Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/15/2000

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, trifft es zu, dass die Koalition bei einem der Herzstücke dieser Rentenreform - nämlich bei dem so genannten Ausgleichsfaktor - schon jetzt, zum Zeitpunkt der Vorlage Ihres Gesetzentwurfs, Veränderungs- und Nachbesserungsbedarf sieht? Das hat dann natürlich erhebliche Auswirkungen auf die Statik der gesamten Konstruktion Ihrer Rentenreform. Können Sie mir sagen, wo dieser Nachbesserungsbedarf schon jetzt gesehen wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich kann Ihnen zuerst einmal sagen: Es gibt keinen Nachbesserungsbedarf. Als Zweites kann ich Ihnen sagen: Die Eckpunkte - unser Ziel ist die Beitragsstabilisierung; Sie kennen die Aussagen, die wir dazu gemacht haben: Wir werden den Beitrag möglichst über das Jahr 2020 hinaus unter 20 Prozent halten - werden nicht verändert. Der Beitrag bleibt absolut stabil. Den Ausgleichsfaktor, den wir eingeführt haben und mit dem wir gerade diese Justierung vornehmen, haben wir in der bekannten Form eingebracht. Wir führen gern weitere Diskussionen. Leider sind uns bisher jedoch keine positiven, besseren Vorschläge gemacht worden. Wir warten ja noch immer auf Vorschläge der Opposition.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Dreßen von der SPD-Fraktion.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie einmal die Voraussetzungen schildern, die gegeben waren, als Sie mit dieser Rentenreform begannen? War es nicht so, dass sich der Arbeitsmarkt immer mehr aufgespalten hat? Welche gesetzlichen Maßnahmen hat die Regierung ergriffen, um zu erreichen, dass es mehr Beitragszahler für die Rentenversicherung gibt? Das Zweite: Ist es - im Gegensatz zur alten Reform nicht so, dass diese Regierung nun alles unternimmt, um wieder ein Niveau von 70 Prozent zu erreichen, ({0}) während es die alte Regierung bei 64 Prozent belassen und sich überhaupt nicht darum bemüht hätte, wie man wieder 70 Prozent erreichen könnte?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Das kann ich Ihnen gerne beantworten. Es war nicht schön, was wir vorfanden: eine Rentenversicherung, die gezwungen war, die Beiträge jährlich zu steigern. Wir haben einen Beitragssatz von 20,3 Prozent vorgefunden, der - natürlich in gleichem Maße - die Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie den Arbeitsmarkt belastet hat. Wir haben eine Rentenversicherung vorgefunden, die im Jahr 1998 gerade noch Rücklagen von 21 Tagen bilden konnte. Wir haben einen Arbeitsmarkt vorgefunden - Sie haben darauf hingewiesen -, bei dem 5,5 Millionen geringfügig Beschäftigte keinerlei Zahlungen in die Sozialversicherungssysteme leisteten. Es hatte sich in zunehmendem Maße eine Grauzone zwischen Selbstständigen und abhängig Beschäftigten entwickelt, die rechtlich nicht geklärt war. Wir haben diese Situation, die natürlich in hohem Maße unbefriedigend war und auch zur Verunsicherung beigetragen hat, in ersten Schritten bereinigt. Wir haben dafür gesorgt, dass auch für geringfügig Beschäftigte Zahlungen in die Rentenversicherung erfolgen. Das sind ganz erhebliche Zahlungen; denn insgesamt sind 4 Millionen geringfügig Beschäftigte in der Rentenversicherung erfasst. Dieses stabilisiert die Beitragseinnahmen der Rentenversicherung. Wir haben als Zweites dafür gesorgt, dass die von dem Gesetzgeber vorgesehene Mindestschwankungsreserve von einem Monat aufgefüllt wird. Das heißt, wir haben den Rentenversicherungen Rücklagen von 8,4 Milliarden DM gegeben. Die gesetzliche Rücklage ist damit wieder vorhanden. Wir haben als Drittes dafür gesorgt, dass wir nicht mehr von versicherungsfremden oder nicht beitragsgedeckten Leistungen sprechen müssen; denn der Bundeszuschuss, der nun an die Rentenversicherung geht, deckt diese Leistungen jetzt ab, und nicht nur diese. ({0}) - Entschuldigung, das habe ich vergessen. Die Situation ist folgende: Der so genannte Eckrentner, dessen Rente nach 45 Jahren durchschnittlicher Einzahlung eine statistische Größe ist, erhält gegenwärtig eine Rente, die in etwa bei 70 Prozent des durchschnittlichen Nettoeinkommens der Beschäftigten liegt. Von der alten Regierung war vorgesehen, das Rentenniveau durch geringere Rentenanpassungen abzusenken. Je nach demographischer Entwicklung wäre ein Rentenniveau in Höhe von 64 Prozent, das vom Gesetz als niedrigster Wert vorgesehen war, erst im Jahre 2015, 2018 erreicht worden. Es hätten dann nur noch zwei Möglichkeiten bestanden: entweder die Beiträge weiter zu steigern oder das Rentenniveau unter 64 Prozent zu senken. ({1}) Wir haben uns bei der Rentenreform darauf festgelegt, für alle heutigen Rentner und für alle jene, die bis zum Jahre 2010 in Rente gehen, das Rentenniveau stabil zu halten und erst ab dem Jahr 2011 - nach Aufbau und Stabilisierung der kapitalgedeckten ergänzenden Altersvorsorge - leichte, aber notwendige Senkungen im Rentenniveau vorzunehmen. Diese werden aber durch das, was aufgrund der kapitalgedeckten Vorsorge aufgebaut wird, überkompensiert. Insgesamt kann ich feststellen: Jeder, der sich am Aufbau einer kapitalgedeckten Vorsorge beteiligt, wird sich hinsichtlich des Volumens seiner Rentenleistungen besser stellen als jetzt. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Ina Lenke von der F.D.P.-Fraktion.

Ina Lenke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003170, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, Sie haben gerade davon gesprochen, dass Sie bei den geringfügig Beschäftigten Änderungen in der Weise vorgenommen haben, dass nunmehr auch aus diesen Beschäftigungsverhältnissen Sozialversicherungsbeiträge gezahlt werden. Sie haben aber vergessen zu erwähnen, dass in der Regel von der normalen Pauschalabgabe keine einzige Mark an die Rentenversicherung der Betroffenen abgeführt wird. Etwas anderes gilt nur, wenn von den geringfügig Beschäftigten zusätzliche Beiträge entrichtet werden. Was verstehen Sie nun unter dem Begriff „bereinigt“, wenn die Maßnahme für den geringfügig Beschäftigten nichts bringt?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ihre Annahme ist schlicht falsch, da die Pauschalabgabe in Höhe von 12 Prozent für den einzelnen geringfügig Beschäftigten einerseits Rentenansprüche und andererseits Rentenanwartschaftszeiten zur Folge hat. Die von Ihnen offensichtlich angesprochene Aufzahlung auf die 19,3 Prozent - wir raten sehr dazu; es wird leider dennoch häufig nicht gemacht - würde dem Versicherten zusätzliche Ansprüche aus der Rentenversicherung, zum Beispiel auf Reha-Leistungen, geben. Ich darf Sie daher beruhigen: Die Pauschalabgabe in Höhe von 12 Prozent kommt voll und ganz den Versicherten in der Rentenversicherung zugute.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Knake-Werner von der PDS-Fraktion.

Dr. Heidi Knake-Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002700, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ich beziehe mich in meiner Frage auf Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Laumann. Sie haben gesagt, die Förderung bei der privaten Altersvorsorge solle in vier Etappen, beginnend mit dem Jahre 2002, umgesetzt werden. Wenn ich alle Meldungen richtig verstanden habe, soll aber ab dem Jahr 2002 auch der Abschlagsfaktor wirken. Sie haben jetzt gesagt, dieser solle in 0,5-Prozent-Schritten eingeführt werden, da das den Vorteil habe, dass es erst nach dem ersten Förderschritt einsetzt. Nach meiner Rechnung wäre das das Jahr 2003. Können Sie Ihre Aussagen noch etwas präzisieren?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich kann das gerne tun. Die erste Förderung wird für diejenigen, die eine ergänzende Altersvorsorge betreiben, am 1. Januar 2002 gewährt. Die Rentenanpassung des Jahres 2002 wird zum 1. Juli des Jahres 2002 vorgenommen. Wie die Rentenanpassung zum 1. Juli 2002 aussehen wird, ob sie vom Gesetzentwurf abweicht oder nicht, entscheiden Sie als Parlament.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Wolfgang Meckelburg von der CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, wir haben am Sonntag vor zehn Tagen auf dem ÖTV-Gewerkschaftstag das „Basta!“ von Bundeskanzler Schröder gehört. Wir haben damit den Eindruck bekommen, das sei das letzte Wort in dieser Sache. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind einige Punkte - zumindest im Entwurf - wohl geändert worden. Gehen Sie nach dem, was Sie in den letzten zehn Tagen persönlich erlebt haben, davon aus, dass der Entwurf, so wie Sie ihn mit den entsprechenden Vorschlägen, die Sie jetzt auf den Tisch legen, einbringen, vom Parlament wirklich verabschiedet werden wird?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Meckelburg, Sie sind der Parlamentarier. Sie entscheiden über diesen Entwurf mit. Deswegen erspare ich es mir, Ihre Frage zu beantworten. Abgeordnete, Sie sind der Souverän, Sie können natürlich Vorschläge einbringen, abändern und dann mit Mehrheit entscheiden. Sie entscheiden, meine Damen und Herren. Das Wort des Kanzlers, das ich in dem Sinne übersetzen würde, dass nun einmal ein vorläufiges Ende der Diskussion sein muss, dass nun entschieden werden muss, ist absolut richtig. ({0}) Dahinter stehe ich. Ich kann nur sagen: Sie haben jetzt die Möglichkeit der Entscheidung. Es liegen Beschlüsse der Koalitionsfraktionen vor, es liegt ein Kabinettsbeschluss vor. Morgen werden wir die erste Lesung haben. Sie haben dann die Möglichkeit, sorgfältig zu beraten und dann zu entscheiden. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Mir liegen jetzt noch 13 weitere Wortmeldungen vor. Ich bitte, davon Abstand zu nehmen, sich weiterhin zu Wort zu melden, denn dafür reicht die Zeit nicht aus. Als Nächster hat der Kollege Heinz Schemken von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Heinz Schemken (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001955, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, da ich ja, nach dem, was Sie soeben sagten, als Abgeordneter auch gehalten bin, den Menschen draußen Auskünfte zu geben, möchte ich von Ihnen doch vorab schon eine Hilfe haben. Wie erklären Sie Ihren ersten Satz, demzufolge Leistungen angehoben und langfristig gesichert werden, angesichts der Formel, die von 2011 bis 2030 Abschläge bringt, die besonders die jungen Menschen trifft, die jetzt die hohen Beiträge zahlen ({0}) - ganz stark dann 2030 - und die dann noch einmal mit 4 Prozent, die sich aus der Verrechnung zwischen Bruttound Nettolohn ergeben, getroffen werden, sodass die Rente letztlich auf 61 Prozent sinkt? Wie kann ich dem Wähler erklären, dass dann 61 Prozent mehr sind als jetzt 70 Prozent? ({1}) Wie kann ich erklären, dass gerade die Generation, die jetzt die Beiträge zahlt, davon ausgehen muss, dass sie nur noch 61 Prozent erreicht?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Schemken, so erklären Sie es sicherlich nicht. So, wie Sie es sagen, trägt dies eher zur Verwirrung bei. Aber ich will Ihnen gerne helfen, dies zu erklären. Zunächst einmal gibt es keinen Abschlag, sondern einen Ausgleichsfaktor, der Folgendes ausgleicht: Die jüngere Generation, insbesondere diejenigen, die in den Jahren 2020 bis 2030 in Rente gehen, hat voraussichtlich eine Lebenserwartung von durchschnittlich mindestens zwei Jahren mehr. Hieraus ergibt sich eine um mindestens zwei Jahre längere Rentenbezugsdauer. Dies wiederum heißt, dass das Volumen der Rentenzahlungen, die diese Menschen erhalten, um 10 Prozent bis 15 Prozent höher ist als das der jetzigen Generation. Dem müssen wir Rechnung tragen. Das tun wir wie folgt: Ab 2011 setzen wir einen Faktor von 0,3 Prozent für jeden Rentenzugangsjahrgang ein. Rechnerisch sind dies im Höchstfall - für den Rentenzugangsjahrgang des Jahres 2030 - 6 Prozent. 6 Prozent für 12 Prozent bis 15 Prozent mehr Volumen. Dies zeigt auch Ihnen, dass es kein Abschlag, sondern ein Ausgleich ist. Gleichzeitig bauen wir, kapitalgedeckt und breit unterstützt, eine Eigenvorsorge auf, sodass, wenn sich die Menschen beteiligen - wir schaffen hierfür die Voraussetzungen -, ihre Gesamtversorgung deutlich höher ist als heute. ({0}) Nun bitte ich Sie, in diesem Sinne auch bei Ihren Zuhörern zu werben. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.Fraktion.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, wie kommentieren Sie Pressemeldungen der letzten Zeit, in denen führende Sozialdemokraten so zitiert werden, dass Ihre Reform der Rentenversicherung nur von etwa 10 bis 15 Mitgliedern der SPD-Fraktion begriffen würde?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Koppelin, ich habe mir schon lange abgewöhnt, Pressemeldungen zu kommentieren. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Weiß von der CDU/CSU-Fraktion.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, die Mehrkosten für die im Rahmen des Rentenreformkonzeptes geplanten Änderungen im Bundessozialhilfegesetz werden laut Ihrer Gesetzesvorlage auf 600 Millionen DM geschätzt. Die kommunalen Spitzenverbände bezweifeln das und halten die Summe für wesentlich höher. Hat es mittlerweile Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden gegeben, in denen man sich hinsichtlich der tatsächlichen Höhe der Mehrkosten, die durch die Neuregelungen entstehen, angenähert hat? Des Weiteren ist geplant, dass auf das Einkommen und das Vermögen unterhaltspflichtiger Kinder zurückgegriffen werden soll, wenn die Eltern ihre Bedürftigkeit durch grob fahrlässiges Verhalten in den letzten zehn Jahren selbst herbeigeführt haben. Welchen Sinn macht diese Regelung? Müsste es nicht logischerweise umgekehrt sein, nämlich dass die Kinder bei grob fahrlässigem Verhalten der Eltern nicht zum Unterhalt herangezogen werden? ({0})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Zu Ihrer ersten Frage: Seit der Vorlage des Gesetzentwurfes - Sie müssen mir das nachsehen - haben wir noch keine Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden geführt; denn der Gesetzentwurf wird erst morgen eingebracht werden. Aber wir werden dann mit den kommunalen Spitzenverbänden darüber intensive Gespräche führen. Die Gespräche werden möglicherweise noch intensiver werden, wenn der Gesetzentwurf, der zustimmungspflichtig ist, dann in den Bundesrat eingebracht wird. Bei der Regelung hinsichtlich des grob fahrlässigen Verhaltens in den letzten zehn Jahren geht es um Folgendes: Wir wollen sicherstellen, dass nicht durch Schenkungen und Übertragungen eine Situation herbeigeführt wird, in der dann die Berechtigung entsteht, ohne Rückgriffsmöglichkeit, Sozialhilfe zu beanspruchen. Diese Missbrauchsmöglichkeit wollen wir ausschließen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als Nächstem steht dem Kollegen Karl-Josef Laumann das Fragerecht zu. ({0})

Karl Josef Laumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001294, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Herr Staatssekretär Andres, wir schwächeln nicht; wir sind immer am Ball. Herr Minister, ich habe gehört, dass die SPD-Fraktion gestern beschlossen hat, prüfen zu lassen, ob nicht noch weitere Teile der erwerbstätigen Bevölkerung in die gesetzliche Rentenversicherung aufgenommen werden können. ({0}) Können Sie sich vorstellen, welche Gruppen der Erwerbstätigen gemeint sind, und können Sie uns das auch mitteilen? ({1})

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich glaube, dass breite Bevölkerungsschichten daran interessiert wären, beispielsweise Sie in die Rentenversicherung aufzunehmen, und nicht nur Sie. Ich kann mir das vorstellen. Ich greife auf die Praxis zurück: Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass im letzten Jahr beispielsweise zwei Gruppen - das war ganz erheblich - in die Rentenversicherung aufgenommen worden sind, nämlich die geringfügig Beschäftigten - das ist erledigt - und die - treffend oder untreffend so bezeichneten Scheinselbstständigen. Sie werden mir vielleicht zustimmen, dass bei diesen beiden Gruppen Sozialversicherungspflichtigkeit sinnvoll ist. Wir haben darüber hinaus dafür gesorgt, dass ein weiterer Kreis von Selbstständigen der Rentenversicherungspflicht unterworfen wurde. Aber noch immer unterliegt ein ganz erheblicher Teil der erwerbstätigen Bevölkerung - das ist bei uns leider anders als in fast allen anderen europäischen Ländern - nicht der Rentenversicherungspflicht. Wir werden den Prozess, immer mehr Menschen in die Rentenversicherung aufzunehmen, vorantreiben, allerdings wohl nicht in dieser Legislaturperiode.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Der nächste Fragesteller ist der Kollege Dr. Ilja Seifert von der PDS-Fraktion.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, wir sind uns wahrscheinlich darüber einig, dass Ihr heute vorgestellter Gesetzentwurf im Zusammenhang mit verschiedenen anderen Initiativen gesehen werden muss, die Sie auf den Weg gebracht haben bzw. die Sie im Bundestag schon eingebracht haben. Sie sprachen in der vergangenen Woche unter anderem davon, dass der Rentenversicherungsbeitrag um 0,2 Prozentpunkte gesenkt werden soll. Der eine Punkt, den Sie mit Ihrer Strategie verfolgen, ist ja, die Beiträge zu senken. Kann es sein, dass diese 0,2 Prozentpunkte durch Änderung der Bestimmungen über Regel- und Ausnahmefälle in der Erwerbsminderungsrente eingespart werden sollen, also dadurch, dass zukünftig die Erwerbsminderungsrente in der Regel als befristete Rente gezahlt werden soll und demzufolge die Zahlungen erst sechs Monate später beginnen werden? Ich würde es nicht gut finden, wenn Sie bei den Renten für berufsunfähig oder erwerbsunfähig gewordene Menschen sparen wollten, um so die Senkung der Rentenbeiträge um 0,2 Prozentpunkte zu finanzieren.

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Nein, das würde ich auch nicht gut finden, Herr Abgeordneter Seifert. Das wäre sicherlich nicht im Sinne dieser Regierung. Aber ich möchte Ihnen Ihre Sorgen auch rechnerisch und faktisch nehmen. Zuerst zum Faktischen: Die Neuregelung der Erwerbsunfähigkeitsrente sieht vor, dass in einem höheren Maße befristete Erwerbsunfähigkeitsrenten genehmigt werden. Wir wollen nicht, dass Menschen ein Leben lang auf Erwerbsunfähigkeitsrente angewiesen sind. Wir wollen, dass bei Erwerbsunfähigen oder befristet Beschäftigten ein angemessener Schutz vorhanden ist. Es gibt die Regelung, dass bei befristeten Renten sechs Monate länger Krankengeldleistungen erfolgen. Diese sind in aller Regel höher als die Leistungen aus der Erwerbsunfähigkeitsrente. Es geht um den Menschen. Er ist materiell besser gestellt. Nun zum Rechnerischen: Wir veranschlagen aus dieser Regelung Mehrkosten für die Krankenversicherung im nächsten Jahr in Höhe von 250 Millionen DM. Die Entlastung der Rentenversicherung ist etwas höher, weil nicht jeder Erwerbsunfähige aus dem Krankengeldbezug kommt. Ich denke hier an bestimmte Phasen von Arbeitslosigkeit. Ein um 0,2 Prozentpunkte verminderter Rentenversicherungsbeitrag führt zu einem Einnahmeausfall von etwa 3,4 Milliarden DM. Wenn Sie die 250 Millionen DM und die 3,4 Milliarden DM vergleichen, so sehen Sie, dass schon daher überhaupt kein Zusammenhang besteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Fragestellerin hat die Kollegin Maria Eichhorn von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Maria Eichhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000449, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, abgesehen davon, dass das neue Konzept der privaten Altersvorsorge hinsichtlich der Kinderförderung nach wie vor unzureichend ist, ist festzustellen, dass die Verschiebung der privaten Altersvorsorge um ein Jahr erhebliche Auswirkungen auf die Rentenanpassung hat. Bei der alten Regelung wäre im Wahljahr 2002 eine Anpassung von 1,23 Prozent zu verzeichnen gewesen. Durch die Verschiebung um ein Jahr wird nach unseren Berechnungen die Anpassung im Wahljahr 2002 deutlich höher sein, nämlich bei 1,85 Prozent liegen. Das Erwachen kommt dann im nächsten Jahr doppelt: Dann wird nämlich die Anpassung umso niedriger ausfallen. Herr Minister, das ist aus meiner Sicht Wählerbetrug. Wie steht die Bundesregierung dazu?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Ich darf Sie beruhigen. In Ihrer Frage sind einige falsche Annahmen enthalten. ({0}) Erstens. Wie die Anhebung im Jahr 2002 erfolgt - hier wiederhole ich mich -, entscheiden Sie mit Mehrheit. In dieser Frage haben Sie als Opposition sicher mitzureden. Daran bin ich sehr interessiert. Zweitens. Die Annahme ist falsch, dass wir heute schon sagen können, wie die Rentenanpassung der Jahre 2002 und 2003 aussieht. Im Moment haben wir bestimmte Annahmen in Bezug auf die Lohnentwicklung. Genau wissen wir das aber noch nicht. Wir haben lediglich Annahmen für unsere Rechnungen zugrunde zu legen. Drittens. Falsch ist, dass die Rentenanhebung des Jahres 2002 Auswirkungen auf die Rentenanhebung des Jahres 2003 hat. Unterstellt man eine Rentenanhebung des Jahres 2002 - ich sage noch einmal: Auch Sie entscheiden darüber - ohne Berücksichtigung des Kapitalvorsorgebeitrags, dann werden im Jahre 2003 nur 0,5 Prozent ihren Niederschlag finden. Über all das - hier darf ich Sie und alle Beschäftigen beruhigen - wird im Frühjahr nächsten Jahres Klarheit sein, und zwar längst bevor Wahlen anstehen. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Zeit für diesen Teil der Regierungsbefragung ist abgelaufen. Ich lasse aber noch drei Fragen zu. Dann gibt es noch zwei weitere Fragen zu anderen Bereichen. Ich bitte, dies zu akzeptieren. Die nächste Fragestellerin ist die Kollegin Ulla Schmidt. ({0})

