Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/4/1998

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Fragestunde - Drucksache 13/9728 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Ernst Hinsken zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Helmut Lamp auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die notwendige Pflege des Deiches und des Deichvorlandes an der Westküste Schleswig-Holsteins vernachlässigt wird, so daß ein sicherer Hochwasserschutz in absehbarer Zeit nicht mehr gegeben sein wird?

Ernst Hinsken (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000906

Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Unterhaltung der Landesschutzdeiche an der Nordseeküste von Schleswig-Holstein jederzeit gewährleistet ist und bleibt. Nach dem Landeswassergesetz ist es Pflichtaufgabe des Landes, die Deiche und die entsprechenden Vorländer, die für die Erhaltung der Schutzfunktion der Landesschutzdeiche erforderlich sind, so zu unterhalten und zu erhalten, daß sie jederzeit ihre Schutzfunktion erfüllen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege, Ihre erste Zusatzfrage.

Helmut Lamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001275, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, darf ich Sie einmal zu einem Meinen Spaziergang in die Deichvorländereien an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste einladen? Wenn es sich irgendwann einmal machen läßt, nehmen Sie einmal selbst diese Deichvorländereien in Augenschein. Sie werden sich dann auch als Binnenländer ein Bild davon machen können, ob der Hochwasserschutz hier noch gewährleistet ist und ob die Deichvorländereien, so wie sie derzeit gepflegt werden, wirklich noch den Anforderungen an einen Hochwasserschutz entsprechen.

Ernst Hinsken (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000906

Herr Kollege Lamp, ich bin selbstverständlich gerne bereit, mich einmal vor Ort zu informieren und würde mich freuen, wenn Sie mich dabei begleiten könnten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Helmut Lamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001275, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Gut. - Dann gebe ich Herrn Koppelin zu einer Zusatzfrage das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, die Frage des Kollegen Lamp bezog sich ja darauf, was mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz geschieht. Teilen Sie meine Auffassung, daß diese Mittel nicht mehr dafür verwandt werden, wofür sie eigentlich verwandt werden müßten - außer vielleicht in der Freien und Hansestadt Hamburg, das will ich gerne akzeptieren -, daß also in Niedersachsen und Schleswig-Holstein auf Grund der dort betriebenen Politik das Geld nicht mehr für den Küstenschutz eingesetzt wird, sondern viele andere Projekte finanziert werden, die mehr zu einer grünen Politik passen?

Ernst Hinsken (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000906

Herr Kollege Koppelin, Küstenschutz ist in erster Linie Aufgabe der Länder. Der Bund hilft hier mit, um die Länder nicht alleine zu lassen. In den letzten Jahren und Jahrzehnten sind ja enorme Mittel gerade in den Küstenschutz geflossen. Ich denke daran, daß es sich hierbei um mehr als 9 Milliarden DM handelt. Hier sind natürlich nach wie vor die Länder und die Landesregierungen gefordert, die notwendigen MaßParl. Staatssekretär Ernst Hinsken nahmen zu ergreifen und das Erforderliche zu tun. Ich setze darauf, daß das auch vollzogen wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Lamp auf: Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung in Abstimmung mit dem Bundesrat, Mittel für Küstenschutzmaßnahmen einzubehalten, wenn ein Bundesland Maßnahmen, die für effektiven Küstenschutz unerläßlich sind, bewußt unterläßt?

Ernst Hinsken (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000906

Herr Kollege Lamp, die Durchführung von Küstenschutzmaßnahmen ist, wie ich eben sagte, Sache der Länder, in deren maßgeblicher Verantwortung es liegt, die notwendigen Schwerpunkte zugunsten des Küstenschutzes innerhalb der Gemeinschaftsaufgabe selbst zu setzen. Die Bundesregierung kann insofern keine Bundesmittel aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" einbehalten, falls nach Ihrer Meinung bestimmte Küstenschutzmaßnahmen unterbleiben.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zu einer Zusatzfrage Herr Koppelin, bitte schön.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, können Sie uns dann erklären, wie die Bundesregierung überprüft, daß die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe Küstenschutz effektiv eingesetzt werden? Hat es da schon Problemfälle gegeben?

Ernst Hinsken (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000906

Es hat sicherlich schon Problemfälle gegeben, aber die Bundesregierung überprüft natürlich, was hier gemacht werden kann. In enger Abstimmung mit den Landesregierungen ist sie immer bereit, das Notwendige zu tun, vorausgesetzt, von seiten der Landesregierungen kommen Vorschläge, entsprechende Maßnahmen durchzuführen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Damit können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Die Frage 3 der Kollegin Kastner wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie auf. Die Fragen 4 und 5 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 6 und 7 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft. Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Michael Müller werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Dann rufe ich die Frage 10 des Kollegen Otto Schily auf: Mit welchen Rückwirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise in den asiatischen Ländern, insbesondere Südkorea, Taiwan, Hongkong, Indonesien, Singapur, den Philippinen, Thailand und Malaysia, auf die deutsche und europäische Wirtschaft rechnet die Bundesregierung? Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Kolb bereit. Bitte!

