Baukonjunktur stützen, Basis für private Investitionen verbessern. Ich kann nur sagen, das ist gut und mit Recht gefordert. Aber wir fordern nicht nur, wir machen es auch. Die Investitionsquote im Bundeshaushalt 2001 beträgt 12,2 Prozent. Sie liegt damit über den Quoten der Vorjahre. Wesentlichen Anteil daran hat das Zukunftsinvestitionsprogramm, das wir aus den Zinsersparnissen, die durch die Versteigerung der UMTS-Lizenzen möglich wurden, finanzieren. Die Investitionen in Ortsumgehungen, die Modernisierung der Schienenwege und die Gebäudesanierung schaffen und sichern zahlreiche Arbeitsplätze und fördern das Wachstum auch und gerade in den neuen Ländern. Ich zitiere weiter aus dem 20-Punkte-Programm: Marktchancen im Ausland nutzen: Sonderprogramm zur Exportförderung Ost sofort intensivieren. Richtig gefordert, kann ich nur sagen. Wir machen das auch. Ich zitiere weiter aus dem CDU-Papier: Wachsenden Wohnungsleerstand bekämpfen: Entlastung von Altschulden. Gut gefordert! Wir machen das. Wir stellen eine Altschuldenhilfe zur Entlastung von Wohnungsunternehmen bereit, und zwar 60 Millionen DM bar und 640 Millionen DM als Verpflichtungsermächtigung. Weiter fordert die Union: Bilanz 10 Jahre Aufbau Ost ziehen: Förderkatalog Ost überarbeiten... Lesen Sie den Bericht der Regierung zum Stand der deutschen Einheit. Hier wird nichts mehr beschönigt, hier werden Fakten auf den Tisch gebracht, und hier ist auch der steinige Weg beschrieben, den wir in den neuen Ländern noch vor uns haben. Weiter fordert die Union: Planungssicherheit für die Länder herstellen: Solidarpakt II noch in dieser Legislaturperiode beschließen. Sie kennen die Festlegungen dieser Regierung und der sie tragenden Fraktionen. Es wird noch in dieser Legislaturperiode zu einem Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum Maßstäbegesetz, zum Finanzausgleichsgesetz und zur Fortsetzung des Solidarpaktes kommen. Die Union fordert, die Standortwerbung für Ostdeutschland im Ausland über 2001 hinaus zu verlängern. Sie wissen, dass ich mich dafür auch persönlich eingesetzt habe. Ich finde, dass das Industrial Investment Council eine gute Arbeit macht, und ich bin auch davon überzeugt, dass wir in dieser Frage bald eine positive Perspektive aufzeigen können. ({4}) Lassen Sie mich jedoch noch einen Punkt ansprechen, der in den Haushaltsberatungen eine wichtige Rolle gespielt hat. Das ist die Erhöhung der Fördermittel für die Kultur. Zum einen halte ich die Erhöhung des Ansatzes für die Hauptstadtkultur für sehr gerechtfertigt. Zum anderen konnten aber auch die im Regierungsentwurf vorgesehenen Mittel in Höhe von 30 Millionen DM für das Aufbauprogramm „Kultur in den neuen Ländern“ auf 60 Millionen DM erhöht werden. Jeder weiß inzwischen, welches steingewordene und ideelle Kulturerbe Ostdeutschland von Rügen bis Plauen zu bieten hat. Das ist ein Schatz, den es noch stärker als bisher zu hüten und zu aktivieren gilt. ({5}) Ich bin davon überzeugt: Die Entwicklung von Kultur und Wissenschaft als sanften Standortfaktoren wird in Zukunft für den Aufbau Ost wichtiger sein als steuerliche Sonderabschreibungen. Und hier schließt sich wieder der Kreis zu Sebnitz: Alle Förderung des Bundes und der Länder für Ostdeutschland ist auf Sand gesetzt, wenn die politische Stabilität, wenn Recht und Freiheit der Menschen, auch und gerade von Minderheiten, in Frage gestellt werden. ({6}) Die Menschen in Ostdeutschland haben in übergroßer Mehrheit begriffen, was manche dringend noch begreifen müssen: Jeder politische, jeder rassistisch motivierte, jeder ausländerfeindliche Anschlag ist ein Anschlag auf ihre eigene Stadt, auf ihre eigene Region, und es ist ein schwerer Rückschlag für Ostdeutschland und damit für uns alle. Das sollte jedem bewusst sein. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe dem Kollegen Günter Nooke für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Günter Nooke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003200, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! 10 Jahre nach der Herstellung der staatlichen Einheit ist die wirtschaftliche Lage in den neuen Ländern trotz Fortschritten in einzelnen Bereichen insgesamt nach wie vor unbefriedigend. Der Aufholprozess kam ... nicht nur zum Stillstand, sondern gemessen am Pro-Kopf-Einkommen fiel der Osten sogar zurück. ... die Produktion je Einwohner verharrt bei 61 % des Standes in Westdeutschland. Hinzu kommt, dass die Erwerbstätigenquote im ersten Arbeitsmarkt in Ostdeutschland mit 58 % inzwischen geringer als in Westdeutschland ist. Bezieht man die gestiegene Ausstattung Ostdeutschlands mit einem modernen Produktionsapparat auf die Zahl der Einwohner, die hier ersatzweise als Bezugsgröße für die Erwerbsfähigen stehen, so liegt die Anlagenintensität noch weiter hinter der Westdeutschlands zurück. ... Soll die Produktivitätslücke weiter geschlossen werden, ohne dass dies über weitere Entlassungen erreicht wird, muss der Kapitalstock im Osten für lange Zeit stärker zunehmen als im Westen. ... ... Die Infrastruktur weist noch immer erhebliche Defizite im Vergleich zum Westen auf. Ostdeutschland bleibt auch in den kommenden Jahren auf finanzielle Zuschüsse aus Westdeutschland angewiesen. Die Entwicklung des Wirtschaftspotenzials in Ostdeutschland liegt nicht nur im Interesse der neuen Länder, sondern auch im Interesse der alten Länder. Ein dauerhaftes Zurückbleiben der ostdeutschen Wirtschaft würde soziale Folgekosten auslösen, die letztlich der Westen tragen müsste. Der Staat muss dort seine Anstrengungen erhöhen, wo er unmittelbare Verantwortung zur Verbesserung der Qualität des Standortes Ostdeutschland trägt, nämlich im Bereich der öffentlichen Infrastruktur. ({0}) Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind alles Zitate aus dem Herbstgutachten der Wirtschaftsweisen, im Oktober 2000 aufgeschrieben, ({1}) und ich habe bewusst diese abgewogenen Worte gewählt, damit man mir nicht unterstellt, ich würde hier irgendwelche Unwahrheiten über Ostdeutschland verbreiten. Aber wenn die Redner der Koalition, wie gestern Herr Spiller, gerade dieses Gutachten für die Erfolge der Bundesregierung heranziehen und sich damit offensichtlich Autorität von unabhängiger Stelle beschaffen wollen, dann kann ich nur sagen: Sie haben nicht darüber nachgedacht. Wir als Opposition - von der einige vielleicht meinen, wir würden keine grundsätzliche Kritik an der Bundesregierung üben - kritisieren die Bundesregierung an diesem Punkt grundsätzlich. Der Aufbau Ost ist eine total offene Flanke der Bundesregierung. ({2}) Hier können wir schon als Halbzeitbilanz ganz klar feststellen, dass die Bundesregierung auf der ganzen Linie versagt hat. Ein Gegensteuern, das dringend notwendig wäre, ist ausgeblieben. Sie haben gehört, wie die Entwicklung beschrieben wird. Wie wird eine solche Haushaltsdebatte in den neuen Bundesländern wahrgenommen? Dazu kann ich Ihnen, Frau Kaspereit, nur sagen: Das, was Sie hier auch zu Sebnitz gesagt haben, war unzureichend. ({3}) Uns allen geht der Tod eines Menschen zu Herzen. Auch ist es wichtig, dass so etwas zuerst genannt wird. Aber es ist nicht angebracht, sich beim Thema Ostdeutschland nur auf diesen Teil der Debatte zu konzentrieren und die Öffentlichkeit ihren Gefühlen zu überlassen. Emotionen anstelle klaren Verstandes sind als kritikwürdig anzusehen. Die Debatte über Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern ist etwas, was einer differenzierten Analyse bedarf. Die Stadt Sebnitz in Sachsen und mit ihr die neuen Bundesländer sind hier in unverantwortlicher Weise in Verruf gebracht worden. ({4}) Wie bei dem Fall Joseph, bei dem in keiner Weise belegt ist, ob es sich überhaupt um Mord handelt, wissen einige immer schon vorher, was sich genau abgespielt hat und was die Motive waren. Ich finde das unglaublich. Es kommt einem schon der Gedanke, dass Ihnen diese Debatte gar nicht so ungelegen kommt, weil dann alle mit Ostdeutschland Rechtsextremismus und nicht das Scheitern der Bundesregierung beim Aufbau Ost verbinden. ({5}) Die Menschen im Osten Deutschlands haben über Ihre Politik übrigens schon längst abgestimmt. Sie haben sich aus dem Osten verabschiedet. Nie war die Abwanderungsrate der Ostdeutschen, die in den Westen oder sogar ins Ausland gehen, so hoch wie zu dieser Zeit. Sie sollten diese Entwicklung als Warnsignal auffassen und sich zu Herzen nehmen, was dort tatsächlich über Ihre Politik gedacht wird. Ohne die Menschen ist nämlich in unserem Land kein Staat zu machen und ohne die Menschen im Osten unseres Landes ist auch der Aufbau Ost sinnlos. Ich will nicht die zynische Frage stellen, ob die Regierung das vielleicht schon genauso sieht und deshalb nichts mehr tut. Ich möchte noch einen Punkt ansprechen, der mir besonders wichtig ist. Wenn sich die Menschen abwenden, dann hat das damit zu tun, dass die Kluft zwischen Ost und West größer wird. Die neuen Länder, einschließlich Berlin, hatten 1998 ein Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent. In den alten Bundesländern betrug es gleichzeitig immerhin 2,3 Prozent. Dem Wachstum von knapp 1 Prozent in den neuen Bundesländern steht 1999 ein Wachstum von fast 1,5 Prozent im Westen gegenüber. Wie immer man es dreht: Wirtschaftsforscher rechnen erst bei einem Wachstum von mehr als 3 Prozent mit echten Arbeitsplatzeffekten. Damit ist klar: Wirtschaftspolitisch und arbeitsmarktpolitisch hat die Bundesregierung versagt. Ein Vergleich: Allein Bayern, Herr Glos, steuert mit knapp 17 Prozent bereits mehr zum gesamtdeutschen Bruttoinlandsprodukt bei als alle Ostländer und Berlin zusammen. Das kann uns bei einer Debatte über die grundsätzliche Politik der Bundesregierung und zum Haushalt des Jahres 2001 nicht kalt lassen. ({6}) Wenn Sie dann noch eine Broschüre herausbringen, die „Zehn Jahre vereint - Deutschland 2000“ heißt, und damit das Geld in Propagandamaßnahmen stecken - eine Direktinvestition wäre besser gewesen, als Geschichtsklitterung zu betreiben -, dann habe ich schon Mühe, zu erkennen, ob es Ihnen an dieser Stelle mit den Menschen und dem Aufbau Ost wirklich Ernst ist. Sie haben im vergangenen und in diesem Jahr jeweils 2,75 Milliarden DM aus dem Haushalt gestrichen. Das ist wohl so etwas wie rot-grüne Kontinuität. Aus gutem Grund hat sich das Kanzleramt bis zum heutigen Tage geweigert, eine exakte Gesamtauflistung der Transferzahlungen für die neuen Bundesländer für diesen Haushalt 2001 überhaupt vorzulegen. 300 Millionen DM werden bei der Wirtschaftsförderung gekürzt, 2 Milliarden DM bei der Infrastrukturförderung. Das ist meines Erachtens ein unglaublicher Vorgang, der wirklich von einem totalen Ausfall des Gesichtsfeldes in Bezug auf den Osten zeugt. Wenn dann noch der Bundeskanzler vor wenigen Tagen das eingangs zitierte Wirtschaftsgutachten des Sachverständigenrates als Bestätigung seiner Politik verkauft hat, dann weiß ich nicht, wie das in den neuen Bundesländern verstanden werden soll. ({7}) Ich bin mit den Kürzungen im Haushalt nicht einverstanden. Gerade mit den Zinseinsparungen aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen hätte die Möglichkeit bestanden, ein Zeichen zu setzen. Wir haben einen Antrag gestellt, die Hälfte der Erlöse aus der Verkaufssteigerung der Mobilfunklizenzen als Signal für den Aufbau Ost einzusetzen. ({8}) Ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich zum Aufholprozess in den neuen Bundesländern hinsichtlich Infrastruktur, Bildung, Universitäten, Schulen usw. klar äußern würden. Das ist leider nicht passiert. ({9}) - Wir haben den Antrag gestellt und Sie haben abgelehnt. Damit haben Sie sich klar dazu geäußert, wie Sie den Aufbau Ost sehen. Herr Schwanitz hat sogar noch vor laufenden Kameras erklärt: Die Gesundung des Haushalts hat Vorrang. - Nur zur Erinnerung: Herr Schwanitz, Sie sind nicht Haushaltssanierungsminister, sondern Sie sind vom Kanzler als Aufbau-Ost-Minister eingesetzt worden. ({10}) Natürlich soll ein solcher Ostbeauftragter nicht einfach nur Geld ausgeben; er soll den effizienten Mitteleinsatz durchaus kontrollieren. Aber seine eigentliche Aufgabe muss es doch sein, politische Akzente für den Aufbau Ost zu setzen und sich beim Finanzminister Gehör zu verschaffen und durchzusetzen. Aber davon ist überhaupt nichts zu merken - leider auch hier totale Fehlanzeige. Damit Sie sich nicht nur ärgern, will ich als Letztes auf einen wichtigen Punkt hinweisen: Vielleicht sollten wir noch einmal grundsätzlich über den Aufbau Ost sprechen und darüber nachdenken, wie wir das am besten angehen wollen. Lassen Sie mich dabei fragen, ob die Begriffe Aufbau Ost und Aufholjagd die wir verwenden, überhaupt richtig sind. Das Bild der Aufholjagd suggeriert nämlich, dass die neuen Länder keine andere Chance haben, als den alten Ländern hinterherzuhecheln und dabei die demotivierende Erfahrung zu machen, dass der Abstand größer wird. Ich halte es für sinnvoll - ich beziehe mich dabei auf eine Überlegung des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf -, zu fragen, wo Deutschland und damit auch die neuen Bundesländer im Jahre 2015 stehen sollen. Eine Antwort darauf hätte den entscheidenden Vorteil, dass die neuen Bundesländer, ausgehend von ihren Stärken und Schwächen, eigene, vielleicht auch neue Wege zu diesem Ziel gehen könnten. ({11}) Darüber hinaus wird das auch der immer differenzierteren Situation in den neuen Bundesländern selbst gerecht, zum Beispiel zwischen Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. Die Politik der Bundesregierung zulasten des Ostens wird sich rächen. Wer nicht mit Herzblut und vollem Einsatz für die neuen Länder kämpft, verliert. ({12}) Aufbau Ost ist so etwas wie Rudern gegen den Strom. ({13}) - Ja, hören Sie doch einmal zu: Wer nicht energisch rudert, der fällt zurück. Das beobachten wir seit zwei Jahren. Denn der Rest der Welt wartet nicht. Auch das Wirtschaftswachstum in Europa, zum Beispiel in den mittelund osteuropäischen Ländern, geht weiter. ({14}) Das Schlimmste, was passieren kann, ist nämlich, dass die neuen Länder nicht zum Scharnier und Sprungbrett werden, sondern einfach unter die Räder kommen. Es geht darum, dass wir in der zukünftigen Entwicklung überhaupt eine Chance haben. Da gibt es viele konkrete Probleme. Ich habe den Staatsminister gebeten, in Bezug auf die Interreg-III-Förderung in Brüssel einmal nachzufragen, warum die Gelder erst im Sommer 2001 ausgezahlt werden können. Denn anderthalb Jahre, in denen das Geld zur Verfügung stehen müsste, können so nicht genutzt werden. Ich könnte noch viele andere Punkte anführen. Ich glaube, wir müssen uns klar machen: Die Mittel, die heute für Investitionen nicht zur Verfügung stehen, werden in einigen Jahren in doppelter Höhe für Sozialtransfers zur Verfügung stehen müssen. Insofern muss für den Aufbau Ost jetzt mehr getan werden. Dafür haben Sie die zweite Hälfte Ihrer Regierungszeit noch zur Verfügung - mehr sicher nicht. Danke. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Lothar Mark.

Lothar Mark (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003190, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Mit der Verabschiedung des Haushalts 2001 gelingt der Koalition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Kulturpolitik ein großer Wurf. Leitlinien des Kulturhaushalts sind klare Zuordnungen von Verantwortung, punktuell sinnvolle Mittelerhöhungen und Planungssicherheit für die Zuwendungsempfänger. Sozialdemokraten und Grüne erweisen sich dabei als eine modernisierende Kraft. Wir tragen Schritt für Schritt die Erblasten ab und strukturieren nachvollziehbar und nachhaltig. ({0}) Ich will mich auf drei Schwerpunkte konzentrieren: Vertriebenenförderung des Bundes, Kulturförderung in den neuen Ländern und Kulturförderung in Berlin. Die übrigen Bereiche der Kultur werden weiterhin qualifiziert gefördert und sind im Bundeshaushalt ohne große Abweichungen gegenüber dem letzten Jahr vertreten. Zur Vertriebenenförderung: Der Bundesrechnungshof hat die Förderung kultureller Maßnahmen im Rahmen von § 96 Bundesvertriebenengesetz im Jahre 1998 geprüft. Er stellte fest, dass insbesondere die Förderung der Erhaltung und Auswertung deutscher Kultur der historischen Siedlungsgebiete mit 18 Einrichtungen stark zersplittert ist. Neun dieser Einrichtungen wurden mit 100 Prozent vom Bund, ohne Beteiligung der Länder gefördert. Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass eine Gesamtkonzeption für die Förderung fehlt. Einrichtungen mit ihren angegliederten Museen, Bibliotheken und Archiven werden ohne erkennbare Prioritätensetzung zum Teil institutionell, zum Teil durch Projekte oder auf beide Arten gefördert. Das Fördersystem ist unübersichtlich und nicht nachvollziehbar. Der Bundesrechnungshof hat den Beauftragten der Bundesregierung aufgefordert, eine übergreifende Neukonzeption zu erarbeiten. Seit 1983 sind die Mittel des Bundes für die Vertriebenenkultur - nach dem Gießkannenprinzip verteilt von 8 Millionen DM auf über 50 Millionen DM aufgestockt worden. Die Koalition ist jetzt erfolgreich dabei, auf diesem Gebiet effiziente, wissenschaftliche und vernetzte Strukturen einzuführen und das mit dem Ziel zu vereinbaren, den Bundeshaushalt zu konsolidieren. ({1}) Vor dem Hintergrund des genannten Berichts des Bundesrechnungshofs hatte die CDU/CSU-Fraktion noch den verzweifelten Mut, einen Antrag einzubringen, der vorsah, die Mittel für Kulturprojekte in diesem Bereich erneut um pauschal 12 Millionen DM zu erhöhen. ({2}) In diesem Zusammenhang kommt der Verdacht der Selbstbedienungsmentalität auf, Herr Kampeter. Populistische Anträge werden von der Bevölkerung als solche erkannt und nicht ernst genommen. Wir unterstützen im Haushalt 2001 die Reformbestrebungen des Staatsministers hinsichtlich der deutschen Kultur in Osteuropa konsequent. In dem Bericht des Rechnungshofes heißt es weiter: Der Bundesrechnungshof erkennt die geleisteten Vorarbeiten ... an. Wenn die ... Eckpunkte der Neukonzeption umgesetzt werden, sind die vor über vier Jahren gegebenen Anregungen aus dem Haushaltsausschuss verwirklicht. Diese Ausführungen sprechen für sich und bedürfen keiner weiteren Kommentierung. Zur Kulturförderung in den neuen Ländern: Frau Kaspereit hat schon darauf hingewiesen, dass die Mittel für das Aufbauprogramm von 30 Millionen DM auf 60 Millionen DM verdoppelt wurden. Der Bund verpflichtet sich, bis zum Jahr 2004 insgesamt 120 Millionen DM für Investitionen im Kulturbereich zusätzlich zur Verfügung zu stellen. Das Aufbauprogramm, 1999 von SPD und Grünen in Höhe von 240 Millionen DM bis zum Jahre 2003 veranschlagt, korrigiert die schwerwiegenden Unterlassungssünden im kulturpolitischen Sektor, die die Vorgängerregierung begangen hat. ({3}) Zusammen mit den bereits 1999 bewilligten 240 Millionen DM und den Komplementärmitteln der ostdeutschen Bundesländer kommt der Entwicklung der Kulturstätten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR fast eine dreiviertel Milliarde DM zugute. Die massive Ausweitung des Aufbauprogramms, die wir eingeleitet haben, wird dadurch verstärkt, dass wir die Mittel des Investitionsförderungsgesetzes auch der Kultur eröffnet haben, sodass zusätzliche Gelder zur Verfügung stehen. Im Osten wird ein Thema seit zehn Jahren verschwiegen - ich erwähne dies nur ganz kurz -: Es handelt sich um Prora auf Rügen. Ich habe mich mit diesem Thema sehr intensiv beschäftigt und bin der Meinung, dass hier eine gesamtstaatliche Aufgabe vorliegt, bei der es nicht angeht, dass der eine dem anderen den Schwarzen Peter zuschiebt, aber nichts passiert. Prora ist da. Wir müssen uns damit auseinander setzen und wir müssen eine vernünftige Konzeption finden und umsetzen. ({4}) Die Stiftung Neue Kultur, die sich mit diesem Projekt beschäftigt, erhält 630 000 Euro. Der Bund muss Komplementärmittel zur Verfügung stellen. Dies wird über den Haushalt des Staatsministers einmalig geschehen, sodass, wenn dies erforderlich ist, hier neue Akzente gesetzt werden können. Ein weiteres Beispiel für die Förderung der Kultur im Osten ist die Aufstockung der Mittel für die Stiftung für das sorbische Volk. ({5}) Hierzu will ich sagen, dass es nicht richtig ist, dass wir seitens des Bundes immer kürzen und dann wieder draufsatteln. Hier müssen klare Verhältnisse geschaffen werden, indem endlich eine Evaluierung erfolgt. Deswegen haben wir auch in unserem Antrag festgelegt, dass diese neuerliche Aufstockung um 1 Million DM Modernisierungszwecken und der Veränderung der Personalstruktur zugute kommt. Herr Kampeter, in diesem Zusammenhang will ich aber auch darauf hinweisen, dass es meiner Überzeugung nach unseriös ist, hinsichtlich der Stiftung für das sorbische Volk Erhöhungsanträge mit einem Volumen von 2 Millionen DM zu stellen, wo doch die alte Koalition mit den Bundesländern Sachsen und Brandenburg die Absenkung auf 8 Millionen DM vereinbart hatte. Sich so zu verhalten macht keinen Sinn. ({6}) In puncto Hauptstadtkultur will ich darauf hinweisen, dass es wichtig ist, nunmehr für die Kulturförderung in Berlin Klarheit zu schaffen, dass auch hier Verantwortungen nicht hin und her geschoben werden können. Der Bund übernimmt einige Einrichtungen zu 100 Prozent. Somit sind die Verantwortungen klar gegliedert. Wichtig dabei ist, dass wir neben den sonstigen Mitteln für Berlin insgesamt über 100 Millionen DM zur Verfügung stellen und dass im Hauptstadtkulturfonds 20 Millionen DM zur Verfügung stehen, die um 3,5 Millionen DM - zunächst einmalig erhöht wurden, um die Staatskapelle konkurrenzfähig zu halten und deren Fortbestand zu sichern sowie Berlin die Möglichkeit zu geben, ein vernünftiges Theaterkonzept umzusetzen. ({7}) Die Bereiche der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten will ich nicht vertiefen, weil mir die Zeit hierzu fehlt. Ich will nur den Hinweis geben, dass es uns gelingen wird, die Museumsinsel in den nächsten zehn Jahren zu sanieren, sodass nicht, wie dies ursprünglich konzipiert war, für die nächsten 20 Jahre eine Dauerbaustelle entsteht. Zum Holocaust-Mahnmal will ich darauf hinweisen, dass wir endlich damit begonnen haben, klare Vorgaben zu machen und dass die Umsetzung erfolgen kann. Ich denke, dass es ungemein wichtig ist, endlich einen Schlussstrich zu ziehen, um mit den Baumaßnahmen beginnen zu können. Zur Sammlung Berggruen will ich mir Erläuterungen ersparen. Sie war lange und breit in den Medien behandelt worden. Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist abgelaufen. Ich möchte mit einem Wort zum Leitbild und zur Leitkultur, die Sie angesprochen haben, schließen. Für uns gilt das Leitbild der politischen Kultur der deutschen Sozialdemokratie: Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Solidarität zwischen allen hier lebenden Menschen. Für eine solche Kultur werden wir kämpfen, und zwar nicht nur mit dem Kulturhaushalt 2001. Vielen Dank. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Norbert Lammert für die Fraktion der CDU/CSU.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Kulturetat der Bundesregierung, über den wir jetzt debattieren, ist manches sicherlich gut gemeint. Aber vieles ist eben nicht gut gelungen. ({0}) Der große Wurf, von dem der Kollege Mark gerade gesprochen hat, ist mir auch bei sorgfältiger Lektüre der einzelnen Haushaltsansätze beim allerbesten Willen nicht aufgefallen. Völlig missraten ist die demonstrative Abwesenheit des zuständigen Staatsministers und Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, ({1}) der nach seiner Erklärung, zum Jahreswechsel aus diesem bedeutenden Amt auszuscheiden, offenkundig bei laufenden Bezügen weder die Zeit noch das Interesse an der Debatte über die Verabschiedung des Etats seines eigenen Hauses hat. ({2}) Dies setzt, wie ich finde, die deprimierende Serie von Konterkarierungen der eigenen Ansprüche, die wir in den letzten Wochen erleben mussten, auf traurige Weise fort. ({3}) Dass ein soeben mit großem Propagandaaufwand etablierter leibhaftiger Staatsminister für Kultur und Medien schon nach einem Jahr der erstaunten Öffentlichkeit mitteilt, dass er nicht die Absicht habe, sein Amt über einen unzumutbar langen Zeitraum auszuüben, und schon nach zwei Jahren sein Amt räumt, lässt genau die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit vermissen, die die Kulturpolitik mindestens so sehr wie jedes andere Politikfeld erfordert. ({4}) Mit dem angekündigten Wechsel des Ministers aus dem Regierungsamt in die Position des Herausgebers einer Wochenzeitung kommt die Kulturpolitik des Bundes auf sehr abrupte Weise aus den Wolken auf den harten Boden der Realität zurück. Eines geht eben nicht, bei allem Verständnis für berufliche Veränderungen: Man kann nicht mit dem Anspruch auftreten, die Kulturpolitik des Bundes geradezu neu erfunden, mindestens aber neu entdeckt zu haben, kaum ein anderes Thema für vergleichbar wichtig zu erklären als genau dies, und sich dann bei der ersten sich bietenden Gelegenheit in die Büsche schlagen, weil man anderes offenkundig noch wichtiger findet. Man kann nicht ernsthaft die vielen Funktionsträger, die in wichtigen kulturpolitischen Ämtern verzweifelt gegen die Haushaltsvorgaben kämpfen, zum Durchhalten ermutigen, wenn man sich selber genau gegenteilig verhält. Das ist der nachhaltige Schaden, der möglicherweise über längere Zeit von diesem Wechsel hervorgerufen wird. ({5}) Wir haben im Laufe der Haushaltsberatungen deutlich gemacht, welche Akzente wir uns bei der Dotierung von Kultureinrichtungen und -projekten, die sich direkt oder indirekt in der Zuständigkeit des Bundes befinden, wünschen würden. Ich möchte die Gelegenheit gerne nutzen, um mich bei allen Haushältern, insbesondere beim Berichterstatter meiner Fraktion, Steffen Kampeter, aber auch bei den anderen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss sehr dafür zu bedanken, dass es offenkundig eine breite Übereinstimmung hinsichtlich unseres gemeinsamen Anliegens der Sicherung und der Förderung von Kulturaufgaben gibt. Der Haushaltsausschuss kann fachlich nicht das ausgleichen, was durch eine mangelnde und schon gar nicht überzeugende Handschrift, die ich an anderer Stelle kritisiert habe, versäumt worden ist. Aber wir haben, Herr Kollege Mark, glücklicherweise nicht das Problem, über die notwendige Mindestfinanzausstattung der Kulturinstitutionen miteinander streiten zu müssen. Das halte ich für eine wichtige gemeinsame Basis, die ich auch in Zukunft erhalten möchte. Wir sind mit dem vorliegenden Etat nicht einverstanden, weil in ihm eine Reihe von Akzenten falsch und andere gar nicht gesetzt worden sind. Wir haben bei verschiedenen Gelegenheiten vorgetragen, dass die massiven Kürzungen im Bereich der „Deutschen Welle“ und der Kulturarbeit, die auf der Basis des Bundesvertriebenengesetzes geleistet wird, unserer Überzeugung nach entweder nicht hinreichend sachlich begründet sind oder mit dem ausdrücklich gesetzlich verankerten Auftrag, den die Institutionen wahrnehmen müssen, nicht in Übereinstimmung gebracht werden können. Wir hatten gerade in der vergangenen Woche Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der jetzt ausgehandelte Hauptstadtkulturvertrag aus einer Reihe von Gründen genau den Ansprüchen nicht genügt, die wir an eine klare, verlässliche und wirklich in die Zukunft weisende Verteilung der Aufgaben zwischen Berlin und dem Bund stellen müssen. ({6}) Herr Kollege Mark, was dieses scheinbar großzügige Geschenk mit der Attitüde eines Sonnenkönigs im Wert von 3,5 Millionen DM für die Staatskapelle angeht: Als Haushälter müssten Sie sich geradezu vor Empörung schütteln über einen solchen Vorgang, der nicht nur kein Problem löst, sondern der ohne jede Verpflichtungsermächtigung für kommende Jahre und auch - entgegen der Erklärung des Staatsministers hinsichtlich der Verstetigung dieser Maßnahmen - ohne jede Andeutung von Dauerhaftigkeit erfolgt ist und das gleiche Problem im nächsten Jahr beim Berliner Senat wieder ablädt. Nur wird das Ganze in der Zwischenzeit um genau die 3,5 Millionen DM teuerer, die der Bund nur für das nächste Jahr jetzt sozusagen über den Tisch gereicht hat. Dass diese Mittel im Übrigen als eine reine Verlegenheitsgeste - so verstehe ich das - aparterweise über den Umweg des Hauptstadtkulturfonds verteilt werden sollen, bedeutet gleichzeitig, dass man diesem Fonds die Souveränität hinsichtlich der Verwendung der Mittel mit dem gleichen Vorgang entzieht, mit dem man sie ihm in großer Geste und rhetorisch eindrucksvoll attestieren will. ({7}) Dies ist eben kein großer Wurf, es ist ein großer Flop. Deswegen werden wir das mühsame, zähe Bohren harter Bretter mit veränderter Personalzusammensetzung im nächsten Jahr fortsetzen müssen. Ich freue mich über alle, die dann noch dabei sind. Ich sage unseren guten Willen und unsere Hartnäckigkeit bei der Verfolgung dieses gemeinsamen Ziels gerne zu. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bevor ich dem letzten Redner in dieser Debatte das Wort gebe, weise ich darauf hin, dass wir anschließend in die von den Fraktionen verlangte namentliche Abstimmung über den Etat des Bundeskanzlers eintreten. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Klaus Hagemann.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf die fast fünfstündige Debatte zurückblickend, möchte ich noch einmal feststellen, dass gerade von den Rednern der Opposition mehrfach mit dem Zeigefinger auf die Regierung und die Koalition gezeigt wurde. Aber Sie sollten bedenken, dass dabei immer drei Finger auf Sie zurückzeigen. ({0}) Es ist nun einmal historische Wahrheit und Fakt, dass das Wachstum in den 90er-Jahren wesentlich geringer war als jetzt, die Arbeitslosigkeit den höchsten Stand erreicht hatte, den wir je hatten, Steuern und Abgaben am höchsten waren, die Schulden auf dem höchsten Stand waren, den wir je erlebt haben, und für Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie für das BAföG die geringsten Ausgaben veranschlagt worden sind. Dies ist historischer Fakt. Das fällt auf Sie zurück. Wir können erst seit wenigen Monaten bzw. seit einem Jahr eine Trendwende beobachten. Diese Trendwende spricht für die Politik, die die Koalition eingeleitet hat. ({1}) Es war schon ein politischer Kraftakt - der Bundesfinanzminister und der Bundeskanzler haben mehrfach darauf hingewiesen -, die Weichen anders und somit richtig zu stellen. Das gilt zum einen für den Spar- und Zukunftsplan und zum anderen für die Verwendung der Erlöse aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen. Hier hat mich, sehr geehrter Herr Kollege Nooke, ein erneuter Vorschlag von Ihnen erstaunt. Ich weiß nicht, ob es der 15. oder der 16. Vorschlag war. Dazu sage ich: Nein, es war richtig, die erzielten Erlöse zur Schuldentilgung einzusetzen. Die Zinsersparnisse können wir aufwenden für Projekte, die notwendig sind. Hier ist insbesondere das Zukunftsinvestitionsprogramm zu nennen. Ich möchte die Verkehrsprojekte herausgreifen. Herr Brüderle, wir als Rheinland-Pfälzer sollten diese Projekte einmal in den Mittelpunkt stellen. ({2}) Ich bin dankbar, dass wir diese Mittel - das gilt für andere Bundesländer genauso - für Verkehrsprojekte, die die Straße und die Bahn betreffen, zur Verfügung stellen können, Projekte, die lange Zeit beredet wurden und über die verhandelt wurde. Nun endlich werden sie realisiert. Ich hätte eigentlich erwartet, sehr geehrter Herr Kollege Brüderle - ich spreche auch die anderen Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz an -, dass Sie dem Verkehrsetat zugestimmt hätten, dass wir hier gemeinsam sagen: Wir stellen diese Mittel zur Verfügung, damit diese Projekte endlich für die Menschen in Angriff genommen und beispielsweise die Umgehungen gebaut werden können. Sehr geehrter Herr Brüderle, Ihr Nachfolger, Herr Staatsminister Bauckhage, hat mit Recht stolz dabeigesessen, als der Bundesverkehrsminister und Ministerpräsident Beck diese Projekte bekannt gegeben haben. Es wäre schön, wenn auch Sie dem entsprechenden Einzelplan zustimmten. ({3}) Das Land Rheinland-Pfalz - Herr Brüderle, Sie haben es angesprochen - hat dazu beigetragen, dass die gute, familiengerechte und unternehmensfreundliche Steuerreform durchgesetzt werden konnte. Auch dafür möchte ich ein Dankeschön aussprechen. Nur, es stört mich natürlich sehr, dass sowohl von Ihnen als auch von der Union eine Doppelstrategie gefahren wird: Hier fordern Sie, dass der Bevölkerung noch mehr Geld zurückgegeben wird - Sie haben das in Ihrem Beitrag deutlich zum Ausdruck gebracht -, aber draußen, in den Landes- und in den Kommunalparlamenten, beklagen Ihre politischen Freundinnen und Freunde, dass die Einnahmen in den Kassen der Länder und der Kommunen geringer sind, sodass man weniger verausgaben kann. Dies ist Doppelstrategie, dies ist politische Heuchelei. Hier im Bundestag fordern Sie noch mehr steuerliche Entlastung und in den Ländern und in den Kommunen behaupten Sie, Rot-Grün sei schuld an den Mindereinnahmen. Das können wir Ihnen nicht durchgehen lassen. ({4}) Politische Heuchelei ist auch noch an anderen Stellen zu beobachten. ({5}) Wir haben eine Wohngeldreform eingeleitet, weil diesbezüglich zehn Jahre lang nichts geschehen ist. Wir haben eine Erziehungsgeldreform eingeleitet, weil diesbezüglich 14 Jahre lang nichts geschehen ist. Wir haben eine BAföG-Reform eingeleitet und beschlossen, weil das BAföG ausgetrocknet worden war. Wir haben etwas zur Förderung des Ehrenamtes getan. In den vielen Jahren Ihrer Regierungszeit ist auf diesem Gebiet nichts geschehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es geht um den Etat des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich bitte Sie herzlich, auch dem letzten Redner die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken. ({0})

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. Das ist eine Unterstützung. Ich möchte auf die Reformen hinweisen, die wir im sozialen Bereich eingeleitet haben. Jahrzehntelang ist Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters Ihrerseits nichts geschehen. Bei den Beratungen hieß es von CDU und F.D.P. - auch heute wurde es durch Zwischenrufe wieder deutlich -: Das, was beschlossen worden ist, reicht alles noch nicht; es muss noch mehr getan werden. - An Ihrer Ablehnung des Haushalts lässt sich Ihre politische Heuchelei erkennen. Sie weisen wir zurück. Das ist keine ehrliche Politik. ({0}) Die Politik der Konsolidierung, wie sie von Finanzminister Eichel eingeleitet worden ist, und die sozialen Reformen, wie sie von der Mehrheit dieses Hauses beschlossen und von den zuständigen Ministerinnen und Ministern des Kabinetts umgesetzt worden sind, sind der richtige Weg. Davon profitieren die Menschen. Das gilt für die Investitionen im Verkehrsbereich genauso wie für die in den Sozialbereichen. Mein Appell an Sie alle lautet: Stimmen Sie diesem Haushaltsgesetz und dem Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, zu, damit die notwendige Finanzierung gesichert wird. Vielen Dank. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, in der Ausschussfassung. Die Fraktionen haben namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze an den Urnen einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich frage zum letzten Mal diese Frage richte ich vor allem an die Schriftführerinnen und Schriftführer am Ausgang des Plenarsaals -: Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimme abgegeben? - Das scheint jetzt der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. Die Sitzung ist unterbrochen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Einzelplan 04, Bundeskanzler und Bundeskanzleramt, auf den Drucksachen 14/4504 und 14/4521 bekannt. Abgegebene Stimmen: 601. Mit Ja haben gestimmt: 330. Mit Nein haben gestimmt: 271. Enthaltungen: keine. Die Beschlussempfehlung über den Etat des Einzelplans 04 ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 600; davon ja: 329 nein: 271 Ja SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Dr. Peter Eckardt Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({5}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({6}) Lilo Friedrich ({7}) Harald Friese Anke Fuchs ({8}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({9}) Angelika Graf ({10}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({11}) Hans-Joachim Hacker Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({12}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({13}) Walter Hoffmann ({14}) Iris Hoffmann ({15}) Frank Hofmann ({16}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({17}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({18}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({19}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({20}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Dr. Jürgen Meyer ({21}) Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({22}) Jutta Müller ({23}) Christian Müller ({24}) Franz Müntefering Andrea Nahles Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Renate Rennebach Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({25}) Birgit Roth ({26}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Gudrun Schaich-Walch Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({27}) Ulla Schmidt ({28}) Silvia Schmidt ({29}) Dagmar Schmidt ({30}) Wilhelm Schmidt ({31}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({32}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({33}) Brigitte Schulte ({34}) Reinhard Schultz ({35}) Volkmar Schultz ({36}) Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({37}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({38}) Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({39}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({40}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({41}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({42}) Helmut Wieczorek ({43}) Dieter Wiefelspütz Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({44}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({45}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann ({46}) Marieluise Beck ({47}) Volker Beck ({48}) Matthias Berninger Grietje Bettin Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({49}) Joseph Fischer ({50}) Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Ulrike Höfken Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Kerstin Müller ({51}) Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({52}) Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({53}) Werner Schulz ({54}) Christian Simmert Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({55}) Margareta Wolf ({56}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({57}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner ({58}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({59}) Peter H. Carstensen ({60}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({61}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ingrid Fischbach Dr. Gerhard Friedrich ({62}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({63}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({64}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({65}) Hansgeorg Hauser ({66}) Helmut Heiderich Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Volker Kauder Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers ({67}) Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({68}) Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold ({69}) Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({70}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({71}) Dr. Martin Mayer ({72}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({73}) Elmar Müller ({74}) Claudia Nolte Franz Obermeier Friedhelm Ost Eduard Oswald Norbert Otto ({75}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Christa Reichard ({76}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Hannelore Rönsch ({77}) Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Adolf Roth ({78}) Volker Rühe Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({79}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({80}) Andreas Schmidt ({81}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Gerhard Schulz Clemens Schwalbe Dr. Christian SchwarzSchilling Wilhelm-Josef Sebastian Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Matthäus Strebl Thomas Strobl ({82}) Michael Stübgen Edeltraut Töpfer Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({83}) Gerald Weiß ({84}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({85}) Hans-Otto Wilhelm ({86}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Peter Kurt Würzbach Benno Zierer Wolfgang Zöller F.D.P. Ina Albowitz Hildebrecht Braun ({87}) Ernst Burgbacher Ulrike Flach Horst Friedrich ({88}) Rainer Funke Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({89}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Dr. Helmut Haussmann Ulrich Heinrich Walter Hirche Birgit Homburger Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Ina Lenke Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({90}) Cornelia Pieper Dr. Günter Rexrodt Dr. Edzard Schmidt-Jortzig Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Petra Bläss Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Rolf Kutzmutz Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Petra Pau Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Ich rufe nun auf: III. 15 hier: Einzelplan 05 Auswärtiges Amt - Drucksachen 14/4505, 14/4521 Berichterstattung: Abgeordnete Uta Titze-Stecher Herbert Frankenhauser Dr. Werner Hoyer Dr. Barbara Höll Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich eröffne die Aussprache und gebe als erstem Redner dem Kollegen Karl Lamers, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesaußenminister hat mehrfach - zuletzt am 4. September - von der Notwendigkeit einer, so wörtlich, „strategischen Überprüfung der nationalen Interessen“ Deutschlands gesprochen. Das ist ein großes Wort, Herr Minister. Aber der fanfarenartigen Ankündigung folgte bislang keine Aufführung. ({0}) Die Bühne blieb leer. Stattdessen betonen Sie immer wieder die Kontinuität deutscher Außenpolitik und beschwören - wie der Bundeskanzler - die Normalität. Dass beides mindestens in einem gewissen Spannungsverhältnis zueinander steht, bedarf keiner Erklärung. ({1}) Ein Begriff ohne Inhalt verrät Unsicherheit und wirft bei unseren Partnern Fragen auf. Deswegen fordere ich Sie auf: Lassen Sie der Ankündigung die Aufführung folgen! Denn auch ich glaube, dass wir eine Grundsatzdebatte über die deutsche Außenpolitik brauchen. ({2}) Kontinuität alleine reicht nicht, Herr Minister. ({3}) Dabei werden nach meiner Überzeugung die außenpolitischen Interessen als solche sicher nicht zur Debatte stehen, sondern vor allem das Verhältnis zwischen unseren innen- und außenpolitischen Interessen und ihr jeweiliger Stellenwert sowie die Reichweite unseres außenpolitischen Handelns. Dass der Stellenwert der Außenpolitik ausweislich des heute zu debattierenden Haushaltes entschieden zu gering ist, ist gewiss nicht allein die Schuld des Außenministers. ({4}) Aber wenn dieser für seinen Haushalt nicht kämpft - ich kann nicht umhin, das zu wiederholen, Herr Fischer -, ({5}) wie sollen dann die Bürger und auch die große Mehrheit unserer Kollegen, die sich nicht mit der Außenpolitik befasst, davon überzeugt werden, dass unser Land seine Prioritäten - das ist meine absolut sichere Überzeugung falsch setzt? Während der Anteil der Ausgaben für auswärtige Angelegenheiten bei uns in diesem Jahr nur 0,7 Prozent beträgt, liegt er in Großbritannien bei 1,26 Prozent, und zwar - jetzt hören Sie gut zu - ohne die Ausgaben für auswärtige Kulturpolitik und friedenserhaltende Maßnahmen im Rahmen der UNO. Die uns am 24. November von Ihrem Haus vorgelegte, aber mir erst heute zugegangene Antwort auf unsere Kleine Anfrage in diesem Zusammenhang beleuchtet eindrucksvoll den dramatischen Abwärtstrend bei den Ausgaben für die Außenpolitik, der unter Ihrer Führung noch gesteigert worden ist. Ob es Ihnen gelingt, diesen Trend umzukehren, wird das erste und entscheidende Kriterium für die Bemessung Ihrer Leistung sein, und ob Sie dieses Interesse verfolgen, ist absolut objektiv nachprüfbar. ({6}) Bislang -, so kann ich nur feststellen, ist Ihre Leistung, gemessen an diesem Kriterium, unzulänglich! ({7}) Nebenbei gesagt: Der Begriff des nationalen Interesses ist ein gewisser Modebegriff geworden und wird leider oft missbraucht. Eigentlich gibt es bei näherem Hinsehen nur ein einziges, doppeltes nationales Interesse, nämlich die Sicherheit, die das Wohlergehen der Nation, ihre geistige und materielle Entfaltung ermöglicht. Es gibt allerdings für unser Land aufgrund seiner Lage, seiner demokratischen Verfasstheit, seiner spezifischen Größe und seiner Geschichte ein doppeltes Mittel, ohne das dieses einzige nationale Interesse nicht erreichbar ist und das von daher zu Recht selbst als nationales Interesse bezeichnet werden kann und muss: Es ist zum einen die Einigung Europas und zum anderen die Zugehörigkeit Deutschlands zum Bündnis europäischer Demokratien mit Amerika. Beides gilt nach dem Ende des Ost-WestKonfliktes und der Überwindung der Teilung unseres Landes nach meiner festen Überzeugung noch mehr als vorher. Jede Überprüfung der nationalen deutschen Interessen wird die Richtigkeit dieser Grundannahme bestätigen. Deshalb gilt - mehr will ich dann zu Europa nicht sagen, weil das bereits gestern ausführlich geschehen ist -: Wer immer über Europa redet - dazu gehört selbstverständlich auch kritisches Reden -, der sollte sich stets bewusst sein, dass vom Gelingen dieses Werkes, der Einigung Europas, das mit seiner Ausdehnung nach Osten auf dem Prüfstand steht, abhängt, ob Deutschland wieder in seine konfliktreiche Mittellage zurückfällt oder zur ruhigen Mitte Europas werden kann. ({8}) Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters Europa ist in der Tat das überragende deutsche Interesse. Daher unterstützt meine Fraktion auch die Anstrengungen der Europäischen Union zu einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Aber diese wirft nicht nur grundlegende institutionelle Fragen auf, sondern sie berührt auch das Verhältnis zu Amerika im Kern; denn Amerikas Rolle in Europa beruht auf seiner Dominanz in der Sicherheitspolitik. Mir scheint, Herr Minister, dass die Konsequenzen dieser Entwicklung für das europäisch-amerikanische - und darin eingeschlossen das deutsch-amerikanische - Verhältnis bei weitem nicht genügend bedacht werden. Ausmaß und Tiefe dieses Problems werden uns nur bewusst, wenn wir uns klarmachen, dass Amerika Teil des europäischen Systems ist, wie Europa Teil des globalen amerikanischen Systems ist, dass Amerika offen oder verdeckt an jedem europäischen Tisch sitzt, wohingegen Europa bei weitem nicht an jedem Tisch sitzt, an dem Amerika sitzt. Die Zukunft des europäisch-amerikanischen Verhältnisses hängt aber immer weniger von der Sicherheitslage in Europa und immer mehr davon ab, ob sich beide, Europa und Amerika, gemeinsam der Herausforderung vonseiten der übrigen Welt stellen, der sich der Westen, den beide bilden, gegenübersieht. Diese Herausforderung verlangt nach meiner Überzeugung dringend nach einem Mehr an amerikanisch-europäischer Zusammenarbeit, nach einem Mehr an umfassendem Zusammenwirken. Welchen Beitrag Europa dazu leisten kann, dieser Herausforderung angemessen zu begegnen, wie es die Beiträge Amerikas als unerlässliche Führungsmacht ergänzen, wenn nötig - das sage ich deutlich - auch korrigieren kann, kurz gesagt, wie es als wirklicher Partner, das heißt immer auch als möglicher Widerpart Amerikas, den Westen insgesamt stärken kann, das ist die entscheidende Frage für die Zukunft Amerikas und Europas. Meine tiefe Überzeugung ist: Entweder hat der Westen eine gemeinsame Zukunft oder er hat gemeinsam keine Zukunft. Das bei der Entwicklung einer europäischen Sicherheits- und Außenpolitik stärker zu bedenken, das, meine ich, ist eine der entscheidenden Aufgaben der Zukunft. Die Fähigkeit, im Rahmen Europas einen deutschen Beitrag zu leisten, setzt einen grundlegenden Bewusstseinswandel in unseren Köpfen voraus. Die Welt außerhalb Europas betrachten wir weitestgehend nur unter dem Gesichtspunkt deutscher Wirtschaftsinteressen, während wir die übrigen Felder der Politik den Amerikanern überlassen und sie dabei gern und wohlfeil - sicher oft auch zu Recht - kritisieren. Aber ohne die Bereitschaft, einen eigenen Beitrag zu leisten, wirkt diese Kritik hohl. Diese Bereitschaft jedoch muss der wesentliche Gegenstand und das entscheidende Ziel einer Überprüfung der nationalen deutschen Interessen sein. NMD, das amerikanische Raketenabwehrsystem, wird nun bald ein Test für unsere Fähigkeit sein, in globalen Kategorien zu denken und gemeinsam mit unseren europäischen Partnern eine konstruktive Antwort auf diese - dies sage ich ganz bewusst so - Herausforderung zu geben. Ob es Ihnen, Herr Minister, gelingt, der deutschen Außenpolitik einen weiteren, einen wirklich globalen Horizont zu geben, ist das zweite Kriterium für Ihren Erfolg oder Misserfolg. Leider kann ich auch hier bislang noch keinen Beitrag Ihrerseits erkennen. ({9}) Der ganz akute Anwendungsfall einer größeren und nicht nur räumlich weiteren deutschen Außenpolitik ist der Nahe Osten und hier vor allem - wenn auch keineswegs allein - der Israel-Palästina-Konflikt. Dass dieser eine Herausforderung ganz spezieller Art für Deutschland ist, bedarf keiner Erörterung. Der Bundeskanzler hat das kürzlich anlässlich seiner Reise in diese Region nahezu physisch spüren können. Er hat auf dieser Reise keinen Fehler gemacht. Ich meine das keineswegs herablassend; ich habe das auch öffentlich bestätigt. Dennoch stellt sich die Frage: Ist das genug? Gebietet es unsere Geschichte, zu schweigen oder gar zuzustimmen, wenn die Politik Israels nach unserer Überzeugung sowohl gegen seine eigenen Interessen verstößt als auch gegen die seiner europäischen Partner, die unentwirrbar durch Geschichte und Gegenwart mit den seinen verbunden sind? ({10}) Ist unser, von den wesentlichen europäischen Partnern abweichendes Abstimmungsverhalten in der UNO zwingend, zumal wir damit in entscheidendem Maße dazu beitragen, dass es in dieser Frage keine gemeinsame europäische Position gibt? ({11}) Man kann sich auch fragen, ob wir nicht aufgrund unserer Geschichte zu einer bestimmten Position geradezu verpflichtet sind, wenn es um die Sicherheit Israels geht. Wir Europäer haben uns auf dem Europäischen Rat in Essen - das wurde in wesentlichem Maße von deutscher Seite betrieben - zu einer privilegierten Partnerschaft mit Israel verpflichtet. Ich glaube, dass auch das uns verpflichtet, auf europäischer Ebene eine aktive Politik in diesem Konflikt zu betreiben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf einen letzten Punkt eingehen, von dem ich glaube, dass auch er ein Kriterium für den Erfolg oder Misserfolg nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Außenpolitik ist. Ich meine die Balkanpolitik. Sicher, die Militärschläge gegen das Milosevic-Regime, der Aufbau einer internationalen Verwaltung im Kosovo sowie vor allem der Stabilitätspakt haben viel, vielleicht zu viel Kraft gekostet. Aber damit ist es natürlich nicht getan. Wir müssen jetzt die Antwort für die politische Zukunft der ganzen Region finden, speziell der Region um das ehemalige und heutige Jugoslawien. Der EU-Balkangipfel in Zagreb in der letzten Woche gehört sicher zu den erfolgreichen Gipfeltreffen. Ich frage mich jedoch, ob die Perspektive für die Balkanstaaten, von nun an als - wie es dort hieß - „potenzielle Beitrittskandidaten“ zu gelten, ausreicht, um diese fundamentalen Probleme zu lösen. ({12}) Präsident Kostunica hat vor dem Europäischen Parlament in Straßburg einen - wörtlich - „Balkan-Integrationsprozess“ nach dem Modell der Europäischen Union vorgeschlagen. Ich glaube, das liegt absolut in der Logik des Stabilitätspaktes. Ich darf daran erinnern, dass ich von diesem Pult aus vor wenigen Wochen eine Institutionalisierung des Stabilitätspaktes vorgeschlagen habe. Ich freue mich, dass der griechische Außenminister Anfang November vom Stabilitätspakt als einer „Vorstufe eines neuen Vertrags für die Balkanstaaten“ gesprochen hat, sein Vorschlag also in exakt dieselbe Richtung geht. Eine Institutionalisierung des Stabilitätspaktes könnte die Bildung einer Südost-Europäischen Union nach dem Modell der Europäischen Union und zugleich als Teil der Europäischen Union zum Ziel haben. Sie würde eine Art Dachstruktur für die Region sein, die Bedeutung der Grenzen relativieren und für den Fall einer nicht auszuschließenden weiteren Fragmentierung in der Region dieser die Dramatik nehmen. Zusammen mit umfassenden sicherheitspolitischen Arrangements, die über Abrüstung und Rüstungskontrolle hinausgehen müssen, und der Präsenz internationaler Streitkräfte, wo und wie lange nötig, wäre diese SüdostEuropäische Union Garant einer friedlichen Entwicklung in der Region. Sie könnte auch helfen, das MontenegroProblem zu lösen und wäre nach meiner Überzeugung der Schlüssel zur Lösung der Statusfrage des Kosovo. Ich habe gestern durch reinen Zufall erfahren, dass der frühere Botschafter unseres Landes in Belgrad schon 1993 einen Vorschlag dieser Art gemacht hat, auch bezogen auf den Kosovo. Sie könnte aber auch den Rahmen für eine konkrete Ausfüllung der im Daytoner Vertrag vorgesehenen - wie es dort heißt - „besonderen parallelen Beziehungen“ zwischen der bosnischen Republik Srpska und der Bundesrepublik Jugoslawien einerseits sowie den bosnischen Kroaten und Kroatien andererseits bilden. Nicht zuletzt würde eine solche Dachstruktur es der internationalen Gemeinschaft erleichtern, die Diskussion über eine selbsttragende politische Ordnung auf dem Balkan zu führen, die sie vor dem Risiko eines jahrzehntelangen militärischen Engagements auf dem Balkan bewahren würde. Ich habe bei meinem Besuch in Belgrad kürzlich festgestellt, dass die neue Führung in Belgrad für eine solche Diskussion sehr offen ist. Ich finde, wir sollten die Chance nutzen. Wir wissen noch nicht, ob die neuen politischen Kräfte in Belgrad sich endgültig durchsetzen werden. Die Chancen sind aber umso größer, je nachdrücklicher wir nicht nur helfen - was wir tun; darin sind wir auch alle einig: Wir müssen konkret helfen, gerade in diesen Wochen vor den Wahlen am 23. Dezember -, sondern auch eine politische Perspektive eröffnen, die es der neuen Führung in Belgrad erlaubt, die noch außerordentlich starken nationalistischen Kräfte in ihrem Lande von der Notwendigkeit auch schmerzhafter Entscheidungen zu überzeugen. ({13}) Das, Herr Minister, wird ohne jeden Zweifel der konkreteste, aktuellste und schwierigste Prüfstein für die europäische und für die deutsche Außenpolitik sein. Ich fordere Sie auf: Haben Sie etwas mehr Mut! Haben Sie auch etwas mehr Visionen für die Lösung eines Problems ({14}) - ja! -, das sich ohne einen solchen Mut mit Sicherheit nicht lösen lässt! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Uta Titze-Stecher.