Ulla Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002019, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, die Frau Kollegin Eichhorn hat gerade darauf hingewiesen, dass nach Meinung der CDU/CSU die Kinderförderung völlig unzureichend ist. Können Sie einmal an einem Beispiel erklären, wie die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Beispiel eine Familie mit 50 000 DM Einkommen und drei Kindern, wenn sie in der Endstufe 4 Prozent ansparen soll, fördert? Wie wird sie es Familien mit geringem Einkommen ermöglichen, eine zweite Säule aufzubauen, damit sie im Alter über ein Einkommen verfügen, das mehr ist als das heutige?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Das will ich gern machen, Frau Abgeordnete Schmidt. Ich nehme das von Ihnen skizzierte Beispiel: eine Familie mit drei Kindern, ein Jahresverdienst in Höhe von 50 000 DM. Das würde bedeuten, dass insgesamt ein Sparvolumen von 2 000 DM pro Jahr aufgebracht werden muss. Wie setzt sich das Sparvolumen zusammen? Die Familie bekommt zuerst einmal zwei Zulagen von 300 DM - das sind 600 DM -, dann für jedes Kind 360 DM. Damit sind wir bei einem Unterstützungsvolumen von insgesamt 1 680 DM für diese Familie. Die Familie selbst muss also letztlich noch 320 DM einbringen. Insofern kann ich die von Ihnen zum Ausdruck gebrachte Sorge völlig ausräumen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt die Kollegin Erika Lotz von der SPDFraktion. ({0})

Erika Lotz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002726, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Riester, es gab ja die breite Forderung nach einer Verbesserung der Situation der Kinder Erziehenden. Nun hat Frau Schmidt schon die Frage nach der Förderung gestellt. Aber die Forderung nach einer Besserstellung der Kinder Erziehenden läuft nicht nur auf eine bessere Förderung hinaus, sondern betrifft beispielsweise auch die Kindererziehungszeiten. Können Sie einmal darstellen, ob es in Ihrem Gesetzentwurf auch dort zu einer Verbesserung kommt, und gibt es beispielsweise auch Sonderregelungen für Erziehende mit behinderten Kindern?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Das mache ich gerne. Der Gesetzentwurf sieht vor - ich hoffe sehr, dass Sie das Gesetz so beschließen -, dass zukünftig in den ersten zehn Jahren der Kindererziehung derjenige, der die Kinder erzieht und dadurch im Regelfall geringere Verdienstmöglichkeiten hat, rentenrechtlich höher bewertet wird, und zwar bis zum Durchschnittsverdienst, der im fraglichen Jahr erzielt wird. Das bedeutet eine deutlich höhere Rentenbewertung. Nun gibt es natürlich auch Familien, in denen zwei oder drei Kinder gleichzeitig erzogen werden. Wenn diejenige, die die Kindererziehung übernimmt, überhaupt nicht erwerbstätig ist, bekommt sie gleichwohl, weil sie eine große Erziehungsleistung erbringt, ein drittel Entgeltpunkt zugerechnet. Der dritte Punkt, den Sie angesprochen haben: Wenn behinderte Kinder erzogen werden, wird die Zeit der rentenrechtlichen Höherbewertung von zehn auf 18 Jahre ausgeweitet. Damit entsprechen wir der berechtigten Forderung, dass Unterbrechungen des Erwerbslebens bzw. niedrigere Verdienste, die auf Kindererziehung zurückgehen, besser ausgeglichen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die letzte Frage zu diesem Themenbereich stellt der Kollege Johannes Singhammer.

Johannes Singhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002800, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, es ist ja schon die berühmte Basta-Rede des Bundeskanzlers angesprochen worden. Während der Bundeskanzler auf dem Gewerkschaftskongress festgestellt hat, von Regierungsseite sei nun endgültig alles festgezurrt, haben nach Presseberichten der Finanzminister und der Arbeitsminister darüber beraten, wie denn die private Vorsorge in die Jahre 2002 ff. verschoben werden kann. Deshalb meine Frage, Herr Minister: Welches Basta gilt denn nun, das des Bundeskanzlers oder das des Arbeitsministers, und ab wann gilt dieses Basta?

Walter Riester (Minister:in)

Politiker ID: 11003616

Herr Abgeordneter Singhammer, als Erstes kann ich Ihnen sagen, dass die Überlegung der Vereinfachung der ergänzenden Förderung aus dem Parlament heraus von den Finanzpolitikern entwickelt worden ist. Ich bin aber sehr dankbar, dass wir die Schritte von acht auf vier - doppelt so hohe - Schritte reduzieren. Darüber können sicherlich alle froh sein, da es sich auch um eine Verwaltungsvereinfachung handelt. Dies haben wir im Rahmen der Diskussion des Referentenentwurfes entwickelt. Dahinter steht der Bundeskanzler voll und ganz; da kann ich Sie absolut beruhigen. Dies werden wir morgen im Rahmen der ersten Lesung in den Bundestag einbringen. Ich bin überzeugt, dass wir in dieser Frage auch Ihre Zustimmung bekommen werden; denn seitens der Union ist gegenüber der jetzigen Regierung immer die massive Forderung nach einer breiten, kapitalgedeckten ergänzenden Vorsorge gestellt worden. Sie selbst haben dieses Vorhaben nicht realisiert; wir machen es, mit einer Unterstützung einer solchen ergänzenden Vorsorge von 20 Milliarden DM bis zum Jahre 2008. Das ist vom Volumen her mehr, als Sie überhaupt gefordert haben. Sie können sich sehr darüber freuen, dass unsere Maßnahmen diesen Umfang haben und dass wir so unbürokratisch wie irgend möglich vorgehen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Zeit für die Behandlung dieses Themenbereichs der heutigen Kabinettssitzung ist abgelaufen. Ich bitte die übrigen Fragesteller, auf ihre Fragen zu verzichten. Mir liegen jedoch noch drei weitere Fragen vor, die diesen Themenbereich nicht betreffen, die ich noch aufrufen will. Als Erster hat der Kollege Eckart von Klaeden von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Wir haben den Meldungen der Agenturen entnommen, dass der Fall Klimmt im Kabinett eine Rolle gespielt hat. Ich frage die Bundesregierung, ob auch die heute bekannt gewordenen neuen Vorwürfe gegenüber Herrn Klimmt eine Rolle gespielt haben. Es heißt, dass Spendenquittungen der SPD unter die Lupe genommen würden, da bei einem privaten Treffen im Hause von Herrn Doerfert 1998 unter den Gästen eine Wette über das Abschneiden des Sängers Guildo Horn beim Schlager-Grand-Prix abgeschlossen worden sei, in dessen Folge Herr Doerfert alle Wetteinsätze bezahlt und Klimmt als Spende für die SPD ausgehändigt habe. Ist es in der Kabinettssitzung um diesen Sachverhalt gegangen? Sind auch die juristischen Konsequenzen eines solchen Sachverhalts - seine Wahrheit unterstellt - besprochen worden, nämlich erstens, dass es sich um eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung handelt, und zweitens, dass dort in parteienrechtlicher Hinsicht eine Verschleierung der wahren Spender stattgefunden hat, sodass der SPD-Rechenschaftsbericht für diesen Zeitraum ungültig ist? ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wer will diese Frage beantworten? - Bitte schön, Herr Staatsminister Bury.

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Herr Kollege von Klaeden, weder hat die Bundesregierung in der heutigen Kabinettssitzung den von Ihnen zitierten Pressebericht diskutiert noch habe ich die Absicht, ihn hier zu kommentieren. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die nächste Frage stellt der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Hat in der heutigen Kabinettssitzung eine Pressemeldung im „Handelsblatt“ eine Rolle gespielt, wonach - ich versuche meine Frage sehr weit zu fassen, damit Sie entsprechend antworten können - es beim Bundeswirtschaftsminister eventuell Planungen, Vorstellungen oder Wünsche gibt, einen weiteren Parlamentarischen Staatssekretär zu bekommen, vorzugsweise aus den Reihen der Grünen?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatsminister Bury.

Not found (Gast)

Herr Kollege Koppelin, auch diese Frage ist im Kabinett heute nicht erörtert worden. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die letzte Frage in diesem Teil der Regierungsbefragung stellt der Kollege Norbert Röttgen von der CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage die Bundesregierung, ob im Bundeskabinett heute - über irgendetwas muss ja gesprochen worden sein - über die Errichtung eines UN-Campus in der Bundesstadt Bonn - eine für die Region Bonn bedeutende Angelegenheit - entschieden worden ist.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär Großmann, bitte schön.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Über diese Frage ist im Kabinett gesprochen worden. ({0}) - Es ist schon korrekt: Das war die Antwort auf die Frage. ({1}) - Wenn Sie mir die Zeit geben, die Frage noch genauer zu beantworten, dann kommt vielleicht noch mehr Freude auf. Folgender Beschluss ist gefasst worden: Die Entscheidung über eine Unterbringung von Organisationen der Vereinten Nationen im ehemaligen Parlaments- und Regierungsviertel wird wegen des Sachzusammenhangs mit dem internationalen Kongress- und Veranstaltungszentrum im Bereich des alten Plenarsaals dann getroffen, wenn die Voraussetzungen für die Errichtung dieses Zentrums seitens der Bundesregierung, des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bundesstadt Bonn geschaffen sind. Wir rechnen mit dieser Übereinkunft etwa im Frühjahr 2001. Wegen der besonderen Dringlichkeit kann das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit dem Sekretariat der Klimarahmenkonvention UNFCCC und dem Wüstensekretariat UNCCD aber eine Unterbringung in Bonn im Alten Hochhaus zusichern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich beende die Befragung der Bundesregierung. Ich bitte zu entschuldigen, dass ich keine weiteren Fragen mehr zulasse, aber die Zeit ist schon weit überschritten. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/4567, 14/4592 Als Erstes rufe ich eine dringliche Frage des Abgeordneten Eckart von Klaeden auf: Wird der Bundeskanzler dem Bundespräsidenten nunmehr die Entlassung des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, vorschlagen, nachdem das Amtsgericht Trier gegen den Bundesminister Reinhard Klimmt am Montag dieser Woche Strafbefehl wegen Beihilfe zur Untreue in Höhe von 90 Tagessätzen zu 300 DM erlassen hat ({0}) und Bundesminister Reinhard Klimmt, der den Strafbefehl rechtskräftig werden lassen will ({1}), eine Strafe in Höhe von 27 000 DM zahlen muss und vorbestraft sein wird? Zur Beantwortung steht der Staatsminister im Kanzleramt, Herr Bury, zur Verfügung.

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, hat heute seine Anwälte angewiesen, gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts Trier Einspruch einzulegen. Reinhard Klimmt geht davon aus, dass sich in der Hauptverhandlung herausstellen wird, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Die Bundesregierung äußert sich grundsätzlich nicht zu laufenden Verfahren. Ausdrücklich möchte ich allerdings darauf hinweisen, dass auch für Bundesminister die Unschuldsvermutung gilt. Es gibt also keinen aktuellen Entscheidungsbedarf. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr von Klaeden?

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist der Bundesregierung bekannt, dass nach §§ 407 ff. der Strafprozessordnung Voraussetzungen für die Rechtskraft eines Strafbefehls die Geklärtheit des Sachverhaltes ({0}) und das Schuldeingeständnis des Täters sind? Inwieweit können Sie aus politischen Gründen die Unschuldsvermutung für Herrn Klimmt noch gelten lassen, wenn er bereits durch die Bereitschaft zur Annahme seine Tat gestanden hat? ({1}) Dies ist ja Voraussetzung für die Rechtskraft eines Strafbefehls. ({2}) - Schauen Sie ins Gesetz. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zur Beantwortung steht der Staatsminister Bury zur Verfügung.

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, ich habe Sie eben darauf hingewiesen, dass Reinhard Klimmt seine Anwälte angewiesen hat, gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen, weil er davon überzeugt ist, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen und sich dieses in der Hauptverhandlung erweisen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zweite Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist der Bundesregierung ein Präzedenzfall bekannt, in dem ein Bundesminister gezwungen war, die Einschränkung der Leistungsfähigkeit bei der Erledigung seiner Amtsgeschäfte hinzunehmen, weil er sich in einem aktuellen Strafverfahren hat verteidigen müssen? ({0})

Not found (Gast)

Ich vermag nicht zu erkennen, wo Bundesminister Reinhard Klimmt in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt wäre. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, gelten für die Bundesregierung und den Bundeskanzler noch die gleichen moralischen Maßstäbe wie 1983, als die damalige SPD-Bundestagsfraktion den Rücktritt des Bundeswirtschaftsministers, ohne dass der betroffene Bundesminister eine Anklageschrift in der Hand hatte, gefordert und zu einer Debatte im Plenum aufgefordert hat? Ich will Ihnen im Detail gar nicht sagen, was die SPD damals alles verlangt hat. ({0}) Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen? Gilt die gleiche Messlatte auch heute noch? Da Sie eben das Verhalten von Bundesminister Klimmt angesprochen haben, möchte ich Sie fragen, ob Sie uns erklären können, wie der Sinneswandel bei Bundesminister Klimmt zustande gekommen ist. Er hat ja noch in einer Sendung von n-tv am 13. November wörtlich Folgendes auf die Frage: „Warum legen Sie gegen eine Ungerechtigkeit keinen Einspruch ein?“, ({1}) gesagt: Ich möchte jetzt meine Arbeit weitermachen können und möchte mich nicht fragen lassen: Wann ist denn nun der Prozess? Wann wird neu entschieden? Wer tritt als Zeuge auf? Das ist etwas, dem ich mich nicht aussetzen möchte. Aus dem Grunde sage ich: Wir machen jetzt den Deckel zu. - Welche Gründe gibt es nun für einen Sinneswandel?

Not found (Gast)

Zum ersten Teil Ihrer Frage, Herr Kollege Koppelin: Es gilt die Unschuldsvermutung, das heißt früher wie heute, dass es keine Vorverurteilung in Fällen gibt, in denen sich der Betroffene selbst für nicht schuldig hält. ({0}) Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Reinhard Klimmt hatte in der Tat am 13. November dieses Jahres erklärt, er sei bereit, den vom Amtsgericht Trier erlassenen Strafbefehl rechtskräftig werden zu lassen, obwohl er davon überzeugt sei, dass er sich nichts habe zuschulden kommen lassen. ({1}) Damit entsprach Reinhard Klimmt einer Empfehlung seiner Anwälte. Weil diese Ankündigung jedoch öffentlich als Schuldeingeständnis interpretiert wurde, hat Minister Klimmt heute seine Anwälte angewiesen, gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen. Er ist überzeugt, dass sich in der Hauptverhandlung herausstellen wird, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Fragen des Kollegen Axel Fischer.

Axel E. Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003118, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist dem Bundeskanzler bekannt, dass laut einer „Spiegel“-Umfrage die Mehrheit der Deutschen für einen „Abpfiff“ von Klimmt ist und dass auch 55 Prozent der SPD-Anhänger diese Einschätzung teilen? ({0})

Not found (Gast)

Ich kann, Herr Kollege, nicht ausschließen, dass der Bundeskanzler den „Spiegel“ gelesen hat. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Dirk Fischer.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister Bury, ich möchte nachfragen: Wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes die Vorbedingung für den Antrag, einen Strafbefehl zu erlassen, ist, dass der Sachverhalt eindeutig geklärt ({0}) und der Täter geständig ist ({1}) - dies war bis zu der Erklärung von Minister Klimmt die Basis -, müssen das Parlament und die deutsche Öffentlichkeit dann davon ausgehen, dass Minister Klimmt damit sein Geständnis zurückgenommen hat, was ja sein gutes Recht ist, oder würden Sie bestreiten, dass er in diesem Verfahren bisher geständig war?

Not found (Gast)

Da ich nicht Jurist bin, Herr Abgeordneter, würde ich bitten, dass der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz den rechtlichen Teil Ihrer Frage beantwortet. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatssekretär, bitte schön. ({0})

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Fischer, Sie wissen, dass Strafbefehle unter ganz unterschiedlichen Voraussetzungen zustande kommen können. Solange die Einspruchsfrist besteht, kann er natürlich jederzeit angefochten werden. Insofern ist die Rechtsfolge, dass es zu einer Hauptverhandlung kommt. ({0}) - Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Beweggründe damals entscheidend waren, und ich glaube, Sie werden von mir auch nicht erwarten, dass ich darüber sinniere, aus welchen Gründen die Aussage von Herrn Klimmt erfolgt ist. Ich nehme an, er hatte seinen guten Grund, und er hat auch einen entsprechend guten Grund, nun zu sagen: Ich fechte den Strafbefehl an.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage der Kollegin Sylvia Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, darf ich in diesem Zusammenhang fragen, was Herrn Klimmt bewogen hat, den Strafbefehl zunächst anzunehmen und ihn jetzt, einige Tage danach - letztendlich auf anwaltlichen Beistand hin - doch anzufechten? ({0})

Not found (Gast)

Frau Kollegin, wenn Ihnen meine Antwort auf die gleiche Frage vorher entgangen ist, bin ich gerne bereit, sie zu wiederholen. Reinhard Klimmt hatte am 13. November in der Tat erklärt, er sei bereit, den vom Amtsgericht Trier erlassenen Strafbefehl rechtskräftig werden zu lassen, obwohl er davon überzeugt sei, dass er sich nichts habe zuschulden kommen lassen. Damit hatte Reinhard Klimmt einer Empfehlung seiner Anwälte entsprochen. Diese Ankündigung - darauf hatte ich vorhin hingewiesen - ist jedoch öffentlich als Schuldeingeständnis interpretiert worden, und deshalb hat Reinhard Klimmt heute seine Anwälte angewiesen, gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen, weil er überzeugt ist, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen und dass dieses in der Hauptverhandlung auch so festgestellt werden wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Abgeordneten Koschyk.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, der Kollege von Klaeden hat vorhin auf einen Fernsehbericht im ARD-Magazin „Report“ verwiesen, in dem über diesen Wettvorgang unter Beteiligung des Herrn Bundesministers Klimmt berichtet wurde. Kann man davon ausgehen, Herr Staatsminister, dass dieser Vorgang von Herrn Klimmt in der Öffentlichkeit entsprechend zurechtgerückt wird, falls diese Vorwürfe in diesem Magazin nicht zutreffen? Kann man ferner davon ausgehen, dass der Herr Bundeskanzler den Herrn Bundesminister darüber befragen wird, ob diese ungeheuerlichen Vorwürfe im Zusammenhang mit einer von Herrn Bundesminister Klimmt im Hause von Herrn Doerfert initiierten Wettrunde zutreffen: Scheinbare Wetteinsätze sollen nicht beglichen worden sein, sondern als Spende an die SPD geflossen sein, indem der angeklagte Herr Doerfert Herrn Klimmt pauschal einen Scheck übergeben hat; die Beteiligten haben jetzt Selbstanzeige erstattet, weil sie befürchten, in den Strudel der Spendenaffäre Klimmt hineingezogen zu werden? Kann man also davon ausgehen, dass diesen in einem Fernsehmagazin erhobenen Vorwürfen von der Bundesregierung, von Herrn Klimmt in irgendeiner Weise entgegengetreten wird?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich habe weniger Zeit zum Fernsehen als der Abgeordnete von Klaeden. ({0}) Ich kann daher den von Ihnen zitierten Fernsehbericht nicht kommentieren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe jetzt die Fragen auf, die mit der eben gestellten dringlichen Frage im Zusammenhang stehen. Zur Beantwortung steht weiterhin der Staatsminister Hans Martin Bury zur Verfügung. Die Frage 37 des Abgeordneten Eckart von Klaeden ist zurückgezogen worden. Ich rufe die Frage 38 des Abgeordneten Eckart von Klaeden auf: Wie bewertet der Bundeskanzler, dass Bundesminister Reinhard Klimmt ihn bislang nicht von sich aus ersucht hat, dem Bundespräsidenten seine Entlassung vorzuschlagen, obwohl die Konsequenz der Ermittlungen der beantragte Strafbefehl ist? Bitte schön, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter von Klaeden, Bundesminister Klimmt ist davon überzeugt, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Er setzt darauf, dass seine Unschuld in der Hauptverhandlung festgestellt wird. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ich möchte nach der Motivation von Herrn Klimmt fragen, den Strafbefehl zunächst anzunehmen und hinterher doch Einspruch einzulegen. Hatte Minister Klimmt Anlass, davon auszugehen, dass der Bundeskanzler ihn im Falle der Annahme des Strafbefehls - wie es die Medien berichtet haben - im Kabinett belassen würde, oder hat es eine derartige Vereinbarung nicht gegeben?

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, ich habe Sie bereits zweimal darauf hingewiesen, warum Reinhard Klimmt zunächst erklärt hat, er werde den Strafbefehl akzeptieren, dann aber - wegen der Missinterpretation als Schuldeingeständnis - heute zu einer anderen Entscheidung gekommen ist. Der Bundeskanzler hat heute im Kabinett deutlich gemacht, dass es in dieser Frage aktuell nichts zu entscheiden gibt. Er geht davon aus, dass sich in der Hauptverhandlung die Unschuld von Reinhard Klimmt erweisen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Kollege von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da Sie meine Frage nicht beantwortet haben, muss ich meine zweite Zusatzfrage dafür opfern, Sie noch einmal zu fragen, ob Bundesminister Klimmt Anlass hatte, davon ausgehen zu können, dass er im Kabinett verbleiben würde, falls er den Strafbefehl annimmt.

Not found (Gast)

Herr Kollege von Klaeden, ich antworte nicht auf hypothetische Fragen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage des Kollegen Dirk Fischer.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister Bury, hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob das widersprüchliche Verhalten des Bundesministers Klimmt aufgrund eigener freier Entscheidung oder auf Drängen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck zustande gekommen ist? ({0})

Not found (Gast)

Selbstverständlich ist es die eigene Entscheidung von Reinhard Klimmt, wie er sich in diesem Verfahren verhält.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Norbert Geis.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, stimmen Sie mit mir darin überein, dass nicht der von Ihnen genannte Grund für den Einspruch gegen den Strafbefehl zutrifft, sondern dass ein ganz anderer Grund wahrscheinlich ist? Denn jeder, der bereit ist, einen Strafbefehl anzunehmen, bekundet damit für die Öffentlichkeit klar, dass er sich für schuldig hält; sonst würde er ja den Strafbefehl nicht annehmen.