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Schily, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Erstens. Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Ostasien, die am 2. Juli 1997 mit der Lösung des thailändischen Baht von der Bindung an den US-Dollar ausbrach und sich in der Folgezeit ausbreitete, hat nicht alle Länder der Region in gleicher Weise getroffen. Die tiefsten Wirkungen zeigten sich in Thailand, Indonesien und Korea. Die internationale Gemeinschaft hat schnell reagiert und diesen Ländern finanzielle Stützung in Höhe von insgesamt rund 110 Milliarden US-Dollar im Gegenzug zu Reformen angeboten. Von dieser Hilfe entfallen auf Korea 57 Milliarden US-Dollar, auf Indonesien 37 Milliarden US-Dollar und auf Thailand rund 17 Milliarden US- Dollar. Andere Länder haben nicht auf internationale Finanzhilfe zurückgegriffen oder sie im Einzelfall - wie Malaysia - ausdrücklich abgelehnt. Zweitens. Die Auswirkungen der Krise in Asien auf Europa und Deutschland sind insgesamt als begrenzt anzusehen. Nach Auffassung der EU-Kommission dürfte sich diese Krise allenfalls marginal auf das Wachstum in der Union niederschlagen, da die EU-Exporte nach Asien lediglich 2,2 Prozent des Sozialprodukts der EU-Mitgliedsländer ausmachen. Auch der Zeitplan für die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion wird nicht betroffen sein. Nach allgemeiner Auffassung halten sich auch die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft in engen Grenzen. Nach Berechnung des IWF ist für das laufende Jahr lediglich mit einem Wachstumsverlust von 0,1 Prozent als Folge der Krise zu rechnen. Andere Berechnungen gehen von einer Wachstumsreduzierung bis maximal 0,5 Prozent aus; verläßliche Berechnungen lassen sich darüber nicht anstellen, da Umfang und weiterer Verlauf der Krise schwer einschätzbar sind. Die Bundesregierung sieht daher keinen Anlaß, ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr in Höhe von 2,5 bis 3 Prozent zu ändern. Drittens. Es ist davon auszugehen, daß der Umfang der deutschen Exporte kurzfristig die Wirkungen der Krise zu spüren bekommen wird. Dies gilt voraussichtlich für Investitionsgüter, insbesondere auch im Zusammenhang mit Infrastruktur- und Großprojekten, die entsprechend einer Vorgabe des IWF zum Teil zurückgestellt und überprüft werden sollen. Aber auch Konsumgüter werden von der geminderten Kaufkraft in den Krisenländern getroffen werden. Mittel- und langfristig werden jedoch nach allgemeiner Auffassung - sowohl der deutschen Wirtschaft als auch der Bundesregierung - die Wachstumskräfte wieder an Schwung gewinnen - vor allem, wenn die begonnenen Reformen konsequent zu Ende geführt werden -, so daß mit erneut überdurchschnittlichen Zuwachsraten aus europäischer Sicht zu rechnen ist. Schon jetzt denken viele Unternehmen angesichts der günstigen Einstiegsmöglichkeiten und verbesserter Rahmenbedingungen an eine Verstärkung ihrer Marktpräsenz in der Region.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre erste Zusatzfrage, Herr Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben von den Erwartungen bezüglich Wachstumseinbußen gesprochen. Ist Ihnen bekannt, daß der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Herr Köhler, der sich ja kürzlich auch in Asien aufgehalten hat, von einer Wachstumseinbuße von einem halben Prozent ausgeht? Darüber hinaus sagt er, daß bei einem Andauern der Krise die Einbußen noch größer ausfallen könnten. Ist Ihnen bekannt, daß Herr Walter von der Deutschen Bank ebenfalls eine höhere Wachstumseinbuße prognostiziert?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Herr Kollege Schily, zumindest die Prognose von Herrn Köhler ist mir bekannt. Diese Frage hat heute morgen auch in den Beratungen des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages eine Rolle gespielt, in dem Herr Minister Rexrodt persönlich über die zu erwartenden möglichen Beeinflussungen des Wachstums der deutschen Wirtschaft berichtet hat. Wie gesagt, es gibt eine Bandbreite von Prognosen. Ich will jetzt keine Bewertung der Seriosität der Vorhersagen des IWF im Vergleich zu denen von Herrn Köhler vornehmen. Ich muß aber sagen: Es gibt in diesem Moment keine exakte Voraussage. Ich will Ihnen einen konkreten Schritt nennen, den wir im Hinblick auf eine Stabilisierung unserer Exporte in diese Region für wichtig halten: Wir beabsichtigen, das Hermes-Instrumentarium für Lieferungen in diese Länder auch weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich dabei um eine ganze Reihe von Ländern mit erster oder zweiter Bonität. Wir werden in Zukunft natürlich eine genauere Einzelfallprüfung vornehmen. Ich denke, daß gerade das Instrumentarium der Exportkreditversicherung dazu beitragen kann, daß - zumindest kurzfristig - die Exporte in diese Länder nicht allzusehr zurückgehen werden. Hinzu kommt, daß vor allen Dingen Lieferungen an Unternehmen, die ihrerseits wieder Exporte tätigen, ohnehin in geringerem Maße beeinflußt werden, weil diese Unternehmen ihrerseits wieder Möglichkeiten haben, entsprechende Deviseneinnahmen zu erzielen. Man muß einfach differenzieren: Unser Export nach Asien und in den pazifischen Raum hat einen Anteil von 11 Prozent am gesamten Export. Der Anteil der betroffenen Länder macht 5 Prozent des Gesamtexports aus. Es ist kaum zu erwarten, daß die Exporte auf Null absinken werden. Weil wir das Hermes-Instrumentarium weiterführen, wird es - zumindest in einem überschaubaren Zeitraum - nicht zu drastischen Einbrüchen kommen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die zweite Zusatzfrage.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich kann im Rahmen einer Fragestunde natürlich nicht alle Aspekte mit Ihnen diskutieren. Deshalb muß ich mich auf folgende Fragen beschränken: Welche Vorkehrungen trifft denn die Bundesregierung für den Fall, daß sich diese Krise verfestigen oder sogar ausweiten sollte? Hat die Bundesregierung irgendwelche Konzepte, wie sie zur Stärkung und Stabilisierung der Architektur der internationalen Finanz- und Währungssysteme beitragen kann?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Ich hatte im ersten Teil meiner Antwort schon darauf hingewiesen, daß aus unserer Sicht durch die Bereitstellung von Mitteln des IWF für die „Krisenländer" im Gegenzug zu Reformen ein erfolgreicher Weg hin zur wirtschaftlichen Wende eingeleitet und beschritten worden ist. Ich glaube daher, daß es derzeit keiner weiteren Maßnahmen bedarf. Wenn Sie die Auswirkungen im Inland meinen - ({0}) - Es ist mir bekannt, daß es in den Kammern des Parlaments der Vereinigten Staaten möglicherweise Schwierigkeiten geben könnte - ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken -, was die Unterstützung der Maßnahmen des IWF anbelangt. Ich vermute, daß Sie darauf anspielen. ({1}) - Nun, wir wollen im Zusammenhang mit dieser Frage jetzt nicht Glied um Glied der Kette aneinanderreihen. Wir haben heute morgen seitens des Wirtschaftsministeriums im Wirtschaftsausschuß angekündigt, daß wir zu einer der nächsten Sitzungen kurzfristig einen Bericht vorlegen werden, der sich insbesondere mit der Transparenz - um es neudeutsch zu sagen: mit der surveillance - der internationalen Systeme beschäftigt. Es hat im Zuge des G-7-Prozesses schon wiederholt Diskussionen gegeben. Wir werden mit dem Wirtschaftsausschuß, also gemeinsam mit dem Hohen Haus, sehr kurzfristig beraten, inwieweit hier Handlungsbedarf gegeben ist. ({2})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage des Kollegen Büttner.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Angesichts der Krise in Ostasien wurde von nationalen und internationalen Instituten der Bankenaufsicht gegenüber führenden deutschen Banken der Vorwurf erhoben, daß sie leichtfertig mit der Vergabe von Krediten waren, was nun Auswirkungen auf das Geschäftsergebnis und auf die Steuerzahlungen der deutschen Banken hat. Inwieweit erwägt die Bundesregierung Schritte, die Aufsichtskriterien zu verbessern? Inwieweit ist sie bereit, Vorschläge internationaler Finanzexperten - unter anderem die des in Spekulationsgeschäften erfahrenen Finanzinvestors Soros und der BIZ - aufzunehmen, eine stärkere internationale Abstimmung der Währungen - das heißt, ein zweites, wenn auch verändertes Bretton Woods - anzustreben und dies auf internationalen Konferenzen voranzutreiben?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Zunächst einmal muß man sagen - das ist für die Betrachtung der Zusammenhänge wichtig -, daß sich die Schuldverhältnisse mit Blick auf die in Rede stehenden Länder vor allen Dingen im privatwirtschaftlichen Bereich abspielen. Das heißt, es sind auf deutscher Seite wie auch vor Ort in den Ländern überwiegend private Institute und private Unternehmen, die Schuldverhältnisse eingegangen sind. Wir gehen davon aus, daß es erhebliche Größenordnungen sind. Allerdings ist nicht zu erwarten - der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages wird sich heute nachmittag noch mit dieser Frage befassen -, daß dies kurzfristige Auswirkungen hat. Das typische Verfahren ist, daß Kredite, wenn sie nicht bedient werden können, zunächst einmal prolongiert werden. Das ist im vorliegenden Fall deswegen gerechtfertigt, weil zu erwarten ist, daß das Potential dieser Länder und der Unternehmen nicht verlorengeht. - Ich hoffe, Herr Präsident, meine Antworten sind nicht zu lang. - Die koreanischen Unternehmen werden auch in Zukunft wissen, wie man Chips und anderes mit dem entsprechenden Know-how produziert. ({0}) Ich glaube, daß die vorhandenen Möglichkeiten des Bankensystems hier durchaus ausreichen. Wir überlegen nicht, die Vorschläge von Herrn Soros hier aufzugreifen. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär, nach der Verfassung haben Sie das Recht, hier so lange zu sprechen, wie Sie wollen. Sie müssen dann nur für die Folgen einstehen. Aber im Augenblick haben Sie keine Folgen zu gewärtigen. Die nächste Frage hat Frau Skarpelis-Sperk.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, mein Kollege Schily hat auf einen Bericht in der „Frankfurter Allgemeinen" von Montag, dem 2. Februar, auf Seite 13 im Wirtschaftsteil angespielt, in dem es darum ging, daß die Vereinigten Staaten von Amerika im Rahmen der G7 „eine Initiative für den Umbau und die Stärkung der Architektur des internationalen Finanz- und Währungssystems einbringen" wollen. Dies wäre das erste Mal, daß die Vereinigten Staaten von Amerika von ihrer bisher rigiden Deregulierungspolitik auf neue Ordnungen im Rahmen der internationalen Finanz- und Währungssysteme eingehen und sie der G7 vorschlagen. Ist Ihnen diese Initiative bekannt, und wenn ja: Können Sie uns sagen, welche Bereiche das umfassen wird und welche nicht und ob es zu diesen Punkten eine erste, vorläufige Stellungnahme der Bundesregierung gibt?

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Vielleicht habe ich mich gerade an der Stelle zu kurz gefaßt. Ich habe darauf hingewiesen, daß im Rahmen der G7 einige Überlegungen angestellt werden. Was eine erste, auch nur vorläufige Einschätzung der Bundesregierung anbelangt, will ich mich auf das zurückziehen, was ich gesagt habe: Wir werden in Kürze dem Wirtschaftsausschuß eine entsprechende Vorlage machen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Schily, Sie haben Ihr Fragenkontingent schon erschöpft. ({0}) - Frau Kollegin Wolf, bitte.

Margareta Wolf-Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002831, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege Kolb, Sie haben vorhin auf das erfolgreiche Instrument der Hermes-Bürgschaften hingewiesen. Auch ich möchte auf die „FAZ" verweisen, und zwar auf die vom heutigen Tage, und möchte Sie fragen, ob Sie folgende Position teilen. Dort heißt es, daß 117 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen sagen, daß allein in Indonesien Ausfallbürgschaften in der Höhe von 14 Milliarden DM gewährt werden müßten und damit mehr als die Hälfte aller Hermes-Bürgschaften, die für Südostasien vorgesehen waren, in dieses bekanntermaßen undemokratische Land transferiert werden. In diesem Artikel wird die Befürchtung geäußert, daß es sich vor allen Dingen um Investitionen in Rüstungsgüter handelt. Ich wüßte gerne, ob Sie diese Einschätzung teilen.

Dr. Heinrich L. Kolb (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001171