Uta Titze-Stecher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002331, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lamers, Ihre Darstellung außenpolitischer Probleme hebt sich positiv von dem ab, was der Kollege Rühe an Forderungen in einem Katalog, der sich materiell auf rund 120 Milliarden DM beziffert, erhoben hat. Insofern danke ich Ihnen. ({0}) Allerdings muss ich sagen, dass der Haushaltsentwurf, den wir in dieser Woche verabschieden werden, für das Auswärtige Amt eine Trendwende bedeutet, und zwar in politischer und materieller Hinsicht. Das von Ihnen angemahnte Kraftfutter wird vonseiten des Haushaltes zur Verfügung gestellt. Ich weise darauf hin, dass in der Kleinen Anfrage, die Sie von der CDU/CSU zugestellt haben, nachzulesen ist, dass sich der Anteil der Ausgaben für das Auswärtige Amt am Gesamthaushalt bereits seit Mitte der 90er-Jahre im Abwärtstrend befand. Den tiefsten Stand erreichte er im Jahre 1994 mit 1,71 Prozent. 1989 lag der Anteil bei 2,44 Prozent. Wenn wir den Schuldenberg von Ihnen nicht als Erblast übernommen hätten, dann wären wir in der Lage, ganz andere Haushalte, speziell für das Auswärtige Amt, vorzulegen. Das zu tun, ist uns nicht möglich. Deswegen haben wir im Jahr 2000 einen bitteren Schnitt vorgenommen, der zur Schließung von 14 Auslandsvertretungen geführt hat. Dieses wollen wir in Zukunft vermeiden. ({1}) Deshalb hat der Minister - Herr Lamers, Sie haben es schon erwähnt - auf der Konferenz der Leiter und Leiterinnen der Auslandsvertretungen in Berlin im September dieses Jahres ausdrücklich eine Reform des öffentlichen Dienstes in Aussicht gestellt. In zwei Jahren liegt das Ergebnis vor. Dann werden wir sehen, wieweit wir das haushalterisch flankieren können. Ich komme zum Haushalt des Auswärtigen Amtes für das nächste Jahr. Er beläuft sich auf ein Volumen von insgesamt 4,1 Milliarden DM. Diese Summe verteilt sich auf vier große Bereiche. Das Ministerium selbst wird mit 440 Millionen DM bedacht. Auf das Kapitel „Allgemeine Bewilligungen“ - das ist der Bereich, der die politischen Ausgaben zusammenfasst, im Allgemeinen der umstrittene Bereich - entfallen 1,4 Milliarden DM. Auf die Auslandsvertretungen, vulgo Botschaften usw., und die auswärtige Kulturpolitik entfallen je 1,1 Milliarden DM. Dabei sollten wir nicht das Kleinod des Auswärtigen Amtes, das Deutsche Archäologische Institut ({2}) - „Wohl wahr!“, da spricht der Kenner -, mit 42 Millionen DM vergessen. Herr Minister, wir als Haushälter haben die vorgesehene Kürzung etwas abgefedert. Gegenüber dem Etat des laufenden Jahres - das können Sie sicher erkennen - erhöht sich damit der Haushalt des Auswärtigen Amtes um satte 672 Millionen DM. Herr Lamers, Ihre Behauptung, dass dieses Haus gefleddert und gerupft worden ist, ist für den Haushalt im nächsten Jahr nicht mehr zutreffend. ({3}) Dieser Aufwuchs hört sich in Zeiten von Sparpaket, Haushaltskonsolidierung, Sanierungsnotwendigkeit, Forderungen nach schlankem bis dürrem Staat etwas sonderlich an. Ich kann Ihnen aber die Gründe für diesen Aufwuchs erklären; Sie können das auch nachvollziehen. Zum einen hat uns der gestiegene Dollarkurs arg in Bredouille gebracht. Allein in diesem Jahr haben wir durch zwei überplanmäßige Ausgaben Pflichtbeiträge an internationale Organisationen in Höhe von 355 Millionen DM nachschießen müssen. Hier möchte ich dem Finanzministerium besonders danken. Finanzminister Eichel hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger Waigel bei der Veranschlagung des Haushaltsansatzes eine realitätsnahe Dollarbewertung vorgenommen, ({4}) sodass wir in Zukunft von überplanmäßigen Ausgabenanforderungen wahrscheinlich verschont bleiben werden. Der eine Grund für den Aufwuchs des Haushaltes war also, dass der Dollarkurs unsere Pflichtbeiträge an internationale Organisationen exorbitant hat steigen lassen. Der zweite Grund sind neue Friedensmissionen mit Mehrbedarf, beispielsweise im Kongo und in Äthiopien/Eritrea. Insgesamt steigen die Pflichtbeiträge - diese Zahl muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - von 336 Millionen DM in diesem Jahr auf über 1 Milliarde DM im nächsten Jahr. Ich betone, es handelt sich hier nicht um freiwillige Leistungen der Bundesrepublik Deutschland. Es sind Pflichtbeiträge. Sie betragen allein bei den Vereinten Nationen 900 Millionen DM. Deutschland muss nach Ansicht der rot-grünen Koalition seinen Einfluss allerdings verstärkt geltend machen, damit die Vereinten Nationen auch in Zukunft ihren Aufgaben angemessen nachkommen können. Dazu gehört nicht nur eine verbesserte Repräsentanz der Bundesrepublik in der Weltorganisation, sondern die Erweiterung der VN um eine parlamentarische Dimension, die Einbeziehung nicht staatlicher Organisationen in die Willensbildung der deutschen UN-Politik sowie eine Reform der Beitragserhebung. ({5}) Deswegen plädieren die Regierungsfraktionen in ihrem detaillierten Antrag „Die Vereinten Nationen an der Schwelle zum neuen Jahrtausend“ ausdrücklich dafür, globale Kooperationsformen zu entwickeln, um die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam zu bestehen. Jede Verbesserung der Handlungsfähigkeiten der VN ist ein Beitrag zur friedlichen Lösung globaler Probleme. ({6}) Frieden aber hat - wer weiß das besser als wir Haushälter - seinen Preis, besonders, wenn er erst geschaffen werden muss. Somalia, Bosnien, Ruanda stehen für tödliche Fehlschläge des UN-Peacekeeping. Daher ist das Fazit der von Kofi Annan benannten Kommission im Brahimi-Report kurz und bündig und brutal: Die Vereinten Nationen verfügen über zu wenig Geld, zu wenig Truppen, zu wenig Führung, zum Teil über einen unklaren Auftrag. Im Klartext: Friedenseinsätze brauchen eine verbesserte materielle und personelle Ausstattung. ({7}) Sie werden gleich sehen, dass wir dieser Notwendigkeit aus Haushaltssicht nachgekommen sind. Die Bundesregierung orientiert die Maßnahmen der Krisenprävention, der Konfliktbeilegung und der Konsolidierung in der Nachkonfliktphase an einem erweiterten Sicherheitsbegriff, der politische, ökonomische, ökologische und soziale Stabilität umfasst. Grundlage dafür sind die Achtung der Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit, partizipatorische Entscheidungsfindung, Bewahrung natürlicher Ressourcen und - natürlich für diese Regierung ein Schwerpunkt - die Nutzung friedlicher Konfliktlösungsmechanismen. Folgerichtig haben wir im Haushalt im parlamentarischen Verfahren den Ansatz für die Unterstützung von internationalen Maßnahmen auf den Gebieten Krisenprävention, Friedenserhaltung und Konfliktbewältigung von 8,6 Millionen DM auf 28,6 Millionen DM erhöht. ({8}) Das nenne ich nahtlose Übereinstimmung von politischer Entscheidung und Haushaltsentscheidung. Die Bundesregierung hat ein politisches Rahmenkonzept für Krisenprävention und zivile Konfliktbearbeitung mit einer zentralen Rolle des Auswärtigen Amtes verabschiedet. Durch Schulungen, Datenbanken und eine interministerielle Projektgruppe des Auswärtigen Amtes ist nun eine Personalreserve für zivile Kriseneinsätze auf der Basis von völkerrechtlichen Mandaten der UNO und der OSZE institutionalisiert worden. Von 260 Absolventen der Trainingskurse sind bereits 60 in Langzeitmissionen und 100 in Kurzzeiteinsätzen von OSZE und UNO tätig. Das hat aber auch Spuren hinterlassen. Der OSZE-Gipfel von Lissabon im November letzten Jahres hat mit seinem React-Programm dieses Projekt zur internationalen Aufgabe erklärt - ein schöner Erfolg, Herr Minister! Die Europäische Union hat diesen Ansatz auf unsere Initiative hin zu einem wichtigen Pfeiler der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erklärt, und inzwischen ist das Thema Krisenprävention auch ein Thema im Dialog mit asiatischen und afrikanischen Partnern. Fazit: Deutschland hat sich in diesem Bereich internationales Ansehen erworben und unterstützt auf diese Weise ganz sichtbar die Bemühungen des UNO-Generalsekretärs Kofi Annan um eine „Kultur der Prävention“. ({9}) Von wegen, Herr Lamers, wir hätten keine Konzepte und keine Visionen! Die Ausstattungshilfe der Bundesregierung für ausländische Streitkräfte ist neben Demokratisierungs- und Parlamentshilfe sowie Maßnahmen des humanitären Minenräumens ein außerordentlich bewährtes außenpolitisches Instrument ({10}) - das habe ich nie anders gesehen - zur Unterstützung von Staaten der Dritten Welt, insbesondere in Afrika, auf ihrem Weg zu Demokratie, Frieden und Stabilität. Die bisherige Aufgabenverteilung ist gewahrt. Das heißt, die politische Verantwortung liegt beim Auswärtigen Amt und die Durchführungsverantwortung beim Verteidigungsministerium. Die Ausstattungshilfe selbst ist mit 60 Millionen DM in der mittelfristigen Finanzplanung abgesichert. Stichwort Afrika. Für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen ist Afrika keineswegs der verlorene Kontinent, wie die Opposition manchmal behauptet, im Gegenteil. Erstens. Am 6. Juli dieses Jahres wurde hier im Hohen Haus eine Bundestagsdebatte über deutsche Afrikapolitik geführt. Dabei haben wir klar ausgedrückt, dass es im wohl verstandenen Eigeninteresse Deutschlands ist, sich für Frieden, stabile demokratische Strukturen und nachhaltige Entwicklung in Afrika einzusetzen. ({11}) - Jetzt hören Sie zu; ich habe das schon bemerkt. Zweitens. Erinnert sei an das Engagement der Bundesregierung bei der Kölner Entschuldungsinitiative. Auch hier wird speziell Afrika geholfen. ({12}) Drittens. Im Mai dieses Jahres besuchte der Bundeskanzler den EU-Afrika-Gipfel in Kairo. Letzter Punkt - das ist schon erwähnt worden -: Außenminister Fischer war dieses Jahr bereits zweimal in Afrika: im März in Ländern mit positiven Ansätzen in ihrer Entwicklung - Nigeria, Mosambik und Südafrika und ganz aktuell im November in drei afrikanischen Krisenländern - Angola, Burundi und Ruanda - mit dem Ziel, auszuloten, wie Deutschlands Beitrag bei der Konfliktbewältigung aussehen könnte. Fazit: Diese Besuche und die Diskussion in diesem Parlament in diesem Jahr stehen für die Kontinuität deutscher Außenpolitik, allerdings mit etwas anderen Akzenten. ({13}) Diese neue Akzentuierung gilt auch für den Bereich humanitäre Hilfe außerhalb der Entwicklungshilfe. Auch hier hat die Koalition zum ersten Mal seit Jahren die Mittel drastisch erhöht, und zwar um 19 Millionen DM: von 60 Millionen auf 79,1 Millionen DM. Sie reagiert damit aus unserer Sicht angemessen auf die weltweit wachsende Zahl von humanitären Brennpunkten. Ich will Sie mit den Statistiken der Versicherungswirtschaft verschonen. Es ist bekannt, dass sich die Zahl der Schadensfälle in den letzten 50 Jahren vervierfacht und sich die dadurch verursachten Schäden vervierzehnfacht haben. Das gilt sowohl für Naturkatastrophen als auch für politische Konflikte. Insofern ist die Anhebung des Ansatzes gerechtfertigt. Ein Wort soll mir zur Verbesserung der Organisation der humanitären Hilfe sowie der Not- und Flüchtlingshilfe der Bundesregierung im Ausland gestattet sein. Diese Hilfe ist - das muss man selbstkritisch sehen durch Zersplitterung der Zuständigkeiten und eine unübersichtliche Vielfalt der Akteure gekennzeichnet. Die humanitäre Hilfe selbst ist beim Auswärtigen Amt angesiedelt, während die Mittel für die Not- und Flüchtlingshilfe ohne klare Abgrenzung zur humanitären Hilfe beim BMZ veranschlagt sind. Man höre und staune: Sogar beim Verteidigungsministerium gibt es einen Titel für humanitäre Hilfe und andere Einsätze, deckungsfähig mit dem gesamten Einzelplan. ({14}) Die logische Folge: Unzureichende Abstimmung und Koordination sowie Durchführungsvielfalt der privaten und staatlichen Hilfsorganisationen müssen dazu führen, dass der Einsatz der Ressourcen zulasten des Steuerzahlers verschenkt wird. ({15}) Die Bundesregierung wäre gut beraten, beim Auswärtigen Amt unter Nutzung bzw. Ergänzung bestehender Strukturen einen operativen Koordinierungsstab der beteiligten Ministerien und staatlichen Stellen für diese Hilfe einzurichten. ({16}) Der Beitrag an den Europarat ist von der Koalition um 900 000 DM aufgestockt worden, und zwar ganz gezielt für die Arbeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. ({17}) Wir haben das mit einem Haushaltsvermerk versehen. Ich muss mich bei der Fachgruppe bedanken, die uns darauf aufmerksam gemacht hat, dass wir durch einen eigenen Haushaltsvermerk gesichert haben, dass dieses Geld wirklich dem EuGH zugute kommt. Angesichts der wachsenden Zahl von Verfahren - allein von 1998 auf 1999 gab es einen Anstieg um 77 Prozent - wage ich gar nicht daran zu denken, was auf diesen armen Gerichtshof zukommt, wenn die Serben vor der Tür stehen; also ist diese Mittelaufstockung mehr als notwendig. ({18}) - Das habe ich bewusst gesagt. Deutschland ist das erste der großen Beitragsländer, das seinen Anteil an den dringend zusätzlich benötigten 3,5 Millionen Euro nach Jahren des Nullwachstums geleistet hat. Es bleibt zu hoffen, dass dieses Beispiel bei unseren Nachbarn Schule macht. Über die Fraktionsgrenzen hinweg ist es gelungen, sich auf die Konzeption eines deutschen unabhängigen Institutes für Menschenrechte zu einigen. Es soll die Situation des Menschenrechtsschutzes dokumentiert allgemein zugänglich darüber informieren und schließlich Bildungs-, Beratungs- und Forschungsarbeit leisten. Von den dafür vorgesehenen Mitteln, die in drei Ressorts etatisiert sind, trägt das Auswärtige Amt einen Anteil von 30 Prozent. Das entspricht 300 000 DM. ({19}) Zum Thema Menschenrechte gehören auch die Lageberichte des Auswärtigen Amtes. Ich muss sagen, Herr Bundesaußenminister, wir sind dankbar dafür, dass Sie im September dieses Jahres eine Neukonzeption vorgelegt haben, nach der die Botschaften nunmehr verpflichtet sind, alle - aber auch wirklich sämtliche - vor Ort zur Verfügung stehenden Erkenntnisse auszuwerten, ({20}) also auch diejenigen von lokalen Menschenrechtsgruppen, NGOs, internationalen Organisationen, Anwälten, Oppositionskreisen und Botschaften der Partnerstaaten. Kleiner Wermutstropfen: Lassen Sie den Lagebericht über die asyl- und abschieberelevante Lage im Sudan vom Sommer dieses Jahres überarbeiten. Aufgrund seiner Mängel und Widersprüche ist er als Grundlage für asylrelevante Entscheidungen absolut ungeeignet. Ich komme zu weiteren positiven Punkten. Bei den parlamentarischen Beratungen konnten die vorgesehenen Kürzungen beim Stabilitätspakt für Südosteuropa und bei der Unterstützung der mittelosteuropäischen Länder rückgängig gemacht werden. Das heißt, konkret stehen im nächsten Jahr, ebenso wie in diesem Jahr, 300 Millionen DM zur Verfügung. Ich denke, dadurch ist die Bundesrepublik in der Lage, ihre Zusagen einzuhalten. Die Entscheidungen tragen aber natürlich auch dazu bei, dass die Glaubwürdigkeit und die Kontinuität der Außenpolitik dieser Koalition unterstrichen werden. ({21}) Angesichts der aktuellen Entwicklung in der Bundesrepublik Jugoslawien und mit Blick auf die dort anstehenden Wahlen im Dezember 2000 ist dieses Signal auch besonders wichtig. Für Soforthilfe stehen 50 Millionen DM für Medikamente, Energie und Nahrungsmittel zur Verfügung. Nach vielen Jahren der politischen Isolierung muss Jugoslawien geholfen werden, seinen Platz in der Staatenfamilie wieder zu gewinnen. Allerdings erwarten wir im Gegenzug von Kostunica, die bestehenden Konflikte im Rahmen der OSZE-Regeln, das heißt friedlich, zu lösen. Das Kapitel Vertretungen des Bundes im Ausland bedarf aus haushälterischer Sicht einer besonderen Erwähnung. - Herzlichen Dank, Herr Hoyer, Sie haben zwei Jahre lang mit Erfolg, wie Sie sehen, versucht, mich für dieses Problem zu sensibilisieren. - Der Haushaltsausschuss hat sich einstimmig dafür entschlossen, das Rechts- und Konsularwesen des Auswärtigen Amtes und seiner Auslandsvertretungen von der 1,5-prozentigen linearen Personalkürzung auszunehmen. Das ist angesichts des exorbitant gestiegenen Visaaufkommens unabdingbar. Einige Beispiele zur Verdeutlichung. Die Visastelle in Moskau nimmt täglich 1 400 Anträge entgegen. Bei Einhaltung der Dienstzeit - die wird natürlich nicht eingehalten: die kloppen Überstunden - würden pro Antrag zwei Minuten zur Verfügung stehen. In Ankara ist das Visaaufkommen in diesem Jahr um 29 Prozent gestiegen, in Bukarest um 38 Prozent und in Neu Delhi um 41 Prozent. Das ist natürlich auf Dauer nicht mehr haltbar und unverträglich mit Personalverkürzungen in diesem Bereich, der unserer Meinung nach so zu behandeln ist wie der Bereich der inneren Sicherheit. Schließlich ist die Visabehörde unsere Visitenkarte im Ausland. ({22}) In dem Kapitel Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland haben die Haushälter einvernehmlich die Mittel für den Betrieb des Goethe-Instituts in Höhe von 20 Prozent - das ist sehr viel, es entspricht 45 Millionen DM qualifiziert gesperrt. Das bedeutet, dass die Mittel erst dann fließen werden, wenn das Goethe-Institut den Empfehlungen des Bundesrechnungshofes folgt, sie zügig umsetzt und dies in zwei Berichten im Frühjahr und Herbst nächsten Jahres nachweist. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass aufgrund einer Initiative aller Fraktionsvorsitzenden des Deutschen Bundestages der German Marshall Fund of the United States in den nächsten zehn Jahren eine jährliche Zustiftung von 1,5 Millionen DM erfährt. Diese unabhängige Stiftung mit Sitz in Washington, initiiert von Willy Brandt als Dank des deutschen Volkes für den Marshall-Plan nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, organisiert europäisch-amerikanische Austauschkontakte der verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen. Wir bedanken uns an dieser Stelle ausdrücklich für die Arbeit dieser Stiftung. ({23}) Die Koalition hat im Bereich der Stipendien ein Sonderprogramm aufgelegt. Auch dieses unterstreicht und unterstützt nachdrücklich die Bemühungen der Bundesbildungsministerin zur internationalen Öffnung unserer Hochschulen. Der auswärtige Dienst - damit möchte ich schließen sieht sich zu Beginn des 21. Jahrhunderts neuen Aufgaben gegenüber. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts hat sich bekanntlich die globale Statik verändert. Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung um zusätzliche Beitrittsländer sind neben den finanziellen Problemen Integrations- und Institutionenprobleme zu lösen. Das aber bedeutet, dass sich Arbeitsweise und Amtsverständnis des Auswärtigen Dienstes ändern müssen, weil sich die internationale Politik geändert hat. Gefragt ist laut des Berichts des Spitzendiplomaten Karl Theodor Paschke über die Sonderinspektion der 14 deutschen Botschaften in den Ländern der EU Public Diplomacy, also öffentlichkeitswirksame Erklärung und Vertretung deutscher Interessen und - folgt man dem Bundesaußenminister und seinen Ausführungen vom September dieses Jahres - Einmischung, aber nicht mehr in erster Linie vornehme Diplomatie. Ich wünsche Ihnen, Herr Bundesaußenminister, für diese Koordinatenverschiebung, zu der ich Ihnen gratuliere, den notwendigen Erfolg. Wir werden dieses Reformvorhaben aus Haushaltssicht wohlwollend begleiten. Ich danke zum Schluss meinen Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern, schicke einen besonders lieben Gruß an unseren erkrankten Kollegen Frankenhauser und bedanke mich bei unseren Mitarbeitern, besonders beim Sekretariat des Haushaltsausschusses. Ich bitte die Opposition um Zustimmung zu diesem Einzelplan; denn er setzt die richtigen Signale. ({24})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile dem Kollegen Dr. Werner Hoyer für die F.D.P.-Fraktion das Wort.

Dr. Werner Hoyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000967, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz an das anknüpfen, was die Kollegin Titze-Stecher im Hinblick auf Koordinationsprobleme dieser Regierung in dem wesentlichen Bereich der internationalen humanitären Hilfe gesagt hat: Die logische Konsequenz aus diesen Erkenntnissen wäre ein anderer organisatorischer Zuschnitt der Bundesregierung, der die Integration des BMZ in das Auswärtige Amt beinhalten müsste. In diesem Zusammenhang kann man auch Staatsminister Volmer verstehen, der sich letzte Woche als Privatmann in einer entsprechenden Weise geäußert hat. Wir sollten ihn nachhaltig unterstützen. ({0}) Eine derartige Leidenschaftslosigkeit und Lustlosigkeit, mit der der Herr Bundeskanzler gestern seine Regierungserklärung zur Europapolitik vorgetragen hat, ist dem Bundesaußenminister Joschka Fischer nicht vorzuwerfen. ({1}) Leidenschaftslosigkeit und mangelnde Lust - das trifft auf den Hedonisten Joseph Fischer sicher nicht zu. Das Etikett, mit dem ich seine Außenpolitik belegen würde, sitzt tiefer: Fischers Außenpolitik ist seelenlos. ({2}) Was ist eigentlich in den letzten zwei Jahren passiert? Im Herbst 1998 erschien es vielen, als übernähme eine Lichtgestalt das Auswärtige Amt, die die Herzen der Mitarbeiter ebenso wie die Fantasie der publizistischen Begleiter im Fluge erobert. Man sprach von dem „Neuen“, der zuhört, der über die Abteilungen des Hauses führt, den Sachverstand des Amtes mobilisiert, einen intelligenten politischen Diskurs führt und die kurzen Soundbytes für CNN ebenso souverän wie seine als Privatmann vorgetragene Rede zur Europapolitik - deren Bedeutung weiß Gott nicht auf ihrem Inhalt, sondern auf der Tatsache beruht, dass sie überhaupt gehalten worden ist ({3}) abliefert. Er referiert kenntnisreich über die Brennpunkte der Weltpolitik und läuft zu großer Form auf, wenn er mit sorgenzerfurchter Stirn seinen jeweiligen Zuhörern im Presseklub, im Auswärtigen Ausschuss, auf der Personalversammlung oder bei der Botschafterkonferenz den Lauf der Geschichte erklärt. Welch ein Start! Zwei Jahre später ist das Blendwerk durchschaut, die Fassade bröckelt, der Lack ist ab und hinter der Fassade wird die Außenpolitik eines Mannes sichtbar, der das in der Politik nun einmal erforderliche beharrliche Bohren dicker Bretter nicht zu seiner Sache macht. ({4}) Er setzt hier und da einen Akzent, brennt ein Feuerwerk ab, aber das mühevolle Umsetzen, das beharrliche Werben um Verbündete, die schwierige konstruktive Auseinandersetzung mit Partnern und die konsequente Arbeit am Werkstück bleiben aus. Gerade in der Europapolitik zeigt sich, dass es auf die Kombination von Leidenschaft in der Sache, Kreativität bei der Formulierung von Zielen und Optionen und schließlich auf die Beharrlichkeit in der Verfolgung dieser Ziele ankommt. Davon ist bei dieser Bundesregierung wenig zu spüren. ({5}) Mittlerweile merken es plötzlich alle, die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Jetzt wird nicht mehr über das Haus und über die Abteilungen geführt, jetzt wird der Sachverstand des Amtes hinter das innenpolitische Kalkül des Küchenkabinetts gestellt und die Menschen - weder diejenigen, die im Auswärtigen Dienst arbeiten noch diejenigen, die große Hoffnungen auf die Rolle der Deutschen setzen und enttäuscht werden, wie zum Beispiel die Ärmsten der Armen in Afrika - sie spielen keine Rolle mehr. Es ist bedenklich, wenn bei dem nun endlich erfolgten zweiten Besuch des Außenministers in Afrika der Abstand zu den Menschen so unendlich groß bleibt. Das ist seelenlose Politik. ({6}) Der Haushaltsausschuss hat den Regierungsentwurf an ein paar wichtigen Stellen nachgebessert. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen unter der sehr kooperativen Führung unserer Hauptberichterstatterin Uta Titze-Stecher für diesen Erfolg. ({7}) Das betrifft zum Beispiel die Korrekturen an der von Ihnen vorgesehenen Kürzung für humanitäre Hilfe. Was hatten Sie sich dabei eigentlich gedacht? ({8}) Das betrifft auch einen wichtigen Webfehler im Personalbereich. Ich freue mich - Frau Titze-Stecher hat dies angesprochen -, dass es gelungen ist, diesen nunmehr zu beseitigen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Rechts- und Konsularabteilungen der Auslandsvertretungen endlich von den pauschalen Stellenkürzungen auszunehmen. Herr Minister, im Sommer haben Sie mir einen Brandbrief geschrieben, mit der Bitte, sich dafür einzusetzen. Wie kommt es eigentlich, dass Sie zu den Haushalten für 1999 und für 2000 zwei genau in diese Richtung gehenden Anträgen der F.D.P.-Fraktion im Deutschen Bundestag nicht zugestimmt, ja sie sogar mit Ihrer eigenen Stimme als Abgeordneter abgelehnt haben? ({9}) Und wie kommt es, dass dies in Ihrem Regierungsentwurf zum Haushaltsgesetz nicht enthalten ist? Sie mussten das Parlament mobilisieren. Aber dies ist auch erfolgt. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen dafür, dass daraus etwas geworden ist. Das ist ja wirklich wichtig. Man kann sich als Außenpolitiker Federn an den Hut stecken beispielsweise wegen der schönen auswärtigen Kulturpolitik oder wegen Erfolgen in der Außenwirtschaftspolitik. - Das ist allerdings bei dieser Regierung auch eher theoretisch, weil sich weder der Außenminister noch der Wirtschaftsminister für Außenwirtschaftspolitik interessiert. - Aber bei den Rechts- und Konsularangelegenheiten, dort, wo die eigentliche Knochenarbeit der Auslandsvertretungen zu leisten ist, kann man relativ wenig Glanz gewinnen. Deswegen ist es wichtig, dass man den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Bereiche nunmehr eine Perspektive verschafft. Übrigens wird als nächster Schritt auf diesem Gebiet die noch fehlende elektronische Vernetzung von etwa 100 Auslandsvertretungen geschaffen werden müssen. Das wird uns 70 Millionen DM kosten. Das ist gut angelegtes Geld. Sie sollten so schnell wie möglich handeln. Frau Kollegin Titze-Stecher hat über einige weitere strukturelle Veränderungen im Personalbereich gesprochen. Insbesondere wissen wir alle, dass wir mit der Umsetzung des Gesetzes über den auswärtigen Dienst noch längst nicht zu Ende gekommen sind. Das Thema der Personalreserve - falscher Begriff, aber richtiger Inhalt wird uns weiter beschäftigen. Sie können auf unsere Unterstützung zählen, wenn es darum geht, Fortschritte zu erzielen. Aber ich halte es für dringend geboten, eine grundsätzlichere Debatte über den auswärtigen Dienst zu führen, und zwar auf einer breiteren Grundlage. Es wird nicht mehr reichen, hier und da eine Verbesserung vorzunehmen; denn dabei wird meistens nur ein Loch gestopft, indem ein anderes aufgerissen wird. Wir müssen - diese Bereitschaft haben Sie eigentlich auch erklärt - die Funktionen des auswärtigen Dienstes in einer dramatisch veränderten Welt neu definieren. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir über eine hausinterne Betrachtung dieses Problems hinausgehen müssen, dass wir etwas brauchen, wie es die Bundeswehr mit der WeizsäckerKommission gehabt haben. Die Engländer würden sagen: Wir brauchten eine Royal Commission für den auswärtigen Dienst. Diese sollte mit viel Sachverstand - auch von außen und auch aus dem Ausland - dafür sorgen, dass wir uns eine einvernehmlich getragene Vorstellung davon machen, was die Funktionen und die Funktionsnotwendigkeiten des auswärtigen Dienstes in der Zukunft sind. Ich warne im Übrigen davor, schon jetzt den Abgesang auf die klassische Diplomatie anzustimmen. Gerade die aktuelle innenpolitische Diskussion in Deutschland zeigt, wie wichtig es ist, auch nach draußen darzustellen, was hier bei uns geschieht. Dazu werden wir auch in Zukunft - auch in der Europäischen Union - Auslandsvertretungen brauchen. Gerade die Abhängigkeit der Bundesrepublik von den Weltmärkten zeigt, wie wichtig es ist, unsere außenwirtschaftspolitischen Aktivitäten zu intensivieren und zu bündeln. Sie zeigt auch, wie absurd die etwas naiv vorgetragene Vorstellung einiger Kolleginnen und Kollegen ist, man könnte das alles Gemeinschaftsvertretungen der EUMitgliedstaaten übertragen. Ich sehe den französischen Botschafter schon vor mir, wie er irgendwo in der Welt die Außenwirtschaftsinteressen der deutschen Unternehmen vertritt. Hier werden wir also zu anderen Formen der Zusammenarbeit kommen müssen. Da ist sehr viel Musik drin. Da ist sehr viel Kreativität gefragt. Hier werden wir einiges entwickeln können. ({10}) Man wird sich zum Beispiel fragen müssen, wie wir künftig in einem einheitlichen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, wie der Amsterdamer Vertrag die EU definiert, die Interessenwahrnehmung in den Partnerstaaten der Union auf dem Gebiet des konsularischen Schutzes gewährleisten können. Hier sind Veränderungen ganz wichtig und möglich und können zu erheblichen Ressourceneinsparungen führen. Sie haben eine Reformdebatte im eigenen Hause angestoßen, Herr Minister. Das begrüße ich sehr. Wir sind uns sicherlich auch darüber im Klaren, dass das jetzt diskutierte Personalentwicklungskonzept nicht das letzte Wort sein kann, nicht zuletzt deshalb, weil Ihnen kein Unternehmensberater attestieren wird, dass dieses Personalentwicklungskonzept seinen Namen verdient. ({11}) Ein Personalentwicklungskonzept, das nach wie vor an Planstellen ansetzt und nicht an Menschen und ihren Entwicklungsoptionen, geht daneben. Ein Personalentwicklungskonzept, das, nebenbei bemerkt, nicht als erstes die Personalverwaltung in ihrer bisherigen Form selber infrage stellt, wird auch nicht den Durchbruch bringen. Deshalb möchte ich Sie ermutigen, neben der hausinternen Debatte auch dafür zu sorgen, dass die Idee einer „Weizsäcker-Kommission für den auswärtigen Dienst“ weiterverfolgt wird. Zum Schluss ganz kurz ein Wort zur Europapolitik, die hier gestern hinreichend abgehandelt worden ist. Auch hier kommt es immer wieder auf die Kombination von Engagement, Kreativität bei der Definition von Zielen und Wegen, wie man diese Ziele erreichen kann, und auf das beharrliche Umsetzen im ständigen Dialog mit den Partnern an. Das ist das Problem, das Sie innerhalb weniger Tage, bis zum Gipfel in Nizza, lösen müssen. Sie übersehen dabei, welche Vorlage Ihnen mit dem Vertrag von Amsterdam gegeben worden ist. ({12}) Eines geht nicht: Es ist eine Verzerrung der Geschichte der europäischen Integration, wenn nur das gesehen wird, was in Amsterdam nicht gemacht worden ist, nämlich die institutionellen Fragen zu lösen. Der Vertrag von Amsterdam hat dem entscheidenden Durchbruch bei der Stärkung des Europäischen Parlaments gebracht. Darauf müssen Sie jetzt aufbauen. Der Vertrag von Amsterdam hat die Integration der WEU in die EU auf den Weg gebracht. Daran müssen Sie weiterarbeiten. Der Vertrag von Amsterdam hat es ermöglicht, dass sich die Europäische Union mit Fragen der Innen- und Rechtspolitik beschäftigt. Auch darauf können Sie jetzt aufbauen. Bereits im Vertrag von Amsterdam ist das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit begründet worden, also die Möglichkeit, dass eine Gruppe von Staaten, die voranschreiten möchten, auch wenn einige andere Staaten noch nicht oder überhaupt nicht mitmachen wollen, das auch tun können. Sie müssen das weiterentwickeln, indem festgeschrieben wird, dass man diesen Weg auch beschreiten kann, wenn keine Einstimmigkeit über ein solches Vorgehen besteht. Das sind riesige Herausforderungen. Das wissen wir. Es gab ja schließlich Gründe, warum das damals in Amsterdam nicht gelungen ist. Nur, Sie können auf etwas Großartigem aufbauen. Ich habe allerdings das Gefühl, dass das Handwerkliche bei der Vorbereitung auf die bevorstehende Regierungskonferenz gerade angesichts der schwierigen Situation, in der sich der französische Partner befindet, nicht gelungen ist. ({13}) Aber das lag vor allen Dingen auch daran, dass man eine große Stärke der deutschen Außen- und Europapolitik in Gefahr gebracht hat, nämlich die Fähigkeit, stets die kleinen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union in den gleichberechtigten Dialog, sozusagen auf Augenhöhe, einzubeziehen. Herzlichen Dank. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort der Kollegin Rita Grießhaber, Bündnis 90/Die Grünen.

Rita Grießhaber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002664, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte an die gestrige Debatte über den bevorstehenden EU-Gipfel in Nizza anknüpfen; denn alle Fragen nach der Rolle Deutschlands in der Welt verweisen letztlich auf Fragen, die vordringlich im Rahmen der Europäischen Union zu klären sind: Welches ist der politische Ort der EU in einer globalisierten Welt? Oder genauer: Wie kann die dauerhafte und entwicklungsfähige Form einer Union aussehen, die sich als weltpolitischer Akteur versteht? Hinsichtlich des deutsch-amerikanischen Verhältnisses stellen Sie, Herr Kollege Lamers, etwas infrage, was für uns überhaupt nicht infrage steht. ({0}) Daher muss man das hier nicht extra thematisieren. Der Kollege Merz hat zwar gestern verbal mehr Leidenschaft für Europa gefordert. Aber er hat selber eher im Kleinen geharkt und konnte deshalb kein Feuer der Leidenschaft entfachen. Daran knüpft der Kollege Hoyer an, wenn er sagt, dass ihm im Amt die Seele Fischers zu fehlen scheint. Ich glaube, er hat die Zeit von Kinkel schwer verdrängt. ({1}) Mit Beschwörungsformeln kommen wir nicht weiter. Wir müssen auch realisieren, dass die Bürgerinnen und Bürger die EU zuerst und sehr lange nur als Marktbürger erfahren haben. Als Citoyens waren sie nicht gefragt. Die Debatte um die Grundrechte-Charta ist ein wichtiger Schritt weg von der technokratischen Gebrauchsanweisung für den Markt. Die Vertiefung und die Erweiterung werden mit den alten Methoden nicht mehr funktionieren. Deshalb wollen und brauchen wir den vollen Erfolg von Nizza. ({2}) Zurück zum Haushalt: An dieser Stelle möchte ich die Verhandlungserfolge der Haushälter würdigen. Im Vergleich zum laufenden Haushaltsjahr konnten die Ausgaben für den Einzelplan 05 sogar um 19 Prozent gesteigert werden. Damit ist der Etat des Auswärtigen Amtes derjenige mit dem prozentual größten Zuwachs. ({3}) Schon im Regierungsentwurf war trotz der Sparpolitik für das nächste Jahr eine Erhöhung derAusgaben für die Außenpolitik vorgesehen, ermöglicht durch die durch den Verkauf der UMTS-Lizenzen erzielten Erlöse und die erreichten Zinsersparnisse. Das Parlament hat jetzt noch etwas dazugegeben. Wie sehr der Sparzwang an die Substanz des Hauses gegangen ist, wissen wir alle. Umso erfreulicher ist es, dass vor allem in den Auslandsvertretungen die Einsparungen begrenzt werden konnten. Die Kollegin Titze-Stecher hat schon darauf hingewiesen: 15 Stellen werden im Rechts- und Konsularbereich neu geschaffen. Angesichts der schwierigen und überaus belasteten Arbeitssituation im auswärtigen Dienst möchte ich mich von dieser Stelle aus für die hervorragende Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Ort ganz herzlich bedanken. ({4}) Diese engagierte Arbeit vor Ort wird noch durch eine Modernisierung des auswärtigen Dienstes begleitet. Wir machen uns keine Illusionen: Auch weiterhin werden Sparvorgaben an einzelnen Stellen dazu zwingen, mit weniger Mitteln größere Aufgaben effektiver zu lösen. Dass das auch geht, zeigt ein Beispiel aus dem Bereich der auswärtigen Kulturpolitik: die Schulliegenschaften. Dort, wo die Schulen selber die Verantwortung für die Bauinstandhaltung tragen, kann ohne die kosten- und zeitaufwendige Einschaltung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung wesentlich schneller und günstiger gebaut werden. Die neue deutsche Schule in Budapest war im Entwurf der Bundesbaudirektion noch mit 36 Millionen DM veranschlagt. Der Entwurf des dortigen Schulvereins enthielt noch die Summe von 25 Millionen DM und die endgültige Rechnung wird voraussichtlich 20 Millionen DM nicht überschreiten. ({5}) Aber auch in anderen Bereichen der auswärtigen Kulturpolitik hat sich vieles getan. Die Fusion Goethe-Inter Nationes ist unter Dach und Fach. Gerade wegen der enormen Schwierigkeiten möchte ich an dieser Stelle an die Herren Hoffmann und Sötje stellvertretend für alle beteiligten Akteure einen herzlichen Dank richten. ({6}) Auch Umschichtungen sind möglich. Das zeigt sich daran, dass Goethe-Inter Nationes - mit aller Bescheidenheit und Vorsicht - ohne weitere Institutsschließungen in der Lage sein wird, wieder nach Teheran zu gehen und auch in Algier, Schanghai und Havanna den Dialog zu eröffnen, alles Orte, bei denen uns sehr viel daran liegt, dass der Dialog dort beginnt. Lassen Sie mich zu einem der wichtigsten Anliegen kommen, dem Stabilitätspakt Südosteuropa. 100 Millionen DM sind im Einzelplan 60 weiterhin als kontinuierlicher Anteil des Auswärtigen Amtes und 200 Millionen DM beim BMZ für den Stabilitätspakt Südosteuropa eingestellt. Wir haben für diese 100 Millionen DM gekämpft und werden das, wenn nötig, jedes Haushaltsjahr wieder tun, bis diese Region endlich zu dauerhaftem Frieden, Stabilität und Wirtschaftswachstum findet. ({7}) Warum liegt uns dieser Stabilitätspakt so am Herzen? Weil er exemplarisch für das steht, was für uns Bündnisgrüne Priorität hat. Wir brauchen die Perspektive einer gesamteuropäischen Friedensordnung, die nur dann möglich ist, wenn Südosteuropa einbezogen ist. Den Weg dorthin ebnet der Stabilitätspakt. Aber alle beteiligten Partner, sowohl Nehmer- wie auch Geberländer, müssen sich auf Zusagen verlassen können. Die Mittel müssen berechenbar, zuverlässig und kontinuierlich fließen. Wir werden unsere international gemachten Zusagen genauso einhalten, wie wir seit langem versuchen, die demokratischen Kräfte im ehemaligen Jugoslawien zu unterstützen. Dass Belgrad heute mit dabei ist, hat mit genau dieser Politik zu tun. ({8}) Die Institutionalisierung des Stabilitätspaktes, die Sie, Kollege Lamers, hier gefordert haben, wirft im Moment sehr viel mehr Fragen auf, als dass sie Antworten gibt. Wo sind bei Ihnen beispielsweise die Kroaten, die so etwas überhaupt nicht wollen? Ist das angesichts der dort aus vielen Gründen vorhandenen Kluft überhaupt möglich? Ist das die richtige Forderung zum richtigen Zeitpunkt? Hier müssen Sie mehr Fragen stellen, als Sie im Moment Antworten haben. Eine Politik der Krisenprävention, die Gewalt als politisches Mittel zu verhindern hilft, diese Art von Politik ist das Markenzeichen dieser Regierung. Der Stabilitätspakt ist von seinem ganzen Ansatz her das Präventionsprogramm. Noch mussten wir seitens des Parlaments dafür sorgen, dass die Mittel für Krisenprävention und für zivile Konfliktbearbeitung wieder eingestellt werden. Aber was zählt, ist: Sie sind drin, ebenso wie die Mittel für die Stelle des Leiters des Ausbildungsprogramms für ziviles Friedenspersonal. Das ist jedoch nicht genug. Wir wollen, dass diese Summen im nächsten Haushalt etatisiert, also verstetigt werden. ({9}) Auch was diese Titel angeht, braucht es Kontinuität. Fehlt der Haushaltsansatz, kann nicht längerfristig geplant werRita Grießhaber den, das heißt, es können keine langfristigen Projekte in Angriff genommen werden und wir vergeben die Chance der langfristigen Wirkung. Gerade die Kriege und Krisen im ehemaligen Jugoslawien haben gezeigt, dass Sicherheit nicht mehr nur militärisch gedacht werden kann. Nur ein erweiterter Sicherheitsbegriff, der politische, ökonomische, ökologische und soziale Stabilität umfasst, taugt als Grundlage für die von Kofi Annan geforderte Kultur der Prävention. Zugegeben: Unser Anspruch an unsere Politik ist hoch. Es ist auch nicht einfach, verhinderte Krisen der Öffentlichkeit vor Augen zu führen. Die Opposition, allen voran der Schattenaußenminister Rühe, scheint allerdings auf dem krisenpräventiven Auge blind zu sein, ({10}) wenn sie dem militärischen Aspekt der Sicherheitspolitik noch immer den Vorrang gibt. Bei Herrn Rühe scheint das chinesische Sprichwort zuzutreffen: Es ist leichter, Geld für den Sarg einzusammeln als für die Medizin. ({11}) Die Vorgaben des Sparhaushaltes im vorigen Jahr zwangen uns dazu, mehr oder weniger mit der Rasenmähermethode einen Etat zu beschneiden, der noch von der konservativen Regierung Kohl/Waigel vorstrukturiert war. Allmählich gelingt es immer eindeutiger, weitere Weichenstellungen für eine anders strukturierte Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik vorzunehmen. ({12}) Es handelt sich um Weichenstellungen in Richtung ziviler Konflikt- und Krisenprävention. Mit guter Kondition, mit langem Atem und mit unserer vollen Unterstützung wird es dem Außenminister, einem erprobten Langstreckenläufer, sicherlich gelingen, die deutsche Außenpolitik in diesem Sinne voranzutreiben. Vielen Dank. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile dem Kollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion, das Wort.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf die Regierungsbank: liebe Grundwehrdienstleistende! Diese Anrede drängte sich mir förmlich auf, nachdem ich gelesen hatte, dass Staatsminister Naumann seine Zeit in der Regierung als „Grundwehrdienst“ bezeichnet hat. Er ließ allerdings offen, wer in der Regierung die Generale und wer die Feldwebel sind. ({0}) Da kann jeder seiner Fantasie freien Lauf lassen. Notfalls werden wir das aus der „Zeit“ erfahren. Nach meinem Geschmack war die bisherige Haushaltsdebatte - die Diskussion über Außenpolitik beziehe ich in diese Aussage extra nicht ein - gerade vonseiten der CDU mit einem Übermaß an Folklore und mit wenigen Alternativen versehen. Der Bundeskanzler hat das Gerücht aufgebracht, dass sich der Kollege Glos dem Marxismus zuwende. Wenn Herr Glos Marxist wird, dann - das möchte ich festhalten - falle ich vom Glauben ab. ({1}) - Und umgekehrt. - Ich habe überhaupt keine Sorgen: Beim Kollegen Glos kommt immer eher Karl May als Karl Marx heraus. Sehr viel ernsthafter war das, was der Kollege Lamers hier vorgetragen hat. ({2}) Ich höre ihm ja immer gerne zu. Man muss dazu anmerken: Kollege Lamers hat eine Begabung, aus meiner Sicht richtige und kluge Fragen zu stellen. Zugleich hat er allerdings die Begabung, sich einer Antwort darauf zu verweigern. So ist es der Fantasie jedes Einzelnen überlassen, in welche Richtung man die Fragen von Herrn Lamers weiterführt. Auf Dauer aber, Herr Lamers, werden Sie nicht damit durchkommen, nur richtige und kluge Fragen zu stellen, weil dies nur der erste Schritt ist. Irgendwann werden auch Sie diese Fragen hier vor dem Plenum beantworten müssen. Ich habe darüber nachgedacht, warum die CDU hier trotz lauter Worte und viel Folklore im Kern einen so kraftlosen Eindruck macht. Die eigentliche Ursache dafür ist, dass die CDU, wenn sie heute an der Regierung wäre, im Wesentlichen nichts anderes machen würde als das, was Rot-Grün heute macht. ({3}) Das ist zugleich eine Kritik an der CDU und an der jetzigen Regierung. Deswegen möchte ich die Haushaltsberatungen nutzen, über alternative Strategien zu sprechen. Für mich hat die Perspektive einer gesamteuropäischen Konzeption Priorität in der deutschen Außenpolitik. Wir, die PDS, wollen ein Europa vom Atlantik bis zum Ural und nicht nur - ich betone das „nur“ - ein Europa von Paris bis Warschau. Vom Atlantik bis zum Ural, das steht für den Helsinki-Prozess. Die offizielle deutsche Außenpolitik hat mit dem Fall der Mauer den Helsinki-Prozess zu Grabe getragen, fast nach dem Motto: „Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan; der Mohr kann gehen.“ Dabei war der Helsinki-Prozess moderner und zukunftsfähiger als alles, was wir seitdem in Europa an neuen Blockbildungen, Konflikten und Kriegen erlebt haben. ({4}) Unsere Alternative zur Politik der Bundesregierung folgt der Architektur des Helsinki-Prozesses. Unsere Philosophie ist ein Europa der Stabilität, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, des sozialen Ausgleichs, der Menschenrechte, ein Europa wachsender Freizügigkeit über den EU-Raum hinaus, ein Europa endlich, das sich als Teil einer multipolaren Welt versteht. Auch in dieser Konzeption bleibt die Europäische Union ein wichtiger politischer und wirtschaftlicher Faktor, allerdings kein militärischer. Dies kritisieren wir immer, denn der militärische Weg ist ein Irrweg. ({5}) Eine Militarisierung der Europäischen Union ist auch nicht nötig, wenn man, wie wir es vorschlagen, den Helsinki-Prozess weiterführt. Das heißt zuallererst: Die OSZE wird aufgewertet, gleiche Sicherheit in einem gemeinsamen Raum muss für alle garantiert werden. In der Linie der Bundesregierung bleibt Russland draußen vor der Tür Europas. Die Ukraine, Belarus, Bulgarien und die stabilisierte Balkanregion werden zu Pufferstaaten zwischen der erweiterten Europäischen Union und Russland gemacht. Dies bringt neue Unsicherheit. ({6}) Wir denken weiter. Wir setzen auf das gemeinsame Haus Europa, das alle Staaten und alle europäischen Institutionen - Europarat, EU und OSZE - gemeinsam gestalten. Ein solches Europa könnte Krisen dämpfen. Es könnte aber auch bereits heute vermittelnd im Nahen Osten - das hat Herr Lamers nicht ausgesprochen - und im kaspischen Raum wirken. In unserer Alternative kann deutsche Außenpolitik dazu beitragen, die negativen Folgen der Globalisierung zu überwinden. Hier kritisieren wir die Bundesregierung dafür, dass viele ihrer Initiativen in die falsche Richtung gehen. Die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas haben wirklich nicht darauf gewartet, dass noch ein europäisches Land einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UNO bekommt. Wenn die Bundesregierung schon so auf einen ständigen Sitz erpicht ist, dann sollte sie zuerst das Gewaltmonopol der UNO ohne Ausnahmen anerkennen und sich selbst daran halten. Bereits daran ist sie aber gescheitert. ({7}) Für die UNO ist es wichtig, wenn die Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas mehr zu sagen haben. Die UNO muss stärker werden. Nur sie birgt die Chance, weltweit Recht gegen Willkür durchzusetzen. In der Welt von heute erscheinen Regierungen machtlos gegenüber den Entscheidungen großer Konzerne. Spekulationen bringen die Weltwirtschaft ins Schwanken. Deswegen müssen die internationalen Finanzmärkte kontrolliert werden. Die UNO braucht dringend bessere und wirksamer auf sozialen Ausgleich gerichtete ökonomische Instrumente. Der Klimagipfel ist ein Beweis dafür, wie Gewinnsucht die Zukunft der Menschheit gefährdet. Ein letzter Gedanke zu unserer Strategie: Unser Ziel und Weg zugleich ist Abrüstung. Die Politik der Bundesregierung hat Aufrüstung durch Umrüstung mit sich gebracht. In der Logik der Politik der Bundesregierung liegt die Gefahr eines neuen Wettrüstens. Das wäre das Allerletzte, was wir weltweit oder in Europa brauchten. ({8}) Nach dem Ende der Konfrontation der Blöcke ist der Krieg auf unseren Kontinent zurückgekehrt. Dafür trägt auch die Bundesregierung Verantwortung. Die alte Bundesregierung hatte die Wege angelegt, auf denen dann getrampelt werden konnte. Die qualitativen Brüche aber hat Rot-Grün vollzogen. Rot-Grün hat dem neuen strategischen Konzept der NATO zugestimmt, das nun auch offiziell aus dem Verteidigungsbündnis einen Zusammenschluss mit der Möglichkeit zur weltweiten Intervention macht. Rot-Grün hat eine dementsprechende Bundeswehrkonzeption auf den Weg gebracht, durch die es möglich wird, die deutsche Armee international einzubinden. Ich erspare es Ihnen nicht, daran zu erinnern, dass unter Rot-Grün der völkerrechtswidrige Krieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien geführt worden ist. Wenn jetzt der ABM-Vertrag nicht gegen die Pläne der USA zum Bau eines Raketenabwehrsystems gesichert, wenn jetzt nicht endlich nukleare Abrüstung eingeleitet wird, dann beginnt ein neues Wettrüsten. Wir kennen die fatalen Folgen. ({9}) Die transatlantische Partnerschaft ist ein stehender Begriff. Ich persönlich will ihn auch nicht aus der Außenpolitik einer linken Partei verbannen. Nur, transatlantische Partnerschaft kann doch nicht alles sein. Die Welt ist größer. Meine strategische Alternative enthält eine gesamteuropäische Konzeption und fordert neben der transatlantischen sozusagen eine trans-euro-asiatische Partnerschaft. Dabei könnten Russland und die GUS eine Brücke nach Asien und auch nach China bilden. Ohne eine weitere Verbesserung des Verhältnisses zu China wird man auch diese trans-euro-asiatische Partnerschaft nicht entwickeln können. ({10}) Unsere strategische Alternative hat einen festen Grund und beruht auf einer sicheren Erkenntnis: Krisen können nicht militärisch gelöst werden. Das gilt für den Balkan ebenso wie für Tschetschenien oder den Nahen Osten. Schlussendlich - um das zusammenzufassen - darf man einer Regierung kein Geld bewilligen, wenn man zu der Auffassung gekommen ist, dass sie einen falschen Weg eingeschlagen hat, und muss die Zustimmung zum Haushalt verweigern. Deswegen werden wir dem Haushalt nicht zustimmen. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort dem Bundesminister des Auswärtigen, Herrn Joseph Fischer.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die PDS dem Haushalt nicht zustimmt, ist konsequent. Ich möchte jetzt auch nicht mehr auf die gestern geführte Debatte eingehen; aber eines, Herr Gehrcke, kann ich so nicht stehen lassen. Nicht wir haben es zu verantworten, dass der Krieg auf diesen Kontinent zurückgekehrt ist. Eine solche Aussage würde implizieren, dass Sie die Beschießung von Sarajevo über drei Jahre hinweg zu einem Akt des Friedens erklären. Das wäre zynisch. ({0}) Das würde bedeuten, dass Sie den barbarischen Krieg in Bosnien, dass Sie die Zerstörung von Vukovar, dass Sie all die Gräueltaten und Kriegsverbrechen, die demnächst in Den Haag aufgearbeitet werden, zu Akten des Friedens erklären. Das möchte ich Ihnen nicht unterstellen. Der Krieg ist zurückgekehrt, weil mit dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens - das habe ich damals bedauert und bedauere es heute, aber das ist Geschichte - ein vorhandener Nationalismus von Milosevic auf zynische Art und Weise für eine mörderische Politik instrumentalisiert wurde, von der wir glaubten, dass sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa keine Chance mehr gehabt hätte. Es ist sicher richtig: Man kann Krisen nicht militärisch lösen. Aber leider gibt es manchmal die Notwendigkeit, sie militärisch einzudämmen. Gerade der Kosovo hat dies klar gemacht. Wir hätten heute auf dem Balkan nicht eine solche Situation, wie wir sie heute Gott sei Dank vorfinden. Die Zagreb-Konferenz hat gezeigt, dass eine dauerhafte, nachhaltige und auf Europa orientierte Friedensordnung für diesen Teil Europas niemals hätte umgesetzt werden können, wenn wir damals gegen Ihren erbitterten Widerstand nicht eingegriffen hätten. ({1}) Kollege Lamers, Sie haben eine merkwürdige Vorstellung von Kampf. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut. Sie meinen, Kampf hieße, mit Horrido und krachendem Gebrüll gegen die Wand zu laufen. Ich sage auch dem Kollegen Hoyer: Wenn die Haushalte immer so aussehen Schimpf und Schande auf diesen Minister -, dann lasse ich mich gerne von Ihnen am Ende kritisieren. Sie waren ja selber lange genug in der Regierung. Sie wären damals heilfroh gewesen, wenn Sie solche Haushälterinnen und Haushälter gehabt hätten, die Ihnen am Ende eine solch runde Sache geboten hätten. ({2}) Schmähen Sie also ruhig den Minister! Kollege Lamers, ich dachte, Sie wüssten um den Wert von stillem Kampf. ({3}) Sie wissen doch um den Wert von richtigen Bündnispartnern, damit man zu Ergebnissen kommt. ({4}) Ich kann mich bei Frau Titze-Stecher, aber auch bei allen anderen Haushältern der Koalition und der Opposition nur mit allem Nachdruck für ihre Arbeit bedanken. Das Ergebnis ist so gut - Sie haben es ja dargestellt: Schimpf und Schande für den Minister, Lob dem Haushalt -, dass Sie dem Haushalt, im Gegensatz zur PDS, eigentlich zustimmen müssten, wenn Sie folgerichtig handeln würden. ({5}) Angesichts der knappen Redezeit möchte ich mich nicht mehr zu den Details des Haushaltes äußern - Frau Titze-Stecher und andere haben das schon hervorragend getan -, weil ich gerne zu dem kommen würde, was Kollege Lamers und andere zu politischen Aspekten der Neuorientierung gesagt haben. Lassen Sie mich aber noch diesen Punkt anfügen: Wir dürfen jetzt nicht eine neue Royal Commission einsetzen. Lassen Sie uns die Situation vielmehr sehr sorgfältig bewerten. Wir wollen die Reformen anpacken und sie Anfang des Jahres im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten auf den Weg bringen. Wenn das noch nicht reicht, müssen wir über die nächsten Schritte diskutieren. Es wird vermutlich sehr schwer werden, diese Schritte noch in dieser Legislaturperiode umzusetzen. Wir haben jetzt noch ein Jahr Zeit. Dann schließt sich das Wahljahr an, in dem traditionellerweise nicht mehr allzu viel passieren wird. Aber ich registriere hier einen großen Konsens bezüglich eines effizienten, leistungsstarken und hochmotivierten auswärtigen Dienstes. Wenn die Reformmöglichkeiten, die wir haben, nicht ausreichen, dann sollten wir weitere Schritte überlegen. Wichtig ist aber, dass wir jetzt die gegebenen Möglichkeiten nutzen, um die Vision von einem leistungsfähigen und hochmotivierten auswärtigen Dienst - geprägt von Realismus - umzusetzen. ({6}) Ich sage nochmals allen, die dieses ermöglicht haben, meinen herzlichen Dank. Ich würde mir wünschen, dass wir jetzt eine Trendwende hinbekommen. Ich möchte nicht mehr zurückblicken. Es wäre jetzt einfach zu sagen: Was habt ihr alles abgebaut! Herr Hoyer, Sie wären doch als Staatsminister damals froh gewesen, wenn Sie das durchgesetzt bekommen hätten, was wir durchgesetzt haben. ({7}) Ich füge aber hinzu, dass ich Kritik als konstruktiven Beitrag verstehe. ({8}) Manchmal muss man dicke Bretter bohren. Mir liegt eine polemische Bemerkung auf der Zunge: Angesichts dessen, was man hört, könnte man daran glauben, dass man im Falle dicker Bretter nur bohren muss. Ob das Bohren aber die gewünschte Wirkung zeigt, ist eine andere Frage. Aber ich will diese Bemerkung nicht weiter vertiefen. Die eingeleiteten Schritte reichen in der Tat noch nicht; denn die Herausforderungen an das wiedervereinigte Deutschland mit seinen multilateralen Einbindungen werden in den kommenden Jahren zunehmen, ob uns das gefällt oder nicht. Darauf werden wir uns vorbereiten und entsprechende Maßnahmen umsetzen müssen. Wenn wir die Probleme nicht im Rahmen unserer Möglichkeiten angehen, dann werden die Probleme zu uns kommen, was wir nach Möglichkeit vermeiden sollten. ({9}) - Ich meine nicht die Menschen, sondern die Konflikte, die dann zu uns kommen. ({10}) - Ich erläutere es Ihnen gleich, Herr Gehrcke. Kollege Lamers, Sie haben die Frage nach den nationalen Interessen gestellt. Ich finde es immer rührend - ich weiß, das ist ein hartes Geschäft -, wenn man die Regierung kritisiert, die man doch eigentlich in der Außenund Europapolitik unterstützen müsste. Ich betrachte Ihre Prüfsteine als eine nur notdürftig kaschierte Zustimmung zu unserer Politik. ({11}) Herr Kollege Lamers, erst kritisieren Sie uns und dann tragen Sie im Wesentlichen das vor, was wir an Politik gemacht haben. Ich stimme Ihnen völlig zu: Wenn wir über nationale Interessen reden, dann steht für das wiedervereinigte Deutschland die Schaffung eines vereinten Europas an erster Stelle - nicht nur wegen unserer Mittellage und der objektiven Bedingungen, die Deutschland sofort den Nöten aussetzen würde, die eine Koalitionsbildung gegen uns mit sich bringen würden, und nicht nur wegen der Zwänge, die sich daraus ergeben, wenn wir in das alte europäische Staatensystem mit seiner Konkurrenzsituation zurückfallen. Im Rahmen der Europäischen Union erleben wir, dass dieses System zum Teil noch vorhanden ist. Es ist ja nicht verschwunden. Wir Deutschen und auch die anderen Europäer haben sich in der Substanz nicht wirklich verändert. Es ist aufgrund einer historischen und wirklich visionären Entscheidung gelungen, das System zu ändern und so wegzukommen vom Gleichgewicht der Mächte und dem Konkurrenzkampf der Mächte mit der hegemonialen Verführung hin zum Europa der Integration. Die Vollendung dieses Schrittes ist - das gehört dazu, wenn wir über Leitkultur reden - die Konsequenz unserer Nationalgeschichte, ({12}) des misslungenen Versuchs des Baus eines Nationalstaates auf Gewalt, des Scheiterns im Verbrechen und schließlich des großen Glücks der Schaffung einer deutschen Demokratie, der Akzeptanz durch die Nachbarn und der Wiedervereinigung. Dem müssen wir jetzt durch die europäische Vereinigung gerecht werden. Ich weiß, dass es in diesem Haus einen großen Konsens darüber gibt. Aber wir müssen umgekehrt sehen, dass dieser Prozess auch Verpflichtungen mit sich bringt. Es wird ihn nicht zum Nulltarif geben. Auf der anderen Seite werden wir am Ende die großen Gewinner sein. Insofern ist diese ganze Debatte, in der es immer heißt: „Ich bin für die Osterweiterung, aber ...“, in der immer die Ängste der Menschen beschworen werden, falsch. Je nachdem, wie man die Ängste der Menschen aufnimmt, kann man sie entkräften oder verstärken. Da sehe ich einen wichtigen Unterschied. ({13}) Wir werden allerdings, Kollege Lamers, nicht darum herumkommen, uns mit einer gewissen Parallelität auseinander zu setzen. Erst dann, wenn die politische Integration auch die Felder der Außenpolitik umfasst - wann das sein wird, weiß ich nicht -, wird diese Parallelität aufgebrochen und in einen wirklichen Integrationsprozess verwandelt, wobei dieses heute mit der ESVP teilweise schon möglich ist. Zumindest in der Zeit, seit ich Verantwortung trage, konnte ich eine Verdichtung der Interessenabstimmung - nicht der formellen Integration, wobei auch dies bereits in Ansätzen der Fall ist - im europäischen Rahmen feststellen. Das ist ein sehr konstruktiver, richtiger Prozess. Auf der anderen Seite werden wir in dem Rahmen auf nicht absehbare Zeit eine gewisse Parallelität fahren müssen: europäisch, soweit es nur geht, und national dort, wo die europäischen Alternativen noch nicht vorhanden sind. Mir fällt auf, Herr Kollege Lamers, dass Sie einen Punkt ausgelassen haben, der zum Verständnis unserer Außenpolitik sehr wichtig ist, nämlich die Verpflichtung Deutschlands auf den Multilateralismus. Diese ist nicht nur eine Sekundärtugend, ein instrumenteller Ansatz. Die Verpflichtung auf den Multilateralismus ergibt sich aus unserer Geschichte, aber auch aus unserer aktuellen Interessenlage. Weiterhin ergibt sich aus unserer Tradition und auch aus den negativen Seiten unserer Geschichte die Konsequenz der Verpflichtung zum Frieden. Unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts nach dem Ende des Kalten Krieges heißt das für uns, dass wir eine präventive Friedenspolitik betreiben müssen. In dieser Hinsicht sehe ich im transatlantischen Bereich in der Tat ein Spannungsverhältnis, da die Europäer eher präventiv denken, während andere als globale Macht aufgrund ganz anderer Herausforderungen eher repressiv denken. Wir haben ein Interesse daran, dass die USA ihre Rolle erfüllen kann. Aber wir sollten uns diesem Spannungsverhältnis konstruktiv und in solidarischem Geist als Partner stellen. Ich habe vorhin gesagt, es gibt unabweisbare Situationen, in denen man zur Erhaltung des internationalen oder regionalen Friedens als Ultima Ratio repressiv tätig werden muss. Aber umso wichtiger ist es, vorher alles zu tun, um präventiv zu wirken. ({14}) Auf solche Grundsätze sollten wir uns einigen, Herr Kollege Lamers. Das Thema NMD möchte ich nur ganz kurz ansprechen. Wenn Sie meinen, wir könnten daraus eine Diskussion à la Nachrüstung machen, dann täuschen Sie sich. Unsere Haltung ist da viel nüchterner. Ich befürchte nur, dass wir dann in Zukunft von den präventiven Dimensionen - übrigens genauso, was die Konsequenzen für den Militärhaushalt betrifft -, auch bei Dingen, bei denen wir vermutlich gemeinsam der Meinung sind, dass sie gemacht werden müssen, abgelenkt werden. Diese Debatte sollten wir in Ruhe führen, auch auf der Grundlage unserer Interessen. Für mich ist von ganz entscheidender Bedeutung, dass wir vorankommen. Sie fragen, wie die Einbindungsstrategien in Zukunft aussehen werden und behaupten, es mangele uns an Visionen. Diese Bundesregierung versucht im Rahmen der europäischen Politik, die Russlandpolitik zu einer strategischen Partnerschaft, zu einer politischen Strategie, aber nicht verengt auf den Begriff der Militärstrategie, auszubauen. Nicht umsonst hat die Europäische Union die Russlandstrategie und die Ukrainestrategie als die erste gemeinsame Strategie nach dem Amsterdamer Vertrag formuliert. Dies ist alles andere als einfach. Denn wir befinden uns hier in einer Situation, die sowohl von unseren langfristigen und umfassenden Interessen in Bezug auf Demokratie, Wirtschaftsreformen, Frieden und Stabilität in Russland - nichts wäre so albtraumhaft wie etwa ein auch nur regionales Vakuum, das dort entstehen könnte; das ist übrigens unsere große Sorge im Kaukasus - als auch von den menschenrechtlichen Zielsetzungen geprägt ist. Wir haben ein großes Interesse daran, die Asienpolitik voranzubringen. Auf Ihre Frage nach meinen Sorgen antworte ich Ihnen, dass diese vor allen Dingen durch Asien definiert sind. Aber über das, Herr Kollege Lamers, was Sie zum Nahen Osten gesagt haben, bitte ich Sie noch einmal nachzudenken. Sie stellen Fragen; aber in diesen Fragen insinuieren Sie. ({15}) Das besondere Verhältnis zu Israel sollten wir nicht als Last empfinden; davor kann ich nur warnen. ({16}) - Es ging um das Abstimmungsverhalten; ich habe sehr sorgfältig zugehört. - Herr Kollege Lamers, ich sage Ihnen: Die USA spielen in dieser Region nicht nur kraft ihres Militärpotenzials, ihrer globalen Supermachtrolle und ihres ökonomischen Potenzials, sondern auch deswegen, weil Israel den USA vertraut, die entscheidende Rolle. Es nützt nichts, nur von einer Seite akzeptiert zu werden. Wenn Sie dort wirklich eine Rolle spielen wollen, müssen Sie von beiden Seiten akzeptiert werden. Herr Kollege Lamers, wir haben von der Vorgängerregierung, von der Regierung Kohl, und diese hat von ihren Vorgängerregierungen, von der Regierung Schmidt und Brandt bis hin zu Adenauer, ein besonderes Verhältnis zu Israel übernommen, das wir in der Tat pfleglich fortentwickeln sollten. ({17}) Wir werden auf beiden Seiten gehört. Ich kann nur davor warnen, das ändern zu wollen, und zwar nicht nur aus historischen und moralischen Gründen - das wäre schon Grund genug -, sondern auch aus ganz handfesten, aktuellen, interessenorientierten Gründen. Wir können unsere Möglichkeiten nutzen und das tun wir; aber wir sollten uns nicht überschätzen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Minister, Sie dürfen zwar so lange sprechen, wie Sie möchten. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass Sie schon vier Minuten länger sprechen, als wir alle das möchten. ({0})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Präsidentin, ich nehme diesen Hinweis auf und werde innerhalb der nächsten Minuten zum Schluss kommen. Aber da dieses Thema nun einmal von meinen Vorrednern angesprochen wurde, muss ich die Gelegenheit nutzen, dazu Ausführungen zu machen, damit mir nicht wieder Seelenlosigkeit oder eine mangelnde Sicht der Dinge im Hinblick auf eine visionäre Perspektive vorgeworfen wird. ({0}) - Nein, das mit der Seele hat nicht getroffen. Sie hätten mich getroffen, wenn Sie mir Geistlosigkeit oder Hirnlosigkeit vorgeworfen hätten. Sie haben eine so beseelte Rede gehalten, dass ich einfach nicht mithalten kann; das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Herr Kollege Rühe, ich war doch über die Debatte neulich nicht deshalb enttäuscht, weil wir diese Debatte geführt haben. Ich war über die Form dieser Debatte enttäuscht. Ich stimme allen zu - Kollege Klose hat gestern dazu eine bewundernswerte Rede gehalten, wozu ich ihm gratulieren möchte -, ({1}) die eine Debatte - und nicht nur eine innerhalb von zehn Minuten - über die zukünftige deutsche Außenpolitik, über unser Verhältnis zu Interessen und über die Definition unserer Interessen führen wollen. Wer in diesem Zusammenhang die historische Dimension ausblendet, der wird sich sehr schnell in den Finger schneiden. Auch in der Europapolitik gibt es Fragen, die wir nicht ausdiskutiert haben. Es gibt immer noch Fragezeichen, was die Rolle des vereinigten Deutschlands in Europa betrifft. Das wissen Sie so gut wie ich. Das weiß jeder von den Außenpolitikerinnen und Außenpolitikern. Wie gehen wir mit Russland um? Wie verfahren wir bei der sehr schwer zu beantwortenden Frage des transatlantischen Verhältnisses? Wie gehen wir in Bezug auf Afrika vor? Zu Afrika möchte ich noch diesen einen Satz sagen: Ich halte die Entwicklung in Subsahara-Afrika für viel zu bedeutend und, wenn sie schief geht, auch für unsere Sicherheit für viel zu gefährlich, als dass wir es uns leisten könnten, uns nicht intensiver darum zu kümmern. Genau das habe ich getan und will ich auch in Zukunft tun. ({2}) Herr Kollege Lamers, zu dem, was Sie zum Thema Balkan gesagt haben - ich kann darauf nicht vertieft eingehen; ich möchte Sie jedoch vor einem weiteren Irrtum warnen -, kann ich Ihnen nur so viel sagen: Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, als wenn wir von Berlin aus sozusagen im Stil des Berliner Kongresses des späten 19. Jahrhunderts Balkanlösungen produzieren. Mir geht es vielmehr darum, dass wir das gemeinsam mit unseren Partnern in einem langen Atem tun. Der Stabilitätspakt bietet dafür eine gute Voraussetzung. Eine Weiterentwicklung des Stabilitätspaktes setzt erst einmal voraus, dass die erste Stufe funktioniert. Die jetzige Strategie der Heranführung an die Europäische Union, wie sie in Zagreb verabschiedet wurde, ist eine zweite gute Plattform. Wenn dies in der Zukunft in eine vertiefte institutionelle Bindung zusammengeführt würde, wird das gut sein. Wir sind die Letzten, die die nötigen Ideen dafür nicht erarbeiten werden. Aber ich warne davor, den jetzt eingeschlagenen Weg vorausgreifend infrage zu stellen. Es setzt lange Verpflichtungen voraus, auch militärisch. Die USA begannen 1946 im Kongress die Diskussion über die Exit-Strategie in Europa. Bis heute sind die USA wichtiger zentraler Partner der europäischen Sicherheit, auch durch Truppen auf unserem Kontinent, und sie werden es auch in Zukunft sein. Das heißt nicht, dass wir auf dem Balkan eine ähnlich lange Perspektive brauchen. Aber es zeigt, wie wichtig es manchmal ist, in historischer Perspektive die notwendige Kraft zu haben, sich langfristig zu engagieren. Gerade der Balkan macht klar: Unsere Generation hat jetzt die Gelegenheit, dort eine dauerhafte, nach Europa orientierte Friedensordnung zu erreichen. Ich möchte mich bei allen nochmals recht herzlich bedanken, auch im Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes sowie der Botschaften und Generalkonsulate. Ich würde mich freuen, wenn der eine oder andere aus der Opposition, der gerne zustimmen würde, sein Herz über die Hürde wirft und zustimmt. Danke. ({3})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat das Wort die Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-Fraktion.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! „Halb voll und auch halb leer“ - so wenig optimistisch überschrieb die „Frankfurter Rundschau“ gestern ihren Kommentar zur Kompromissfindung der EU-Finanzminister bei der Zinsbesteuerung. Denn was die Minister ausgehandelt haben, steht zunächst nur auf dem Papier. Die Vereinbarung ist abhängig davon, ob sich Drittländer wie die Schweiz, Liechtenstein oder die USA zu gleichwertigen Steuermaßnahmen überreden lassen. Wie realistisch es ist, das tatsächlich zu erreichen, können wir uns selbst ausrechnen, nämlich so gut wie gar nicht. Halb voll und auch halb leer - diese Überschrift könnte derzeit leider über fast allen wichtigen Projekten der Europäischen Union stehen, leider auch über einem Projekt Europas, das uns allen hier ganz besonders am Herzen liegt; Michael Glos hat es heute Morgen schon angesprochen. Es geht um unsere gemeinsame Währung, den Euro. ({0}) Mit einem starken Kurs von 1,17 US-Dollar startete der Euro am 1. Januar 1999. Das war noch das Ergebnis der Wirtschafts- und Finanzpolitik und der Europapolitik der CDU. ({1}) Zwei Monate Rot-Grün haben nicht ausgereicht, um die Währung schwach zu machen. Aber zwei Jahre Rot-Grün haben zu einer Talfahrt unserer europäischen Währung geführt. Gestern lag der Schlusskurs bei 85 Cent. ({2}) Eines ist doch klar: Die Stabilität der europäischen Währung hängt nicht von der luxemburgischen Volkswirtschaft ab, sondern immerhin mindestens zu einem Drittel von der Entwicklung in Deutschland. Mittlerweile ist auch die innere Stabilität des Euro bedroht. ({3}) Hohe Rohstoffpreise und preistreibende neue Steuern wie die Ökosteuer haben die Inflation ansteigen lassen. Eurostat meldet - das finde ich besonders beunruhigend -, dass Deutschland zu den Ländern mit dem relativ größten Anstieg der Inflationsrate zählt: Sie hat sich nämlich von 0,9 Prozent im September 1999 auf 2,4 Prozent im September 2000 erhöht. Die Verbraucher zahlen die Zeche für den schwachen Euro. ({4}) Wir haben uns die Inflation ins Land geholt und der Bundeskanzler und Sie, Herr Außenminister, wollen uns weismachen, dass dies gut für unsere Wirtschaft ist. Ich sage Ihnen: Das ist völliger Unsinn. Was ein schwächerer Euro bedeutet, haben Sie jetzt an Ihrem eigenen Haushalt erlebt. Wir haben uns vorhin schon darüber unterhalten, dass durch die Wertstellung in Dollar die Pflichtbeiträge gestiegen sind. Sie müssen also auch bei Ihrem Haushalt den Preis zahlen für den schwächeren Euro. Die Regierungen in der Europäischen Union sind aber mit Schuldzuweisungen recht schnell bei der Hand - man ist es ja nie selber - und schon wurde der EZP-Präsident Wim Duisenberg als Schuldiger ins Visier genommen. Ich kann Ihnen eines sagen: Er ist für die Entwicklung des Euro in den zurückliegenden Monaten genauso wenig verantwortlich wie beispielsweise der Chef von VW für den Zustand der Straßen, für Schlaglöcher und Ähnliches. Die Ursachen liegen doch ganz woanders. Da gibt es zum Beispiel den Reformstau in den Volkswirtschaften der Europäischen Union. So sagt der Bundesverband der Deutschen Industrie in seiner wirtschaftspolitischen Zwischenbilanz zum Thema zwei Jahre rot-grüne Bundesregierung - ich kann Ihnen nur empfehlen, diese zu lesen - Folgendes: Die andauernde Euro-Schwäche spiegelt ... nicht zuletzt den weiterhin enormen Reformbedarf in Deutschland und anderen wichtigen Ländern der EU wider. ({5}) Die linken Regierungen Europas versagen vor der historischen Aufgabe, Europa fit zu machen für das 21. Jahrhundert. ({6}) - Hören Sie mir zu! - Nicht von ungefähr liegen Deutschland und Frankreich unter dem EU-Wachstumsdurchschnitt im Jahr 2000, die christdemokratisch geführten Länder Spanien und Österreich unter den Regierungen von Aznar und Schüssel dagegen darüber. ({7}) Die Ursachen dafür liegen ganz klar in der Wirtschaftsund Finanzpolitik dieser Länder. ({8}) Noch eine andere Ursache spiegelt sich in der EuroSchwäche wider: Die Investoren haben wenig Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union. Das ist für mich persönlich das Enttäuschende. Gleich welches Projekt in den vergangenen zwei Jahren von der Europäischen Union angegangen worden ist - hier kann ich die Agenda 2000 oder die Vorbereitungen zur Osterweiterung nennen und beim Gipfel von Nizza steht das Gleiche zu befürchten -, jedes Mal ist nichts Halbes und nichts Ganzes herausgekommen. Es ist auf jeden Fall nichts herausgekommen, was das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union und damit in den Euro stärken würde. Daran, Herr Außenminister, tragen Sie erhebliche Schuld. ({9}) Ich möchte noch ein weiteres Beispiel für die nicht sehr ausgeprägte Handlungsfähigkeit der Europäischen Union nennen. Das ist die Verwirklichung des Binnenmarktes. Noch unter CDU-Verantwortung wurden die Energie- und Telekommunikationsmärkte liberalisiert, und zwar mit positiven Auswirkungen für die Verbraucher. Davon profitieren Sie nun ja auch sehr stark. Meinem Kollegen Christian Schwarz-Schilling verdanke ich den Hinweis, dass die Liberalisierung des Briefverkehrs nun ins Stocken geraten ist. Sie wollen in Brüssel klammheimlich - unter Ausschluss der Öffentlichkeit - die Festigung des Briefmonopols für weitere sieben Jahre durchsetzen. Auch das muss hier thematisiert werden. ({10}) Deutschland war immer Schrittmacher in der Europäischen Union, was Reformen, Liberalisierung und Privatisierung anging, und jetzt blockieren wir die Entwicklung zu weiterer Liberalisierung. ({11}) Die fehlende Bereitschaft, Vertrauen zu schaffen und Veränderungen herbeizuführen, gibt es noch woanders: Jahr für Jahr beklagen wir den erheblichen Missbrauch von EU-Geldern. Jahr für Jahr veröffentlicht der Europäische Rechnungshof seine Berichte und Jahr für Jahr stellen wir fest, dass in 80 Prozent der Missbrauchsfälle die Mitgliedstaaten selbst verantwortlich sind, weil beispielsweise die Zölle nicht ordentlich einbehalten wurden, weil Flächen und Tierzahlen manipuliert wurden usw. Nun gibt es gute Vorschläge - Sie kennen sie - des Europäischen Parlaments, wie der Verschwendung von EUGeldern besser begegnet werden kann. Wir müssten - mit 18,5 Milliarden DM sind wir schließlich der größte Nettozahler in der EU ({12}) ein hohes Interesse daran haben, diese Missstände abzuschaffen. Dazu müsste der Europäische Rechnungshof größere Möglichkeiten zur Ermittlung bekommen. Aber was passiert? Das Desinteresse des Kanzleramts und das Desinteresse Ihres Hauses, Herr Außenminister, haben verhindert, dass wirksame neue Instrumente geschaffen werden konnten. Deshalb sind Sie dafür mitverantwortlich, dass die Verschwendung von Geldern innerhalb der Europäischen Union nicht aufhört. ({13}) Nach zwei Jahren Rot-Grün hat die Politik „Nichts Halbes und nichts Ganzes“ jetzt leider auch die Bevölkerung erreicht. Besonders erschreckend ist dabei die Einstellung der jungen Menschen zu Europa. Die ShellUrsula Heinen Jugendstudie, die vor einigen Monaten veröffentlicht worden ist, kommt zu dem Ergebnis: Europa lässt die Jugend kalt. ({14}) - Ich würde darüber nicht so lachen, weil es ein sehr ernstes Thema ist, wenn junge Menschen gegenüber Europa skeptisch sind. In der Shell-Jugendstudie heißt es weiter: Der Trend zu einer negativen Bewertung Europas, auch bei der jungen Generation, nimmt zu. Dieses Ergebnis, meine ich, müsste Sie nun wirklich aufrütteln. ({15}) Ich kann mir im Interesse unserer europäischen Zukunft nur wünschen: Nehmen Sie die Menschen mit, nehmen Sie vor allem die jungen Menschen mit! Machen Sie eine vernünftige, eine klare Politik in Europa! Und sehen Sie zu, dass wir zu wirklichen Ergebnissen kommen! Dabei unterstützen wir Sie selbstverständlich. ({16})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marion Caspers-Merk, SPD-Fraktion.