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege, ich stimme darin ausdrücklich nicht mit Ihnen überein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage der Kollegin Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hat es in dieser Angelegenheit eine Einflussnahme des Herrn Bundeskanzlers auf den Bundesminister Klimmt vor dem Hintergrund gegeben, dass - was wir zumindest in den Medien nachlesen können - der Bundeskanzler beabsichtigt, ein Verbleiben des Bundesministers Klimmt im Amt davon abhängig zu machen, wie das Medienecho bzw. der Druck der Öffentlichkeit auf Herrn Klimmt ausfällt?

Not found (Gast)

Nein, die Entscheidungen sind - offenkundig im Übrigen - nicht vom Medienecho abhängig gemacht worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen dann zur Frage 39 des Kollegen Erwin Marschewski: Ist der Bundeskanzler der Ansicht, der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Reinhard Klimmt, könne bei einem Strafbefehl im Amt bleiben, wie dies zum Beispiel vom Vorsitzenden der Fraktion der SPD vertreten wird, und ist damit zu rechnen, dass Bundesminister Reinhard Klimmt bei einer Anklageerhebung in jedem Fall entlassen würde?

Not found (Gast)

Nein, Herr Kollege Marschewski, wie bereits in der Antwort auf die Frage des Kollegen von Klaeden ausgeführt, gilt auch für Bundesminister in laufenden Verfahren die Unschuldsvermutung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage? - Herr Marschewski, bitte.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, teilt der Herr Bundeskanzler die Auffassung zum Beispiel des Untersuchungsausschussvorsitzenden Neumann und großer Teile der Bevölkerung, dass ein Rücktritt allein wegen dieses ungeheuren Schummelvorgangs, dieses unseligen Geschäftes zwischen Caritas und FC Saarbrücken, nötig sei, oder teilt er die Auffassung, Klimmt sei ein anständiger Mensch und müsse schon allein deswegen im Kabinett verbleiben?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter Marschewski, der Bundeskanzler teilt die von Ihnen hier vorgetragene erste Auffassung nicht. Mit Interesse habe ich im Übrigen einer ddp-Meldung von heute Mittag entnommen, dass auch der designierte CDUGeneralsekretär, Herr Laurenz Meyer, einen sofortigen Rücktritt von Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt nicht für notwendig erachtet. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Wilhelm Schmidt von der SPDFraktion.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, teilen Sie meine Auffassung, dass die Art und Weise von Kesseltreiben und Vorverurteilung gegenüber Bundesminister Klimmt offensichtlich ein Licht auf große Teile der CDU/CSU und ihre Art, die Leitkultur zu verstehen, wirft? ({0})

Not found (Gast)

Herr Kollege Schmidt, es fiele mir schwer, Ihrer Einschätzung an dieser Stelle zu widersprechen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Bundesminister Klimmt hat sich in der Öffentlichkeit zu seiner Verteidigung in der Form eingelassen, dass er den hier in Rede stehenden Vertrag, bei dem es immerhin um über 600 000 DM gegangen ist, ohne Vorsatz unterschrieben habe; er habe einfach das unterzeichnet, was ihm die Juristen vorgelegt hätten. Ist zu befürchten, dass er dieselbe Sorgfalt auch bei seinen Amtsgeschäften als Bundesminister an den Tag legt? ({0})

Not found (Gast)

Was den ersten Teil Ihrer Frage angeht, Herr Abgeordneter von Klaeden, habe ich schon vorhin darauf hingewiesen, dass ich mich zu dem laufenden Verfahren grundsätzlich nicht äußere. Was den zweiten Teil betrifft: Ich habe keinen Anlass, an der Sorgfalt der Amtsführung des Kollegen Klimmt zu zweifeln.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Bonitz, bitte schön.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wenn Herr Klimmt sagt - so ist es seinen Ausführungen in den Medien zu entnehmen -, dass er selbstverständlich davon ausgegangen sei, dass alles seine Ordnung habe, bezieht sich das dann auch darauf, dass es heutzutage anscheinend eine Selbstverständlichkeit ist, wenn knappe Mittel der Caritas dazu verwandt werden, einen Fußballklub vor der Pleite zu bewahren?

Not found (Gast)

Wir haben hier denselben Fall wie eben, Frau Abgeordnete: Ich darf auf meine vorhergehende Antwort verweisen, dass ich mich zu einem laufenden Verfahren grundsätzlich nicht äußere.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen nun zur Frage 40 des Abgeordneten Erwin Marschewski: Macht der Bundeskanzler Bundesminister Reinhard Klimmts politisches Schicksal vom politischen Echo auf das Ergebnis der staatsanwaltlichen Ermittlungen bzw. Vernehmung von Bundesminister Reinhard Klimmt abhängig und trifft insofern die Einschätzung zu, dass der Bundeskanzler für den Verbleib in einem herausragenden Amt wie dem eines Bundesministers weniger die Schwere der Vorwürfe strafbarer Handlungen ins Kalkül zieht als vielmehr vor allem die damit verbundene öffentliche Resonanz ausschlaggebend sein lässt?

Not found (Gast)

Die Antwort auf die Frage lautet: Nein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Keine Zusatzfrage, Herr Marschewski? - Herr von Klaeden, Ihre Zusatzfrage.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, glauben Sie eigentlich, dass nach diesen Vorfällen Bundesminister Klimmt noch der in Sonntagsreden immer wieder beschworenen Vorbildfunktion von amtierenden Ministern nachkommen kann?

Not found (Gast)

Ich darf Sie noch einmal auf Folgendes hinweisen: Da Sie Rechtsanwalt sind, ({0}) dachte ich eigentlich, dass Ihnen geläufig ist, dass in einem laufenden, nicht abgeschlossenen Verfahren auch für Bundesminister die Unschuldsvermutung gilt. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Bonitz. Bitte schön.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, da die Vorgänge, die dem Strafbefehl gegen Herrn Klimmt zugrunde liegen, bislang unbestritten sind, frage ich, in welcher Weise Bundesminister Klimmt, falls er während dieses Verfahrens im Amt bleibt, seine politische Vorbildfunktion beeinträchtigt sieht.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, noch einmal: Bundesminister Reinhard Klimmt geht davon aus, dass er sich nichts hat zuschulden kommen lassen und dass dies in einer entsprechenden Hauptverhandlung bestätigt wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dirk Fischer.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister Bury, hat es Überlegungen dahin gehend gegeben, Klimmt solle besser gleich zurücktreten, als durch sein Verbleiben im Amt die Landtagswahlen in RheinlandPfalz und Baden-Württemberg zu belasten?

Not found (Gast)

Nein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 1 des Abgeordneten Gerald Weiß ({0}) soll schriftlich beantwortet werden. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht Frau Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Konrad Kunick auf: Welche Folgen hat nach Auffassung der Bundesregierung die globale Erwärmung für den vorausschauenden Küstenschutz? Frau Staatssekretärin, bitte schön.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege, neben der Zunahme der Zahl an Stürmen, Überschwemmungen und Naturkatastrophen, mit denen wir in der vergangenen Zeit in diesem Zusammenhang konfrontiert worden sind, wird auch ein weiterer Anstieg des Meeresspiegels als unmittelbare Folge weltweiter Klimaveränderungen prognostiziert. Der Anstieg des Meeresspiegels wird sich zweifelsohne regional sehr unterschiedlich auswirken. Wenn wir über vorsorgenden Küstenschutz sprechen, sind ganz besonders sehr dicht besiedelte Gegenden, die unmittelbar unterhalb des Meeresspiegels liegen, zu beachten. Dies sind vor allem kleine Inselstaaten, die sich während der Klimaverhandlungen zu einer Interessengruppe konstituiert haben. Der vorausschauende Küstenschutz als Reaktion auf den Klimawandel ist für uns allerdings nur die zweitbeste Lösung. Es ist hier vielmehr notwendig, eine wirklich wirksame Verminderung der Emission der für den Treibhauseffekt verantwortlichen Spurengase zu erreichen. Das Kioto-Protokoll bietet hierfür eine Grundlage, einen ersten Schritt; es ist aber sicherlich nicht ausreichend. Falls wir aber in die Situation geraten, dass sowohl durch die aktuellen Verhandlungen als auch durch die Verringerung der Emission von Spurengasen nicht verhindert werden kann, dass der Meeresspiegel ansteigt, sind vorausschauende Küstenschutzmaßnahmen erforderlich. Eine Erhöhung der Deiche sowie der Bau neuer Sperrwerke und die Verstärkung von bestehenden Sperrwerken können tiefer liegende Gebiete vor Überflutung schützen. Aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheit wird allerdings ein vorsorgender Küstenschutz vordringlich in den Entwicklungsstaaten erforderlich werden. Als Beispiel nenne ich Bangladesch. Von den westlichen Industriestaaten sind hier besonders die Niederlande zu nennen. Auch wenn es diese besondere Betroffenheit gibt, sind wir natürlich ebenso in unserer nationalen Politik gefragt. Sie wissen, dass in Deutschland die Länder für den Küstenschutz zuständig sind. Der Bund finanziert auf der Grundlage der im Planungsausschuss der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ festgelegten Fördergrundsätze bis zu 70 Prozent der Maßnahmen der Länder. Der Umfang der Bundesmittel beträgt hier jährlich 150 bis 170 Millionen DM. In der Planung für den Küstenschutz ist schon seit langem ein Anstieg des Meeresspiegels um 25 bis 30 Zentimeter berücksichtigt. Falls der Meeresspiegel um 50 Zentimeter ansteigen sollte, wäre in den nächsten Jahren hinreichende Sicherheit gegeben. Um allerdings auch bei alten Deichen und entsprechenden Bauwerken auf diesen Stand zu kommen, sind noch eine Reihe von Maßnahmen notwendig. Wir rechnen mit einem Kostenaufwand für die nächsten zehn Jahre in Höhe von circa 2 Milliarden DM.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Kunick.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, die wissenschaftlichen Erkenntnisse über einen nicht mehr abzubremsenden Klimaschub bezüglich des Deichschutzes im deutschen Küstengebiet vertiefen zu lassen, sodass wir rechtzeitig weitere Deicherhöhungen veranlassen können?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Selbstverständlich, Herr Kollege. Wissenschaftlich sind die Möglichkeiten eines Meeresspiegelanstiegs untersucht. Die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages und das IPCC gehen davon aus, dass der Klimawandel solche Folgen haben wird. Da wir seit langem vorausschauend sind, hat die Bundesregierung eine Erhöhung des Meeresspiegels um 25 Zentimeter bis 30 Zentimeter einbezogen. Falls der Meeresspiegel um 50 Zentimeter ansteigen würde, wären wir noch auf der sicheren Seite. Selbstverständlich aber müssen wir alle wissenschaftlichen Erkenntnisse und Untersuchungen zu Rate ziehen, um hier vorausschauend tätig werden zu können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kunick.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist die Bundesregierung bereit, gegebenenfalls ein Programm zur weiteren Erhöhung der Deichsicherheit und zur Verkürzung von Deichlinien mit den Küstenländern zu erörtern?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Sie wissen, dass wir mit den Ländern im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe immer im Gespräch sind. Die Gesamtinvestitionen von Bund und Ländern für den Küstenschutz innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Küstenschutz“ betragen jährlich circa 200 Millionen DM. Seit der Sturmflut 1962 sind 9 Milliarden DM investiert worden. Diese Beratungen gehen natürlich auch aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse weiter. Wir halten es für richtig, dass wir uns mit 70 Prozent an diesen Maßnahmen beteiligen, und werden mit den Ländern ausloten, wo zusätzliche Maßnahmen nötig sind.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass heute, rund 40 Jahre später, noch nicht alle Küstenschutzmaßnahmen abgeschlossen sind, die nach der Sturmflut von 1962 als notwendig erachtet wurden? Welches Volumen haben die noch ausstehenden Maßnahmen und welches Volumen haben die von Ihnen genannten Maßnahmen, wenn man um 20 bis 30 Zentimeter erhöhte Deiche berücksichtigt?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Ein Anstieg des Meeresspiegels um 20 bis 30 Zentimeter ist in den Planungen bereits berücksichtigt worden. Es wird jetzt im Nachgang zu den Sturmfluten noch notwendig sein, die See- und Stromdeiche auf einer Länge von 280 Kilometern auszubauen. Ich habe vorhin die Höhe der notwendigen Investitionen genannt. Zwischen Bund und Ländern wird die Finanzierung geklärt. Das ist eine Aufgabe, die wir nur gemeinsam bewältigen können. Sie können aber versichert sein, dass uns der Ausbau der 280 Kilometer Länge sehr am Herzen liegt und wir ihn aufgrund der neuen Erkenntnisse und der Situation, mit der wir konfrontiert sind, schnell vorantreiben werden. Wir sind mit Überflutungen, Sturmfluten und Wettersituationen konfrontiert, die immer deutlicher werden lassen, dass ein Klimawandel voranschreitet. Deshalb müssen diese Schutzmaßnahmen getroffen werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin Probst. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Zur Beantwortung der Fragen steht Staatsminister Dr. Christoph Zöpel zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der Gesetzgebung zum Schutze nationaler und ethnischer Minderheiten in der Tschechischen Republik und wie bewertet die Bundesregierung die hierzu bislang von der Tschechischen Republik bekannt gewordenen Positionen?

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Herr Präsident! Herr Kollege, Sie fragen nach der Gesetzgebung zum Schutz nationaler und ethnischer Minderheiten in der Tschechischen Republik. Dazu ist auf geltendes Recht zu verweisen. Im tschechischen Verfassungsrecht gibt es eine Charta der Grundrechte und Grundfreiheiten, die in ihren Artikeln 3 sowie 24 und 25 entsprechende Regelungen vorsieht. Über Artikel 3 der tschechischen Verfassung ist diese Charta ihr integraler Bestandteil. Die Frage kann sich aber auch auf laufende Gesetzgebungsverfahren beziehen. Im tschechischen Parlament befindet sich ein Gesetzentwurf hinsichtlich eines spezifischen Minderheitengesetzes, bei dessen Ausarbeitung auch Vertreter nationaler und ethnischer Minderheiten sowie der Minderheitenbeauftragte der Regierung Gelegenheit hatten, Stellungnahmen abzugeben. Es wurde im Oktober im Kabinett verabschiedet und befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren. Es orientiert sich an den einschlägigen Rechtsnormen des Europarates, in Sonderheit an der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen vom 5. November 1992, der die Tschechische Republik am 9. November 2000 beigetreten ist. Schließlich haben wir Informationen, dass es ergänzend zu diesem bereits im Parlament befindlichen Gesetzentwurf in der tschechischen Regierung Überlegungen gibt, Gesetzesnovellen für Einzelbereiche des Minderheitenschutzes zu erarbeiten, mit denen die Rechte von Minderheiten namentlich im Bereich der Medien und der Justiz gestärkt werden sollen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Koschyk? - Bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, ist denn der Bundesregierung bekannt, dass es in der Tschechischen Republik gegenüber dem aktuell im Parlament zu beratenden Gesetzentwurf der Regierung doch Vorbehalte sowohl seitens der nationalen und ethnischen Minderheiten in der Tschechischen Republik als auch seitens des vom Menschenrechtsbeauftragten Uhl gibt und dass die Vorschläge des Menschenrechtsbeauftragten weit über die Regelungen des Gesetzentwurfes hinausgegangen sind, der jetzt dem tschechischen Parlament zur Diskussion vorliegt?

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In der Art und Weise, wie wir miteinander in solchen Angelegenheiten umgehen, bedanke ich mich für Ihren Hinweis. Ich gehe ihm nach. Ich bin vorher nicht darauf aufmerksam gemacht worden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Koschyk zu einer weiteren Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe noch eine Frage: Wie äußert sich die Kommission in ihrem aktuellen Fortschrittsbericht im Hinblick auf das Beitrittsverfahren der Tschechischen Republik zur Europäischen Union zu dem Menschenrechts- und Minderheitenschutzstandard in der Tschechischen Republik, der nach den Kopenhagener Beitrittskriterien ein sehr wichtiger Gesichtspunkt ist?

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Soweit ich es der Zusammenfassung des Berichts entnommen habe, enthält er diesbezüglich keine beitrittshinderlichen Hinweise.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Über welche Erkenntnisse verfügt die Bundesregierung hinsichtlich der Berücksichtigung von Gewahrsamszeiten in tschechoslowakischen Internierungs- und Arbeitslagern nach dem Zweiten Weltkrieg in der tschechischen Rentenversicherung für die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, und sieht die Bundesregierung in den diesbezüglichen Bestimmungen eine Diskriminierung gegenüber den Angehörigen der tschechischen Mehrheitsbevölkerung, für deren Beseitigung sich die Bundesregierung gegenüber der tschechischen Seite einsetzen will?

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Herr Präsident! Herr Kollege, die Bundesregierung verfügt zurzeit für die Beantwortung Ihrer Frage hinsichtlich der Berücksichtigung von Gewahrsamszeiten in tschechoslowakischen Internierungs- und Arbeitslagern nach dem Zweiten Weltkrieg in der tschechischen Rentenversicherung für die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik nicht über ausreichende Erkenntnisse. Die deutsche Botschaft in Prag wurde von uns um Prüfung des tschechischen Rentenversicherungsrechts in Bezug auf diese Frage gebeten. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen, wie Sie dankenswerterweise akzeptieren wollen. Wir werden Ihnen dazu ausführlich schriftlich berichten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sollte sich ergeben, Herr Staatsminister, dass Gewahrsamszeiten für Angehörige der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik im tschechischen Rentenrecht nicht anerkannt werden: Wird sich die Bundesregierung dann gegenüber der tschechischen Seite für eine entsprechende Anrechnung dieser Gewahrsamszeiten in der Rentenversicherung einsetzen?