Das Obligo gegenüber Indonesien liegt, wenn man die Zinsen dazurechnet, wohl in der Tat bei einer Größenordnung von 14 Milliarden DM. Die Gesamtsumme für die in Rede stehenden Länder dürfte bei etwa 26 Milliarden DM liegen. Daß das ein relativ hoher Anteil ist, kann nicht verwundern, weil Indonesien nach Einwohnerzahl immerhin das fünftgrößte Land dieser Erde ist. Allerdings warne ich davor, dies als unmittelbar fälliges Risiko anzusehen. Die zeitliche Fälligkeit des Gesamtbetrages der eingegangenen Deckungen muß natürlich entzerrt werden. Uns liegen für diese Länder insgesamt Zahlen vor, aus denen zu schließen ist, daß für die Jahre 1998 und 1999 das Risiko einer Fälligkeit nicht höher ist als etwa 2 bzw. 2,5 Milliarden DM. Selbst bei Fälligkeit wäre es aber falsch, davon auszugehen, daß dieser Betrag voll in Anspruch genommen werden müßte, weil, wie gesagt, bei einer Nichtbedienung von Fälligkeiten zunächst über eine Prolongation gesprochen werden wird, so daß die Frage, ob der Bund letztendlich dafür eintreten muß, vollkommen offen ist. Ob und in welchem Umfang hier Rüstungsgeschäfte gedeckt worden sind, kann ich aus dem Stand nicht beantworten. ({0}) Ich gehe allerdings davon aus, daß das, wenn überhaupt, in sehr geringem Umfange der Fall gewesen ist. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Horst Günther zur Verfügung. Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Günter Graf auf: In wie vielen Fällen ist die Bundesanstalt für Arbeit seit 1994 bis heute angesichts der hohen Arbeitslosigkeit behinderter Menschen durch Einleiten von Verfahren wegen Nichterfüllung der Beschäftigungsquote gegen Arbeitgeber eingeschritten?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Präsident, wenn Sie und der Kollege Graf es gestatten, würde ich die Fragen 11 und 12 gerne gemeinsam beantworten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch die Frage 12 des Abgeordneten Günter Graf auf: Wie hoch ist das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe nach dem Schwerbehindertengesetz seit 1994, aufgeteilt nach privaten und öffentlichen Arbeitgebern, und inwieweit werden diese Mittel dazu verwendet, Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zu schaffen, um so einen Beitrag zur Minderung der Arbeitslosenquote behinderter Menschen zu leisten?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Graf, im Laufe der Jahre 1994, 1995 und 1996 wurden von den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit gegen fünf Arbeitgeber Ordnungswidrigkeitsverfahren nach dem Schwerbehindertengesetz eingeleitet. Dabei ist folgendes zu bedenken: Bei der Durchsetzung der Beschäftigungspflicht müssen die Arbeitsämter in bezug auf Ordnungswidrigkeiten abwägen, inwieweit harte Sanktionen einer auf lange Sicht unverzichtbaren engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitsverwaltung und Arbeitgebern schaden können. Langfristig könnte sich der vermehrte Einsatz verschärfter Bußgeldverfahren für die Interessen der Schwerbehinderten nachteilig auswirken. Wir, so glaube ich, müssen zuerst einmal die Interessen der Schwerbehinderten im Auge haben. Zu Ihrer zweiten Frage bemerke ich folgendes: In den Jahren 1995 und 1996 betrug das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe zirka 1 Milliarde DM. 1994 waren es ungefähr 950 Millionen DM. Nach privaten und öffentlichen Arbeitgebern wird dabei nicht unterschieden. Ein Anteil von 55 Prozent der Ausgleichsabgabe verbleibt bei den Hauptfürsorgestellen der Länder. Diese Mittel werden in erster Linie für Leistungen zur Förderung des Arbeits- und Ausbildungsplatzangebots für Schwerbehinderte sowie für Leistungen zur begleitenden Hilfe im Arbeits- und Berufsleben verwendet. Zum Beispiel haben die Hauptfürsorgestellen im Jahre 1996 zirka 110 Millionen DM im Rahmen von Sonderprogrammen aufgewandt, um die Einstellung arbeitsloser Schwerbehinderter finanziell zu unterstützen. Zirka 400 Millionen DM flossen in Maßnahmen wie die behindertengerechte Einrichtung und Ausstattung von Arbeitsplätzen oder die Beschaffung technischer Arbeitshilfen. Durch diese Maßnahmen werden Arbeitsplätze gesichert. Auch somit wird zumindest mittelbar die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter bekämpft. Ein Anteil von 45 Prozent des Aufkommens aus der Ausgleichsabgabe steht dem beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung eingerichteten Ausgleichsfonds zu. Der Ausgleichsfonds weist hiervon wenigstens 50 Prozent der Bundesanstalt für Arbeit zur besonderen Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter zu. Mit diesen Mitteln wird die Einstellung besonders betroffener Schwerbehinderter gezielt gefördert. Danach erhalten Arbeitgeber Zuschüsse zum Arbeitsentgelt, wenn sie Schwerbehinderte einstellen, die zum Beispiel älter als 50 Jahre sind oder länger als ein Jahr arbeitslos waren oder wegen ihrer Behinderung nur eine wesentlich verminderte Arbeitsleistung erbringen können. Der Zuschuß beträgt bis zu 80 Prozent des Arbeitsentgelts und wird regelmäßig bis zu drei Jahren gewährt. Von Juli 1986 bis Oktober 1997 wurden in rund 80 000 Förderfällen allein für diese Leistungsart zirka 2,3 Milliarden DM aufgewandt. Im Jahre 1996 konnten mit dieser Hilfe rund 9 100 Schwerbehinderte wieder dauerhaft in das Arbeitsleben eingegliedert werden. Zahlen für 1997 liegen mir im Moment noch nicht vor. Im übrigen fließt das Aufkommen aus der Ausgleichsabgabe in erster Linie in die Förderung von Werkstätten für Behinderte, in denen zur Zeit zirka 166 000 Behinderte eine Beschäftigung finden, sowie in dazugehörige Wohnstätten für Behinderte. Im Jahre 1996 wurden dafür Mittel in Höhe von zirka 420 Millionen DM aufgewendet. Allein von seiten des Ausgleichsfonds wurden seit 1991 zirka 2,1 Milliarden DM bereitgestellt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Graf, Sie haben nun vier Zusatzfragen.

Günter Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich will gar keine vier Zusatzfragen stellen. Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, es habe in 1994 fünf Fälle gegeben, und haben darauf hingewiesen, daß man bei der Arbeitsverwaltung vor Ort Abstand davon genommen hat, Verfahren einzuleiten, um die langfristige Entwicklung eines Betriebes nicht zu gefährden. Können Sie sagen, wie viele Fälle es insgesamt gegeben hat und in wie vielen Fällen es den Ausschlag gegeben hat, ein Verfahren nicht einzuleiten, um den Betrieb nicht zu gefährden? Eine zweite Frage will ich gleich anschließen: Gibt es in den Bundesländern unterschiedliche Feststellungen darüber, wie man mit diesem Instrument umgeht?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Graf, ich möchte zunächst einmal sagen, daß diese Fälle aus den Jahren 1994, 1995 und 1996 stammen; das ist - zugegebenermaßen nicht sehr viel, und damit verschärft sich das Problem aus Ihrer Sicht noch. ({0}) Deshalb habe ich eben schon den Hinweis gegeben, daß man - wir stehen mit der Bundesanstalt für Arbeit über diese Fragen in einem ständigen Dialog - gerade in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit abwägen muß, was man mit den Zielen, die man in einem Ordnungswidrigkeitsverfahren verfolgt, erreicht. Auch Sie wissen, daß viele Betriebe eher dazu übergehen, Bußgelder zu zahlen oder weitere Zahlungen in Höhe von 200 DM pro Monat für nicht besetzte Plätze zu leisten, als einzustellen. Deshalb wollen wir auch nicht zuviel Druck auf die Bundesanstalt ausüben. Am Ende würden wir damit die Einstellung Behinderter konterkarieren, wenn die Betriebe - ich sage es einmal salopp - bockig werden und sagen: Jetzt erst recht nicht. Deshalb muß dies in jedem Einzelfall und bei jedem Betrieb abgewogen werden. Wir werden aber, wie schon in den vergangenen Jahren, mit der Bundesanstalt für Arbeit erneut darüber sprechen, ob man vielleicht zu anderen Betrachtungen kommen kann. Ich sehe Ihre Frage auch als Anregung, dieses Thema wieder verschärft aufzugreifen. Es ist ein ziemlich großes Problem. Das ist nicht leicht zu lösen. Unterschiedliche Zahlen aus den Ländern liegen mir im Moment nicht vor. Mir liegen auch keine Zahlen darüber vor, Herr Kollege Graf, wie viele Verfahren man hätte einleiten können. Diese Zahlen könnte ich Ihnen aber nachreichen.

Günter Graf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es wäre natürlich interessant, diese Zahlen zu hören. Es wäre natürlich auch interessant, ergänzend zu erfahren, um welche Betriebe es sich dabei handelt, auch was die Größenordnung angeht. Ich glaube, es wäre wichtig, dies zu erfahren. Wenn Sie dies schriftlich nachreichen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Ja, das sage ich Ihnen gerne zu.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage des Kollegen Kemper.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben darauf hingewiesen, daß viele Betriebe eher die Ausgleichsabgaben zahlen als Behinderte einstellen. Das veranlaßt mich zu der Frage: Hält die Bundesregierung denn die Ausgleichsabgabe der Höhe nach für ausreichend, oder bietet die Bundesregierung den Unternehmen damit nicht ein Schlupfloch, durch das sich die Unternehmen aus der Verantwortung für die Einstellung von Behinderten sehr leicht befreien können? Müßte nicht die Ausgleichsabgabe erhöht werden?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Kemper, das ist eine immer wieder gestellte Frage. Wir haben den Betrag vor einigen Jahren auf 200 DM angehoben. Man kann immer erwägen, ob es sinnvoll ist, diesen Betrag erneut anzuheben. Dazu ist aber im Moment bei der Bundesregierung keine Vorlage vorhanden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Büttner.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, obwohl Ihre Antwort auf die Fragen der Kollegen Kemper und Graf natürlich die Frage aufwirft, inwieweit wir es mit der Durchsetzung unserer gesetzlichen Vorschriften ernst nehmen, wenn wir bei Nichteinhaltung immer nur darüber nachdenken, wie wir dem „Gesetzesverstoßer" Erleichterungen geben können, gestatten Sie mir die Frage: Erhalten von diesen 45 Prozent an Mitteln, die das Bundesarbeitsministerium über die Arbeitsämter an die Arbeitgeber als Lohnkosten- und Einrichtungszuschüsse vergibt, auch solche Betriebe Zuschüsse, die vorher mit Bußgeldern belegt wurden oder ihrer Pflicht zur Erfüllung der Schwerbehindertenquote nicht nachkommen?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Büttner, die erste Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. In fünf Fällen kann man das aber sicherlich sehr leicht nachprüfen. Zur zweiten Frage: Es ist zu vermuten, daß zur Eingliederung von Behinderten sicherlich auch solche Betriebe Einstellungshilfen bekommen, weil wir froh sind, wenn sich die Betriebe bereit erklären, solche Menschen aufzunehmen. Bei der relativ großen Zahl der Betriebe, die ihre Pflichtquote nicht erfüllen - übrigens auch im öffentlichen Dienst; das betrifft nicht nur die privaten Arbeitgeber -, ist es wahrscheinlich unumgänglich, sich auch dieser Betriebe zu bedienen, damit wir die Schwerbehinderten überhaupt eingliedern können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie haben eine Zusatzfrage? - Bitte schön.