Marion Caspers-Merk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Heinen, nichts Halbes und nichts Ganzes - das ist die passende Überschrift für Ihre Rede, Frau Kollegin; ({0}) denn ich habe Sie als europabewegte Parlamentarierin kennen gelernt, aber die europäische Wirklichkeit haben Sie in Ihrer Rede nicht abgebildet. ({1}) Ich finde es schon eigenartig. Sie sind, wenn ich mir die Situation in Ihrer Fraktion so ansehe, was die europapolitische Einschätzung vieler einzelner Projekte und Gesetze, aber auch die Europapolitik generell anbetrifft, weder Fisch noch Fleisch. Sie haben es doch noch nicht einmal in Ihrer eigenen Fraktion durchsetzen können, dass es zu dem entscheidenden Projekt einer Grundrechte-Charta einen gemeinsamen Antrag aller Fraktionen dieses Hauses gibt. Es ist schon schlimm, dass im Prinzip in München Stopp gesagt wird und sich daraufhin eine ganze Fraktion bei einem so wichtigen Projekt mit den anderen Fraktionen nicht auf einen gemeinsamen Text einigen kann. ({2}) Sie haben hier den Reformstau beklagt, Frau Kollegin Heinen. Wer hat denn den Reformstau aufgelöst? Was haben wir denn vorgefunden? Sie haben hier auch unsere Nettozahlerrolle kritisiert, aber Sie vergaßen zu erwähnen - vielleicht hat man Ihnen auch nicht gesagt, wie die Situation war, bevor Sie in das Parlament gekommen sind - dass unsere Nettozahlungen von dieser Bundesregierung deutlich abgesenkt wurden, nämlich von 23 Milliarden DM auf 18 Milliarden DM. ({3}) Das muss auch einmal gesagt werden; denn sonst entsteht hier ein völlig falsches Bild. Sie haben das Thema der Liberalisierung der Stromund Telekommunikationsmärkte angesprochen. Richtig ist, beide Marktbereiche wurden liberalisiert. Richtig ist auch, dass beides für den Kunden attraktiver und billiger geworden ist. ({4}) Aber was haben wir zu beklagen? Wir haben zu beklagen, dass während Ihrer Regierungszeit der Wirtschaftsminister - damals hieß er noch Rexrodt; vielleicht erinnert sich der eine oder andere an den Herrn ({5}) nicht durchgesetzt hat, dass gleichzeitig die Energiemärkte in Frankreich liberalisiert werden. Diesen Zustand haben wir vorgefunden. ({6}) Das heißt, es ist nicht gelungen, das umzusetzen, was uns allen eigentlich ein Anliegen sein müsste, nämlich zum Beispiel dass grüner Strom eine europaweite Kennzeichnung hat. Es ist nicht gelungen, hier in einem Konsens weiterzukommen. Wenn Sie sagen, eine Liberalisierung sei positiv zu bewerten, dann verstehe ich die Bayerische Staatsregierung in Bezug darauf, wie sie sich zum Thema Kommissionsmitteilung, Wettbewerb und Daseinsvorsorge verhält, nicht. ({7}) Diese Bundesregierung hat erreicht, dass es eine neue Kommissionsmitteilung gibt. Mit dieser Kommissionsmitteilung wird etwas umgesetzt, was wir schon immer gefordert haben: Das Thema Daseinsvorsorge wird als Kernbereich des europäischen Gesellschaftsmodells anerkannt. ({8}) Dies brauchen wir, damit unsere Kommunen, unsere Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker wissen, dass es Rechtssicherheit, dass es Verhandlungssicherheit gibt. Gerade die von Ihrer Partei regierten Bundesländer haben immer gefordert, es solle eine Kommissionsmitteilung zu diesem Themenbereich geben. Was macht nun - zwei Tage, nachdem die Kommissionsmitteilung am 20. September vorgelegt worden ist die Bayerische Staatsregierung? Sie weiß schon wieder, dass diese Kommissionsmitteilung nicht weit genug geht. Sie spricht sich also gegen eine weitere Liberalisierung aus und fordert von uns eine Vertragsänderung. Das nenne ich eine sehr unehrliche Politik: Das, was hier gelungen ist, nämlich in einer Kommissionsmitteilung der Daseinsvorsorge einen entscheidenden Stellenwert zu geben und die Rechtssicherheit zu verankern, wird überhaupt nicht anerkannt. Stattdessen wird eine Vertragsänderung verlangt. Das heißt: Sie sind sich in der Europapolitik nicht einig. Sie haben keine Richtung. Sie wissen noch nicht, wie die Diskussion in Ihrer Fraktion ausgehen wird, ob sich diejenigen durchsetzen, die mit uns die gemeinsame Grundlage der Europapolitik gelegt haben, oder ob die Hardliner aus München gewinnen, die Europa im Prinzip zum Abschuss freigeben. ({9}) Besonders in einem Wahlkreis mit Außengrenzen zu Europa - zur Schweiz und zu Frankreich - gilt, was die Kollegin Heinen sagte, dass das Thema Europa und vor allem die Ernüchterung von Europa für die Bürgerinnen und Bürger eine Rolle spielt. Sehen wir uns die Lokalpresse von heute an! Sie ist voll von europakritischen Überschriften, die alle mit dem BSE-Skandal zu tun haben. Drei Dinge werden als Vorwurf geäußert: Erstens. Keine Transparenz in den Entscheidungen. Zweitens. Es werde zu unflexibel, zu bürokratisch und damit zu langwierig gehandelt. Drittens. Es gebe keine Ausrichtung an einer effizienten Verbraucherpolitik, einer Politik für den Menschen. Führen wir uns die Skandale und ihre Geschichte einmal vor Augen: Es ist richtig, dass in Europa zu spät auf BSE reagiert wurde. Wenn man sich überlegt, dass es 1988 die ersten Fälle gab und erst 1994 die ersten Reaktionen darauf einsetzten, sieht man, dass das deutlich zu lange ist. Auch sind die Verordnungen uneinheitlich umgesetzt worden. Bei uns ist die Verordnung zur Rindfleischetikettierung teilweise umgesetzt worden, in anderen europäischen Ländern gar nicht. - Die Bürgerinnen und Bürger haben kein Verständnis dafür, dass der Verbraucherschutz deutlich geringere Aufmerksamkeit findet als die Landwirtschaft. Ich glaube, wenn wir Zustimmung zu Europa erreichen wollen, dann muss die Verbraucherpolitik einen deutlich höheren Stellenwert als in der Vergangenheit erhalten. ({10}) Nachdem wir nun reagiert haben, indem wir - das wurde heute Morgen schon erläutert - auf nationaler Ebene einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, brauchen wir eine weiter gehende Initiative auf europäischer Ebene. Wir brauchen ein gemeinschaftsweites Verfütterungsverbot von Tiermehl. Dies muss im Dezember im Agrarrat eingebracht und durchgesetzt werden. ({11}) Ich würde mich freuen, wenn Sie unsere Politik unterstützen und es nicht wieder hinten herum kritische Stimmen aus Bayern gibt, dass die Regelungen zu weit gingen und wir dies im Interesse der Landwirtschaft nicht bräuchten. Seien Sie hier geradlinig und nachvollziehbar! Sorgen Sie dafür, dass die Interessen des Verbraucherschutzes höher gehängt werden! ({12}) An dem Beispiel BSE sieht man, warum die drei Kernbereiche des Nizza-Prozesses für uns so wichtig sind. Worum geht es bei diesen institutionellen Reformen? Erstens. Wir wollen, dass das Einstimmigkeitsprinzip in der Regel in Mehrheitsentscheidungen umgewandelt wird. Zweitens. Wir wollen eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb Europas. Drittens. Wir wollen eine handlungsfähige Kommission. An allen drei Punkten kann man durch den BSE-Skandal deutlich machen, dass es wichtig ist, diese Reformen in Nizza umzusetzen: Erstens. Wir brauchen beim Verbraucherschutz eine deutliche Änderung Richtung Mehrheitsentscheidungen. Es kann nicht sein, dass der Letzte im Geleitzug bestimmt, wie die Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa geschützt werden. ({13}) Zweitens. Wir brauchen für die Länder in der Gemeinschaft, die beim Verbraucher- und Umweltschutz deutlich mehr als andere tun wollen, eine verstärkte Zusammenarbeit. Das ist ein wichtiger Punkt, der zu einer höheren Akzeptanz bei der Bevölkerung führt. Drittens. Eine handlungsfähige Kommission bedeutet für uns eine Kommission, in der es keine Scheinzuständigkeiten gibt. Sie muss durchsetzungsfähig sein. Ich halte es für ein Unglück, dass im Prinzip immer noch Verbraucherinteressen als Querschnittsaufgabe im Prinzip immer noch zu kurz kommen. Wenn Sie sich einmal die Gewichtung in der Kommission ansehen, dann werden Sie feststellen, dass die Wirtschafts- oder die Landwirtschaftspolitik einen ganz anderen Stellenwert hat. Hier muss es zu einer deutlichen Stärkung der Verbraucherinteressen kommen. Insgesamt müssen wir alle die Europapolitik als Herausforderung begreifen, um Umweltstandards und Verbraucherschutz in Zukunft ein stärkeres Gewicht zu geben. Ich glaube, diese Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass gerade diese Themen bei der Außen- und Europapolitik nicht zu kurz kommen. Unsere Politik ist richtungssicher. Deswegen fordere ich Sie auf: Sorgen Sie in Ihren Reihen für einen klaren Kurs! Sorgen Sie dafür, dass sich der Europaskeptizismus aus München nicht durchsetzt! Herzlichen Dank. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat der Kollege Christian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Geschäftsordnung kennt er, der Herr Außenminister: Zehn Minuten Redezeit hatte er, 19 Minuten hat er geredet. Noch eine Minute länger und ich hätte für unsere Fraktion das eine oder andere von seinen Überlegungen - es sollte wohl eine Grundsatzrede sein - ausführlicher kommentieren können. Ich muss das jetzt in der knappen Zeit, die mir zur Verfügung steht, versuchen. Aber vorneweg etwas zur Kollegin Caspers-Merk: Es ist ja nett, wenn Sie - wie die bayerische SPD seit Jahrzehnten - versuchen, sich an der CSU abzuarbeiten. Aber so wenig wie die SPD in Bayern damit Erfolg hat, so wenig hatten Sie jetzt Erfolg. Gerade die Punkte, die Sie ansprachen, Frau Kollegin - das wissen Sie ja -, zeugen doch nicht von Euroskeptizismus. Sie sind vielmehr der Nachweis dafür, dass Dinge durch kritische Begleitung nach vorne gebracht werden. Wenn Sie bei der Grundrechte-Charta von einer Blockade sprechen, kann ich Sie nicht verstehen. Sie haben unseren Antrag nicht gelesen. Wir haben doch zu dieser Frage Stellung bezogen, natürlich auch dazu, welche Rechtswirkungen die Grundrechte-Charta erzeugt, wenn sie nur als feierliche Erklärung oder aber als Vertragsbestandteil verabschiedet werden würde. Wir haben das klargestellt; dazu musste etwas gesagt werden. Zum Thema Daseinsvorsorge: Ich weiß nicht, ob die Bundesregierung von sich aus den Eifer entwickelt hätte, diese Problematik europaweit zu diskutieren und von der Kommission Reaktionen erhalten hätte, wenn nicht vorneweg der Freistaat Bayern und die Bundesländer insgesamt die Sorge geäußert hätten, dass wir hier auf europäischer Ebene überziehen. Ich erinnere nur an die Frage der kommunalen Wasserversorgung und an die Bereiche, die enorme Schwierigkeiten gerade aus ökologischer Sicht und aus Sicht des Verbraucherschutzes mit sich bringen. Wenn Sie Mehrheitsentscheidungen im Bereich des Verbraucherschutzes einfordern, dann, so glaube ich, können und müssen wir selbstverständlich darüber reden. Zur Frage der Finanzierung der europäischen Haushalte und zur Frage der Nettozahlerrolle: In der Agenda 2000 ist unserer Meinung nach eine Riesenchance vertan worden. Die Frage der komplementären Finanzierung ist immer noch offen. Sie ist, wie Sie wissen, von unserer Seite aus Rücksicht auf Frankreich überhaupt nicht angesprochen worden. Aber hier war die Rücksichtnahme falsch. Zur Kompetenzabgrenzung: Es ist jetzt allgemein anerkannt, dass man eine Kompetenzabgrenzung braucht. Aber ich kann mich noch erinnern, wie Edmund Stoiber vor zwei Jahren beschimpft worden ist, als er diese gefordert hat. So schlecht kann das also nicht gewesen sein, Herr Kollege; denn ihr seid ja zwischenzeitlich auch dafür. Das, was ihr tut, ist richtig: Ihr vollzieht nach, was die CSU vordenkt. Wenn ihr auf diesem Weg bleibt, kommt ihr voran. ({0}) Der Herr Außenminister hat genau hingehört. Bei der Nacharbeit unserer Debatte von vor zwei Wochen habe ich festgestellt, dass er nichts anderes gesagt hat. Herr Minister, Sie haben gesagt: Eigentlich bin ich ja mit vielem in Ihrem Antrag einverstanden; wir liegen gar nicht so weit auseinander. ({1}) - Das haben Sie nicht gesagt? Habe ich das hineininterpretiert? Ich habe Sie für vernünftiger gehalten, als Sie es offensichtlich in Ihrer Rede waren. Worauf kommt es denn an bei der Frage, wie Außenpolitik gestaltet werden soll? Es kommt natürlich auf die großen, langfristigen Linien an. Diese sind in der Tat vorgegeben, weil sie oft einer sich nicht ändernden Interessenlage entsprechen. Ich will durchaus zugeben, dass das, was Sie zum Thema Naher Osten und Israel gesagt haben, von mir geteilt wird. Hier ist Kontinuität gefragt. Auch das, was Sie gestern zur Frage der Osterweiterung der Europäischen Union in Bezug auf die Vorarbeiten der Regierung Kohl gesagt haben, kann ich nur unterstreichen. Bei Ihrer Außenpolitik wird es aber immer dann problematisch, wenn die Ideologie mit ins Spiel kommt, wenn Sie den Pfad einer langfristigen Orientierung verlassen, wenn Zucker an die grünen Parteitage verteilt werden muss und wenn die Kompromisse der Koalitionsvereinbarungen - wider besseres Wissen und besseren Rat aus dem Auswärtigen Amt bzw. von neutralen, nicht der Partei zugehörigen Beobachtern der Szenerie - umgesetzt werden sollen. Ich nenne als Beispiele das völlig aus der Luft gegriffene Problem eines nuklearen Ersteinsatzes, das bei den Alliierten eine große Verunsicherung erzeugt hat, sowie die Frage der Durchsetzung von Menschenrechten in der Außenpolitik, wie wir es in Tschetschenien, Nordkorea und nicht zuletzt in Afrika erleben können. Wenn ich über die Afrikareise lese, dass man mit Herrn Kagame, dem ruandischen Präsidenten, der politisch nicht gerade friedlich gesonnen ist - um es vorsichtig zu formulieren - zur Guerilla-Beobachtung geht, dann halte ich solche Zugeständnisse angesichts von Spielräumen, die man nur vorgibt zu haben, die man aber in Wirklichkeit nicht hat oder nicht in Anspruch nehmen will, für problematisch. In der Außenpolitik besteht ein Problem fehlender Konvergenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, zwischen den langfristigen Vorgaben, denen die Regierung durchaus in gewisser Hinsicht folgt, und „Ausreißern“, bei denen man fragen muss: Ist das jetzt wieder der alte Fischer, der eigentlich dasitzen müsste und gelegentlich Zwischenrufe macht? Das ist ein Problem, über das wir reden müssen. ({2}) Vorhin ist über die Seele gesprochen worden. Irgendwann wird der Außenminister seine Memoiren schreiben, beginnend mit dem November 2002, unter der Überschrift: „Amt essen Seele auf.“ ({3}) - Auch Fassbinder gehört - ebenso wie Sergeant Pepper und Entenhausen im kulturpolitischen Szenario von Joschka Fischer vorkommen - zur deutschen Kultur. Christian Schmidt ({4}) Wenn die Frage nach der Zukunft der Außenpolitik gestellt wird, geht es auch um das Problem, was diejenigen machen, die auf diesem Feld arbeiten. Damit meine ich nicht diejenigen, die bei Gelegenheit zu ihrer Ideologie gekommen sind, wie zum Beispiel Herr Schmierer, ein früheres KBW-Mitglied aus alten Frankfurter Tagen, und einige andere Genossen, deren Bonität sehr zweifelhaft ist. Es geht um einen soliden auswärtigen Dienst, der sich darauf verlassen kann, dass er, Frau Titze-Stecher, vom Bundestag nicht im Stich gelassen wird. Ich will das durchaus anerkennend sagen, auch im Namen des Kollegen Frankenhauser, dem Sie freundlicherweise Grüße übermittelt haben. Wir können uns dem nur anschließen. Er ist schwer gestürzt und muss zwar noch einige Zeit liegen, ist aber auf dem Weg der Besserung und wird bald wieder unter uns sein. ({5}) Wir müssen im Sinne des auswärtigen Dienstes, den wir nicht verhungern lassen wollen, da und dort Akzente setzen. Nun sind die Akzente aber nicht ganz so positiv ausgefallen. Das ist in erster Linie eine Folge des Haushaltskorsetts. Der nominale Anstieg des Haushaltsansatzes resultiert nur aus den höheren Mitgliedsbeiträgen an die Vereinten Nationen durch den schwachen, heruntergeredeten Euro, da die Beiträge auf Dollarbasis abgerechnet werden. Wenn Frau Albright der Meinung ist, wir sollten über die Höhe unseres Beitrags an die Vereinten Nationen nachdenken, erlaube ich mir, zu sagen, dass wir darüber - unabhängig von der Regierung, der Administration in Washington - erst dann reden können, wenn alle amerikanischen Beiträge an internationale Organisationen ordentlich bezahlt worden sind. ({6}) - Ja, eine Erhöhung kommt überhaupt nicht in Frage. Wir brauchen eine konstruktive Begleitung der Reform des auswärtigen Dienstes. Ich habe aber Angst, dass daraus nicht sehr viel werden wird. Wenn Sie sagen: „Wir werden das bis Januar mit Bordmitteln machen und dann wird in dieser Legislaturperiode nichts mehr laufen“, empfinde ich das als zu kurz gesprungen. Sie haben ein verklausuliertes Angebot des Haushaltsausschusses erhalten, diese Maßnahmen zu begleiten. Sie brauchen vermutlich eine Änderung des Gesetzes über den auswärtigen Dienst. Sie brauchen eine neue Leitbildbestimmung, ({7}) die den Kommunikationswegen des 21. Jahrhunderts und dem, wie man heutzutage Kommunikation betreibt, adäquat ist. Ich stimme zu, dass der klassische diplomatische Dienst darunter nicht leiden darf. Er wird Zusatzaufgaben und zum Teil veränderte Aufgaben bekommen. Das muss sich auch in der Rekrutierung niederschlagen. Wir müssen über die Frage reden, inwieweit es Seiteneinsteiger geben kann. Ich meine jetzt nicht diejenigen, die von der Friedrich-Ebert-Stiftung hineinkommen, sondern ich meine die, die von außen kommen und qualifiziert und unabhängig sind; denn wir brauchen für diesen und jenen Bereich Sachverstand, wir brauchen Leute im auswärtigen Dienst, die unser Land über den klassischen Bereich hinaus vertreten können; hierfür reichen die bisherigen Instrumentarien nicht aus. Wir reichen unsere Hand für eine gemeinsame Arbeit an dieser Frage. Aber das Konzept, das bisher vorliegt, reicht hierzu nicht aus. Wie war das mit dem Wasserglas? Halb voll oder halb leer? Momentan hat es den Anschein, dass es, ideologisch gesehen, ganz leer ist und dass es, strukturell gesehen, halb voll ist, so wie die gestrige Regierungserklärung des Bundeskanzlers: halb vorgelesen, halb frei gehalten, nichts Falsches, nichts Richtiges, eine Pflichtübung. ({8}) Ich ermuntere uns, dass wir die Außenpolitik mehr in den Mittelpunkt stellen. Sie hat es verdient. Sie ist wichtig. Ein Land, das nicht mehr so groß wie Frankreich und England ist, sondern das 20 Millionen Einwohner mehr hat, muss von sich aus dafür Sorge tragen, dass europäischer Multilateralismus verhindert wird, dass sich all die schrecklichen Dinge, die im 20. Jahrhundert vorgekommen sind, niemals wiederholen. Es ist keineswegs so, dass diese Gefahren völlig ausgeschlossen wären. Frau Kollegin Titze-Stecher, Sie haben einem einzigen Antrag der Opposition zugestimmt. Das ist uns zu wenig. Deswegen werden wir den Haushalt insgesamt ablehnen. Das Thema Kriegsgräberfürsorge ist in der Tat ein wichtiger Punkt. ({9}) Versöhnung über den Gräbern, wissen und erkennen, wohin Politik führt, die die Bindungen an Demokratie, Vernunft und Menschlichkeit vergisst - das ist der Weg, den auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge beschreitet. Dies ist uns Mahnung genug, vernünftige Außenpolitik zu betreiben. Sorgen Sie für ausreichend Geld und für eine gute Umsetzung! Lassen Sie die Ideologie beiseite! Dann können wir über alles Weitere reden. Herzlichen Dank.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe unterstellt, dass das Haus damit einverstanden ist, wenn ich dem Redner der CDU/CSU ein wenig Luft lasse, weil der Herr Minister ein bisschen länger geredet hat. Dass es nun gleich drei Minuten wurden, Herr Kollege, war nicht beabsichtigt. Aber damit haben wir, denke ich, einen Ausgleich geschaffen. Ich erteile nun dem Kollegen Volkmar Schultz, SPDFraktion, das Wort.

Volkmar Schultz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002792, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man der Debatte aufmerksam zugehört hat, muss man feststellen: Die Opposition ist eigentlich den Beweis schuldig geblieChristian Schmidt ({0}) ben, dass sie eine Alternative zur Außenpolitik der Bundesregierung hat. ({1}) Ich habe bei keinem Ihrer Redner etwas anderes verspüren können. Vielleicht ist ja auch etwas Gutes daran. Ich möchte jetzt nicht mehr auf den Haushalt eingehen. Frau Titze-Stecher, Frau Grießhaber und andere haben ausführlich über die einzelnen Positionen im Haushalt und deren politische Bedeutung gesprochen. Aber ich möchte eine Bemerkung von Herrn Lamers aufnehmen, die er zu Beginn der Debatte über den Einzelplan 05 gemacht hat. Er hat gesagt, wir müssten intensiv auch über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen nachdenken. Das ist richtig. Herr Kollege Lamers, ich will Ihnen nur sagen: In dieser Frage gibt es keinen grundsätzlichen Dissens zwischen den Christdemokraten und den Sozialdemokraten. ({2}) Wenn wir aber die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ernsthaft diskutieren, müssen wir es anders machen als Herr Rühe mit seinen Kassandra-Rufen vor 14 Tagen, nach dem Motto: Ihr ruiniert die transatlantischen Beziehungen. ({3}) Denn das stimmt nun wirklich nicht und wird auch durch nichts belegt. Ich glaube, eines der Probleme in den transatlantischen Beziehungen lässt sich an der Frage verdeutlichen, wie sich die Europäer verhalten, nicht so sehr an der Frage, wie sich die Amerikaner verhalten. Deren Haltung kennt man. Die erste Frage in diesem Zusammenhang lautet immer: Sprechen die Europäer wirklich mit einer Stimme? - Die Amerikaner mögen selbstbewusste Partner. Deshalb sollten die Europäer selbstbewusst auftreten; denn dann wissen die Amerikaner, mit wem sie es zu tun haben. Wenn wir uns allerdings, wie manchmal geschehen, den Luxus erlauben, mit zehn oder 15 verschiedenen Stimmen zu sprechen, dann werden wir ein bisschen an die Wand gedrückt. Die USA müssen lernen, dass sie es mit einem selbstbewussten Partner zu tun haben. Wer sich einmal die Fakten anschaut, der weiß, dass wir durchaus das Potenzial haben, ein selbstbewusster und auch gleichwertiger Partner zu sein, mit einer Ausnahme: Das ist die globale Militärmacht. Wenn man das Bruttoinlandsprodukt der USA, das bei etwa 7,8 Billionen US-Dollar liegt, mit dem der Europäischen Union, das bei 7,3 Billionen US-Dollar liegt, vergleicht, dann wird man feststellen, dass beide fast das gleiche wirtschaftliche Gewicht haben. Wer glaubt, dass nur die Europäer ein Interesse an guten transatlantischen Beziehungen haben, der irrt. Die Amerikaner brauchen Europa genauso wie wir sie. (Beifall bei der SPD und des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] Die USA müssen und werden begreifen, dass sie alleine zu klein sind, um die Welt in Ordnung zu halten. Die Europäer müssen versuchen - das ist die eigentliche Herausforderung, vor der wir stehen; das ist das Gleiche, was Herr Hoyer vorhin angemahnt hat, als er davon sprach, dass die kleinen und die großen Staaten innerhalb der Europäischen Union sozusagen auf gleiche Augenhöhe gebracht werden müssen -, auf gleiche Augenhöhe - auch psychologisch - mit den Amerikanern zu kommen. Wir, die Europäer, sind nicht mehr der kleine Junge, den der große amerikanische Bruder früher an die Hand genommen hat. Wir sind inzwischen erwachsen geworden. Daraus resultiert ein leicht verändertes Verhältnis, an das sich beide Partner gewöhnen müssen. ({4}) Das Ende des Kalten Krieges hat auch die Psyche der Menschen verändert. Aus dem Denken in Freund-FeindKategorien ist ein Denken in den Kategorien des globalen Wettbewerbs geworden. Wir alle sind globale Wettbewerber, und zwar teilweise vor dem Hintergrund gemeinsamer Traditionen und einer Wertegemeinschaft. Aber wir stellen auch fest: Wenn die unmittelbare militärische Bedrohung beendet ist, dann entdeckt man am Partner andere Seiten, die einen zur Kritik ermuntern bzw. verführen. Ich glaube, sowohl die Amerikaner als auch die Europäer müssen die Fähigkeit lernen, Kritik zu üben und auch Kritik anzunehmen. Das ist außerordentlich wichtig für das transatlantische Verhältnis. Wenn man sich alle politischen Ereignisse des letzten Jahres bis hin zur Klimakonferenz, die vor wenigen Tagen zu Ende gegangen ist, anschaut, dann wird man feststellen, dass Amerikaner und Europäer nicht genug voneinander lernen. Deshalb wird die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses davon abhängen, ob wir eine Lerngemeinschaft zusammen mit den Amerikanern bilden können, in die beide Seiten das, was sie wirklich können, voll einbringen. Nur so können wir zu Lösungen in der transatlantischen Welt kommen, deren Bedeutung möglicherweise weit über Europa hinausreichen wird. Damit meine ich - das sage ich ausdrücklich - nicht militärische Lösungen. ({5}) Weil die Lerngemeinschaft so wichtig ist, begrüße ich es außerordentlich, dass alle Fraktionen des Deutschen Bundestags unserem Vorschlag, eine Zusatzstiftung zum Marshall-Fund zu machen, unterstützt haben. ({6}) Ich bin ganz sicher: Wir werden davon in hohem Maße profitieren, ganz abgesehen davon, dass es dem MarshallFund durch diese Stiftung möglich ist, seine Position im Bereich der „public charity“ aufrechtzuerhalten. Diese Form der Gemeinnützigkeit ist außerordentlich wichtig. Viele Auguren haben in den letzten Jahren immer wieder vom Auseinanderdriften der beiden Seiten des Atlantiks gesprochen. Zuerst wurde behauptet, die USA entfernten sich von Europa; dann wurde behauptet, Europa drifte von den USA weg. Ich sage Ihnen: Das Beständigste an diesem Auseinanderdriften ist die Kontinentaldrift. Die findet in der Tat statt; aber darauf hat der deutsche Außenminister keinen Einfluss. ({7}) Volkmar Schultz ({8}) Ein letztes Wort, das ich nur zum Nachdenken mitgeben möchte: Wenn wir über transatlantische Verhältnisse sprechen, dann vergessen wir bitte Kanada nicht. Kanada ist ein Land, das uns in vielen politischen und gesellschaftlichen Dingen sehr nahe steht. Ich sage dies nicht nur, weil dort gerade wieder Wahlen stattgefunden haben ({9}) und dies das Interesse weckt. Wir neigen dazu, monistisch gesehen den Blick nur auf Washington und nicht auch gelegentlich auf Ottawa und das zu werfen, was sich dort tut. Kanada ist ein außerordentlich wertvoller Verbündeter und Freund und wir sollten dieses Land auch etwas stärker in unsere außenpolitischen Perzeptionen einbauen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich schließe die Aussprache. Wir stimmen über den Einzelplan 05 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 05 ist angenommen. Ich rufe auf: Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung - Drucksachen 14/4513, 14/4521 Berichterstattung: Abgeordnete Dietrich Austermann Bartholomäus Kalb Oswald Metzger Dr. Uwe-Jens Rössel Ich bitte um Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. Zum Einzelplan 14 liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. und drei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor. Über zwei Änderungsanträge der Fraktion der PDS und den Einzelplan 14 in der Ausschussfassung werden wir später namentlich abstimmen. Weiterhin liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und ein Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. - Die Geschäftsführer wissen das. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Dietrich Austermann für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer zurzeit in die Truppe hineinhört, hört nichts Gutes. ({0}) Gestern war eine Abordnung von Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren aus meinem Wahlkreis hier. Sie haben natürlich die Frage gestellt - die Vertreter der Luftwaffe, die dort oben auf der Tribüne sitzen und die ich sehr herzlich begrüße, würden wahrscheinlich das Gleiche fragen -: Was wird aus unserem Standort? Wie geht es mit der Bundeswehr und dem Bundeswehrhaushalt weiter? Ich habe den Fragen entnommen - ein Urteil, das ich auch schon an vielen anderen Standorten bestätigt bekommen habe -, ({1}) dass das Vertrauen weg ist, dass die Leute weniger motiviert sind, dass sie eigentlich jederzeit damit rechnen, bis zum Ende des Jahres zu hören, dass sie, ihr Standort, ihre Waffengattung und alles, was dazu gehört, künftig nicht mehr gebraucht werden. Dies ist die Situation, in der sich die Bundeswehr heute befindet. Dazu gehört auch das Thema Wehrpflicht, an dem jetzt sogar der Wehrbeauftragte, den wir bestellt haben, knabbert. Die Situation der Bundeswehr lässt sich mit wenigen Stichworten zusammenfassen: Die Bundeswehr leidet unter sinkenden Finanzmitteln, vor allem sinkenden Beschaffungsmitteln. Sie, Herr Scharping, haben selbst vor einiger Zeit davon gesprochen, dass der Etat für Beschaffungsmittel in den nächsten fünf Jahren eine Lücke in Höhe von 15 Milliarden DM aufweist, die bisher nicht geschlossen ist. Der Haushalt und ständig neu vorgetragene Konzepte stimmen nicht überein. Pausenlos werden neue Versprechungen gemacht; eingehalten wurde bisher keine einzige. ({2}) Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft funktioniert nicht. Wer erinnert sich nicht daran, dass im Dezember vorigen Jahres unter großem Medienrummel ein Vertrag abgeschlossen wurde, der sicherstellen sollte, dass die Wirtschaft direkt, gewissermaßen ohne Ausschreibungen, zusätzliche Aufträge bekommen sollte? Bisher - ein Jahr ist vergangen - ist kein einziger neuer Auftrag - wenn man davon absieht, dass mittlerweile anderes, was bereits früher vorbereitet worden war, in die Tat umgesetzt worden ist - erteilt worden. Personalplanung und Konzepte stimmen ebenfalls nicht überein. Wir sind weiter denn je von Wehrgerechtigkeit entfernt. Viele angekündigte Projekte sind nicht finanziert. Der Export läuft nicht mehr, es sei denn durch die Hintertür. Ich erinnere an das offensichtlich vorgesehene Geschäft mit Haubitzen, die an die Türkei verkauft werden sollen. Ohne zusätzliche Mittel ist die angestrebte Reform der Bundeswehr nicht zu machen. Unsere Fraktion wird Volkmar Schultz ({3}) deshalb beantragen, 2,2 Milliarden DM mehr für den Haushalt des kommenden Jahres bereitzustellen, um dann für den eigentlichen Verteidigungsetat auf eine Größenordnung von 47 Milliarden DM zu kommen. Das ist die Größenordnung des Jahres 1998. Ihre Vorbehalte - ich kenne sie genau - lauten: Ihr habt den Haushalt damals aber von Jahr zu Jahr gekürzt. Ich sage noch einmal: Im Jahre 1998 lag der Haushalt des Bundesministeriums der Verteidigung bei 47 Milliarden DM. Wir gingen damals von einer Steigerung aus. Dass im Jahr 1999 der Etat etwas höher war, hing damit zusammen, dass zusätzliche Verpflichtungen aufgrund des neunmonatigen Einsatzes des letzten Jahres im Kosovo bzw. in Bosnien hinzugerechnet werden mussten. ({4}) Jetzt sinkt der Verteidigungsetat. Während der Haushalt des Jahres 2000 noch ein Volumen von 45,3 Milliarden DM statt, wie gesagt, 47 Milliarden DM hatte, zuzüglich 2 Milliarden DM für den Balkan, stehen im kommenden Jahr nur noch 46,8 Milliarden DM, einschließlich der 2 Milliarden DM für den Balkan, zur Verfügung. Damit sinkt der Verteidigungsetat gegenüber dem des laufenden Jahres in einer Größenordnung von rund einer halben Milliarde DM. Der Anteil der Investitionen sinkt von 24,5 Prozent auf 23,9 Prozent. Wir sind weiter denn je von dem Ziel entfernt, eine Investitionsquote von 30 Prozent zu erreichen. ({5}) Die Mittel für Verteidigung, gleichgültig, ob für Landesverteidigung, für Bündnisverteidigung oder für internationale Einsätze, sinken in der Summe nominal und real. Die Investitionen gehen zurück. Daten und Fakten belegen: Herr Verteidigungsminister Scharping, Sie sind an der Haushaltspolitik der Bundesregierung gescheitert. Der Kollege Wagner hat dies gestern mit den Worten ausgedrückt, Sie seien in einer bedauernswerten Situation. Der von Ihnen als „Übergangshaushalt“ bezeichnete Haushalt 2000 hat nicht die Wende zum Besseren gebracht, sondern eine Abwärtsbewegung eingeleitet. Es geht abwärts mit der Erhaltung einer modernen und leistungsstarken Bundeswehr - vom Erreichen des Ziels einer modernisierten Armee, deren Ausrüstungslücken gefüllt sind, ganz zu schweigen. Die Angehörigen der Bundeswehr haben dies erkannt und ihre Motivation schwindet. Ausstehende Entscheidungen zur Stationierung und zur Privatisierung verunsichern nicht nur die Angehörigen der Bundeswehr, sondern natürlich auch die betroffenen Länder und die Gemeinden. Ängste um Kaufkraftvolumina sind in erheblichem Ausmaß vorhanden. Herr Scharping, zu Beginn des Jahres haben Sie noch gesagt: Es geht ohne Standortschließungen. Später hieß es: Nun gut, bei Kleinststandorten wird man wohl etwas tun müssen. Inzwischen schließen Sie selbst Standortschließungen nicht mehr aus. Ich prophezeie, dass ungefähr 50 Standorte, über die Bundesrepublik verteilt, geschlossen werden müssen, wenn das Konzept aufgehen soll. Jeder weiß, was das bedeutet. In diesem Konzept sind die vorgesehenen Schließungen der Wehrbereichsverwaltungen, der Standortverwaltungen und der Kreiswehrersatzämter, ebenfalls über die gesamte Fläche der Bundesrepublik verteilt, enthalten. Sie, Herr Verteidigungsminister, der Sie der Bundeswehrreform nur zugestimmt haben, weil Sie glaubten, damit den Angriffen der Grünen auf die Wehrpflicht entgegenstehen zu können, versuchen noch immer, durch ein Konzept der Verschleierung von der tatsächlichen Entwicklung abzulenken. Ich will nicht bestreiten, dass Ihnen das in den Medien gelingt. Es gibt fast jede Woche einen neuen Ballon, ein neues Versprechen. In der einen Woche heißt es: Wir schaffen eine neue Feldwebellaufbahn. In der darauf folgenden Woche heißt es: Wir sorgen für eine bessere Besoldung der Kommandeure. Dann heißt es: Wir schaffen den Beförderungsstau ab. Im Anschluss daran wird eine Vorruhestandsregelung für ausscheidende Soldaten in Aussicht gestellt. Später werden neue Beschaffungsprojekte angekündigt. Wer aber den vorliegenden Haushaltsentwurf für das kommende Jahr liest, der wird für keines der von mir genannten Projekte an irgendeiner Stelle einen einzigen Pfennig finden. Diese Versprechungen finden im Haushalt keinerlei Niederschlag. ({6}) Für keines dieser Projekte ist ein Pfennig da. ({7}) - Nein, das ist die Beschreibung der Situation. Sie können sie negieren; aber dann wird die Realität Sie einholen. Spätestens im Januar, wenn, wie ich annehme, die Standortschließungen auf die Bundeswehr zukommen, werden Sie das erkennen. Ein anderes Beispiel: Wir bekommen jetzt eine Reihe von Zuleitungen für Beschaffungen, die möglicherweise in der nächsten Woche beschlossen werden sollen. Die ganze Misere zeigt sich, wenn man sieht, dass einzelne Beschaffungsmaßnahmen zerstückelt werden. Nehmen wir das Wehrforschungsschiff: Es wird von uns seit langem gefordert. Nun wird in diesem Jahr ein Vertrag für ein Teilschiff mit Kosten von 40 Millionen DM vorgelegt, im nächsten Jahr ein Vertrag für ein Restschiff, dessen Beschaffung sich über mehrere Jahre verteilt. So etwas habe ich noch nie erlebt. ({8}) Das gibt es auch bei anderen Beschaffungsmaßnahmen, bei denen Sie einen Teil beschließen, dabei aber Ausgaben angeben, die im Haushalt nicht abgedeckt sind. So, Herr Kollege Kröning, kann es für solche Vorhaben von uns keine Zustimmung geben. Das muss im Haushalt abgebildet sein! ({9}) - Frau Beer, hören Sie doch endlich auf, sich als Verteidigerin der Bundeswehr aufzuspielen. Ich erinnere an das Jahr 1995; das tue ich bei jeder Rede, bei der Sie freche Zwischenrufe machen. ({10}) Bei der letzten Bundeswehrreform im Jahre 1995 haben Sie gesagt, Sie freuten sich darauf, dass Schleswig-Holstein ein bundeswehrfreies Land werde. Vielleicht nehmen Sie einmal öffentlich zurück, was Sie damals gesagt haben. ({11}) Aber Sie können hier doch nicht den Eindruck vermitteln, Sie hätten das Recht, für die Anliegen der Bundeswehr einzutreten. ({12}) Meine Damen und Herren, die Instandsetzungsfirmen klagen über fehlende Aufträge; Kündigungen müssen ausgesprochen werden. Letztlich beschränkt sich das Projekt Privatisierung auf die Bitte, dem klammen Verteidigungshaushalt - möglichst ohne zusätzliche Kosten durch Vorfinanzierung unter die Arme zu greifen. Investitionen in die Zukunft sollen durch Effizienzgewinne bei Betrieb und Verwertung von Material und Liegenschaften ermöglicht werden. Aber auch hier Fehlanzeige! Bislang steigen die Betriebsausgaben. Wo ist das Verwertungskonzept, das die kurzfristige Realisierbarkeit von Verwertungen in der notwenigen Größenordnung abbildet? Dem Vernehmen nach ist das Konzept der in diesem Zusammenhang immer wieder genannten Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, GEBB, einer Einrichtung zur Versorgung oder Entsorgung nicht mehr benötigter Genossen, noch nicht einmal auf eine ordentliche vertragliche Basis gestellt worden. Was soll sie dürfen, wo ist der Rechtsrahmen? Meine Damen und Herren, die angeführten Zahlen und Daten belegen, dass im Verteidigungshaushalt 500 Millionen DM fehlen, um nur auf die Ansätze des laufenden Haushalts zu kommen. Woher das Investitionsvolumen für notwendige Neuvorhaben kommen soll - als Beispiel nenne ich die neue Korvette -, werden wir in den vorzulegenden Quartalsberichten des kommenden Jahres wohl kaum finden. Das gilt natürlich auch für das Vorhaben FTA. Nachdem wir gesagt haben, dass es ohne eine Verpflichtungsermächtigung im Haushalt und ohne die Schaffung zusätzlicher Möglichkeiten nicht geht, was vom Verteidigungsminister im Berichterstattergespräch bestritten wurde, hieß es dann, man brauche 12 Milliarden DM. Das war exakt der Betrag, den wir vorgeschlagen haben. Daraufhin wollten die Grünen bei 8 Milliarden DM zustimmen. Nach der anschließenden aufgeregten Diskussion in der Koalition, die mitten in der Bereinigungssitzung für den Haushalt stattfand, wurden 10 Milliarden DM daraus, allerdings nicht zusätzlich, sondern aus dem Haushalt herausgeschnitten. Das bedeutet: Wenn das Flugzeug kommt, verdrängt es andere Projekte. Das heißt vor allen Dingen: Wenn das Investitionsvolumen ausreichen soll, können Sie allenfalls die Hälfte dieser Transportflugzeuge beschaffen. ({13}) - Das wird wahrscheinlich der Grund sein. Er hat im Ausschuss gesagt, innerlich habe er mit diesem Vorhaben nichts zu tun. Da zeigt sich wieder der alte Fundamentalismus: Das ist genau die Position, Frau Kollegin, die Sie in Bezug auf den Verteidigungsetat einnehmen. ({14}) Man darf gespannt sein, wie der Bundeswehrplan 2002 diesen Spagat zwischen Wunsch und Wirklichkeit darstellen will und was dann aus diesem Projekt wird. Dieser Haushalt lebt von Mitteln, die er gar nicht hat. Wäre dies eine von Wirtschaftsprüfern zu prüfende Geschäftsbilanz, müssten sich Vorstand und Aufsichtsrat warm anziehen. Er spiegelt in keinem seiner Ansätze die angebliche Regierungspolitik von effizienterem Betrieb und Investitionen wider. Er ist als erster Haushalt nach dem Haushalt des Übergangs ein Haushalt des Abstiegs. Sie werden verstehen, dass wir angesichts dieser realistischen Situationsbeschreibung dem Haushalt nicht zustimmen können. Herzlichen Dank. ({15})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Volker Kröning, SPD-Fraktion. ({0})