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Ohne ausweichen zu wollen: Dass es sich hierbei um einen Tatbestand handelt, der im Interesse der Betroffenen mit aller Sorgfalt durch die Bundesregierung geprüft werden muss, ist klar. Angesichts der Tatsache, dass vermutlich weder Sie noch ich im Augenblick ganz genau wissen, was in den entsprchenden Gesetzen steht bzw. was in ihnen fehlt, möchte ich auch keine abstrakte Antwort auf Ihre Frage geben. Wenn aber die Recherche ergibt, dass Ihre Befürchtungen richtig sind, werden wir dies sorgfältig prüfen. Ich möchte Ihnen persönlich zusagen, vor einer Entscheidung darüber mit Ihnen in Kontakt zu treten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir kommen dann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Professor Dr. Eckhart Pick zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 des Abgeordneten Wolfgang Dehnel auf: Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, die Sicherheit der Bevölkerung vor besonders gefährlichen Sexualstraftätern zu verbessern?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dehnel, ich darf zunächst darauf verweisen, dass vor kurzem das Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 den Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Sexualstraftätern umfassend verbessert hat. So ist gerade gegenüber dieser Gruppe von Straftätern die Verhängung der Sicherungsverwahrung deutlich erleichtert worden. Seitdem schreibt das Gesetz ausdrücklich vor, dass die Gerichte bei der Entscheidung über eine mögliche vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft prüfen müssen, ob - ich zitiere aus § 57 Abs. 1 Nr. 2 des Strafgesetzbuches - „dies unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit verantwortet werden kann“. Mit diesem Gesetz wurde zudem der umfassend belegten Erkenntnis Rechnung getragen, dass eine angemessene therapeutische Behandlung von Sexualstraftätern durchaus erfolgreich sein kann und dass gerade eine erfolgreiche Therapie den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit dient, da sie den Tätern die Gefährlichkeit nimmt. Deswegen wurde § 9 des Strafvollzugsgesetzes, der übrigens erst zum 1. Januar 2003 in Kraft treten wird, neu gefasst. Damit wird eine Verlegung von behandlungsbedürftigen und behandlungsfähigen Sexualstraftätern, die zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurden, in eine sozialtherapeutische Anstalt zwingend vorgeschrieben, wenn diese Verlegung aufgrund einer Untersuchung der Persönlichkeit und der Lebensverhältnisse des Gefangenen angezeigt ist. Das spätere In-Kraft-Treten wurde im Übrigen beschlossen, um den Ländern entsprechende Maßnahmen zu ermöglichen. Weiterhin verpflichtet das Gesetz die Vollzugsbehörden schon jetzt, bereits in der zu Beginn des Vollzuges durchzuführenden Behandlungsuntersuchung zu prüfen, ob die Verlegung unter Behandlungsgesichtspunkten angezeigt ist, und eine Entscheidung zu treffen. Für den Fall, dass das Erfordernis der Verlegung verneint wird, ist die Entscheidung unter Berücksichtigung der Entwicklung des Gefangenen im Vollzug in regelmäßigen Abständen zu wiederholen. Nun ist, wie Sie wissen, der Vollzug dieser Gesetze Sache der Länder. Ungeachtet dessen überprüft die Bundesregierung ständig die bestehenden Gesetze auf Änderungsbedarf. Deshalb und zur Unterstützung der Länder vergibt sie beispielsweise Forschungsaufträge, die sich mit dieser Thematik befassen. So wird die Kriminologische Zentralstelle in Wiesbaden, eine Forschungs- und Dokumentationseinrichtung der Justizministerien des Bundes und der Länder, in Kürze ihr Forschungsvorhaben zur Rückfälligkeit von Sexualstraftätern abschließen. Aus diesem Vorhaben erhofft sich die Bundesregierung weitere Erkenntnisse für die Bekämpfung und Prävention vor allem von wiederholt begangenen Sexualstraftaten. Ferner hat die Kriminologische Zentralstelle in den letzten zwei Jahren zwei Fachtagungen zu dieser Thematik durchgeführt und die Ergebnisse im Übrigen auch veröffentlicht. Außerdem steht die Kriminologische Zentralstelle hinsichtlich der Anwendung der geänderten Strafvorschriften in engem Kontakt mit den Landesjustizverwaltungen und dokumentiert zum Beispiel auch die Entwicklungen bei den sozialtherapeutischen Einrichtungen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage des Kollegen Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich ausdrücklich für die ausführliche Antwort. Es bleibt noch eine Frage offen. Sie haben die Therapie angesprochen. Zur Therapie gehört unseres Wissens auch der Freigang und gerade dabei kam es immer wieder zu Verbrechen. Freigänger sind geflohen und mussten mit einem Millionenaufwand wieder eingefangen werden. Sie haben zwar darauf verwiesen, dass dies Ländersache sei. Aber mich interessiert Folgendes: Vonseiten speziell der sächsischen Landtagsfraktion kam der Vorschlag, Freigängern eine elektronische Fußfessel anzulegen. Würden Sie diesen Vorschlag unterstützen? Wird die Bundesregierung in dieser Richtung aktiv werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Man muss natürlich berücksichtigen, dass immer von Fall zu Fall entschieden wird, ob ein Strafgefangener in den offenen Strafvollzug kommt und damit Freigang erhält. Insofern müssen die entsprechenden Gesetze, die vorhanden sind, von den zuständigen Behörden angewandt werden. Die elektronische Fußfessel ist eine Möglichkeit, um beim Freigang, der dem Strafgefangenen den Wechsel in die Freiheit erleichtern soll, die entsprechende Sicherheit zu gewährleisten. Insofern ist dies ein interessanter Vorschlag. Insbesondere in den nordischen Staaten Europas wird es bereits praktiziert. Die Bundesregierung wird prüfen - sie macht sich die dortigen Erfahrungen zu Eigen -, ob dies eine Möglichkeit ist, die Wiedereingliederung von Strafgefangenen zu erleichtern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang Dehnel auf: Wie viele Opfer gab es nach Kenntnis der Bundesregierung in den vergangenen zehn Jahren aufgrund von erneuten Straftaten flüchtiger Sexualstraftäter? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Hierzu liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Entsprechende Angaben werden in den Statistiken für die Strafrechtspflege nicht erhoben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie haben bei der letzten Regierungsbefragung vor einer Woche angekündigt, dass eine Verbrechenspräventionskommission der Bundesregierung eingesetzt wird, die Vorschläge erarbeiten soll, wie die Verbrechensbekämpfung weiter vorangetrieben werden kann. Meine Frage ist: Wie können Sie eine Analyse durchführen, wenn Sie keine genauen Zahlen, keine Statistiken haben? Und warum haben Sie keine Werte und Statistiken über diese Verbrechen, die die Bevölkerung sehr verunsichern, obwohl es ein Bundesministerium des Innern, ein Bundesministerium der Justiz und ein Bundeskriminalamt gibt?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich darf es wiederholen: Es gibt hierzu bisher keine Statistiken. Die Länder reagieren auch ausgesprochen allergisch darauf, wenn sie vonseiten des Bundes bedrängt werden, neue Statistiken vorzulegen. Ich gehe aber davon aus, dass dies ein Thema in dem von Ihnen angesprochenen Präventionsrat sein wird, in dem auch die Länder hochrangig vertreten sein werden. Insofern besteht die Möglichkeit, dass wir genauere Erkenntnisse gewinnen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Kollege Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass man die Erstellung einer solchen Statistik nicht allein den wirklich gut arbeitenden Journalisten der verschiedenen Medien überlassen darf?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich habe erhebliche Zweifel, ob die Statistiken, die von privater Seite angefertigt werden, überhaupt den Tatsachen entsprechen; denn es gibt in den Ländern keine Quelle, die dies in einer entsprechenden Form vermitteln könnte. Insofern glaube ich, dass das Ganze sehr viel mit Spekulation zu tun hat. Das schließt aber nicht aus, dass im Einzelfall entsprechende Informationen an die Presse gegeben werden. Bundesweit aber haben wir - darauf möchte ich mich beziehen - keine Statistik, die uns in die Lage versetzt, Ihre Frage so deutlich zu beantworten, wie sie es wert wäre, beantwortet zu werden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Sylvia Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich bin - gelinde gesagt - entsetzt, dass wir zu diesem wichtigen und für unsere Sicherheit relevanten Thema keine vernünftigen Zahlen vorliegen haben. Meinen Sie nicht, dass es gerechtfertigt wäre, in diesem hochsensiblen Bereich von Sexualstraftaten Erhebungen vorzunehmen nicht nur aufgrund der jüngsten Vorfälle, sondern auch aufgrund der immer wieder von den Medien dargebotenen und uns alle entsetzenden Vorfälle, bei denen Straftätern die Flucht und erneute Straftaten gelingen? Zu jedem anderen Pipifax erlegen wir es der Wirtschaft auf, statistische Erhebungen durchzuführen, aber in diesem für unsere Sicherheit so relevanten Bereich haben wir keine fundierten Zahlen zur Verfügung.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Frau Kollegin, ich glaube, dass es nicht damit getan wäre, nur Zahlen zu registrieren. Um überhaupt Konsequenzen ziehen zu können, muss bei jedem Einzelfall betrachtet werden, unter welchen Umständen die Betroffenen die Möglichkeit hatten, zu Wiederholungstätern zu werden. Insofern ist es nicht damit getan, die Statistik zu pflegen. Es muss vielmehr ermittelt werden, unter welchen Voraussetzungen die Taten begangen worden sind. Erst daraus kann man die entsprechenden Schlüsse ziehen und Verallgemeinerungen ableiten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Dr. Hans-Peter Uhl auf: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Allgemeinheit vor Straftätern wie dem Sexualstraftäter und mutmaßlichen Mörder Frank Schmökel zu schützen und einen erneuten Freigang gemeingefährlicher Täter zu verhindern ({0})?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Dr. Uhl, mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten vom 26. Januar 1998 wurde der Schutz der Bevölkerung vor gefährlichen Sexualstraftätern umfassend verbessert. Ich wiederhole, was ich bereits auf die vorige Frage geantwortet habe: Unabhängig von diesen Verbesserungen überprüft die Bundesregierung die bestehenden Gesetze ständig daraufhin, ob sie zeitgerecht sind. In diesem Zusammenhang sind auch entsprechende Forschungsaufträge ergangen. Nach den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes dürfen Vollzugslockerungen nur für solche Strafgefangene angeordnet werden, die dazu geeignet sind. Das heißt, es darf nicht zu befürchten sein, dass sich die Gefangenen dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Strafvollzuges zur Begehung von Straftaten missbrauchen. Die Frage, inwieweit Straftätern, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind, Vollzugslockerungen gewährt werden können, bestimmt sich nach Landesrecht. Auch der Vollzug des Strafvollzugsgesetzes ist - ebenso wie die Durchführung des Maßregelvollzuges - Angelegenheit der Länder. Diese unterstehen dabei nicht - Sie wissen das - der Dienst- oder Fachaufsicht des Bundes. Die Entscheidung über die Eignung einzelner Straftäter für Vollzugslockerungen entzieht sich daher der Beurteilung durch die Bundesregierung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Uhl, Sie haben eine Zusatzfrage.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich glaube, die aktuellen Vorkommnisse haben uns allen gezeigt, dass das Thema nicht geeignet ist, eine Zuständigkeitsdebatte zu führen und sich mit Blick auf die Länder auf eine mangelnde Zuständigkeit des Bundes zu berufen. Teilen Sie angesichts dieses Umstandes die etwas sonderbare Aussage des brandenburgischen Gesundheitsministers Alwin Ziel, der - bisher unwidersprochen - gesagt hat, ein erneuter Freigang Schmökels sei im Rahmen seiner Therapie auch in Zukunft möglich und dürfe nicht ausgeschlossen werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, ich glaube, Sie haben Verständnis dafür, dass sich das Bundesministerium der Justiz bzw. die Bundesregierung nicht zu einem laufenden Verfahren äußert. Ich will der Frage aber nicht ausweichen: Es muss in der Tat hinterfragt werden, ob die Behörden damals richtig entschieden haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es muss in der Tat gefragt werden, ob richtig entschieden wurde. Im konkreten Fall war es so, dass Gutachten von Fachleuten die Grundlage für die Entscheidung waren. Auch in Zukunft wird in gleicher Weise verfahren werden. Ist die Bundesregierung bereit, in Zusammenarbeit mit den Ländern die Rechtsfrage zu erörtern, ob ein gesetzlicher Haftungstatbestand für Gutachter eingeführt werden kann, mit der Folge, dass Sachverständige wenigstens für einen Teil der Schäden aufzukommen haben, die als Folge eines erwiesenen Falschgutachtens entstanden sind? Bei dem aktuellen Ereignis ist aufgrund einer falschen Einschätzung des Täters nicht nur ein Mensch ums Leben gekommen, sondern es ist auch dem Steuerzahler ein Schaden in Millionenhöhe zugefügt worden. Auch dieser Umstand darf nicht vergessen werden und sollte für die Bundesregierung und die Landesregierungen Anlass sein, über die Möglichkeit eines gesetzlichen Haftungstatbestandes nachzudenken.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Uhl, ich gehe davon aus, dass jede Sachverständige bzw. jeder Sachverständige ein Gutachten nach bestem fachlichen Können erstellt. Die Frage, ob sich an ein falsches Gutachten Haftungsfolgen knüpfen können, stellt sich uns in vielen Bereichen. Teilweise kann dies bejaht werden. Ob dies allerdings in dem genannten Bereich zielführend ist, müsste in Zusammenarbeit mit den Bundesländern erörtert werden. Ich könnte mir vorstellen, dass sich die nächste Justizministerkonferenz auch mit diesem Thema beschäftigen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Sylvia Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, welche weiteren Konsequenzen - außer der Erteilung neuer Forschungsaufträge und der Erstellung neuer Gutachten ziehen Sie aus dem Fall Schmökel und ähnlichen Fällen? Es ist doch so, dass frühere Opfer bei einem solchen Vorkommnis unter Polizeischutz gestellt werden müssen, obwohl sie ihr ganzes Leben lang unter den Spätfolgen einer Sexualstraftat leiden. Können wir nicht gemeinsam zu sinnvollen Lösungen kommen, um durch konsequentes gesetzgeberisches Handeln solche Fälle für die Zukunft unmöglich oder zumindest unwahrscheinlicher zu machen, anstatt ständig neue Gutachten in Auftrag zu geben und uns dahinter ein wenig zu verstecken?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Frau Kollegin, die gesetzlichen Grundlagen sind vorhanden und verpflichten ja auch die Behörden, im Einzelfall sehr sorgfältig zu überprüfen, ob eine Vollzugslockerung angezeigt ist oder nicht. Wir können natürlich nicht in jedem einzelnen Fall sagen, ob richtig gehandelt worden ist oder nicht. Die Behörden werden - das gebe ich Ihnen zu - durch diese schlimmen Fälle sicherlich dazu veranlasst werden, diese Fragen noch sorgfältiger als bisher zu prüfen. Ich glaube, es ist auch notwendig, dass man im Zweifel noch einmal überprüft, ob tatsächlich ein Gutachten ausreicht oder ob man sich eines weiteren Gutachtens bedienen sollte. Alles in allem denke ich, dass die Verantwortung, die hier bei den zuständigen Behörden liegt, normalerweise sehr sorgfältig wahrgenommen wird.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Martin Hohmann.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf eine Frage in die gleiche Richtung stellen. Ich glaube, dass die Personenidentität zwischen dem Therapeuten und dem Gutachter in der Regel dazu führt, dass die betreffende Person ihre eigene therapeutische Arbeit bewerten muss. Sowohl als Therapeut als auch als Gutachter wird sie ihr jeweiliges Arbeitsergebnis nicht herunterreden wollen. Allein durch diesen - ich möchte einmal sagen - Systemfehler ist eine Möglichkeit gegeben, dass es immer wieder zu solch schlimmen Vorfällen kommt. Wären Sie gegebenenfalls bereit, darauf hinzuwirken, dass insoweit eine Trennung vorgenommen wird?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, Sie haben sicherlich Recht, dass die Nähe des Gutachters, der ja bisher schon mit dem Strafgefangenen „gearbeitet“ hat, natürlich auch die Gefahr in sich bergen kann, dass dieser zu subjektiv an die Beurteilung des Sachverhalts herangeht. Insofern ist es Ausdruck der Sorgfaltspflicht der Behörden, gerade wenn es im Vorfeld um besonders schwere Taten gegangen ist, zu prüfen, ob man nicht ein weiteres, „neutraleres“ Gutachten heranziehen sollte. Erforderlich ist mehr Fingerspitzengefühl. In manchen Fällen kommt es dann möglicherweise zu einer weiteren Absicherung der Entscheidung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Uhl: Ist es zutreffend, dass es mittlerweile Erkenntnisse gibt, wonach sich die bisherige Vermutung nicht bestätigt, dass deutsche Rechtsextremisten hinter dem Anschlag auf die Düsseldorfer Synagoge in der Nacht zum 3. Oktober 2000 stehen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Die Antwort lautet: Nein. Das Verfahren wurde am 4. Oktober 2000 gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes vom Generalbundesanwalt übernommen. Das Polizeipräsidium Düsseldorf ist mit den Ermittlungen beauftragt. Diese Ermittlungen dauern noch an.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Uhl.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für denkbar, dass Gerüchte zutreffen, wonach die ermittelnden Beamten der Polizei in Düsseldorf angehalten werden, in einer bestimmten Richtung nicht weiterzuermitteln, damit nicht ein „falsches“ Ermittlungsergebnis herauskommt? Ich meine damit: Halten Sie es für denkbar, dass man den Grundverdacht aufrecht erhalten will, dass Rechtsextreme aus Deutschland tätig waren, obwohl es bereits Vermutungen, Hinweise und Erkenntnisse gibt, dass es so nicht gewesen ist, sondern dass es möglicherweise ein Anschlag der Russen-Mafia gewesen sein könnte?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, ich kann mich an diesen Spekulationen nicht beteiligen. Ich weiß nur, dass zwei Jugendliche, die gefasst wurden und zunächst als Täter infrage kamen, aus der Haft entlassen werden mussten, weil sie mit der Tat offenbar nichts zu tun hatten. Mehr ist mir in diesem Zusammenhang nicht bekannt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, halten Sie es nicht für merkwürdig, dass noch immer keine Ermittlungszwischenergebnisse vorliegen, obwohl nach diesem spektakulären und bundesweit Aufsehen erregenden Fall eine Sonderkommission in Düsseldorf durch den Innenminister Behrens mit erheblichem Personalaufwand eingesetzt wurde?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich kann mir das nur so erklären, dass die Ermittlungen ausgesprochen schwierig sind und die zuständigen Behörden, wie sich das gehört, in alle Richtungen ermitteln müssen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage des Kollegen Dehnel.

Wolfgang Dehnel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vor diesem Hintergrund frage ich: Ist der Bundesregierung bekannt, dass gerade in Frankreich Anschläge von muslimischen Extremisten auf Synagogen verübt worden sind und, wenn ja, ist die Bundesregierung dann nicht der Meinung, dass man sich angesichts der Medienberichterstattung über diese Anschläge mit Äußerungen über die Anschläge in Düsseldorf zurückhalten sollte?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, das spricht dafür, dass die Justizbehörden in alle denkbaren Richtungen ermitteln müssen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage der Kollegin Sylvia Bonitz.

Sylvia Bonitz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund, dass der Anschlag auf die Synagoge auf ein überdurchschnittliches Interesse gestoßen ist, was dazu geführt hat, dass sich der Bundeskanzler höchstpersönlich vor Ort ein Bild gemacht hat, möchte ich fragen, ob sich der Herr Bundeskanzler laufend über die Ermittlungsergebnisse, auch wenn es möglicherweise nur Zwischenergebnisse sind, unterrichten lässt und ob wir davon ausgehen können, dass auch das Parlament über Zwischenergebnisse der Ermittlungen informiert werden wird.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Frau Kollegin, da der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich gezogen hat und er, wie Sie wissen, dem Bundesjustizminister zugeordnet ist und damit auch der Bundesregierung, ist die Bundesregierung über den aktuellen Stand der Ermittlungen informiert.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich rufe nun die Frage 9 des Kollegen Detlef Parr auf: Welche Auswirkungen hat nach Auffassung der Bundesregierung der Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Selbstbestimmungsrecht, die Entscheidungs- und Willensautonomie des Individuums als zentrales Menschenrecht unterstreicht, auf die Autonomie des Menschen am Lebensende und die in Deutschland geltende Rechtslage?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Parr, Artikel 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, EMRK, lautet: Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privatund Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Artikel 8 Abs. 2 regelt die Befugnisse der öffentlichen Behörden bei einem Eingriff in diese Rechte. Die Achtung der Privatautonomie am Lebensende ist in Deutschland gesichert. Nach nationalem Recht ist eine ärztliche Behandlung nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. Kann die Einwilligung nicht erteilt werden, weil der Betroffene zum Beispiel wegen Bewusstlosigkeit nicht einwilligungsfähig ist, so ist der mutmaßliche Wille des Betroffenen zu ermitteln und danach vorzugehen. Bei der Ermittlung des mutmaßlichen Willens des Betroffenen sind insbesondere auch Patienten- oder Betreuungsverfügungen zu berücksichtigen, die der Betroffene zu einer Zeit getroffen hat, als er noch entscheidungsfähig war. Bei einwilligungsunfähigen Volljährigen kann nur ein Betreuer in eine Behandlung einwilligen. Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn ein Volljähriger aufgrund einer psychischen Krankheit oder aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Der Betreuer hat den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies dessen Wohl entspricht und dem Betreuer zuzumuten ist. Damit trägt das geltende Recht zum einen dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen Rechnung, das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts den Schutz unserer Verfassung genießt und deshalb insbesondere auch vom Gesetzgeber zu beachten ist. Es stellt zum anderen sicher, dass auch diejenigen, die ihr Selbstbestimmungsrecht aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung nicht hinreichend auszuüben vermögen, behandelt werden, wenn das Unterbleiben der Behandlung nicht verantwortet werden kann. Der in der Bestellung eines Betreuers liegende Eingriff ist auch nach Artikel 8 Abs. 2 EMRK zulässig, weil er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die zum Schutze des Betreuten selbst notwendig ist. Die Rechtslage in Deutschland entspricht damit jener der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Herr Kollege Parr.

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, der Deutsche Juristentag hat sich kürzlich mit dieser Frage beschäftigt. Er hat eindeutig die Notwendigkeit gesetzgeberischer Maßnahmen gefordert, auch im Hinblick auf die Verhaltensweisen der Ärzteschaft. Wie erklären Sie, dass Sie in Ihrer Antwort deutlich gemacht haben, dass es keine Notwendigkeit gibt, gesetzgeberische Maßnahmen anzugehen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

In der schriftlich beantworteten Frage aus der letzten Woche habe ich Ihnen dargelegt, dass die Bundesregierung der Meinung ist, dass die Frage, wie man mit der Würde eines sterbenden Menschen umgeht, durchaus zu regeln ist. Wir respektieren, dass sich auch die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ mit dieser Thematik befasst und warten auf die Ergebnisse ihrer Beratungen. Wir halten eine Diskussion quer durch unsere Gesellschaft für notwendig. Der Deutsche Juristentag hat hierzu sicher wertvolle Hinweise gegeben, insbesondere was Patiententestamente und Ähnliches angeht. Hier wurde sehr kontrovers diskutiert. Dies muss mit einbezogen werden. Am Ende müssen wir alle entscheiden, ob wir zu einer Form der Sterbehilfe raten können oder nicht. Dies ist heute im Wesentlichen durch das Standesrecht der Ärzte geregelt. Insofern ist ein langer und sorgfältiger Diskussionsprozess notwendig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Parr.

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wir werden immer älter. Die Fragen, die wir gerade besprechen, werden in den Familien immer mehr zum Gegenstand von Überlegungen. Wenn Sie sagen, Sie möchten prüfen, erörtern und eine breite Beteiligung herbeiführen, so ist das richtig. Es ist aber nur eine Seite. Auf der anderen Seite brauchen wir dringend Antworten auf diese Fragen. Deswegen möchte ich gerne von Ihnen wissen, ob Sie Vorstellungen haben, wie Sie Ihre weiteren Überlegungen inhaltlich und zeitlich strukturieren wollen.