Ulla Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002019, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben eben in Beantwortung der Frage des Kollegen Graf auch von neugeschaffenen Arbeitsplätzen gesprochen, die mit der Ausgleichsabgabe finanziert wurden. Gibt es im Ministerium eine Aufschlüsselung der von Ihnen vorgetragenen Daten nach dem Geschlecht? Denn es ist ja bekannt, daß insbesondere behinderte Frauen eine erhöhte Schwierigkeit haben, ins Arbeitsleben integriert zu werden bzw. überhaupt Arbeitsplätze zu finden. Wenn dies der Fall ist, hätte ich diese Daten gerne, wenn nicht, dann hätte ich gerne eine Begründung dafür und rege an, daß bei der Förderung von Arbeitsplätzen genau dieser Aspekt einbezogen wird.

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Frau Kollegin, daß wir darauf achten, daß im Rahmen unserer Gesamtprogramme auch bei Schwerbehinderten die Frauenförderung einsetzt, ist selbstverständlich. Wenn man die Einzelfälle prüft, dann ist selbstverständlich auch festzustellen, wie viele Frauen und wie viele Männer darunter sind. Das müßte aber in Verbindung mit den Hauptfürsorgestellen und den anderen zuständigen Stellen, einschließlich der Länder, die diese Programme - zum Teil einschließlich derer der Bundesanstalt für Arbeit - bewirtschaften, ausgezählt werden. Das zu ermitteln wird etwas Zeit in Anspruch nehmen. Aber wir werden uns bemühen, das einmal festzustellen. ({0}) - Bitte schön.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 13 des Kollegen Kemper auf: Wie hat sich angesichts der dramatisch zunehmenden Arbeitslosigkeit seit 1994 die Beschäftigungslage der Behinderten allgemein entwickelt, und wie beurteilt die Bundesregierung diese Entwicklung?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Auch hier, Herr Präsident, möchte ich - im Einvernehmen mit dem Kollegen Kemper - die beiden von ihm gestellten Fragen zusammen beantworten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch noch die Frage 14 auf: Wie hoch ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zahl der privaten Arbeitgeber und der öffentlichen Arbeitgeber, die ihre Beschäftigungsquote nicht erfüllen, und wie haben sich diese Zahlen seit 1994 entwickelt?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Vielen Dank. - Herr Kollege Kemper, die Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter hat sich, nachdem sie im Jahre 1995 leicht gesunken war, in den beiden letzten Jahren weiter erhöht. Dabei ist der Anteil der Schwerbehinderten an der Gesamtarbeitslosigkeit leicht zurückgegangen, das heißt, die Schwerbehindertenarbeitslosigkeit ist nicht so stark gestiegen wie die allgemeine Arbeitslosigkeit. Im Jahresdurchschnitt 1997 waren zirka 195 000 Schwerbehinderte arbeitslos; das entspricht - bezogen auf diesen Personenkreis - einer spezifischen Arbeitslosenquote von 17,8 Prozent. Die Bundesregierung sieht angesichts dieser Entwicklung in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter weiterhin eine Hauptaufgabe ihrer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Der Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter hängt dabei in erster Linie davon ab, in welchem Umfang Arbeitgeber Arbeitsplätze für Schwerbehinderte zur Verfügung stellen. Hier hat der öffentliche Dienst - ich habe es eben schon erwähnt - eine wichtige Vorbildfunktion. Denn wenn die öffentlichen Arbeitgeber nicht vorbildlich handeln, kann man von den privaten Arbeitgebern nur schwerlich erwarten, daß sie vermehrt Schwerbehinderte einstellen. Vor diesem Hintergrund hat sich das Bundeskabinett seit 1991 immer wieder mit der Beschäftigungssituation Schwerbehinderter im öffentlichen Dienst des Bundes befaßt und in mehreren Kabinettsbeschlüssen umfangreiche Maßnahmen zur verstärkten Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter beschlossen. Diese Bemühungen haben Früchte getragen: Ende 1996 lag die Beschäftigungsquote im öffentlichen Dienst des Bundes, wie auch schon im Vorjahr, bei 6,9 Prozent. Für 1997 - die Zahlen gehen erst in diesen Wochen ein - läßt sich heute noch nichts sagen. Zur Förderung der Einstellung und Beschäftigung arbeitsloser Schwerbehinderter steht ein breitgefächertes Instrumentarium zur Verfügung, das in den letzten Jahren noch ausgebaut werden konnte. So ist es zum Beispiel einer Erweiterung des besonderen Förderinstrumentariums des Schwerbehindertenrechts im August 1994 zu verdanken, daß aus der von Langzeitarbeitslosigkeit besonders betroffenen Gruppe der Schwerbehinderten, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, bis zum Oktober 1996 rund 2 000 Schwerbehinderte beruflich wieder eingegliedert werden konnten. Insgesamt wurden für die „Besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter", also die sogenannte FdE, von Juli 1986 bis Ende Oktober 1997 in rund 80 000 Förderfällen zirka 2,3 Milliarden DM aufgewandt. Im Jahre 1996 konnten mit dieser Hilfe rund 9 100 Schwerbehinderte wieder dauerhaft in das Arbeitsleben eingegliedert werden. - Insoweit beantwortet sich die Frage genauso wie die des Kollegen Graf. Weitere innovative Instrumente zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter sollen erprobt werden. In einem bundesweiten Modellvorhaben - es geht um die Förderung von insgesamt 32 Einzelprojekten aus Mitteln des Ausgleichsfonds - wird bis zum Jahre 2001 untersucht, ob und wie durch Integrationsfachdienste und Beschäftigungsbzw. Integrationsprojekte eine noch erfolgreichere, noch effizientere Eingliederung besonders betroffener arbeitsloser Schwerbehinderter in das Erwerbsleben möglich ist. Die Integrationsfachdienste sollen trägerübergreifend sowohl bei der Vermittlung arbeitsloser Schwerbehinderter als auch bei deren arbeitsbegleitender Betreuung mitwirken. In den Beschäftigungs- bzw. Integrationsprojekten sollen arbeitslose Schwerbehinderte unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes eine angemessene Arbeitsmöglichkeit finden mit dem Ziel, sobald wie möglich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln. Um bei Arbeitgebern den Anreiz zu erhöhen, arbeitslose Schwerbehinderte zusätzlich einzustellen, wird zudem erwogen, die besondere Förderung der Einstellung und Beschäftigung Schwerbehinderter aus den Mitteln der Ausgleichsabgabe auf befristete Arbeitsverhältnisse auszudehnen. Nähere Erkenntnisse über das zu erwartende Fördervolumen und ein möglichst effizientes Förderverfahren sollen zunächst in einem bundesweiten Modellvorhaben gewonnen werden. Angesichts der unbestritten ungünstigen Situation auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt es aber keine Patentrezepte zum Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter. Er ist eng verknüpft mit der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt. Eine wesentlich verbesserte Beschäftigungssituation für Schwerbehinderte kann nur durch eine Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten insgesamt erreicht werden. Das im Rahmen des von der Bundesregierung beschlossenen Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung Ende 1996 in Kraft getretene Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz hat das Ziel, mehr Wachstumsdynamik zu ermöglichen, und soll damit die Grundlage für zusätzliche Arbeitsplätze schaffen - auch für Schwerbehinderte. ({0}) Ihre zweite Frage beantworte ich wie folgt: Die Zahl der Arbeitgeber - und zwar private und öffentliche Arbeitgeber zusammengenommen -, die ihre Beschäftigungspflicht nach dem Schwerbehindertengesetz nicht erfüllt haben, ist in den letzten Jahren etwa konstant geblieben. In absoluten Zahlen bedeutet dies: Von etwa 189 000 beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern haben in den Jahren 1995 und 1996 zirka 70 000 überhaupt keinen Schwerbehinderten beschäftigt; zirka 73 000 haben ihre Beschäftigungspflicht nicht in vollem Umfang erfüllt. Die Bundesregierung appelliert deshalb ständig an die Arbeitgeber, ihrer Beschäftigungspflicht nachzukommen. Wenn jeder der zirka 70000 beschäftungspflichtigen Arbeitgeber, der heute keinen Schwerbehinderten beschäftigt, nur einen schwerbehinderten Arbeitnehmer einstellen würde, wäre das Problem natürlich entschärft. Wenn jeder der 189 000 beschäftigungspflichtigen Arbeitgeber nur einen Schwerbehinderten zusätzlich einstellen würde, hätte sich das Problem der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter erledigt. Über Zahlen, die zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern unterscheiden, verfügt die Bundesanstalt für Arbeit nicht. In diesem Zusammenhang sollte aber nicht vergessen werden, daß über 125 000 Schwerbehinderte bei Arbeitgebern eine Beschäftigung finden, die nicht beschäftigungspflichtig sind, und daß zirka 90 000 Schwerbehinderte von Arbeitgebern über die Quote hinaus beschäftigt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Kemper, Sie haben maximal vier Zusatzfragen.