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren im ganzen Hause! Als ich vor einem Jahr an dieser Stelle zu Ihnen sprach, habe ich einen Brückenhaushalt zwischen alter und neuer, damals noch ungewisser Struktur vorgestellt. Mit dem Haushalt 2001 verabschieden wir den ersten Reformhaushalt der Bundeswehr. ({0}) Der andere Brückenkopf steht. Die Koalition beginnt mit der Umsetzung der Bundeswehrreform. ({1}) - Das haben Sie unüberbietbar schön getan, Herr Kollege. Die Entscheidungen der Regierung zur Bundeswehrreform und zu ihren finanziellen Rahmenbedingungen sind am 14. und 21. Juni 2000 gefallen. Der Haushaltsentwurf basierte noch auf der alten Struktur. Auf Vorschlag des Bundesministers der Verteidigung wurde der Verteidigungshaushalt dann mittels der so genannten Plus-Minus-Liste angepasst. Mit einigen weiteren Beschlüssen des Haushaltsausschusses liegt Ihnen nun ein Haushalt vor, der der durchaus viel versprechenden Bundeswehrreform Rechnung trägt. Insbesondere sinken die Verteidigungsausgaben nicht, Herr Austermann, sondern sie werden verstetigt. Sie können bei entsprechenden Eigenanstrengungen des Ressorts sogar noch steigen. ({2}) Man mag das Verfahren kritisieren, wie die Bundeswehrreform zustande gekommen ist. Man mag darüber räsonieren, welche Variante sich mehr durchgesetzt hat; die Bandbreite geht von der Beibehaltung des Status quo bis über die grundsätzlichen Alternativen von Bündnis 90/ Die Grünen und F.D.P., von Auffassungen der Herren von Kirchbach und von Weizsäcker bis zu anderen. Nur, eines müssen wir festhalten: Das Parlament hat in den letzten zwei Jahren keinen gangbaren mehrheitsfähigen Weg aufgezeigt. Die Regierung - das muss man ihr zugestehen hat gehandelt. ({3}) Mit der Verbindung von Strukturentscheidungen und Finanzrahmen ist ein hohes Maß von Planungssicherheit geschaffen worden, das niemand zerreden sollte. ({4}) Mit dem Maßnahmenkatalog zur Attraktivitätssteigerung wird darüber hinaus eine sichere Perspektive für das Personal begründet. Meine Fraktion hat vor den Beschlüssen der Bundesregierung die Spanne für den Personalumfang definiert, der aus ihrer Sicht empfehlenswert ist, nämlich 260 000 bis 280 000 Soldaten, davon 70 000 bis 80 000 Wehrpflichtige, und circa 80 000 Zivilbeschäftigte. In diesem Rahmen sollte sich die Feinausplanung bewegen, die der Minister zur Jahreswende 2000/01 angekündigt hat. Dass dies notwendig und möglich ist, wird schon an der Grobausplanung erkennbar, die viele, aber zugegebenermaßen noch nicht alle Fragen beantwortet. Aus der Natur der Sache heraus ist das auch noch gar nicht möglich gewesen. Ziel der Feinausplanung muss vor allem ein neues PSM, so will ich einmal das Wort Personalmodell abkürzen, sein, das auf der Basis der Finanzplanung in eine Bundeswehrplanung mündet, die nicht alle vier Jahre umgeworfen werden muss. Wir wollen eine dauerhafte Bundeswehrreform. Das möchte ich vonseiten der SPD-Fraktion allen anderen Fraktionen deutlich sagen. Das gilt auch und nicht zuletzt für die Modernisierung der Ausrüstung und Bewaffnung. Das Material der Bundeswehr ist nicht so schlecht - das hat sich gerade in Bosnien und im Kosovo erwiesen -, wie es oft gemacht wird. ({5}) - Die Pointe kommt noch, Frau Kollegin. - Richtig ist, dass unser Gerät nicht voll tauglich ist, um im europäischen Rahmen für Interventionen, die über die reine Verteidigung hinaus Krisen verhindern und Konflikte beenden sollen, eingesetzt zu werden. Was bringt nun der vom Haushaltsausschuss verabschiedete Entwurf? Dem Bekenntnis zum Verfassungsauftrag, dass sich die zahlenmäßige Stärke der Streitkräfte und die Grundzüge ihrer Organisation aus dem Haushaltsplan ergeben müssen, folgen das Vorwort zum Einzelplan 14 und die Vorbemerkungen zu den Kapiteln 14 03 und analog 14 04, auf die der Haushaltsausschuss Wert gelegt hat. ({6}) Vor allem dort wird auf die Vereinbarungen zwischen dem Ministerium für Verteidigung und dem für Finanzen vom 14. Juni und vom 27. September 2000 Bezug genommen, nach denen neben der Verkleinerung und Umstrukturierung der Bundeswehr die Strategien zur Stärkung der Investitionen das zweite Herzstück der Reform bilden. Jede Armeereform, die nicht aus dem Überfluss wirtschaftet, verfährt so, sogar die in den USA. Diese Rationalisierungsstrategie wird von der Koalition mit Nachdruck unterstützt. Das gilt nicht zuletzt für die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, mit der Industrie und mit den Banken. Dafür interessiert sich das Parlament mit Blick auf die allgemeine Fragestellung der Modernisierung von Haushalt und Verwaltung durchaus. Die operative Behandlung dieses Themas kommt allerdings der Regierung und dem Verteidigungsausschuss zu. Der Haushaltsausschuss hat in dem Vorwort festgehalten, dass er sich mit den Fortschritten dieser Strategie regelmäßig beschäftigen wird. Der Leitgedanke lässt sich nüchtern so kennzeichnen: Mehreinnahmen aus Veräußerungen von Grundstücken und Gerät, die von der Reform freigesetzt werden, und weniger Ausgaben durch Effizienzsteigerung des Betriebs für mehr Investitionen. ({7}) - Sie reden doch noch später. Dann können Sie Ihre dummen Sprüche vom Rednerpult aus loswerden. ({8}) In den Vorbemerkungen wird darüber hinaus der Stand der Grobausplanung, was Stärke und Organisation angeht, per 2001 festgehalten. Die Planungen gehen bewusst nicht darüber hinaus, weil die Feinausplanung noch folgt. Über weitere Änderungen wird der Haushaltsausschuss genauso wie der Verteidigungsausschuss unverVolker Kröning züglich informiert werden. Im Haushalt 2002 sind dann hoffentlich endgültige Festlegungen - möglichst auf mittlere und längere Frist - zu treffen. Ich wiederhole: Es geht um eine Bundeswehrreform von Dauer. Schließlich wird klargestellt, dass die neue Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb - das Kürzel bürgert sich ja langsam ein, man sollte es auch einmal lesen und nicht nur hören: GEBB - ein Teil des Geschäftsbereichs des Bundesministers der Verteidigung bleibt und dass jedenfalls aus diesem Grund keine Änderung des Art. 87 b des Grundgesetzes nötig ist. Ich halte diese Zuordnung der GEBB mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen für verfassungskonform. Zweiter Punkt des Umsetzungskonzeptes: Der Kabinettsbeschluss zielt neben der Stärkung der Investitionen auf eine Steigerung der Attraktivität des Dienstes. Damit sollen die Streitkräfte über die Rekrutierungschance hinaus, die Wehrpflicht und Wehrdienst bedeuten, am Arbeitsmarkt wettbewerbsfähig erhalten werden. Dieses Programm läuft 2001 an und wird 2002 fortgesetzt werden. Die ersten Schritte orientieren sich an den Beschlüssen des Verteidigungsausschusses und den Forderungen des Bundeswehr-Verbandes und des Verbandes der Beamten der Bundeswehr, soweit sie schon rechtlich und finanziell zu realisieren waren. Die Verbesserungen setzen bei den unteren Dienstgraden an, also gerade bei denen, die die Hauptlast der Reform zu tragen haben. Das gilt für Soldaten wie für Beamte. Unsere einstimmigen Beschlüsse - Herr Austermann, wir müssen diese Tatsache festhalten - ermöglichen noch die Umsetzung im Vollzug des Haushaltes 2001, wenn und soweit die Bundesregierung und der Bundestag die erforderlichen besoldungsrechtlichen Verbesserungen beizeiten beschließen. Ich schätze das Volumen der Verbesserungen auf mindestens 30 Millionen DM. Das Ministerium rechnet sogar zuversichtlich mit 60 Millionen DM. ({9}) Konkret bedeutet dies: Im Bereich der Zivilbeschäftigten betreffen die Verbesserungen die Laufbahnen des einfachen und des mittleren Dienstes. Im gehobenen Dienst sind es die Controller in den Standortverwaltungen; denn sie werden für die Reform besonders benötigt. Bei den Soldaten erhalten die Unteroffiziere verbesserte Beförderungsmöglichkeiten. Ein neuer Haushaltsvermerk ermöglicht weitere Maßnahmen aus dem Kabinettsbeschluss: zum Beispiel die Anhebung der Eingangsbesoldung nach A 3, die Einführung der Feldwebel- bzw. der Fachunteroffizierlaufbahn und die Besoldung der Kompaniechefs nach A 12 schon in 2001. ({10}) Ich freue mich, dass sich die Vorsitzenden der Verbände, Herr Oberst Gertz und Herr Schulte, dafür bei mir bedankt haben. ({11}) Über diese Tatsache sind wir alle froh. ({12}) Man muss einmal festhalten, dass sich nach einigen Missverständnissen im Vorfeld die Haushälter und die Mitglieder des Verteidigungsausschusses für diese Verbesserungen gemeinschaftlich im Parlament eingesetzt haben. ({13}) Da jedoch wesentlich mehr nötig ist, wie auch die Grobausplanung einräumt, konnte der Haushaltsausschuss nicht umhin, durch einen Vermerk im Vorwort des Einzelplanes klarzustellen, dass strukturelle Verbesserungen im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr aus dem Soll der Personalausgaben zu finanzieren sind. Ich erwarte, dass die Feinausplanung und das neue PSM darauf Rücksicht nehmen, damit die Reform mit den Soldaten und mit den Zivilbeschäftigten und nicht gegen oder ohne sie realisiert wird. Künftig gilt, dass die strukturellen Probleme des Personals im Personalbudget zu lösen sind, so, wie die Probleme im Sachhaushalt im Sachhaushalt zu lösen sind. Damit hört auch das latente, oft auch - wir sind sozusagen die Klagemauer - das offene gegenseitige Ausspielen von Personalhaushalt und Sachhaushalt auf, von dem die Beschäftigung in der Industrie abhängt. Damit zum dritten Punkt, nämlich dem Sachhaushalt. Zunächst zu den Betriebsausgaben: Ihr Anteil beträgt - neben fast 51 Prozent für Personal - rund 24 Prozent, dabei rund 10 Prozent für Materialerhaltung. Wir haben rund 9 Millionen DM, die der Rechnungshof bei der Anschaffung von Omnibussen beanstandet hatte - um nur ein Beispiel für viele Tropfen auf den heißen Stein zu nennen -, in den Titel für die Erhaltung von Kampffahrzeugen des Heeres umgeschichtet. Ich erwarte, dass im Haushaltsvollzug auf diesem Gebiet noch deutlich mehr geschieht, wie auch das Heer intern angemeldet hat. Der Rechnungshof hat zum Beispiel im Berichterstattergespräch zur Materialerhaltung bei Luftfahrzeugen Hinweise gegeben, denen das Ministerium noch nachgehen wird. Nun zur GEBB, die ich schon erwähnt habe. Mit ihren kurz- und mittelfristigen Aufgabenfeldern hat sich der Haushaltsausschuss, der erst am Vorabend seiner Abschlussberatung schriftlich darüber informiert worden ist, noch nicht beschäftigen können. Das gilt nicht zuletzt für die Verteilung und Abgrenzung der Controllingaufgaben im Verhältnis zum Ministerium. Dennoch hat die Koalition eine Starthilfe von 30 Millionen DM bereitgestellt, davon die Hälfte sofort. Da der Rechnungshof nicht mehr im alten Jahr zur GEBB Stellung nehmen konnte, sondern dies erst im neuen Jahr tun wird, können die weiteren 15 Millionen DM freigegeben werden, wenn sich der Haushaltsausschuss mit der Stellungnahme beschäftigt hat. Zwischen den beiden Ministerien und dem Haushaltsausschuss herrscht jedoch Einigkeit, dass die qualifizierte Sperre für Beschaffungen über 50 Millionen DM, die wir seit eh und je haben, auch für die mithilfe der GEBB zu finanzierenden Vorhaben gilt, zum Beispiel im Bereich des Flottenmanagements oder des Gebäudemanagements. Der Haushaltsausschuss hat auch die Forderung des Bundesrechnungshofes aufgegriffen, diese Gesellschaft genauso wie andere juristische Personen des privaten Rechts nach den §§ 104 Nr. 3 und 92 Abs. 1 der Bundeshaushaltsordnung zu prüfen. Wohlgemerkt: Dies ist kein Misstrauen, sondern soll die Rationalisierungsstrategie absichern. Da wir mit dem Verteidigungshaushalt neue Wege gehen, ist diese Transparenz außerhaushaltsmäßiger Finanzierungen unumgänglich. Wenn man bei den Investitionen das Ist pro Jahr möglichst höher als das Soll ausfallen lassen will, dann darf man nicht zulassen, dass das Budgetrecht ausgehöhlt wird. Die Arbeit der GEBB wird ein Schlüssel zur gesamten Bundeswehrreform sein. In diesem Bereich ist der Spielraum zu finden, der als Anschubfinanzierung für die Reform benötigt wird. Ich darf in vornehmer Bescheidenheit zur Weizsäcker-Kommission gewandt sagen: Mit diesem Aspekt der Mobilisierung innerer Ressourcen und der Finanzierung eines Anschubs für die Modernisierung der Bundeswehr hat sich die Kommission kaum beschäftigt. Das ist eine Leistung des Ministeriums; der Minister nimmt sich dieser Aufgabe besonders engagiert an. ({14}) Wir wollen, um das klar zu sagen, den Erfolg der GEBB. Daher müssen wir uns - das gilt selbstverständlich für alle Beteiligten, ob Parlament, Verwaltung oder GEBB selber - sehr gründlich mit dem Aufbau und der Tätigkeit dieser Gesellschaft befassen. Ich appelliere an alle, sachlich zu bleiben, und warne davor, die GEBB zu zerreden. ({15}) Viertens und letztens zu den Investitionen: Die verteidigungsinvestiven Ausgaben, also die Investitionen in Forschung, Entwicklung und Erprobung, in Beschaffungen, Anlagen und Sonstiges, steigen von 2000 zu 2001 von 11,27 auf 12,21 Milliarden DM, das heißt, von 24,85 auf 25,55 Prozent des Plafonds. Das sind die Tatsachen, Herr Austermann. Darin sind bereits die Mittel enthalten, die vom Einzelplan 60 in den Einzelplan 14 verlagert worden sind, und zwar unabhängig von der Höhe der direkten Kosten, die durch den Balkaneinsatz entstehen. Das war eine generöse Vereinbarung zwischen Finanz- und Verteidigungsministerium. ({16}) Sie sind, wie gesagt, durch die Plus-Minus-Liste haushaltsstellengerecht, wie es im Haushaltschinesisch so schön heißt, umgesetzt worden. Dazu kommen 1 Milliarde DM aus angenommenen Erlösen. Auch wenn das ein ehrgeiziges Ziel ist, verbinden wir damit die Hoffnung, dass diese Zahl in den nächsten Jahren gesteigert werden kann und für einige Jahre gesichert ist. Dieses Bestreben verdient alle Unterstützung, auch in den nächsten Jahren. Hier zählt nicht Feigheit vor dem Feind, nach dem Motto: „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder nach dem Motto: „Wo kämen wir denn da hin?“ ({17}) Analysiert man den Sachhaushalt auch in Verbindung mit den Geheimen Erläuterungen, so steht das Bild unter dem Vorbehalt der Feinausplanung und einer abschließenden Prioritätensetzung, die der Minister völlig zu Recht noch mit der Industrie bespricht, bevor er die entsprechenden Ergebnisse veröffentlicht. Doch schon jetzt zeichnen sich Prioritäten ab, die sich aus den Konsequenzen des Kosovo-Krieges und der gemeinsamen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ergeben. Dies geschieht bereits bei der IuK-Technik und dies wird in Kürze bei der Satellitenaufklärung und beim Transport geschehen. Dafür werden im Haushalt 2001 und in der weiteren Planung die Weichen gestellt, auch wenn noch Prüfungen des Bedarfs, der Wirtschaftlichkeit und der europapolitischen Voraussetzungen und Folgen nötig sind. Ich nenne als Beispiel das Transportflugzeug, das hier besonders die Gemüter erhitzt. Die Verbindung dieser Beschaffung mit dem Aufbau eines europäischen Transportkommandos ist allen Ehrgeizes wert. Es wäre bedauerlich, wenn in diesem wichtigen Punkt der europäischen Integration die Verteidigungsplanung hinter der Rüstungsplanung hinterherhinken würde. ({18}) Festgehalten werden darf schon jetzt: Der Haushaltsausschuss hat mit seiner - übrigens von der ganzen Koalition und letzten Endes auch von der CDU/CSU mitgetragenen - Entscheidung ein deutliches Signal gesetzt. Die Entscheidung des Parlaments ist eine solide Basis für Vertragsverhandlungen mit der Industrie im In- und Ausland und stärkt der Regierung den Rücken. Ich erwarte für die Arbeitsplätze in Deutschland einen deutlichen Effekt, und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. ({19}) Ich erwähne allerdings auch die vom Bundesrechnungshof angestoßene Debatte über die Preisbildung und Preisanpassung bei Großprojekten. Beim Eurofighter und beim Eurodass, auf die sich die jüngsten Monita des Bundesrechnungshofes beziehen, arbeiten wir eine Altlast der Vorgängerregierung ab. Aus Gründen der Verschleierung der tatsächlichen Kosten wurde aus dem Eurofighter eine „lame duck“ gemacht. ({20}) Nun müssen wir unter Inkaufnahme zeitlicher Verzögerung und zusätzlicher Kosten Komponenten wie den Selbstschutz nachholen. Wir werden das in der nächsten Zeit unter strikter Beachtung und Lösung der Kostenproblematik lösen. ({21}) - Nein, ich war nicht gegen den Eurofighter. Das wissen Sie doch. ({22}) Viele haben das missverstanden und haben sich vor einem neuen Großprojekt gescheut. ({23}) Viele dieser Bedenken erweisen sich jetzt als richtig. Rückblickend betrachtet, ist es durchaus nicht falsch gewesen, über eine Alternative nachzudenken. Das sollte eine Selbstverständlichkeit bei der parlamentarischen Beschäftigung mit Rüstungsvorhaben sein. ({24}) Lassen Sie mich Folgendes klarstellen: Die Verpflichtungsermächtigung für das FTA ist kein Freibrief. Sie ist qualifiziert gesperrt; ihre Freigabe setzt eine sorgfältige Beschaffungsdiskussion zum Beispiel über die Vorteile des Commercial Approach, den das Ministerium anstrebt, oder auch über die Frage voraus, wie hoch die Preise für öffentliche Kunden der Luftfahrtindustrie im Vergleich zu denen für private Kunden sein dürfen. - Frau Präsidentin, ich komme sofort zum Schluss.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das hoffe ich, Herr Kollege.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was die mittel- und langfristigen Finanzen der Bundeswehr angeht, so sollte der Wille der Koalition nicht verkannt werden, die Sanierung der Staatsfinanzen durchzusetzen. Sie ist die Voraussetzung für die Handlungs- und Leistungsfähigkeit, auch zum Nutzen unserer Streitkräfte. Unter diesen Umständen ist es wichtig, festzuhalten, dass, wer dieses Ziel erreichen will, zurzeit keine Versprechungen bezüglich der Höhe des Verteidigungshaushaltes in der zweiten Hälfte der Dekade machen kann. Deshalb ist es völlig müßig, Herr Austermann, darüber zu diskutieren, ob das FTA, dessen Mittel im Einzelplan 14 veranschlagt werden, die tatsächlichen Verteidigungsausgaben drücken oder den Plafond anheben wird. Über den Verteidigungshaushalt entscheiden wir von Jahr zu Jahr. Als Nächstes erwartet uns die Finanzplanung 2005 und dann die für 2006. ({0}) - Natürlich kennen Sie das zur Genüge. Wir machen es aber anders als Sie, Herr Nolting. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich zu abschließenden Bemerkungen kommen?

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Sie hatten schon gesagt, Sie kämen zum Schluss. Ich dachte, das sei Ihr Schluss. Jetzt kommt also wirklich der letzte Satz. - Bitte sehr.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren, zur Fortentwicklung des Systems unseres Wehr- und Zivildienstes möchte ich nur noch eine Bemerkung machen: Dieses Thema wird nach unserer Überzeugung im nächsten Jahr und im übernächsten Jahr in den Mittelpunkt der Debatte um die Zukunft der Bundeswehr rücken. Ich möchte empfehlen, daraus nicht nur eine Rechenoperation zu machen, sondern die Frage grundsätzlich zu diskutieren. Die Legitimation dieser Dienstform, das sage ich als Sprecher unserer Fraktion zu der Debatte, die heute sicherlich auch noch weitergeführt wird, einer Dienstform, die sich nach wie vor einer Mehrheit im Hause und in der Bevölkerung erfreut, hängt von der geforderten und unter Beweis gestellten Qualität der Arbeit unserer Soldaten ab.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, ich muss Ihnen jetzt das Wort entziehen. Es tut mir furchtbar Leid. Sie müssen Ihren letzten Satz sagen.

Volker Kröning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002707, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Qualität der Arbeit ist uns von den Inspekteuren der Teilstreitkräfte und der gesamten Bundeswehr erst vor kurzem bestätigt worden. Der erste anspruchsvolle Einsatz der Bundeswehr in Bosnien und im Kosovo zeigt das. Der Anteil der Längerdienenden im Kosovo ist beträchtlich. Das ist das beste praktische Plädoyer für die Beibehaltung der Wehrpflicht. Ich danke Ihnen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich habe die Sätze durch einige Kommata getrennt; deshalb war es dann nur ein Satz. ({0}) Es tut mir Leid, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber ein bisschen müssen wir auf die Redezeit achten. Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Günther Nolting für die F.D.P.-Fraktion.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Verteidigungshaushalt ist, lässt man die beschönigende Vernebelungsarithmetik beiseite, rund 530 Millionen DM niedriger als im Vorjahr ({0}) und er soll bis 2003 um weitere 1,2 Milliarden DM sinken. Hinzu kommt, dass die Rationalisierungsgewinne und Verkaufserlöse bislang nur Hoffnung sind, die jährlichen Lohn- und Gehaltssteigerungen, die diese Gewinne aufzehren können, aber Realität. Der dringend notwendige Anstieg des Investitionsanteils ist mit den heutigen Haushaltsansätzen nicht zu machen. Die Modernisierung der Bundeswehr bleibt Stückwerk. ({1}) Die Bundeswehr wird damit bis auf weiteres nur mit ihrem nach wie vor erstklassigen Personal und mit solider Ausbildung wuchern können, aber den Anschluss an die „revolution in military affairs“ wird sie nicht schaffen. Wer das aber nicht kann, der wird in der atlantischen Allianz und in der EU zunehmend an Einfluss und Gewicht verlieren. Das ist die eigentliche Dramatik der unzureichenden Reformfinanzierung. Meine Damen und Herren, das war nicht Originalton F.D.P., das war ein wörtliches Zitat des ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr und späteren Vorsitzenden des Militärausschusses der NATO, General a. D. Klaus Naumann. Ich sage für die F.D.P.: Er hat mit seiner Analyse und mit den daraus gezogenen Folgerungen zweifellos in allen Punkten Recht. Es ist eine schallende Ohrfeige für den amtierenden Verteidigungsminister. ({2}) Herr Kollege Kröning, Sie sprechen hier von einer Reform von Dauer. Das, was Sie vorhaben, hat wahrlich den Namen Reform nicht verdient. Das ist eine Beleidigung für die Bezeichnung Reform. ({3}) Ihre Bemerkungen waren auch nicht gerade von Souveränität geprägt. Meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf für den Einzelplan 14 ist ein Lückenhaushalt. Er führt die Bundeswehr nicht, wie von Ihnen, Herr Minister, immer wieder beschworen, in eine gesicherte, international verlässliche Zukunft. Mit diesem Schrumpfhaushalt werden Sie die Reform der Streitkräfte nicht realisieren können. ({4}) Sie haben weder die Mittel für die dringend notwendige, von der Weizsäcker-Kommission als unverzichtbar geforderte Anschubfinanzierung, noch haben Sie das Geld für ein unverzichtbares Attraktivitätsprogramm für die Soldaten, und die längst überfällige Modernisierung der Ausrüstung und Bewaffnung können Sie auch nicht bezahlen. ({5}) Sie haben in der letzten Aussprache hier angekündigt, dass Sie sich intelligenter Finanzierungssysteme bemächtigen wollen. Diese Finanzierungssysteme werden Sie hier noch einmal aufzeigen müssen. Nein, meine Damen und Herren, Deutschland kann mit diesem Haushaltsansatz seiner gestiegenen internationalen Verantwortung nicht gerecht werden. Es ist unverantwortlich, Herr Minister Scharping, bei UNO, NATO und EU vollmundige Versprechungen zu machen und überall die Mittel und Fähigkeiten deutscher Streitkräfte anzupreisen. Diese gibt es aber nicht zum Nulltarif. Sie kosten Geld, und das genau haben Sie in Ihrem Haushalt nicht. Aber Sie sagen ja, Sie hätten intelligente Finanzierungssysteme. Herr Minister, mit einer derart phrasenreichen Ankündigungspolitik ist es nicht getan. Nicht Absichten sind gefragt, sondern Fähigkeiten. Wir brauchen keinen Ankündigungsminister. ({6}) Ich nenne ein weiteres Stichwort: Attraktivität des Dienstes. Die Weizsäcker-Kommission empfiehlt - ich zitiere -, ein an den neuen Umfängen der Streitkräfte ausgerichtetes Personalstärke- und Strukturanpassungsgesetz zu erlassen. Die F.D.P. unterstützt diese Forderung ausdrücklich. Wir haben die Forderung nach schneller Auflösung des unsäglichen Beförderungsstaus bereits 1998 erhoben. Ein entsprechender Haushaltsantrag der F.D.P. wurde von SPD und Grünen jedoch ebenfalls kaltherzig abgeschmettert, ({7}) genau wie unser Vorschlag, in der Bundeswehr die Besoldungsdifferenz zwischen Ost- und Westdeutschland bis 2003 schrittweise abzubauen. Auch hier empfiehlt die Weizsäcker-Kommission - ich zitiere wieder -: Ein weiterer Attraktivitätsgewinn wäre durch die Besoldungsanhebung Ost auf 100 Prozent des Westniveaus zu erzielen. Die Kommission hat Recht. ({8}) Herr Minister, um reines Wunschdenken handelt es sich ebenso bei Ihrer Ankündigung, den investiven Anteil des Verteidigungshaushaltes auf 30 Prozent hochzufahren. Ein Beispiel: Noch im Mai dieses Jahres haben Sie angekündigt, im kommenden Jahr ein Einsparvolumen von 1 Milliarde DM zu erzielen, das Sie in Investitionen umwandeln wollten. Mitte September, also bei der ersten Lesung dieses Haushaltes, sprachen Sie - deutlich kleinlauter - nur noch von 200 bis 300 Millionen DM. Wo im Haushalt 2000 sind eigentlich die Vorkehrungen für den inflationsbedingten Kostenanstieg bei Investitionen und Betrieb getroffen? Aber Sie haben ja, Herr Minister, ein intelligentes Finanzierungssystem angekündigt. Meine Damen und Herren, einem Stück aus dem Tollhaus gleicht auch die nicht enden wollende Geschichte um die Gesellschaft für Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, kurz: GEBB. Kollege Kröning ist auf diese GeGünther Friedrich Nolting sellschaft schon eingegangen. Zunächst wurde sie von Ihnen, Herr Minister, hoch gelobt. Nun müssen Sie mehr und mehr einräumen, dass Ihr ehedem liebstes Kind so langsam zum ministeriellen Schmuddelkind mutiert. Es ist nicht erkennbar, dass diese Gesellschaft bis jetzt auch nur eine müde Mark erwirtschaftet hätte. Stattdessen regen sich Zweifel, ob die beabsichtigten Beschaffungsverfahren - vorbei an den Experten Ihres Hauses, Herr Minister, und an denen des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung - überhaupt den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen. Nicht nur bei der F.D.P. regen sich diesbezüglich Zweifel, sondern selbst im Wirtschaftsministerium, also in Ihrer eigenen Regierung, wie der „Wirtschaftswoche“ zu entnehmen war. Herr Minister, mit durch nichts zu überbietender Arroganz haben Sie die von der F.D.P. zu Recht forcierte Diskussion um Wehrungerechtigkeit und Aussetzung der Wehrpflicht als - ich zitiere Sie - intellektuellen Schwachsinn bezeichnet. In logischer Konsequenz sind für Sie somit die Diskutanten intellektuell Schwachsinnige. Ich muss Ihnen ehrlich gestehen, dass mich diese schnoddrige und eines Ministers unwürdige Ausdrucksweise ({9}) nicht sonderlich beeindruckt hat, aber jetzt empfinde ich es nahezu als Ehre, zum Klub der - wie Sie sagen - intellektuell Schwachsinnigen zu gehören, sind doch der Herr Wehrbeauftragte und selbst der Herr Bundespräsident kürzlich diesem Klub beigetreten. Auch sie stellen die Wehrpflicht infrage. ({10}) Herr Minister, Sie können Wehrgerechtigkeit nicht sicherstellen. Da hilft auch nicht die Verteilung noch so umfangreicher Papiere. Sie rechnen die Zahlen schön; Sie werden dies auch heute wieder tun. Fakt aber ist, dass nach dem Modell, das Sie vorschlagen, nur noch circa 20 Prozent der jungen Männer Grundwehrdienst leisten werden und insgesamt nur circa 55 Prozent irgendeiner Dienstpflicht nachkommen müssen. ({11}) Da die allgemeine Wehrpflicht aber die einzige verfassungsmäßige Begründung für den Pflichtdienst junger Männer ist, alle anderen Tätigkeiten lediglich Ersatzdienste sind, wird dieser Zustand untragbar. Der Ersatzdienst, das heißt der Sekundärdienst, kann und darf die Wehrpflicht nicht legitimieren. ({12}) Meine Damen und Herren, hier spreche ich das gesamte Haus an: Lassen Sie uns in dieser Frage möglichst bald eine politische Entscheidung treffen, bevor uns wieder Gerichte dazu zwingen. Herr Minister, ersparen Sie uns damit eine weitere Strukturreform schon in diesem Jahrzehnt. ({13}) In diesem Zusammenhang ist die Doppelzüngigkeit der Grünen nicht zu überbieten. Nach außen posaunen die Grünen überall hinaus, dass sie gegen die Wehrpflicht sind und sie abschaffen wollen. In der Regierung - auch hier im Parlament - stimmen sie dann doch brav der neuen Bundeswehrstruktur des Verteidigungsministers zu. Sie nicken ab. Die F.D.P. hat einen Antrag auf Aussetzung der Wehrpflicht gestellt. Die Grünen können dem F.D.P.-Antrag in der nächsten Woche im Verteidigungsausschuss also gern zustimmen. Ein zweites Beispiel für grünen Realitätsverlust will ich auch nennen. Vor zwei Wochen stimmten die Vertreter genau dieser grünen Partei im Haushaltsausschuss einer Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung für die Beschaffung des Großraumflugzeuges von 8 Milliarden DM auf 10 Milliarden DM zu. Ich sage für die F.D.P. ausdrücklich dazu: Wir wollen die Beschaffung eines Großraumflugzeuges. Die Bundeswehr benötigt dringend einen Ersatz für die Transall, aber wir verlangen von der Bundesregierung, Herr Kollege Kröning, schon eine klare Beschaffungsvorlage. ({14}) Wir verlangen eine Erklärung, wieso innerhalb von wenigen Minuten die Verpflichtungsermächtigung um 2 Milliarden DM erhöht wurde, ({15}) und uns interessiert brennend, woher das Geld kommen soll, Herr Minister. ({16}) Diese Angaben liegen nicht vor. Deshalb werden wir hier heute einen entsprechenden Änderungsantrag stellen. Sie, meine Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen, haben dann die einmalige Chance zur Korrektur Ihres Abstimmungsverhaltens im Haushaltsausschuss. Oder vertrauen auch Sie auf die intelligenten Finanzierungssysteme dieses Ministers? Meine Damen und Herren, ich möchte zum Abschluss noch einmal General Naumann zitieren. Er sagt: Die Reform der Bundeswehr kann wegen unzureichender Finanzierung bestenfalls halbherzig verwirklicht werden. Der ehemalige Generalinspekteur hat Recht, auch wenn ich dies mit Blick auf die betroffenen Soldaten und zivilen Mitarbeiter zutiefst bedauere. Sie haben dies nicht verdient. Ich will mich an der Standortdiskussion hier nicht beteiligen. Ich denke, wir brauchen lebensfähige Standorte, und wir werden uns dafür einsetzen, dass es sie gibt. Aber ich will eines dazu sagen: Die Planung der Streitkräfte darf nicht zulasten der Menschen in der Bundeswehr vorgenommen werden. Die Soldaten/Soldatinnen und die zivilen Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter müssen daran frühzeitig beteiligt werden. Vergleichbares gilt für die betroffenen Standortgemeinden. Die Entscheidungen müssen für alle nachvollziehbar sein. ({17}) Wo der Kollege Kolbow Recht hat, hat er Recht, denn ich habe ihn als sicherheitspolitischen Sprecher der SPDFraktion im Verteidigungsausschuss zitiert. Der jetzige Staatssekretär hat dies bereits 1995 gesagt ({18}) und ich hoffe, Herr Staatssekretär, dass sich diese Regierung auch an diesen Aussagen wird messen lassen können. Wir werden Sie daran erinnern, wenn wir in diese Diskussion eintreten. Sie werden Verständnis dafür haben, dass wir diesen Haushalt ablehnen und ihm nicht zustimmen können. Vielen Dank. ({19})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, komme ich einer Bitte der Verwaltung nach, indem ich an Sie alle einen Hinweis der Verwaltung weitergebe, den Sie hoffentlich auch als hilfreich und menschenfreundlich verstehen. Sie können hier draußen an einem Hörtest teilnehmen. ({0}) Es ist auch für die Arbeit im Parlament eine notwendige Voraussetzung, dass man gut hören kann. Sie sind zu diesem Test herzlich eingeladen, zumal jetzt auch Plätze frei sind. Nun rufe ich die nächste Rednerin auf. Das ist die Abgeordnete Angelika Beer. ({1})

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht ist es manchmal auch ganz vorteilhaft, wenn man nicht so richtig hören und sich so die eine oder andere polemische Redensart der Wendehälse der F.D.P. ersparen kann, aber das war leider in diesem Fall nicht möglich. ({0}) Ich will die Frage noch einmal aufgreifen, worüber wir heute hier eigentlich debattieren. ({1}) Wir debattieren heute nicht nur über den Einzelplan 14, sondern über die zukünftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Bundesrepublik Deutschland sowie auch über die Mitsprache Deutschlands im Bündnis und in Europa und damit auch über die europäische Sicherheitsund Verteidigungspolitik. Sie bewegt sich zwischen den Punkten: notwendige Reformen und Modernisierung sowie Finanzierbarkeit. Dieser Spannungsrahmen sollte auch in dieser Debatte deutlich werden. Diese Debatte wird nicht nur bei uns geführt, sondern bei allen europäischen Partnern, wie Paul Helminger in seinem Bericht an das NATO-Parlament aufgezeigt hat. In seinem Bericht zu „Trends und Entwicklungen der Verteidigungsausgaben im Bündnis“ führt er in Bezug auf die deutschen Streitkräfte aus - ich zitiere -: Und auf grundsätzlichere Art und Weise sind zahlreiche Analytiker der Auffassung, dass ein Aufrechterhalten des großen und verhältnismäßig unbeweglichen Militärapparats Deutschlands im Herzen von Europa angesichts der heutigen strategischen Wirklichkeiten weder sehr angemessen noch dass es sehr kostengünstig ist. Der Kollege meint damit vor allem die Strukturen aus den Zeiten des Ost-West-Konfliktes, die der Verteidigung des eigenen Territoriums dienten. Es ist kein Geheimnis, dass es in dieser Frage zu unserem Koalitionspartner graduelle Meinungsunterschiede gibt. Der Bericht der Weizsäcker-Kommission gibt uns Recht: Sicherheitspolitisch ist eine aufwuchsfähige Massenarmee im Herzen Europas obsolet geworden. ({2}) Wir haben eine gemeinsame Einschätzung der Sicherheit. ({3}) Für den - zum Glück - ziemlich unwahrscheinlichen Fall, dass sich eine umfassende militärische Invasionsbedrohung gegen Europa und damit auch gegen uns in Deutschland abzeichnen sollte, ({4}) verfügen die europäischen Staaten und unsere amerikanischen Partner über ausreichende wirtschaftliche Kraft und Fähigkeiten, um notfalls massive militärische Mittel zur Verteidigung des NATO-Territoriums aufzubauen. Darüber hinaus werden solche Kräfte in 10, 20 oder mehr Jahren im Falle ihrer notwendigen Rekonstruktion aufgrund der technologischen Entwicklungen völlig anders als die heutigen aussehen müssen. ({5}) Es gibt heute - das sage ich insbesondere zur CDU/ CSU - keine Gründe, für eine Vorsorge, wie Sie sie einfordern, Geld zu verschwenden. Dabei muss ich die F.D.P. einbeziehen: Sie haben doch diese Schritte zu einer Reform in der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung versäumt. ({6}) Wir stehen in der Verantwortung, nicht nur Ihre Schulden zu begleichen, sondern auch die Bundeswehr als BeGünther Friedrich Nolting standteil in einem europäischen Bündnis und zur Sicherstellung der Aufgaben in diesem Bündnis zu reformieren. Das ist Ziel unserer Regierung. Daher hat die Bundesregierung mit unserer Unterstützung den Einstieg in die grundlegende Reform hin zu einer kleineren, moderneren und den friedenspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessenen Bundeswehr beschlossen. Die Reform werden wir weiter vorantreiben; denn sie ist auch für Europa wichtig. Es ist vorbei mit national gesteuerten Interessen und der auf nationale Bedürfnisse zugeschnittenen Armee. Wir werden gemeinsam mit den europäischen Freunden die Reform nach vorne bringen. Ich möchte noch einmal den Kollegen Helminger zitieren. Er sagt: Diese Reformen sind jedoch in Deutschland umstritten, wobei die CDU für die traditionelle WehrpflichtArmee eintritt, während die Grünen als Koalitionspartner der SPD eher für eine kleinere und vollständig professionalisierte Armee sind. Wenn Deutschland sich zur Durchführung dieser Reform als fähig erweisen sollte, dann wird das Land nachgewiesen haben, dass Europa schnell auf die neuen Zwänge und Imperative in Sachen Sicherheit zu reagieren vermag. Soweit die Sachdebatte innerhalb des NATO-Parlaments. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/ CSU-Opposition, man bescheinigt Ihnen mit diesem Bericht und in den Debatten, die wir auf internationaler Ebene führen, mittlerweile auch bei unseren europäischen Partnern, dass Sie der notwendigen Entwicklung und Reform der Bundeswehr für die Sicherheit Deutschlands und Europas nicht nur im Wege stehen, sondern dieser Reform europaweit schaden, weil Sie sie zu blockieren versuchen. ({7}) Für eine solche, Reformen verweigernde Politik fordern Sie angesichts einer enormen Schuldenlast, die ich vorhin schon erwähnt habe, zusätzlich 2,2 Milliarden DM. Ansonsten herrscht bei Ihnen Stillstand. Sie sollten sich nicht wundern, wenn wir Ihre Anträge einheitlich ablehnen. Ich will mich aber nicht vor folgender Frage drücken. Sie sagen immer: Wir brauchen mehr Geld. - Ich zitiere zu dieser Frage den amerikanischen Verteidigungsminister, der in Toronto im September 1999 genauso wie schon vorher der Generalsekretär der NATO darauf hingewiesen hat, ({8}) dass die europäischen Staaten nicht zu wenig Geld, sondern das vorhandene Geld ineffizient ausgeben. Beide haben festgestellt: Die Europäer wenden etwa 60 Prozent der amerikanischen Gesamtausgaben für die Verteidigung auf und erhalten dafür nur knapp 10 Prozent der US-Mittel und -Fähigkeiten. Das ist eine grobe Schätzung, aber ich will das hier so stehen lassen. Beispiele können das verdeutlichen: Die USA unterhalten 1,3 Millionen Soldaten, die sie weltweit einsetzen können und wollen. Wir Europäer unterhalten circa 2,5 Millionen Soldaten. Trotzdem bereitet es uns Schwierigkeiten, über einen längeren Zeitraum hinweg qualifizierte Soldaten für den Balkaneinsatz zu stellen. Ich möchte hier nicht die Frage diskutieren, wofür Europa 2,5 Millionen Soldaten braucht; das ist sicherlich noch eine Diskussion der Zukunft. Alle klagen, dass die steigenden Personalkosten die Investitionen aufsaugen. Da muss man doch einmal die Frage stellen, warum wir nicht endlich auf die Idee kommen, die personellen und materiellen Überkapazitäten abzubauen, um die frei werdenden Mittel in die notwendige Modernisierung der Streitkräfte und in die Verbesserung der Fähigkeit zur Prävention zu investieren. ({9}) Genau das sind die Schritte, die wir uns vorgenommen haben. Damit hat unsere Regierung angefangen und das ist unser Verdienst. Die Steigerung der Effizienz der Streitkräfte ist die Voraussetzung für eine quantitative Reduzierung und qualitative Veränderungen. Ich sage noch einmal: Die Veränderung auf europäischer Ebene ist maßgebend. Von einer nationalstaatlichen, isoliert durchgeführten Reform sind wir weit entfernt.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, natürlich.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin Beer, da Sie von einer Modernisierung gesprochen haben, möchte ich Sie, weil wir ja in der Haushaltsdebatte sind, fragen - ich fürchte, vor lauter Lyrik kommen Sie nicht mehr darauf zu sprechen -: Werden Bündnis 90/Die Grünen den 2,9 Milliarden DM für das System Eurodass zustimmen, also einem System zur Kampfwertsteigerung des Eurofighters, der noch gar nicht fliegt? Es gibt dazu ja eine Vorlage des Verteidigungsministers und es interessiert mich sehr, ob die Grünen dieser zustimmen werden. Es handelt sich wohlgemerkt um 2,9 Milliarden DM. Ich möchte Sie weiterhin fragen: Wie konnte es möglich sein, dass Bündnis 90/Die Grünen der Erhöhung der Verpflichtungsermächtigung für ein Transportflugzeug von 8 Milliarden DM auf 10 Milliarden DM innerhalb von 30 Minuten zustimmten?

Angelika Beer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000134, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Guten Morgen, Herr Kollege. Wir hatten eine Debatte im Verteidigungsausschuss, und zwar genau zu den Fragen, die Sie gestellt haben. Wir haben dieser Vorlage zugestimmt, weil wir ein neues Flugzeug brauchen und bei der Analyse der Leistungen der Vorgängerregierung im Hinblick auf die Finanzierung des Eurofighters mit größtem Bedauern feststellen mussten, dass Sie dieses nicht flugfähig ausstatten wollten. ({0}) Das heißt, die Grünen hatten längst die Debatte im Fachausschuss geführt. Wir werden dafür Sorge tragen, dass der Eurofighter nicht nur steht, sondern dass er auch fliegen kann und einsatzfähig ist. ({1}) Zur Ihrer zweiten Frage, Herr Kollege Koppelin. Sie beziehen sich dabei auf die Diskussion im Haushaltsausschuss. Wir haben den 10 Milliarden DM für das FTA, für das Transportflugzeug, zugestimmt, und das aus einem sehr guten Grunde. Wir wissen doch alle, dass die letztliche Investitionssumme zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschließend festgelegt werden kann. Wir brauchten eine Verpflichtungsermächtigung, um die Verträge mit den Partnern jetzt überhaupt abschließen zu können. ({2}) Wir haben - das ist Bestandteil der Konsolidierungspolitik unserer Koalition - durchgesetzt, dass die Mittel langfristig aus dem Einzelplan 14 erwirtschaftet werden. ({3}) Insofern sind wir mit dieser Beschlusslage ausgesprochen einverstanden. Bezogen auf Deutschland kann man natürlich streiten, ob die Reformschritte, die wir diskutieren, weit genug gehen oder nicht. Ich nenne noch einmal die Problemfelder: Umfang und Aufwuchsfähigkeit, Wehrpflicht und Standortfrage. Zu Umfang und Aufwuchsfähigkeit habe ich genügend ausgeführt. Unsere Position ist klar. Wenn wir keine Massenarmeen mehr benötigen - ich glaube, das ist Konsens -, spielt Aufwuchsfähigkeit keine Rolle mehr. Es wird die Debatte zu führen sein - der Bundespräsident und der Wehrbeauftragte haben sie noch einmal sehr sachlich geführt -, wann die sicherheitspolitische Legitimation für die Wehrpflicht nicht mehr gegeben ist. Wir sehen dieser Diskussion mit Freude entgegen. Wir werden uns an der sachlichen Auseinandersetzung beteiligen. ({4}) Was die Standorte betrifft, ist die Angstkampagne, die hier immer wieder durchgeführt wird - ich meine insbesondere den Kollegen Austermann -, vollkommen fehl am Platz. Die Zahl der Standorte der Bundeswehr ist abhängig vom Umfang, den militärischen Notwendigkeiten und der Wirtschaftlichkeit der Standorte - um die wichtigsten Kriterien zu nennen. Dass eine große Anzahl von Standorten notwendig sei, um die Integration der Soldaten in die Gesellschaft zu gewährleisten, halte ich mit Verlaub für einen der Mythen, die die Debatte bestimmen. Ich meine die Debatte über die Legitimierung der Wehrpflicht. Ich bin davon überzeugt, dass eine große Zahl von Standorten für die Soldaten - insbesondere für Offiziere häufige Versetzungen zur Folge hat. Das bedeutet eben nicht Integration von Soldaten. Wir müssen dafür Sorge tragen, eine klare Standortentscheidung für die Zukunft vorzunehmen, die die Flickschusterei von Rühe beendet und den Soldaten Sicherheit gibt. Ich bin weiter davon überzeugt, dass die Integration der Soldaten in die Gesellschaft von solchen klaren Entscheidungen nicht berührt wird. Ich habe diese Beispiele genannt, weil sie zeigen, dass noch genügend Potenzial zur Rationalisierung und Effizienzsteigerung in der Bundeswehr steckt. ({5}) Dieses Potenzial auszuschöpfen muss - anstatt immer nur nach mehr Geld zu rufen - vorrangige Aufgabe unserer Regierung sein. In diesem Sinne begrüßen wir die Bereitschaft des Bundesministers Scharping, die Neuausrichtung der Bundeswehr im Rahmen der Haushaltskonsolidierung so vorzunehmen und umzusetzen, wie es im Parlament konzeptionell dargelegt worden ist. Ich will den Kollegen Helminger hier nicht noch einmal ausführlich zitieren, will aber erwähnen, dass er deutlich gemacht hat, dass die europäische Diskussion ein Stück weiter ist als manche durch Parteiüberlegungen beeinflusste Diskussionen in der F.D.P. oder der CDU/CSU. Ich glaube, das gilt nicht nur im nationalen Rahmen. Es ist im Interesse der Soldaten - übrigens auch der Soldaten im Einsatz -, der Europäischen Gemeinschaft sowie der Partner in der NATO, dass sich die Opposition - CDU, CSU, aber auch die F.D.P. - endlich auf den Weg in die Gegenwart der multinationalen Diskussion und Strukturveränderung macht, ({6}) damit sie die Zukunft mitgestalten kann, anstatt immer nur den Reformbremser zu spielen. Diese Rolle haben Sie 16 Jahre lang gespielt. Jetzt ist Schluss damit. ({7})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Heidi Lippmann. ({0})

Heidi Lippmann-Kasten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003173, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der heutigen Haushaltsdebatte steht nicht nur der Haushaltsentwurf zur Diskussion, sondern auch die Politik der rot-grünen Bundesregierung in den vergangenen zwei Jahren. Sieht man sich die Bilanz für den Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik an ({0}) - Herr Erler, Sie haben etwas vorgelegt -, müssten CDU und F.D.P., im Gegensatz zu uns, der neuen Regierung neidlos Lob zollen. ({1}) Rot-Grün ist es nicht nur gelungen, die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Kontinuität in der Tradition von Ex-Verteidigungsminister Rühe in die Praxis umzusetzen, sondern auch einen - wenn auch völkerrechts- und grundgesetzwidrigen - Krieg zu führen und so den Weg für die Rolle der Bundesrepublik Deutschland als Interventionsmacht zu ebnen. Unterschiede zur Verteidigungspolitik von CDU/CSU sind doch nur marginal, ({2}) auch wenn Sie heute, um Ihrer Rolle als Opposition wenigstens ein bisschen gerecht zu werden, 2,2 Millionen DM auf den Rüstungsetat aufsatteln wollen. Ich verstehe natürlich den Missmut der Kollegen der früheren Bundesregierung, wenn die Grünen ihnen immer wieder vorwerfen, ihre frühere Politik hätte die Bundeswehr in einen maroden Zustand versetzt, wobei Frau Beer keine Gelegenheit auslässt, die Truppe, die sie vor nicht allzu langer Zeit noch abschaffen wollte, bei jeder Gelegenheit zu belobigen. ({3}) Herr Austermann und Herr Nolting, Sie müssen doch endlich anerkennen, dass heute die meisten Bündnisgrünen überaus lernfähig sind und in ergebener Treue zu ihrer Regierung stehen. ({4}) Pflicht und Gehorsam gegenüber dem Vaterland und die Verteidigung seiner wirtschaftlichen und machtpolitischen Interessen stehen nicht allein bei Ihnen hoch im Kurs. ({5}) - Seien Sie also nachsichtig, Herr Breuer, es ist ja bald Weihnachten. Freuen Sie sich doch einfach darüber, dass der Haushaltsausschuss mit Zustimmung der Grünen in der vergangenen Woche bei Nacht und Nebel eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 10 Milliarden DM für das neue FTA gebilligt hat. Freuen Sie sich doch darüber, dass Frau Beer das „Wahnsinnsprojekt“ Eurofighter nicht mehr länger bekämpft, sondern die 2,9 Milliarden DM für das Eurodass-Programm mitgetragen hat. ({6}) Ihre Ankündigung, dass der Eurofighter nicht nur stehen, sondern auch fliegen soll, höre ich allerdings mit Schrecken. Denn ich befürchte, sie wollte damit gerade den nächsten Kriegsangriff erklären. ({7}) Doch sind das nicht alles wahrlich treffliche Geschenke für Herrn Scharping und seine Truppen, so kurz vor Weihnachten, frage ich Sie? Nicht jeder in diesem Lande wird so üppig beschenkt. Aber was sind schon die Begehrlichkeiten von knapp 4 Millionen arbeitslosen Menschen, 1 Million von Sozialhilfe lebender Kinder und Zigtausender Obdachloser in diesem Land gegenüber dem so nötigen Ausbau der Interventionsfähigkeit? ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie ernsthaft: Wissen Sie, wie viele Menschen man vor dem Hungertod bewahren könnte, wenn nur ein Eurofighter weniger gebaut würde? Pro Tag einen Menschen vor dem Verhungern zu retten erfordert 1 Dollar oder 2 DM. Ein Eurofighter kostet rund 130 Millionen DM. Würde nur ein Kampfbomber weniger angeschafft, könnte man 20 Jahre lang 9 000 Menschen ernähren, 18 000 Menschen zehn Jahre lang oder ein Jahr lang 180 000 Menschen. ({9}) Rechnet man die geplanten Beschaffungsprogramme auf der Wunschliste von Herrn Scharping für neue Waffensysteme, Transportflugzeuge, U-Boote und vieles andere mehr bis zum Jahr 2015 zusammen, kommt man auf stolze 212 Milliarden DM im investiven Rüstungsbereich. ({10}) Das bedeutet im Klartext: pro Jahr 14 Milliarden DM nur für Beschaffungsprogramme. Oder anders ausgedrückt: für die nächsten 15 Jahre knapp 40 Millionen DM pro Tag. Das ist angesichts des Hungers und des Elends in der Welt nicht nur in höchstem Maße unverantwortlich, sondern zutiefst unmoralisch. ({11}) Die katholischen Bischöfe haben am 27. September dieses Jahres erklärt: Wer eine friedlichere Welt will, muss die tief liegenden Ursachen des Krieges bekämpfen. Unter den veränderten weltpolitischen Bedingungen erweist sich die Suche nach Gewalt vermeidender und vermindernder Konfliktverarbeitung als vorrangige Verpflichtung. Unter allen Umständen gilt der Grundsatz: Vorbeugende Politik ist besser als nachträgliche Schadensbegrenzung. Ein Mehr an Streitkräften ist immer von Übel, auch ein gewohnheitsmäßiges Beharren auf der Unterhaltung mächtiger Militärapparate als Attribut nationaler Souveränität. Es ist ... dringend vor einer unsachgemäßen Ausweitung des militärischen Zuständigkeitsbereiches zu warnen. Die PDS-Fraktion kann diese Erklärung voll und ganz unterstützen, und nicht nur weil bald Advent ist. ({12}) Eine Ausweitung militärischer Kompetenzen, der Ausbau der Interventionsfähigkeit der Bundeswehr, der Aufbau der europäischen Eingreiftruppe, Rüstungsexporte - all dies wird nicht dazu beitragen, dass die Welt auch nur ein Stückchen friedlicher wird, sondern das Gegenteil bewirken. ({13}) Statt einer schlagkräftigen europäischen Eingreiftruppe brauchen wir eine europäische Außenpolitik, die zivil und nicht militärisch gestaltet ist. Krisenprävention und -bewältigung müssen mit politischen Mitteln gestaltet werden. Statt den von Ihnen entwickelten Bedrohungsszenarien mit militärischem Säbelrasseln zu begegnen, fordern wir Sie auf, mindestens genauso viel Energie, Eifer und auch Geld in die zivile Krisenprävention zu investieren. ({14}) Exemplarisch für den von der PDS abgelehnten Rüstungsetat haben wir zwei unserer 41 Änderungsanträge und den gesamten Einzelplan 14 heute zur namentlichen Abstimmung beantragt. ({15}) Mit unserem Antrag auf gleiche Besoldung in Ost und West wollen wir erreichen, dass Soldaten künftig unabhängig von dem Ort ihrer ersten Stationierung den gleichen Wehrsold erhalten. Kein vernünftig denkender Mensch in diesem Land kann verstehen, weshalb ein junger Mann aus dem Ruhrpott, der nach Strausberg einberufen wird, nur 86,5 Prozent der Bezüge erhält, während sein Strausberger Kollege, der zuerst in Unna/Westfalen stationiert ist, 100 Prozent bekommt. ({16}) Machen Sie, Herr Minister, zehn Jahre nach der deutschen Einheit endlich Schluss mit dieser ungleichen und ungerechten Sondergesetzgebung. Unser zweiter Antrag, über den namentlich abgestimmt werden soll, bezieht sich auf die Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 10 Milliarden DM, die der Haushaltsausschuss für die Beschaffung 73 neuer Großraumtransportflugzeuge vom Typ A 400 M verabschiedet hat. Diese 10 Milliarden DM sind der Einstieg in das qualitativ größte Aufrüstungsprogramm der deutschen Nachkriegsgeschichte. Denn sie dienen ausschließlich dem Ausbau der militärischen Interventionsfähigkeit, Frau Beer, und nicht der Stärkung der Prävention. ({17}) Mit der namentlichen Abstimmung geben wir jeder und jedem in diesem Haus die Chance, Nein zu dieser Beschaffung und vor allem Nein zum Ausbau der strukturellen Angriffsfähigkeit zu sagen. Ich danke Ihnen. ({18})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister der Verteidigung, Rudolf Scharping. ({0}) - Eine kleine Änderung, Herr Breuer. ({1}) - Herr Breuer, ein Vertreter der Bundesregierung kann jederzeit sprechen. Sie haben die große Chance, dem Minister zu antworten. Ich erteile Ihnen gleich, nachdem der Minister gesprochen hat, das Wort. Bitte, Herr Minister Scharping, Sie haben das Wort.

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Breuer, Sie werden sich der intellektuellen Herausforderung gewachsen zeigen und sicherlich spontan und sachlich, wie es Ihre Art ist, auf meine Ausführungen antworten. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die deutschen Streitkräfte haben sich genauso wenig geändert wie ihr Auftrag und die Grundlagen für den - wenn ich das so nennen darf - inneren Geist der Bundeswehr. Verändert hat sich das sicherheitspolitische Umfeld. Deshalb bedarf die Bundeswehr neuer Fähigkeiten. Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist eine Investition in die sichere Zukunft unseres Landes. Sie ist auch eine Investition in die zivilen und militärischen Mitarbeiter und ein Beitrag zur Modernisierung eines Teils der öffentlichen Verwaltung. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses wie auch des Haushaltsausschusses für sachgerechte Beratungen und für die Erarbeitung einer guten Grundlage, um diese Neuausrichtung der Streitkräfte auf den Weg zu bringen. Zum ersten Mal haben wir ein Reformprojekt auf den Weg gebracht, das die gesamte Bundeswehr, die Streitkräfte genauso wie die Wehrverwaltung, den militärischen genauso wie den zivilen Bereich, umfasst. Mit dieser Reform wird zum ersten Mal nicht wie in den 90er-Jahren eine quantitative Reduzierung, sondern eine qualitative Verbesserung angestrebt. ({0}) In diesem Sinne führt der Ansatz, die Bundeswehr von Grund auf zu erneuern, zu leistungsfähigen und zukunftsfähigen Streitkräften. Die Reform der Bundeswehr ist zum einen und in erster Linie die Konsequenz aus einer grundlegend veränderten sicherheitspolitischen Situation in Europa, eine Konsequenz, die innerhalb der NATO wie auch in der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gemeinschaftlich gezogen wird. Die Reform der Bundeswehr ist zum anderen die Konsequenz aus grundlegend veränderten Anforderungen an eine der größten Verwaltungen und an einen der wichtigsten Arbeitgeber in Deutschland. Diese Reform gründet auf drei Pfeilern: Es geht zum Ersten um Investitionen in die Menschen und ihre Fähigkeiten. Es geht zum Zweiten um neue Fähigkeiten und leistungsfähige Strukturen in der Bundeswehr. Es geht zum Dritten - in dem Falle erstmalig - um eine grundlegende Reform der Wehrverwaltung, um eine weit gehende Umgestaltung von Beschaffungs-, Verwaltungs- und Betriebsprozessen und um eine völlig neue Kooperation mit der Wirtschaft in Deutschland. Herr Kollege Breuer, es wird Ihnen schwer fallen, zu antworten, wenn Sie während meiner Rede Gespräche führen, falls ich mir diesen fürsorglichen Hinweis gestatten darf. ({1}) Wenn man sich die drei Pfeiler dieser Bundeswehrreform, also die Menschen, die Ausrüstung und die Wirtschaftlichkeit, anschaut, dann wird man feststellen, dass der Plafond des Verteidigungshaushalts mit 46,86 Milliarden DM angemessen festgesetzt ist. Es liegt damit um rund 60 Millionen DM höher, als es ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehen war. Die dauerhafte Einbeziehung jener 2 Milliarden DM, die bisher im Einzelplan 60 veranschlagt waren, korrigieren den Einzelplan 14 nach oben und schaffen vor allen Dingen Planungssicherheit und ein höheres Maß an Gestaltungsfreiheit. ({2}) Die in den 90er-Jahren ständig geübte Praxis, den Plafond des Verteidigungshaushaltes in jedem Jahr je nach Kassenlage immer neu zur Disposition zu stellen, ist beendet. ({3}) - Verehrter Herr Kollege Rossmanith, sagen Sie das doch bitte dem Herrn Kollegen Breuer weiter, dann kann er vielleicht gleich darauf eingehen. Ich will Ihnen jetzt doch ein paar Zahlen zumuten: Im Jahre 1994 wurde gegenüber dem beschlossenen Haushalt während des laufenden Haushaltsjahres eine Einsparung von 1,34 Milliarden DM vorgenommen. Im Jahre 1995 wurde während des laufenden Haushalts eine Einsparung von 350 Millionen DM vorgenommen. Im Jahre 1996 wurde im laufenden Haushalt eine Einsparung von 1,172 Milliarden DM vorgenommen. ({4}) - Ich muss das dauernd wiederholen, Herr Kollege Rossmanith, weil in Ihrem Fall der Beweis angetreten ist, dass mehrfache Wiederholung allenfalls die Chance hat, Mutter der Studien zu sein. ({5})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Aber herzlich gerne.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, ist es nicht auch richtig, dass Ihre Fraktion - Sie waren ja damals Oppositionsführer - noch zusätzliche Anträge gestellt hat, um beim Verteidigungsetat zu streichen, was sogar dazu führte, dass Sie einmal so viele Streichanträge gestellt haben, dass Ihre Verteidigungspolitiker allesamt nicht bereit waren, in der Debatte zu reden? ({0})

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Im Jahre 1996 betrugen die Einsparungen, Herr Kollege Koppelin, 1,172 Milliarden DM. ({0}) - Ich komme gleich zu der Frage; denn das gehört in diesen Zusammenhang, Herr Kollege Nolting. Sie verlängern mit Ihren Zwischenfragen dankenswerterweise meine Redezeit, wofür ich mich ausdrücklich erkenntlich zeigen möchte. ({1}) Die Summe der zwischen 1994 und 1998 in den laufenden Haushaltsjahren vorgenommenen Kürzungen von 3,119 Milliarden DM übersteigt bei weitem alles, was die SPD-Bundestagsfraktion jemals an Kürzungsanträgen gestellt hatte. ({2}) - Ich habe dem Kollegen Koppelin, der sich jetzt leider schon gesetzt hat, gesagt, dass die Summe der in den Änderungsanträgen der SPD-Bundestagsfraktion aus der Zeit, über die ich jetzt geredet habe, vorgeschlagenen Kürzungen weit unter der Summe dessen liegt, was Sie in den laufenden Haushaltsjahren innerhalb des Einzelplans 14 gekürzt haben. Wichtiger aber, Herr Kollege Koppelin, ist mir der Hinweis darauf, dass 1999 entgegen der von Ihnen gepflegten und politisch seinerzeit verantworteten Praxis zum ersten Mal nicht in einen laufenden Haushalt eingegriffen wurde. Vielmehr war der Abschluss des Haushalts 1999 gegenüber dem Haushaltssoll um 1,019 Milliarden DM besser. ({3}) Das ist eine beachtliche Umkehr. Damit wurde auch Schluss mit der Unterfinanzierung als Hauptursache für mangelnde Ausrüstung gemacht. Nun muss ich etwas zu den Bemerkungen der Opposition sagen. Wissen Sie, wir kooperieren mit über 650 Firmen. ({4}) Wir kooperieren mit allen Industrie- und Handelskammern. Wir kooperieren mit allen Handwerkskammern. Wir kooperieren mit der gesamten wehrtechnischen Industrie, die kürzlich beim Bundeskanzler mit mir zusammen eine gemeinsame Strategie zur europäischen Restrukturierung der Heerestechnik und der Marinetechnik verabredet hat. Wenn Sie als CDU/CSU unbedingt Opposition betreiben wollen, gegen die gesamte wehrtechnische Industrie, gegen die Mehrzahl der Industrieund Handelskammern, gegen die Mehrzahl der Handwerkskammern und im Übrigen auch noch gegen die überwältigende Mehrheit der Angehörigen der Bundeswehr, ({5}) kann ich nur sagen: Machen Sie ruhig so weiter. Sie sind total isoliert: in Deutschland isoliert, in Europa isoliert, innerhalb der NATO isoliert. ({6}) Sie wissen doch auch, dass die Erneuerung der Bundeswehr von Grund auf nicht nur von der Regierung in Deutschland und der sie tragenden Koalition für richtig gehalten wird, sondern dass sie auch innerhalb der Europäischen Union und innerhalb der NATO ausdrücklich begrüßt wird. ({7}) Ich will Ihnen zu diesen Pfeilern noch etwas im Einzelnen sagen. Erster Pfeiler: Investitionen in Menschen. Wir werden die Attraktivität des Dienstes erhöhen. Die Voraussetzungen im Haushalt sind dafür geschaffen; also werden wir den Weg, den wir schon begonnen haben, konsequent fortsetzen. ({8}) Neben der akademischen Ausbildung der Offiziere an den Universitäten der Bundeswehr werden wir künftig auch in allen anderen Laufbahnen jedem länger dienenden Soldaten die Möglichkeit eröffnen, seine mitgebrachte zivile Qualifikation zu verbessern. Deshalb gibt es die enge Zusammenarbeit mit Wirtschaft und Handwerk, deshalb gibt es die Qualifizierungsoffensive, deshalb war es wichtig, im Haushalt 2001 die finanziellen Grundlagen dafür zu schaffen. Diese Qualifizierungs- und Bildungsoffensive nimmt bei der Reform der Streitkräfte eine Schlüsselrolle ein. Wir sind mit der Bundeswehr vorbildlich, gegenüber Unternehmen wie auch gegenüber anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung. Wir reservieren 22 000 Dienstposten, 8 Prozent der Belegschaft, für laufende zivile wie berufliche Fortbildung und Qualifikation. Damit stehen wir an der Spitze aller Unternehmen und aller öffentlichen Verwaltungen. Das ist eine großartige Leistung der Bundeswehr und für die Bundeswehr. ({9}) Auf der Grundlage der Rahmenvereinbarung mit der Wirtschaft vom 8. Juli haben wir bereits mit 20 Industrieund Handelskammern und mit 26 Handwerkskammern Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen. ({10}) Bis Ende des Jahres 2000 werden weitere 35 Abschlüsse folgen. Mit 300 Unternehmen bestehen Kooperationsvereinbarungen auf dem Gebiet der Ausbildung, der Fortund der Weiterbildung. Wir werden dank der Haushaltsbeschlüsse die strukturellen Personalüberhänge abbauen können. Wie zugesagt, werden wir in den Jahren 2001 und 2002 den Stau in Beförderung und Verwendung auflösen und im Übrigen Verwerfungen beseitigen - Verwerfungen in der Besoldungsstruktur und hinsichtlich des strukturellen Personalüberhangs, die Sie zu verantworten haben. Dazu legen wir dem Deutschen Bundestag im Frühjahr 2001 einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. ({11}) Ich bin sicher: Dazu werden sich im Deutschen Bundestag entsprechende Mehrheiten finden. Wir hatten schon im Haushalt 2000 Stellenhebungen durchgeführt. Wir hatten dafür gesorgt, dass die besondere Vergütung für Wehrsoldempfänger angehoben worden ist, und wir werden jetzt dafür sorgen, dass nach der Streichung der Eingangsbesoldung A 1 und A 2 in der Mannschaftslaufbahn entsprechende Verbesserungen bei den Unteroffizieren und bei den Feldwebeln sowie bei den Einheitsführern folgen. Wenn die innere Situation der Bundeswehr Sie wirklich interessiert und wenn Tatsachen noch eine Rolle spielen, dann akzeptieren Sie die Feststellung: Wir haben innerhalb von zwei Jahren alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass der strukturelle Personalüberhang und die Verwerfungen in Besoldung und Laufbahn mit Beginn des Jahres 2001 wirksam abgebaut werden können. ({12}) Das ist ein großer Fortschritt für die Bundeswehr, der dort übrigens vollständig akzeptiert wird. Sie gestatten mir in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Wehrpflicht. Ich bin sehr erstaunt, wie Sie manchmal argumentieren. ({13}) - In dem Falle den Kollegen Nolting, der seine Gespräche jetzt wieder unterbrochen hat. ({14}) Vom Geburtsjahrgang 1965 haben 87,9 Prozent einen Dienst im Rahmen der Wehrpflicht und der gleichgestellten Dienste geleistet, vom Geburtsjahrgang 1966 waren es 83,7 Prozent und vom Geburtsjahrgang 1967 waren es 85,7 Prozent. Ich bin sehr erstaunt, dass diejenigen, die in der Zeit der Einberufung dieser Geburtsjahrgänge zwischen 1983 und 1992 politische Verantwortung getragen haben, heute einen Mangel an Wehrgerechtigkeit beklagen können, ({15}) obwohl die Realität heute ganz anders aussieht und in Ihrer Verantwortung 15, 16 oder manchmal 17 Prozent eines Jahrgangs überhaupt keinen Dienst geleistet haben. So eine heuchlerische Argumentation! ({16}) Vom Geburtsjahrgang 1973 haben 98 Prozent, vom Geburtsjahrgang 1974 97,6 Prozent und vom Geburtsjahrgang 1975, der noch nicht vollständig herangezogen ist, bisher 97,1 Prozent einen entsprechenden Dienst geleistet. Mindestens der Kollege Breuer, der ja nach diesen Zahlen gefragt hat, ist darüber informiert. Wir werden sicherstellen, dass so wie mit den Geburtsjahrgängen 1973, 1974 und 1975 auch in Zukunft immer zwischen 96 und 98 Prozent eines Jahrgangs einen Dienst für die Allgemeinheit leisten. An der Wehrgerechtigkeit wird nicht gerüttelt. Im Übrigen haben Sie, verehrter Herr Kollege Austermann, hier eine Flut haltloser Behauptungen aufgestellt ({17}) und für nicht eine den Beleg vorgetragen. Zu dieser Flut von Behauptungen gehörte auch die Behauptung, es würden 50 - der Nächste wird vielleicht von 47, der Dritte von 45 sprechen - Standorte geschlossen. Es bleibt exakt bei dem, was wir dem Parlament, dem Verteidigungsausschuss, der Öffentlichkeit und den Angehörigen der Bundeswehr gesagt haben: Das Ziel ist die Überprüfung der 166 Kleinststandorte auf ihre militärische Notwendigkeit. Ist sie nicht gegeben, wie es zum Beispiel bei einer Radarstation oder Vergleichbarem der Fall ist, werden diese Kleinstandorte mit weniger als 50 Leuten geschlossen. Es wird nur wenige von ihnen treffen. Die übrigen 439 Standorte werden daraufhin untersucht, ob und wie man sie optimal, auch wirtschaftlich effizienter, führen kann. Darin wird einbezogen, wie das Umfeld dieser Standorte ist: der Arbeitsmarkt, die wirtschaftliche Lage, die Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr, die Ausbildungslage, der Wert und der Zustand der Liegenschaften usw. Alles andere wäre schwer vertretbar. Ich wäre dankbar, wenn die Opposition nicht fortwährend und gebetsmühlenartig haltlose Behauptungen nach dem Motto in den Raum stellte, der Verteidigungsminister oder die Koalition könnten sie ja widerlegen. Sie haben selbstverständlich das Recht, zu kritisieren. Aber dann müssen Sie bitte schön auch die Belege für ihre Behauptungen nennen, anstatt hier immer wieder haltloses, dummes Zeug in die Landschaft zu setzen. ({18}) Damit machen Sie nämlich nichts anderes als den Versuch, Menschen zu verunsichern. Sie lassen sich aber von Ihnen nicht mehr verunsichern.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Austermann?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Herr Kollege Austermann, wollen Sie einen Beleg für das nennen, was Sie beispielsweise hinsichtlich der 50 Standorte behauptet haben? ({0}) - Bitte schön.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sind Sie bereit, zu bestätigen, dass Sie, als wir, die Kollegen Berichterstatter aus dem Haushaltsausschuss, mit Ihnen in der Julius-Leber-Kaserne zusammengesessen haben, gesagt haben, Sie würden in der ersten Januarwoche - dabei haben Sie sich noch auf die Schulter geklopft und erklärt: ohne Rücksicht darauf, dass in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz Wahlen stattfänden - die Standorte bekannt geben, die geschlossen werden? Wollen Sie bestreiten, dass dieses Gespräch so stattgefunden hat?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Das ist zwar kein Beleg für Ihre Behauptung, dass 50 Standorte geschlossen würden. Ich hatte eben die leise Hoffnung, dass Sie das tun würden. ({0}) - Doch, natürlich. Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt, 50 Standorte würden geschlossen. Lesen Sie es nach! Wenn es falsch war, dann korrigieren Sie es bitte. ({1}) - Entschuldigung, der Kollege Austermann hat von dieser Stelle aus gesagt, es würden 50 Standorte geschlossen. Ich frage, wo der Beleg für diese Behauptung ist. ({2}) Jetzt zu Ihrer Frage: Ich habe Ihnen im Berichterstattergespräch das gesagt, was ich hier im Parlament bei der ersten Lesung des Haushalts gesagt habe: ({3}) Die Feinausplanung wird bis Ende Dezember abgeschlossen. Ich werde sie mir in den ersten Januartagen anschauen. Dann werde ich wissen, wie die Diskussion mit dem Parlament, mit dem Verteidigungsausschuss und mit den Landesregierungen zu führen ist. Ich habe Ihnen damals schon hier im Parlament gesagt: Wenn Sie eine Lage erzeugen, in der der Fürsorgepflicht gegenüber den Bediensteten der Streitkräfte ein höherer Rang als den Erörterungsbedürfnissen von Landesregierungen eingeräumt werden muss, dann werde ich längs der Fürsorgepflichten und unter Vernachlässigung der Erörterungsbedürfnisse entscheiden. Dabei bleibt es. ({4}) Nun möchte ich etwas zu dem zweiten Schwerpunkt sagen, den Investitionen in Fähigkeiten. Da müssen Sie sich ja auch mit den Ergebnissen Ihrer Politik auseinander setzen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Die Abgeordneten Austermann und Koppelin wollen weitere Zwischenfragen stellen, Herr Minister.