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Der erste Teil meiner Antwort bezog sich auf die eingesetzte Enquete-Kommission, deren Ergebnisse für uns ganz wichtig sind. Ich halte es nicht für gut, auch aus Respekt vor dem Parlament, wenn die Bundesregierung mit einem Gesetzentwurf vorprellen würde. Wir sind aufgerufen, diese Fragen in der Enquete-Kommission des Bundestages zusammen mit allen Interessierten zu erörtern. Am Ende sollten Vorschläge stehen, die dann den Gesetzgeber betreffen können. Bis dahin sollten wir die Diskussion abwarten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Frage des Kollegen Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ist die Auffassung der Bundesregierung über die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen rechtlich einwandfrei und abschließend geregelt? Welche Bedeutung messen Sie der Patientenverfügung zu?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Ich denke, dass die Patientenverfügung in dem Kontext, den ich genannt habe, wenn der Betreffende oder die Betreffende, der oder die das Testament errichtet hat, nicht mehr in der Lage ist, diesen Willen zu formulieren, Anhaltspunkt für den mutmaßlichen Willen sein kann. Es kann im Einzelfall natürlich sein, dass sich der Patient eines anderen besinnt. Wenn das der Fall ist, muss man diesem geänderten Willen Rechnung tragen. Insofern ist es sicher hilfreich, wenn wir alle vorsorglich festlegen, wie wir nicht nur in diesem Fall, sondern auch im Betreuungsfall die Dinge geregelt haben wollen. Es ist dann der in erster Linie zum Ausdruck kommende mutmaßliche Wille, von dem wir unterstellen, dass er noch fortbesteht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Pick. Die Fragen 10 und 11 sollen schriftlich beantwortet werden. Die Fragen 12 und 13 sind zurückgezogen. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 14 des Abgeordneten Helmut Heiderich: Welche Einsparungen für den Bundeshaushalt wird die Bundesregierung 2001 durch den teilweisen Rückzug des Bundes aus der Finanzierung des Unterhaltsvorschusses sowie der Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe gegenüber der früheren Rechtslage erzielen und wie wird sich dies als Belastung auf die Landkreise und kreisfreien Städte im Bundesland Hessen 2001 gegenüber der früheren Rechtslage auswirken? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege Heiderich, zunächst möchte ich zur Finanzierung des Unterhaltsvorschusses Stellung beziehen. Durch die Änderung des § 8 des Unterhaltsvorschussgesetzes zum 1. Januar 2000 werden die Geldleistungen nunmehr zu einem Drittel vom Bund und im Übrigen von den Ländern getragen. Bisher galt eine hälftige Finanzierung. Würden die Unterhaltsvorschussleistungen auch weiterhin zu 50 Prozent vom Bund getragen, so entfielen vom Ausgabesoll in Höhe von 1,695 Milliarden DM 847,5 Millionen DM auf den Bund. Von den Einnahmen erhielte er 190,5 Millionen DM, sodass sich eine Gesamtbelastung des Bundeshaushalts in Höhe von 657 Millionen DM ergäbe. Unter Zugrundelegung des Haushaltsplans 2001 errechnet sich durch die Gesetzesänderung folglich eine Gesamtentlastung des Bundeshaushalts in Höhe von 219 Millionen DM. Bezogen auf das Land Hessen - danach fragen Sie ja ergibt sich folgender Sachstand: Im noch nicht bestätigten Haushaltsplan des Landes Hessen für das Haushaltsjahr 2001 wird von Gesamtausgaben nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 111 Millionen DM ausgegangen. Die Einnahmen werden mit 16,5 Millionen DM angegeben. Bei einer weiterhin 50-prozentigen Finanzierung des Unterhaltsvorschusses durch den Bund beliefen sich die Bundesausgaben auf 55,5 Millionen DM, die Einnahmen auf 8,25 Millionen DM und die Gesamtbelastung somit auf 47,25 Millionen DM. Unter Zugrundelegung des Haushaltsplanes 2001 ergäbe sich somit für den Bund, bezogen auf das Bundesland Hessen, eine Gesamtentlastung in Höhe von 15,75 Millionen DM. In selbiger Höhe wird das Bundesland Hessen gemäß Haushaltsplan 2001 mehr belastet. Nun zum Bereich der originären Arbeitslosenhilfe: In dem Gesetzentwurf zur Sanierung des Bundeshaushalts wurde die Haushaltsentlastung des Bundes durch den Wegfall der originären Arbeitslosenhilfe für das Jahr 2001 auf 1,3 Milliarden DM geschätzt. Die Belastung der Gemeinden durch gegebenenfalls zu zahlende Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz an die betroffenen Personen wird in dem Gesetzentwurf auf circa 45 Prozent der Entlastung des Bundes - das sind 585 Millionen DM - geschätzt. Eine konkrete Aufteilung der Belastung der Kommunen auf die einzelnen 16 Bundesländer ist nicht möglich, da nicht bekannt ist, in welchem Umfang arbeitslose Arbeitnehmer im Jahr 2001 Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz beziehen werden, die ansonsten Anspruch auf originäre Arbeitslosenhilfe gehabt hätten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Heiderich? - Bitte schön.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin, für die ausführliche Darstellung des Zahlenmaterials. Ich möchte zum zweiten Teil meiner Frage, der Arbeitslosenhilfe, nachfragen, ob die Bundesregierung Vorausberechnungen oder Hochrechnungen dazu angestellt hat, in welcher Weise die einzelnen Bundesländer betroffen sein könnten und ob solche Berechnungen auch dem Bundesrat vorgelegt worden sind.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Wir haben keine Daten über die Verteilung der Bezieher von originärer Arbeitslosenhilfe auf einzelne Landkreise oder Bundesländer. Deswegen kann ich Ihnen eine so detaillierte Antwort, wie Sie sie gerne hätten, leider nicht geben. Solche Zahlen liegen bei der Bundesanstalt für Arbeit nicht vor.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zwischenfrage? - Bitte schön.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte noch ganz allgemein fragen, was eigentlich die Bundesregierung bewogen hat, die originäre Arbeitslosenhilfe jetzt in die Verantwortung der Länder und Kommunen zu stellen, und inwieweit dabei die Berücksichtigung des Konnexitätsprinzips eine Rolle gespielt hat.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Die Überlegungen zur Abschaffung der originären Arbeitslosenhilfe basierten darauf, dass es sich bei den Beziehern der originären Arbeitslosenhilfe bekanntlich um Personen handelt, die zuvor entweder überhaupt nicht oder nur kurze Zeit als Arbeitnehmer tätig waren. Es erschien uns nicht mehr vertretbar, Arbeitslosen, die vorher keinen oder nur einen kurzzeitigen Bezug zur Arbeitslosenversicherung hatten, also auch nur kurzzeitig oder überhaupt keine Beiträge gezahlt hatten, Arbeitslosenhilfe und damit den vollen Zugang zu den beitragsfinanzierten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung zu gewähren.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Fragen 15 bis 18 sollen schriftlich beantwortet werden. - Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Walter Kolbow zur Verfügung. Die Fragen 19 bis 22 sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Werner Siemann auf: Warum liegen dem Bundesministerium der Verteidigung keine Erkenntnisse über die Anzahl der Frauen vor, die im Rahmen der Öffnung aller Laufbahnen und Laufbahngruppen für Frauen in der Bundeswehr eine vorläufige Einplanung erhalten haben, jedoch aufgrund der unklaren rechtlichen Grundlage von einem Dienstantritt am 2. Januar 2001 Abstand genommen haben ({0}), obwohl diese Zahlen vorliegen bzw. durch eine Abfrage bei den fünf Zentren für Nachwuchsgewinnung sowie bei der Offiziersprüfzentrale leicht zu ermitteln sind?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Siemann, bis Ende Oktober 2000 haben sich annähernd 1 500 junge Frauen für einen freiwilligen Dienst in den Laufbahnen der Unteroffiziere und der Mannschaften beworben. Nach erfolgreicher Eignungsfeststellung hatten bis zu diesem Zeitpunkt etwa 200 Frauen - vorbehaltlich der zu schaffenden gesetzlichen Regelungen - einen vorläufigen Einplanungsbescheid, der zum Diensteintrittstermin 2. Januar 2001 führen wird, erhalten. Nach Beschlussfassung des Deutschen Bundestages zu den einfachgesetzlichen Änderungen am 10. November 2000 wurden alle betroffenen Bewerberinnen verbindlich zum Dienstantritt 2. Januar 2001 aufgefordert. Abfragen bei den Zentren für Nachwuchsgewinnung und bei der Offizierbewerberprüfzentrale - Sie sprechen dies in Ihrer Frage an - haben bestätigt, dass bis zu diesem Zeitpunkt keine der Bewerberinnen aufgrund der unklaren rechtlichen Situation von ihrem Diensteintrittswunsch Abstand genommen hat.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage? - Nein. Wir kommen zur Frage 24 des Abgeordneten Siemann: Plant die Bundesregierung im Rahmen der Vorbereitungen für ein neues Personalanpassungsgesetz zur Einsparung von Personalkosten sowie zur Lösung des Beförderungs- und Verwendungsstaus, Soldaten auch gegen ihren Willen in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen, und wie wird mit solchen Soldaten verfahren, die ihren Dienst auf Antrag entgegen dem Willen des Dienstherren vorzeitig beenden möchten?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Siemann, Maßnahmen gegen den Willen der Betroffenen sind nicht geplant. Anträge von Soldaten, die ihren Dienst vorzeitig beenden möchten, an deren vorzeitiger Zur-Ruhe-Setzung aber kein dienstliches Interesse besteht, werden von der für Personalfragen zuständigen Stelle abzulehnen sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ab welchem Zeitpunkt sollen die personalreduzierenden Maßnahmen erstmals greifen? Bis zu welchem Zeitpunkt sollen diese Maßnahmen anhalten?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Der Bundesminister der Verteidigung hat jüngst in seiner Rede auf der Kommandeurstagung darauf hingewiesen, dass es ein Personalanpassungsgesetz geben wird, aber nicht nach den alten Regeln goldener Handschläge. Wir werden diese Dinge im Zusammenhang mit der Aufhebung des Staus bei Beförderungen und Verwendungen in den Jahren 2001 und 2002 zeitgerecht vorbereiten. Ich möchte Folgendes ergänzen - möglicherweise erübrigt das eine Zusatzfrage -: Wir sind im Ministerium dabei, entsprechende Zahlen für ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Abbau von Überhängen und dem Aufbau neuer Besoldungs- und Laufbahnstrukturen zu entwickeln. Die Ergebnisse werden wir in den entsprechenden Ausschüssen, gerade im Verteidigungsausschuss, vortragen. Wir bleiben in dieser Sache am Ball.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Siemann.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wollen Sie mit dieser Antwort sagen, dass durch das Personalanpassungsgesetz der Personalüberhang Ende 2002 beseitigt sein wird?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Das streben wir an. Sie wissen, dass darüber nicht nur mit dem Bundesminister der Finanzen, sondern natürlich auch mit dem Parlament zu beraten ist; schließlich kostet dieses Vorhaben Geld. Die Ergebnisse der Beratungen werden in die entsprechenden Abläufe einzubringen sein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Frage des Kollegen Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, in welchem Umfang soll pro Jahr Personal abgebaut werden?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Dies wird im Moment erarbeitet, Herr Kollege. Die Gesamtzahl von etwa 8 500 steht dabei im Zusammenhang mit den zeitlichen Abläufen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Wir kommen zur Frage 25 des Kollegen Nolting: Verletzte die von der Wehrbereichsverwaltung III zum 31. Dezember 2000 verfügte Entlassung des im Kosovo schwer verletzten Stabsunteroffiziers J. R. geltendes Recht ({0}) und worauf stützt sich die rechtliche Begründung der Aufhebung dieser Verfügung durch den Bundesminister der Verteidigung?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Kollege Nolting, eine Entlassung des Stabsunteroffiziers Jens Ruths aus der Bundeswehr ist durch die Wehrbereichsverwaltung III nicht verfügt worden. Eine solche Entscheidung liegt außerhalb der Zuständigkeit der territorialen Wehrverwaltung. Aufgrund des Minenunfalls am 22. September 1999 und der nachfolgenden Unterschenkelamputation erhält der Betroffene über die Wehrbereichsverwaltung III Ausgleich für die Folgen einer Wehrdienstbeschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz. Durch die für Personal zuständige Stelle bei der Luftlandebrigade 31 wurde im Juli 2000 die Dienstzeit des Herrn Ruths auf acht Jahre verlängert, wobei jedoch bedauerlicherweise - wir haben an anderer Stelle auch darüber gesprochen - versäumt wurde, der Wehrbereichsverwaltung III rechtzeitig eine Änderungsmeldung zuzuleiten. Infolgedessen ging die Wehrbereichsverwaltung III gemäß den ihr vorliegenden Unterlagen noch von einem Ende der Dienstzeit am 31. Dezember 2000 aus und sandte Herrn Ruths im September aus Fürsorgegründen ein Informationsschreiben zu, mit dem er über die erforderlichen Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung nach dem Wehrdienstende in Kenntnis gesetzt wurde.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage?

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich möchte schon wissen, welche rechtliche Grundlage es für die Aufhebung der Verfügung durch den Bundesminister der Verteidigung gibt.

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Es wäre sinnvoll, gleich Ihre zweite Frage - wenn Sie erlauben -, in der Sie auf eine Äußerung des Herrn Bundesministers der Verteidigung abstellen, in die Beantwortung der Zusatzfrage mit einzubeziehen. ({0}) Möglicherweise ergibt das die von Ihnen gewünschte notwendige Klarheit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann rufe ich auch die Frage 26 des Abgeordneten Günther Nolting auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des Bundesministers der Verteidigung, Rudolf Scharping, er habe „schon 1999 unter sehr weiter Auslegung der gesetzlichen Möglichkeiten dem Zeitsoldaten J. R. die Zusage gemacht, bei der Bundeswehr bleiben zu können - auf Lebenszeit“ ({0}), und besteht die Absicht, derartig weite Auslegungen der gesetzlichen Möglichkeiten in Zukunft durch die Herbeiführung einer grundlegenden Änderung der betreffenden Gesetze im Sinne der verwundeten Soldaten überflüssig zu machen?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Der Bundesminister der Verteidigung möchte in diesem Zusammenhang seine Aussage als einen Akt selbstverständlicher Fürsorge des Dienstherren für einen im Einsatz verwundeten Soldaten verstanden wissen. Es besteht keine konkrete Absicht, die bestehenden Gesetze und Vorschriften zu ändern. Es wird jedoch geprüft, ob die derzeitigen rechtlichen Grundlagen allen denkbaren Fallkonstellationen gerecht werden. Das heißt, dass ein normales Ende der Dienstzeit bevorstand, aber durch den Unfall Ereignisse eintraten, die aus Fürsorgegründen eine Verlängerung der Dienstzeit erforderlich machten. Die eigentliche Rechtsgrundlage „Ende der Dienstzeit“ wurde also durch die Aktion des Herrn Bundesministers der Verteidigung überholt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zusatzfrage, Kollege Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich möchte trotzdem noch einmal einen Schritt zurückgehen: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass wir gerade im Bereich des Soldatengesetzes Vorsorge treffen und eine rechtliche Grundlage schaffen müssen, nach der verfahren wird und auf die auch der Minister zurückgreifen kann und muss?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Herr Abgeordneter Nolting, ich bin ausdrücklich Ihrer Auffassung. Deswegen hat auch der Bundesminister der Verteidigung eine interne Arbeitsgruppe im Bundesministerium der Verteidigung eingesetzt, die alle Gegebenheiten in die Untersuchungen einbeziehen soll, insbesondere auch die Frage, wie diejenigen Soldaten, die bei Einsätzen körperliche Schäden erleiden, statusrechtlich behandelt werden können. Wir sind selbstverständlich nach Abschluss dieser Untersuchungen nicht nur bereit, sondern sogar verpflichtet, Ihnen darüber Auskunft zu geben. Sie können damit rechnen, dass wir das Ergebnis dieser Querschnittsuntersuchungen aller Vorschriften, die bestehen, unverzüglich vortragen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine weitere Zusatzfrage, Herr Kollege Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, wird durch diese Arbeitsgruppe auch geklärt, ob es in Zukunft einen Ansprechpartner oder eine Ansprechpartnerin im Ministerium geben sollte, an den bzw. an die sich der Betroffene direkt wenden kann, sodass es nicht zu solchen Überschneidungen und Missverständnissen kommt, wie wir sie jetzt erlebt haben?