Hans Peter Kemper (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001083, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe nicht sehr viele Zusatzfragen, weil Sie schon sehr ausführlich geantwortet neben. Sie haben eine Vielzahl von Maßnahmen geschildert, haben aber mit Ihren Zahlen gleichzeitig belegt, daß zahlreiche Maßnahmen und Angebote an die Arbeitgeber nicht gegriffen haben. Insgesamt 140 000 Unternehmen sind ihrer Beschäftigungspflicht nicht oder nur unzureichend nachgekommen. Ich frage deshalb die Bundesregierung bzw. den Bundesbeauftragten für Behindertenfragen: Ist daran gedacht, neben der Erhebung der Ausgleichsabgabe, die sich ja als unzureichend erweist, andere Maßnahmen gegen die Arbeitgeber zu ergreifen, die in eklatanter Weise und hartnäckig gegen ihre soziale Verpflichtung zur Einstellung Behinderter verstoßen, zum Beispiel Unternehmen, die das jahrelang so halten, öffentlich zu machen?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Kemper, diese Unternehmen werden insoweit öffentlich gemacht, als die Bundesregierung jedes Jahr einen Bericht über die Lage der Schwerbehinderten gibt. Dort sind entsprechende Zahlen zu finden und alle entsprechenden Behörden, aber nicht die privaten Unternehmen aufgeführt. ({0}) Daran haben wir im Moment nicht gedacht. Ich muß prüfen, ob dies aus rechtlichen Gründen und solchen des Datenschutzes möglich ist. ({1})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin Adler, bitte.

Brigitte Adler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt sehr ausführlich geantwortet. Ich selber habe jahrelang mit behinderten jungen Menschen gearbeitet und weiß um diese Problematik sehr genau. Gibt es in Ihrem Haus Informationen darüber, was die Arbeitgeber daran hindert, Menschen mit Behinderungen einzustellen? Kann man dazu etwas Näheres erfahren? Wenn ja, kann man die Gründe in Gruppen einteilen, etwa daß man zum Beispiel von Ausfällen durch häufigeres Kranksein oder dergleichen spricht?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Soweit mir bekannt ist, gibt es einige Gruppen, bei denen sich die Arbeitgeber darauf berufen, daß es für sie besonders schwierig ist, die Quote zu erfüllen, weil die Tätigkeit gefahrengeneigt oder für Schwerbehinderte nicht geeignet ist. Das gilt zum Beispiel für den Bereich der Schwerindustrie. Das gilt für alle gefahrengeneigten Tätigkeiten. Das ist auch für einzelne Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, zum Beispiel bei der Polizei und beim Zoll, immer wieder vorgetragen worden. Über weitere Erkenntnisse kann ich Ihnen ad hoc nichts berichten. Das müßte genau geprüft werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich die Frage 15 des Kollegen Büttner auf: Auf welche datenschutzrechtliche Grundlage stützt die Bundesregierung ihre Auffassung, daß es aufgrund des geänderten SGB VII ab 1997 nicht mehr zulässig sei, daß der Hauptverband der Berufsgenossenschaften ({0}) von den Berufsgenossenschaften in Fragebögen über die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen nach § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung ({1}) die Frage stellt, ob in einem Unternehmen, in dem Verdacht auf eine Berufskrankheit aufgetreten ist, neben dem erkrankten Arbeitnehmer weitere mit den gleichen Arbeiten wie der Erkrankte beschäftigt sind und sich bei diesen ähnliche Krankheitserscheinungen gezeigt haben ({2})?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Auch hier habe ich die Bitte an den Präsidenten und den Kollegen Büttner, beide Fragen zusammen beantworten zu dürfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Da die Fragen ungewöhnlich lang sind, hoffe ich, daß Ihre Antworten etwas kürzer ausfallen, und rufe auch die Frage 16 des Kollegen Büttner auf: Wie will die Bundesregierung sicherstellen, daß bei Verdachtsfällen von noch nicht in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommenen Fällen solche Fälle jemals als Berufskrankheiten anerkannt werden können, wenn es unerlaubt sein soll, bei Verdachtsfällen durch das Erheben der in Frage 15 genannten Daten, eine mögliche Kausalität aufgrund empirischer Befunde zu beweisen, und wie will die Bundesregierung in solchen Fällen eine präventive Arbeitsschutzpolitik durchsetzen, die die Rentenkassen und betroffene Versicherte davor bewahrt, daß das Risiko ursächlich arbeitsbedingter Erkrankungen von den Versicherten selbst bzw. der gesetzlichen Rentenversicherung getragen werden muß?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Präsident, die jetzige Antwort ist etwas kürzer als die, die ich eben gegeben habe. Ich wollte ausführlich antworten. Es ist aber immer etwas schwierig, kurz zu antworten, wenn es um Zahlen geht. Herr Kollege Büttner, wie in meiner Antwort auf Ihre Frage 41 in Drucksache 13/9585 dargelegt, sind Inhalt und Zweck der vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften geführten Datei über Verwaltungsverfahren und Entscheidungen nach § 9 Abs. 2 des Siebten Sozialgesetzbuches genau und abschließend bestimmt. Soweit für mehrere Versicherte desselben Unternehmens ein konkreter Verdacht auf das Vorliegen einer Erkrankung besteht, die wie eine Berufskrankheit zu entschädigen wäre, werden bei dem zuständigen Unfallversicherungsträger mehrere selbständige Feststellungsverfahren durchgeführt. In diesen Fällen werden entsprechend der datenschutzrechtlichen Ermächtigung die vorgesehenen Mitteilungen über diese Versicherten an den Hauptverband gemacht. Wird dagegen nur im Fall eines Versicherten ermittelt, dürfen Daten über andere Versicherte für die Datei nach § 9 Abs. 2 SGB VII nicht erhoben werden; denn in einer Vielzahl von Fällen ließen sich diese Versicherten auf Grund der zulässigerweise erhobenen Daten über das jeweilige Unternehmen sowie der Informationen über den Arbeitsbereich, die festgestellten Einwirkungen und bestehende oder vorherige Krankheitserscheinungen identifizieren. Dies würde aber gegen den gesetzlich festgelegten Zweck der Datei verstoßen, Daten über Verwaltungsverfahren und Entscheidungen zu verarbeiten. Zu Ihrer zweiten Frage folgendes: Die angesprochene Zentraldatei beim Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften ist eine freiwillige Materialsammlung der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, die nicht mit dem Ziel errichtet worden ist, Aufgaben der Bundesregierung zu unterstützen. Die Anerkennung von Krankheiten, die noch nicht in die Berufskrankheiten-Verordnung aufgenommen worden sind - zum Beispiel „wie eine Berufskrankheit" -, ist ausschließlich den Unfallversicherungsträgern vorbehalten. Die Bundesregierung ist an diesen Entscheidungen nicht beteiligt. Die Meldung der Einleitung eines Anerkennungsverfahrens nach § 9 Abs. 2 SGB VII durch einen Unfallversicherungsträger an die Zentraldatei dient in erster Linie dazu, Kenntnisse und Erfahrungen bei bereits diagnostizierten Krankheitserscheinungen im Zusammenhang mit bestimmten Einwirkungen für die Unfallversicherungsträger zusammenzuführen und den Austausch der Kenntnisse und Erfahrungen zwischen den Trägern zu ermöglichen. Es ist selbstverständlich, daß die Unfallversicherungsträger im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht und in Erfüllung ihres durch das SGB VII erheblich erweiterten Präventionsauftrags, mit allen geeigneten Mitteln arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu bekämpfen, ein Anerkennungsverfahren nach § 9 Abs. 2 SGB VII zum Anlaß nehmen, das gesamte betriebliche Umfeld zu überprüfen, aus dem der angezeigte mögliche Versicherungsfall herrührt. Ergeben sich hierbei Verdachtsmomente, daß auch bei anderen Beschäftigten des gleichen Betriebes eine entsprechende Erkrankung vorliegen könnte, so ist dem nachzugehen und eine entsprechende Meldung an die Zentraldatei weiterzuleiten. Die auf Grund der Überprüfung angezeigten Präventionsmaßnahmen sind ebenfalls vorrangig betriebsspezifisch vom verantwortlichen Unfallversicherungsträger vorzugeben und durchzusetzen. Für diese Aufgabe bedarf der jeweilige Träger weder der Unterstützung des Hauptverbandes noch der dort geführten Datei. Die Bundesregierung nutzt die Zentraldatei, um Hinweise auf eine mögliche Häufung von bestimmten Krankheitsbildern nach identischen betrieblichen Expositionen bei unterschiedlichen Trägern zu erhalten. Diesen Hinweisen wird nachgegangen. Die Angaben aus der Datei können jedoch weder die in der Ermächtigungsnorm des § 9 Abs. 1 SGB VII für die Bezeichnung einer Krankheit als Berufskrankheit geforderte generelle Geeignetheit der betrieblichen Einwirkung für die Verursachung der konkreten Erkrankung noch die notwendige Überhäufigkeit der beruflichen Erkrankung im Vergleich zur übrigen Bevölkerung erbringen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Büttner, bitte.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, meine erste Frage: Wie kommt das Bundesarbeitsministerium zu der Auffassung, daß diese Erhebung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig sei, wenn mir selbst der Datenschutzbeauftragte - bisher mündlich und mit der Zusage, das schriftlich zu tun - mitgeteilt hat, daß diese Aussage auf Grund seiner Ermittlungen falsch sei und daß für eine Erhebung über eine solche Frage aus datenschutzrechtlicher Sicht keinerlei Einschränkungen erforderlich seien. Eine korrekte Beantwortung dieser Frage sei vielmehr zwingend notwendig, weil nur auf dieser Grundlage eine Häufung von Erkrankungen in bestimmten Unternehmen oder besondere Gefährdungen bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern langfristig erkennbar würden. Auf welcher Grundlage kommt das Bundesarbeitsministerium zu dieser anderen Auffassung?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Büttner, ich habe vorhin ausgeführt, daß in § 9 des Siebten Sozialgesetzbuches enumerativ und abschließend aufgeführt ist, was abgefragt und was weitergegeben werden darf. Es gibt einen alten Datenschutzgrundsatz, der auch hier in Übereinstimmung mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Platz greift, nämlich daß das, was nicht erlaubt ist, auch nicht durchgeführt werden darf. Insofern bin ich auf die schriftliche Erklärung des Bundesdatenschutzbeauftragten sehr gespannt.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich eine zweite Zusatzfrage stellen? - Der Bundesdatenschutzbeauftragte teilte mir- mündlich mit, daß auf Grund von § 204 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 8 sowie eventuell auf Grund von Nr. 7 SGB VII gerade eine Beantwortung dieser Frage zwingend notwendig sei und datenschutzrechtliche Erwägungen dem nicht entgegenstünden. Wären Sie bereit, Ihre Rechtsauffassung, die Sie anscheinend ohne Rückfrage beim Bundesdatenschutzbeauftragten an mich weitergegeben haben, zu korrigieren? Der Bundesdatenschutzbeauftragte wird vom Bundestag bestellt und ist ihm gegenüber verantwortlich. Er muß die Rechtmäßigkeit des Datenschutzes dem Gesetzgeber gegenüber klarstellen und darf sie nicht durch die Regierung interpretieren lassen.