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Noch mehr Zwischenfragen? - Bitte sehr, ich bin sehr gespannt. Vielleicht kommt jetzt der Beleg für die Behauptung, dass 50 Standorte geschlossen werden sollen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt zunächst Herr Austermann.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Scharping, können Sie nachvollziehen, dass sich bei einer Reduktion der Personalstärke der Bundeswehr um 50 000 Mann und durchschnittlich zwischen 500 und 1 000 Mann pro Standort automatisch eine entsprechende Zahl ergibt, wenn man die Reduktion vernünftig macht? Oder können Sie das nicht nachvollziehen?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Das kann ich nicht nachvollziehen. In Ihrer Rechnung haben Sie beispielsweise nicht bedacht, dass sich Einheitsstärken verändern, dass man Teile von Liegenschaften anders nutzen kann, dass es große Standorte mit einer Vielzahl von Einrichtungen gibt, die eine bescheidene Reduzierung leichter verkraften können als solche Standorte, an denen es nur eine Kaserne gibt, usw. Sie sind doch ein wenig intelligenter, als Sie hier tun. ({0}) Ich verstehe gar nicht, Herr Kollege Austermann, warum Sie so verzweifelt den Eindruck zu erwecken versuchen, Sie seien weniger gut informiert und weniger intelligent, als Sie tatsächlich sind. Glauben Sie, dass das wirklich gut ist? ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Austermann, bitte treten Sie jetzt nicht in eine Privatdebatte ein. Jetzt ist der Kollege Koppelin an der Reihe. Lassen Sie danach auch noch eine Zwischenfrage des Kollegen Rauber zu, Herr Minister?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Das wird ein bisschen viel, ich möchte noch schwerpunktmäßig auf zwei weitere Themen eingehen. Aber bitte!

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ich stoppe ja die Zeit. Vielleicht ist es den Kollegen möglich, sich kurz zu fassen. - Bitte schön, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, nachdem der Kollege Austermann schon über das Berichterstattergespräch in der Julius-Leber-Kaserne berichtet hat, möchte auch ich Sie fragen, ob Sie sich daran erinnern können, dass Sie dabei gesagt haben, es müssten Standorte geschlossen werden, Sie aber noch nicht wüssten, welche es sein werden. Ich habe entgegnet, das widerspräche dem, was Sie bisher verkündet hätten, dass nämlich kein Standort geschlossen würde. ({0}) - Sie waren doch gar nicht dabei! Warum schütteln Sie den Kopf? - Als Sie daraufhin abgestritten haben, das je gesagt zu haben, habe ich geantwortet, dass ich gern bereit sei - Sie haben mich dazu aufgefordert; vielleicht erinnern Sie sich -, Ihnen den Beleg zu bringen, dass Sie so etwas gesagt hätten. Ich bin darauf bis heute bewusst nicht eingegangen. Ich habe Ihnen aber nun den Beleg mitgebracht; in der „Welt“ vom 6. August 1999 heißt es: „Scharping: Trotz Sparzwang wird kein Standort geschlossen“. Ich bin gerne bereit, Ihnen diesen Beleg zu geben. Ich habe übrigens noch weitere Äußerungen von Ihnen, mit denen ich belegen könnte, dass Sie gesagt haben, es werde kein Standort geschlossen. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen und meine Darstellung zu bestätigen?

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Ich bin bereit, das zur Kenntnis zu nehmen, kann aber Ihre Darstellung nicht bestätigen. Ich nehme im Übrigen auch zur Kenntnis, wie selektiv Sie aus Gesprächen, die man miteinander führt, zitieren. ({0}) Das wird dazu führen, dass ich mich bei späteren Gesprächen klüger verhalten werde. Vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Ausführungen. ({1}) Im Übrigen bleibe ich ganz genau bei dem, was ich im Deutschen Bundestag und im Verteidigungsausschuss gesagt habe.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Bevor wir jetzt zur dritten Zwischenfrage kommen, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen - Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidigung: Entschuldigung, Frau Präsidentin, erlauben Sie mir noch einen Hinweis. - Ich habe schon einmal mit Ihnen entsprechende Erfahrungen gemacht. Ich habe einmal den Versuch gemacht, Sie intern über Entwicklungen in der Bundeswehr zu informieren. Zwei Tage später fand ich über dieses Gespräch in einer ganzen Reihe von Zeitungen Meldungen, die allesamt falsch waren. Wenn Sie Wert darauf legen, dass man einzelne Fragen, die durchaus sensibel sind ({0}) - ich rede nicht von Ihnen persönlich, sondern von Ihrer Fraktion -, ({1}) miteinander erörtert, dann dürfen Sie sich, meine Damen und Herren insbesondere von der CDU/CSU, nicht die Freiheit nehmen, aus solchen Gesprächen tendenziös, die Sachlage verfälschend und damit den vertraulichen Charakter zerstörend in der Öffentlichkeit zu berichten. Ansonsten dürfen Sie nicht mehr damit rechnen, dass man mit ihnen einen Sachverhalt intern erörtert, abklärt und versucht, zu einer gemeinsamen Auffassung zu kommen. ({2}) Dieses war ein höchst erstaunlicher Vorgang. Ich nehme ihn zur Kenntnis und werde meine Schlüsse daraus ziehen. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt die dritte Zwischenfrage, bitte schön.

Helmut Rauber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002755, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Scharping, trifft es zu, dass Sie gesagt haben - wie in einem Artikel des „Spiegel“ vom 9. Oktober dieses Jahres zu lesen, in dem Sie wörtlich zitiert werden -, dass unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten eigentlich 350 Standorte geschlossen werden müssten? Ist es dann noch verwunderlich, dass andere, nachdem Sie eine solche Zahl in die Welt gesetzt haben, ebenfalls spekulieren? Ich sage für meine Person, dass ich das bisher nicht getan habe. Sie brauchen sich aber nicht zu wundern, dass andere Ihnen die Daumenschrauben anlegen.

Rudolf Scharping (Minister:in)

Politiker ID: 11002769

Zutreffend ist, dass das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ unter Bezugnahme auf eine Zahl, die Sie im Bericht der Weizsäcker-Kommission nachlesen können, versucht hat, mich zu zitieren. Wenn Sie mich vollständig zitieren würden - wir sind immerhin im Deutschen Bundestag -, dann wüssten alle, dass ich immer wieder darauf hingewiesen habe, dass ich eine rein betriebswirtschaftliche Betrachtung bei der Entscheidung über die Standorte der Bundeswehr aus mehreren Gründen, die ich hier schon mehrfach genannt habe, schlicht ablehne. ({0}) Insofern erkenne ich aus Ihren Bemühungen, Herr Kollege Rauber, leider auch den Versuch, sich einzelne Punkte aus einem durchaus komplizierten Zusammenhang herauszupicken und für eine bestimmte parteipolitische Absicht zurechtzuschnitzen. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Ich werde mich genau an den Zeitplan halten, den ich Ihnen genannt habe. ({1}) Ich möchte jetzt noch einige Bemerkungen zu dem zweiten Schwerpunkt, den Investitionen, sagen. Die Investitionen sind in den 90er-Jahren kontinuierlich gesunken. Herr Kollege Breuer, Sie können sich mit diesen Zahlen auch noch auseinander setzen: Die Investitionen für militärische Beschaffungen betrugen 1994 5,5 Milliarden DM, 1995 5,5 Milliarden DM, 1996 5,6 Milliarden DM, 1997 5,3 Milliarden DM, 1998 6,5 Milliarden DM. Im Jahr 1999 - also im ersten Jahr, in dem wir die Investitionen zu verantworten hatten - wurden rund 730 Millionen DM mehr für Investitionen ausgegeben. Sie werden doch nicht hier im Parlament gegenüber der Bundeswehr und der Öffentlichkeit allen Ernstes behaupten wollen, dass die Feststellungen der wehrtechnischen Industrie in Deutschland über ihre Auslastung und über die kontinuierliche Verbesserung der Investitionen allesamt falsch gewesen sind. Wir haben doch gravierende Mängel in der Ausrüstung vorgefunden. Das hat mit dem sehr niedrigen, zum Teil ständig reduzierten Niveau bei den militärischen Beschaffungen zu tun. Mit dem jetzt zu verabschiedenden Haushalt können alle wichtigen Programme begonnen und auch durchfinanziert werden. ({2}) Das betrifft die strategische Aufklärung: Wir beschaffen den Radaraufklärungssatelliten mit der SAR-Lupe und gewährleisten die Einsatzfähigkeit dieses Systems im Jahre 2004. Damit leisten wir einen Beitrag zu dem den europäischen Aufklärungsverbund. Wir haben entschieden, in den Führungssystemen auf standardisierte Anwendungssoftware zurückzugreifen. Ich habe den abenteuerlichen Zustand vorgefunden, dass es in der Bundeswehr 360 informationstechnische Inseln gibt, zum Teil auf einem Stand der Software des Jahres 1970. Es ist unglaublich, was Sie dort an Versäumnissen aufgehäuft haben. Wir werden diese Programme wie auch andere kontinuierlich fortsetzen. ({3}) - Dazu könnte ich Ihnen auch noch etwas erzählen. Aber dafür reicht die Zeit nicht. Wir haben mit dem Finanzminister eine Vereinbarung getroffen, die Sie ebenfalls nie zustande gebracht haben. Die eingesparten Mittel aufgrund besserer Wirtschaftlichkeit werden zu 100 Prozent in Investitionen gesteckt. Neue Finanzierungsformen wie Leasing oder Betreibermodelle verhindern nicht nur eine unnötige Bindung von Investitionsmitteln, sondern erlauben auch, handelsübliches Gerät handelsüblich zu beschaffen und wirtschaftsüblich zu finanzieren. Die Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung oder Verkauf von Grundstücken und Liegenschaften verbleiben zu 80 Prozent im Haushalt des Verteidigungsministers. Kollege Nolting hat einige Bemerkungen gemacht, die mir Gelegenheit geben, in aller Kürze auf den dritten Schwerpunkt einzugehen, nämlich auf die Investition in die Wirtschaftlichkeit. Die Vereinbarungen mit dem Bundesfinanzminister, der Rahmenvertrag mit der Wirtschaft, die darauf gründende strategische Partnerschaft und die Vereinbarung mit mittlerweile fast 450 Firmen stellen eine neue, sinnvolle Form der Kooperation dar. Da Sie sagen, in diesem Bereich gebe es keine Entscheidungen, möchte ich Sie auf folgende Punkte aufmerksam machen: Im Mai 2000 wurde der Vertrag zur Bewirtschaftung des Materials in den bundeseigenen Lagern und Sonderverwahranlagen und im Juni wurde der Vertrag zur Herstellung der KRK-Interoperabilität der im Einsatz befindlichen Fernmeldesysteme aller Teilstreitkräfte unterschrieben. Im Juni diesen Jahres wurde die Vereinbarung zur Errichtung des Kompetenzzentrums „Informationstechnologie“ in Koblenz unterschrieben. Zurzeit wird der Vertrag für ein entsprechendes informationstechnisches Zentrum in Dresden vorbereitet. Im Juli 2000 wurde der Betrieb des Gefechtsübungszentrums in der Colbitz-Letzlinger Heide vereinbart. Im Übrigen sieht der Vertrag die Bildung der Gesellschaft vor, die hier angesprochen worden ist. Sie soll ihre Tätigkeit und ihre Wirkung im Jahre 2001, nicht etwa im Jahre 2000 entfalten. Deshalb ist es richtig, jetzt die Aufgabenfelder zu definieren. Das ist geschehen. Dazu gehören Liegenschaften, Liegenschaftenmanagement, Optimierung von Betrieb, Entwicklung und Vermarktung, Bekleidungswirtschaft, Flottenmanagement, IT-Betrieb innerhalb der Bundeswehr und manches andere, was im Betrieb eine Rolle spielt. Nun wird Ihnen nach der Debatte während der ersten Lesung dieses Haushaltes vielleicht noch im Gedächtnis sein, wie sich die 1 Milliarde DM zusammensetzt, die wir zur Verstärkung von Investitionen einsetzen und erwirtschaften wollen. Sie setzt sich zusammen aus circa 200 Millionen DM - das kann am Anfang eines Jahres nie jemand ganz präzise abschätzen -, die durch sinkende Betriebskosten frei werden, aus einem identifizierten, im Haushalt veranschlagten Beschaffungsvolumen von 370 Millionen DM, das auf handelsübliches Gerät zielt und jetzt einer anderen Finanzierung geöffnet ist, und aus ungefähr 350 Millionen DM durch frei gewordene Liegenschaften, die schon während Ihrer Regierungstätigkeit aus dem Betrieb der Bundeswehr herausgenommen worden sind. Ich schaue einmal in Ihre Reihen, ob der Kollege Singhammer da ist, und komme damit auch zum Schluss, Frau Präsidentin. ({4}) Wenn beispielsweise in München über mehrere Jahre hinweg, seit 1993/94, ein über 40 Hektar großes Gelände nicht seinem beabsichtigten Zweck zugeführt werden konnte, wenn in demselben Zeitraum in Gießen ein freigeräumtes Bundeswehrkrankenhaus nicht seinem neuen Verwendungszweck zugeführt werden konnte usw. usf., dann muss sich doch jeder Verantwortliche die Frage stellen, ob die bisherigen Verfahren zufriedenstellend sind. Erkennbar ist das nicht. Deshalb gibt es die Vereinbarung mit den Vorständen deutscher Großbanken, um auch die private Kapitalbeteiligung an solchen Bundeswehrliegenschaften zu ermöglichen, die nicht ausschließlich militärisch genutzt, sondern auch für zivile Aufgaben zur Verfügung gestellt werden. Das nenne ich einen echten Durchbruch. Ich frage mich, wie Sie den Mut aufbringen, die Erwirtschaftung von 1 Milliarde DM für ein völlig unrealistisches Ziel zu erklären, trotz mancher Debatte und manchen Argumentes hier, wenn mittlerweile die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Commerzbank, die deutschen Genossenschaftsbanken und zwei große private Bankhäuser sagen: Wir halten 1 Milliarde DM für ein ganz realistisches unternehmerisches Ziel. Das heißt, Sie werden in Zukunft nicht nur Opposition gegen alle Kammern, die wehrtechnische Industrie und mehrere Hundert Firmen, sondern auch gegen den Sachverstand der deutschen Banken betreiben müssen. Das finde ich außerordentlich interessant. Ich glaube nicht, dass Sie damit Erfolg haben werden. ({5}) Ich will deswegen zum Schluss sagen: Der Zustand, in dem wir die Bundeswehr vorgefunden haben, war von zwei Dingen gekennzeichnet: von hoch motivierten, leistungsfähigen Menschen, denen allerdings schlechte Beförderungs- und Besoldungsmöglichkeiten und mancher strukturelle Überhang gegenüberstanden. Dieser Missstand wird beseitigt. Der Zustand, in dem wir die Bundeswehr vorgefunden haben, war mit Blick auf die zukünftigen Fähigkeiten, die von deutschen Streitkräften im Verbund der NATO und der Europäischen Union - zu Recht - verlangt werden, von schweren Ausrüstungsmängeln gekennzeichnet. Dieser Zustand wird beseitigt. Die ersten Schritte dazu sind eingeleitet und werden konsequent fortgesetzt. Der Zustand, in dem wir die Bundeswehr vorgefunden haben, war von extrem bürokratischen, kostenintensiven, wenig wirtschaftlichen Verfahren geprägt. Auch dieser Zustand wird konsequent beseitigt. Ich bin einmal gespannt, ob Sie die Souveränität aufbringen werden, am Ende des Haushaltsjahres 2000 und des Haushaltsjahres 2001 an das Pult des Deutschen Bundestages zu treten und zu sagen: Wir müssen uns ja nicht unbedingt entschuldigen, aber unsere Befürchtungen sind nicht eingetreten. Tatsächlich sind die Entwicklungen für die Bundeswehr sinnvoll und gut. So sehen es die Angehörigen der Streitkräfte, so sehen es unsere Partner in der NATO und der Europäischen Union. Die Einzigen, die das aus parteipolitischen Erwägungen so nicht sehen dürfen, sind die Mitglieder der Opposition. Sie bleiben alleine; sie sind isoliert. Ob sie sich dabei wohl fühlen, mögen sie selbst entscheiden. ({6})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine Kurzintervention des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir, der Kollege Austermann und ich, haben soeben während der Rede des Bundesministers der Verteidigung versucht, bezüglich der Frage, was mit den Standorten wird, Licht in das Dunkle zu bringen. Natürlich verstehe ich, dass ein Verteidigungsminister - das haben wir auch früher erlebt - nicht alles auf den Tisch legen kann. Aber es ist natürlich unser Recht - das ist doch wohl klar -, Fragen zu stellen. Wogegen ich mich allerdings wehren muss, Herr Minister, ist, dass Sie unsere Fragen so kommentieren, als hätten wir im Rahmen des Berichterstattergespräches zum Einzelplan 14, zu Ihrem Etat, an einem vertraulichen Gespräch teilgenommen. Bei diesem Gespräch waren alle Fraktionen mit ihren Berichterstattern vertreten. Zusätzlich waren seitens Ihres Hauses mindestens - ich schätze die Zahl jetzt einmal; Sie können mich gegebenenfalls korrigieren - 150 Personen anwesend. Angesichts dessen können Sie doch ein solches Gespräch nicht als vertraulich erklären. Das wäre ja etwas völlig Außergewöhnliches. ({0}) Herr Minister, ich und, wie ich denke, auch andere sind bereit, weiter fair mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Wenn es vertrauliche Gespräche gibt, dann - darauf können Sie sich verlassen - bleiben sie auch vertraulich; da gibt es überhaupt nichts zu beanstanden. Aber eine solch große Versammlung können Sie nicht als vertraulich erklären. Herr Minister, ich habe einen Wunsch - dies ist mir schon im Haushaltsausschuss anlässlich der Beratungen zu Ihrem Etat aufgefallen -: Seien Sie nicht so dünnhäutig und reden Sie vernünftig mit uns! ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Breuer.

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man über den Verteidigungsetat berät, dann steht man immer in der Gefahr, sich nur an Zahlen, Kapazitäten und Standorten zu orientieren und nur darüber zu diskutieren. Wir sollten uns, wenn wir über den Verteidigungsetat sprechen, vergegenwärtigen, dass es um die Soldaten und die zivilen Mitarbeiter der Bundeswehr geht. Ich möchte diesen zunächst einmal herzlich für ihre Arbeit danken. ({0}) Ich darf die militärische Führung bitten, diesen Dank zu übermitteln. Was den Dank an den Minister insbesondere für seinen Beitrag in dieser Debatte angeht, so kann ich den in keiner Weise aussprechen. ({1}) Herr Bundesminister Scharping, die Tonart, die Art und Weise, ({2}) wie Sie - das war nicht nur heute der Fall - mit dem Parlament umgehen, zeigt, in welcher Defensive Sie sich persönlich im Bereich der Verteidigungspolitik befinden. ({3}) Herr Kollege Scharping, Sie haben betont, Kooperation sei auf dem wichtigen und existenziellen Feld der Verteidigung notwendig. Da möchte ich Ihnen grundsätzlich folgen. Nur, für diese Kooperation sind bestimmte Voraussetzungen notwendig. Dies sind Vertraulichkeit und Informationen. In den fast 20 Jahren, in denen ich mich in der Verteidigungspolitik engagiere, habe ich noch keinen Minister erlebt, der das Parlament so schlecht informiert hat, wie Sie das tun, Herr Scharping. ({4}) Ich weiß, dass dieses Urteil nicht nur von den Kollegen der Opposition geteilt wird, ({5}) sondern auch von Kollegen, die in den Bänken der Regierungsfraktionen sitzen. ({6}) Der Verteidigungshaushalt für das Jahr 2001 ist ein ganz besonderer. Dies ist ein Haushalt - Herr Minister Scharping, ich weiß, Sie hören das nicht gerne; aber es ist notwendig, dies festzustellen -, der von Ihnen unter ganz besonderen Voraussetzungen gesehen worden ist. Ich kann mich daran erinnern, dass Sie, als Sie ins Amt kamen - Sie gingen damals ja nicht freiwillig auf die Hardthöhe; man hatte eher den Eindruck, dass Sie mit den Feldjägern dahin gezerrt werden mussten, Sie wollten ja nicht dahin -, gesagt haben, Sie hätten für diese Legislaturperiode bis 2002, bezogen auf den Verteidigungsetat, Garantien. Das seien bessere Garantien, als sie jeder Verteidigungsminister vorher gehabt hat. Ich stelle heute fest: Der Verteidigungshaushalt 2001 ist der historisch schlechteste Haushalt, den die Bundeswehr seit ihrem Bestehen gesehen hat. Wo sind die Garantien? ({7}) Sie wissen sehr genau, dass das stimmt. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt und wiederhole es heute: Dass Sie denjenigen, die Ihnen die Garantien gegeben haben, insbesondere Herrn Schröder, überhaupt auch nur in einer Millisekunde vertrauen konnten, dass Sie glauben konnten, dass er Versprechen einlöst, kann ich gar nicht begreifen; denn Ihr Erinnerungsvermögen, insbesondere was Mannheim betrifft, müsste ja noch erhalten sein. Ich kann es nicht verstehen. ({8}) Sie haben lauthals landauf, landab verkündet - und Sie hatten Recht -, die Bundeswehr brauche mehr Geld. Sie haben davon geredet, es sei ein Investitionsstau in der Größenordnung von 20 bis 40 Milliarden DM vorhanden. ({9}) Und Sie hatten Recht. ({10}) Sie haben den Haushalt 2001, den wir heute beraten, in der Debatte im letzten Jahr insbesondere unter dem Vorbehalt der Entscheidungen der Wehrstrukturkommission gesehen. Sie haben vom Kommissionsvorbehalt geredet und darauf gehofft, dass nach den Beratungen dieser Wehrstrukturkommission der Verteidigungshaushalt erhöht werden könnte. Die Wehrstrukturkommission, die Weizsäcker-Kommission, hat gesagt: Der Verteidigungshaushalt benötigt mehr Geld. ({11}) Aber die rot-grüne Regierungskoalition senkt den Verteidigungsetat, nicht nur in 2001, sondern auch in den Folgejahren bis 2003, im Verhältnis zur letzten mittelfristigen Finanzplanung um 20 Milliarden DM. Das ist die Realität, Herr Minister Scharping. ({12}) Nach zwei Jahren Amtszeit Scharping - dies ist der dritte Haushalt, der in Ihrer Verantwortung verabschiedet werden soll - schlage ich vor - Günther Nolting hat eben etwas Ähnliches gesagt -: Sie sollten sich darum bemühen, den Bundesminister der Verteidigung in „Bundesminister der Ankündigungen und der Versprechungen“ umzubenennen. ({13}) Bisher haben Sie nur Versprechungen und Ankündigungen gemacht. ({14}) Herr Kollege, das wissen Sie doch sehr genau: Es gibt andere Ressortminister - deshalb ist hier die Frage nach dem Stellenwert der Verteidigung zu stellen -, die sich beispielsweise im Zusammenhang mit den UMTS-Erlösen durchgesetzt haben. ({15}) Was Herr Scharping brauchte, was der Verteidigungshaushalt brauchte - im Übrigen sagt das auch die Wehrstrukturkommission -, ist völlig klar: ({16}) Es ist eine Anschubfinanzierung zur Modernisierung der Bundeswehr. Wenn beispielsweise der Verkehrsminister ({17}) aus den UMTS-Erlösen Geld bekommt, warum haben Sie sich denn überhaupt nicht mehr darum bemüht, etwas zu bekommen? ({18}) Sie brauchen eine Anschubfinanzierung für die Rationalisierung und für die Modernisierung in der Bundeswehr. ({19}) Herr Kollege Scharping, ich bitte Sie, wirklich einmal zuzuhören. Wenn Sie die Frage der Ergebnisse der Verteidigungshaushalte aus den 90er-Jahren hier heranziehen, ({20}) dann möchte ich Ihnen eines sagen, was ich Ihnen schon einmal gesagt habe: Die 90er-Jahre waren eine völlig andere geschichtliche Situation. Nicht nur Sie, auch Ihr Bundeskanzler und der Finanzminister versuchen, das deutsche Volk vergessen zu machen, dass es in dieser Zeit insbesondere darum ging, in der Folge der Wiedervereinigung die Trümmer des Sozialismus in der deutschen Landschaft zu beseitigen. ({21}) Sie können die heutige Situation doch nicht mit den 90erJahren vergleichen. Wenn Sie in dem Zeitraum bis 2003, wie ich eben sagte, nahezu 20 Milliarden DM in der mittelfristigen Finanzplanung verlieren, dann sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass nach offiziellen Angaben die Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 1993 enorm gestiegen sind und bis 2003 weiter steigen werden. Die Steuereinnahmen werden in den kommenden Jahren - unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Steuerreform - laut offiziell belegten Zahlen um 60 MilPaul Breuer liarden DM steigen. In der gleichen Zeit wird Ihnen im Verteidigungsetat ein Betrag von 20 Milliarden DM abgenommen. Das ist die geschichtliche Situation, die wir darstellen müssen. ({22}) Neue europäische Verteidigungsziele, neue Ziele der NATO, die vernünftig sind, die die sicherheitspolitischen Herausforderungen für unser Land beschreiben und die eine Modernisierung der Bundeswehr verlangen - Frau Beer, ich gehe noch einmal deutlich darauf ein -, sind von der Bundesrepublik Deutschland richtigerweise unterzeichnet worden. ({23}) Sie tragen die Unterschrift des Bundeskanzlers und des Verteidigungsministers. ({24}) Überall, sowohl in der NATO als auch innerhalb der Europäischen Union, geht man davon aus, dass Deutschland seine Anstrengungen im Bereich der Verteidigung deutlich erhöht. Ich stelle fest: Sie tun das genaue Gegenteil. Es gibt auch Stimmen aus Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren Kollegen von der SPD, die dies betonen. In der gestrigen Europadebatte hat der Kollege Klose, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses unseres Parlaments, Folgendes gesagt - ich zitiere ihn wörtlich -: Die Europäer - auch wir Deutsche - werden mittelfristig nicht darum herumkommen, die Mittel für Verteidigung und Sicherheit in ihren jährlichen Haushalten zu erhöhen und deren Einsatz zugleich effektiver zu gestalten. ({25}) Sinngemäß fuhr der Kollege Klose fort, dass man den europäischen und deutschen Steuerzahlern erklären müsse, dass es auch in einer Zeit veränderter sicherheitspolitischer Lage notwendig sei, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Herr Scharping, ich habe mittlerweile den Eindruck, Sie kämpfen gar nicht mehr; Sie beschönigen die Situation. Wo leisten Sie einen Beitrag dafür, dem deutschen Steuerzahler zu erklären, dass es notwendig ist, mehr Geld für die Verteidigung auszugeben, wie der Kollege Klose gestern richtigerweise hier von diesem Platz im Deutschen Bundestag aus festgestellt hat? Nirgendwo, Herr Kollege Scharping. ({26}) Als Bundeskanzler Schröder Sie 1998 gegen Ihren Willen auf den Stuhl des Verteidigungsministers gesetzt hat, hat er dies doch vor allen Dingen deshalb getan - das wissen Sie ganz genau -, um Sie politisch abzuhalftern. Ich stelle heute fest: Es ist ihm gelungen - allerdings mit einem erheblichen Schaden für die Bundeswehr und für die deutsche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. ({27}) In der Bundeswehr, Herr Minister Scharping, traut man Ihnen nicht mehr viel zu. Ich muss nach dem, was Sie heute gesagt haben, feststellen: Sie sind von den Menschen in der Bundeswehr verdammt weit entfernt. Es keimt in der Bundeswehr mittlerweile ein ganzes Stück Misstrauen. Das ist nicht in Ordnung. Der Wehrbeauftragte und der Bundespräsident mahnen die Debatte über die Wehrpflicht an. Es rächt sich jetzt, Herr Kollege Scharping - Sie wissen, dass wir als CDU/CSU und auch ich ganz persönlich die Wehrpflicht unterstützen und auch Sie dabei unterstützen - , dass Sie im Sommer im Hinblick auf Ihre Entscheidungen eine Möglichkeit zur öffentlichen Debatte überhaupt nicht gegeben haben. Sie haben versucht, die öffentliche Debatte zu unterbinden. Heute rächt sich das - ich hoffe, nicht zulasten der allgemeinen Wehrpflicht. Meine Damen und Herren, ich meine, dass wir die allgemeine Wehrpflicht primär von ihrem Wert her sehen müssen, von ihrem Wert als Bürgerpflicht. Mittlerweile haben sich viele in Deutschland angewöhnt, die allgemeine Wehrpflicht insbesondere abhängig von der sicherheitspolitischen Lage, von der Bedrohung zu diskutieren. Es gibt andere Länder in Europa, meine Damen und Herren, insbesondere die skandinavischen Länder oder auch die Schweiz, die zu allen Zeiten den hohen Wert der Wehrpflicht zur Verteidigung des Landes aus der Kraft der Bürger heraus völlig bedrohungsunabhängig gesehen haben, ({28}) die in schwierigsten Zeiten mit der allgemeinen Wehrpflicht die Sicherheit für ihr Land gewährleisten konnten und die nicht im Traum daran dachten, wegen der historischen Veränderungen dieser Zeiten etwas daran zu ändern. ({29}) Warum diskutieren wir die allgemeine Wehrpflicht nicht primär unter dem Aspekt ihres Wertes als Bürgerpflicht, nicht primär von ihrem Sinngehalt her? ({30}) Warum diskutieren wir - meine Damen und Herren, da haben wir viele Gemeinsamkeiten

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Breuer, ich möchte Sie auf die Ihre Redezeit hinweisen. ({0})

Paul Breuer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000265, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

- vielen Dank, Frau Präsidentin - die allgemeine Wehrpflicht nicht so, wie das in anderen Ländern geschieht? Ich behaupte, wir haben eine Möglichkeit, den Sinngehalt der allgemeinen Wehrpflicht auch auf die zukünftige Bundeswehr zu übertragen. ({0}) Diese Möglichkeit haben wir. Wir müssen sie nur ausgestalten, wir müssen die Debatte führen. Wir dürfen die Debatte nicht so ignorant führen, wie Sie, Herr Kollege Scharping, das tun. Ich möchte zum Abschluss feststellen, Frau Präsidentin, meine Damen und Herren: Der Verteidigungsetat 2001 ist kein Reformetat. Wenn man das an diesem Etat festmacht, dann droht der Bundeswehr eine Reformruine, dann wird der Beitrag Deutschlands zur europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik innerhalb der NATO kein vertrauenswürdiger Beitrag sein. ({1}) Ich bin fest davon überzeugt: Herr Scharping weiß dies auch selbst. Deswegen werden wir den vorgelegten Verteidigungsetat ablehnen. Wir legen einen Antrag vor, in dem wir eine Verstärkung der Mittel um 2,2 Milliarden DM fordern. Das ist notwendig, ({2}) um der unterfinanzierten Bundeswehr eine Zukunft zu sichern. Ich bedanke mich. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Abgeordneten Winfried Nachtwei das Wort.

Winfried Nachtwei (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002743, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Angesichts des zeitweiligen Verlaufes der verteidigungspolitischen Debatte gestatten Sie bitte eine Anmerkung. Heute ist mehrfach Bundespräsident Rau mit seiner Rede vor der Kommandeurstagung der Bundeswehr zitiert worden. In dieser Rede hat er eine breite und offene sicherheitspolitische Debatte eingefordert, und er hat bemängelt, dass es an dieser Debatte fehle. Wir haben nun wieder gesehen, dass es eine solche Debatte im politischen Alltag sehr schwer hat. Sie wird nämlich sehr schnell zwischen dem hohen Entscheidungs- und Handlungsdruck auf der einen Seite und dem Primat parteipolitischer Interessen auf der anderen Seite zerrieben. Ich glaube, es wäre ganz sinnvoll, dass wir, statt schnelle und fertige Antworten zu geben, auch einmal einige genauere Fragen stellen würden, um damit die notwendige Debatte über die Aufgaben und den Auftrag der Bundeswehr zu befördern. Sie sind einerseits klar: durch die Vorgaben der NATO, der Europäischen Union, des Grundgesetzes usw. Andererseits ergäben sich bei genauerem Hinsehen sehr wohl noch sehr wichtige Fragen; denn wir schaffen mit der Bundeswehrreform mehr Interventionsfähigkeit. Zugleich sind wir uns einig: Wir wollen keinen Interventionismus. Deshalb ist es sehr wichtig, die Frage genau zu beantworten, was die Voraussetzungen für militärische Kriseneinsätze sind, was ihre leitenden Werte, was ihre Interessen, was ihre völkerrechtlichen Voraussetzungen. Es ist folgende Frage genauer zu beantworten: Was kann die Bundeswehr sinnvoll zur militärischen Krisenbewältigung beitragen? Wo sollten, wo müssten die Grenzen liegen? ({0}) Mit dem Kabinettsbeschluss zu den Eckpfeilern der Bundeswehrreform ist klargemacht, dass die Wehrpflicht weiter gilt. Aber auch dazu müssen wir bestimmte Fragen genauer klären, nämlich: Wie konkret muss die sicherheitspolitische Notwendigkeit der Wehrpflicht nachgewiesen werden? Sicherlich reicht nicht die unbestreitbare Annahme, dass das Restrisiko einer großen Bedrohung nicht für alle Zeiten auszuschließen ist. ({1}) Markenzeichen der Bundeswehr ist die innere Führung. Inwieweit - das sind Fragen, denen wir genauer nachzugehen haben - ist die innere Führung unverzichtbar an die Wehrpflicht gebunden oder inwieweit ist die Wehrpflicht unverzichtbar für die innere Führung? ({2}) Ich könnte noch weitere Fragen stellen, aber das reicht als Andeutung. Ich habe Beispiele für Fragen genannt, bei denen es nicht nur Erklärungsbedarf, sondern auch Klärungsbedarf gibt. Diese Klärung ist notwendig, damit wir wirklich zu einem breiten, überzeugten und überzeugenden Konsens in der Sicherheits- und Friedenspolitik kommen. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Eine weitere Kurzintervention des Kollegen Rauber.

Helmut Rauber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002755, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege Nachtwei, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben von allen Rednern der Koalition nicht einen einzigen Satz zur Lebenssituation derer gehört, die als Zivilbedienstete der Bundeswehr seit Jahren ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. ({0}) Sie, Herr Minister, haben sehr viel von Kooperation und Privatisierung gesprochen, aber nicht ein einziges Wort zu den Sorgen und Nöten gesagt, ({1}) die die Menschen haben - zu unserer Zeit waren es immerhin 143 000 -, die als Zivilbedienstete bei der Bundeswehr arbeiten bzw. gearbeitet haben. ({2}) Es gibt niemanden im Hause, der sich gegen eine sinnvolle Privatisierung ausspricht, ({3}) wenn sie verteidigungspolitisch vertretbar und finanzpolitisch geboten ist. Das heißt, es geht nicht um Dumpingpreise, sondern darum, dass langfristig Kosten gesenkt werden. ({4}) Wir haben unter Volker Rühe das Instrument des Leistungsvergleichs der Bundeswehr mit der Wirtschaft eingeführt. Wir erwarten, dass nach diesem Market-TestingVerfahren weiter so verfahren wird, dass diejenigen, die sich am Markt durchsetzen, auch die Chance auf Zukunftssicherung haben. Von daher gesehen geht es nicht um ein Entweder-oder - auf der einen Seite die Industrie und auf der anderen Seite die Bundeswehreinrichtungen -, sondern vor dem Hintergrund der vorhandenen Nachfrage geht es um ein Sowohl-als-auch. Sie, Herr Minister Scharping, ziehen durch die Lande und erklären: Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Unterhalten Sie sich mit den Personalräten, die in extremer Sorge sind. Diese erklären mir nicht nur in Einzelfällen: Wenn nicht durch einen Tarifvertrag oder durch gesetzliche Absicherungen etwas geschieht, dann wird der Einzelne, wenn es zur Privatisierung kommt, gerade ein Jahr Anspruch auf einen sicheren Arbeitsplatz haben. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie zu diesen Sorgen und Nöten Stellung nehmen. Dies ist leider nicht geschehen. ({5})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Jetzt hat als letzter Redner in der Debatte der Kollege Rossmanith das Wort.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass die Debatte über den Einzelplan des Verteidigungsministeriums eine so große Resonanz findet und das Plenum fast bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Ich sehe, dass das Interesse für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik in unserem Land noch gegeben ist. Wir haben nicht nur ein Tableau über einen Haushalt vorgelegt bekommen, der genauso verschleiert ist wie das, was der Bundesminister der Verteidigung in den letzten Monaten von sich gegeben hat. Vielmehr ist er ein Spiegelbild, das zeigt, dass ihm gar nichts an einem konstruktiven Dialog und an Information des Parlaments und der Bürgerinnen und Bürgern vor Ort liegt. Sie haben uns im Verteidigungsausschuss die so genannte Grobausplanung, die für mich nur eine grobe Ausplanung für die Bundeswehr bedeutet hat, vorgelegt. Wir haben mehrere Stunden lang im Ausschuss diskutiert. Wir haben keinerlei Unterlagen erhalten. Die Journalisten haben diese Unterlagen jedoch anschließend erhalten und wir mussten bei ihnen nachfragen, ob wir denn die Informationen auch bekommen, um wenigstens auf dem Stand der Journalisten zu sein. Das ist die derzeitige Informationspolitik des Bundesministers der Verteidigung. Nicht einmal die beiden Ausschüsse, der Haushaltsausschuss und der Verteidigungsausschuss, die ja Ihr unmittelbarer Dialogpartner sind, erhalten von Ihnen Informationen. Vielmehr werden von Ihrer Seite aus Nebelkerzen geworfen. Es gibt Ankündigungen, aber konkret erfolgt nichts. ({0}) - Nein. Wir reden heute über den Haushalt 2001 ({1}) und in manchen Bereichen, zum Beispiel, was die Verpflichtungsermächtigung anbelangt, auch über die Jahre darüber hinaus. Was haben wir erfahren? Gar nichts. ({2}) Selbst im wichtigen Rüstungsbereich herrscht ein Planungschaos, das Sie, Herr Minister, zu verantworten haben. ({3}) Sie, Herr Bundesminister Scharping, hatten angekündigt: Mitte August soll die Planung vorliegen. Dann haben Sie gesagt: Das Konzept kommt im November. Nun musste der Vorsitzende des neu geschaffenen Rüstungsrates, der Generalinspekteur, vor wenigen Tagen einräumen, dass die Rüstungsplanung frühestens im Frühjahr des nächsten Jahres vorliegen wird. Wir haben doch eine Verantwortung für unsere Sicherheit und die Verteidigungsbereitschaft unseres Landes; nicht nur was die rein militärische und die unterstützende zivile Seite anbelangt. Wir haben auch eine Verantwortung für die Industrie. Wir müssen dafür sorgen, dass die Strukturen der wehrtechnischen Industrie erhalten bleiben. ({4}) Hier darf nicht ein Abbruch nach dem anderen erfolgen. ({5}) Wenn die Zeit gegeben wäre, könnte ich eine Vielzahl von Beispielen nennen, bei denen noch nichts entschieden ist, ({6}) bei denen wir keine Vorlage haben. ({7}) - Sie können noch so viel schreien. Kollege Kahrs, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie einmal zu Ihrem Minister gehen und ihm sagen würden: ({8}) Lieber Kollege Scharping, ich möchte jetzt einmal eine Vorlage haben. ({9}) Wie sieht es denn in dem einen oder anderen Bereich aus, zum Beispiel mit der Munition, der Aufklärung oder den Flugzeugen? In diesen Bereichen passiert überhaupt nichts. Bringen Sie doch Ihre Energie da ein. Schonen Sie jetzt Ihre Stimme. Es schadet nur Ihren Stimmbändern, wenn Sie jetzt hier so schreien. Klären Sie das direkt mit Ihrem Kollegen Scharping. Er soll Sie entsprechend informieren. ({10}) Ich zumindest bin draußen bei der Truppe. Ich weiß, worum es geht. Nur, von der Hardthöhe höre ich in vielen Bereichen nichts. Das Gleiche gilt auch für die so genannte Verstärkung des Materialkapitals, die Effizienzgewinne oder die Veräußerungserlöse. Da handelt es sich doch nicht einmal mehr um Luftnummern; Sie sprechen doch von reiner Magie. ({11}) Herr Bundesminister Scharping, ich unterstelle Ihnen zumindest, dass Sie selbst nicht glauben, was Sie hier verkünden. ({12}) Wahrscheinlich sagen Sie sich: Ich sage das nur, damit ich wieder ein paar Tage Zeit gewinne. Mein Freund, der Heidelberger Kollege Dr. Karl A. Lamers, hat mir gesagt, dass das Gespräch in der letzten Woche mit unseren europäischen Partnern, was METEOR anbelangt, sehr erfolgreich war. Ich hoffe, dass dem auch so ist. Denn der Eurofighter, liebe Frau Kollegin Beer, ist ja kein Spielzeug, das einfach für Spazierflüge genutzt werden sollte. ({13}) Damit ist vielmehr ein sicherheitspolitischer Auftrag verbunden. Insofern benötige ich natürlich auch die entsprechenden Mittel für dieses Fluggerät. ({14}) Frau Kollegin Beer, es freut mich natürlich, dass Sie plötzlich zu einer glühenden Verfechterin des Eurofighters geworden sind. Ich nehme das dankbar zur Kenntnis. ({15})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Rossmanith, denken Sie bitte daran, dass Sie zum Schluss kommen müssen.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe nur fünf Minuten gesprochen, Frau Präsidentin.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir haben die Redezeit sehr sorgfältig abgecheckt.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mir waren zehn Minuten zugesagt worden.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Ihre Kollegen haben aber die anderen fünf Minuten verbraucht.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt sollen mir plötzlich nur noch fünf Minuten zustehen. Das kann nicht sein. ({0}) Unsere Fraktion hat in dieser Debatte am wenigsten gesprochen.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Rossmanith, ich bitte Sie jetzt ernsthaft, zum Schluss zu kommen.

Kurt J. Rossmanith (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001887, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

So kann es schlicht und einfach nicht gehen. Vertreter der Regierungsfraktionen haben gesprochen und die Opposition soll mundtot gemacht werden. So geht es nicht! ({0}) - Frau Präsidentin, ich füge mich. ({1}) Wer so oft wie ich im Bierzelt gesprochen hat, kann das auch ohne Mikrofon. ({2}) Auf jeden Fall: Wir können diesem Haushalt nicht zustimmen. ({3})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Sie haben gemerkt, dass ich die Aussprache geschlossen habe. ({0}) Zwei Abgeordnete, nämlich die Kolleginnen Annelie Buntenbach und Monika Knoche, haben schriftliche Er- klärungen zur Abstimmung über den gesamten Einzelplan abgegeben, die wir zu Protokoll nehmen.1) Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über die Änderungsanträge. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4787: Wer stimmt dafür? - Wer stimmt da- gegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt wor- den. Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa- che 14/4711: Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Ent- haltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der F.D.P., die zu- gestimmt hat, abgelehnt worden. Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa- che 14/4717. Die Fraktion der PDS verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schrift- führer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.2) - Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Der Kollege, der eben die falsche Karte hatte: alles klar? - Dann schließe ich hier- mit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Er- gebnis wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir fahren fort mit der Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa- che 14/4719. Auch hier verlangt die Fraktion der PDS na- mentliche Abstimmung. Im Zusammenhang mit diesem Einzelplan ist dies die zweite namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Urnen be- setzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.3) Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte in dieser zweiten namentlichen Abstimmung noch nicht abgegeben hat? - Das ist offenbar der Fall. Dann warte ich noch einen Moment, bevor ich die Abstimmung schließe. Ich frage noch einmal: Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich jetzt die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Ich werde nun über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS, Drucksache 14/4718, abstimmen lassen. Es handelt sich um eine einfache Abstimmung. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist, soweit ich das sehen konnte, mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der PDS abgelehnt worden. Ich unterbreche die Sitzung, bis die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung vorliegen. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Erfreuliche Mitteilung: Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/4717 bekannt. Abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben gestimmt 30. Mit Nein haben gestimmt 557. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 30 nein: 556 Ja PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({5}) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler 1) Anlagen 2 und 3 2) Ergebnis Seite 13293 D 3) Ergebnis Seite 13296 A Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({6}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({7}) Lilo Friedrich ({8}) Harald Friese Anke Fuchs ({9}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({10}) Angelika Graf ({11}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({12}) Hans-Joachim Hacker Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({13}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({14}) Walter Hoffmann ({15}) Iris Hoffmann ({16}) Frank Hofmann ({17}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({18}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({19}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({20}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({21}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({22}) Jutta Müller ({23}) Christian Müller ({24}) Franz Müntefering Andrea Nahles Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({25}) Birgit Roth ({26}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({27}) Ulla Schmidt ({28}) Silvia Schmidt ({29}) Dagmar Schmidt ({30}) Wilhelm Schmidt ({31}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({32}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({33}) Brigitte Schulte ({34}) Reinhard Schultz ({35}) Volkmar Schultz ({36}) Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({37}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({38}) Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({39}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({40}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({41}) Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({42}) Helmut Wieczorek ({43}) Dieter Wiefelspütz Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({44}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({45}) Waltraud Wolff ({46}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({47}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner ({48}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({49}) Peter H. Carstensen ({50}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({51}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ingrid Fischbach Dr. Gerhard Friedrich ({52}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({53}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({54}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({55}) Hansgeorg Hauser ({56}) Helmut Heiderich Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers ({57}) Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({58}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({59}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({60}) Dr. Martin Mayer ({61}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Bernward Müller ({62}) Elmar Müller ({63}) Bernd Neumann ({64}) Claudia Nolte Franz Obermeier Eduard Oswald Norbert Otto ({65}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({66}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Adolf Roth ({67}) Volker Rühe Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({68}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({69}) Andreas Schmidt ({70}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Gerhard Schulz Clemens Schwalbe Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Matthäus Strebl Thomas Strobl ({71}) Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({72}) Gerald Weiß ({73}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({74}) Hans-Otto Wilhelm ({75}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann ({76}) Marieluise Beck ({77}) Volker Beck ({78}) Matthias Berninger Grietje Bettin Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({79}) Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Ulrike Höfken Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({80}) Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({81}) Werner Schulz ({82}) Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({83}) Margareta Wolf ({84}) F.D.P. Ina Albowitz Hildebrecht Braun ({85}) Ernst Burgbacher Ulrike Flach Horst Friedrich ({86}) Rainer Funke Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({87}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({88}) Dr. Günter Rexrodt Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle Nun das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache 14/4719. Abgegebene Stimmen 583. Mit Ja haben gestimmt 31. Mit Nein haben gestimmt 552. Auch dieser Änderungsantrag ist damit abgelehnt. Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 582; davon ja: 30 nein: 552 Ja PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf Nein SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Eckhardt Barthel ({89}) Klaus Barthel ({90}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({91}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({92}) Bernhard Brinkmann ({93}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({94}) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Dieter Dzewas Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({95}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({96}) Lilo Friedrich ({97}) Harald Friese Anke Fuchs ({98}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Konrad Gilges Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({99}) Angelika Graf ({100}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({101}) Hans-Joachim Hacker Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({102}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({103}) Walter Hoffmann ({104}) Iris Hoffmann ({105}) Frank Hofmann ({106}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({107}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({108}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({109}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({110}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({111}) Jutta Müller ({112}) Christian Müller ({113}) Franz Müntefering Andrea Nahles Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({114}) Birgit Roth ({115}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({116}) Ulla Schmidt ({117}) Silvia Schmidt ({118}) Dagmar Schmidt ({119}) Wilhelm Schmidt ({120}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({121}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({122}) Brigitte Schulte ({123}) Reinhard Schultz ({124}) Volkmar Schultz ({125}) Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({126}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({127}) Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({128}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({129}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({130}) Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({131}) Helmut Wieczorek ({132}) Dieter Wiefelspütz Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({133}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({134}) Waltraud Wolff ({135}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({136}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner ({137}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({138}) Peter H. Carstensen ({139}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({140}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ingrid Fischbach Dr. Gerhard Friedrich ({141}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({142}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({143}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({144}) Hansgeorg Hauser ({145}) Helmut Heiderich Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Norbert Königshofen Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers ({146}) Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({147}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({148}) Dr. Martin Mayer ({149}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({150}) Elmar Müller ({151}) Bernd Neumann ({152}) Claudia Nolte Franz Obermeier Eduard Oswald Norbert Otto ({153}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({154}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Adolf Roth ({155}) Volker Rühe Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({156}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({157}) Andreas Schmidt ({158}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Gerhard Schulz Clemens Schwalbe Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Matthäus Strebl Thomas Strobl ({159}) Edeltraut Töpfer Wir kommen nun zum Einzelplan 14 in der Ausschuss- fassung. Ich will Ihnen noch einmal mitteilen: Es geht um die Abstimmung über diesen gesamten Einzelplan. Die Fraktion der PDS verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorge- sehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Urnen besetzt? - Das scheint der Fall zu sein. Ich eröffne damit die Abstimmung.1) Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist jetzt die dritte namentliche Abstimmung im Zusammenhang mit dem Einzelplan 14. Haben alle abgestimmt? - Das scheint der Fall zu sein. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe jetzt auf: III. 18 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie - Drucksache 14/4509, 14/4521 Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Hampel Antje Hermenau Dr. Christa Luft Zum Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU und ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor. Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Ich weise darauf hin, dass heute keine namentlichen Abstimmungen mehr stattfinden werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dankward Buwitt.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr haben wir an der gleichen Stelle über die Insolvenz der Firma Holzmann gesprochen. Der Kanzler hatte am Abend zuvor medienwirksam Hilfe zugesagt und Darlehen vom Bund versprochen. Wir haben uns damals natürlich mit den Mitarbeitern gefreut. Aber wir haben gleichzeitig die Frage gestellt: Was ist eigentlich mit den anderen 20 000 Firmen, die ebenfalls in wirtschaftlichen und finanziellen Problemen sind? ({0}) Heute fragen sich nicht nur die Arbeitnehmer von Holzmann und die Mitarbeiter der mehr als 20 000 anderen Firmen, die in finanziellen Schwierigkeiten waren und sind, sondern auch wir, was aus den medienwirksam versprochenen Hilfen des Bundeskanzlers denn geworden ist. ({1}) Außer einer Tarifregelung, die am bestehenden Gesetz eigentlich vorbeigeht, war es wohl wieder einmal ein Versprechen, das nicht eingelöst worden ist. ({2}) Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer Dr. Hans-Peter Uhl Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({3}) Gerald Weiß ({4}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({5}) Hans-Otto Wilhelm ({6}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann ({7}) Marieluise Beck ({8}) Volker Beck ({9}) Matthias Berninger Grietje Bettin Annelie Buntenbach Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({10}) Joseph Fischer ({11}) Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Ulrike Höfken Monika Knoche Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Kerstin Müller ({12}) Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({13}) Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({14}) Werner Schulz ({15}) Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Sylvia Voß Helmut Wilhelm ({16}) Margareta Wolf ({17}) F.D.P. Ina Albowitz Hildebrecht Braun ({18}) Ernst Burgbacher Ulrike Flach Horst Friedrich ({19}) Rainer Funke Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({20}) Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Birgit Homburger Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({21}) Dr. Günter Rexrodt Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle 1) Ergebnis Seite 13301 C Vor zwei Jahren, ebenfalls im November, hat

Not found (Kanzler:in)

Wir sehen eine starke wettbewerbsfähige Wirtschaft als Grundlage für die Arbeitsplätze. ... Im Mittelpunkt unserer Wirtschaftspolitik steht die Entlastung der Beschäftigten und der kleinen und mittelständischen Unternehmer. ... Wir eröffnen den Menschen die Perspektive zur Selbstständigkeit. Wer eine Existenz gründen will, dem werden wir nach Kräften helfen. ... Wir wollen uns jederzeit - nicht erst in vier Jahren - daran messen lassen, in welchem Maße wir zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen. Dies waren unter anderem die Versprechungen des Bundeskanzlers bei seiner Regierungsübernahme und selbstverständlich vorher im Wahlkampf. Lassen Sie uns jetzt bei der Beratung des Geschäftsbereichs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie einmal genauer hinsehen. Lassen Sie uns messen, was die Bundesregierung für die Schaffung von Arbeitsplätzen in den letzten zwei Jahren getan hat. ({0}) Als zentrale Aussage fallen mir zunächst die Worte des Bundeskanzlers zur Lage des Euro ein: „Ein schwacher Euro ist gut für die deutsche Wirtschaft.“ Kann es denn richtig sein, dass ein deutscher Bundeskanzler auf eine schwache Währung statt auf eine starke, aus sich selbst heraus wettbewerbsfähige Wirtschaft setzt? Nein, richtig kann das sicher nicht sein; aber es ist wohl eine Tatsache. Medienwirksame Auftritte, Lippenbekenntnisse und Versprechungen, die nicht eingehalten werden - in der deutschen Wirtschaft wächst zunehmend der Unmut über die riesige Lücke, die zwischen Reden und Handeln gerade bei der Förderung des Mittelstandes klafft. ({1}) Die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind Rückgrat und Lokomotive unserer Wirtschaft. Sie tätigen fast die Hälfte aller Investitionen. Vier von fünf Arbeitnehmern finden hier ihren Arbeitsplatz. 80 Prozent der Auszubildenden und Lehrlinge werden von Handwerk und Mittelstand ausgebildet. ({2}) Doch von der „größten Steuerreform aller Zeiten“ profitieren in erster Linie, wenn überhaupt, die großen Kapitalgesellschaften. ({3}) Das Hin und Her bei den 630-Mark-Jobs hat vielen das Vertrauen in die Politik und den kleinen und mittleren Unternehmen die notwendige Flexibilität beim Personaleinsatz genommen. Die Diskussion über die Scheinselbstständigkeit hat die unternehmerisch denkenden und zum Handeln bereiten Menschen diskreditiert. Das so genannte Scheinselbstständigkeitsgesetz mit immer neuen Korrekturen hat eine einzigartige Bürokratie geschaffen, die viele Menschen den Arbeitsplatz gekostet hat. Die Neuregelungen beim Kündigungsschutz lassen kleine Unternehmen noch stärker zögern, neue Mitarbeiter überhaupt einzustellen. Sie, Herr Minister Müller, haben verkündet, dass Sie die Wirtschaft zur Frauenförderung zwingen werden. ({4}) Dies belastet die Wirtschaft ebenso wie das Recht auf Teilzeitarbeit. Sie setzen auf staatlichen Dirigismus anstatt auf Flexibilität und gezielte Unterstützung. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, hatten versprochen, gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu entlasten. ({5}) Dass das dringend notwendig ist, sehen wir an der Zahl der Insolvenzen in diesem Bereich. Wenn dann einmal ein vernünftiger wirtschaftspolitischer Vorschlag aus Ihren Reihen gemacht wird - Herr Schlauch ist leider nicht anwesend -, dann wird er unter Druck sofort zurückgezogen. Ich würde mir das an seiner Stelle nicht bieten lassen. ({6}) Durch den gesamten Einzelplan zieht sich wie ein roter Faden eine Kürzung oder nicht sachgerechte Ausstattung der Titel, was Ihren Pseudoanspruch Lügen straft, dass nur eine starke Wirtschaft Arbeitsplätze schafft. Entweder hat sich also nach Ihrem wirtschaftspolitischen Desaster der 70er-Jahre die richtige Erkenntnis durchgesetzt, dass nur eine starke Wirtschaftspolitik auch eine gute Sozialpolitik mit sich bringen kann - dann allerdings handeln Sie sträflich gegen besseres Wissen -, oder aber Sie bauen immer noch auf die alte Maxime der staatlichen Nachfragepolitik als Heilerin aller Wunden. Schon bei der Beratung Ihres ersten Haushalts, Herr Minister Müller, habe ich im Frühjahr 1999 die Befürchtung geäußert, dass Sie eher ein Energie- als ein Wirtschaftsminister sein werden. Dies hat sich leider in eklatanter Weise bewahrheitet. Der gesamte Haushalt Ihres Bereiches zeichnet sich durch eine evidente Kopflastigkeit zugunsten erneuerbarer Energien aus. Die wirtschaftspolitische Grundsatzabteilung haben Sie sich vom ehemaligen Finanzminister Lafontaine abnehmen lassen und dann auch von Minister Eichel nicht zurückbekommen. Sie selbst empfinden sich augenscheinlich auch gar nicht als Wirtschaftsminister. Wie sonst könnte man es erklären, dass bei der Beratung des Jahreswirtschaftsberichtes nicht nur die Vorlage vom Finanzminister eingebracht worden ist, sondern der Wirtschaftsminister noch nicht einmal der Beratung beigewohnt, geschweige denn zu diesem Bericht vor dem deutschen Parlament Stellung bezogen hat? Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, haben im Bundestagswahlkampf den Mittelstand und auch die politische Mitte mit großen Versprechungen geködert. ({7}) Diese neue Mitte fühlt sich nun zu Recht „verschrödert“. Weder für das Meister-BAföG noch für Beratung, Information und Schulung, noch für Berufsausbildungsstätten und die gerade für die mittelständische Industrie wichtige Auslandsmesseförderung stellen Sie Mittel in ausreichender Größenordnung bereit. Das Aktionsprogramm „Mittelstand“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie hebt die Förderung der Berufsbildungsstätten hervor. Die Weiterentwicklung der Berufsbildungsstätten im Handwerk zu notwendigen Kompetenzzentren ist von der Bundesregierung immer wieder als Förderschwerpunkt betont worden. Sie ist mit einem hohen konzeptionellen und investiven Aufwand verbunden. Die geplante Kürzung um 20 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr widerspricht eklatant diesen Notwendigkeiten. Um auch künftig Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie den Technologietransfer im Handwerk vor allem in den westlichen Ländern auf dem aktuellen Stand der Entwicklung durchführen zu können, ist die Anhebung des Haushalts mindestens auf den Ansatz dieses Jahres dringend geboten. ({8}) Die Förderung von Informations- und Schulungsveranstaltungen sowie der Unternehmerschulung soll zum 31. Dezember dieses Jahres auslaufen. Diese Streichung konterkariert die Bemühungen um die Ausbildung einer modernen Unternehmerschaft, die Bereitschaft zu Existenzgründungen und Generationenwechseln sowie den Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft. Ihre Aussage lautete: Wir eröffnen den Menschen Perspektiven für den Weg in die Selbstständigkeit und werden denjenigen, die diesen Schritt wagen, nach Kräften helfen. Wenn sich Existenzgründer auf diese Zusage verlassen, dann sind sie verraten und verkauft. Wir wissen, dass Existenzgründer einen erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit leisten. Durchschnittlich werden im Rahmen jeder erfolgreichen Existenzgründung sechs neue Arbeitsplätze geschaffen. Es melden jedoch bis zu zwei Drittel der Gründer innerhalb der ersten fünf Jahre Konkurs an. Auch hier zeigt die Bundesregierung kein Engagement, um bessere Rahmenbedingungen für diese Existenzgründer zu schaffen. Weder die Bundesregierung noch die Koalitionsfraktionen waren bereit, die Auslandsmesseförderung so auszugestalten, dass die Konsugerma im Jahre 2002 in Japan finanziert werden kann. Es droht eine Absage der Messe oder aber, durch Ihre unverantwortliche Haltung erzwungen, die Finanzierung der Messe durch die vielen kleinen Unternehmen, die sich an ihr beteiligen wollen. Eine Teilnahme an der Messe ist insbesondere für den Mittelstand wichtig. Es ist vor dem Hintergrund der Globalisierung der Märkte notwendig, dass deutsche Produkte vorgestellt und präsentiert werden, um die Käufer im Ausland von der Qualität und dem Know-how zu überzeugen. Sie aber - ich hätte das beinahe vergessen - setzen lieber auf einen schwachen Euro. Meine Damen und Herren, auch nach Abschluss der Beratungen im Haushaltsausschuss gibt es im Einzelplan 09 eine globale Minderausgabe in Höhe von 90 Millionen DM. Sie wollen 90 Millionen DM einsparen, zeigen aber nicht auf, bei welchen Titeln Sie sie einsparen wollen. Damit enthalten Sie der Öffentlichkeit und uns vor, wie Sie diese Einsparung erbringen wollen. Auch im letzten Jahr arbeiteten Sie mit solchen Haushaltstricks statt mit klaren und verlässlichen Vorgaben. Sie verschieben die Belastungen auf später in der Hoffnung, dass es dann keiner mehr merkt. Sie haben die Titelgruppen 02 und 03 - dabei handelt es sich um die Förderung innovativer Energien - von der Erbringung der globalen Minderausgabe ausgenommen. Schon im letzten Jahr haben Sie 250 Millionen DM Minderausgaben aus Steinkohle-Titeln gedeckt, die Sie im Januar dieses Jahres zurückzahlen wollten, die Sie aber bis zum Ende dieses Jahres immer noch nicht erwirtschaftet haben. Auch in diesem Haushalt wiederholen Sie diesen Trick. Wieder erfüllen Sie nicht Ihre Verpflichtungen, sondern verschieben sie wie schon im Jahre 2000 jetzt auch im Jahre 2001 auf den Sankt-Nimmerleins-Tag. Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Frage an den Bundeskanzler richten: Bezüglich der Übernahme des Defizits der EXPO gibt es zwei Aussagen. Herr Gabriel sagt, es gebe eine Vereinbarung mit Herrn Schröder, dass Niedersachsen ein Drittel und der Bund zwei Drittel trage. Herr Schröder sagt: Vertrag ist Vertrag - die eine Hälfte zahlt Niedersachsen, die andere Hälfte der Bund. Nur einer kann ja die Wahrheit sagen. Nach Abzug der rechtlichen Verpflichtungen bleibt für notwendige Einsparungen im laufenden Haushalt des Wirtschaftsministeriums nur der Bereich der Forschungsund Mittelstandsförderung, der für die Erbringung der globalen Minderausgabe in Höhe von 90 Millionen DM noch zur Verfügung steht. Hier wird nicht nur mangelnde Planungssicherheit für alle Fördermittelempfänger in Kauf genommen, sondern sogar eine noch größere Belastung. Es ist schon nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre abzusehen, welche Folgen das haben wird.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Buwitt, denken Sie bitte an die Zeit.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Warum sagen Sie den Menschen nicht, dass Ihnen eine starke Wirtschaft als Garant der Arbeitsplätze nicht mehr viel wert ist? Aber Sie brauchen sich keine Sorge zu machen, die Menschen werden dieses schon von alleine merken. ({0}) - Die Frage habe ich gestellt, bloß Sie haben sie wahrscheinlich nicht verstanden. Geradezu dramatisch ist die Situation in Ostdeutschland. Hier ist die Zahl der Erwerbstätigen 1999 um fast 50 000 zurückgegangen. Im Jahre 2000 werden noch einmal 75 000 Arbeitsplätze verloren gehen. Bei den 18- bis 25-Jährigen haben wir eine Arbeitslosenquote von 20 Prozent zu verzeichnen. Der Kanzler hat zwar den Aufbau Ost zur Chefsache erklärt und in der Sommerpause meDankward Buwitt dienwirksame Inszenierungen in den neuen Bundesländern vorgenommen. Aber auch in diesem Jahr kürzen Sie die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Ost um sage und schreibe 300 Millionen DM. Eine starke Wirtschaft ist der Garant für Arbeitsplätze; das stimmt. Aber mit Ihrer strikten Kürzung der Mittel für die Förderung der Wirtschaftsstruktur Ost nehmen Sie billigend in Kauf, dass sich die Rahmenbedingungen für die Schaffung von mehr Arbeitsplätzen in der Wirtschaft verschlechtern. Ob alte oder neue Bundesländer: Sie von der Koalition haben dazu aufgefordert, dass man Sie jederzeit daran misst, was Sie für mehr Arbeitsplätze tun. Es ist traurig für Deutschland und seine Menschen, wie niedrig Sie dabei die Messlatte gelegt haben. ({1})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Buwitt, Sie liegen schon erheblich über Ihrer Redezeit. Ich muss Ihnen sagen, dass dies Ihren Kollegen abgezogen wird.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich sage zum Schluss: Die steuerliche und wirtschaftliche Weichenstellung ist nicht dazu angetan, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dafür werden wir uns aber in Zukunft stark machen. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Wir kehren kurz zum Einzelplan 14 zurück. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den gesamten Einzelplan 14 bekannt: Abgegebene Stimmen 589. Mit Ja haben gestimmt 320. Mit Nein haben gestimmt 269. Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen worden. Als nächster Redner in der Debatte über den Einzelplan 09 hat nun der Abgeordnete Manfred Hampel das Wort. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 585; davon ja: 318 nein: 267 Ja SPD Brigitte Adler Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr Doris Barnett Dr. Hans Peter Bartels Eckhardt Barthel ({0}) Klaus Barthel ({1}) Ingrid Becker-Inglau Wolfgang Behrendt Dr. Axel Berg Hans-Werner Bertl Friedhelm Julius Beucher Petra Bierwirth Rudolf Bindig Lothar Binding ({2}) Kurt Bodewig Klaus Brandner Anni Brandt-Elsweier Willi Brase Dr. Eberhard Brecht Rainer Brinkmann ({3}) Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Hans Büttner ({5}) Wolf-Michael Catenhusen Dr. Peter Danckert Christel Deichmann Karl Diller Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Dieter Dzewas Sebastian Edathy Ludwig Eich Marga Elser Peter Enders Gernot Erler Petra Ernstberger Annette Faße Lothar Fischer ({6}) Gabriele Fograscher Iris Follak Norbert Formanski Rainer Fornahl Hans Forster Dagmar Freitag Peter Friedrich ({7}) Lilo Friedrich ({8}) Harald Friese Anke Fuchs ({9}) Arne Fuhrmann Monika Ganseforth Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Günter Graf ({10}) Angelika Graf ({11}) Dieter Grasedieck Kerstin Griese Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl-Hermann Haack ({12}) Hans-Joachim Hacker Manfred Hampel Christel Hanewinckel Alfred Hartenbach Anke Hartnagel Klaus Hasenfratz Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Frank Hempel Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Monika Heubaum Reinhold Hiller ({13}) Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({14}) Walter Hoffmann ({15}) Iris Hoffmann ({16}) Frank Hofmann ({17}) Ingrid Holzhüter Eike Hovermann Christel Humme Lothar Ibrügger Barbara Imhof Brunhilde Irber Gabriele Iwersen Renate Jäger Jann-Peter Janssen Ilse Janz Dr. Uwe Jens Volker Jung ({18}) Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Marianne Klappert Siegrun Klemmer Hans-Ulrich Klose Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Horst Kubatschka Ernst Küchler Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Konrad Kunick Dr. Uwe Küster Werner Labsch Christine Lambrecht Brigitte Lange Christian Lange ({19}) Christine Lehder Robert Leidinger Klaus Lennartz Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Götz-Peter Lohmann ({20}) Christa Lörcher Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Dieter Maaß ({21}) Winfried Mante Dirk Manzewski Tobias Marhold Ulrike Mascher Christoph Matschie Heide Mattischeck Markus Meckel Ulrike Mehl Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Christoph Moosbauer Siegmar Mosdorf Michael Müller ({22}) Jutta Müller ({23}) Christian Müller ({24}) Franz Müntefering Andrea Nahles Dr. Edith Niehuis Dr. Rolf Niese Dietmar Nietan Günter Oesinghaus Eckhard Ohl Leyla Onur Manfred Opel Holger Ortel Adolf Ostertag Kurt Palis Albrecht Papenroth Dr. Martin Pfaff Georg Pfannenstein Johannes Pflug Dr. Eckhart Pick Joachim Poß Karin Rehbock-Zureich Dr. Carola Reimann Margot von Renesse Bernd Reuter Dr. Edelbert Richter Reinhold Robbe Gudrun Roos René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Michael Roth ({25}) Birgit Roth ({26}) Gerhard Rübenkönig Marlene Rupprecht Thomas Sauer Dr. Hansjörg Schäfer Bernd Scheelen Siegfried Scheffler Horst Schild Otto Schily Dieter Schloten Horst Schmidbauer ({27}) Ulla Schmidt ({28}) Silvia Schmidt ({29}) Dagmar Schmidt ({30}) Wilhelm Schmidt ({31}) Regina Schmidt-Zadel Heinz Schmitt ({32}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Ottmar Schreiner Gisela Schröter Dr. Mathias Schubert Richard Schuhmann ({33}) Brigitte Schulte ({34}) Reinhard Schultz ({35}) Volkmar Schultz ({36}) Ewald Schurer Dr. R. Werner Schuster Dietmar Schütz ({37}) Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Bodo Seidenthal Erika Simm Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wieland Sorge Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Antje-Marie Steen Rolf Stöckel Rita Streb-Hesse Reinhold Strobl ({38}) Joachim Stünker Joachim Tappe Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Franz Thönnes Adelheid Tröscher Hans-Eberhard Urbaniak Rüdiger Veit Simone Violka Ute Vogt ({39}) Hans Georg Wagner Hedi Wegener Dr. Konstanze Wegner Wolfgang Weiermann Reinhard Weis ({40}) Matthias Weisheit Gunter Weißgerber Jochen Welt Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Dr. Norbert Wieczorek Jürgen Wieczorek ({41}) Helmut Wieczorek ({42}) Dieter Wiefelspütz Klaus Wiesehügel Brigitte Wimmer ({43}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Hanna Wolf ({44}) Waltraud Wolff ({45}) Heidemarie Wright Uta Zapf Dr. Christoph Zöpel Peter Zumkley BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gila Altmann ({46}) Marieluise Beck ({47}) Volker Beck ({48}) Matthias Berninger Grietje Bettin Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Franziska Eichstädt-Bohlig Hans-Josef Fell Andrea Fischer ({49}) Joseph Fischer ({50}) Katrin Göring-Eckardt Winfried Hermann Ulrike Höfken Dr. Angelika Köster-Loßack Steffi Lemke Dr. Helmut Lippelt Dr. Reinhard Loske Oswald Metzger Kerstin Müller ({51}) Christa Nickels Cem Özdemir Simone Probst Claudia Roth ({52}) Christine Scheel Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({53}) Werner Schulz ({54}) Christian Sterzing Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Helmut Wilhelm ({55}) Margareta Wolf ({56}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Brigitte Baumeister Meinrad Belle Dr. Sabine Bergmann-Pohl Otto Bernhardt Hans-Dirk Bierling Renate Blank Dr. Heribert Blens Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({57}) Wolfgang Bosbach Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brudlewsky Georg Brunnhuber Hartmut Büttner ({58}) Cajus Caesar Manfred Carstens ({59}) Peter H. Carstensen ({60}) Leo Dautzenberg Wolfgang Dehnel Hubert Deittert Albert Deß Renate Diemers Hansjürgen Doss Marie-Luise Dött Maria Eichhorn Rainer Eppelmann Anke Eymer ({61}) Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Ingrid Fischbach Dr. Gerhard Friedrich ({62}) Dr. Hans-Peter Friedrich ({63}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Hans-Joachim Fuchtel Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Dr. Heiner Geißler Georg Girisch Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Hermann Gröhe Manfred Grund Horst Günther ({64}) Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein Gottfried Haschke ({65}) Hansgeorg Hauser ({66}) Helmut Heiderich Manfred Heise Siegfried Helias Hans Jochen Henke Peter Hintze Klaus Hofbauer Martin Hohmann Josef Hollerith Dr. Karl-Heinz Hornhues Siegfried Hornung Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Georg Janovsky Dr.-Ing. Rainer Jork Dr. Harald Kahl Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Dr.-Ing. Dietmar Kansy Irmgard Karwatzki Eckart von Klaeden Ulrich Klinkert Norbert Königshofen