Walter Kolbow (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001175

Ich denke, dass auch das in die Prüfung einbezogen wird. Im Übrigen stehen gerade bei den Fällen, in denen Soldatinnen oder Soldaten im Ausland ein solches Schicksal erleiden, alle Mitglieder der politischen Leitung, aber auch der militärischen Führung jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Vielen Dank, Herr Staatssekretär Kolbow. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann zur Verfügung. Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Helmut Heiderich auf: Welche Einsparungen hatte die Bundesregierung aus dem von ihr geplanten Rückzug aus der Finanzierung des pauschalierten Wohngelds im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes errechnet und wie hätte sich dies 2001 auf die Landkreise und kreisfreien Städte Hessens ausgewirkt, wäre diese Absicht der Bundesregierung nicht durch den Bundesrat verhindert worden?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Sehr geehrter Herr Kollege Heiderich, bei Übernahme der vollen Finanzierung des pauschalierten Wohngeldes durch die Länder im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes wurden für das Jahr 2001 Einsparungen des Bundes in Höhe von rund 2,37 Milliarden DM errechnet. Davon entfallen auf das Land Hessen schätzungsweise 226 Millionen DM. Im Rahmen des Sparpaketes zum Bundeshaushalt für das Jahr 2000 und für die mittelfristige Finanzplanung waren umfangreiche gesetzliche Änderungen vorgesehen, die per saldo eine erhebliche Entlastung von Ländern und Gemeinden bewirken sollten.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Eine Zusatzfrage. Kollege Heiderich.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich nachfragen, was die Bundesregierung in diesem speziellen Fall bewogen hat, das pauschalierte Wohngeld auf die Kommunen, also auf die Gemeinden, Städte und Landkreise, abzuwälzen, obwohl doch sonst immer sehr betont wird, dass die finanzielle Lage der Kommunen sehr angespannt sei?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Wir haben damals im Gesetzgebungsverfahren, Herr Kollege Heiderich, sehr intensiv mit vielen Beteiligten gesprochen, und uns ist immer wieder bestätigt worden, dass es ordnungspolitisch Sinn macht, die Erstattung von Kosten dorthin zu verlagern, wo sie entstehen. In diesem Zusammenhang erinnere ich an ähnliche Überlegungen der alten Bundesregierung. Das heißt, wenn innerhalb der Sozialhilfe solche Aufwendungen geleistet werden, ist es ordnungspolitisch durchaus sinnvoll, darüber nachzudenken, das vor Ort finanziell zu regeln. Da wir in dem Maßnahmenpaket auf der anderen Seite gleichzeitig für Entlastungen der Städte und Gemeinden gesorgt hätten, wäre das unter dem Strich sicherlich eine durchaus denkbare Alternative gewesen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Weitere Zusatzfrage, Herr Heiderich, bitte.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche konkreten Entlastungen hatten Sie nach den von Ihnen eben genannten Gesichtspunkten für die Länder und Gemeinden eingeplant?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Es waren eine ganze Reihe, vom Schließen von Steuerschlupflöchern angefangen bis hin zu anderen Kompensationslösungen. Wir haben das seinerzeit mehrfach aufgeschrieben. Ich bin gerne bereit, Ihnen diesen Katalog zuzusenden. Wir machen auf diesem Weg auch weiter, jetzt gerade bei der Entlastung der stark gestiegenen Heizkosten. Wir zahlen Heizkostenpauschalen an etwa 4,8 Millionen Haushalte. Ganz viele der betroffenen Haushalte beziehen Sozialhilfe. Auch dieser aktuelle Schritt, der - so hoffe ich - morgen im Bundestag beschlossen wird, wird zu einer Entlastung der Kommunen in mindestens zweistelliger Millionenhöhe führen.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Da alle übrigen Fragen schriftlich beantwortet werden sollen, sind wir vorzeitig am Ende der Fragestunde. Ich unterbreche deshalb die Sitzung bis 15.30 Uhr. Um 15.30 Uhr wird die Aktuelle Stunde aufgerufen werden. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Haltung der Bundesregierung zur Rücknahme von deutschem Atommüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach dem deutschfranzöschen Gipfel in Vittel Ich eröffne die Aussprache und gebe zunächst das Wort der Kollegin Birgit Homburger für die F.D.P. als antragstellende Fraktion.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde aus Anlass des deutsch-französischen Gipfels am letzten Freitag beantragt. Dort wurde über die Zurücknahme des deutschen Atommülls gesprochen, der zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich gebracht wurde. Die Transporte von deutschem Atommüll zur Wiederaufarbeitung nach Frankreich sind gestoppt. Bevor der deutsche Atommüll aus der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nicht nach Deutschland zurückgeführt wird, nimmt Frankreich keinen deutschen Atommüll mehr zur Wiederaufarbeitung an. Unsere französischen Nachbarn warten bereits seit drei Jahren darauf, dass der in der Wiederaufarbeitungsanlage gelagerte deutsche Atommüll zurücktransportiert wird. Man könnte auf den Gedanken kommen, die alte Bundesregierung trage Schuld an dieser Situation. Ich will aber gleich vorweg sagen, dass dies nicht der Fall ist. Damals wurden die Transporte aus gutem Grund gestoppt. Es wurden nämlich überhöhte Strahlungswerte bei den Transportbehältern festgestellt. Allerdings könnten spätestens seit September dieses Jahres, als das Bundesamt für Strahlenschutz die Genehmigung für Transporte erteilt hat, Transporte wieder durchgeführt werden. ({0}) Trotz bestehender Verträge zwischen Cogema und den Kernkraftwerksbetreibern, abgedeckt durch einen Notenwechsel zwischen den Ländern, ist nichts passiert. Deutschland betreibt weiterhin faktisch Zwischenlagerung von Atommüll im Ausland. ({1}) Mich wundert, dass der Bundesumweltminister in dieser Debatte sprechen wird, obwohl die Verhandlungen zwischen den Ländern mittlerweile zur Chefsache erklärt worden sind. ({2}) Es wäre daher besser gewesen, wenn ein Vertreter des Kanzleramts heute Rede und Antwort gestanden hätte. Herr Steinmeier ist schließlich derjenige, der mit diesen Verhandlungen beauftragt ist. Das zeigt allerdings, dass Sie, Herr Minister Trittin, infolge des Streits um Atomausstieg und Castortransporte international nicht mehr als vertrauenswürdig angesehen werden. ({3}) Bemerkenswert ist weiter, dass laut Presseberichten der französische Premierminister Jospin bei einem persönlichen Treffen mit Bundeskanzler Schröder auf einer schriftlichen Garantie zur Rückführung des Atommülls nach Deutschland in den ersten Monaten des nächsten Jahres bestanden hat, obwohl Herr Schröder ihm dies mündlich zugesichert hat. Frankreich will also Atommülltransporte nach La Hague nur genehmigen, wenn die Rücknahme durch Deutschland eindeutig geregelt ist und wenn dies schriftlich zugesagt wird. Das heißt, das Wort eines deutschen Regierungschefs ist bei unseren französischen Partnern nichts wert. Das ist ein verheerender Zustand für die Bundesrepublik Deutschland. ({4}) Obwohl die Sache eilt, konnte - das musste nun auch der Bundeskanzler zugeben - beim deutsch-französischen Gipfel in Vittel am letzten Freitag noch immer keine Einigung über die Rückführung des Atommülls erzielt werden. Stattdessen wurde - das finde ich bemerkenswert eine bilaterale Arbeitsgruppe eingerichtet, frei nach dem Motto: Fällt der Regierung nichts mehr ein, setzt sie eine Arbeitsgruppe ein. Diese Arbeitsgruppe soll jetzt zu einem Ergebnis kommen, nach Möglichkeit bis Weihnachten. Ziemlich hart finde ich allerdings, dass der Bundeskanzler gleich sagt, wenn sie das bis Weihnachten nicht schaffe, wäre es nicht schlimm; wenn sich die Arbeit bis Anfang Januar hinziehen würde, wäre das noch akzeptabel. Das muss man vor dem Hintergrund sehen, dass die vom BfS für Transporte erteilten Genehmigungen nur für das Jahr 2000 gelten. Das kann, wie ich finde, nicht sein. Die Bundesregierung hat Vereinbarungen getroffen, auch mit den Kernkraftwerksbetreibern in Deutschland. Nach Angaben der Kernkraftwerksbetreiber ist die Situation so, dass, wenn bis Frühjahr nächsten Jahres keine Transporte nach La Hague gehen, für das Kraftwerk Biblis Betriebseinschränkungen unausweichlich wären und für Philippsburg die Gefahr bestünde, dass Reaktoren abgeschaltet werden müssen. Das heißt, man betreibt hier eine Verzögerungspolitik und übersieht vollkommen, dass sich die Bundesregierung im so genannten Atomkonsens verpflichtet hat, einen ungestörten Betrieb der Kernkraftwerke zu gewährleisten. Diese Verpflichtung muss sie auch einhalten. Es kann nicht sein, dass deutsche Atomkraftwerke durch die Verzögerung der Castortransporte von La Hague nach Deutschland faktisch stillgelegt werden. ({5}) Deswegen fordert die F.D.P. die Bundesregierung auf, endlich nationale und internationale Verträge einzuhalten und zu einer berechenbaren Umweltpolitik und vor allen Dingen zu internationaler Verlässlichkeit zurückzukehren. Vielen Dank. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht nun die Kollegin Monika Griefahn.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsch-französische Arbeitsgruppe ist eingerichtet. Ich habe gestern Abend noch einmal mit dem französischen Botschafter gesprochen. Der Kanzleramtschef, Herr Steinmeier, wird sich mit dem Industriestaatsminister, Herrn Pierret, treffen, und zwar noch vor Weihnachten. ({0}) Es soll eine Lösung gefunden werden. Auch die Genehmigungen für die Transporte liegen seit dem 10. November vor, das heißt, insofern sind die Rücktransporte sicher. Der Punkt ist nur - das ist doch ganz klar -: Zum Teil sorgen die Kernkraftwerksbetreiber selber für Engpässe; ({1}) denn sie können natürlich eine Zwischenlagerung am Kraftwerksstandort vornehmen. Der Druck, unter dem sie stehen, soll besonders auf die jetzige Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen wirken, da diese den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen haben und grundsätzlich auch das Ende der Wiederaufarbeitung wollen. Denn durch die Wiederaufarbeitung fällt erstens zusätzlicher Atommüll an und zweitens tragen die Wiederaufarbeitungsanlagen in Sellafield und in La Hague nicht gerade dazu bei, dass die radioaktive Verseuchung der Nordsee, des Atlantiks und der Irischen See vermindert wird. Im Gegenteil: 80 Prozent der Verseuchung der Irischen See stammen aus den beiden Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague und Sellafield. Insofern haben wir ein Interesse daran, dass die französische Regierung - ich arbeite seit 1973 regelmäßig mit Frankreich zusammen und die einzigen Konflikte, die wir je hatten, betrafen immer Atomfragen - dieses Thema problematisiert und Sicherheitsmaßnahmen verstärkt angeht, was sie mit ihrer grünen Umweltministerin seit einigen Jahren auch macht. Die Wiederaufarbeitung ist grundsätzlich ein problematisches Unterfangen. Die Aufarbeitungsanlagen sind gebaut worden, weil die Länder Frankreich und Großbritannien damit auch andere Interessen befriedigt haben. Sie erhalten auf diese Weise zum Beispiel Plutonium, das sie für den Bau der Atombombe nutzen können. Heute besteht durch die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene, durch eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die wir gerade mit Frankreich und Großbritannien haben, die wir auch aufseiten der Regierungsfraktionen voranzutreiben versuchen, ein ganz anderes Interesse. Insofern sind die Atomtransporte ein Bereich, der sich noch aus der Vergangenheit ergibt und in dem wir Lösungen finden müssen, den wir aber nur nicht gerne angehen. Natürlich haben wir die Verpflichtung, die 4 000 Tonnen deutschen Atommüll, die sich in Frankreich bislang angesammelt haben, zurückzunehmen. Wir haben aber kein Interesse daran, dass das alles in Plutonium umgewandelt wird. Insofern ist es dringend erforderlich, entsprechende Regelungen zu finden, die ohne Wiederaufarbeitung auskommen. Der Bau der für den Transport notwendigen Brücke im Bereich Lüchow-Dannenberg wird Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Die Atomtransporte können in einem Fenster von 14 Tagen ab Ende März erfolgen. Eine diesbezügliche Genehmigung liegt vor. Aber ganz klar ist zu sagen - hier spreche ich als Niedersächsin -: Beim letzten Mal hatten wir in Niedersachsen keine Unterstützung vonseiten der anderen Länder. Da mussten zusätzlich 100 Millionen DM für den Polizeischutz eingesetzt werden. Besonders die Länder, die ein Interesse an der Atomkraft haben, sprich: BadenWürttemberg und Bayern, waren nicht besonders hilfreich. Sie sagten: Macht ihr das einmal! Lagert ihr bei euch den Atommüll; wir machen weiter mit der Atomkraft. - Das kann nicht Sinn der Sache sein. ({2}) Insofern rufe ich Sie auf, Ihre Positionen nicht losgelöst zu vertreten, sondern dafür zu sorgen, dass das Konzept des Ausstiegs aus der Atomenergie schnell umgesetzt wird und dass es nicht mehr zu unnötigen Transporten kommt. Denn jeder Transport ist mit einem Risiko verbunden. Auf der einen Seite müssen wir also unseren Verpflichtungen nachkommen, und auf der anderen Seite müssen wir dafür sorgen, dass nicht weiterhin Transporte von Atommüll aus deutschen Kraftwerken in Wiederaufarbeitungsanlagen notwendig werden, dass vor Ort Zwischenlager eingerichtet werden und dass der Ausstieg aus der Atomenergie so umgesetzt wird, dass wir sehr schnell die Möglichkeit haben, unsere Energiepolitik durch alternative Energien und durch Energieeinsparung vorbildlich zu gestalten. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen KurtDieter Grill.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Griefahn, Sie haben zu vielen Dingen gesprochen, nur nicht zu dem Thema, das Gegenstand dieser Aktuellen Stunde ist. Das Stichwort „Atombombe“ und Ähnliches durften natürlich im Zusammenhang mit Plutonium und Wiederaufarbeitung nicht fehlen. Nur, das ist nicht Gegenstand der heutigen Erörterung. ({0}) Ich will am Anfang meiner Rede erstens darauf hinweisen, dass wir hier über Konsequenzen aus den Verträgen sprechen, die noch zu Zeiten der Regierung Schmidt, zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition, Ende der 70er-/Anfang der 80er-Jahre abgeschlossen worden sind und dass es beileibe nicht um ein Problem geht, das ein Erbe der letzten Regierung ist. ({1}) Zweitens. Der Termin, den die Bundesregierung vorgeschlagen hat, nämlich 14 Tage ab Ende März, ist sehr fatal, weil der niedersächsische Innenminister Ihnen mitteilen wird, dass er zu Zeiten der CeBIT keinen Transport wird organisieren können. So seriös sind Ihre Angebote! Drittens. Sie sprechen von Transportkosten in Höhe von 100 Millionen DM. Wenn Sie den Polizeibeamten die Gehälter zahlen, die in die Berechnung dieser 100 Millionen DM eingeflossen sind, werden die Polizisten „Krösusse“. Werden sie aber nicht: Dass in diesen Berechnungen ein Gehalt von 120 DM pro Stunde angesetzt wird, ist schlicht und einfach eine Täuschung der Öffentlichkeit im Hinblick auf die Kosten der Transporte. ({2}) Beim ersten Transport haben wir über Kosten in Höhe von 40 Millionen DM gesprochen. Im niedersächsischen Haushalt waren ganze 7 Millionen DM eingestellt. Wenn Sie dies auf 100 Millionen DM hochrechnen, dann kommen wir vielleicht auf 14 oder 15 Millionen DM, und nur dann, wenn die Hamburger Polizei einen Wasserwerfer kaputtfährt, muss der Schaden durch den niedersächsischen Haushalt ersetzt werden. - Kein Polizist bekommt also das Gehalt, das in diese Berechnungen eingeflossen ist. Aber das ist gar nicht der Gegenstand dieses Themas. ({3}) - Ich habe nur das abgearbeitet, was Frau Griefahn meinte, in diesem Zusammenhang sagen zu müssen. Wir führen ja eine Debatte und spulen nicht vorgefertigte Texte ab. ({4}) In Wahrheit geht es doch darum, dass Sie sich selber in eine Entsorgungsfalle manövriert haben. Sie haben doch unterschrieben, dass bis 2005 wiederaufgearbeitet werden kann. Was nützen also die Grundsatzerklärungen, die Sie hier geben? Sie haben nicht erst letzte Woche, sondern bereits im November 1998 der französischen Regierung im Rahmen der ersten deutsch-französischen Konsultationen nach dem Regierungswechsel, die in Potsdam stattgefunden haben, Zusagen gemacht. Mir liegt auch der entsprechende Schriftwechsel des Außenministers vor. Es ist doch nicht so, dass Sie erst jetzt anfangen, mit der französischen Regierung zu diskutieren. Dies geschieht doch seit zwei Jahren. Sie haben immer den Eindruck erweckt, als gingen die Transporte demnächst los. Sie haben Genehmigungen, Atommülltransporte nach Frankreich durchzuführen, ausgestellt, wohl wissend, dass die französische Regierung das nicht akzeptieren wird, wenn nicht der in Frankreich aufgearbeitete deutsche Abfall aus Frankreich abtransportiert wird. Dann kommen Sie bis hin zu Herrn Sailer mit geradezu abenteuerlichen Lösungen. Frau Griefahn, Sie waren es doch, die Gorleben als Leichtbauhalle hingestellt hat. Ihre Koalition sagt jetzt: Man kann Castorbehälter auf die grüne Wiese ohne Halle stellen. Ist das Ihre Sicherheit? Schämen Sie sich! ({5}) Das ist die Zwischenlösung, die Sie vorlegen. Das ist Ihre Sicherheit. Sie haben den Ausbau der Infrastruktur verschlafen. Die Brücke in Dannenberg wird doch nicht repariert, weil Sie das Geld in die Hand nehmen, sondern Sie lassen es sich bezahlen. Sie haben lange zugewartet, dabei hätten Sie es regeln können. Das, was hier stattfindet - ich habe in diesem Jahr Gespräche in Paris geführt -, ist Folgendes: Die Präsidentin von Cogema steht unter dem Druck eines Untersuchungsrichters, weil - gegen französisches Recht - die Bundesregierung dafür sorgt, dass deutscher Abfall in Frankreich zwischengelagert wird. Das heißt, Sie verlangen von der Cogema einen Rechtsbruch. Damit haben Sie ja Erfahrung. Herr Schröder, Herr Trittin, Frau Griefahn und Herr Fischer haben im Zusammenhang mit der Kernenergie große Erfahrungen mit Rechtsbrüchen. Sie erwarten, dass die französische Regierung einen Rechtsbruch begeht, weil Sie unfähig sind, Ihren Aufgaben bei der nuklearen Sicherheit nachzukommen. ({6}) - Frau Griefahn, das können wir hier gern austragen. Ich kann es Ihnen nachweisen: Sie haben genügend Gerichtsprozesse wegen Rechtsbruches verloren. ({7}) - Sie haben einen Vertrag mit der GNS zur Vermeidung einer Amtspflichtverletzung geschlossen. Das können wir gern ausdiskutieren. Das eigentliche Problem besteht darin, dass Sie behauptet haben, das Entsorgungskonzept sei nicht tragfähig. Sie haben aber in zwei Jahren keinen Weg aufgezeigt, der Ihre Alternative in der Entsorgung darstellen würde. Sie haben sich selber in diese Falle getrieben, Sie haben konzeptionell versagt. Sie versagen bei der Entsorgung und bei der nuklearen Sicherheit und gefährden das internationale Vertrauen in die Bundesrepublik Deutschland. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. ({8})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe nunmehr dem Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, das Wort.

Jürgen Trittin (Minister:in)

Politiker ID: 11003246

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den geehrten Kollegen Grill reden hörte, fiel mir F. K. Waechter ein: Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche. ({0}) Wer hat es jahrelang zugelassen, dass deutscher Atommüll ins Ausland verschoben wurde? ({1}) Die bloße Ablieferung bei den Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague und Sellafield galt bei Ihnen als Entsorgungsnachweis. ({2}) - Dass Sie unruhig werden, verstehe ich. - Das galt als Verwertungsnachweis, obwohl die Wiederaufarbeitung überhaupt keine Entsorgung ist. Die Wiederaufarbeitung führt nämlich zu zusätzlichem Abfall an Plutonium. Der Abfall wird mehr und er wird giftiger, dennoch hat Ihre Koalition 4 500 Tonnen hoch radioaktiven Müll nach La Hague und Sellafield verschoben. ({3}) - Sie in Ihrer Amtszeit, reden Sie sich da nicht raus. ({4}) Heute warten 2 500 Tonnen des von Ihnen verschobenen Atommülls in Frankreich auf den Rücktransport. Die Verantwortung für diese Atommüllverschiebungen, verehrter Herr Hirche, tragen die Energiewirtschaft, tragen CDU/CSU und F.D.P. ({5}) Die Verantwortlichen heißen Merkel und Kohl, Kinkel und Töpfer. Das sind die Verantwortlichen für die Atommüllverschiebereien. ({6}) Sie erzählen hier etwas von Rechtsbruch. Das, was Sie gemacht haben, war der größte Rechtsbruch überhaupt. Es war nämlich der Bruch des geltenden deutschen Atomsrechts, weil Sie auf einen Verwertungsnachweis verzichtet haben, Punkt. Wir haben uns jetzt mit Ihren Altlasten herumzuschlagen. ({7}) Deswegen sage ich Ihnen: Die französische Regierung drängt zu Recht auf einen schnellen Rücktransport. Sie will so lange keinen Müll von uns mehr hereinlassen, bis wir den Rücktransport - hier haben Sie uns ein Problem hinterlassen - sichergestellt haben. Dazu und natürlich zur Klärung der Fragen, die dann noch hinsichtlich des Hintransports gelöst werden müssen, gibt es die erwähnte Arbeitsgruppe. Aber ich will Ihnen in aller Ruhe und Sachlichkeit auch sagen: Die französische Regierung wahrt das legitime Interesse ihrer Bevölkerung. Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass das, was Sie praktiziert haben - Herr Grill hat das auch noch zugegeben; so schlau war er dann ja nicht, darauf zu verzichten -, nach französischem Recht nicht legal ist. ({8}) Deswegen erklären wir hier mit allem Nachdruck: Die sechs Castorbehälter, die übrigens schon unter Frau Merkel zum Abtransport bereitgestellt wurden, müssen zurückgeführt werden. Wir haben Verständnis dafür, dass die französische Regierung hierauf drängt. Wir betonen an dieser Stelle mit allem Nachdruck: Wir haben nicht nur die völkerrechtliche Pflicht, diesen Rücktransport so bald wie möglich zu organisieren, wir haben auch die politische und die moralische Pflicht, die von Ihnen betriebene Verschiebung von Atommüll ins Ausland zu beenden. Das ist so. ({9}) Dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Wir haben am 10. November die Genehmigung für die Rücktransporte zu den Zeitpunkten, die der Bundeskanzler Herrn Jospin brieflich zugesagt hat, also für die 13. und 14. Kalenderwoche 2001, erteilt. Das bezieht sich auf exakt diese sechs Behälter mit verglastem Atommüll. Wir haben allerdings, liebe Frau Kollegin, den ersten Antrag der NCS, den Transport über Arendsee durchzuführen, ablehnen müssen. Wir haben ihn ablehnen müssen, weil die Vorstellung bestand, nach dem Transport der Behälter auf der Schiene bis Arendsee diese weiter über Straßen anzuliefern. Dazu haben uns dann die Innenbehörden von Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gesagt: Das können wir nicht sicherstellen. - Wenn dieses polizeilich nicht sicherzustellen ist, dann können wir diesen Transport nicht genehmigen. Sie sollten sich hier nicht hinstellen und so tun, als wenn die Bundesregierung da nun auf eine besonders perfide Machenschaft gekommen wäre, wenn sie den Ratschlägen und den klaren Hinweisen der Polizeibehörden, die das umzusetzen haben, Folge leistet. Glauben Sie denn, sie tun das aus Daffke? Oder glauben Sie nicht wie ich, dass die Verantwortlichen bei den Innenministerien in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt dieses aus Sorge um die Sicherheit auf den Straßen und aus Sorge auch und gerade um die Kolleginnen und Kollegen von der Polizei, die diese Einsätze zu bewältigen haben, tun? Glauben Sie ernsthaft, dass sie leichtfertig solche Stellungnahmen herausgeben? ({10}) Meine Damen und Herren, wir haben diese Genehmigung erteilt, wir haben den Weg an dieser Stelle frei gemacht, und wir werden das umsetzen. Daran kann niemand zweifeln. Ich füge nur eines hinzu: Solange die französische Regierung ihre Haltung beibehält, nützt es auch gar nichts, bei dieser Bundesregierung über die bestehenden Transportgenehmigungen Richtung Frankreich hinaus weitere Genehmigungen einzuklagen. Denn was sollen die Betreiber mit diesen Genehmigungen anfangen, wenn sie sie nicht nutzen können? Deswegen werden wir auch sicherzustellen haben, lieber Herr Hirche, dass es zu keinen Stillständen an den Kraftwerken kommt, wenn die französische Regierung bei ihrer Haltung bleibt. Aber auch das sage ich in aller Deutlichkeit: Die Sicherheit und die Fortdauer des Betriebes hängen nicht allein von den Transporten nach La Hague ab, ({11}) sondern sie hängen auch davon ab, dass beispielsweise in Philippsburg das gelingt, was in Neckarwestheim und Biblis ohne Probleme möglich war, nämlich einen Deckel auf den Castor zu tun, um eine Transportbereitstellung zu erreichen. Meine Damen und Herren, Atomtransporte sind immer ein Risiko. Die Bundesregierung hat durch den Konsens mit der Energiewirtschaft die Voraussetzungen dafür geschaffen, diese Transporte auf ein Drittel zu minimieren. Aber wir stehen auch zu unserer Verantwortung: Die Altlasten, die Sie, die Vorgängerregierung, uns in Tausenden von Tonnen hochgiftigen Atommülls hinterlassen haben, werden wir zurückholen müssen. Wir müssen die Lagerung von deutschem giftigem Atommüll im Ausland beenden. Wir werden deshalb die radioaktiven Glaskokillen bei uns, im Verursacherland, geordnet zwischenlagern, bis sie mit dem anderen Atommüll in einem Endlager hier endgelagert werden können. Das heißt verantwortungsvolle Energiepolitik, und das heißt, verantwortlich mit den Problemen umzugehen, die Sie uns leider hinterlassen haben. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Kollegin Eva Bulling-Schröter spricht nunmehr für die Fraktion der P.D.S.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mir das Thema der Aktuellen Stunde und die Beiträge dazu vor Augen führe, dann kann ich nur sagen: Die AKW-Lobby hat es wieder einmal geschafft, im Parlament ihren Einfluss geltend zu machen. So wird es wohl tatsächlich sein. Sie mahnen den störungsfreien Betrieb an, der in den Konsensgesprächen sanktioniert wurde. Ich denke, ich kann Sie beruhigen: Auch diese Bundesregierung wird für die nächste Zeit den störungsfreien Betrieb garantieren; denn der AtomausBundesminister Jürgen Trittin stieg ist nicht unmittelbar beschlossen worden. Es gibt eine Ausstiegsfrist von 10 oder 20 Jahren. ({0}) So lange werden die AKWs weiterlaufen. Mit den entsprechenden Problemen wird diese Regierung leben müssen. Frau Homburger hat zu Recht angesprochen, dass Frau Merkel vor einigen Jahren die Castortransporte - es waren zwei - aus guten Gründen gestoppt hat. Damals wurde der Zehn-Punkte-Katalog beschlossen. Meine Frage dazu ist: Ist er wirklich schon umgesetzt? ({1}) Ich möchte aus einem Greenpeace-Brief vom 26. Oktober dieses Jahres zitieren. Darin steht: Über zwei Jahre nach dem so genannten CastorSkandal hat das Bundesamt für Strahlenschutz im September 2000 acht Transporte in die Wiederaufarbeitung genehmigt. In der Presseerklärung zur Genehmigungserteilung vom 22. Oktober 2000 sagte der BfS-

Volker Kröning (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002707

Durch Auflagen habe ich sichergestellt, dass künftig die international festgelegten Grenzwerte für radioaktive Verunreinigungen auch bei den französischen Stachelbehältern eingehalten werden. Aber ein von Greenpeace am Montag veröffentlichter Bericht des Eisenbahn-Bundesamtes zeigt: Bereits beim ersten Probelauf einer Stachelbehälterbeladung im Atomkraftwerk Philippsburg ist es zu schwerwiegenden Pannen und zu einer Kontamination gekommen. Das heißt, die Probleme sind nach wie vor nicht gelöst. Ich meine, sie müssten jetzt endlich gelöst werden. Dazu gehört auch die Umsetzung des Zehn-Punkte-Programms. Wie denken Sie die Akzeptanz der Bevölkerung für diese Transporte zu bekommen? In diesem Fall ist es egal, ob sie von Schwarz-Gelb oder Rot-Grün durchgeführt werden. Es gibt eine ganze Menge Menschen, die wissen, dass diese Castortransporte gefährlich sind, egal, welche Fraktionen die Regierung stellen. Die Menschen werden erst dann Castortransporte akzeptieren, wenn tatsächlich ein Ausstieg erfolgt. Er erfolgt aber nicht, sondern durch die Konsensgespräche - das habe ich schon vorher gesagt - wird es noch sehr lange Laufzeiten geben, insgesamt 32 Jahre. Das ist aber meiner Meinung nach viel zu lange. Eine vernünftige Antwort kann nur der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie sein. Zum Schluss will ich noch vier grundsätzliche Argumente gegen die Technologie der Wiederaufbereitung in Erinnerung rufen. Ich will in diesem Zusammenhang auch in Erinnerung rufen, dass einmal von Herrn Trittin das Ende der Wiederaufarbeitung zum 1. Januar 2000 versprochen wurde. Das war wohl nichts! Eine reine Luftblase! Ich fürchte: Wenn wir von der PDS die Argumente nicht noch einmal nennen, dann wird sie in diesem Hause keiner mehr erwähnen. Jedes Argument für sich kann ein sofortiges entschädigungsfreies Verbot der Wiederaufarbeitung hinreichend begründen. Erstens. Anlagen, wie sie in Frankreich und Großbritannien betrieben werden, müssten in Deutschland binnen 24 Stunden aufgrund der radioaktiven Emissionen dichtgemacht werden. Zweitens. Das gewonnene Plutonium birgt auf kurze und lange Sicht die Gefahr, in Atombomben verarbeitet zu werden; sei es als Folge eines Diebstahls oder aufgrund politischer Fehlentwicklungen. Drittens. Die Menge der Abfälle wird durch Wiederaufarbeitung nicht geringer, sondern quantitativ größer und qualitativ vielschichtiger. Das kann die Chance, in Deutschland ein geeignetes Endlager zu finden, wesentlich mindern. Das ist klar. Viertens. Über 90 Prozent der gesamten radioaktiven Belastung des nördlichen Atlantiks stammen aus den atomaren Wiederaufarbeitungsanlagen in La Hague, Sellafield und Dounreay. Die Nuklide lassen sich auch in der Ostsee und in der Barentssee zwischen Sibirien und der Arktis nachweisen. 1995 entdeckten Meeresforscher strahlendes Jod 129 aus Sellafield sogar in Küstengewässern Nordkanadas. Was soll man dazu noch viel sagen? Die Gefährlichkeit ist vorhanden. Sie müsste in diesem Hause eigentlich bekannt sein. Nach wie vor wird von vielen Seiten die Wiederaufarbeitung gefordert. Ich fordere Herrn Minister Trittin auf, die Glaskokillen abzuholen und endlich die Wiederaufarbeitung zu stoppen, so, wie er es damals versprochen hat. Danke. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe dem Kollegen Arne Fuhrmann für die SPD-Fraktion das Wort.