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Büttner, da wir mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten ausgezeichnet zusammenarbeiten und wir alle zu ihm eine sehr gute Verbindung haben - wie sich vorhin noch im Ausschuß gezeigt hat -, werde ich die von Ihnen angeführten Absätze des § 204 SGB VII daraufhin überprüfen, ob sie das hergeben, was Ihre Frage und Ihre Absicht mit sich bringen. Ich habe auf § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 verwiesen. Ob die von Ihnen genannten Absätze greifen, kann man gerne prüfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Zusatzfrage?

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Noch eine weitere Zusatzfrage: Wie will die Bundesregierung, die in ihrer Antwort mitgeteilt hat, sie habe keine Fachaufsicht über die Berufsgenossenschaften, obwohl dies nach §§ 87, 89 und 90 SGB IV im Zuge der Prävention sehr wohl geboten ist, sicherstellen, daß genügend Datenmaterial für eine Anerkennung von Berufskrankheiten zusammengetragen wird, welches Voraussetzung dafür ist, daß von den Berufsgenossenschaften überhaupt Feststellungen über die Kausalität von Berufserkrankungen getroffen werden können. Wie soll dies gewährleistet werden, wenn solche Daten im Vorfeld gar nicht erhoben werden?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Herr Kollege Büttner, das muß man im Einzelfall überprüfen. Ich kann Ihnen hier keine erschöpfende Auskunft darüber geben, wie das im Einzelfall läuft. Wir gehen jedenfalls davon aus, daß die Arbeit der BerufsgenosParl. Staatssekretär Horst Günther senschaften einschließlich des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften bis jetzt vorbildlich war und daß in Gestalt der Selbstverwaltungsorgane auch Kontrollorgane vorhanden sind, um zu überprüfen, ob die Aufgaben erfüllt werden oder nicht. Im übrigen führen wir einen ständigen Dialog mit den Berufsgenossenschaften, insbesondere mit dem Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften über all diese Fragen. Wir haben keinen Zweifel daran, daß hier korrekt gearbeitet wird.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe noch eine weitere Frage: Besteht Ihr Vertrauen auch unter dem Gesichtspunkt, daß der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften bis heute - auch nach Abschluß des SGB VII - noch keine einheitliche Datenschutzrichtlinie und keinen Hinweis auf den einheitlichen Umgang mit dem Datenschutz an die Berufsgenossenschaften weitergegeben hat, sondern de facto einzelne Berufsgenossenschaften davon abgehalten hat, interne Anweisungen für einen korrekten Umgang mit dem Datenschutz vorzunehmen? Wie beurteilen Sie dieses Verhalten des HVGB?

Horst Günther (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000749

Das kann ich so nicht beurteilen. Ich werde der Sache aber nachgehen. Der Hauptverband hat sicherlich Gründe, wenn er eine solche Empfehlung ausspricht.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Fragen. Damit können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Vielen Dank. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung auf. Zur Beantwortung steht Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Rose zur Verfügung. Ich rufe die Frage 17 der Kollegin Iwersen auf: Hält die Bundesregierung eine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit stationärer Radaranlagen und Flugabwehrraketensysteme zur Radarüberwachung des Tiefflugluftraumes durch besonders hohe Windkraftanlagen, die Reflexionen auf den Radarschirmen verursachen, für möglich?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Verehrte Frau Kollegin Iwersen, der Bundesregierung liegen Untersuchungsergebnisse über die Beeinträchtigung in der Funktions- und Leistungsfähigkeit der stationären Radaranlagen des Radarführungsdienstes der Luftwaffe durch Windkraftanlagen vor. Durch die zusätzliche Schaffung von Bauwerken, unter anderem auch Windkraftanlagen, in den Nahbereichen dieser Radaranlagen werden die physikalischen Bedingungen der Ausbreitung der elektromagnetischen Wellen durch Abschattung beeinflußt. Es treten im Winkel der Hindernisse Zielverluste und Zielverfälschungen in allen Höhenbereichen und in der gesamten Erfassungsreichweite auf. Aufgabe dieser Radaranlagen ist vorrangig die Überwachung des Luftraumes und die Führung von militärischen Luftfahrzeugen der NATO und der Bundeswehr. Darüber hinaus leiten sie auch Daten an die Deutsche Flugsicherung GmbH weiter. Die Windkraftanlagen schränken die Wirksamkeit der Radaranlagen erheblich ein. Letztlich kann das zu einer Gefährdung von zivilen und militärischen Luftfahrzeugen und damit der Luftsicherheit insgesamt führen. Beeinträchtigungen treten auch bei mobilen Radaranlagen der Flugabwehrverbände auf, sofern sie im näheren Umfeld von Windkraftanlagen in Betrieb genommen werden. Durch die verursachten Störungen treten bei diesen Anlagen Einschränkungen der Waffensystemkapazität unter taktischen Gesichtspunkten auf.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin, bitte.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, das Ganze hört sich sehr bedrohlich an. Ich frage deshalb die Bundesregierung noch einmal, ob sie Aktivitäten unternehmen will, um das ständig steigende Höhenwachstum der Windkraftanlagen zumindest einzuschränken, so daß keine weitere Beeinträchtigung der Radaranlagen hinzunehmen ist.

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Es ist die eine Seite, ob es weitere Wünsche zum Betreiben von Windkraftanlagen gibt, und es ist die andere Seite, wo man diese Windkraftanlagen bauen darf. Die Bundesregierung hält sich klar an die Gesetze. Es gibt unter anderem ein Schutzbereichsgesetz. Wenn es sich um derartige Zonen handeln würde, müßte nach dem Gesetz gehandelt werden. Es kommt also immer auf den Einzelfall an.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Frage.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es hat sich herausgestellt, daß die Nabenhöhe der Windkraftanlagen in den letzten Jahren ganz erheblich gestiegen ist und die weitere Entwicklung eine steigende Tendenz aufweist. Deshalb scheint es notwendig zu sein, zu überprüfen, ob die Abstände, die von den Radaranlagen zu den Windkraftanlagen-Genehmigungsgebieten vorgesehen sind, den Regelungen entsprechen. Gibt es dazu Kontakte mit dem Bundesbauministerium, um in der Bauleitplanung unter Umständen andere Vorgaben aus Sicht des Trägers öffentlicher Belange - das ist ja die Bundeswehr - einführen zu können?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Die Frage der Nabenhöhe wird bei der Beantwortung Ihrer zweiten Frage behandelt. - Kontakte mit anderen Ministerien finden immer statt, wenn sie als richtig empfunden werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär, ich hatte den Eindruck, daß Sie die zweite Frage schon mit beantwortet haben. Aber wenn Sie die Frage noch einmal beantworten wollen, dann will ich Ihnen nicht im Wege stehen. Bitte schön.