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Rede des Kollegen Buwitt hatte ich den Eindruck, dass er nicht immer anwesend war, als wir die Haushaltsberatungen durchgeführt haben. ({0}) Sonst hätte er sicher das eine oder andere, was er dargestellt hat, besser wissen müssen. ({1}) Der Haushalt des Jahres 2001 ist ein Sparhaushalt und ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einem Haushalt ohne Nettoneuverschuldung im Jahre 2006. Dass gewisse Abstriche notwendig und erforderlich sind, steht außer Frage. Wir haben in den Beratungen über den Haushalt die Nettokreditaufnahme nochmals um 2,4 Milliarden auf 43,7 Milliarden DM gesenkt. Das ist ein positives Ergebnis dieser Haushaltsberatungen gewesen. ({2}) Es war nicht einfach, dieses Ergebnis zu erzielen, weil meistens nach dem Sankt-Florians-Prinzip gespart werden soll: Sparen ja, aber bitte nicht bei mir. Ich sage das gar nicht vorwurfsvoll; denn auch ich bin von solchen Anflügen nicht völlig frei. Auch ich möchte das eine oder andere gern einbauen. Sie von der Opposition haben heute Eva-Maria Kors Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Rudolf Kraus Dr. Martina Krogmann Dr. Paul Krüger Dr. Hermann Kues Dr. Karl A. Lamers ({3}) Helmut Lamp Dr. Paul Laufs Karl-Josef Laumann Vera Lengsfeld Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({4}) Eduard Lintner Dr. Manfred Lischewski Wolfgang Lohmann ({5}) Julius Louven Dr. Michael Luther Erwin Marschewski ({6}) Dr. Martin Mayer ({7}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Hans Michelbach Meinolf Michels Dr. Gerd Müller Bernward Müller ({8}) Elmar Müller ({9}) Bernd Neumann ({10}) Claudia Nolte Franz Obermeier Eduard Oswald Norbert Otto ({11}) Dr. Peter Paziorek Anton Pfeifer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Marlies Pretzlaff Dr. Bernd Protzner Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Christa Reichard ({12}) Erika Reinhardt Hans-Peter Repnik Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Heinrich-Wilhelm Ronsöhr Dr. Klaus Rose Adolf Roth ({13}) Volker Rühe Anita Schäfer Dr. Wolfgang Schäuble Hartmut Schauerte Heinz Schemken Karl-Heinz Scherhag Gerhard Scheu Norbert Schindler Dietmar Schlee Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({14}) Dr.-Ing. Joachim Schmidt ({15}) Andreas Schmidt ({16}) Birgit Schnieber-Jastram Dr. Rupert Scholz Reinhard Freiherr von Schorlemer Dr. Erika Schuchardt Gerhard Schulz Clemens Schwalbe Wilhelm-Josef Sebastian Heinz Seiffert Bernd Siebert Werner Siemann Johannes Singhammer Bärbel Sothmann Margarete Späte Wolfgang Steiger Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten Andreas Storm Dorothea Störr-Ritter Matthäus Strebl Thomas Strobl ({17}) Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Angelika Volquartz Andrea Voßhoff Peter Weiß ({18}) Gerald Weiß ({19}) Annette Widmann-Mauz Heinz Wiese ({20}) Hans-Otto Wilhelm ({21}) Klaus-Peter Willsch Bernd Wilz Matthias Wissmann Werner Wittlich Dagmar Wöhrl Aribert Wolf Peter Kurt Würzbach Wolfgang Zeitlmann Benno Zierer Wolfgang Zöller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Annelie Buntenbach Monika Knoche Sylvia Voß F.D.P. Ina Albowitz Hildebrecht Braun ({22}) Ernst Burgbacher Ulrike Flach Horst Friedrich ({23}) Rainer Funke Hans-Michael Goldmann Joachim Günther ({24}) Dr. Karlheinz Guttmacher Ulrich Heinrich Birgit Homburger Ulrich Irmer Dr. Klaus Kinkel Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({25}) Dr. Günter Rexrodt Gerhard Schüßler Marita Sehn Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Dieter Thomae Dr. Guido Westerwelle PDS Dr. Dietmar Bartsch Maritta Böttcher Eva Bulling-Schröter Heidemarie Ehlert Dr. Heinrich Fink Dr. Ruth Fuchs Dr. Klaus Grehn Dr. Gregor Gysi Uwe Hiksch Dr. Barbara Höll Ulla Jelpke Sabine Jünger Gerhard Jüttemann Dr. Evelyn Kenzler Dr. Heidi Knake-Werner Ursula Lötzer Heidemarie Lüth Pia Maier Angela Marquardt Kersten Naumann Rosel Neuhäuser Dr. Uwe-Jens Rössel Gustav-Adolf Schur Dr. Ilja Seifert Dr. Winfried Wolf und auch gestern immer gesagt, es müsse gespart werden. Andererseits stellen Sie nur Erhöhungsanträge. ({26}) Auch die weiteren Schritte werden sicher nicht einfach sein. Immerhin müssen wir in den nächsten fünf Jahre die Neuverschuldung Jahr für Jahr um rund 9 Milliarden DM verringern, um im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt - ohne Nettoneuverschuldung - zu haben. Das ist ein schwieriges Vorhaben. Aber ich bin ganz sicher, dass wir es schaffen werden. Wer denn sonst, wenn nicht wir? ({27}) Obwohl der Haushalt im Gesamtvolumen sinkt, konnten in einigen Ressorts durch den Einsatz von Zinsersparnissen aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen Verbesserungen in den Bereichen Infrastruktur, Straße und Schiene, Forschung und Bildung, Energieforschung, Altbausanierung und CO2-Minderung erreicht werden. Auch für die Jahre 2002 und 2003 ist die Finanzierung dieser Vorhaben bereits festgeschrieben. Dies ist ein wichtiger Beitrag, um deutlich zu machen, dass Sparen nicht Selbstzweck ist. ({28}) Mit der Rückführung und dem Abbau von Schulden sollen vielmehr finanzielle Spielräume geschaffen werden, die uns überhaupt erst wieder Handlungsoptionen und Gestaltungsmöglichkeiten im Haushalt eröffnen. ({29}) Für das Ressort des Bundeswirtschaftsministers wurden in den parlamentarischen Beratungen Verbesserungen im Baransatz von rund 406 Millionen DM erreicht. Ich denke, das ist ein positives Ergebnis. Die globale Minderausgabe, die im Haushaltsentwurf immerhin 250 Millionen DM ausmachte, konnten wir auf 90 Millionen DM senken. ({30}) - Kollege Buwitt, Sie haben dies zwar dargestellt, aber Sie haben es nicht korrekt dargestellt. ({31}) Wir haben dies durch eine Absenkung der Zuschüsse an den Steinkohlebergbau erreicht. Sie werfen uns immer wieder vor, wir würden uns genauso verhalten wie Sie damals, als Sie in der Regierungsverantwortung waren. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schlimmer! Das ist völlig unsinnig, Kollege Buwitt. ({32}) - Ich komme noch darauf zu sprechen. Hören Sie bitte zu! Dann wissen Sie nachher, wenn ich mit diesem Punkt am Ende bin, wenigstens, wovon ich gesprochen habe. Ich denke schon, dass es einen wesentlichen Unterschied ausmacht, ob man Kürzungen einfach über den Kopf der Betroffenen hinweg durchführt, wie Sie dies, als Sie noch in der Regierungsverantwortung waren, getan haben, ({33}) oder ob es eine Vereinbarung gibt, die mit allen Beteiligten getroffen wird. ({34}) In Abstimmung und in völliger Übereinstimmung mit der Ruhrkohle AG, der Industriegewerkschaft Bergbau, Energie und Chemie und dem Land Nordrhein-Westfalen haben wir einen Kompromiss erzielt, der weder den Kohlekompromiss von 1997 noch die Anschlussregelung ab 2006 berührt. Nach dieser Vereinbarung werden die in den Jahren 2000 bis 2002 nicht ausgezahlten Mittel - die 600 Millionen DM, die diese Vereinbarung umfasst - ab dem Jahr 2003 in voller Höhe zur Verfügung gestellt. Das war aus den Haushaltsunterlagen ersichtlich, Kollege Buwitt. Sie hätten sie nur lesen müssen. ({35}) Hiermit wird die Gesamtsumme nicht infrage gestellt. Für die offenen Mittel wird ein konkreter Auszahlungszeitraum benannt und dieses Vorgehen wird im Bundeshaushalt durch eine verbindliche Erläuterung festgeschrieben. Was will man mehr? Einen Bruch bestehender Vereinbarungen kann man uns somit mit absoluter Sicherheit nicht vorwerfen. ({36}) - Kollege Buwitt, wir sind schon so spät in der Zeit. Bitte gestatten Sie mir, meine Rede zu Ende zu bringen. Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen werden dankbar sein, wenn ich keine Zwischenfragen zulasse. ({37}) Einige Veränderungen, die wir im Laufe der parlamentarischen Beratungen beschlossen haben, möchte ich im Folgenden noch kurz darstellen: Bei der Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte haben wir eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 20 Millionen DM eingestellt. Ich denke, damit kann die Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte in den zukünftigen Jahren gesichert werden. Das ist notwendig, da es bei diesen Produkten und Dienstleistungen hinsichtlich ihres Anteils am gesamtdeutschen Absatz immer noch einen erheblichen Nachholebedarf gibt. ({38}) - Kollege Buwitt, ich hatte gesagt, dass ich meine Ausführungen fortsetzen möchte. ({39}) - Also, bitte sehr. - Frau Präsidentin, fragen Sie mich. Dann sage ich Nein.

Dr. Antje Vollmer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002391

Herr Kollege Buwitt, man kann es natürlich kompliziert machen, aber es geht auch ganz einfach. Wenn der Redner sagt, dass er keine Zwischenfrage zulässt, dann lässt er keine zu. Das gehört zu seinen Rechten. ({0})

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eben. - Ich denke, dass es beim Absatz ostdeutscher Produkte und Dienstleistungen noch einen erheblichen Nachholebedarf gibt. Traditionelle Instrumente der Messeförderung versagen hier, weil sie nur für Auslandsmessen benutzt werden dürfen. Deswegen ist es notwendig, diese Förderung noch einige Jahre fortzuführen. Ich möchte auf einen Antrag der PDS eingehen, der in der Bereinigungssitzung gestellt worden ist. Sie von der PDS hatten darin gefordert, das Anpassungsgeld für Arbeitnehmer des Steinkohlebergbaus auf Arbeitnehmer des Untertagebergbaus in den neuen Ländern im Bereich Kali, Flussspat und der Wismut auszudehnen. Dies ist ein Anliegen, für das ich persönlich durchaus Sympathie habe. Jedoch musste dieser Antrag von uns in diesem Haushalt abgelehnt werden: ({0}) Einerseits sind die Kosten für die Umsetzung nicht klar. Die Zahlen schwanken - je nach Anzahl der Betroffenen - zwischen 10 Millionen und 80 Millionen DM; aber dies war für mich nicht der Punkt, warum ich diesen Antrag als nicht etatreif angesehen habe. Andererseits sind noch keine Gespräche mit den Ländern geführt worden. Sie müssten mit Thüringen, Sachsen-Anhalt und eventuell auch Sachsen Gespräche führen. ({1}) Diese Länder müssen verbindlich erklären, ob sie gedenken, ihrer Verpflichtung zur Kofinanzierung nachzukommen. Denn die Länder müssen zu einem Drittel mitfinanzieren. Sobald das geregelt ist, kann man die erforderlichen Mittel in den Bundeshaushalt einstellen. Ich fordere daher die Bundesregierung von dieser Stelle aus auf, zu prüfen, ob in den neuen Ländern ein Bedarf für eine solche Anpassungsgeldregelung besteht, und gegebenenfalls im Haushalt 2002 einen entsprechenden Titel vorzusehen. Aus den Zinsersparnissen, die sich aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen ergeben, haben wir für 2001 für die Forschung und Entwicklung umweltschonender Energieformen im Bereich der nicht nuklearen Energieforschung Barmittel in Höhe von 80 Millionen DM und Verpflichtungsermächtigungen der folgenden zwei Jahre in Höhe von 160 Millionen DM bereitgestellt. ({2}) Damit soll überwiegend die Brennstoffzellentechnik gefördert werden. Aber auch Antriebstechnologien mit neuen regenerativ erzeugten Brennstoffen, geothermische Anlagen, die Errichtung eines Offshorewindparks und die energetische Optimierung von Altbauten werden gefördert. Im Bereich der elektronischen Medien haben wir die Barmittel um 20 Millionen DM erhöht: 5 Millionen DM haben wir für innovative Dienstleistungen im Multimediabereich und 15 Millionen DM für die Aktion „Internet für alle“ vorgesehen. Durch diese Aktion sollen alle gesellschaftlichen Gruppen bürgernah und umfassend über die neuen Informations- und Kommunikationstechniken, insbesondere über den Umgang mit dem Internet, informiert werden. ({3}) Wir halten eine solche Maßnahme für notwendig, um eine digitale Spaltung der Gesellschaft in User und Nicht-User zu verhindern. Die Mittel für die Forschungsförderung haben wir ebenfalls um 20 Millionen DM erhöht: davon 5 Millionen DM für die industrielle Gemeinschaftsforschung und 15 Millionen DM für die Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern. Damit wird die Forschungsförderung insbesondere in den neuen Ländern auf einem hohen Niveau fortgesetzt. Die Beratung sowie die Information und Schulung im Rahmen von Existenzgründungen - auch Kollege Buwitt hat das angeschnitten - werden in Höhe von 60 Millionen DM, also mit zusätzlich 8 Millionen DM, gefördert. Dadurch ist es sicher auch künftig möglich, neben den individuellen Existenzgründungsberatungen Schulungen mit Seminarcharakter durchzuführen. Ich bitte das Wirtschaftsministerium, zu prüfen, ob im kommenden Jahr auch Existenzgründungsseminare zu fördern sind, und gegebenenfalls eine Überarbeitung der Bewilligungsrichtlinien vorzunehmen, falls ein unabweisbarer Bedarf besteht. Bei der Verbraucherberatung haben wir bereits im Berichterstattergespräch bzw. anlässlich der Beratung des Einzelplanes 09 im Haushaltsausschuss eine Erhöhung der Zuwendungen für die Stiftung Warentest um 3 Millionen DM vorgenommen. ({4}) Ich halte dies für notwendig, um der Stiftung auch im kommenden Jahr eine qualitativ hochwertige, objektive und unabhängige Verbraucherberatung zu ermöglichen, ohne zum Beispiel durch Werbung in ihrer Zeitschrift „Stiftung Warentest“ in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis zur Industrie zu geraten. Sicher ist dies nur eine „kleine Lösung“. Wünschenswert wäre es, die Stiftung mit so ausreichendem Stiftungskapital auszustatten, dass in künftigen Jahren ein öffentlicher Zuschuss völlig überflüssig und sie auf Dauer anbieterunabhängig wird. ({5}) - Ich habe das im Berichterstattergespräch gefordert. Ich bin mir schon darüber im Klaren, dass dies in Zeiten knapper Kassen ein schwieriges Vorhaben ist. Trotzdem habe ich im Berichterstattergespräch diesen Prüfauftrag erteilt und für Frühjahr kommenden Jahres die Vorlage eines Berichts gefordert. Dann werden wir uns erneut mit diesem Thema auseinander setzen. ({6}) In der Bereinigungssitzung haben wir für die Verbraucherorganisationen Zuwendungen in Höhe von 2 Millionen DM mehr zur Verfügung gestellt. ({7}) - Diese Mittel wurden ungefähr auf der gleichen Höhe wie im Jahre 2000 fortgeschrieben. Das können Sie feststellen, wenn Sie sich den Haushalt 2001 ansehen. - Wir wollen damit die durchgreifenden Reformen und den Zusammenschluss der Verbraucherorganisationen zu einer Verbraucherzentrale Bundesverband unterstützen. Gutachterlich wurde festgestellt, dass durch den Zusammenschluss ein kurzfristiger Mehrbedarf entsteht. In der jetzigen Konsolidierungsphase, in der Strukturen gestrafft und neue Ansätze der Eigenfinanzierung durch Entgelte für Beratungsdienstleistungen, Publikationen und anderes entwickelt werden, durfte dieser Prozess nicht durch drastische Mittelkürzungen gefährdet werden. Für die Förderung des Großraumflugzeugs A3XX ist nun endlich eine für alle Beteiligten befriedigende Lösung gefunden worden. Der Bund wird dieses Projekt mit einem verzinslichen, verkaufsstückzahlabhängigen und rückzahlbaren Darlehen von bis zu 1,97 Milliarden DM fördern. Dafür wurden in den Einzelplan des Bundeswirtschaftsministers 150 Millionen DM Barmittel für das Jahr 2001 und eine Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 1,82 Milliarden DM eingestellt. Mit dieser Darlehensgewährung werden zum einen die Vorgaben internationaler Vereinbarungen gewahrt, zum anderen erhält das deutsche Airbus-Unternehmen angemessene und vergleichbare Bedingungen wie seine Partnerunternehmen. Wir erwarten, dass von diesem Programm eine direkte nachhaltige Beschäftigungswirkung von 15 000 bis 16 000 Mitarbeitern bei der EADS und den circa 600 Zulieferfirmen ausgeht. Wir erwarten aber auch von der EADS, dass sie den Anteil der Zulieferungen aus den Standorten außerhalb Hamburgs, insbesondere aus den in den neuen Bundesländern, weiter erhöht. Baransatz und Verpflichtungsermächtigung sind qualifiziert gesperrt, damit weiterhin parlamentarische Einflussnahme gesichert ist und wir über die weiteren Verhandlungen mit der Industrie auf dem Laufenden gehalten werden. Die Unterstützung des Hightech-Standortes Deutschland spiegelt sich aber nicht nur in der Unterstützung der Flugzeugindustrie wider. Die Bundesregierung hat kurzfristig für die Jahre 2001 bis 2003 weitere 80 Millionen DM an Verpflichtungsermächtigung als Wettbewerbshilfe für deutsche Schiffswerften eingestellt. ({8}) Diese Entscheidung halten wir für richtig. Als notwendige Folgerung haben wir den Baransatz für das Jahr 2001 um 30 Millionen DM auf 170 Millionen DM erhöht. ({9}) Die restlichen 50 Millionen DM werden in den kommenden zwei Jahren in gleichen Teilen bereitgestellt. Damit wird die Schiffbauindustrie in die Lage versetzt, die bis zum Auslaufen der EU-Beihilferichtlinie am 31. Dezember dieses Jahres verhandelten Verträge fest abzuschließen. Sie kann somit die trotz aller bestehenden und bekannten Schwierigkeiten erfreuliche Entwicklung auf dem Weltmarkt ausnutzen und gut gerüstet der Zeit nach dem Auslaufen der Wettbewerbsbeihilfe entgegensehen. Ich hoffe sehr, dass bis dahin zwischen den Schiffbaunationen endlich ein fairer Wettbewerb stattfinden wird. ({10}) Meine Damen und Herren, für die Anträge der Oppositionsfraktionen empfehle ich Ablehnung, ({11}) ohne im Einzelnen darauf einzugehen, da sie zum größten Teil bereits während der Beratungen zum Haushalt gestellt und von uns abgelehnt wurden. Die Anträge sind praktisch ein zweiter Aufguss. Ich denke, auch ohne diese Anträge der Opposition können wir mit dem Haushalt des Bundeswirtschaftsministers recht zufrieden sein. ({12}) Er leistet einen wichtigen Beitrag, um die bestehenden guten Konjunkturaussichten zu stabilisieren und positiv zu beeinflussen. In diesem Sinne werbe ich für Zustimmung. Schönen Dank. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort dem Kollegen Rainer Brüderle, F.D.P.-Fraktion.

Rainer Brüderle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003059, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich beginne mit drei Aussagen. Erstens: Der deutsche Arbeitsmarkt gehört weltweit zu den reglementiertesten. Zweitens: Man muss darüber nachdenken, ob der Anreiz, in Deutschland Arbeit aufzunehmen, nicht zu gering ist. ({0}) Drittens: Bei der Diskussion über Löhne unter Tarif für existenzbedrohte Betriebe hoffe ich, dass der gedanklich richtige Ansatz nicht völlig tot ist. Dies sind keine Aussagen von mir, sondern vom Bundeswirtschaftsminister in der „Süddeutschen Zeitung“ vom vergangenen Samstag. ({1}) Sie sehen: Ich registriere immer mit größtem Interesse, was Sie, Herr Müller, von sich geben. Meine Damen und Herren, ich gratuliere dem Bundeswirtschaftsminister zu seinen Einsichten. ({2}) Doch anscheinend leben Sie, Herr Müller, in einem politischen Paralleluniversum; denn Ihr Haushalt drückt genau das Gegenteil von dem aus, was Sie uns in Ihren Sonntagsreden verbal zu vermitteln versuchen. ({3}) Ihr Etat ist rückwärts gewandt und reformfeindlich. Es bleibt dabei: Der Bundeswirtschaftsminister hält an überkommenen Wirtschaftsstrukturen fest und behindert den notwendigen Strukturwandel. ({4}) Einem Wirtschaftsminister hätte es gut zu Gesicht gestanden, wenn er dem armen Rezzo Schlauch etwas lautstärker beigestanden hätte. ({5}) Er hat ja mittlerweile dermaßen Prügel von den grünen Reformverweigerern bezogen, dass er sich erst gar nicht in die Wirtschaftsdebatte traut. ({6}) Dabei hat Herr Schlauch nichts anderes als einen Schritt in Richtung Realität getan. Er hat erkannt, dass unser starres Tarifsystem Arbeitslosigkeit produziert. Er hat erkannt, dass Beschäftigte und Betriebe flexibel auf unterschiedliche wirtschaftliche Situationen reagieren können müssen. Er hat erkannt, dass wir weniger Macht der Verbände, dafür eine Stärkung der individuellen Verantwortung brauchen. ({7}) Herr Müller, es würde einem Wirtschaftsminister gut zu Gesicht stehen, wenn er sich nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch in aktuellen politischen Debatten für eine überfällige Reform unserer Arbeitsmarktordnung einsetzen würde. ({8}) Ihre Aufgabe ist es nicht, sich fein zurückzuhalten und sich in Selbstmitleid über Ihre schwache Position innerhalb des Kabinetts zu ergehen. Ihre Politik erinnert manchmal an „Das Schweigen der Lämmer“, ({9}) hat aber wenig mit der Funktion eines Bundeswirtschaftsministers zu tun. Ihre Aufgabe ist es, sich kraftvoll und mit Nachdruck für die Wirtschaft einzusetzen. Es kann ja sein, dass Sie in solchen Momenten bei sich auch ein Glaubwürdigkeitsproblem sehen. Es kann aber auch sein, dass Sie gar nicht öffentlich für mehr Flexibilität, mehr Wettbewerb und mehr Arbeitsplätze und damit für die Interessen der deutschen Volkswirtschaft streiten wollen. Stattdessen streiten Sie lieber für ehemalige Staatsunternehmen wie Post oder Telekom. Sie streiten für ein Zurückdrehen der Liberalisierung des deutschen Strommarktes. Sie wollen einen deutschen Energiesockel und das Importverbot für billigen Auslandsstrom durchsetzen. Sie ziehen gegen Wettbewerb und sinkende Preise auf den Energiemärkten zu Felde. Sie kämpfen nicht für mehr wettbewerbsfähige Strukturen im deutschen Bergbau. Sie setzen sich gegenüber Brüssel für die Weiterzahlung der Steinkohlesubventionen ein und verpassen wieder einmal eine Chance, Subventionen zu kürzen. ({10}) Auch beim Sparen arbeiten Sie mit Tricks. Da werden Steinkohlebeihilfen in Höhe von 190 Millionen DM für das kommende Jahr gekürzt, um sie gleichzeitig der Ruhrkohle AG für das Jahr 2003 zuzusagen. ({11}) Ich frage mich: Muss der Staat wegen seines Sparkurses jetzt schon Darlehen bei der Kohleindustrie aufnehmen? ({12}) Herr Müller, das ist Verschieben und nicht Sparen. ({13}) Wenn Sie dann tatsächlich einmal den Rotstift ansetzen, dann trifft es natürlich den Mittelstand. Der kann sich auch nicht wehren; er hat bei Ihnen sowieso keine Lobby. Der Etat für die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen ist innerhalb von drei Jahren von 1,3 Milliarden DM auf 0,5 Milliarden DM zusammengestrichen worden. Die Existenzgründungsberatung, die Forschungs- und Innovationsförderung für kleine und mittlere Unternehmen oder der Technologietransfer sind Beispiele dafür, wo Sie die Mittel zulasten des deutschen Mittelstandes zusammengestrichen haben. Sie lassen auch die ostdeutschen Bürger und Unternehmen im Regen stehen. Denen müssen Sie schon erklären, warum Sie die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftstruktur Ost um 300 Millionen DM kürzen, gleichzeitig aber nach Brüssel rennen, um auch weiterhin die deutsche Steinkohle mit rund 8 Milliarden DM alimentieren zu können. ({14}) Das versteht niemand. Für die New Economy, die Sie im letzten „MüllerComic“ - auch Wirtschaftsbericht genannt - noch groß feierten, haben Sie nur warme Worte, aber offensichtlich kein Geld. Die Bundesregierung erweist sich hier auf vielen Feldern als Bremser, sei es bei der Urheberrechtsabgabe auf Computer, sei es bei der Besteuerung von Stock Opinions für Mitarbeiter in den Start-ups. ({15}) - Hören Sie mal zu, Herr Staffelt. Das tut Ihnen auch gut. Längst haben alle Gründer von Start-ups eine Tapferkeitsmedaille verdient, denn es gehört schon viel Mut dazu, unter Grün-Rot ein Unternehmen zu gründen. ({16}) Die New Economy zeigt eines ganz deutlich: Die Wirtschaft wird durch Internet und E-Commerce immer globaler, immer transparenter. Der Wettbewerbsdruck auf den einzelnen Betrieb, auf die ganze Volkswirtschaft nimmt zu. Die Wirtschaft nähert sich dank der neuen Technologien immer schneller einer grenzenlosen Weltwirtschaft. Die F.D.P. ist nicht umsonst die Partei der „Generation @“, der Start-ups, der jungen Unternehmen, derjenigen, die in unserem Land endlich etwas bewegen wollen, denn wir kämpfen wie sie gegen bürokratische Gängelung, für weniger Staat, weniger Verwaltung, weniger Bevormundung und weniger Reglementierung. Herr Müller, wenn Sie es mit der Internet-Ökonomie ernst meinen, dann gehen Sie von der Bremse. Beziehen Sie Stellung, setzen Sie sich für die Interessen derjenigen ein, die hoch produktive und zukunftsträchtige Arbeitsplätze für hochqualifizierte Mitarbeiter schaffen. Wenn Sie das nicht tun, dann hören Sie wenigstens auf, Lippenbekenntnisse abzugeben, ({17}) denn, Herr Müller, New Economy ist kein neues Sitzplatzangebot der Lufthansa. New Economy ist Realität und Zukunft. ({18}) Meine Damen und Herren, es ist bezeichnend, dass wir uns in einer Haushaltswoche in den Abendstunden über den Wirtschaftsetat unterhalten müssen. Das führe ich nicht in erster Linie darauf zurück, Herr Müller, dass Sie Ihren Etat 2001 gern vor der Öffentlichkeit verstecken wollen. Grund dafür hätten Sie. Das hängt vielmehr und in erster Linie damit zusammen, dass die Bedeutung des Wirtschaftsministeriums in dieser Regierung geschrumpft ist. ({19}) Die Wirtschaftspolitik hat keine klare Linie mehr, und wird zusehends vom Bundeskanzler mit bestritten. ({20}) Wirtschaftspolitik wird vom Wirtschaftsminister nur noch als Randerscheinung verkauft, und das in einem Land, das die soziale Marktwirtschaft zum Exportschlager gemacht hat, das dem Staat aufgrund historischer Erfahrung die Schiedsrichter- und nicht die Mitspielerrolle zugewiesen hat, das auf ordnungspolitische Zusammenhänge gebaut hat. Hier spielt inzwischen das ordnungspolitische Gewissen, das Wirtschaftsministerium, keine Rolle mehr. Das Denken in Zusammenhängen, in Ordnungen ist längst einem einzelfallbezogenen, widersprüchlichen und interventionistischen Aktionismus gewichen. Symbol für den Verfall ordnungspolitischen Denkens in Deutschland ist die Amputation der Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums. Deutlicher kann das ordnungspolitische Vakuum dieser Bundesregierung nicht sein. ({21}) Angesichts dieser Entwicklungen verwundert es wenig, dass Ihr Zahlenwerk, Herr Minister Müller, für das Jahr 2001 weder Visionen noch politisches Gewicht erkennen lässt. Vielleicht ist das schon ein Vorbote für Ihren baldigen Abschied aus dem Bundeskabinett. Sie haben ja schon angedeutet, dass neue Aufgaben in der Wirtschaft Sie reizen würden. Der Bundeskanzler scheint insgesamt wenig Glück mit seinen Quereinsteigern zu haben. ({22}) Sie jedenfalls, Herr Müller, haben sich längst als wirtschaftspolitischer Einwechselspieler erwiesen, der sich bis heute keinen echten Stammplatz erkämpfen konnte. Angesichts Ihrer saft- und kraftlosen Politik verwundert das wenig. Der Standort Deutschland verdient mehr als bunte Wirtschaftsberichte und einen uninspirierenden Etat. Deutschland kommt nur nach vorne, wenn wir mit Phantasie und Gestaltungswillen vorwärts gehen. Das ist bei diesem Wirtschaftsminister leider nicht zu erwarten. Vielen Dank. ({23})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich will einmal ein paar Sachen klarstellen. Herr Brüderle, Sie haben wahrscheinlich in den letzten Jahren im Herbst zu oft irgendwelche pfälzischen Weinköniginnen zu Boden geknutscht, ({0}) sonst hätten Sie mitbekommen, dass die ganze verhängnisvolle Malaise mit der Steinkohle auf Ihrem und dem Mist der CDU gewachsen ist. Sie sollten wissen, dass es 1997 einen Kompromiss gegeben hat, der auf einer Regelung beruht, die früher einmal der F.D.P.-Wirtschaftsminister Lambsdorff getroffen hat. Das ist mein Kenntnisstand zu diesen Dingen. Weil wir gerade dabei sind: Es mag sein, dass die sächsische Zunge ab und zu dazu neigt, ein hartes t und ein weiches d miteinander zu verwechseln. Aber ich glaube, das macht aus dem „Tankwart“ Buwitt noch lange keinen Ökosteuerexperten. Ihre Bemerkungen haben jedenfalls nichts davon erkennen lassen. Kommen wir zurück zum Etat. Der Etat ist im Laufe der Haushaltsberatungen immerhin um 400 Millionen DM gestiegen. Trotzdem haben wir es geschafft, die Nettoneuverschuldung um insgesamt 2 Milliarden DM zu reduzieren. Diese Haushaltsführung nenne ich sehr inspirierend und sehr kreativ. Wenn Sie sich die Schwerpunkte anschauen, dann werden Sie diese sehr schnell erkennen: erneuerbare Energien, Mittelstand, Forschung, Verbraucherschutz und Meister-BAföG. Das sind übrigens alles ganz wichtige Punkte. Nachdem Sie das Meister-BAföG erfunden hatten, haben Sie es einfach weiterlaufen lassen. Nun hat es sich entwickelt. Wir müssen eine Novelle machen, weil wir festgestellt haben, dass Mittel außerordentlich schlecht abgeflossen sind. Sie haben in der Summe noch nicht einmal die Hälfte des Ansatzes erreicht. Wir haben mit diesem Haushalt die Weichen für eine Novelle des Meister-BAföG gestellt. ({1}) Ich weiß überhaupt nicht, wie Sie auf die Idee kommen, der Mittelstand würde unter einer rot-grünen Regierung zu leiden haben. Ich kann dafür keinen Anlass sehen. Kommen wir einmal auf die erneuerbaren Energien zu sprechen, die Sie als einen Schwerpunkt der Etatberatungen gegeißelt haben, Herr Buwitt. Ich stehe mit Leidenschaft dahinter. Das ist der Punkt: Es ist die Leidenschaft für eine Idee, die sich hier zeigt. Ich weiß nicht, wie es früher gewesen ist. Aber wahrscheinlich war es damals im Bundestag nicht anders, als irgendwann einmal die Atomgesetzgebung auf den Weg gebracht worden ist. Auch damals standen hier sicherlich Leute mit großer Leidenschaft und einem Funkeln in den Augen und meinten, dass dies die bahnbrechende Idee für die Energieerzeugung in Deutschland sei. Nun kann es zwar sein, dass es mit den erneuerbaren Energien nicht so klappt, wie wir uns das wünschen. Aber ich glaube, Herr Buwitt, es wird klappen, und zwar deutlich besser als bei der Atomenergiegewinnung, bei der es erhebliche Probleme gab. Wir ebnen den erneuerbaren Energien den Weg. ({2}) Wir beschließen deswegen aber nicht extra ein Gesetz, das diese Energiegewinnung sozusagen wie den Letzten seiner Art schützt. Vielmehr machen wir es ganz geschickt, indem wir eine Subvention über ein paar Jahre laufen lassen, die damit zeitlich begrenzt und überschaubar ist. Zudem hat sie einen vernünftigen Kurvenverlauf; denn sie erreicht in der Mitte ihres Verlaufs ihren höchsten Punkt. Das halte ich für eine vernünftige und strukturierte Vorgehensweise. Ich kann überhaupt nicht erkennen, was das mit dem Gemauschel, aus dem der Haushalt des Wirtschaftsministeriums nach vielen Jahren besteht, zu tun hat. Wir haben bei der Subventionspolitik neue Kriterien eingeführt. Das erkennt man an den Subventionen für die erneuerbaren Energien. Wir setzen auf zeitlich befristete Abläufe, auf absehbare Kurven- und Ausgabenverläufe. Das halte ich für richtungsweisend. ({3}) Ich glaube, dass wir von dem, wofür wir das Geld ausgeben, in nächster Zeit erkennbar profitieren werden. Es geht zum Beispiel darum, im Bereich der Brennstoffzellen neue Antriebsformen zu erforschen. Es geht allgemein um neue Antriebstechnologien auf regenerativer Basis. Wenn wir in der Forschung zu neuen Ergebnissen kommen, werden wir die wirklichen Probleme unserer Zeit lösen. Es wurden vorhin Zweifel daran geäußert - was Herr Brüderle hier vorgetragen hat, klang wie eine Grabesrede -, dass die Konjunktur in Schwung kommt. Daher nenne ich lieber unverdächtige Quellen, zum Beispiel den Bundesverband deutscher Banken, der darauf hinweist, dass es zwar ein etwas verlangsamtes Wirtschaftswachstum gibt. Dies sei aber eine vorübergehende Wachstumsschwäche auf hohem Niveau und keine Konjunkturwende. Die konjunkturelle Grundtendenz sei im Allgemeinen - unter anderem auch wegen der rot-grünen Geldund Finanzpolitik - robust. ({4}) Wenn Sie noch mehr Aussagen von Unverdächtigen brauchen, dann nenne ich das Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute vom Oktober dieses Jahres. Dort wird ein Wachstum von rund 3 Prozent - auch für das nächste Jahr - als stabil angesehen. Wenn ich mich recht erinnere, ist das das höchste Wachstum seit 1993. ({5}) Aber das damalige war meines Erachtens geborgt, es war Ergebnis der deutschen Einheit. Es resultierte aus dem Konsumverhalten der Ostdeutschen. Es handelte sich nicht um eine wirkliche Konjunktur, wenn Sie mich fragen. Die jetzige hingegen hat durchaus mehr Substanz. Sie können sich ja einmal die harten Fakten anschauen, zum Beispiel den Geschäftsklimaindex, die Auftragseingänge und die Industrieproduktion. Dann werden Sie erkennen, dass sogar in Ostdeutschland trotz der schweren Bedingungen inzwischen 58 Prozent der Betriebe steigende Auftragseingänge verzeichnen können. Vor dem Hintergrund kann ich die Grabesreden, die Sie hier anstimmen, nicht verstehen. ({6}) Ich rede gerne noch einmal über den Aufbau Ost insgesamt. Sie haben das hier angemahnt, indem Sie auf den Änderungsantrag zur Gemeinschaftsaufgabe Infrastrukturinvestitionen hingewiesen haben. Es gab eine allgemeine Vereinbarung, wie mit dieser Gemeinschaftsaufgabe in den nächsten Jahren umzugehen ist. Sie wissen genau, dass man dies mit den betreffenden Ländern diskutieren muss. Es gab eine Vereinbarung, wie sich die Finanzierung zu entwickeln habe. Dagegen haben die ostdeutschen Länder keinen Einspruch erhoben. Es ist natürlich wohlfeil, wenn Sie jetzt meinen, Sie müssten sich zum Anwalt der ostdeutschen Länder machen. ({7}) Wenn die ostdeutschen Länder selber kein Handeln einfordern, dann sehe ich keinen Grund, vonseiten des Bundes etwas zu ändern. Das ist das Erste. Das Zweite ist: Es gibt natürlich eine Reihe von Bemühungen - auch wenn Sie das als einen Tropfen auf den heißen Stein ansehen -, den kleinen und mittelständischen Unternehmen in den fünf neuen Ländern - große gibt es dort fast gar nicht - auf die Beine zu helfen. Ich denke daran, dass wir den Absatz der ostdeutschen Produkte verstetigt haben. Es wird nicht nur bei der Sanierung der Schienenwege und Straßen eine Reihe öffentlicher Investitionen geben, sondern zum Beispiel auch bei den Stadien in Leipzig und in Berlin oder beim Sportstättenbau Ost insgesamt. Es gibt Förderprogramme, die vor allen Dingen die gemeinsame Forschung von Unternehmen mit wissenschaftlichen Einrichtungen fördern werden, wie zum Beispiel das Förderprogramm PRO INNO. Ostdeutsche Unternehmen liegen dabei mit fast 60 Prozent weit über dem Abfragenniveau der westdeutschen Länder. Für mich gibt es erkennbar eine Reihe von strukturellen Bemühungen, um dem ostdeutschen Mittelstand auf die Beine zu helfen. Ich finde überhaupt nicht, dass man behaupten könne, dem wäre nicht so. Jetzt kommen wir noch einmal zur Tagespolitik, zur EXPO. Das Thema hat hier ja einige erregt, deswegen muss auch jeder etwas dazu sagen. Reden wir einmal darüber. ({8}) - Wenn ihr schweigt, fange ich an zu reden. Es ist erstaunlich, dass das Land Niedersachsen eine Pleite anmeldet, wo es doch gerade erst bei den Werften nach der Kofinanzierung geschrieen hat - aber das lasse ich einmal als lästerliche Vorbemerkung so stehen. Ich glaube nicht, dass der Haushaltausschuss des Deutschen Bundestages - da werden mir die Kollegen aus dem Haushaltsausschuss alle Recht geben und so habe ich auch die bisherigen Redebeiträge verstanden - bereit ist, solche Entscheidungen ohne Kenntnis der Zahlen und Abrechnungen zu treffen. Davon müssen wir ausgehen. Sie wissen selbst, dass wir im Haushaltsausschuss lange über dieses Thema gesprochen haben. Wir waren uns darüber einig, erst die Zahlen zu prüfen, bevor wir diese Dinge abschließend klären. Es gibt den Wunsch des Bundeskanzlers. Den nehmen wir ernst. Aber es gibt natürlich auch geordnete Beratungsverfahren im Haushaltsausschuss. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. ({9}) - Der Herr Bundeskanzler wird für sich selber sprechen. Ich komme noch zum letzten Punkt - er hat, jedenfalls nach meiner Auffassung, in den letzten Tagen eine gewisse Brisanz erreicht -, ({10}) und zwar zur Frage des Verbraucherschutzes. Ich weiß, dass es in den letzten Jahren ständig Diskussionen darüber gab, ob man Verbraucherschutz überhaupt braucht oder nicht. In den letzten Tagen und Wochen ist aber klar geworden, wie wichtig die Verbraucherunterrichtung ist - zum Beispiel ganz aktuell für das Konsumverhalten bezüglich Rindfleisch. Ich bin der Auffassung, dass es uns gelungen ist, trotz der Sparbemühungen eine gute Finanzierung für den Bereich des Verbraucherschutzes zu gewährleisten. Das betrifft sowohl die Verbraucherunterrichtung als auch die Stiftung Warentest. Ich glaube, dass wir uns mit dem Ergebnis sehen lassen können. Es ist wichtig, dass die Konsumenten die Möglichkeit haben, sich über alle möglichen Varianten des Konsums gut zu informieren. Sie müssen die Möglichkeit haben, Kaufentscheidungen auf Informationen basierend zu treffen. Ich halte das für einen wichtigen Punkt und bin dankbar, dass es uns gelungen ist, auch da wieder die Mittel zu erhöhen, um den Verbraucherschutz zu stärken. Ich danke Ihnen. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort für die PDS-Fraktion hat jetzt die Kollegin Dr. Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zwei Vorbemerkungen zu Debattenbeiträgen: Meine erste Bemerkung bezieht sich auf die EXPO: Seit heute Nachmittag wissen wir, dass sich die Fraktionsspitzen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen darauf geeinigt haben, eine Neuaufteilung des Defizits vorzunehmen. Frau Kollegin Hermenau, mir ist kein Fall bekannt, bei dem die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen im Haushaltsausschuss irgendetwas gemacht hätten, was den Fraktionsspitzen nicht genehm gewesen wäre. Insofern muss ich davon ausgehen, dass der Titel 682 01, in den 150 Millionen DM eingestellt sind und zu dem erläuAntje Hermenau tert wird, dass der Bund und das Land Niedersachsen je die Hälfte dieses Defizits tragen, geändert werden muss. ({0}) Zwischen einer hälftigen Übernahme des Defizits und einer Aufteilung von zwei Dritteln zulasten des Bundes liegt kein Pappenstiel. ({1}) Es wäre daher notwendig, den Haushaltsausschuss darüber zu informieren, auf welche Weise die Koalition eine notwendige Haushaltsumschichtung vornehmen will. So hätte ich mir das jedenfalls vorgestellt. ({2}) Ich muss prinzipiell sagen, dass die Informationspolitik gegenüber dem Haushaltsausschuss in Sachen EXPO geradezu skandalös war und ein solches Vorgehen scheint sich nun fortzusetzen. Mit meiner zweiten Bemerkung beziehe ich mich auf die Aussagen des Kollegen Hampel bezüglich des Anpassungsgeldes für Untertage-Bergleute aus den neuen Bundesländern. Ich habe diesen Antrag, Herr Kollege Hampel, nicht in der Bereinigungssitzung das erste Mal gestellt, sondern schon bei der Beratung des Einzelplanes und außerdem schon vorher im Berichterstattergespräch. Außerdem hat bereits 1996 unsere Gruppe - die PDS war damals noch eine Gruppe - im Deutschen Bundestag einen Antrag mit dem Ziel gestellt, dieses Problem zu lösen. Wir haben diesen Antrag abermals 1999 gestellt. Ich halte es allmählich für unerträglich, dass ein berechtigtes soziales Anliegen über Jahre hinweg verschleppt wird und man sich heute hinstellt und sagt, man wisse nicht, um wie viele Leute es sich handle oder wie die Länder reagierten. Ich muss Ihnen sagen: Das Land, das am stärksten betroffen ist, ist Thüringen. Mit dem Land Thüringen sind wir im Gespräch. Die damalige Wirtschaftsministerin - ich glaube, es war im Jahre 1997 oder 1998 - hat gesagt, sie werde sich nicht sträuben, wenn der Bund eine Lösungsmöglichkeit sehe. ({3}) Es geht auch nicht um Hunderte von Menschen, sondern um eine überschaubare Zahl. Dieses Problem muss endlich gelöst werden und wir dürfen es nicht über weitere Jahre vor uns herschieben, denn das verdienen die Menschen nicht. ({4}) Zum Etat des Bundeswirtschaftsministers muss ich bemerken, dass es sich dabei um einen Etatposten handelt, der ein bisschen von dem Füllhorn, das sich aufgetan hat, profitieren konnte. Aufgestockt worden ist jedenfalls - das finden wir in Ordnung - die Förderung einer ökologischen Wende im Energieverbrauch und in der Energieerzeugung. Allerdings ist die zusätzliche Summe von 180 Millionen DM für das nächste Jahr für die Markteinführung erneuerbarer Energien und zur Weiterentwicklung nichtnuklearer Energietechnologien in ihrer Wirkung letztlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Das gilt jedenfalls dann, wenn man einen Vergleich - uns ist keine andere Information zugegangen - mit dem Verzicht auf die Festlegung eines Ordnungsrahmens für den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung zieht. Diesen Aspekt hat hoffentlich auch der Kanzler bei dem Gespräch mit den Chefs der Energiekonzerne bedacht. ({5}) Ich hoffe nicht, dass er bei den Gesprächen einfach wieder „Basta“ sagt, denn dann würde der Umsetzung des nationalen Klimaschutzprogramms ein Bärendienst erwiesen. ({6}) Gerade durch die Kraft-Wärme-Kopplung können Emissionen kurzfristig gesenkt und im Übrigen Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Soweit ich mich erinnern kann, ist seit dem Einzug der PDS in den Deutschen Bundestag noch nie eine Regierungskoalition - weder in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses noch des Haushaltsausschusses - bereit gewesen, Forderungen der linken Opposition in größerem Umfang entgegenzukommen. Ich hielte ein solches Entgegenkommen auch für keine besondere Geste, sondern für einen normalen Vorgang, weil ja auch die Opposition nicht den Regenschirm aufgespannt hatte, als der liebe Gott den Verstand verteilt hat. Ich denke, auch wir haben oft - vielleicht sogar immer - vernünftige Vorschläge. ({7}) Zur Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte, zur Forschung und Entwicklung in den neuen Ländern, zum Verbraucherschutz und zu den Wettbewerbshilfen für den deutschen Schiffbau haben wir Anträge eingebracht. Sie waren in der Finanzsumme sogar ein wenig bescheidener als das, was die Koalition dann gemacht hat und was uns freut. Wir haben leider nicht den Zugriff auf den Geldsack. Den haben Sie. Dass Sie noch ein bisschen stärker zugegriffen haben, freut uns. Das finden wir in Ordnung. Zum ersten Mal hat der Haushaltsausschuss sogar einen Antrag meiner Fraktion direkt angenommen. Dieser betrifft den mit 5 Millionen DM dotierten Hilfsfonds des Bundeswirtschaftsministeriums für schuldlos in Existenznot geratene Handwerker und Kleinunternehmer. Ich muss allerdings hinterherschicken: Man kann sich nicht darauf zurückziehen, dass etwa mit diesem Hilfsfonds die großen Probleme gerade dieser Klientel gelöst sind. Jeder Kontakt mit Kleinunternehmern, mit Selbstständigen, den wir wohl alle haben, macht deutlich, dass ein solcher Fonds im Höchstfall Nothilfe leisten kann. Wie wir das schon zu Jahresbeginn befürchtet haben, hat das beschlossene Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen weder diese Zahlungen beschleunigt noch die Zahlungsmoral generell verbessert. Von daher muss im Hinblick auf diese Achillesferse schlechte Zahlungsmoral schleunigst etwas geschehen, nicht im Haushalt, sondern im Schuldrecht, im Insolvenzrecht, im Vergaberecht und auch bei den Gerichten. Ein Wirtschaftsminister, der Mittelstandspolitik ernst nimmt, darf sich auch hier nicht hinter der Justizministerin verstecken. Er muss vielmehr endlich die vielen Initiativen in diesem Hause unterstützen - auch wir haben dazu beigetragen -, die es zur effektiven Bekämpfung dieser Missstände, die Hunderttausende von Existenzen und Millionen von Arbeitsplätzen bedrohen, gibt. ({8}) Zu kritisieren ist auch die Streichung des Handwerks aus dem Kreis der Begünstigten für die Investitionszulage in den neuen Bundesländern. Ich lese gerade etwas, das wohl morgen veröffentlicht werden wird. Der Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Hans-Eberhard Schleyer, sagt, das Handwerk stehe wegen der Öffnung der Außengrenzen unter einem erheblichen Anpassungsdruck. Er verwies darauf, dass im Osten 49 Prozent der Handwerksbetriebe ihre Investitionen zurückfahren wollen, wenn es so kommt, wie sich dies zur Stunde abzeichnet. Zu den Anträgen der CDU/CSU, die hier vorgelegt worden sind, muss ich noch etwas sagen. Es stimmt leider nicht, dass der Bundeshaushalt von einer abnehmenden Inanspruchnahme der Eigenkapitalhilfe profitiert. Der insgesamt wohl nur notdürftig zusammengeschusterte Feststellungsteil Ihres Antrages beinhaltet schlicht falsche Aussagen. Wir werden diesem Entschließungsantrag dennoch zustimmen, weil man sich schlechterdings nicht verweigern kann, wenn eine stärkere Mittelstandsförderung gefordert wird. Zu Ihren übrigen Änderungsanträgen, über die nun nicht mehr namentlich abgestimmt werden sollen, will ich sagen: Erstens scheint, was die Aufstockung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe anbetrifft - das ist eine äußerst üppige Aufstockung, die man sich wünschen kann -, die neue Fraktionsführung noch keine Kommunikationsstränge zu den Ministerpräsidenten in Erfurt und Dresden und zum Regierenden Bürgermeister von Berlin zu haben. Sonst wüssten Sie, was diese an dieser Stelle kofinanzieren können und was nicht. Zweitens ist dies vielleicht auch ein Indiz dafür, dass Sie nicht davon ausgehen, dies dann auf bundespolitischer Ebene umsetzen zu müssen. Danke schön. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat jetzt der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Werner Müller.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem herzlichen Dank an die Berichterstatter meines Haushaltes beginnen. Namentlich möchte ich Frau Hermenau, Herrn Hampel und Herrn Wagner nennen. Ich muss sagen, dass ich mich über die Unterstützung der SPD-Fraktion, was Fragen meines Haushaltes anbelangt, sehr gefreut habe. Herzlichen Dank dafür. ({0}) Herr Brüderle, als Weiteres will ich kurz anmerken: Dass der Haushalt heute Abend und nicht, wie planmäßig vorgesehen, Donnerstag früh um 9 Uhr gelesen wird, liegt daran, dass der Bundestag zu diesem Zeitpunkt Ihres verstorbenen Kollegen Ertl gedenkt. ({1}) Lassen Sie mich nun auf die Themen im Einzelnen eingehen. Zurzeit freut sich der Wirtschaftsminister, wenn er über die wirtschaftliche Lage referieren kann; denn wir schreiben rundum gute Zahlen. Besonders wichtig ist: Die Arbeitslosigkeit sinkt, wenn auch vielleicht noch nicht in dem Maße, wie wir es uns wünschen. Das liegt daran, dass die Erwerbstätigkeit zunimmt. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es in diesem Land immerhin 600 000 Beschäftigungsverhältnisse zusätzlich. ({2}) Auch das nächste Jahr wird gut. Das Wirtschaftswachstum liegt in diesem Jahr bei 3 Prozent. Im nächsten Jahr wird es vielleicht etwas weniger sein und bei etwa 2,8 Prozent liegen. ({3}) Wenn Sie sich freundlicherweise an die Zahlen der letzten Jahre erinnern, dann werden Sie feststellen: Das diesjährige Wirtschaftswachstum um 3 Prozent ist das höchste seit 1991. ({4}) Sie konnten nur 1991 ein gutes Wirtschaftswachstum vorweisen, der Grund dafür war der so genannte Wiedervereinigungsboom. Aber seit Ende 1998 gibt es einen Wiederbelebungsboom. ({5}) Die Wirtschaft atmet jetzt auf, nachdem sie jahrelang durch immer höhere Steuern und Abgaben zunehmend zum Erlahmen gebracht wurde. Herr Brüderle, Sie scheinen völlig vergessen zu haben, dass die F.D.P. 30 Jahre lang in diesem Land den Wirtschaftsminister gestellt hat. ({6}) Ich möchte darauf hinweisen, dass das Volumen des Haushalts des Bundeswirtschaftsministers um rund 5 Prozent unter dem des Vorjahres liegt. Damit ist der Haushalt des Wirtschaftsministers neben dem des Finanzministers der einzige Haushalt, der weiterhin nennenswerte Einsparraten ausweist. Das heißt konkret: Subventionsabbau. Dieser ist notwendig, wenn die Wirtschaft in diesem Land wieder aus sich heraus, also selbstständig, wachsen soll. In diesem Land ist ein immenser Subventionsberg aufgebaut worden. Das ist das Ergebnis von 30 Jahren F.D.P.Wirtschaftspolitik. Vor diesem Hintergrund sage ich IhDr. Christa Luft nen: Es geht nicht um irgendwelche Müller-Comics, wie Sie das nennen, sondern darum, eine wohlverstandene Renaissance der sozialen Marktwirtschaft - das fordern Sie zwar jetzt; aber das haben Sie 30 Jahre lang nicht geschafft - einzuleiten. ({7}) Obwohl der Haushalt insgesamt um 5 Prozent geringere Ausgaben als der Haushalt des Jahres 2000 ausweist, gibt es Positionen, die Zuwächse aufweisen. Deutliche Zuwächse gibt es einerseits bei den Ausgaben zur Förderung der IuK-Technologien und des Internets und andererseits bei den Ausgaben zur Förderung der Energieforschung und zur Unterstützung der Einführung neuer Energietechniken in den Markt. ({8}) Ich möchte zuerst auf das Thema IuK-Technologien eingehen. Wir sind dabei, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir haben das Signaturgesetz auf den Weg gebracht und wir werden die E-CommerceRichtlinie umsetzen. Ich gehe davon aus, dass die Liberalisierung auf den neuen Technologiemärkten weitergehen wird. Wir werden die Zugabeverordnung und das Rabattgesetz abschaffen. Das haben Sie, Herr Brüderle, vor einigen Jahren expressis verbis abgelehnt. Heute fordern Sie es, obwohl es damals an Ihrem persönlichen Widerstand gescheitert ist. ({9}) Wir werden - das will ich hinzufügen -bei der wettbewerblichen Behandlung der Post- und Telekommunikationsmärkte den Weg weitergehen, den wir schon bislang gegangen sind. Ich sage das vor dem Hintergrund, dass der Präsident der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zu meinem Bedauern ein materiell außerordentlich attraktives Angebot aus der Wirtschaft annehmen will. ({10}) - Ich weiß nicht, warum Sie erwarten, dass jemand, der in der Wirtschaft ein Vielfaches seines jetzigen Gehaltes verdienen kann, Ihnen zuliebe seinen Beamtenjob weitermachen soll. Zu den Dingen, die wir im Bereich der Informationsund Kommunikationstechnologien zukunftsorientiert entwickeln müssen, gehört natürlich auch ein vernünftiges Urheberschutzrecht. Dass Sie, Herr Brüderle, bei Ihren Reden keine Angst haben, dass sie jemand kopiert, ist mir klar. ({11}) Aber wir müssen angesichts der ungeheuren Vielzahl an neuen Vervielfältigungs- und Speichermöglichkeiten grundsätzlich darauf achten, dass die Rechte der Urheber gewahrt bleiben. Lassen Sie mich damit zum Thema Mittelstand übergehen. Wir machen auch eine aktive Mittelstandspolitik. Es ist barer Unsinn, zu sagen, dass beim Mittelstand irgendetwas gekürzt werde. Wir werden beispielsweise im nächsten Jahr Kredite in der Größenordnung von knapp 30 Milliarden DM an Gründer und an Firmen des Mittelstandes geben können. Wir werden die Mittelstandsförderung insgesamt neu strukturieren, etwa durch die Zusammenlegung der DtA und der KfW zu der Mittelstandsbank des Bundes. Wir haben darüber hinaus mit den Vertretern der Kreditwirtschaft vereinbart, dass die Finanzierung des Mittelstandes wieder zu einer in allen Bereichen der Kreditwirtschaft bevorzugten Aufgabe wird; denn Sie wissen, dass die Finanzierung des Mittelstandes ein durchaus ernstes Problem darstellt. Wir werden Instrumentarien entwickeln, die es den Geschäftsbanken, insbesondere den Genossenschaften und Sparkassen, ermöglichen, die ausgelegten Kredite in ihren Risiken an den Mittelstand weiterzugeben, sodass sie im Neugeschäft der Kreditvermittlung nicht übermäßig behindert sind, etwa durch Vorschriften der Eigenkapitalunterlegung. Wir haben beispielsweise 930 Millionen DM allein zur Vernetzung von mittelständischen Unternehmen mit öffentlichen Forschungseinrichtungen vorgesehen; denn es ist eine der zentralen Aufgaben, dass wir das Wissen, das in öffentlichen Forschungseinrichtungen gewonnen wird, möglichst auch auf den Mittelstand übertragen, sodass der Mittelstand dann mithilfe dieses Wissens marktorientierte Produkte entwickeln kann. Von diesen 930 Millionen DM fließt übrigens weit mehr als die Hälfte in die neuen Länder. Das ist ein Zuwachs von deutlich über 10 Prozent. Auch das spricht gegen die Zahlen, die hier vorhin bezüglich angeblicher Kürzungen der Hilfen für den Aufbau Ost genannt wurden. ({12}) Stichwort Aufbau Ost: Insgesamt schreiben wir in Ostdeutschland statistisch gesehen durchaus erfreuliche Zahlen. Sie wissen, wir haben beispielsweise beim Export gute Zuwachsraten und auch die Investitionsquoten sind gut. In Ostdeutschland sind die entsprechenden Zahlen durchweg günstiger als in Westdeutschland; zugegebenermaßen allerdings auf niedrigem Niveau. Die Tatsache, dass wir dort bessere Zahlen schreiben, zeigt aber, dass der Aufholprozess in Gang gekommen ist. Damit haben wir gegenüber früheren Jahren eine Trendwende erreicht, sodass ich sagen kann: Der Aufschwung Ost ist jetzt wirklich messbar. ({13}) Ich sage auch: Es wird noch Jahre dauern. Zu den Dingen, von denen insbesondere Ostdeutschland profitieren wird, gehört beispielsweise, dass wir nun den A3XX fördern wollen. Das war immer mein Ziel. Durch die Vereinbarungen, die wir mit der Wirtschaft getroffen haben, werden einige - ich sage einmal: nicht ganz zukunftssichere - Stellen in Ostdeutschland gesichert, beispielsweise bei den Flugzeugwerken Dresden. Außerdem entstehen in Ostdeutschland durch den A3XX noch etwa 2 000 neue Arbeitsplätze in diesem Hightechbereich. Zum Thema Werften. Wir haben geregelt, dass die deutsche Werftindustrie - dazu gehört insbesondere die Ostdeutschlands - in den restlichen Wochen dieses Jahres noch bis zu 14 Milliarden DM an Aufträgen annehmen kann, sodass wir die ungewisse Situation, was die Fortsetzung der EU-Werftenhilfe anbelangt, in jedem Falle bis in das Jahr 2003 überbrücken können. ({14}) Außerdem haben wir - das ist gesagt worden - die Absatzförderung Ost deutlich hochgeschraubt und können so bedarfsgerecht fördern. Wir werden - davon profitiert vor allem Ostdeutschland - im nächsten Jahr eine Initiative ergreifen, zu deren geistigen Müttern und Vätern insbesondere Frau Irber und auch Herr Hinsken gehören: Wir haben im nächsten Jahr das Jahr des Tourismus in Deutschland. ({15}) - Nein, so ist es nicht. - Wir haben bei den Übernachtungen in Ostdeutschland Zuwachsraten im zweistelligen Bereich. ({16}) Ich möchte, dass wir Deutschland insgesamt wieder attraktiver machen; denn wir wissen: Die Deutschen geben im Ausland 90 Milliarden DM aus, ausländische Touristen bringen aber nur 30 Milliarden DM ins Land. Unser Land ist so schön, dass wir dieses Defizit nicht einfach tatenlos hinnehmen sollten. Vielmehr müssen wir daran arbeiten. ({17}) Wir führen die Messeförderung tatkräftig fort. Ich will übrigens einmal sagen: Es kommt mir schon etwas komisch vor, wenn ich hier seitens einzelner Abgeordneter aufgefordert werde, der deutschen Wirtschaft zusätzliche Subventionen zu geben. Richtig ist, dass die deutsche Wirtschaft eine große Industrieausstellung in Japan plant, genannt Konsumgerma. Die Kosten sollen 100 Millionen DM betragen. Ich habe mich mit dem BDI-Präsidenten Henkel schriftlich darauf verständigt, dass aus meinem Haushalt - was schwer genug fällt - ein Zuschuss in Höhe von 15 Millionen DM gegeben wird. Das ist sozusagen Staatsknete für dieses Vorhaben der deutschen Wirtschaft. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere der BDI anmahnt, dass viel zu wenig gespart werde, finde ich es merkwürdig, dass er gerade Sie ausguckt, hier zu sagen: Die deutsche Wirtschaft braucht viel mehr Messeförderung. Das müssen Sie einmal irgendwie verständlich machen. ({18})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das provoziert nun eine Zwischenfrage des Kollegen Buwitt. Gestatten Sie das, Herr Minister?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Aber nicht so lange; ich muss um halb neun beim Kanzler sein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Dankward Buwitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000318, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Müller, Sie sagen, die entsprechenden Kürzungen seien nicht vorgenommen worden. Können Sie Folgendes bestätigen: Forschung und Entwicklung in den neuen Bundesländern - minus 30 Millionen DM; Existenzgründung und allgemeine Beratung - minus 12,5 Millionen DM; Förderung der Einrichtung, Modernisierung und Ausstattung von überbetrieblichen Fortbildungseinrichtungen minus 20 Millionen DM? Die 15 Millionen DM, die Sie für die Messebeteiligung zugesagt haben, gehen zulasten der kleinen Betriebe, die sich daher an den anderen Messen nicht beteiligen können. ({0}) - Ich habe gefragt, ob er das bestätigen kann. Reicht Ihnen das nicht aus? Er wird mir bestätigen, dass 15 Millionen DM, auf die die Wirtschaft eigentlich angewiesen ist, von der Messeförderung abgezogen und nicht von Ihrem Haushalt extra bereitgestellt werden. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Wenn Sie stehen bleiben, Herr Kollege, dann bekommen Sie auch eine Antwort. - Bitte sehr, Herr Minister.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Ich weiß nicht, was ich beantworten soll. ({0}) Aber ich kann Ihnen eines sagen: Getreu Ihrer Logik müsste ich die von der Wirtschaft geforderten 30 Millionen DM zur Finanzierung einer Messe in Japan aus meinem Haushalt herausschneiden und die anderen Messen würden noch weniger gefördert. Deswegen geht das nicht anders. ({1}) Ansonsten können Sie aus jedem Haushalt irgendwelche Minuspositionen herausnehmen. Sie hätten freundlicherweise erwähnen müssen, um wie viel die Ansätze für „Forschung und Entwicklung“ und „Neue Energien“ auch für Ostdeutschland erhöht werden. Ich habe schon einmal gesagt: Für die Vernetzung von KMUs und Wissenschaft gibt es einen Ansatz, der um 10 Prozent auf 930 MilliBundesminister Dr. Werner Müller onen DM angewachsen ist. Es handelt sich insofern nicht um ein Nullsummenspiel. In meinem Haushalt ist sowohl für Ostdeutschland als auch für Forschung und Technologie insgesamt ein Plus zu verzeichnen. Gemessen an den Herausforderungen der Zukunft ist das auch notwendig. ({2}) Lassen Sie mich zum Thema Energie kommen. Ich will darauf hinweisen: Es war nicht einfach, die Förderung der deutschen Steinkohle in Brüssel abzusichern. Herr Brüderle, wenn es nicht gerade Sie wären, dann hätte ich vielleicht gedacht, dort habe jemand mit Einfluss interveniert. ({3}) - Nein, Sie haben mich nicht getroffen. Ich finde das nur ganz nett. Wir können ruhig einmal das eine oder andere persönliche Wort hier austauschen. Es ist doch nicht so, dass ich Ihnen nur zuhören soll und nicht reden darf. Zurück zum Thema. Ich habe gestern ein Schreiben der EU-Kommissarin bekommen. Danach kann ich nun sagen, dass die Sicherung der Steinkohleförderung bis Mitte 2002 geregelt ist, sodass wir etliche Jahre in dieser Angelegenheit mit Brüssel keinen Ärger mehr haben werden. ({4}) Ich will des Weiteren sagen: Ich teile nicht die Argumentation der Stromwirtschaft, dass wir die Kostensenkungen durch Liberalisierung auf dem Strommarkt und durch staatliche Regularien völlig auffangen. Der Strompreis ist in einer Größenordnung von 20 Milliarden DM gefallen. Wir werden allerdings von diesen 20 Milliarden DM vielleicht nächstes oder übernächstes Jahr 5 Milliarden DM abzweigen, weil irgendeine Zukunftsvorsorge getroffen werden muss. ({5}) Ich sage allen Anhängern des völlig liberalen Wettbewerbs: Der Wettbewerb regelt vieles; er richtet nicht alles und er richtet die Zukunft unter Umständen zugrunde. Vor diesem Hintergrund muss man sich einmal klarmachen, was Energiepolitik heißt: Energiepolitik heißt ex definitione eine Politik gegen die autonomen Marktkräfte. ({6}) Ich kann Ihnen die autonomen Marktkräfte beschreiben. Zu Ihrer Regierungszeit haben wir fossile Kraftwerke auf den höchsten Umweltstandard in der Welt gebracht. Das ist nicht zu kritisieren. Allerdings kostet das im Vergleich zu Kraftwerken, die diesen Umweltstandard nicht haben, 3 Pfennig mehr. Jetzt frage ich Sie: Welchen Sinn macht ein reiner Preiswettbewerb, wenn er dazu führt, dass die für die Umwelt schlechten Kraftwerke die für die Umwelt guten Kraftwerke in diesem Land verdrängen? Das macht an sich schon keinen Sinn. Darüber hinaus habe ich Sorge, dass wir in den nächsten Jahren nur noch Strom importieren und im Inland so viele Kraftwerke stilllegen, dass wir den inländischen Strombedarf nicht mehr aus inländischer Erzeugung decken können. Das wäre dann ein sehr kritischer Fall; so weit darf es nicht kommen. ({7}) Vor diesem Hintergrund werden wir einen Teil der Preisgewinne - 20 Milliarden DM - abschöpfen. Das ist die Versicherungsprämie für die Zukunft, die der Markt von sich aus nicht hergibt. ({8}) Wir werden auch die Kraft-Wärme-Kopplung fördern. Ich stimme in diesem Zusammenhang vollkommen dem zu, was beispielsweise gestern die grüne Partei in Nordrhein-Westfalen gesagt hat. Es gab in der dortigen Koalition wohl eine Diskussion über Kraft-Wärme-Kopplung und die grüne Partei hat erklärt, dass Kraft-WärmeKopplungsanlagen einen primärenergetischen Wirkungsgrad von 80 Prozent haben. Das heißt - ich stimme hier der grünen Partei Nordrhein-Westfalens zu -, eine KraftWärme-Kopplungsanlage nutzt, aufs Jahr gerechnet, die eingesetzte Primärenergie zu 80 Prozent aus. Solche Anlagen wird diese Bundesregierung fördern. ({9}) Wir werden sie in einer der Marktwirtschaft möglichst gerechten Art und Weise fördern. Allerdings werden wir - darauf werde ich als Wirtschaftsminister achten - keine Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen fördern, die diesen Namen nicht verdienen. Es geht nicht an, dass man neben ein Kraftwerk ein Gewächshaus baut, ein bisschen Wärme hineinschiebt und dann meint, es gebe Staatsknete, wenn man das Ding Kraft-Wärme-Kopplungsanlage nennt. Dies verdient keine Förderung; Förderung verdienen aber sehr wohl die hoch effizienten Anlagen. ({10}) Lassen Sie mich ein Letztes sagen: Wichtig in dem Portefeuille, das der Wirtschaftsminister zu erledigen hat, ist, dass wir im Bereich der Außenwirtschaft zu neuen Rahmendaten für unsere Unternehmen kommen. Ich erlebe immer wieder und immer häufiger, dass Aufträge aus großen Ausschreibungen auf dem Globus - das sind immer Infrastrukturprojekte: Telekommunikation, Stromversorgung, Gasversorgung, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Müll - an den deutschen Unternehmen vorbeigehen. ({11}) Wenn diese Prestigeobjekte an deutschen Unternehmen vorbeigehen, dann gehen auch weitere Aufträge verloren. Wenn also beispielsweise die Wasserversorgung einer südamerikanischen Großstadt an ein französisches Unternehmen geht, dann werden dort auf lange Sicht kein deutscher Wasserhahn und keine deutsche Pumpentechnik verkauft. Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Prestigeobjekte gewinnen. Wir müssen daher erstens die deutsche Wirtschaft, wenn sie denn will, so begleiten, wie es auch ausländische Staaten mit ihren Unternehmen machen. ({12}) Zweitens müssen wir sehen, dass der Mittelstand zunehmend in die Lage gerät, an der Globalisierung teilzuhaben.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das provoziert eine Zwischenfrage von Herrn Hinsken. Lassen Sie sie zu, Herr Minister?