Arne Fuhrmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000619, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn möchte ich in aller Schärfe auch im Namen meiner Fraktion zurückweisen, was Kollege Grill vorhin im Zusammenhang mit Rechtsbruchbeschuldigungen von sich gegeben hat. ({0}) Ich finde es unerhört und unglaublich, dass solche Vorwürfe immer wieder von diesem Mann in diesem Parlament zu hören sind. Ich wünsche mir, dass irgendwann einmal Konsequenzen gezogen werden. Aber jetzt zum Thema. Es fällt mir unglaublich schwer, heute hier zu stehen und begründen zu müssen, warum diese Bundesregierung, die meine Bundesregierung ist, Glaskokillen aus La Hague zurück nach Gorleben, in meinen Wahlkreis, bringen wird. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass jegliche Art von Nukleartourismus in Deutschland und in der ganzen Welt zu den schlimmsten, menschenverachtendsten und damit auch zu den verantwortungslosesten Dingen gehört, zu denen wir Politiker immer wieder - gezwungen oder auch weniger gezwungen - Ja sagen müssen oder glauben Ja sagen zu müssen. Diese Bundesregierung befindet sich in der misslichen Lage - das hat Minister Trittin vorhin ganz exzellent formuliert -, die Suppe auslöffeln zu müssen, die andere - weder die Grünen noch die Sozialdemokraten - zu verantworten haben. ({1}) - Hören Sie doch endlich mit Ihrer 78er-Philosophie auf! Wer hat denn 16 Jahre lang regiert, den Schotter irgendwohin gebracht und den Menschen dabei versprochen, ihn auch wieder hierher zu holen, obwohl es keine Endlagermöglichkeiten gab? ({2}) Es ist schlimm genug, dass wir Atommüll aus den bestehenden AKWs in Deutschland haben. ({3}) Gott sei Dank hat sich ja in der Zwischenzeit die Philosophie durchgesetzt, dass die AKWs in der Lage sind, Atommüll zumindest für eine bestimmte Dauer zwischenzulagern. Aber wir suchen im Moment dringlicher denn vor drei Jahren in dieser Republik eine Endlagermöglichkeit. Politisch spitzt sich im Prinzip immer noch alles auf Gorleben zu - egal, wie auch immer es formuliert wird. Ich kann es weder durch die Tatsache ändern, dass ich ein Gegner dieser Transporte bin, noch durch die Tatsache, dass ich einer Fraktion angehöre, die diese Transporte auch nicht will. Ich befinde mich vielmehr genau wie alle anderen in der misslichen Lage, völkerrechtsverbindliche Verträge auf dem Tisch liegen zu haben und meinem Minister nicht sagen zu können: Lass die Finger davon. ({4}) In der Kürze der Zeit will ich aber über einen anderen Teilbereich reden, und zwar über die Befindlichkeit der Menschen in der Region Lüchow-Dannenberg. Vor knapp vier Jahren wurde beim letzten Transport in dieser Region von weiß der Kuckuck was gesprochen. Führend waren Argumente des damaligen amtierenden deutschen Bundesinnenministers, Herrn Kanther. Ich mag das alles gar nicht wiederholen; Sie können es alle im Protokoll nachlesen. Ich habe mehrfach versucht, in den Diskussionen darauf hinzuweisen, dass friedlicher Widerstand - ({5}) - Herr Uldall, lassen Sie mich ausreden. Das, was Sie jetzt machen, kenne ich aus den letzten Debatten bestens. Ihre Äußerungen waren immer gespickt mit einer verbalen Zuschusterung von Gewalt. Verbale Unterstellung von Gewalt zieht automatisch eine Gewaltkette nach sich. ({6}) Es war die Fähigkeit Ihres damaligen Innenministers, durch seine verbalen Gewaltaktionen die Gewalt in der Region auf die Spitze zu treiben, und zwar auf beiden Seiten: ({7}) bei denen, die in der Absicht demonstriert haben, friedlich zu bleiben, und bei der Polizei. Durch die Äußerung von verantwortungslosen Politikern wurden diese in eine Eskalationsposition geschoben, aus der sie kaum wieder herauskamen. ({8}) Ich hoffe nicht nur, Herr Trittin, sondern ich erwarte von meiner Regierung, dass sie mit den Gefühlen der Menschen sensibler umgeht, dass sie akzeptiert, dass Ängste und Sorgen Bestandteil von menschlichem Miteinander und von Verantwortung sind. Es muss uns gelingen, an das Verständnis der Politiker zu appellieren: Menschen, die aus ihren Sorgen heraus demonstrieren gehen, dürfen von uns nicht verdammt werden. Vielmehr müssen wir sie verstehen und ernst nehmen. Es ist ihr Recht, in diesem Lande zu demonstrieren. Das Gewaltmonopol ist Sache des Staates und steht sonst niemandem zu. Ich verurteile jede Form von Gewalt, auch Gewalt gegen Sachen. Ich verurteile auch diejenigen, die versuchen, einen vom Staat angeordneten Transport - auch einen Castortransport - zu stoppen. Mein Verständnis und meine Fürsorge gilt denen, die ihre Ängste um ihrer Familie und ihres Landes willen äußern. Das müssen sie auch dürfen. Vielen Dank. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion der CDU/CSU spricht der Kollege Dr. Peter Paziorek.

Dr. Peter Paziorek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001685, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein Stück aus dem Tollhaus: Der alte Rechtsgrundsatz „Verträge müssen eingehalten werden“ ist nach der Einlassung von Bundesumweltminister Trittin zu einem Problem dieser rot-grünen Bundesregierung geworden. ({0}) Dass er ein schlechtes Gefühl dabei hat, weil er weiß, dass solche Rechtsgrundsätze beachtet werden müssen, kann man daran erkennen, wie polemisch er in seiner Rede aufgetreten ist. ({1}) Er hat mehrfach davon gesprochen, es sei etwas „verschoben” worden. Ein Bundesumweltminister, der in seinem Ressort verantwortungsbewusst arbeitet, weiß, dass aufgrund von Vertragsvereinbarungen, die bereits 1978 unter einer sozialdemokratischen Regierung getroffen wurden, völkerrechtlich sauber ausgehandelt und verArne Fuhrmann bindlich und gestützt von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Verfahren in Gang gesetzt worden ist, das unter keinem Gesichtspunkt verdient, von einem Bundesumweltminister, der mit Polemik zurückhaltend sein müsste, mit Verdächtigungen hinsichtlich einer Zuweisung von Verschulden in Verbindung gebracht zu werden. Was Sie gerade gemacht haben, war unverantwortlich. ({2}) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und, so glaube ich, auch wenn ich das eben nicht mehr verifizieren konnte, des Bundesverfassungsgerichts sind diese Transporte auch deshalb rechtlich zulässig, weil in Gorleben die Erkundung des Endlagers läuft. Was haben Sie mit Ihren Hilfstruppen gemacht? Sie haben versucht, die Erkundung von Gorleben zu verhindern, weil Sie genau wussten, dass es eigentlich ein rechtlich sauberer Weg ist. Ihnen war klar, durch eine Behinderung von Gorleben die Entsorgungswege verstopfen zu können. Aus diesem Grunde haben Sie versucht, die Erkundung von Gorleben zu verhindern. Jetzt gehen Sie hin und stellen eine solche Rechtsprechung auf den Kopf. Ich kann dazu nur sagen: Herr Bundesumweltminister, auch Ihre Polemik wird Ihnen nicht helfen. Wir werden der Öffentlichkeit deutlich sagen, an welchen Stellen Sie unsauber und unredlich argumentiert haben. ({3}) Die französische Regierung besteht auf den vertraglich vereinbarten Rücktransporten. Der Rücktransport von Abfällen aus La Hague ist die Voraussetzung dafür, dass Frankreich wieder Atommüll aus Deutschland aufnimmt. Die rot-grüne Regierungskoalition ist damit in eine selbst konstruierte Entsorgungsfalle geraten und weiß nun nicht mehr, wie sie aus ihr herauskommen soll. Es zeigt sich, wie wenig durchdacht die bisherige Atomausstiegspolitik der Bundesregierung ist. Der Bundeskanzler sah sich auf der deutsch-französischen Regierungskonferenz nicht imstande, einen konkreten Transporttermin zu benennen. Er hat sich auf den alten sozialistischen Grundsatz zurückgezogen „Wenn du nicht weiter weißt, richte einen Arbeitskreis ein, dieser wird wahrscheinlich schon helfen“. Man muss sich die Sache einmal auf der Zunge zergehen lassen - deshalb hat Bundesumweltminister Trittin das auch so laut gesprochen -: Dieser Arbeitskreis soll nun prüfen, was durch bestehende Verträge längst geklärt ist, nämlich den Transport deutschen Atommülls von Frankreich nach Deutschland. ({4}) Herr Bundeskanzler, was hat es zu bedeuten, dass Sie trotz einer klaren Rechtslage die Frage einem Arbeitskreis stellen, der diese in einem bestimmten Sinne beantworten soll. Das ist absolut nicht tolerierbar. Das einzig Gute, was für Sie, Herr Bundesumweltminister, spricht, ist, dass die Zuständigkeit auf diese Weise auf das Kanzleramt übertragen wurde, unter dem Gesichtspunkt, dass der Bundesumweltminister diese schwierige Problematik nicht wird bewältigen können. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Struck, hat an anderer Stelle einmal gesagt: Das ist ein richtiger Fall für Gerhard Schröder. Man muss hier sagen: Das ist wirklich ein echter Schröder. Die Rechtslage ist klar, dennoch wird geeiert und das halten wir für unverantwortlich. ({5}) Ich will nur in Erinnerung rufen, was die rot-grüne Bundesregierung mit den Energieversorgungsunternehmen verabredet hat. In der Vereinbarung heißt es: Andererseits soll unter Beibehaltung der atomrechtlichen Anforderungen für die verbleibende Nutzungsdauer der ungestörte Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung gewährleistet werden. An anderer Stelle der Vereinbarung heißt es: Die Energieversorgungsunternehmen können abgebrannte Brennelemente bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzung bis zur Inbetriebnahme der jeweiligen standortnahen Zwischenlager in regionale Zwischenlager bzw. bis zur Beendigung der Wiederaufarbeitung ins Ausland transportieren. Sie werfen uns vor, wir hätten etwas verschoben und unter Ihrer Verantwortung - ich glaube, Herr Trittin, Sie haben das sogar unterschrieben - vereinbaren Sie, dass bis zur Beendigung der Wiederaufarbeitung Transporte ins Ausland gehen können. Woher nehmen Sie eigentlich die Frechheit, bei einem Verfahren, das wir sauber verantwortet haben, von „Verschieben“ zu sprechen, wenn Sie selbst ein Verfahren unterschreiben, bei dem Transporte zur Wiederaufarbeitung aus Deutschland nach Frankreich gehen können und damit das Gleiche machen, was andere Regierungen in Deutschland zuvor getan haben? ({6}) Das ist zweierlei Maß, das ist unredlich und zeigt, dass Sie nur mit Polemik über die eigene Klippe der Schwierigkeiten Ihrer Atomausstiegspolitik hinwegkommen wollten. Das werden wir Ihnen natürlich nicht durchgehen lassen. Ich kann deshalb zusammenfassend für uns sagen: Die Bundesregierung hat kein Entsorgungskonzept. Ihre Entsorgungspolitik ist Tagesopportunismus, ihre Politik ist beliebig und unredlich. Diese Regierung versagt in einer wichtigen energiepolitischen Frage. Vielen Dank. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun die Kollegin Michaele Hustedt.

Michaele Hustedt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002685, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich kann die französische grüne Umweltministerin gut verstehen, wenn sie sagt, Frankreich sei nicht dazu bestimmt, die Atommüllkippe Europas zu werden. Es gibt - Herr Grill hat ja Recht - seit 1991 ein Gesetz in Frankreich, das besagt, dass aus dem Ausland stammender radioaktiver Müll nicht über die für die Wiederaufbereitung notwendigen Fristen - in der Regel fünf bis acht Jahre - in Frankreich verbleiben darf. Es ist verständlich, dass die Franzosen so handeln. Denn es handelt sich hierbei nicht um Coladosen oder um Plastiktüten, sondern um Müll, der Zehntausende von Jahren strahlen wird. Generation um Generation wird noch damit zu tun haben, dass wir unsere Stromversorgung mit Atomenergie sicherstellen. Deswegen - Herr Trittin hat das sehr gut gesagt - ist es in der Tat eine Sache der Ehre und unsere Verpflichtung, dass Deutschland den Atommüll zurücknimmt. ({0}) Jetzt frage ich Sie: Wie kommen wir eigentlich in die sehr unschöne Situation, dass wir diese Verpflichtung nicht einlösen können? Ungefähr 4 500 Tonnen Atommüll sind nach La Hague gegangen. Seit wir regieren, war es keine einzige Tonne. Die knapp 4 000 Tonnen, die in Frankreich verblieben sind, wurden seit 1976 dorthin transportiert, also in Ihrer Regierungszeit. ({1}) - Seit 1976. ({2}) - Das war zum Großteil Ihre Regierungszeit. ({3}) - Der F.D.P. allemal. - Seit dieser Zeit sammelt sich das an. Seit Rot-Grün regiert, ist keine einzige Tonne nach La Hague gegangen. Jetzt werfe ich einmal die Frage auf: Warum sind Sie in Ihrer Regierungszeit nicht der Verpflichtung nachgekommen, diesen Atommüll nach Deutschland zurückzutransportieren? Könnte es vielleicht sein, dass Sie sich gemeinsam mit der Atomindustrie nicht getraut haben, den Atommüll durch Deutschland nach Gorleben zu bringen? ({4}) - Frau Homburger, Sie können ja gleich noch reden. Liegt die wahre Ursache für dieses Dilemma, in dem wir stecken, vielleicht darin, dass Sie über Jahrzehnte hinweg Energiepolitik gegen die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung betrieben haben? Das ist die wahre Ursache, meine Damen und Herren. ({5}) Deswegen kann ich nur sagen: Diese Aktuelle Stunde fällt auf Sie persönlich zurück. ({6}) Warum das jetzt in Frankreich hochkommt, hat auch einen Grund. Es gibt nämlich in der Tat eine Klage der Betroffenen vor Ort, die sich auf dieses Gesetz berufen. Deswegen wird das zurzeit besonders energisch thematisiert. Aber die Ursache liegt, wie gesagt, darin, dass Sie sich nicht trauen, für Ihre Energiepolitik einzustehen, und dass Sie deswegen - Jürgen Trittin hat das gesagt -, sozusagen entgegen dem Atomgesetz, ({7}) als Entsorgungsnachweis anerkannt haben, dass in Frankreich eine illegale Zwischenlagerung stattfindet. ({8}) Jetzt komme ich auf den sachlichen Kern der Diskussion zurück. Herr Paziorek, Sie irren sich leider. Es gibt eine Genehmigung. ({9}) Der Arbeitskreis, der auf Betreiben des Bundeskanzlers mit den Franzosen eingerichtet wurde, tagt tatsächlich. Das ist richtig. Es ist auch richtig, dass es eine Genehmigung für die ersten Rücktransporte gibt. ({10}) Aber der Arbeitskreis hat damit überhaupt nichts zu tun. Sie haben also vollständig am Thema vorbeigeredet. Jetzt komme ich auf den Vorwurf von Herrn Grill zu sprechen, die Rücktransporte würden in die Zeit der CeBIT fallen. Auch das ist falsch. Herr Grill irrt sich. Er sollte sich einmal über die Termine informieren. Die Genehmigung tritt am 26. März in Kraft. Die CeBIT findet vom 22. März bis 28. März statt. Die Genehmigung gilt zwei Wochen, das heißt, es gibt zwar eine Überschneidung von zwei Tagen, aber der Großteil der Zeit, in der die Genehmigung gilt, hat überhaupt nichts mit der CeBIT zu tun. Das Einzige, was Sie tun, ist, mit falschen Vorwürfen und irreführenden Behauptungen von dem tatsächlichen Problem abzulenken. Ich hoffe, dass in der nächsten Aktuellen Stunde, die wir wahrscheinlich noch in dieser Woche zum Thema Morsleben beantragen werden, deutlich werden wird, wo die wahren Ursachen für unsere heutigen Probleme liegen, nämlich in der Tatsache, dass Sie im Prinzip eine Atompolitik auf dem Rücken zukünftiger Generationen betrieben haben, dafür nicht einstehen und jetzt versuchen, den Atomausstieg in Ihrem Sinne zu thematisieren. Ich glaube, Sie werden damit in der Bevölkerung nicht durchkommen. ({11})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die F.D.P.-Fraktion spricht nun der Kollege Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann es drehen, wie man will: ({0}) In den Augen der französischen Regierung ist die deutsche Bundesregierung dabei, Vertragsbruch zu begehen und internationale Verpflichtungen nicht einzuhalten. Das ist der Kern des Themas, über das wir reden. ({1}) Wenn die Bundesregierung jetzt, nach dem Gipfel in Vittel, eine Arbeitsgruppe einsetzt und dies als Erfolg der deutsch-französischen Bemühungen feiert, dann möchte ich darauf hinweisen - ich tue das, weil die Öffentlichkeit das offenbar vergessen hat -: Wir haben im Januar 1999, also vor rund zwei Jahren, im Bundestag in Bonn über die gleiche Frage wie heute diskutiert. Damals hat Herr Trittin nach Aussage des Stenographischen Berichts gesagt: Wir haben einvernehmlich - also Deutschland und Frankreich die Einsetzung von bilateralen Arbeitsgruppen beschlossen. Ich stelle fest, dass die vor zwei Jahren angeblich oder tatsächlich eingesetzten Arbeitsgruppen bis heute kein Ergebnis vorgelegt haben. Deshalb wird die Öffentlichkeit getäuscht, wenn heute gesagt wird: „Wir setzen jetzt eine Arbeitsgruppe ein“, und dies als neues Ergebnis der bilateralen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich präsentiert wird. Tatsächlich ist zwei Jahre lang nichts passiert. ({2}) Warum ist nichts passiert? Es ist nichts passiert, weil die Vertreter der Bundesregierung gar nicht wollen. So sieht deren Mentalität aus. ({3}) Ich kann das anhand der Ausführungen, die Herr Trittin in dieser Debatte gemacht hat, belegen. Herr Trittin hat in Richtung der Betreiber gesagt: Es hat doch gar keinen Zweck, Anträge zu stellen, wenn die französische Regierung bei ihrer bisherigen Haltung bleibt. ({4}) Aber die eigentliche Frage ist: Warum bleibt die französische Regierung bei ihrer Haltung? Sie bleibt bei ihrer Haltung, weil sich die deutsche Regierung weigert, ihre Vertragsverpflichtungen zu erfüllen. ({5}) Deswegen ist die deutsche Regierung der Verursacher der internationalen Probleme. Warum hat die deutsche Bundesregierung die von mir beschriebene Mentalität? Die Schwierigkeiten - das ist ja nicht erst seit Beginn dieser Legislaturperiode so - haben doch damit zu tun, dass alle Versuche, die Lösung des Entsorgungsproblems in diesem Land voranzubringen, über mehr als zehn Jahre hinweg blockiert worden sind, und zwar unter anderem von Herrn Trittin und Frau Griefahn. Demonstranten sind ermuntert worden, notfalls „nur ein bisschen gewaltfrei“ zu protestieren. ({6}) Herr Trittin weiß ganz genau, wovon ich rede. Wir haben uns schon im Niedersächsischen Landtag damit im Einzelnen auseinander gesetzt. Dann hat Herr Trittin vorhin scheinheilig gesagt: Wir stehen zu unserer Verantwortung. Das hat er auch schon vor zwei Jahren erklärt. Solche Worte sind Schall und Rauch. Die Vokabeln, die Herr Trittin sonst gebraucht hat - es sei nämlich „Atommüll verschoben“ worden -, beweisen, dass er sich in eine Sprache flüchtet, von der die Juristen sagen würden, dass sie in ganz anderen Milieus gesprochen wird. ({7}) Herr Trittin, Sie greifen heute nicht zum ersten Mal zu solchen Sprachmustern. Ich kenne das bereits aus dem Niedersächsischen Landtag. Es ist der Versuch, andere zu provozieren. Meine Damen und Herren, in diesem Hause könnten sich Regierung und Opposition über Sinn und Unsinn der Kernenergie, Sinn und Unsinn von Wiederaufarbeitung streiten. Das können wir auch tun. Hier geht es aber um internationale Verträge. Herr Fuhrmann hat in diese Debatte inhaltliche Aspekte eingebracht. Wir könnten sicher bestimmte Dinge gemeinsam regeln. Wenn die französische Regierung das aber anders sieht, dann hat die Bundesregierung ihre gesetzliche und völkerrechtliche Pflicht zu erfüllen und im Lande dafür Sorge zu tragen - nicht durch Verbalerklärungen des Ministers, sondern durch konkretes Handeln -, dass die Dinge vorangetrieben werden. Da verschleppen, verzögern und vertagen Sie. Das muss man sagen. ({8}) Im Übrigen brauchen wir uns gar nicht so viel über die Vergangenheit zu unterhalten. Es liegt ganz klar auf der Hand. Unter Helmut Schmidt ist eine Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten der Länder getroffen worden. Diese hat die Regierung Kohl/Genscher fortgesetzt. Es gab immer einen Konsens mit den Ländern. Demokratie bedeutet - das will ich ganz deutlich sagen -, dass man zu anderen Meinungen, zu anderen Mehrheiten kommen kann. Trotzdem muss man Verträge achten. Hier geht es um das Erfüllen der Verträge. Deswegen ist es für mich die einzige Ermutigung in diesem Zusammenhang, dass Herr Steinmeier und das Kanzleramt dafür zuständig sind, weil deutlich ist, dass der Bundeskanzler wie die Opposition dem Umweltminister zutiefst misstraut, dass er die internationalen Verhandlungen nicht boykottiert und damit dem Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich schadet. Meine Damen und Herren, wir können nicht hinnehmen, dass das, was über 40 Jahre an deutsch-französischem Vertrauen aufgebaut worden ist, mit einer solchen unverantwortlichen Politik kaputt gemacht wird. ({9}) - Das ist nicht so lächerlich, wie Sie meinen!)