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Herr Präsident, bei der zweiten Frage wird noch konkreter gefragt. Deshalb ist auch die Antwort noch konkreter. Der Bundesregierung sind aufgetretene Beeinträchtigungen der Radarüberwachung im Radarführungsdienst der Luftwaffe durch Windkraftanlagen, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, bekannt. Zur Bewertung dieser Beeinträchtigungen wurde exemplarisch zunächst eine mathematische, durch Modellrechnungen belegte Abschätzung durch die Forschungsgesellschaft für Angewandte Naturwissenschaften e. V. und nachfolgend eine praktische Erprobung im Rahmen einer Radarsondervermessung unter Einsatz von Luftfahrzeugen durchgeführt, die in einem meßtechnischen Gutachten durch die Firma Elekluft dokumentiert ist. Bauhöhenbegrenzungen werden unter anderem in den Schutzbereichseinzelforderungen festgelegt, weil selbst geringste Abschattungen durch hohe Bauwerke Zielverluste in allen Höhenbändern und der gesamten Erfassungsreichweite bewirken. Im Rahmen der Bauleitplanungen werden die Wehrbereichsverwaltungen als Träger öffentlicher Belange beteiligt. In die von ihnen gemäß § 4 Abs. 2 Baugesetzbuch abzugebenden Stellungnahmen kann nach den militärischen Erfordernissen auch eine Höhenbegrenzung aufzunehmen sein.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie haben zwei Zusatzfragen. Bitte schön.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Da die Bundeswehr im Bauleitverfahren schon immer Träger öffentlicher Belange war, es aber trotzdem zu diesen Störungen in der Radarüberwachung gekommen ist, müßte man doch daraus schließen können, daß die bisherige Handhabung die Tauglichkeit der Radaranlagen nicht hinreichend gewährleistet. Können Sie das bestätigen?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Ich muß bestätigen, daß man sich in einem konkreten Fall nicht nach den im Bauantrag vorgesehenen Höhen gerichtet hat und daß infolgedessen Beeinträchtigungen entstanden sind. Über diesen Fall in Auenhausen war vor kurzem auch in den Medien zu lesen. Insgesamt ist das kein Thema der Bundeswehr alleine, sondern es geht sowohl um die zivile als auch um die militärische Flugsicherung. Wenn es tatsächlich zwei miteinander konkurrierende Systeme geben sollte - Radaranlagen funktionieren auf erhöhten Stellen eben besser und Windkraftanlagen genauso -, dann müßte man sicher noch neue Überlegungen anstellen.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In meiner letzten Frage möchte ich mich nach den mobilen, mit Radareinrichtungen versehenen Anlagen der Flakraketenabwehrsysteme erkundigen. Ist unter Umständen von den schon genehmigten Windkraftanlagen in der Umgebung eine Beeinträchtigung der Standorte zu erwarten?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Dazu liegen keine konkreten Ergebnisse vor. Wenn das der Fall ist, werde ich mit Ihnen wieder Kontakt aufnehmen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dazu gibt es keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 19 des Kollegen Wallow auf: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß in den Depots des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung immer noch Karabiner gelagert werden, die mit Hakenkreuzen versehen sind, und ist der Bundesregierung bekannt, ob noch weitere Materialbestände bei der Bundeswehr vorhanden sind, auf denen NS-Symbole angebracht sind ({0})?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Herr Kollege Wallow, die Bundesregierung kann nicht bestätigen, daß in Heeresdepots immer noch Karabiner gelagert werden, die einen amtlichen Beschußstempel der Wehrmacht mit Hakenkreuz tragen. Eine Frage ähnlichen Inhalts wurde am 28. August 1995 schon einmal gestellt und am 7. September 1995 durch meine Vorgängerin im Amt beantwortet. Aus Kostengründen war auf die vollständige Überprüfung der aufwendig konservierten Bestände von etwa 600 Waffen verzichtet worden, mit der Maßgabe, diese Karabiner nach dem Entkonservieren vor der Auslieferung an das Wachbataillon des BMVg gründlich zu untersuchen. Darüber hinaus wurde für das Wachbataillon ein Befehl erlassen, jeden Karabiner, der aus dem Depotbestand zuläuft, genauestens zu untersuchen und gegebenenfalls früher übersehene Hakenkreuzsymbole - die Größe betrug etwa 2 Millimeter - sofort zu entfernen. Inzwischen hat sich auf Grund der Aufstellung einer zusätzlichen Protokollkompanie für den Einsatz in Berlin der Bedarf an Karabinern in der Truppe erhöht. Infolgedessen wurden die Depotbestände aufgelöst, entkonserviert, weisungsgemäß untersucht und an das Wachbataillon ausgegeben. Dabei wurde kein Karabiner, der einen Wehrmachtsbeschußstempel mit Hakenkreuz trug, entdeckt. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist davon auszugehen, daß sich bei der Bundeswehr keine weiteren Materialbestände befinden, auf denen NS-Symbole angebracht sind. Für Exponate in Ausstellungen und Museen der Bundeswehr gelten besondere Bestimmungen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre erste Zusatzfrage, bitte.

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hält es die Bundesregierung für notwendig, immer noch mit dem alten Karabiner „98 K" zu repräsentieren?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Die Karabiner sind ja eingemottet. Wenn keine Erkenntnisse vorliegen, daß sie irgendwie verdächtig sind - ich möchte das einmal so umschreiben -, dann besteht auch kein Grund, sie zu entkonservieren und sie zu beseitigen. Sobald sie gebraucht werden, werden sie - wie ich gesagt habe - entkonserviert und dabei genauestens untersucht. Nach menschlichem Ermessen kann am Schluß keine von Ihnen befürchtete falsche Deklarierung mehr vorliegen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Frage, Herr Kollege.

Hans Wallow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002417, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine zweite Frage schließt inhaltlich an die erste an, weil Sie die nicht beantwortet haben. Hält die Bundesregierung das Präsentieren des Wehrmachtsgewehrs „98 K" für eine zeitgemäße Traditionspflege?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Das ist eine völlig andere Frage. Das Präsentieren von Gewehren ist weltweit üblich.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär, der Sachzusammenhang ist nicht gegeben. Ich stelle es Ihnen frei, ob Sie antworten wollen.

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Danke, Herr Präsident. Ich sehe es ähnlich; aber ich wäre höflich gewesen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe jetzt Ihre Frage 20 auf, Herr Kollege Wallow: Ist die Bundesregierung bereit, ggf. für eine sofortige und ausnahmslose Entfernung jeglichen mit NS-Symbolen versehenen Geräts aus den Beständen der Bundeswehr, so auch aus den Depots des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung, Sorge zu tragen, und mit welcher Begründung ist dies bislang nicht geschehen?

Dr. Klaus Rose (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001882

Zu dieser Frage, Herr Kollege Wallow, kann ich ebenfalls sagen, daß der Bundesregierung keine Erkenntnisse vorliegen, daß sich im Bestand der Bundeswehr Gerät befindet, das mit NS-Symbolen versehen ist. Daher besteht auch in diesem Bereich kein Handlungsbedarf. Sollte solches Gerät wider Erwarten entdeckt werden, wird das NS-Symbol entfernt oder das Gerät ausgesondert werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfragen liegen nicht vor. Die Frage 21 des Kollegen Augustinowitz wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung. Die Frage 22 wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Jetzt rufe ich die Frage 23 des Kollegen Horst Schmidbauer auf: Kann die Bundesregierung die Auffassung bestätigen, daß der Versorgungsvertrag gemäß § 111 SGB V das Indikationsspektrum der Leistungsart Rehabilitation der Kureinrichtung dieser Krankenkasse abdeckt, ohne eine bestimmte Indikation auszuschließen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, der Versorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V wird in der Regel Festlegungen zum Leistungsspektrum der Rehabilitationseinrichtung enthalten und damit Umfang und Inhalt derjenigen Rehabilitationsleistungen konkretisieren, die die Einrichtung zu Lasten der vertragschließenden gesetzlichen Krankenkassen erbringen darf. Entsprechend sieht etwa der Musterversorgungsvertrag nach § 111 Abs. 2 SGB V für Bayern vor, daß die Indikationsbereiche aufgeführt werden. Bezogen auf diese Indikationsbereiche wird die Zahl der für die Versicherten der vertragschließenden Krankenkassen jeweils zur Verfügung stehenden Betten vereinbart. Eine Veränderung der Indikationsbereiche für die Krankenkassen bedarf der vorherigen Zustimmung der vertragschließenden Verbände.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, der zentrale Punkt, auf den ich noch einmal zu sprechen komme, sind der Begriff „Reha" und die Indikationsregelungen, die in dem Begriff stecken. Für mich stellt sich die Frage: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß unter den Oberbegriff „Reha/verschiedene Indikationsgruppen" beispielsweise sowohl die Indikationsgruppe 1, HerzKreislauf-Erkrankungen, als auch die Indikationsgruppe 7, Krankheiten für Atmungsorgane, und auch die Indikationsgruppe 12, Hauterkrankungen, fallen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Die Frage kann ich nur mit Ja beantworten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage?