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr.

Ernst Hinsken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000906, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Minister, ich habe Ihre Rede aufmerksam verfolgt und darauf gewartet, dass Sie auch etwas zur EXPO sagen. Nachdem Frau Kollegin Hermenau vorhin darauf verwiesen hat, dass der Wunsch des Kanzlers erfüllt werden soll, ({0}) möchte ich von Ihnen wissen, in welcher finanziellen Kategorie sich die Wünsche des Kanzlers bewegen, was die Aufteilung des Defizits der EXPO anbelangt.

Werner Müller (Minister:in)

Politiker ID: 11005310

Ich kann Ihnen das Defizit der EXPO im Moment nicht beziffern, weil es mittelfristig zu berechnen ist. ({0}) Es gibt sehr viele offene Forderungen der EXPO, zum Teil auch an Ausstellungsteilnehmer, die EXPO hat ihrerseits wegen Streitigkeiten noch Zahlungen zurückgehalten etc. Das alles muss erst geklärt werden, ehe wir einen Strich unter das Ganze ziehen können. Was die Aufteilung anbelangt, habe ich nicht den letzten Stand; ich habe heute Nachmittag am Schreibtisch gesessen. Aber ich darf Ihnen eines sagen: Mein Haushalt verkraftet das nicht. ({1}) - Sicherlich gibt es Verträge. Aber wenn wir mit diesen Verträgen so umgehen, wie Herr Brüderle mit dem Kohlevertrag - - ich lasse den Rest einmal weg. ({2}) Wir werden den Mittelstand stärker in das Auslandsgeschäft integrieren müssen. Das erfordert das Erarbeiten neuer Instrumentarien. Ein Mittelständler kann sich vielleicht einmal an einem Wettbewerb in China beteiligen. Wenn er dabei nicht zum Zuge kommt, dann beutelt ihn das so stark, dass er dies ein zweites Mal kaum machen kann. Andere Länder geben dem Mittelstand dafür gewisse Hilfen und erzielen dadurch Erfolge. Auch hier müssen wir dem deutschen Mittelstand mehr Anreize geben. Alles in allem darf ich Ihnen sagen: Seien Sie zuversichtlich, was das wirtschaftliche Wachstum anbelangt. Die Zahlen sind gut. Wenn Sie mit Vertretern aus den Betrieben vor Ort reden, dann bekommen Sie auch die richtige Stimmungslage mit. Die Stimmung wird von dem einen oder anderen Verbandsfunktionär nicht immer richtig beschrieben. Das ficht uns aber nicht an und wird uns auch nicht anfechten, wenn wir die Reformen umsetzen, die durchgeführt werden müssen. In diesem Zusammenhang müssen wir uns beispielsweise einmal überlegen, warum wir derartig viel über die Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials durch Einwanderung reden, obwohl wir im Inland eine Vielzahl von nicht berufstätigen Frauen haben, die zu der im historischen Vergleich bisher am besten ausgebildeten Generation gehören. ({3}) Kein Mensch in der Wirtschaft hat ernsthaft mit mir darüber diskutiert, ob Frauenförderpläne einen Nutzen für den eigenen Betrieb bringen. ({4}) Wenn ich von der BDA die Zusicherung bekäme, dass in zwei Jahren in jedem Mitgliedsunternehmen der BDA ein Frauenförderplan vorliegt, dann bräuchte man in der Tat nicht darüber zu reden, eine bessere Förderung von Frauen eher zwangsweise herbeizuführen. Dieses Land hat eine große Zukunft. Irgendwann werden auch Sie das einsehen. Dann werden Ihre Reden wieder etwas optimistischer klingen und Sie können das Stimmungsbild der Fraktion auf der anderen Seite nachvollziehen. Vielen Dank. ({5})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort dem Kollegen Gunnar Uldall für die CDU/CSU-Fraktion.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende. Eure königliche Hoheit ... So beginnt Schiller sein Schauspiel „Don Carlos“. Ein Schauspiel über die schrödersche Wirtschaftspolitik könnte folgendermaßen beginnen: Die schönen Tage in der Wirtschaftspolitik sind zu Ende, Herr Bundeskanzler. ({0}) Die schönen Tage in der Wirtschaftspolitik sind inzwischen zu Ende gegangen. ({1}) Die Reden von Bundeskanzler Schröder und von Minister Müller, in denen sie die Lage beschrieben, stimmen überhaupt nicht mit den Realitäten überein, die wir verzeichnen müssen. ({2}) Hier wird begeistert von Wachstumsraten geschwärmt, die man erreicht hat. Das war sowohl heute Mittag wie auch eben noch einmal so. Die Realität sieht aber anders aus - da sollten wir uns alle überhaupt nichts vormachen -: Die Wachstumsrate betrug im ersten Quartal dieses Jahres 3,6 Prozent, im zweiten Quartal 3,3 Prozent, im dritten Quartal nur noch 2,8 Prozent und im vierten Quartal wird sie voraussichtlich bei 2,3 Prozent liegen. Das ist die Realität. Die Regierung sollte dies entsprechend zur Kenntnis nehmen und sich nicht selber auf die Schulter klopfen. ({3}) Alle Frühindikatoren der Konjunkturentwicklung verschlechtern sich zusehends. Alle Prognosen, die die Wirtschaftsforschungsinstitute für das nächste Jahr abgegeben haben, werden zurückgenommen. Die Ziele, die Sie sich hinsichtlich des Arbeitsmarktes gesteckt haben, werden nicht erreicht. Herr Minister, Ihre Geschichte über die wunderbare Vermehrung der Arbeitsplätze zieht nicht mehr. Inzwischen hat jeder die Eingriffe in die Statistik längst durchschaut. In den Betrieben entstehen nämlich keine neuen Arbeitsplätze durch Neueinstellungen, sondern sie entstehen nur statistisch durch Neuabgrenzungen. Das ist der entscheidende Punkt. Nach wie vor gilt deshalb das Wort von Churchill: Ich glaube nur an die Statistik, die ich selbst gefälscht habe. ({4}) Meine Damen und Herren, das Bündnis für Arbeit, das Vorschläge erarbeiten und der Wirtschaft einen völlig neuen Schwung geben sollte, ist faktisch gescheitert. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob in den letzten Wochen dieses Jahres noch eine weitere Sitzung dieser Runde zustande kommt oder das nächste Treffen erst im nächsten Frühjahr stattfindet. Dieses Bündnis für Arbeit ist gescheitert. Deswegen gilt: Die zarte Frühlingsstimmung zwischen den Wirtschaftsverbänden und Bundeskanzler Schröder ist verhaucht. Ernüchterung macht sich in der Wirtschaft breit. Ich kann in Anlehnung an „Don Carlos“ nur sagen: ({5}) Die schönen Tage in Berlin sind nun zu Ende. Man muss leider hinzufügen: ohne dass die Zeit von der Regierung für eine dauerhafte Strukturverbesserung unserer Wirtschaft genutzt wurde. ({6}) Eine schrödersche Ordnungspolitik kann man auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode beim besten Willen nicht erkennen. Allenfalls ist ein roter Faden zu erkennen. ({7}) Dieser rote Faden bedeutet: Immer dann, wenn es um die Entscheidung mehr Markt oder mehr Regulierung ging, hat sich die Regierung für die Alternative mehr Regulierung und weniger Markt entschieden. ({8}) Ich kann keine einzige wirtschaftspolitische Entscheidung der letzten Zeit anführen, bei der sich die Regierung einmal für mehr Marktwirtschaft entschieden hätte. ({9}) Aber ich kann eine Fülle von Beispielen bringen, bei denen sich die Regierung gegen den Markt entschieden hat. Ich fange einmal mit der Energiepolitik an. Durch die Energiegesetze erfolgte ein Einstieg in neue Dauersubventionen, die uns alle in den nächsten Jahren noch sehr zu schaffen machen werden. Herr Minister, Sie redeten vorhin über den Abbau der Kohlesubvention. Was hier aber an neuen Subventionen aufgebaut wird, wird in drei, vier Jahren das Volumen der Kohlesubvention überschritten haben. Deswegen kann ich nur sagen: Bemühen Sie sich darum, zu verhindern, dass neue Dauersubventionen geschaffen werden! Dauersubventionen können kein Beitrag sein, um die Energieprobleme bei uns in Deutschland zu lösen. ({10}) Das so erfolgreiche Knacken der Strommonopole, womit wir den Stromverbrauchern gewaltige Einsparungen verschafft haben, wird von Ihnen jetzt zum großen Teil wieder zurückgenommen. Mit einem Importverbot - auch das ist eine Anti-Markt-Entscheidung - für den so genannten schmutzigen Strom versuchen Sie jetzt, Herr Minister, die von Ihnen verursachte Fehlentwicklung beim Ausstieg aus der Kernenergie wieder auszugleichen. Wohin man schaut: Es sind immer Entscheidungen gegen den Markt. ({11}) Das Gleiche gilt für die Steuerreform. Auch die Steuerreform hat kein Mehr an Markt, sondern ein Mehr an Regulierung zur Folge. Durch die unterschiedlich hohen Einkommens- und Körperschaftssteuersätze werden erfolgreiche Personengesellschaften so benachteiligt, dass der Staat die Unternehmen faktisch zwingt, sich in eine Kapitalgesellschaft umzuwandeln. Das ist staatliche Lenkung, die wir uns nicht wünschen können. Das Ausschüttungs- und damit das Investitionsverhalten der Betriebe wird staatlich so beeinflusst, dass sie ihre althergebrachten Investitionen weiter verstärken; denn der Weg in die New Economy außerhalb der bisherigen Geschäftsfelder der Unternehmen wird steuerlich bestraft. Deshalb ist auch dieses ein erster Schritt zur Investitionslenkung in Deutschland nach dem Motto: weg vom Markt, hin zur Regulierung. Ein weiteres Beispiel für Ihre marktfeindliche Politik ist schließlich das verfehlte Scheinselbstständigengesetz, mit dem Sie die Menschen davon abhalten, sich selbstständig zu machen, weil Sie neue Regulierungen einführen. Ich habe noch eine ganze Reihe von Beispielen, die ich Interessierten gerne zur Verfügung stelle, die ich aber angesichts meiner Redezeit nicht im Einzelnen vortragen kann. ({12}) Ich möchte aber noch ein Beispiel aus den letzten Tagen nennen, ({13}) nämlich die Begrenzung der Mietanhebung auf 20 Prozent anstelle der Anhebung auf 30 Prozent innerhalb einer bestimmten Frist. Dieses Beispiel zeigt nicht einfach nur den Hang zu mehr Regulierung, sondern auch den Hang zu mehr Regulierung in einer Zeit, in der sich der Mietermarkt völlig gewandelt hat. Wir haben heute ein Überangebot an Mietwohnungen. Deswegen wäre ein solcher Eingriff überhaupt nicht erforderlich. Er ist nur mit Ihrem Wunsch nach mehr Regulierung zu erklären. Das Ergebnis einer solchen Politik ist dann ein Rückfall der deutschen Volkswirtschaft im Vergleich zu unseren Nachbarn. Das gilt nicht nur für die Wachstumsrate - Deutschland ist, zusammen mit Italien, Schlusslicht in Bezug auf das Wirtschaftswachstum -, ({14}) sondern das gilt auch für die Staatsquote, den besten Maßstab dafür, wie viel der Staat versucht zu lenken. ({15}) Die deutsche Staatsquote ist immer niedriger gewesen als der Durchschnitt der Staatsquoten der 15 Staaten der EU. Es hat nur zwei Jahre schröderscher Wirtschaftspolitik bedurft, um Deutschlands Position hinsichtlich der Staatsquote so zu verschlechtern, dass wir jetzt schlechter sind als der EU-Durchschnitt. ({16}) Das wird uns alle in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands noch teuer zu stehen kommen. ({17}) Dabei sind die Chancen für unsere Volkswirtschaft gar nicht so schlecht. Die Union wird in der zweiten Hälfte dieser Legislaturperiode alles daran setzen, um die Regierung zu mehr marktwirtschaftlicher Politik zu treiben. ({18}) Nur dann werden wir die Chancen für mehr Arbeit und mehr Wachstum in Deutschland wahrnehmen können. ({19}) Dabei sind folgende Felder am wichtigsten: Der Arbeitsmarkt muss zu einem echten Markt werden. Zu Recht sagen die Sachverständigen in ihrem jüngsten Gutachten, die desolate Lage des Arbeitsmarktes verlange ein offensives Vorgehen und eine konsistente Konzeption. Herr Minister, eine solche Konzeption wird also nicht nur von uns vermisst, sondern auch von den Sachverständigen. Der von Ihnen beschlossene gesetzliche Anspruch auf Teilzeitarbeit - er ist hier mehrfach behandelt worden - wird Tausende Arbeitsplätze in Deutschland vernichten, aber er wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Deswegen sollten Sie mit großer Intensität versuchen, diesen Unsinn zu verhindern. ({20}) Wir, die Union, werden dafür sorgen, dass die Liberalisierung in weiteren Wirtschaftsbereichen fortgesetzt wird. Besonders besorgt sind wir, dass die Liberalisierung auf dem Postmarkt ({21}) nicht mehr mit der gleichen Intensität vorangetrieben werden soll wie bisher. Das Herausdrängen des Präsidenten der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, Herrn Scheurle, ist eine erste Vorwarnung. Herrn Scheurle möchte ich für sein mutiges Handeln bei der Öffnung des Marktes für Telekommunikation und Post danken. ({22}) Herr Scheurle ist ein echter Marktwirtschaftler. Ich kann nur hoffen, dass die Regierung einen Mann gleicher Qualifikation als Nachfolger einsetzen wird. ({23}) Schließlich noch ein Wort zum Betriebsverfassungsgesetz. Bei meinen vielen Besuchen in Unternehmen habe ich nicht einen einzigen Arbeitnehmer getroffen, der mich angesprochen und gesagt hätte: Herr Uldall, sorgen Sie bitte dafür, dass das Mitbestimmungsrecht in den Betrieben ausgeweitet wird. Diesen Arbeitnehmer gibt es in Deutschland nicht. Aber es gibt viele Gewerkschaftsfunktionäre, die ihre Position oder den Einfluss ihrer Gewerkschaft auf diese Art und Weise sichern wollen. ({24}) - Wolfgang Weiermann [SPD]: Jetzt sind Sie bei Grimms Märchen!) Herr Minister Müller, deswegen habe ich mit Freude in der „Welt“ gelesen - ich möchte Sie ja auch einmal loben -: ({25}) Müller und Rogowski gegen Riesters Pläne. ({26}) Herr Minister, ich kann wirklich nur sagen: Hoffentlich ist dies keine hohle Ankündigung am Tage der Wahl des neuen BDI-Präsidenten. Im Übrigen wünsche ich Herrn Rogowski in seinem neuen Amt viel Erfolg. Eine gute Tat, bei der Sie zusammenwirken könnten, wäre, zu verhindern, dass dieses Gesetz in Deutschland Realität wird. ({27})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, noch einen Satz. Die Union will eine Wirtschaftspolitik mit mehr Markt. Die Regierungskoalition will die Marktkräfte eingrenzen. ({0}) Wir werden dafür sorgen, dass sich die marktwirtschaftliche Politik durchsetzt. Das ist das Beste für die Wirtschaft, für alle Beschäftigten und für unser ganzes Land. Darauf werden wir setzen. ({1})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile jetzt der Kollegin Michaele Hustedt für das Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Davon kommt doch jetzt mehr. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Brüderle hat die verwegene These aufgestellt, dass sich Rezzo Schlauch nicht traut, an dieser Debatte teilzunehmen. Ich kann Ihnen sagen, wo er ist: Er ist bei der Verleihung des Mittelstandspreises an unsere Kollegin Christine Scheel. Damit ist gleichzeitig Ihre These, der Mittelstand habe im Parlament keine Lobby, widerlegt. Der Mittelstand selbst sieht das anscheinend völlig anders. ({0}) Ich möchte Christine Scheel an dieser Stelle zur Überreichung des Mittelstandspreises - dies ist eine Ehre - ganz herzlich gratulieren. ({1}) Ein Schwerpunkt des Haushaltes - dies wurde schon genannt; darauf sind wir stolz; deshalb möchte ich das noch einmal betonen - ist die Aufstockung der Mittel für die Förderung von neuen Energietechnologien, für die Brennstoffzelle, für regenerative Energien. Damit bauen wir eine Brücke in das Solarzeitalter. Damit bieten wir die Chance, dass unsere Kinder in Zukunft mit solarbetriebenen Kraftfahrzeugen fahren können. Damit können wir vor Ort optimieren und virtuelle Kraftwerke der Zukunft aufbauen. Herr Uldall, wenn Sie hier gegen die regenerativen Energien wettern, ist das nichts Neues. Dagegen waren Sie schon immer. ({2}) Nur, da sind Sie selbst in Ihrer Fraktion isoliert, wie man in der letzten Legislaturperiode gesehen hat. ({3}) Wie isoliert Sie sind, erkennt man erst recht, wenn man die Stimmung im Land und die Zustimmung zu unserem Kurs bei den erneuerbaren Energien betrachtet. Gerade heute hat die EU-Kommission ein Grünbuch über Energieversorgungssicherheit verabschiedet, mit dem der deutliche Ausbau und auch die finanzielle Förderung der erneuerbaren Energien voll und ganz unterstützt werden. ({4}) Dadurch fühlen wir uns bestärkt. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit Ihrer Position sind Sie vollständig isoliert. Wenn wir über Zukunftswege bei der Energieversorgung sprechen, muss man auch über die Kraft-WärmeKopplung diskutieren. Herr Brüderle, wenn wir in diesem Zusammenhang ein modernes Instrument, nämlich den Zertifikatshandel, anwenden, dann bedeutet das in keiner Weise, dass wir den Wettbewerb aussetzen. Der in einer Anlage zur Kraft-Wärme-Kopplung produzierte Strom muss sich auf dem Strommarkt bewähren und diese Anlage muss mit anderen solchen - ob Atomanlagen oder Anlagen, die fossile oder erneuerbaren Energien verwenden - konkurrieren. Die Kraft-Wärme-Kopplung bekommt in der Tat einen Bonus durch den Zertifikatshandel. Aber auch hier herrscht ein strikter Wettbewerb. Es gibt keine Abnahme- und Preisgarantie. Das volkswirtschaftliche Ziel ist, diese hoch effiziente Technologie aufzubauen. Gerade Frau Wöhrl müsste darüber begeistert sein, anstatt blind die Argumente der Stromkonzerne zu übernehmen. ({5}) Hat Herr Stoiber nicht gemerkt, was das Wort der Stromkonzerne wert ist? Die Unterschrift unter dem Fusionsvertrag war noch nicht einmal trocken, da hat die Stromwirtschaft die Zusagen, die sie Herrn Stoiber in Bezug auf den Erhalt der Arbeitsplätze in Bayern gemacht hat, schon gebrochen. Herr Stoiber - das wissen wir alle - hat ziemlich getobt. Warum sollen denn wir uns auf die Worte der Stromkonzerne, in Zukunft nicht auf Importstrom zu setzen, verlassen? ({6}) In den nächsten zehn Jahren werden allein durch den Atomausstieg 8 000 Megawatt vom Netz genommen werden. Die Verdopplung der Leistung der Kraft-WärmeKopplung bedeutet gerade einmal eine Zunahme von 5 000 Megawatt. Das heißt, wenn wir auf in Deutschland produzierten Strom setzen wollen, dann ist ein moderner Zertifikatshandel, eine Quote für die Kraft-Wärme-Kopplung, genau der richtige Weg, um Wettbewerb und Umweltschutz miteinander zu verknüpfen. Dazu noch eines - das sage ich auch den Kollegen der SPD-Fraktion; denn da werden ja immer ganz verschiedene Argumente gebracht; man muss schon genau hinsehen -: Die Kohle wird trotz Einführung einer Quote für die Kraft-Wärme-Kopplung eine Chance haben. Manche Kohleanlagen, die 20 Jahre alt und älter sind, werden die notwendigen Effienzstandards, die erforderlich sind, damit sie am Zertifikatshandel teilnehmen könen, nicht erreichen. Aber moderne Kohleanlagen, die in dem Maße, in dem die Gaspreise steigen, zunehmend die Chance bekommen, im Wettbewerb mitzuhalten, erreichen gute Effizienzstandards. Ob man die Cottbuser Braunkohlewirbelschichttechnologie oder auch die Steinkohletechnologie anwendet: Sie können durchaus in dem Zertifikatshandel mit der Krat-Wärme-Kopplung mithalten. In diesem Zusammenhang noch zu einem Punkt, der immer wieder falsch dargestellt wird - teilweise kommt dies von der Opposition; ursprünglich kommt es aber von den Stromkonzernen -: Auch die Brennstoffzelle, eine wirkliche Zukunftstechnologie, ist natürlich Teil der Kraft-Wärme-Kopplung. Wir haben neulich eine Anhörung zum Thema Mikropower durchgeführt, also dazu, wie man die Wasserstofftechnologie und die Brennstofftechnologie in Deutschland voranbringen kann. Da haben uns die Hersteller gesagt: Wenn ihr zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung einen Zertifikatshandel einführt, dann sehen wir das als Chance, in Deutschland noch früher mit diesen Technologien marktfähig zu sein. Ich sage Ihnen: Das ist ein Zukunftsmarkt. Hier spielt die Musik. In den USA hat die Regierung hier einen Innovationsschwerpunkt gesetzt. Ich möchte nicht, dass wir diesen Zug verpassen. Ich möchte, dass Deutschland mitzieht und in moderne Technologien investiert.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, denken Sie bitte an die Zeit.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Mein letzter Satz: Nicht nur im Energiebereich, sondern insgesamt ist der Haushalt des Wirtschaftsministeriums eine gelungene Mischung, weil wir auf der einen Seite sparen, aber gleichzeitig auch Schwerpunkte in Zukunftsinvestitionen setzen. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

(von Abgeordneten der CDU/CSU mit Beifall begrüßt: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung des Bundeshaushalts im September und auch heute haben Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, auf die positive wirtschaftliche Entwicklung verwiesen. Wir freuen uns grundsätzlich natürlich über positive Entwicklungen. Jedoch muss man auch feststellen - das hat das meiner Meinung nach unverdächtige Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung heute dargelegt -, dass sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung abkühlt. ({0}) Das muss uns zu denken geben, weil auch der Ifo-Indikator der wirtschaftlichen Erwartungen mittlerweile zum fünften Mal rückläufig ist. Deshalb ist es wichtig, dass eine andere Wirtschaftspolitik, eine Wirtschaftspolitik, die unserem Land Dynamik verleiht, gestaltet wird und die Wirtschaft von Überregulierungen und Belastungen befreit wird. ({1}) Dies, Herr Wirtschaftsminister, wird leider Gottes mit dem vorliegenden Einzelplan 09 nicht erreicht. Wir müssen feststellen, dass gegenüber dem eingebrachten Regierungsentwurf Verbesserungen im Einzelplan durchgesetzt wurden, natürlich auch aufgrund der Anträge der Opposition. Weil die Arbeitsgruppen für Wirtschaft von SPD und Grünen in den Ausschüssen keine Anträge gestellt haben, müssen wir diese Verbesserungen mit auf unsere Arbeit zurückführen. Das ist in einzelnen Bereichen gut gelungen. Aber man muss leider Gottes noch etwas anderes feststellen. Es wird allgemein immer gesagt, dass es sich um einen Sparhaushalt handelt. Die Zahlen beweisen aber, dass das Haushaltsvolumen von 456 Milliarden DM im Jahr 1998 auf 477 Milliarden DM im Jahr 2001 gestiegen ist. Das ist die neue Sparrechnung der Bundesregierung. Im Einzelplan 09 - Wirtschaftsministerium - wurden im Jahr 1998 noch 14,94 Milliarden DM bewegt und damit wurden wirtschaftliche Impulse gesetzt. ({2}) Im Jahr 2001 sind es nur noch 14,29 Milliarden DM. ({3}) Man sieht also sehr deutlich, dass die Sparpolitik besonders in der Wirtschaftspolitik des Bundes zum Tragen kommt. Zu den Leidtragenden gehört vor allen Dingen der Mittelstand; hier sind die Sparansätze am stärksten. ({4}) Es ist sehr bemerkenswert, dass vor allen Dingen bei der Gemeinschaftsaufgabe Ost, mit der mittelständische Strukturen in den neuen Bundesländern ausgebaut werden sollen, mit über 300 Millionen DM gekürzt wird. Ich habe den Eindruck, diese Kürzung wurde im vorbildlichen Gehorsam gegenüber den SPD- und PDS-regierten Bundesländern Sachsen-Anhalt bzw. Mecklenburg-Vorpommern vorgenommen. Sachsen-Anhalt konnte die Mittel gar nicht abrufen, weil es sie nicht gegenfinanzieren kann. ({5}) Ein wichtiger Aspekt ist sicherlich auch der Tourismus. Ernst Hinsken und der Kollege Brähmig können für sich in Anspruch nehmen, viel für den für Tourismus getan zu haben. Gerade Ernst Hinsken ist ein eifriger Kämpfer für die Förderung und Stärkung des Fremdenverkehrs. ({6}) Aber leider Gottes, lieber Kollege Ernst Hinsken und lieber Klaus Brähmig, haben die entsprechenden Anträge keine Früchte getragen. Sie wurden von den Haushältern von SPD und Grünen nicht erhört. ({7}) Es ist darauf hinzuweisen, dass sich - wie ja festgestellt wurde - die Rahmenbedingungen verschlechtert haben, wie sie durch Rot-Grün gesetzt wurden. Wir können auch auf praktische Beispiele verweisen. Eines der Grundübel verfehlter Wirtschaftspolitik, Herr Bundeswirtschaftsminister, ist die Ökosteuer. Die maßlose Verteuerung von Strom, Heizöl, Benzin und Diesel - sie sollen auch in Zukunft kontinuierlich verteuert werden - ist eine besondere Belastung für die mittelständische Wirtschaft, für unsere Handwerksbetriebe und insbesondere für das Transportgewerbe. ({8}) Ich habe viel Verständnis dafür, dass vor allem das Transportgewerbe Forderungen an die Bundesregierung richtet. Ich glaube zwar nicht, dass das Transportgewerbe gut beraten ist, wenn es zukünftig eine besondere Unterstützung vom Bundeskanzler erwartet und dies zur Chefsache gemacht werden soll, wie es in einer Verlautbarung heißt. Denn wir wissen ja, was es bedeutet, wenn etwas zur Chefsache gemacht wird. ({9}) Wir brauchen nur an den Aufbau Ost oder Holzmann zu denken. ({10}) Es ist natürlich sehr wichtig, darüber nachzudenken, was es für das Transportgewerbe bedeutet, wenn es einseitige Belastungen zu tragen hat und damit im Wettbewerb natürlich nicht mehr bestehen kann, insbesondere weil andere europäische Länder ihr Transportgewerbe unterstützen. ({11}) Ich glaube, dass die Rechnungen des Transportgewerbes von der Regierungskoalition aufmerksam gelesen werden sollten. Ein deutscher 40-Tonnen-Lastzug, der heute mit 40 592 DM im Jahr belastet wird, wird ab 1. Januar 2001 mit 43 427 DM belastet werden. Ein gleichartiger niederländischer Lastzug wird derzeit noch mit 34 644 DM und ab 1. Januar 2001 mit 28 974 DM belastet. ({12}) Diesen Unterschied müssen wir feststellen. Dasselbe gilt für französische und auch für belgische Trucker; auch sie werden besonders entlastet. Dies zeigt sehr deutlich, dass die dortigen Regierungen eine verantwortungsbewusste Politik für die mittelständischen Transportunternehmen machen. ({13}) Es wird immer wieder angeführt, dass die Steuerreform einen Ausgleich für die Belastungen des Mittelstands durch Ökosteuer und die Verteuerungen von Öl, Benzin usw. bringen wird. Wenn die Bundesregierung heute immer darauf verweist, dass es im Jahr 2005 Entlastungen gebe, sage ich, dass bereits 1997 die Bürgerinnen und Bürger und die mittelständischen Unternehmer die erforderlichen Entlastungen hätten haben können, wenn Eichel und Gerhard Schröder seinerzeit ihre Zustimmung zu einer ausgewogenen Steuerreform gegeben hätten. ({14}) Ich glaube, es ist schon wichtig, darauf hinzuweisen, dass die mittelständischen Betriebe - das sind schließlich 90 Prozent der Betriebe im ganzen Land - zum 1. Januar 2001 die Belastungen durch geänderte AfA-Tabellen und durch schlechtere Abschreibungsbedingungen zu tragen haben und nur die Großkonzerne eine steuerliche Entlastung erfahren. Dies empfinden wir als äußerst ungerecht, aber vor allen Dingen als kontraproduktiv für die Unternehmen. ({15}) Herr Bundeswirtschaftsminister, ich fordere Sie auf, Ihren Einfluss geltend zu machen, soweit Sie einen haben, damit die Regelung über die AfA-Tabellen den Mittelstand nicht belastet. Wenn man dabei in die Betrachtung einbezieht, dass zukünftig Drehbänke nicht mehr in zehn Jahren abgeschrieben werden sollen, sondern in 16 Jahren, dann fühle ich mich direkt in die ehemalige DDR versetzt. ({16}) - Ja, es ist so. Wenn die Abschreibungsfrist für PKWs von fünf auf sechs Jahre und ({17}) und für Drucker und Scanner von vier auf sechs Jahre verlängert wird, sie aber für Personalcomputer von vier auf drei Jahre verkürzt wird, dann ist das irgendwie nicht mehr ganz logisch. Darüber hinaus muss man auch feststellen, dass die Abschreibungsfrist für LKWs und Busse ebenfalls eine Verlängerung auf neun Jahre erfahren wird. Dies wird bedeuten, dass Innovation in die Betriebe nicht einziehen wird und neue Techniken zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit nicht in die Betriebe gelangen werden. Ich bin der Meinung, dass wir ein gemeinsames Interesse daran haben, die Betriebe zu stärken. Deshalb müssen die Abschreibungstabellen, wie sie derzeit in der Diskussion sind, weg. ({18})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit weit überschritten.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ein letzter Satz noch, Frau Präsidentin. Dieser mittlerweile zu verzeichnende Rückgang der Investitionstätigkeit wird auch durch die Informationen bestätigt, die Herr Kollege Scherhag heute gab. Deshalb bin ich der Meinung, es wäre das Beste für unser Land, wenn die Abschreibung der Bundesregierung nur noch eineinhalb Jahre dauerte. In diesem Sinne, verehrte Damen und Herren, bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu den Abstimmungen über die Änderungsanträge. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4780. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Einige reagieren gar nicht; auch in Ordnung. - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4781. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? Der Änderungsantrag ist bei Enthaltungen gegen die Stimmen von CDU/CSU und F.D.P. abgelehnt. Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4716. Wer stimmt dafür? Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Ich bitte diejenigen, die dem Einzelplan 09 in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 09 ist angenommen. Ich rufe auf: III. 17 hier: Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusamenarbeit und Entwicklung - Drucksachen 14/4517, 14/4521 Berichterstattung: Abgeordnete Antje Hermenau Michael von Schmude Dr. Barbara Höll Zum Einzelplan 23 liegen zwei Änderungsanträge der PDS vor. Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der F.D.P. vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Damit sind Sie einverstanden. Wir müssen auch über diesen Etat nachher noch abstimmen. Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat der Kollege Dr. Christian Ruck, CDU/CSU- Fraktion, das Wort.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute vorliegende Haushaltsentwurf des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung trägt für mich die Überschrift: Der Karren steckt fest, aber er ist noch einmal schön herausgeputzt. Frau Ministerin, Sie brüsten sich seit Tagen mit der angeblichen Steigerung des Etats um 4,6 Prozent. Dies ist Schönfärberei. ({0}) In Wirklichkeit hat die Entwicklungshilfe kaum eine müde Mark mehr bekommen. Der für das BMZ tatsächlich verfügbare Gesamtetat 2001, also die dem BMZ aus den Einzelplänen 23 und 60 zur Verfügung stehenden Mittel, sind nur um 16 Millionen DM höher als der tatsächlich verfügbare Gesamtetat 2000: 7,528 Milliarden DM in 2001 stehen 7,512 Milliarden DM in 2000 gegenüber. Ich habe das noch wohlwollend berechnet, Frau Ministerin, und Ihnen noch die 100 Millionen DM aus dem EP 60 aus der Bereinigungssitzung hinzugerechnet. Dies steht im Gegensatz zu Ihren eigenen Berechnungen. Aber Sie haben in einem wirklich grandiosen Verwirrspiel die Mittel für Osteuropa, das Stabilitäts- und Transformprogramm im Einzelplan 60, über die Sie offiziell bereits in 2000 verfügten, unter Hinnahme erheblicher Verluste in 2001 zu sich transferiert. Sie haben auch noch die jeweiligen Zahlen aufgebläht, aber tatsächlich hat das Außenministerium auf einen Teil der Gelder Anspruch erhoben. Das ist natürlich keine Erhöhung der Entwicklungshilfe, sondern eine reine Umbuchung. Ihr erster Haushaltsentwurf vom Juli enthielt bezüglich der entwicklungspolitischen Kernaufgaben noch ein offizielles Minus von 2,1 Prozent und konnte nur über die Bereinigungssitzung und nach zahlreichen Erhöhungsanträgen der CDU/CSU-Fraktion einigermaßen gerettet werden. ({1}) Übrig bleibt trotzdem eine bescheidene nominelle Erhöhung. Aber ein weiterer Blick hinter die Kulissen zeigt, dass die Entwicklungshilfe real zurückgeht; denn ein Großteil der dankenswerterweise durchgesetzten Korrekturen - das möchte ich an dieser Stelle sagen - muss den ungünstigen Dollarwechselkurs auffangen und führt zu keiner zusätzlichen entwicklungspolitischen Aktivität. Ich denke nur an die Erhöhungen der Ansätze von über 68 Millionen DM für die internationalen Organisationen. Wir sind zwar froh, dass dies gelungen ist. Aber es ist keine reale Erhöhung. Die Erhöhung der Mittel für die technische Zusammenarbeit um 22 Millionen DM oder die bei der finanziellen Zusammenarbeit um 70 Millionen DM kann weder die Euroschwäche auffangen noch das in Ansätzen ausgleichen, was Sie gerade bei diesen Haushaltsposten in den letzten Jahren angerichtet haben. So läuft es auch bei den Kirchen und Stiftungen nach dem Motto: Drei Schritte zurück und einen Schritt vor. ({2}) Es kommt noch etwas hinzu: Sie haben bereits Teile des zu erwartenden Verkaufserlöses der DEG eingestellt. Das halten wir für einen groben Schnitzer. Man kann sicherlich sachlich darüber diskutieren, ob es die Synergieeffekte eines Zusammengehens mit der KfW rechtfertigen, eine eigene Entwicklungsorganisation aus der Hand zu geben. Aber diese Diskussion fand zumindest im Parlament nicht statt. Falsch ist auf jeden Fall, mit dem Verkauf eines wichtigen Infrastrukturbereichs Haushaltslöcher zu stopfen. ({3}) Dass die Verkaufserlöse der DEG vor allem in die Taschen des Finanzministers und nicht in die Entwicklungspolitik fließen, ist ein handfester Skandal. ({4}) Aus diesem Grunde ist der BMZ-Haushalt für 2001 ein Haushalt der Stagnation und des erneuten Rückschritts, den wir nicht mittragen. Der Haushalt 2001 ist ein erneuter Beleg für den Wortbruch von Kanzler Schröder und Ministerin Wieczorek-Zeul gegenüber den Entwicklungsländern, aber auch gegenüber deutschen Entwicklungspolitikern und den deutschen Nichtregierungsorganisationen. Wenn es nach Ihrer mittelfristigen Finanzplanung geht, werden die Mittel des Haushalts der deutschen Entwicklungshilfe weiter reduziert, sodass der Haushalt innerhalb kürzester Zeit ein Niveau erreichen wird, das um mehr als 1 Milliarde DM unter dem Niveau des letzten Jahres der Regierung Kohl liegt. Der Entwicklungshaushalt wird immer mehr zu einem Steinbruch. Wenn Kanzler Schröder nicht aufhört, den Euro schwach und den Dollar stark zu reden, wird dies unter Umständen tragische Folgen für den tatsächlichen Umfang des Entwicklungshilfehaushalts haben. Es ist aber nicht nur die mangelnde Quantität, sondern auch die abnehmende Qualität der Entwicklungspolitik, die uns Sorgen macht. Politikshow und Propaganda sind wichtig, können aber überzeugende Strategien und sorgfältig ausgearbeitete Konzeptionen nicht ersetzen. Die langjährige erfolgreiche sektorale Schwerpunktsetzung, Armutsbekämpfung, Bildung, Ausbildung, Umweltschutz, und der aufgestellte Kriterienkatalog werden immer mehr verwässert. Die Linie der deutschen Entwicklungspolitik droht unterzugehen. ({5}) Dafür einige Beispiele. „Armutsbekämpfung ist für die Ministerin ein Schlagwort“, so klagt zumindest die Welthungerhilfe. Während sie und der Kanzler, vor allem im Ausland, von der Halbierung der Armut bis 2015 sprechen, sinkt der Anteil der Mittel für Armutsbekämpfung. Die von uns mitgetragene Entschuldungsinitiative kommt zwar bei einigen Ländern langsam in die Gänge, aber die Beispiele zeigen: Entgegen Ihrer Zusicherung ist nicht sichergestellt, dass die frei werdenden Mittel etwa für Armutsbekämpfung und im Geist von „good governance“ eingesetzt werden. Auch die Deutsche Welthungerhilfe und andere NGOs bestätigen, was wir immer festgestellt haben: Die jährliche Entschuldungslast der Bundesrepublik Deutschland, die entgegen Ihren Versprechen, Frau Ministerin, doch im BMZ angesiedelt wird - soweit es den deutschen Beitrag zum multilateralen HIPC-Fonds betrifft -, ist nur ein Bruchteil dessen, was der Entwicklungshilfe auf der anderen Seite durch massive Haushaltskürzungen weggenommen wird. Auch beim Umwelt- und Ressourcenschutz droht die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit rot-grüner Politik größer zu werden. Wenn man Ihre Besuchsprogramme, Reden und Presseerklärungen verfolgt, Frau Ministerin, kommt niemand auf die Idee, dass Ihnen das ein großes Anliegen ist. Die ursprünglichen Kürzungen der bilateralen FZ- und TZ-Maßnahmen in diesem Sektor beliefen sich auf über 65 Millionen DM. ({6}) - Ich komme gleich zu einer guten Stelle. ({7}) - Das war sie. - Ich freue mich immer, wenn es im Haus lustig zugeht, aber ausgerechnet bei dem Thema bitte ich doch um etwas mehr Ernst. ({8}) Es geht also um den Umwelt- und Ressourcenschutz. Gerade bei Wald, Wasser und Wüste wird die Situation immer bedrohlicher und der Bedarf immer größer. Der gescheiterte Klimagipfel in Den Haag hat deutlich gemacht, dass die Entwicklungshilfe gerade hier in Zukunft noch stärker gefordert werden wird. Vor diesem Hintergrund droht der regionalen und sektoralen Schwerpunktsetzung mit Ihrem neuen Konzept der nächste Fehlschlag. VENRO hat Ihnen zu Recht vorgeworfen, dass gerade die Berücksichtigung der Ärmsten der Armen in diesem Konzept fehlt. Von den 48 am wenigsten entwickelten Ländern werden 26 nicht in den zukünftigen Kreis der bisher geförderten aufgenommen. Da fragt man sich natürlich: Wie verträgt sich das mit Ihrer Zusage, die Armut halbieren zu wollen? Auch die sektorale Schwerpunktsetzung könnte schlimm enden. Eine Beschränkung auf drei Schwerpunkte klingt gut, wird aber in der Tendenz dem bisherigen Grundanliegen unserer Entwicklungspolitik nicht gerecht. Denn viele Partnerregierungen werden versucht sein, aus der Zahl ihrer möglichen Schwerpunkte die auszuwählen, die für sie am bequemsten sind. In Indonesien zum Beispiel fielen dadurch die Bereiche Demokratisierungshilfe und Politikberatung ebenso durch den Rost wie der gesamte Forstsektor; Bereiche also, die wir auch im AWZ über alle Parteigrenzen hinweg für Schlüsselbereiche halten. Das ist eine gefährliche Falle, die wir unbedingt vermeiden müssen. ({9}) Auch eine weitere kostenintensive Idee von Rot-Grün halten wir für falsch, nämlich den Aufbau des zivilen Friedensdienstes. Selbstverständlich kann Entwicklungspolitik mit sinnvollen Projekten im Bereich der Krisenprävention hierzu einen wertvollen Beitrag leisten. Aber die Probleme, die uns im Sicherheitsbereich der Entwicklungshilfe bedrücken, nämlich die Kriege und Bürgerkriege zum Beispiel in Afrika, die jahre- und jahrzehntelange Entwicklungshilfe zunichte machen, sind natürlich nicht durch den zivilen Friedensdienst zu lösen, sondern nur durch eine entschlossene deutsche und internationale Außen- und Sicherheitspolitik. Davon sind wir weit entfernt. Die deutsche Außenpolitik bietet für Afrika kein Konzept - sie zeigt noch nicht einmal großes Engagement -, das mit dem BMZ abgestimmt wäre und dessen Arbeit unterstützt. Im Gegenteil: Von führender Stelle des Außenministeriums kommen sowohl von Rot als auch von Grün ständig Sticheleien gegen die Arbeit des Entwicklungsministeriums. Das ist sogar noch wesentlich schlimmer als der Auflösungsantrag der F.D.P., den wir natürlich schärfstens zurückweisen. ({10}) Wir stehen ohne Wenn und Aber zu einem eigenständigen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. ({11}) Wir stehen zu den vielen staatlichen und freiwilligen Entwicklungshelfern - auch im ureigenen deutschen Interesse -, die sich im besten Sinne für eine bessere Welt einsetzen. Wir kämpfen um den Haushalt des BMZ und wehren uns nicht gegen eine Diskussion um neue Akzente. ({12}) Wir brauchen zum Beispiel im Bereich der Energiepolitik neue Ansätze, eine Diskussion über einen flexibleren und stärkeren Einsatz bei der Politikberatung sowie die Diskussion über internationale Organisationen. So sollten Schwächen, zum Beispiel unser mangelnder Einfluss bei der Besetzung von Schlüsselpositionen in der EZ, angesprochen werden. ({13}) Die Entwicklungspolitik eignet sich aber nicht für kurzatmige Experimente. Der Erfolg hängt von der Berechenbarkeit, der durchdachten Konzeption sowie von nationaler und internationaler Durchsetzbarkeit ab. Der vorliegende Haushalt und die Politik seit dem Regierungswechsel erfüllen diese Anforderungen nicht. Deswegen lehnen wir diesen Haushalt ab. ({14})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das Wort hat nun der Kollege Emil Schnell, SPD-Fraktion.

Dr. Emil Schnell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Ruck, geben Sie sich doch einfach mal einen Ruck und freuen Sie sich mit uns darüber, dass wir bei diesem Einzelplan etwas erreicht haben. ({0}) Wir haben ordentlich etwas draufgelegt. Ich sehe Ihren großen Augen und den offenstehenden Mund an, dass Sie das noch gar nicht realisiert haben bzw. noch immer darüber staunen, dass wir das so hinbekommen haben. ({1}) - Ich habe eine neue Brille. Insofern: Freuen Sie sich doch einfach mit uns! Ich werde widerlegen, was Sie dargestellt haben. In vielen Bereichen gibt es nämlich Erhöhungen, die Sie geleugnet haben. Wir aber haben die Ansätze nicht nur herausgeputzt, sondern in elementaren Bereichen etwas getan. Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Vorweg zur Frage der DEG, die Sie angesprochen haben: Der Auftrag der DEG - Entwicklungspolitik mit dem Mittelstand in den Partnerländern zu verknüpfen bleibt erhalten; auch unter der KfW wird das so bleiben. Insofern greift Ihre Kritik ins Leere. ({2}) Konsolidieren und gestalten - das haben Sie in den letzten zwei Tagen des Öfteren gehört. Auch anhand dieses Einzelplans kann man deutlich herausarbeiten, was wir unter „gestalten“ verstehen. Im Vorfeld der Haushaltsberatungen wurde an dem Entwurf aus der ersten Lesung Kritik geübt, von der Opposition, von VENRO, auch von den NGOs. Soweit sie konstruktiv war, hat sie uns dazu gebracht , bestimmte Dinge zu verbessern. Ich nenne nur folgende Fragen: Ausgleich für die Wechselkurse, Umfang der Mittel für den Stabi-Pakt, für die NGOs, zur Höhe des Gesamtplafonds. All das haben wir in hervorragender und befriedigender Art und Weise beantwortet. Ich werde später konkret darauf eingehen. Es gibt zum Glück im Deutschen Bundestag ein großes Einvernehmen darüber, dass wir in diesem Etat, dass wir in der Entwicklungspolitik etwas tun wollen. Wir haben den Etat immerhin - zusätzlich zu dem, was die Regierung bereits beschlossen hatte - um 2,8 Prozent aufgestockt. Darauf können wir stolz sein. ({3}) Die Mittel im Einzelplan 23 sind Investitionen - Investitionen in die Zukunft der Partnerländer und bei uns im Land. Sie werden sogar bei der Investitionsquote angerechnet. Auch das ist ein Punkt, der nicht außer Acht gelassen werden darf. Im Gegensatz dazu steht der Antrag der F.D.P. zur Auflösung des BMZ; dieser Populismus, bei dem es nur um eine schnelle Pressemitteilung geht, bringt uns nicht weiter. ({4}) Ich möchte hier ganz klar sagen, dass wir diesen Antrag strikt ablehnen. Wir wollen vielmehr das Ressort und damit diesen Politikbereich stärken. ({5}) Das haben wir in den Haushaltsplanberatungen auch gezeigt. ({6}) - Lieber Kollege Hedrich, im Vergleich zum Haushalt 2000 steigt der Plafond um 325 Millionen DM auf 7,427 Milliarden DM. Dies ist ein Plus von 4,6 Prozent. Das hätten Sie wohl kaum erwartet. Es hat Sie in der Tat überrascht. Das hat man bei Ihrer ersten Rede gemerkt. Ich denke, lieber Kollege Hedrich, das werden Sie nachher in der Schlussrunde vielleicht richtig stellen. Im Prinzip gibt es auch überhaupt keinen Grund für Sie, diesen Einzelplan abzulehnen, da wir eigentlich alle gestellten Forderungen, zum Beispiel auch die Anträge, die Sie im AWZ gestellt haben - ich komme auf sie noch zu sprechen -, mit Leben erfüllt haben. Wir haben das so ausgestaltet, dass Sie eigentlich mit jeder Entscheidung zufrieden sein können. Ich erwarte von Ihnen ganz einfach, dass Sie dem Einzelplan nachher zustimmen. ({7}) Von der F.D.P. kann ich das nicht erwarten, aber von Ihnen darf ich das eigentlich erwarten. Wir haben in den Haushaltsberatungen 203 Millionen DM zugelegt. Die Verpflichtungsermächtigungen haben wir - man höre und schreibe - sogar um 20 Prozent erhöht. Das gab es bei Ihnen seinerzeit nie. Durch die Plafonderhöhung steigt der Anteil des Einzelplans 23, bezogen auf den Gesamthaushalt, von 1,5 Prozent auf 1,6 Prozent. Ich denke, auch das ist ein Erfolg, auf den wir stolz sein können. ({8}) Zur Gegenfinanzierung wurden in der Tat 100 Millionen DM aus dem DEG-Verkauf eingesetzt. Das soll auch im nächsten Jahr noch einmal geschehen. Ich denke, das ist legitim und auch vernünftig, da wir bei solider Haushaltsführung immer eine Gegenfinanzierung brauchen. Damit sind Sie in den Haushaltsplanberatungen 2001 leider überhaupt nicht zurechtgekommen. ({9}) Gegenfinanzierung war für Sie ein Fremdwort in jeder Hinsicht, nicht nur bei diesem Einzelplan, sondern auch bei anderen Einzelplänen. Insofern bitte ich auch hier um etwas mehr Solidität und Seriosität. ({10})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Weiß?