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Der Kollege Hans-Peter Kemper spricht nun für die SPD.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will der Versuchung widerstehen, die Rede des Herrn Grill in allen Punkten abzuarbeiten. Zu einem Punkt muss man aber noch etwas sagen. Ich kenne Herrn Grill seit langem. In Fragen der Atomenergie haben wir uns in den vergangenen Legislaturperioden oftmals gestritten. Wir waren unterschiedlicher Meinung. Das, was er sich heute an Unterstellungen und Unwahrheiten geleistet hat, hat dem Ganzen die Krone aufgesetzt. Ich gehöre eher zu den Stillen im Lande, zu denen, die sich nicht so leicht aufregen. Das, was er sich hier geleistet hat, hat mir den Blutdruck hoch getrieben. Ich bin dem Kollegen Arne Fuhrmann, aber auch dem Umweltminister dankbar, dass sie diese infamen Unterstellungen in gebührender Form zurückgewiesen haben. So etwas kann hier nicht stehen bleiben, denn es ist falsch und erlogen. ({0}) Weil Frau Griefahn und Herr Fuhrmann im Wesentlichen unsere Standpunkte dargelegt haben, will ich die ganze Situation auch aus der Sicht derjenigen betrachten, die ein Lager vor Ort haben. Bei mir ist es das Lager in Ahaus. Die Energieversorgung, vor allen Dingen die Entsorgung, hat sich in der Vergangenheit immer stärker zu einem Wirtschaftsfaktor, zu einer Umweltschutzfrage und zu einer Frage der inneren Sicherheit entwickelt. Wenn ich die Umweltschutzfrage sehe, so sehe ich Herrn Paziorek hier sitzen. Vorhin hat er ganz einträchtig neben Herrn Grill gesessen und mir fielen ihre grasgrünen Krawatten auf. Sie sind sehr schön, aber es veranlasst mich zu der Bemerkung: Zwei grasgrüne Krawatten machen noch keinen Umweltpolitiker. ({1}) In Ahaus gibt es ein großes Zwischenlager. Ich weiß, dass Ahaus von dem Transport aus La Hague nicht betroffen ist. In Ahaus haben wir keine Genehmigung für hoch radioaktive Stoffe, keine Genehmigung für Glaskokillen. Die Stadt Ahaus hat zusätzlich die vertragliche Vereinbarung mit dem Betreiber getroffen, dass kein Antrag auf Zwischenlagerung hoch radioaktiver Stoffe in Ahaus gestellt wird. Aber die Glaskokillen sind eine Folge der Wiederaufarbeitung. Sie ist eine Dinosauriertechnik, denn sie produziert mehr und giftigeren Restmüll. Das haben wir bereits zu Oppositionszeiten gesagt und das sagen wir auch zu Regierungszeiten; daran hat sich nichts geändert. Wir haben verbindliche und langfristige Verträge. Sie haben in der Vergangenheit massenhaft Müll nach Frankreich geliefert, der dort nicht bleiben kann. Wir müssen ihn zurückholen, denn die Verträge haben Bestand. ({2}) Aber wenn ich Herrn Grill hier eben gehört habe, dann habe ich den Eindruck, als seien wir diejenigen, die diese ganze Angelegenheit zu verantworten haben. Dazu fällt mir aber einiges von dem ein, was Ihre damalige Umweltministerin, Frau Merkel, vom Stapel gelassen hat. Ich kann mich gut daran erinnern, wie sie auf dem Westfalentag der Jungen Union am 9. Mai 1998 in Ahaus eine flammende Rede für die Atomenergie gehalten hat. Sie hat sich dort als Atomlobbyistin feiern lassen und die Junge Union dazu ermutigt, den „Ahauser Appell“ zu verabschieden, in dem die Atomenergie ausdrücklich als verantwortbar hingestellt wurde. Nur ganz kurze Zeit später aber musste sie wegen erwiesener Kontamination und Unsicherheit die Atomtransporte aussetzen, ob nun Transporte aus La Hague nach Gorleben oder von Neckarwestheim beispielsweise nach Ahaus. Diese Transporte werden auch in Zukunft tiefe Besorgnis bei allen verantwortungsbewussten Menschen auslösen. Aber sie finden erstmals vor einem anderen Hintergrund statt: Der Ausstieg aus der Atomenergie ist beschlossen, der Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung auch. Dabei hat die Erkenntnis Pate gestanden, dass die Atomenergie nicht beherrschbar und die Entsorgung nicht gesichert ist. Die Menschen wissen erstmals, dass ein Ende abzusehen ist. Dann haben Sie die Themen innere Sicherheit und Polizei angesprochen, die mir sehr am Herzen liegen. Ich habe sehr oft mit Polizeibeamten gesprochen und bin bei vielen Castortransporten dabei gewesen. Diese Transporte haben immer schlimme Belastungen für die Polizei bedeutet. Bei den vergangenen Transporten, ob nach Ahaus oder nach Gorleben, hatten die Polizeibeamten oftmals den Eindruck, dass sie für die Versäumnisse der Politik den Kopf hinhalten müssten und dass die ungeklärte Entsorgungssituation und die ungeklärte Situation in der Atompolitik insgesamt auf dem Rücken der Polizei ausgetragen würden. Dies ist jetzt erstmals nicht mehr der Fall. ({3}) Die Polizei weiß, dass diese Transporte vor dem Hintergrund des Ausstiegs aus der Atomenergie, der Stilllegung von Atomkraftwerken stattfinden werden. ({4}) Sie weiß die Politik hinter sich und fühlt sich nicht mehr allein gelassen. Die Transporte werden auch in Zukunft keine Freude auslösen; das ist ganz klar. Aber ich bin sicher, dass die Transporte jetzt, da die Menschen wissen, dass ein Ende abzusehen ist, erträglicher werden. Sie werden zwar nicht akzeptiert, in Zukunft aber verstanden werden. Das ist ein großer Fortschritt und die Zukunft wird zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich erteile dem Kollegen Gunnar Uldall für die Fraktion der CDU/CSU das Wort.

Gunnar Uldall (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002353, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Trittin, für Sie wird es jetzt schwierig. Sie kommen in eine schwierige Lage, in der ich an Ihrer Stelle nicht stecken wollte. ({0}) Sie können erklären, was Sie wollen: Ihnen als früherem Mitorganisator und Anführer der Demos in Gorleben, die alles andere als friedliche Demonstrationen waren - anderenfalls hätten sie ja nicht 100 Millionen DM gekostet -, ({1}) wird es sehr schwer fallen, den Menschen, die sich dort versammeln, zu erklären, warum jetzt Transporte durchgeführt werden sollen. Dies wird Ihre Glaubwürdigkeit nicht erhöhen, Herr Trittin. ({2}) Deswegen haben Sie auch alles versucht, um diese Transporte in irgendeiner Form immer wieder hinauszuschieben. ({3}) Darum haben wir in den letzten Monaten eine völlig groteske Situation gehabt. Zuerst hieß es, die Behälter seien nicht sicher. ({4}) Als dieses Bedenken ausgeräumt war, war es die EXPO, die zunächst abgewartet werden musste. Als dann die EXPO vorbei war, musste erst einmal eine Brücke repariert werden. Jetzt hören wir zu unserer Überraschung, dass erst einmal eine Arbeitsgruppe tagen muss. Wenn die Arbeitsgruppe getagt hat, dann müssen zunächst einmal die Wahlen in Baden-Württemberg und in RheinlandPfalz abgewartet werden, weil die Transporte erst einen Tag nach den Wahlen in diesen beiden Bundesländern beginnen. Also, Herr Minister, Sie werden von der Wirklichkeit irgendwann einmal eingeholt werden. ({5}) Dann wollen wir einmal sehen, wie Sie sich bei den Demonstrationen verhalten werden. Diese Demonstrationen in Gorleben wären dann die ersten, auf denen Sie, Herr Trittin, auf der anderen Seite der Barrikaden ständen. Es wären die ersten Demonstrationen, auf denen Frau Griefahn, die hier eben gesprochen hat, die Demonstranten nicht einpeitschen, sondern abwiegeln wird. ({6}) Frau Hustedt wird dort keine Brandrede halten, sondern beruhigend auf die Menschen einreden. Die Sicht der Grünen ist offensichtlich ganz einfach: Wenn die Transporte unter einer CDU/CSU-F.D.P.-Regierung durchgeführt werden, dann ist das ganz schlimm und das alles ist gar nicht mehr zu verantworten. Wenn diese Transporte unter einer SPD-Grünen-Regierung durchgeführt werden, dann ist das alles ganz harmlos und lässt sich ohne Probleme über die Bühne bringen. Das zeigt: Es ging Ihnen gar nicht um eine angebliche Gefährdung durch Castortransporte; ({7}) vielmehr sollten die massiven unfriedlichen Demonstrationen die Bevölkerung verunsichern. Das war schlichtweg nichts anderes als ein Teil Ihrer Wahlkampfstrategie. Jetzt befinden Sie sich in einer Situation, dass Sie genau das Gegenteil von dem erklären müssen, was Sie bisher erzählt haben. Dabei wünsche ich Ihnen viel Spaß. Es wird die Gegner der Transporte in keiner Weise überzeugen. Wie ich schon sagte, Herr Trittin, Sie kommen deswegen in eine sehr schwierige Lage. Sie stecken in der Falle. ({8}) Es gilt der Ausspruch, Herr Minister: Die Geister, die ich rief, werde ich nun nicht wieder los. Ich möchte Ihnen noch einen anderen Punkt vorhalten. In einer dpa-Meldung habe ich gelesen: Verfahren gegen Besetzer eingestellt. Bundesumweltminister Jürgen Trittin ({9}) hat das Bundesamt für Strahlenschutz angewiesen, die Klage gegen 14 Demonstranten zurückzunehmen. ... Sie waren auf 100 000 DM Schadenersatz verklagt worden. Schützt man so, indem man das Bundesamt für Strahlenschutz anweist, eine Klage zurückzuziehen, mit der Schadenersatz von den Verursachern gefordert werden soll, seine politischen Freunde? Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, dass hier offenbar überhaupt kein Vertrauen in die deutschen Gerichte besteht. Offensichtlich versuchen Sie auf diese Art und Weise, irgendwelche Mitdemonstranten von damals von irgendwelchen Schadensersatzleistungen zu entlasten, für die dann natürlich irgendjemand anders zu bezahlen hat: der Steuerzahler, der Gebührenzahler oder wer auch immer, auf jeden Fall nicht die Verursacher. Herr Minister, was Sie sich in diesem Fall erlaubt haben, ist schlichtweg ein Skandal. ({10})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Horst Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Werter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist für mich eigentlich schon erstaunlich, wie bei diesem kleinen Problem die Emotionen hochkommen. ({0}) Wie wird das Haus eigentlich erst kochen, wenn wir über die Ausstiegsgesetze beraten? Ich muss sagen: Für mich war das ganz erstaunlich. Einiges muss man richtig stellen: Herr Kollege Uldall, Sie bezeichnen die Kollegin Griefahn als Einpeitscherin. Ich weise das zurück. Sie war verantwortliche Ministerin des Landes Niedersachsen und hat die Probleme und Ängste der Menschen ernst genommen. Sie war eben keine Einpeitscherin. ({1}) Noch etwas, Herr Kollege: Sie sagen, wir hätten kein Entsorgungskonzept. Für micht steht ein Entsorgungskonzept erst, wenn das notwendige Endlager vorhanden ist. Darauf werden wir alle noch eine gewisse Zeit lang warten. Erst dann haben wir das Konzept entwickelt. Wie war das bisherige Entsorgungskonzept? Der Entsorgungsnachweis war: Atommüll ab in die Wiederaufbereitungsanlage! Dieses Konzept werden wir durchbrechen; stattdessen werden wir ein neues vorlegen. ({2}) Die Grundzüge dafür haben wir skizziert. Wir werden im Konsens mit den EVUs vorgehen. Ich bin der F.D.P. eigentlich dankbar für diese Aktuelle Stunde. Denn in ihr zeigt sich wieder einmal, wie richtig die Absicht der rot-grünen Koalition ist, im Konsens aus der Kernenergie auszusteigen. ({3}) Dieser Konsens löst natürlich nicht das Problem des Atommülls. Denn was wir verharmlosend Atommüll nennen, muss Hunderttausende Jahre sicher eingeschlossen werden. Die belebte Umwelt muss auch nach 100 000 Jahren noch vor dem Atommüll geschützt werden. Der Konsens löst zwar nicht das Problem, aber er begrenzt das Problem. Das ist sehr wichtig, denn weltweit gibt es keine Lösung für die Endlagerung. Niemand hat eine Lösung: kein Staat, kein Elektrizitätsversorger. Niemand wird außerdem ein Endlager haben wollen. Schon der Transport von abgebrannten Brennelementen war ein Problem. Auch der Transport von radioaktivem Material aus der Wiederaufbereitungsanlage in Glaskokillen war ein Problem. Dieses Transportproblem wurde nicht von der neuen Bundesregierung geschaffen. Geschaffen haben es die Stromversorger, die jahrelang verstrahlte Transportbehälter verwendet haben und damit die Öffentlichkeit getäuscht haben. Das ist die Ursache gewesen: ein unglaublicher Vorgang. Die Bundesregierung ist hinters Licht geführt worden - und zwar die alte Bundesregierung, die so sehr auf Kernenergie gesetzt hatte. Die Bundesregierung wurde also von ihren eigenen Freunden und Verbündeten ausgetrickst. ({4}) Daraufhin blieb der damaligen Bundesumweltministerin Merkel nichts anderes übrig, als die Transporte zu verbieten. Die Entsorgungsfalle hat also nicht die neue Bundesregierung verschuldet, sondern sie geht auf ein Problem zurück, das Sie nicht lösen konnten. ({5}) Sie, Herr Hirche, stellen es theatralisch so dar, als sei die deutsch-französische Freundschaft gefährdet. Dazu muss ich sagen: Der Vertragsbruch geschah eigentlich schon viel früher. Seit 1991 gibt es ein französisches Gesetz, nach dem das Material nicht zwischengelagert werden darf. Trotzdem wurde es immer wieder zwischengelagert, denn es wurde nicht laufend abtransportiert. Sie haben die entsprechenden Transportstopps ausgesprochen, dadurch dieses Problem geschaffen und es uns schließlich überlassen. ({6}) Klar war und ist, die Transporte werden wieder rollen. Das hat der Herr Umweltminister jetzt gesagt. Wir können es noch so oft sagen: Sie, die Kollegen von der CDU/CSU, werden es nicht glauben. Die Transporte werden aber nur genehmigt werden, wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Es müssen Bedingungen geschaffen werden, dass es zu keiner Gefährdung der Bevölkerung kommt, dass die Anwohner an den befahrenen Strecken nicht gefährdet sind, dass das Transportpersonal nicht gefährdet ist und dass die begleitenden Polizistinnen und Polizisten nicht gefährdet sind. Das sind wir den betroffenen Menschen schuldig. ({7}) Nachdem diese Bedingungen nach Überzeugung des zuständigen Bundesamtes für Strahlenschutz jetzt eingehalten sind, sind auch wieder Transportgenehmigungen ausgesprochen worden. Sie haben anscheinend Pressemitteilungen nicht mitbekommen: Am 10. November, also am vergangenen Freitag, hat das Bundesamt für Strahlenschutz die Rückführung von sechs Castorbehältern mit verglastem Atommüll, so genannten Glaskokillen, aus La Hague genehGunnar Uldall migt. Bitte nehmen Sie das doch zur Kenntnis! Sie haben vorher also an der Wahrheit vorbei argumentiert. ({8}) Der Transport kann frühestens in der letzten Märzwoche 2001 stattfinden. Wir von der SPD haben uns mit dem Problem ausführlich auseinander gesetzt. Auch der Umweltausschuss hat Anhörungen zu diesem Thema durchgeführt. Es war auch klar: Es besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung der Transporte, auch wenn Sie es leugnen. Obwohl meine Redezeit abläuft, möchte ich noch etwas sagen: Wir haben hier ein ganz kleines Problem, aber wir hinterlassen unseren Kindern das Megaproblem der Endlagerung. Vor den Vorwürfen, die mir meine Enkelkinder deswegen machen werden, habe ich Angst. Hier muss eine Lösung des Problems ansetzen. Wir verschieben etwas in die Zukunft und unsere Enkel müssen das Problem lösen. Wir leben damit auf Kosten unserer Enkel. ({9})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Bevor ich das Wort dem letzten Redner gebe, rüge ich einen Zwischenruf des Kollegen Grill in dieser Debatte als unparlamentarisch. ({0}) Nun gebe ich das Wort dem Kollegen Dr. Christian Ruck für die CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich bin der F.D.P. für diese Aktuelle Stunde dankbar, der nicht das Bedürfnis nach Theatralik, Herr Kubatschka, zugrunde liegt, sondern in der es um ein hohes Gut geht. Ich meine deutschfranzösische Freundschaft. Wahr ist doch wirklich, dass das Gipfeltreffen in Vittel zwischen Bundeskanzler Schröder und Präsident Chirac vorüber ist, ohne dass dieser schwelende Konflikt um die Atommülltransporte auch nur annähernd gelöst werden konnte. Der Rechtsbruch bleibt bestehen, und die Beschädigungen sind eingetreten, Beschädigungen auch für die deutsche Außenpolitik und für unser Ansehen. Ich glaube auch, dass unsere französischen Partner durch die Entscheidungsunfähigkeit der rot-grünen Regierung mit Recht verärgert sind und politischer Flurschaden entstanden ist. Das ist nicht das erste Mal. In der EU gelten Sie, Herr Trittin, seit Ihren Nukleareskapaden gegen Frankreich ohnehin als äußerst unsicherer und unzuverlässiger Kantonist. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, warum Ihnen das Problem inzwischen entzogen und zur Chefsache gemacht wurde. Ich möchte noch einmal auf die Verschiebung zurückkommen, die auch, glaube ich, wirklich von einem schlechten außenpolitischen Stil zeugt. Es ist ein außenpolitisches Armutszeugnis, ({0}) wenn Sie das Nichteinhalten internationaler Vereinbarungen und international gültiger Verträge mit Frankreich - und es ist ja nicht nur Frankreich beteiligt, sondern auch andere Länder in Europa - als Verschieben bezeichnen. ({1}) Man kann es nicht oft genug wiederholen. ({2}) Ich glaube, dass die derzeitige Weigerung Frankreichs, aus Deutschland weiterhin Brennelemente anzunehmen, sehr verständlich ist. Man muss sich einmal vorstellen: Der letzte Rücktransport aus La Hague liegt bereits drei Jahre zurück, und das, obwohl Deutschland sich mit der Unterzeichnung der Wiederaufbereitungsverträge zu einer unbehinderten Rücknahme des produzierten Atommülls verpflichtet hat. ({3}) Deswegen sagt zum Beispiel die zitierte französische Umweltministerin, Dominique Voynet, dass sie wirklich genug davon hat, dass Frankreich zum Endlager nicht für europäischen, sondern vor allem für deutschen Atommüll wird. Ich halte es schon für ein starkes Stück, wenn hier so getan wird, als seien das alles Peanuts und als sei das deutsch-französische Verhältnis auch etwas, was man ganz schnell ruinieren könnte. Die eigentliche Ursache des Problems ist jedoch, dass Rot-Grün sich daran festgebissen hat, ein eigenes neues nationales Entsorgungskonzept aufzustellen, und zwar auch hier mit den falschen Schwerpunkten. Wir brauchen keinen neuen Entsorgungsplan. ({4}) - Das bisherige Entsorgungskonzept, Herr Kubatschka - Sie haben es angesprochen -, mit den Zwischenlagern in Ahaus und Gorleben - ({5}) - Schreien Sie nicht so, Ihre fünf Minuten sind vorbei. Solange Sie schreien, können Sie nicht zuhören. Das tut Ihnen nicht gut, Herr Kubatschka. Mit den Endlagerprojekten Konrad und Gorleben steht das Entsorgungskonzept, und die grundlegenden Probleme sind, auch nach Ansicht renommierter Fachleute, längst gelöst. Es bedürfte also nur einer konsequenten Umsetzung. ({6}) Was Sie diesem über lange Jahre bewährten und damals auch mit der SPD vereinbarten, von ihr mit gestalteten und mit initiierten Konzept bisher entgegensetzen, ist unausgereift, in der Sache ungeeignet und nur aus Sicht von Atomgegnern verstehbar. Das Endlager Konrad wurde kurz vor der Planfeststellung nochmals bewusst verzögert, und die weitere Erkundung des Salzstockes in Gorleben ist seit 1. Oktober 2000 gestoppt. Trotz der bislang nicht infrage gestellten Eignung von Gorleben wird in der ganzen Republik wild nach Standorten gesucht. Dass Sie dabei natürlich auch Bayern ins Auge fassen, ist ein ganz durchsichtiges politisches Manöver und sonst nichts. Die bestehenden Zwischenlager in Ahaus und Gorleben sind aufnahmefähig. Sie sind fast leer. Sie zwingen trotzdem den Kernkraftbetreibern 13 zusätzliche dezentrale Zwischenlager auf und nehmen dabei auch noch in Kauf, ({7}) dass vor Fertigstellung der Zwischenlager diese Dinge acht Jahre lang in Garagen herumgammeln, ({8}) anstatt einen 24-Stunden-Transport zu vorhandenen dezentralen Zwischenlagern durchzuführen. - Ja, in Garagen vergammeln, das ist genau der Punkt, den man hier ansprechen muss. ({9}) - Sie haben doch von Physik keine Ahnung, Herr Kubatschka. ({10}) Auch national beweisen Sie durch die Blockade von Transporten aus Frankreich ein weiteres Mal Ihre Unzuverlässigkeit. Sollte Frankreich - im Übrigen: völlig zu Recht - keine weiteren Brennelemente aus Deutschland mehr annehmen, Herr Schmidt, dann droht spätestens im Frühjahr die Abschaltung von mindestens drei Atomkraftwerken in Deutschland, und zwar aufgrund dieses von der Bundesregierung zu verantwortenden Vertragsbruchs. ({11}) - Herr Schmidt, Sie haben doch angeblich eine Vereinbarung zwischen den EVUs und der Bundesregierung, auf die Sie so stolz sind. Meines Erachtens haben Sie aber angesichts des auf dem Gipfel erzielten Ergebnisses gegenüber den EVUs einen Rechtsbruch begangen oder zumindest im Sinn. ({12}) Wer wie Sie internationale Verträge bricht und sich nicht an nationale Vereinbarungen hält, gefährdet auch das Vertrauen in unseren Rechtsstaat. ({13}) Sie stellen Ideologie über getroffene Absprachen. Sie untergraben damit die Glaubwürdigkeit deutscher Politik und verschleudern das große Kapital, das Sie von der vorherigen Regierung geerbt haben. ({14})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Ruck, Sie müssen zum Schluss kommen.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das wird die Spielräume deutscher Politik nachhaltig einengen, was Sie zu verantworten haben. Diese verfehlte Energiepolitik - siehe Klimagipfel - betreiben Sie auf dem Rücken der zukünftigen Generationen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich denke, Herr Kollege Ruck, das war ein guter Schlusssatz. Ich muss Sie bitten, Ihre Rede zu beenden.

Dr. Christian Ruck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 16. November 2000, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.