Dr. Emil Schnell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn sie einigermaßen vernünftig und intelligent ist, ja.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das können wir aber erst im Nachhinein beurteilen. - Herr Kollege, bitte sehr.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dr. Schnell, da Sie soeben selbst herausgearbeitet haben, dass die Deckung der Erhöhung im Wesentlichen daraus resultiert, dass dem Staat einmalige Einnahmen dadurch zufließen, dass das Staatsunternehmen KfW das Staatsunternehmen DEG erwirbt, möchte ich Sie fragen: Was passiert eigentlich ab 2003, also ab dem Zeitpunkt, da die Mittel - jeweils 100 Millionen DM in den Jahren 2001 und 2002 - aus diesem Verkauf vollständig in den BMZ-Haushalt eingeflossen sind? Darauf möchten wir gerne eine Antwort haben. Ist das eine nachhaltige Erhöhung des BMZ-Etats oder ist das eine Scheinerhöhung über zwei Jahre, nach der der Absturz umso gravierender ist? ({0})

Dr. Emil Schnell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002050, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Über zwei Jahre findet eine wirkliche Erhöhung statt. Die mittelfristige Finanzplanung ist nicht Sache des Haushaltsausschusses. Das wissen Sie vielleicht auch. Aber ich gehe fest davon aus, dass wir nach diesen zwei Jahren nicht den Abbruch organisieren werden, sondern dass wir mindestens auf dieser Höhe weiterarbeiten werden. ({0}) Reicht das aus, um Ihre Zustimmung zu erhalten? ({1}) Im Einzelplan 60 haben wir 100 Millionen DM für den Stabilitätspakt Südosteuropa etatisiert. Das war in der Tat ein Kompromiss. Es gab Diskussionen. Wir wollten das anders organisieren. Aber richtig ist: Das Auswärtige Amt und das BMZ wie auch andere Etats müssen Zugriff auf diesen wichtigen Titel haben. Die Probleme in dieser Region in Serbien, aber nicht nur dort - sind dringlich. Deshalb muss man - das will ich hier noch einmal betonen - aus diesen Mitteln auch Fragen der Flüchtlingsrückkehr, des Wiederaufbaus, der humanitären Hilfe und Versorgung finanzieren. Nach Kroatien wollen 35 000 Menschen, nach Bosnien etwa 30 000 zurückkehren. Ich gehe davon aus, dass wir aus diesen Mitteln auch die Lösung dieses Problems finanziell mit unterstützen können. Ich möchte ganz gerne noch auf die Änderungsanträge eingehen, die im Zuge der Beratungen im AWZ eingebracht worden sind, und zwar überwiegend auf die rotgrünen Vorschläge. Ich habe festgestellt, dass die Vorschläge der CDU/CSU, zum Teil auch der F.D.P. und der PDS in die gleiche Richtung gehen. Es wurde zum Beispiel der Antrag gestellt, den Ansatz für entwicklungspolitische Bildung um 1,2 Millionen DM gegenüber dem Regierungsentwurf zu erhöhen. Das wurde im Haushaltsausschuss so beschlossen. Weiter wurde vorgeschlagen, die Mittel für die privaten deutschen Träger, also in erster Linie für unsere NGOs, um 1,5 Millionen DM anzuheben. Wir haben gesagt: Die Arbeit, die diese Organisationen leisten, ist sehr wichtig. Wir wollen da noch mehr tun. Deshalb haben wir 3 Millionen DM zusätzlich bewilligt, also das Doppelte von dem, was unsere rot-grünen AWZler gefordert haben. ({2}) Er wurde des Weiteren gefordert, den Titel „Integrierte Fachkräfte/Reintegration“ um 4,5 Millionen DM anzuheben. Das ist so beschlossen worden. Für die berufliche Aus- und Fortbildung wurden 5 Millionen DM mehr gefordert. Dies ist fast so bewilligt worden. Der Ansatz für Ernährungssicherung sollte um 3 Millionen DM angehoben werden. Auch das ist so beschlossen worden. Der Ansatz für die politischen Stiftungen, die in Osteuropa und in dem Gebiet der ehemaligen GUS tätig sind, sollte um 30 Millionen DM erhöht werden. Tatsächlich ist eine Erhöhung um 35 Millionen DM bewilligt worden, weil wir wissen, dass die dort tätigen Stiftungen Probleme bekommen werden, wenn nichts passiert. Deshalb haben wir gesagt: Die Stiftungen müssen auch mit Mitteln aus diesem Ansatz finanziert werden. Sie haben nun aufgrund der Erhöhung um 35 Millionen DM die Möglichkeit, Defizite auszugleichen, die in anderen Bereichen entstanden sind. An den EEF-Titel sind wir nicht herangegangen - auch das wurde vorgeschlagen -, weil das keinen Sinn macht; denn wir wollen die Mittel für die finanzielle Zusammenarbeit deutlich erhöhen. Aufgrund des Deckungsverbundes in dem Bereich macht es keinen Sinn, den EEF-Titel zu kürzen. Im Bereich der Verpflichtungsermächtigungen gab es viele Vorschläge. Diese sind fast 1:1 umgesetzt worden. Ich als Haushälter muss insofern meinen Kollegen vom Fachausschuss - das ist durchaus unüblich - ein Kompliment für die sehr konstruktive Zusammenarbeit und für ihre realistischen Vorschläge machen, die fast alle umgesetzt werden konnten. Das war früher nicht immer der Fall. Das ist der richtige Weg. Ich bedanke mich für diese Zusammenarbeit. ({3}) Es gab auch noch ein paar andere Bereiche, in denen mehr draufgelegt worden ist, als im Fachausschuss gefordert wurde. So ist zum Beispiel der Ansatz für die finanzielle Zusammenarbeit - Bekämpfung von Aids, Förderung der regenerativen Energien und Schutz des Tropenwaldes - um 70 Millionen DM angehoben worden. Auch bei der TZ haben wir uns deutlich bewegt: bar plus 22 Millionen DM und sage und schreibe plus 170 Millionen DM bei der VE. Die Verpflichtungsermächtigungen für FZ und TZ sind gegenüber dem Entwurf um 300 Millionen DM erhöht worden. Damit ist sichergestellt, dass die Aufgaben auch zukünftig finanziert werden können. Noch ein Hinweis: Im Haushaltsgesetz wurde der Gewährleistungsrahmen für die Verbundfinanzierung, die uns eigentlich immer sehr am Herzen liegt, um 250 Millionen DM auf 3,15 Milliarden DM angehoben. Das zeigt ganz klar, dass wir die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ausweiten wollen. Das belegt auch die Steigerung des Ansatzes für die FZ. Die Projekte im PPP-Bereich, zum Beispiel auch im Bereich der Aids-Bekämpfung, werden von uns gefördert. Das ist vernünftig. Die Ministerin hat ja dankenswerterweise in der letzten Zeit gerade die Einbindung der Wirtschaft in die Entwicklungspolitik stark vorangetrieben. Man hört, dass bis zu 600 Vorschläge für Projekte auf dem Tisch liegen. Sicherlich sind nicht alle Projekte realistisch. Wir verteilen keine Subventionen und sind auch nicht auf kurzfristige Effekte aus. Aber es ist ein guter Ansatz, gemeinsam mit der WirtPeter Weiß ({4}) schaft neue Potenziale zu erschließen und dadurch die Entwicklungshilfe letztendlich zu stärken. ({5}) Ich möchte noch auf eine Sache eingehen, die - hoffentlich wird das hier anerkannt - wirklich großartig ist, und zwar nicht deshalb, weil Sie von der CDU/CSU das vorgeschlagen haben. Bereits im August hatte das Bundesfinanzministerium dankenswerterweise einen Vorschlag für einen echten Wechselkursausgleich unterbreitet. Das wird zur Verstetigung der internationalen Verpflichtungen führen und die Verlässlichkeit erhöhen. Das heißt allerdings im Umkehrschluss, dass bei Minderbedarf die entsprechenden Mittel zum Finanzministerium zurückfließen werden. Aber der angestrebte Ausgleichsmechanismus ist durchaus vernünftig. Wir waren froh, dass der Vorschlag auch schon vonseiten des BMF in die Beratung gekommen ist. Das ist ein Grund mehr für Sie, dem Ganzen zuzustimmen. ({6}) Es gibt noch eine ganze Reihe von Punkten, die man ansprechen müsste. Meine restliche Redezeit wird mir hier mit 56 Sekunden angezeigt, jetzt noch mit 53 Sekunden. ({7}) Ich versuche, die Punkte in dieser Zeit kurz zusammenzufassen. Mit dem, was wir beschlossen haben, hat sich der entwicklungspolitische Gestaltungsrahmen auf jeden Fall deutlich ausgeweitet. Wir können mit den Verpflichtungsermächtigungen, die ich angesprochen habe, eine ganze Menge erreichen, vor allem in den Bereichen Mittelosteuropa, Zivilgesellschaft, FZ, TZ, Agrarforschung, Ernährungssicherung, integrierte Fachkräfte etc. Die Plafonderhöhungen gestatten neue Akzentsetzungen, zum Beispiel bei der Aids-Bekämpfung, die gerade meiner Fraktion sehr am Herzen liegt, bei der Armutsbekämpfung, bei der Förderung erneuerbarer Energien und beim Tropenwaldschutz. Letzterer ist von den Grünen stark akzentuiert worden. Insofern: Vielen Dank für diese Anregungen! Es ist schade, dass der Kollege von Schmude heute nicht hier sein kann; er hätte vielleicht einen anderen Auftaktvortrag gehalten als den, den wir eben gehört hatten. Ich möchte ihm von hier aus ganz herzliche Genesungswünsche übermitteln - ich denke, im Namen des ganzen Hauses. ({8}) Ich hoffe, dass er bald wieder bei uns sein kann. Ich danke natürlich insbesondere dem BMF, dem BMZ sowie den Kolleginnen und Kollegen aus dem Fachausschuss und aus meiner Arbeitsgruppe. Ich möchte ganz einfach darum bitten: Stimmen Sie dem stark verbesserten Einzelplan 23 zu! Vielen Dank. ({9})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich erteile das Wort dem Kollegen Jürgen Koppelin, F.D.P.-Fraktion.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst mal herzlichen Dank, dass Sie noch zu dieser späten Stunde hier im Plenarsaal sind. Wir haben ja immer das Problem, dass dieser Etat zu später Stunde beraten wird. Ich denke, das sollten wir allgemein bedauern. Die Erwartungen an die Entwicklungspolitik der rotgrünen Koalition waren sehr hoch. Das lag sicherlich nicht nur daran, dass Sie in der Oppositionszeit viel versprochen haben, sondern auch daran, dass Sie im Koalitionsvertrag einiges versprochen haben. Daran müssen Sie sich messen lassen. Sie wollten doch - so steht es auch im Koalitionsvertrag - die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und politischen Verhältnisse in den Entwicklungsländern verbessern. Aber nicht nur das: Die Koalition versprach auch noch, die Entwicklungspolitik weiterzuentwickeln. Ich sehe und höre davon in diesem Haushalt nichts. ({0}) Vielleicht wollte die Ministerin tatsächlich neue Akzente setzen. Vielleicht wollte die Ministerin in den Entwicklungsländern wirklich mehr für die Stärkung der Wirtschaft, für die Gesundheit und vor allen Dingen für die Frauen erreichen. Nur, wie soll das mit diesem Haushalt überhaupt gehen? Vor allem fragt man sich natürlich: Wie will sie diese Zielvorstellungen erfüllen angesichts eines Finanzministers, mit dem sie in herzlicher hessischer Parteifreundschaft verbunden ist? Jeder weiß, was das bedeutet: Er wird ihr keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung stellen. ({1}) Versprochen wurde, dass dieses Ministerium unter dieser Koalition eine große Blüte erleben würde. Die Bilanz ist heute, dass das Bundesministerium fast politikunfähig geworden ist. ({2}) Eigentlich zeichnete sich dieses Ministerium in der Öffentlichkeit in den letzten Monaten doch nur durch zweierlei aus: Zum einen ist da der Streit um die Personalpolitik der Ministerin, der die Schlagzeilen bestimmt hat. ({3}) - Emil, ich habe doch alles dabei. Darauf kannst du natürlich nicht eingehen. Aber dann muss ich das eben tun. Zum anderen waren da noch die Schlagzeilen, dass Frau Ministerin hoffe, ihr Ministerium werde in zukünftigen Zeiten finanziell besser ausgestattet. ({4}) Das bedeutet doch, dass sie mit diesem Etat auf keinen Fall zufrieden ist. Frau Ministerin, Sie sollten uns also erklären, was Sie in den nächsten Jahren erwarten. Damit können Sie sich dann in diesem Jahr trösten. Peter Weiß ({5}) Lieber Emil, nach dem zu urteilen, was du hier zum Haushalt vorgetragen hast, brauchst du - wie ich schon in einem Zuruf zum Ausdruck gebracht habe - wirklich eine neue Brille. Oder ich muss einen falschen Haushaltsplan bekommen haben. Irgendetwas ist da jedenfalls nicht in Ordnung; wir sollten einmal unsere Haushaltspläne vergleichen. Dieser Haushaltsplan zeichnet sich nämlich in erster Linie durch Buchungstricks aus. Das ist vorhin schon erwähnt worden, ich komme gleich noch darauf zurück. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Recht auf Bildung ist ein Bestandteil der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Bildung und Ausbildung müssen deshalb im Mittelpunkt unserer Entwicklungsbemühungen stehen. Nur, so stellt man fest: Das, was man im Haushaltsgesetz lesen kann, ist nicht einmal der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Die Ächtung der Gewalt gegen Frauen sowie die gezielte Förderung von Bildungsund Ausbildungsmaßnahmen für Frauen und Mädchen in den Entwicklungsländern müssen eine Kernforderung der Entwicklungspolitik sein. Ich glaube sehr wohl, Frau Ministerin, dass Sie sich dafür einsetzen wollen. Ich frage mich nur: Wie wollen Sie das mit diesem Haushalt tun? Mit guten Worten sind diese Ziele in keiner Weise zu erreichen. ({7}) Ich weiß sehr wohl: Der Staat allein kann nicht alles ausrichten. Aus liberaler Sicht wird deswegen eine erfolgreiche Entwicklungspolitik künftig davon abhängig sein, wie das Engagement der einzelnen Bürger aussieht, wie sich Privatunternehmen engagieren und wie Nichtregierungsorganisationen von uns unterstützt werden. Gerade die Nichtregierungsorganisationen haben schlanke Verwaltungsstrukturen und sie könnten viel erreichen; aber wir lassen sie irgendwie im Regen stehen, weil wir ihnen nicht genug Mittel geben - jedenfalls nicht mit diesem Etat. Dieser Etat der Ministerin Wieczorek-Zeul, der Einzelplan 23, ist, wie wir bedauerlicherweise feststellen müssen, eine traurige Bilanz der entwicklungspolitischen Arbeit dieser Regierung - nicht mehr und nicht weniger. ({8}) Wer sich diesen Einzelplan anschaut, der muss einfach feststellen - wir müssen Sie immer wieder an Ihre Versprechungen aus Oppositionszeiten und aus dem Regierungsprogramm erinnern -: Die Entwicklungspolitik ist inzwischen ein Stiefkind dieser Regierung. ({9}) Wenn Sie uns nicht glauben, dann schauen Sie sich doch einmal an, was andere erklärt haben. Ich nenne die Deutsche Welthungerhilfe, terre des hommes usw. Sie alle erklären nach zwei Jahren Amtszeit dieser Ministerin: traurige Bilanz! Es handelt sich bei diesen Organisationen nicht gerade um unsere Freunde; schließlich haben sie in der Vergangenheit auch uns kritisiert. Frau Ministerin, die Sonntagsreden nützen nichts: Sie können mit diesem Etat sehr wenig anfangen. Die Zusammenführung von DEG und KfW mag ein vernünftiger Vorgang sein. Lieber Emil Schnell, ich habe zur Vorbereitung auf den heutigen Tag Reden von dir nachgelesen. Ich stelle fest, dass du früher etwas ganz anderes erzählt hast. ({10}) Ich darf einmal zitieren: Wir sind der Ansicht, dass nur wegen kurzfristiger und geringer Privatisierungserlöse eine unbedachte und schnelle Privatisierung nicht angezeigt ist. ({11}) Das Protokoll vermerkt interessanterweise: „Beifall bei der SPD und der F.D.P.“ Daran kann man sehen, wie schnell sich Auffassungen ändern, wenn man an der Regierung ist. Gestatten Sie mir eine Bemerkung, die mir im Rahmen der heutigen Debatte wichtig ist. Ich möchte den politischen Stiftungen und den Nichtregierungsorganisationen danken. Beide leisten Hervorragendes für das deutsche Ansehen in der Welt. Ich ärgere mich schon das eine oder andere Mal heftig darüber, dass gerade unsere politischen Stiftungen durch die Medien in den Topf der Parteienfinanzierung geworfen werden. Jeder, der die politischen Stiftungen kritisiert, sollte sich einmal anschauen, was die politischen Stiftungen draußen in der Welt machen. ({12}) Ich hoffe, dass es den politischen Stiftungen gelingt, auch in Mittel- und Osteuropa wichtige Beiträge zur Demokratisierung zu leisten. Ich komme nun darauf zu sprechen - Sie wollen das natürlich hören -, warum wir den Antrag gestellt haben, dieses Ministerium aufzulösen. ({13}) - Sie haben keine Geduld. ({14}) - Sie sind doch nur unruhig, weil Sie eigentlich mit dieser Ministerin unzufrieden sind und nicht mit meiner Rede. Das ist doch das Problem. ({15}) Der Kollege Joachim Günther hat bei früherer Gelegenheit schon einmal darauf hingewiesen: Wie ist es möglich, dass der Außenminister diplomatische Vertretungen, zum Beispiel Botschaften in Afrika, auflöst, ohne mit der Ministerin je ein Gespräch darüber geführt zu haben? Das wäre doch nötig gewesen; stattdessen ignoriert er sie und hat keinerlei Interesse an einem solchen Gespräch. Kollege Ruck, Sie haben unseren Antrag zwar ein bisschen kritisiert, aber ich verspreche Ihnen: Wenn wir das Ministerium auflösen, dann bleibt der Fachausschuss bestehen, Sie können Ihren Sitz dort behalten und brauchen nicht in den Auswärtigen Ausschuss zu gehen. ({16}) Ich gebe zu, dass wir als F.D.P. bezüglich unserer Forderung einer Eingliederung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in das Auswärtige Amt etwas nachdenklich wurden, weil in der „Leipziger Volkszeitung“ Folgendes steht - der Kollege Günther hat mir das gegeben -: „Fischer verspricht: Ich tue alles für die Abschaffung des Außenministers“. Das hat bei uns natürlich Zweifel hervorgerufen. - Wir meinen schon, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufgelöst und in das Auswärtige Amt eingegliedert werden muss. Lassen Sie mich Ihnen, Frau Ministerin, zum Schluss Folgendes sagen: Ihre Politik erinnert mich an Ihre Südseefahrt. Als Sie losfuhren, war alles unkoordiniert. Sie waren und blieben weit weg vom Ziel, hatten keinen Kontakt zur Außenwelt mehr, dann fiel auch noch der Motor aus und Sie selber brauchten Hilfe. Das ist die Politik Ihres Ministeriums. Ihre Politik sieht genauso aus wie das, was Sie damals in der Südsee erlebt haben. Vielen Dank für Ihre Geduld. ({17})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Kollegin Antje Hermenau für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines muss man dem Kollegen Koppelin konzedieren: Seine Rede war unterhaltsam. Ich beginne meine Rede zum Einzelplan 23 mit einem Dank an die Kollegen, die sich mit viel Mühe für den Etat eingesetzt haben. Ich verrate hier kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es nicht immer leicht ist, im Haushaltsausschuss die entsprechenden Mehrheiten für die Belange der Entwicklungszusammenarbeit zu finden. Wir haben es geschafft und wir alle - von allen fünf Fraktionen können ruhig einmal diesen Erfolg genießen. ({0}) Jetzt schauen wir uns doch einmal an, was wir geschafft haben. Es geht nicht nur um irgendwelche Pflätserchen auf irgendwelchen kleinen Wunden. Wir haben langfristige und strukturelle Probleme angefasst und zum Teil sogar gelöst. Seit Jahren gibt es das Problem der Wechselkursanpassung; in diesem Jahr ist es uns richtig auf die Füße gefallen. Der Stichtag für den Dollar-Umtauschkurs ist im Frühjahr, sodass man den Kurs nicht zeitnah genug für das nächste Jahr einschätzen kann. Wenn danach der Dollar ansteigt, geht die Umrechnung zulasten zum Beispiel der Projektfinanzierung. Wir haben jetzt den Stichtag auf Oktober gelegt und sind damit zeitnäher am folgenden Haushaltsjahr. Das wird sich im Haushalt 2001 positiv, wie ich annehme, auswirken; denn im Oktober dieses Jahres war der Wechselkurs für den Dollar so hoch, dass er kaum noch überboten werden wird. Das heißt, dieses Problem haben wir gelöst. ({1}) Das nächste Problem waren die Verpflichtungsermächtigungen; es ist auch ein strukturelles und längerfristiges Problem. Wir haben es zumindest angepackt. Ich will noch nicht so kühn sein, zu behaupten, wir hätten es gelöst; aber wir haben es energisch angepackt. Eine Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen, also der Ausgabeabsichten in den Folgejahren, um 20 Prozent halte ich für einen Erfolg für diesen Einzelplan. ({2}) - Sie können ruhig klatschen, das ist völlig in Ordnung. ({3}) Des Weiteren ist die Beißlust des Finanzministers hinsichtlich der Verbundfinanzierung ein bisschen gebremst worden. Es gab ja immer große Bedenken aus dem Bundesfinanzministerium. Diesmal war es schon im Vorfeld kein großes Problem, den Gewährleistungsrahmen für die Verbundfinanzierung anzuheben. Auch das halte ich für einen Erfolg. Das heißt, die Kommunikation der letzten Jahre hat dazu geführt, dass sich der BMF, wenn auch gemessenen Schrittes, in diese Richtung bewegt. Außerdem ist es uns zum ersten Mal seit Jahren gelungen, dass die lineare Stellenkürzung im Einzelplan 23 nicht mehr durchschlägt. ({4}) Ich komme noch zu ein paar grünen Erfolgen, die ich natürlich auch nennen muss, wenn ich für meine Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier in die Bütt gehe. Ich bin sehr froh darüber, dass es Impulsfinanzierungen für die Einführung der regenerativen Energien in den Entwicklungsländern geben wird. ({5}) Ich bin froh, dass die Mittel für den Tropenwaldschutz stabilisiert worden sind. ({6}) Und ich finde es gut, dass wir es geschafft haben, auch die institutionellen Beratungen im Umweltschutzbereich zu verstärken. All diese Fragen kommen beim internationalen Klimaschutz, einer wirklich globalen Aufgabe, zusammen. Dazu gehört noch die Mobilitätsförderung, zum Beispiel die Förderung umweltfreundlicher Massenverkehrsmittel. - Jetzt warte ich auf einen Zwischenruf zum Thema Transrapid. Will niemand? - Dann nehme ich den Punkt selbst auf. ({7}) Als Haushaltspolitikerin bin ich froh darüber, dass es in einer Gegend gelungen ist, in der der Transrapid dem ICE bzw. einem geschichtlich gewachsenen Schienensystem wie in Deutschland keine Konkurrenz macht, Abnehmer für den Transrapid zu finden. Das finde ich in Ordnung, weil die Forschungs- und Entwicklungskosten nicht verloren sind. ({8}) - Ja, das sind ganz neue Töne. Nun komme ich auf das Verhältnis von multi- und bilateraler Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen. Es gibt hausintern die Vorgabe, nicht mehr als ein Drittel der Mittel für diesen Bereich aufzuwenden. Das halte ich für eine vernünftige Zielmarge, die aber nicht erreicht worden ist. Das hat zum Teil mit der Haushaltskonsolidierung und mit völkerrechtlichen Verpflichtungen zu tun. Ich möchte unbedingt dazu ermutigen, dass wir darauf achten, in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit nicht zu kürzen und einzuschränken, nur um unsere Ansprüche an die multilaterale und die EU-Zusammenarbeit zu stabilisieren. Das kann nicht der richtige Weg sein. ({9}) Ich bin schon seit Jahren der festen Überzeugung - das ist nichts Neues; das wissen alle, die mit mir in diesem Bereich zusammengearbeitet haben -, dass im Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit noch ein großer Nachholebedarf besteht. Wir müssen hier auch den Bezug zur deutschen Wirtschaft stärker herstellen. Das sage ich wie schon so oft ganz offen und unumwunden. ({10}) Ich glaube nicht, dass es genügt, wenn wir die Wirtschaftspartnerschaft nur auf die Bereiche Förderung erneuerbarer Energien, Überwindung der digitalen Kluft und Bekämpfung von Aids konzentrieren, auch wenn die Förderung erneuerbarer Energien viele Möglichkeiten bietet. Wir werden diese auf weitere Bereiche ausdehnen müssen. Die KfW hat dazu interessante Vorschläge gemacht, zum Beispiel Zinsverbilligungen. Das reicht mir eigentlich noch nicht. Darauf komme ich aber noch zu sprechen. Wir haben die Kriterien der Entwicklungszusammenarbeit in den letzten Jahren und Jahrzehnten gemeinsam intensiv genug diskutiert und auch entsprechende Förderrichtlinien festgelegt und Kriterienkataloge aufgestellt. Ich bin deshalb der Auffassung, dass dieser Bereich so belastbar ist, dass man hier weiter voranschreiten kann. So habe ich auch die Haltung des BMF interpretiert, das uns beim Gewährleistungsrahmen der Verbundfinanzierung ein Stückchen entgegengekommen ist. Ich weiß natürlich, dass dieses Konkurrenz- oder gar Angstgefühle bei den Leuten in den Ministerien auslöst, die für die Hermes-Bürgschaften zuständig sind. Ich glaube aber, dass die Nehmer- bzw. Partnerländer nicht mehr als eine einheitliche Masse behandelt werden können, weil zwischen ihnen die Unterschiede zu groß geworden sind. Angesichts einer so ausdifferenzierten Landschaft brauchen wir hier auch ein ausdifferenzierteres Instrumentarium. Darum kommen wir nicht herum. Die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft bietet natürlich neue Instrumente oder Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung von bereits bestehenden Instrumenten. Dafür stehe ich auch ein; das halte ich für richtig. ({11}) Ich komme jetzt zum Verkauf der DEG, der ja alle hier beschäftigt. Sie fragten, wo das Geld bleibt, wo es verbucht wurde, ob das ein Trick sei usw. Ich versuche es einmal einfach darzustellen: Die Gelder aus dem Verkauf fließen natürlich nicht direkt in den BMZ-Haushalt. Das wäre ja albern. Sie müssen es sich so vorstellen, dass der Staat der KfW im Prinzip einen Teil des Kaufpreises erlässt und sie dieses Geld im Rahmen der operativen Mittel für finanzielle Zusammenarbeit verwenden kann. So funktioniert das Ganze. Ich halte es für ziemlich unproblematisch, das so zu machen. Die DEG bleibt so als GmbH erhalten, nur ist die KfW als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten in diese eingetreten. Ich sehe überhaupt kein Problem darin, das so zu machen. Ich komme jetzt noch auf ein paar Punkte zu sprechen, die mir persönlich wichtig sind. Es geht hier insbesondere um die Frage, wie wir das Finanzvolumen der Entwicklungszusammenarbeit vergrößern können. Ich glaube, dass wir das Gesamtvolumen deutlich vergrößern müssen. Wir werden dieses aufgrund der Anstrengungen, die Nettoneuverschuldung in Deutschland herunterzufahren, nicht allein durch mehr öffentliche Mittel erreichen. Das heißt, wir müssen uns überlegen, wo wir noch weitere Gelder herbekommen können. Ich habe gerade eine Möglichkeit erwähnt, als ich auf die Partnerschaft mit der deutschen Wirtschaft unter entwicklungspolitischen Kriterien eingegangen bin. Es gibt natürlich auch die Möglichkeit, solchen Maßnahmeträgern wie der KfW weitere Möglichkeiten an die Hand zu geben. Einiges haben wir auch schon realisiert. Die Zinsverbilligung alleine wird es nicht bringen; diese reicht noch nicht. Wir wollen ja eigentlich auch noch, dass bei der Verbundfinanzierung einheitliche Laufzeiten zu gleichen Zinssätzen gelten. Das heißt, dass die Laufzeiten kürzer werden, die Gelder schneller zurückfließen und wir sie dann auch schneller wieder in der Entwicklungszusammenarbeit, zum Teil jedenfalls, verwenden können. Ich halte das auch deshalb für wichtig, weil hierdurch die Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft gestärkt wird. Ein günstiger Punkt ist auch, wenn das Geld immer im Fluss ist. Im BMF werden noch Diskussionen über die Rolle der Hermes-Bürgschaften geführt werden müssen, weil hier eine Konkurrenz befürchtet wird, die ich nicht sehe. Auf jeden Fall ist die Zinsverbilligung ein gutes Instrument. Wir haben hier die Weichen richtig gestellt, indem wir die Titelerläuterung angepasst haben. Hier wird zwar keine Geldsumme genannt, trotzdem ist das ein ganz wichtiger Punkt. Die zur Verfügung stehenden Finanzmittel bei der KfW und in der finanziellen Zusammenarbeit, wo wir mit solchen Zuschüssen arbeiten, können wir nämlich verdoppeln, indem wir die pro Kredit aufzuwendenden Mittel halbieren. Damit steht im Prinzip mehr Geld zur Verfügung. Es geht eigentlich nur noch darum, die für Zinsverbilligungen gegebenen Zuschüsse an die marktüblichen Laufzeiten anzupassen. Ich halte das für einen ganz vernünftigen Weg, mit dem Geld, das einem zur Verfügung steht, ein größeres Volumen im selben Zeitraum zu finanzieren. ({12}) Die Differenzen zwischen den einzelnen Entwicklungs- und Schwellenländern sind, wie ich schon sagte, sehr groß. Hier geht es nicht nur um völlig mittellose und ganz arme Empfängerländer. Es gibt hier sehr große Differenzen. Von daher ist ein solches Instrument auf einige dieser Länder anwendbar und sollte auch angewandt werden; denn umso mehr öffentliche Gelder bleiben dann zum Beispiel für die Armutsbekämpfung in anderen Ländern übrig. Ich halte dieses Vorgehen für sinnvoll und werbe um Unterstützung aus dem ganzen Hause hierfür. Ich bedanke mich. ({13})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Für die PDS-Fraktion hat jetzt der Kollege Carsten Hübner das Wort.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Zum ersten Mal seit vielen Jahren liegt der Haushaltsansatz des BMZ dank des engagierten Einsatzes von NGOs, Entwicklungspolitikern und nicht zuletzt dank des Einsatzes unserer Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss über dem des Vorjahres, wenn auch nur geringfügig. Ich weiß, dass auch das BMZ und die Kollegin Wieczorek-Zeul dazu ein Übriges beigetragen haben. Das gilt es gerade mit Blick auf die erste Haushaltsberatung, als noch eine Absenkung zu befürchten stand, hervorzuheben und zu begrüßen. Ich will das hier ausdrücklich tun, ({0}) selbst wenn ich weiß, dass ein Teil dieses Zuwachses dem hohen Dollarkurs geschuldet ist, der im Haushaltsentwurf zunächst nicht entsprechend berücksichtigt war. Es geht allerdings aus meiner Sicht zu weit, bereits jetzt eine Trendwende zu verkünden; denn das geben das Volumen und die Struktur der Zuwächse bzw. des Haushaltsplanes nun auch wieder nicht her. Grundsätzliche Kritik ist leider weiterhin notwendig, zumal ich mich mit dem größten Teil meiner Kritik problemlos auf die Koalitionsvereinbarung berufen kann. In Stichworten: Erstens. Das international vereinbarte Ziel von einem Anteil von 0,7 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttosozialprodukt liegt weiterhin in weiter Ferne. Vor dem Hintergrund, dass es bereits europäische Länder gibt - etwa Dänemark, Norwegen, die Niederlande oder Schweden -, die diese Vereinbarung umgesetzt haben, halte ich es für dringend erforderlich, dass die Bundesregierung endlich eine glaubhafte Planung vorlegt, wie diese Vorgabe - zumindest mittelfristig - umgesetzt werden kann. ({1}) Denn immer mehr Länder liegen weit vor uns, beispielsweise Frankreich, Großbritannien oder auch Japan. Es sei denn, es ist nicht mehr gewollt. Dann müsste aber wenigstens das öffentlich eingestanden werden. Zweitens. Das von der Bundesregierung propagierte Sparen bzw. die Haushaltszurückhaltung nach dem Rasenmäherprinzip ist aus meiner Sicht für den Haushalt des BMZ in jeder Hinsicht inakzeptabel. Seit geraumer Zeit bereits erheblichen Einsparungen unterworfen, agiert das BMZ in einem äußerst empfindlichen und für eine gerechte und solidarische Entwicklung der Welt maßgeblichen Politikfeld. Mit Blick auf Hunger, Elend, Unterentwicklung, Bürgerkriege, Aids usw. ist es politisch unangemessen und moralisch zweifelhaft, hier dieselbe Haushaltslogik an den Tag zu legen wie in anderen Haushaltstiteln. Der Bundesfinanzminister sollte deshalb sein Herangehen korrigieren und endlich einer verantwortlichen politischen Prioritätensetzung finanzielle Spielräume verschaffen. Wenn ich daran denke, dass vor wenigen Minuten 10 Milliarden DM für ein militärisches Großraumtransportflugzeug eingestellt wurden, dann graut es mir sehr vor der bisherigen Prioritätensetzung. ({2}) Drittens. Noch immer fließen große Teile der Gelder des BMZ nicht etwa direkt in die Partnerländer des Südens, sondern verbleiben - direkt oder mittelbar - in der Bundesrepublik. Das ist manchmal, aber längst nicht immer sinnvoll. Fatal aber wäre es, wenn Entwicklungspartnerschaft mehr und mehr zu einer Subventionsform für bundesdeutsche Unternehmen werden würde. Dies ist eine Tendenz, die gegenwärtig nicht zu übersehen ist und die mit der unkritischen Popularisierung der Public Private Partnership eine neue Dynamik zu bekommen droht. ({3}) Ich erwarte da einen kritischen Blick auch im Haushalt. Ebenso erwarte ich einen kritischen Blick etwa in der Frage des Tropenwaldschutzes, der hier schon mehrfach besonders hervorgehoben wurde. Denn so ökologisch sinnvoll das ist - ich unterstütze das ausdrücklich -, so deutlich muss auch gesagt werden, dass wir den Erhalt des Tropenwaldes vor allem deshalb entwicklungspolitisch so unterstützen, damit wir hier im Norden auf absehbare Zeit weiter so verantwortungslos CO2 in die Luft pusten können, ohne an unseren eigenen Abgasen ersticken zu müssen. Die gescheiterten Verhandlungen von Den Haag haben das ja eindrucksvoll unterstrichen. ({4}) - Das ist richtig, sie sind in diesem Fall an den USA gescheitert. Letztendlich ist es aber das Verhältnis Nord/Süd, das sich darin widerspiegelt. Von diesen unzweifelhaft auch eigennützigen Motiven hört man in den entwicklungspolitischen Reden natürlich nur selten etwas. Stattdessen wird Selbstlosigkeit gemimt und so getan, als dienten die Mittel zum Tropenwaldschutz allein den Entwicklungsländern. Ich denke fast, man müsste Teile dieser Mittel eher freisetzen und stattdessen beim Verkehrs- oder Umweltministerium veranschlagen. Viertens. Auch die direkte Armutsbekämpfung bleibt im BMZ-Haushalt ein echtes Sorgenkind. Von den Vorgaben der 20 : 20-Initiative entfernt sich der Etat weiter und weiter. Statt bei 20 Prozent liegen wir gegenwärtig gerade einmal knapp über 13 Prozent. Der Trend seit 1997, als die Mittel für diesen Bereich noch bei sage und schreibe 27 Prozent lagen, ist ungebrochen negativ. Dabei ist es eine entwicklungspolitische Binsenweisheit, dass eine selbsttragende und nachhaltige Entwicklung ohne Grundbildung, Basisgesundheitsdienste, ausreichende Ernährung und Trinkwasserversorgung und natürlich ohne eine rudimentäre Infrastruktur nicht in Gang gebracht werden kann. Hier müsste dringend und massiv aufgestockt werden. Denn jährlich fehlen 80 Milliarden US-Dollar, um zunächst die schlimmsten Formen von Armut auf der Welt zu beseitigen. Die 20 Prozent der öffentlichen EZ der Geberländer und die 20 Prozent des Budgets der Entwicklungsländer würden reichen, um diese Summe aufzubringen. Die Änderungsanträge meiner Fraktion bewegen sich im Wesentlichen in diesem Bereich. Sie fordern eine dezidierte Antwort auf die Problematik Aids und sie fordern eine dezidierte, auch im Haushalt erkennbare Antwort auf die Fragen, die mit der Rolle der Frau in den Entwicklungsländern verbunden sind sowie auf die Entwicklungspotenziale, die dort brach liegen bzw. aus unserer Sicht nicht in dem notwendigen Maße gefördert werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss noch einen Satz - die Rede ist wieder zu lang -: ({5}) Ich möchte die Ministerin bitten, den Finanzminister im nächsten Jahr einmal in die Elendsregionen dieser Welt einzuladen. ({6}) Ich möchte ihn bitten, sich anzusehen, wo die Projekte des BMZ durchgeführt werden und wo die NGOs arbeiten, und zu überdenken, ob die Logik des Rasenmähers - ob es um Konsolidierung, Stagnation oder das Sparen geht auch in unserem Haushalt angemessen ist. Ich denke, nein. Danke. ({7})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Jetzt hat die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, das Wort.

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Minister:in)

Politiker ID: 11002503

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Kollegen von Schmude von dieser Stelle aus erst einmal, was ich auch schon persönlich getan habe, die besten Grüße und Genesungswünsche übermitteln. Ich denke, wir alle wissen, dass er längere Zeit im Krankenhaus sein muss. Das wollte ich von dieser Stelle aus ausdrücklich sagen. ({0}) Ich möchte zwei Punkte, die in der Diskussion angesprochen worden sind, noch einmal deutlich machen. Der eine ist der geplante DEG-Verkauf, der angesprochen worden ist. Vielleicht haben die einen oder anderen, die in diesem Bereich tätig waren, in Erinnerung, dass diese Kooperation und die entsprechende Zuordnung eine Anregung ist, die der Bundesrechnungshof in den letzten Jahren in die Diskussion gebracht hat. Aber die konservative Seite dieses Hauses hatte offensichtlich niemals die Kraft, entsprechende Pläne zu verwirklichen. ({1}) Zur Frage des DEG-Verkaufes muss ich sagen: Das ist ein entwicklungspolitisch sinnvoller Ansatz, ({2}) weil die Synergieeffekte damit so erhöht werden, dass sie in letzter Konsequenz bessere Zugangsmöglichkeiten der DEG zu den Kapitalmärkten sowie zu Krediten ermöglichen. Das liegt im Interesse der Entwicklungsländer. Das sollte an dieser Stelle sehr deutlich werden. ({3}) Der zweite Punkt, den ich anmerken möchte, ist, dass jedenfalls in diesem Haushalt keine Mittel zur Finanzierung des Transrapid veranschlagt sind. Das ist eine Klarstellung, die absolut notwendig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun komme ich zu den Hauptpunkten. Wir haben bis zur Hälfte dieser Legislaturperiode im entwicklungspolitischen Bereich ErgebCarsten Hübner nisse erzielt, die Sie in den 16 Jahren Ihrer Arbeit nicht vorzuweisen gehabt haben: ({4}) die Entschuldungsinitiative, die Nutzung und Reform der internationalen Finanzinstitutionen und die Neuausrichtung der europäischen Entwicklungspolitik. An dieser Stelle möchte ich einmal sagen: Wer zu verantworten bzw. mit zu verantworten hat - die alte Bundesregierung hat dies -, dass eine EU-Entwicklungspolitik betrieben worden ist, bei der zweistellige Milliardenbeträge an die entsprechenden Entwicklungsländer nicht abgeflossen sind, ({5}) der sollte in Bezug auf die Kritik an dieser Bundesregierung schweigen. Wir haben nämlich die notwendigen Reformen in Gang gesetzt, sodass die entsprechenden Mittel den Entwicklungsländern auch zugute kommen und zur Verfügung stehen. ({6}) Die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft und die Reform der Entwicklungszusammenarbeits-Organisationen gehören mit zu diesen Ergebnissen. All dies sind strukturelle Erfolge im Interesse der Menschen in den Partnerländern. Jetzt ist es gelungen - ich erwarte, dass man sich darüber freut -, neben diesen strukturellen Veränderungen der Entwicklungszusammenarbeit eine Verbesserung der finanziellen Situation zu ermöglichen. Das ist gut so. Ich freue mich, dass Herr Weiß in seiner Zwischenfrage deutlich gemacht hat, dass er davon ausgeht, dass es im Jahre 2002 wieder eine Bundesregierung aus SPD und Grünen gibt. ({7}) Ich kann Ihnen versichern: Diese entwicklungspolitische Aufgabe werden wir in dem Sinne, wie wir es heute in den diesbezüglichen Haushaltsansätzen festgelegt haben, verwirklichen. ({8}) Wir haben jetzt einen zusätzlichen Gestaltungsspielraum erhalten, den wir nutzen, um unsere internationalen Aufgaben wahrnehmen zu können. Das möchte ich an dieser Stelle deutlich machen. Erstens. Wir wollen mit dazu beizutragen, dass die Zahl der Armen in der Welt bis zum Jahre 2015 halbiert werden kann. ({9}) Dazu haben wir einen Aktionsplan vorbereitet, über den wir gemeinsam mit Ihnen diskutieren werden. In ihm wird, Herr Kollege Hübner, die Armutsbekämpfung als ein übergeordnetes Ziel und nicht nur in einer 20 : 20-Perspektive betrachtet. Wir sind in der Diskussion längst weiter. Dieser Aktionsplan wird auch die Kohärenz umfassen. Sie alle von der Opposition sollten sich einmal fragen, was früher getan worden ist. Durch Handelsbarrieren der Industrieländer verlieren die Entwicklungsländer fast so viele Einnahmen, wie sie durch die Entwicklungszusammenarbeit erhalten. Deshalb sage ich an dieser Stelle: Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich den Vorschlag des EU-Kommissars Lamy, für alle Produkte, auch für die Agrarprodukte, der Entwicklungsländer, auch für die der ärmsten, einen freien Zugang auf die EU-Märkte zu ermöglichen. ({10}) Wir fordern unsere EU-Partner ausdrücklich auf, diesem Plan zuzustimmen. Das ist nämlich ein zentraler Beitrag dazu, dass diese Länder weniger von Hilfe abhängig sind und sie in ihrem eigenen Land die Armut bekämpfen und verringern können.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Detlev von Larcher?

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Minister:in)

Politiker ID: 11002503

Wenn dies nicht auf meine Redezeit angerechnet wird, dann ja. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nein. Ihre Redezeit wird angehalten.

Detlev Larcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001290, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Ministerin, wenn Sie davon sprechen, dass durch den Welthandel ein großer Teil dessen verloren geht, was im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit in die Entwicklungsländer fließt, müsste es dann nicht so sein, dass in den WTO-Verhandlungen die Interessen der Entwicklungsländer viel stärker Berücksichtigung finden?

Heidemarie Wieczorek-Zeul (Minister:in)

Politiker ID: 11002503

Herr Abgeordneter von Larcher, wir bemühen uns zusammen mit anderen, dazu beizutragen - dies gilt übrigens auch für unseren Etat -, dass die Entwicklungsländer bessere Chancen haben, ihre Interessen in der WTO überhaupt durchzusetzen, und dass sie in diesem Bereich die erforderlichen Kenntnisse erwerben. Wir wollen, dass die Entwicklungsländer an den Chancen, die die Globalisierung bietet, teilnehmen können. Das setzt voraus, dass sie die Spielregeln der entsprechenden Handelsorganisationen kennen und sich ihrer bedienen. ({0}) Jetzt zu meinem zweiten Punkt, zum Kampf gegen die Aidsepidemie. Sie wissen - gestern sind von UNAIDS neue Zahlen genannt worden -, dass 36 Millionen Menschen infiziert sind. Wir haben in dem vorliegenden Haushalt, der durch entsprechende Ergänzungen des Haushaltsausschusses aufgestockt worden ist, 140 Millionen DM für die Aidsbekämpfung vorgesehen. Uns geht es dabei um die Prävention und um funktionsfähige Gesundheitssysteme in den Partnerländern. Wer hat das vor uns in Gang gesetzt? Das Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim hat angekündigt, dass es bereit ist, kostenlos Medikamente, die die Übertragung der Krankheit von der infizierten Mutter auf das neugeborene Kind verhindern können, zur Verfügung zu stellen. Wir werden mit Boehringer Ingelheim zusammenarbeiten, indem wir in Tansania, Kenia und Uganda den dafür notwendigen Gesundheitsbereich entwickeln und dafür sorgen, dass diese Medikamente auch tatsächlich der Bevölkerung vor Ort zugute kommen. ({1}) Das ist eine praktische Form, den betroffenen Menschen zu helfen, indem verhindert wird, dass Kinder sterben, und indem die Gesundheit der Mutter im Rahmen des Möglichen erhalten wird. Das sind Schwerpunkte, die wir uns vorgenommen haben und die wir entsprechend verwirklichen und umsetzen wollen. ({2}) - I wo, da hat ja die Phantasie bei manchen gefehlt. Der dritte Punkt: Klimaschutz und regenerative Energien. Es geht uns darum, dem Klimawandel entgegenzuwirken und unsere Mittel einzusetzen. Wir werden im nächsten Jahr über 500 Millionen DM bereitstellen, um diesen Zwecken Rechnung zu tragen. Es geht darum, den Partnerländern beim Aufbau einer klimafreundlichen Produktionsstruktur und klimafreundlicher Energieversorgungssysteme zu helfen und sie zu unterstützen. Ich finde, es ist von Vorteil, - das sehe ich anders als Sie, Herr Kollege Hübner -, wenn die Industrieländer im Rahmen festgelegter Regelungen durch Investitionen in diese Bereiche in den Entwicklungsländern dazu beitragen können, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren und erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu fördern. Das ist ein für alle Beteiligten sinnvoller Ansatz, den wir unterstützen und voranbringen wollen. ({3}) Der vierte Punkt: Wir haben eine deutliche Steigerung der Finanzmittel für Nichtregierungsorganisationen, für Kirchen, für den zivilen Friedensdienst und für politische Stiftungen vorgesehen. ({4}) Diese Einrichtungen und Menschen leisten eine ganz wichtige Arbeit. Sie bringen zivilgesellschaftliches Engagement. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, all diesen Menschen, die sich engagieren, damit es anderen Menschen besser geht, ein herzliches Dankeschön zu sagen. Sie leisten praktische Solidarität. Mit diesem Haushalt wollen wir ihnen den Rücken stärken und ihnen sagen, wie wichtig ihre Arbeit ist. ({5}) Wir brauchen alle Beteiligten. Das ist doch das Neue, aber das hat mancher immer noch nicht verstanden. In der Entwicklungszusammenarbeit, wo die Probleme so groß sind, brauchen wir den Staat, die private Wirtschaft und die Zivilgesellschaft. Lassen Sie uns doch über die Frage diskutieren, wie wir das zusammenbinden und wie wir dazu beitragen können, dass daraus Vorteile für die Entwicklungsländer entstehen. Fünftens. Wir haben mehr finanzielle Ausstattung und ein Mehr an damit verbundenen Aufgaben durch die Übernahme des Stabilitätspaktes für Südosteuropa und der überwiegenden Mittel des TRANSFORM-Programms. Wir wollen vor allen Dingen durch die Mittel, die im Einzelplan 60 für Serbien vorgesehen sind, dazu beitragen, dass die Hilfe schnell geleistet wird, dass im Umfang von 50 Millionen DM Soforthilfe gegenüber Serbien geleistet wird, damit die Menschen wieder aufbauen können und damit vor allen Dingen der Demokratieprozess unterstützt wird. Menschen werden sich Vorteile davon versprechen, wenn sie merken, dass es ihnen wirtschaftlich besser geht und dass es ihrem Land insgesamt besser geht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Einzelplan 23 sind im Übrigen bereits die Mittel enthalten, die für den Bereich des Stabilitätspaktes insgesamt vorgesehen waren. Wir werden bereits in der ersten Hälfte, also in den ersten zwei Jahren, insgesamt 1,2 Milliarden DM zur Verfügung stellen. Das ist mehr, als viele andere Länder im Rahmen ihrer internationalen Verpflichtungen bisher eingelöst haben. Wir stehen da an der Spitze, und das ist gut so. ({6}) Ich möchte an dieser Stelle auch der KfW, übrigens einer Entwicklungsbank mit großer Erfahrung in diesem Bereich, und der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit sehr herzlich danken. Sie verspüren durch die Akzentsetzung des Parlaments zu Recht eine Anerkennung für ihre effektive und nachhaltige Entwicklungsarbeit, die ich an dieser Stelle auch einmal loben möchte. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich ausdrücklich beim Finanzminister - er ist nicht zu sehen, aber ich werde es ihm noch einmal selbst sagen - dafür, ({8}) dass es möglich war, eine plafonderhöhende Wechselkursanpassung zu verwirklichen. Das war zum ersten Mal überhaupt möglich. Sie haben es immer eingefordert, aber soweit ich weiß, hat in der Geschichte nur ein einziges Mal jemand das erreicht, was jetzt der Haushaltsausschuss und wir gemeinsam erreicht haben. Es war die Kollegin Hermenau, die in einer Situation, in der die früheren Regierungsparteien einmal nicht aufgepasst haben, dazu beigetragen hat, dass das verwirklicht worden ist. Das ist damals sozusagen gegen Ihren Willen passiert. ({9}) Das ist einmalig in der Geschichte. Diesmal ist es erreicht worden. Sagen Sie doch auch einmal, dass da etwas Gutes erreicht worden ist, ({10}) machen Sie nicht einfach klein-klein und versuchen Sie nicht, hier mit kleiner Münze zu handeln. Ich möchte mich beim Haushaltsausschuss und vor allen Dingen bei den Kolleginnen und Kollegen Hans Georg Wagner, Emil Schnell, Frau Hermenau und Metzger dafür bedanken, dass die Beschlüsse zum Personalhaushalt des BMZ in dieser Form gefasst worden sind. Dies wird uns helfen, die zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen. Für die Arbeit eines solches Ressorts, das im Übrigen Bonn und Berlin als ersten und zweiten Dienstsitz hat, ist die entsprechende personelle Ausstattung einfach notwendig. Sie haben den Präsidenten der Weltbank, James Wolfensohn, am Montag hier in Berlin erlebt. Er hat auf dem Weltbankforum ausdrücklich die neue Rolle der deutschen Regierung im internationalen und im multilateralen Bereich gelobt und deutlich gemacht, dass unsere Bedeutung gewachsen ist. Wir nehmen unsere Rolle in der internationalen Politik aktiv wahr. Dieses Lob möchte ich gern an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, weitergeben. Ich freue mich, dass es uns mit der heutigen parlamentarischen Entscheidung ermöglicht wird, ein weiteres positives Signal im Interesse der Entwicklungsländer und ihrer Menschen zu setzen, und bedanke mich für die Diskussion. ({11})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Als Letzter hat der Kollege Klaus-Jürgen Hedrich das Wort. Bitte sehr.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich wollte mich zuerst bei Ihnen persönlich bedanken, dass Sie hier sind, weil damit zum Ausdruck kommt, dass an dieser Veranstaltung nicht nur Entwicklungspolitiker teilnehmen. Aber da unser Fraktionsvorsitzender gerade gekommen ist, ziehe ich diese Bemerkung zurück. ({0})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Seien Sie froh, dass zwei da sind; das ist doch besser.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst ganz herzlich bei Antje Hermenau für einen sachlich sehr ausgewogenen Beitrag bedanken, ({0}) mir dann allerdings auch erlauben zu bemerken: Als wir in der letzten Legislaturperiode das Element der Verbundfinanzierung sehr intensiv forciert haben, ist es von der F.D.P. ({1}) Entschuldigung, von der SPD scharf bekämpft worden. ({2}) Die damalige entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen im Fachausschuss konnte diesem Element ebenfalls nichts abgewinnen. Hinzu kommt, dass das, was wir mit Public Private Partnership bezeichnen, von den Sprechern der damaligen Opposition, von Rot-Grün, im Fachausschuss ebenfalls definitiv abgelehnt worden ist. ({3}) - Natürlich ist das so gewesen. ({4}) Das wollte ich nun einmal deutlich machen. ({5}) Die Regierung muss sich übrigens für eines entscheiden. Sie haben uns monatelang vorgetragen, dass die Mittel für den Stabilitätspakt mit dem Entwicklungshaushalt nichts zu tun hätten und dies eine Sonderleistung sei. Wenn es sich hierbei aber um eine Sonderleistung handelt, dann schauen Sie sich die Zahlen von 2000 und 2001 an. Sie werden nur eine minimale Steigerung feststellen. Dass Sie aufgrund des öffentlichen und des parlamentarischen Drucks eine Reihe von Korrekturen vorgenommen haben, wird von uns ausdrücklich begrüßt. ({6}) Man soll jemandem, wenn er einsichtig wird, dies nicht vorwerfen. Insofern wird das von uns ausdrücklich begrüßt. ({7}) Aber ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass es mich nicht wundert - deshalb wundert mich auch der Antrag der F.D.P. nicht -, dass die Ministerin nichts über die Einbettung der Entwicklungspolitik in den Gesamtrahmen der Außenbeziehungen Deutschlands gesagt hat. ({8}) Selten war die Außenpolitik einer Bundesregierung so provinziell wie die der jetzigen. ({9}) Ich will versuchen, Ihnen das an wenigen Beispielen deutlich zu machen. ({10}) Wir haben uns hier in den letzten Monaten intensiv über die Frage von Zuwanderung, Integration und dergleichen unterhalten. Dazu gehört erst einmal die Grunderkenntnis, die sich allmählich allgemein durchsetzt - übrigens auch in meiner Fraktion -, dass Deutschland daran interessiert sein muss, dass es die Besten der Welt für attraktiv halten, nach Deutschland zu kommen, um hier zu studieren und zu arbeiten. Aber in diesen Zusammenhang gehört auch, dass ich Deutschland dementsprechend repräsentiere. ({11}) Wenn Sie sich einmal die Mühe gemacht haben - liebe Freunde, jetzt wird es ernst -, die Berichterstattung von CNN und BBC in den letzten Monaten zu verfolgen, so mussten Sie leider feststellen, dass Sie darin ein sehr verzerrtes Bild von Deutschland finden. Über jeden rechtsextremistischen Vorgang wird in CNN berichtet. ({12}) Sie werden in CNN nichts davon hören, dass ein Neonazi - die Typen da drüben in Amerika sind zum Teil ekliger als die bei uns ({13}) einen Schwarzen auf dem Marktplatz von St. Louis verprügelt. Davon werden Sie nichts hören. Diese beiden Sender zeichnen ein verzerrtes Bild unseres Landes, und sie haben sogar ein Interesse daran, ({14}) dass das internationale Image Deutschlands gegenwärtig angeknackst ist. ({15}) Was machen wir? Statt gegenzuhalten, kürzt diese Bundesregierung, kürzt dieser Haushaltsausschuss mit seiner Mehrheit die Mittel zum Beispiel für die Deutsche Welle. Das ist kontraproduktiv. ({16}) - Nein, das gehört in diesen Zusammenhang. Das seht ihr eben nicht. Da zeigt sich eben eure Unfähigkeit, die Dinge im Zusammenhang zu sehen. ({17}) Da redet der Bundeskanzler heute morgen zu Recht von der Notwendigkeit der Förderung der deutschen Sprache. Gleichzeitig kürzen wir die Mittel für die deutschen Auslandsschulen, die dem Zweck dienen, den Deutschunterricht weltweit zu fördern. ({18}) - Natürlich kürzen wir diese Mittel. Das ist schon angesprochen worden. Gleichzeitig versagen wir es den diplomatischen Vertretungen, indem wir eine Botschaft nach der anderen schließen, eine entsprechende Repräsentanz Deutschlands im Ausland sicherzustellen. ({19}) Das ist kontraproduktiv. Es gab in der Tat - es wurde hier noch einmal darauf hingewiesen - nicht die geringste Absprache zwischen Auswärtigem Amt und BMZ. ({20}) Die zuständige Parlamentarische Staatssekretärin musste im Ausschuss bestätigen, dass das BMZ überhaupt nicht befragt worden war. Es geht noch ein Stück weiter. Da wird - die Ministerin hat es hier gerade wieder zum Ausdruck gebracht - der große Erfolg der HIPC-Initiative beschworen. Gleichzeitig aber legt die Bundesregierung ein Konzept mit Kooperationspartnern vor - die HIPC-Initiative konzentriert sich besonders auf Afrika -, in dem 18 Staaten Afrikas als Kooperationspartner gar nicht mehr genannt werden. Das ist also wiederum ein Widerspruch in sich. Es gibt aber auch einen Punkt, in dem wir die Bundesregierung auch unterstützen. Das ist mir seit dem Besuch von James Wolfensohn besonders deutlich geworden. Wir müssen heute feststellen, dass die HIPC-Initiative die in sie gesetzten Erwartungen zumindest bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfüllt hat. ({21}) - Ihr nehmt doch immer für euch in Anspruch, ihr hättet das alles eingeleitet, was ja nicht der Fall ist. James Wolfensohn hat noch einmal ausdrücklich auf eine Frage in einem internen Gespräch, das aber verwendet werden kann, bestätigt, dass die Weltbank keine Mechanismen vorsehe, um sicherzustellen, dass die Vereinbarungen mit den Ländern, die an dieser Initiative teilnehmen, auch eingehalten werden. Er hat darauf hingewiesen, dass zum Beispiel in einem Land wie Kamerun schlicht und ergreifend 12 Millionen Dollar verschwunKlaus-Jürgen Hedrich den seien und dass die Weltbank sich jetzt krampfhaft bemühe, das Geld wiederzubekommen. Sie hätten unter anderem festgestellt, dass 1 Million Dollar für Autoanschaffungen und mehrere Millionen für Waffen draufgegangen seien. Jetzt wird es für uns Entwicklungspolitiker kritisch. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich fragen die Bürger - nicht nur in meinem Wahlkreis -, wie es sich damit eigentlich verhält. Uganda ist ein besonders positiver Fall. Aber Herr Museveni kauft trotzdem für 35 Millionen Dollar ein neues Flugzeug für private Zwecke. Man kann darauf verweisen, dass er seine Militärausgaben nicht auf dem jetzigen Level festschreiben muss. Die Weltgemeinschaft unternimmt in dieser Frage nichts, weil Herr Museveni seine Militärausgaben gegenwärtig aus der Plünderung des Ostkongo finanziert. Auch Herr Kagame tut dies. Außenminister Fischer war in seinen Anmerkungen, was das Engagement von Ruanda im Kongo betrifft, zurückhaltend. Ich will das vorsichtig ausdrücken. ({22})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Eid?

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber selbstverständlich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Bitte sehr, Frau Kollegin.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Frau Eid. Aber die Präsidentin muss die Uhr anhalten.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Das habe ich schon gemacht.

Ursula Eid-Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000454, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Abgeordneter Hedrich, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass erst dann entschuldet wird, wenn die entsprechenden Länder, die sich für die HIPC-Initiative qualifizieren, eine Armutsbekämpfungsstrategie vorgelegt haben, die in einer sehr breiten gesellschaftlichen Debatte ausgearbeitet worden ist und die dann von der Weltbank und dem IWF akzeptiert werden muss? ({0})

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zum einen kann ich nur noch einmal darauf verweisen: Ich halte die Position der Ministerin für richtig, dass wir uns bei diesen ganzen Fragen mehr Zeit nehmen müssen. Es kommt auf das Ergebnis und nicht auf das Tempo an. Diese Position wird von uns unterstützt. ({0}) Zum anderen ist es so, dass gerade die Anhörung von VENRO, Misereor und den anderen Organisationen ergeben hat, dass die Beteiligung der Zivilgesellschaft in den meisten der betroffenen Länder sehr zu wünschen übrig lässt. Man könnte es auch anders formulieren.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun läuft die Uhr für Ihre Redezeit wieder.

Klaus Jürgen Hedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000840, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zum Schluss noch zu der Problematik, zu der die Ministerin überhaupt nichts gesagt hat, nämlich zu den ständigen Attacken und Sticheleien aus dem Auswärtigen Amt gegen die Selbstständigkeit des BMZ. ({0}) Ich habe vor wenigen Wochen darauf hingewiesen: Die Ministerin und ihr beamteter Staatssekretär haben nichts zu dessen Kollegen, Herrn Pleuger, gesagt. Es hieß: Das ist der beamtete Staatssekretär; als ob der beamtete Staatssekretär im Auswärtigen Amt überhaupt nichts zu sagen hätte. ({1}) - Er hat eine ganze Menge zu sagen. ({2}) Das war der erste Punkt. Nun wurde aber nachgelegt. Jetzt hat Herr Volmer festgestellt, ({3}) dass er zwei Außenministerien - so seine Formulierung für überflüssig halte. Dazu sagt die Ministerin kein Wort. Was können Sie von der deutschen und der internationalen Öffentlichkeit erwarten, was das Ansehen Ihres Hauses betrifft, wenn sich die zuständige Ministerin zu dieser Frage überhaupt nicht äußert und die Attacken des Auswärtigen Amtes einfach hinnimmt? ({4}) Ich frage mich: Wie funktioniert das Ganze eigentlich? Was bringt diese Querbesetzung? Reden Sie auch einmal mit Herrn Zöpel im Auswärtigen Amt, Frau Ministerin? Redet die Parlamentarische Staatssekretärin von den Grünen auch mit ihrem Kollegen, dem Staatsminister im Auswärtigen Amt, über diese Fragen? ({5}) Wir können also feststellen: Es ist kein in sich geschlossenes Konzept vorhanden. Deshalb erwarten wir, dass die Ministerin unmissverständlich deutlich macht: Sie steht für die Eigenständigkeit ihres Ministeriums. ({6}) Ansonsten entsteht der Eindruck, man hat sich schon freiwillig auf den Rückzug begeben. Herzlichen Dank. ({7})

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? - Nein. Ich sehe, Ihre Rede ist zu Ende. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst zu den Änderungsanträgen. Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf der Drucksache 14/4714. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf der Drucksache 14/4715. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Der Einzelplan 23 ist angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 30. November 2000, 12 Uhr, ein. Ich wünsche Ihnen allen einen fröhlichen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.