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich Ihre Frage 24 auf: Welche Gründe liegen nach Einschätzung der Bundesregierung vor, daß das Bundesversicherungsamt zu einem verhandlungsentscheidenden Zeitpunkt eine restriktive Auslegung von § 140 SGB V vorgenommen hat, in dem Sinne, daß eine Klinik, sofern sich die Indikationsstellung ändert, nicht unter den Bestandsschutz des § 140 Abs. 1 SGB V fällt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Das Bundesversicherungsamt ist eine selbständige Bundesoberbehörde. Soweit es die Aufsicht über Krankenkassen ausübt, ist es nur an allgemeine Weisungen des Bundesministeriums für Gesundheit gebunden. Allgemeine Weisungen, die die Auslegung der Regelungen zur Eigeneinrichtung der Krankenkassen - § 140 SGB V - betreffen, hat das Bundesministerium für Gesundheit dem Bundesversicherungsamt nicht erteilt. Das Bundesministerium für Gesundheit teilt aber die Auffassung des Bundesversicherungsamtes, daß § 140 Abs. 1 SGB V für die am 1. Januar 1989 vorhandenen Eigeneinrichtungen der gesetzlichen Krankenkassen den Besitzstand in dem am 1. Januar 1989 bestehenden Umfang garantiert. Eine Neuerrichtung bzw. eine Ausdehnung vorhandener Einrichtungen bezüglich Art und Umfang des Angebots ist nach § 140 Abs. 2 SGB V zulässig, wenn die Krankenkasse die Durchführung ihrer Aufgaben bei Gesundheitsvorsorge und der Rehabilitation nicht auf. andere Weise sicherstellen kann.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, es ist zu diesem § 140 im Kommentar Hauck-Haines nachzulesen, daß in puncto des Bestandsschutzes zu unterscheiden ist, ob die Leistungsart oder die Indikation geändert wird. Teilt die Bundesregierung nicht auch die Auffassung des Kommentators, daß eine Indikationsänderung keine Änderung der Leistungsart ist, da ja die Leistungsart „Reha" bestehenbleibt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Da mir dieser Kommentar nicht vorliegt und ich die Erfahrung gemacht habe, daß ein Kommentar meistens im Zusammenhang gelesen werden muß, bitte ich um Verständnis, daß ich das hier jetzt nicht zusätzlich kommentieren möchte. Ich bin aber gerne bereit, die Fachabteilung des Ministeriums zu fragen, ob sie die Aussagen dieses Kommentars - wenn Sie mir die Quellenangabe zur Verfügung stellen - so bestätigt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Frage? - Bitte.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mir ist es wichtig - ich würde das jetzt einmal ohne Bezugnahme auf einen Kommentar fragen -, ob es denn auch von Ihnen, Frau Staatssekretärin, so gesehen wird, daß es bei Fragen des Bestandsschutzes einen Unterschied macht, ob es um eine Änderung der Leistungsart oder um eine Änderung der Indikation geht. Wenn hier ein Unterschied besteht, ist der Bestandsschutz erst dann nicht mehr gegeben, wenn die Leistungsart geändert wird, das heißt also, wenn jemand keine Reha-Einrichtung mehr betreibt, und nicht schon dann, wenn die Indikationsstellung geändert wird. Die Frage lautet also: Welche Rechtsauffassung vertritt hier die Bundesregierung? Welche Änderung ist entscheidend, die Änderung der Art oder die Änderung der Indikation, und welche ist über- und welche untergeordnet?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, ich kann da auf den § 107 Abs. 2 verweisen, wo festgelegt wird, was eine Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung vorzuhalten hat, um ihre Aufgabenstellung zu erfüllen. Nach meinem Rechtsverständnis würde sowohl bei einer Änderung der Leistungsart als auch der Indikation zu prüfen sein, ob dieser Einrichtung noch Bestandsschutz gewährt werden kann. Das muß man im konkreten Einzelfall prüfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage der Kollegin Dr. Skarpelis-Sperk.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, um an die Frage des Kollegen Schmidbauer anzuschließen: Im Rahmen des Kurwesens gibt es Diskussionen und Interpretationsprobleme. Hat sich Ihrer Erinnerung nach der Bestandsschutz - auch Sie waren ja bei den Diskussionen beteiligt - damals auf die bestehenden Einrichtungen und generell auf die Frage der Rehabilitation erstreckt, oder hat man damals detaillierte Kataloge festgelegt bzw. sind Sie der Meinung, daß es detaillierte Kataloge für jede einzelne Einrichtung gegeben hat, was sie innerhalb der Rehabilitation an Leistungen erbringen darf oder nicht? War ein solcher Katalog mit den einzelnen Häusern dezidiert festgeschrieben worden?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, das kann ich Ihnen nicht beantworten, weil ich an dem Entstehen dieses Gesetzes nicht beteiligt war, in dem es um Einrichtungen geht, die vor 1989 bestanden haben. Ich werde gerne nachprüfen, ob die Einrichtungen dort im einzelnen aufgeführt worden sind. Ich bin gerne bereit, Ihnen das dann schriftlich zu geben. Allerdings steht dort dezidiert, daß es sich nur um Einrichtungen handelt, die vor 1989 bestanden haben und die entsprechenden Voraussetzungen für eine Rehabilitationseinrichtung erfüllt haben. Ob das nun im einzelnen mit Namen und Adresse aufgeführt war, weiß ich nicht. Das müßte ich nachforschen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe die Frage 25 der Kollegin Skarpelis-Sperk auf - Sie können also gleich stehen bleiben -: Auf welche Ursachen führt die Bundesregierung es zurück, daß eine Krankenkasse, die nach § 140 Abs. 1 und 2 SGB V in Vizepräsident Dr. Burkhard Hirsch eigener Trägerschaft Einrichtungen weiterführen will, dies nur kann, wenn sich einseitig die Gehaltssumme bei Einrichtungen um über 30 % absenkt, wie die „Augsburger Allgemeine Zeitung" am 8. November 1997 meldet?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, die „Augsburger Allgemeine Zeitung" vom 8. November 1997 meldet zu diesem Sachverhalt nichts. Die DAK untersteht nicht der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit, sondern der des Bundesversicherungsamtes. Ich habe daher das Bundesversicherungsamt um eine Stellungnahme zu dieser 'Frage gebeten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Kollegin, natürlich meldet dies die „Augsburger Allgemeine". Sie ist eine Mantelzeitung und hat sehr viele Unterzeitungen. Dementsprechend gibt es eine Meldung. Vielleicht wäre es klug gewesen - dies nur als Anmerkung dazu - zurückzufragen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Wir haben beim Bundespresseamt nachgefragt und haben recherchieren lassen.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gut. Ich reiche Ihnen die entsprechende Meldung gerne nach, damit wir darüber noch einmal sprechen können. Ich verzichte daher jetzt auf die Beantwortung dieser Frage und reiche Ihnen den Artikel nach, weil es unter diesen Umständen wenig sinnvoll ist, auf einen Artikel Bezug zu nehmen, den Sie nicht kennen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Ich biete Ihnen an, wenn Sie mir ihn und ein paar Hintergrundinformationen - in der Regel reicht eine solche Pressemitteilung nicht aus - nachgereicht haben, Auskunft zu dem Sachverhalt zu geben. Ich bin bereit, Zusatzrecherchen beim Bundesversicherungsamt anzustellen und Ihnen die Frage dann schriftlich zu beantworten.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herzlichen Dank.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ist hiermit auch Ihre Frage 26 beantwortet, oder möchten Sie sie aufrechterhalten?

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Frage 26 kann beantwortet werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 26 auf: Worin sieht die Bundesregierung die Gründe, daß Krankenkassen, die ihre Einrichtungen entsprechend §§ 111 und 107 SGB V gemäß des Stands wissenschaftlicher Erkenntnis betreiben wollen, daran gehindert sind, wenn sie ihren Mitarbeitern Bestandsschutz ihrer Verträge bieten und entsprechend die Löhne und Gehälter in gleicher Höhe beibehalten wollen, aber dafür die Qualität der erbrachten Leistung senken müssen, um wirtschaftlich arbeiten zu können?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Auch hierzu muß ich sagen, daß sich die Frage auf diesen konkreten Fall bezieht. Der Bundesregierung sind die entsprechenden Gründe nicht bekannt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage? - Bitte schön, Herr Schmidbauer.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, die Frage, die sich hier stellt, ist die, wie die Bundesregierung im Spannungsfeld Wirtschaftlichkeitsgebot und Anpassungsänderung in dem Träger von Einrichtungen stehen, die Prioritäten setzen würde. Würden Sie die Priorität in Richtung Qualität setzen, oder würde die betriebswirtschaftliche Problematik für Sie im Vordergrund stehen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Schmidbauer, wir halten uns an Recht und Gesetz. Die Voraussetzungen für das Betreiben einer Rehabilitationseinrichtung ist den §§ 107 und 111 SGB V gegeben. Ich möchte § 111 Absatz 2 Nr. 2 vorlesen: für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten ihrer Mitgliedskassen mit stationären medizinischen Leistungen zur Vorsorge oder Rehabilitation einschließlich der Anschlußheilbehandlung notwendig sind. Das gibt wieder, welche Eigenschaften hierfür die Voraussetzungen sind: bedarfsgerecht, leistungsfähig und wirtschaftlich. Alle drei Faktoren spielen eine Rolle.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 27 der Kollegin Brigitte Adler auf: Auf welche Äußerungen des Gesetzgebers ({0}) oder auf welche Forderungen von Beteiligten bzw. Verbänden stützt sich das Bundesversicherungsamt bei seiner Interpretation des § 140 Abs. 1 SGB V, nach der eine Klinik, sofern sich die Indikationsstellung ändert, nicht unter den Bestandsschutz von § 140 Abs. 1 SGB V fällt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin Adler, da Ihre Frage praktisch identisch ist mit der Frage 24 des Kollegen Schmidbauer, verweise ich auf meine vorhergehende Antwort.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte schön, Frau Adler, Sie haben eine Zusatzfrage.

Brigitte Adler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, Herr Präsident. - Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie dennoch bitten, auf meine Frage, vor allem was die Interpretation angeht, zu antworten; denn wenn es hier um die Art der Leistung und um die Indikation geht - dazu hatte mein Kollege bereits nachgefragt -, dann stellt sich die Frage, was höherrangig ist. Wenn man die Indikation nicht als den variablen Faktor ansieht, dann würde das bedeuten, daß solche Einrichtungen gewissermaßen konserviert bzw. ausgehungert werden. Das würde bedeuten, daß sie - über einen mittleren Zeitraum gesehen - auf dem Markt gar keine Chance haben, ihre Aufgabe zu erfüllen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Ich habe vorhin schon zum Kollegen Schmidbauer gesagt, daß es natürlich immer günstiger wäre, am konkreten Einzelfall über eine Entscheidung einer Krankenkasse zu diskutieren. Ich habe vorhin auch schon gesagt, daß beides - die Veränderung der Leistungsart und die Veränderung der Indikation - bei der Entscheidung eine Rolle spielen müssen. Daneben muß ebenso auch die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung eine Rolle spielen. Mir ist nicht bekannt, daß man auf diesem Gebiet versucht, Einrichtungen auszuhungern; vielmehr glaube ich, daß der Qualitätsaspekt bei der Erbringung von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen im stationären Bereich in Zukunft einen stärkeren Stellenwert, als es in der Vergangenheit vielleicht der Fall war, bekommen wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Adler?

Brigitte Adler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, das, was Sie eben ausgeführt haben, würde uns in dem konkreten Fall, der in der Frage meiner Kollegin erwähnt wurde, schon ein bißchen beruhigen. Es zeigt sich hier, daß der eigentlich kritische Punkt der folgende ist: Wenn Krankenkassen ihre Einrichtungen abgeben müssen - was ja wohl mit dem Gesetz beabsichtigt ist -, dann werden für die Arbeitnehmer vor Ort Probleme aufgeworfen, die wiederum mit dem Arbeitsrecht zusammenhängen. Für uns ist es deshalb schon wichtig, daß es im Zusammenhang mit der Frage „Leistungsart oder Indikation?" Möglichkeiten im Rahmen des Gesetzes gibt, die den Krankenkassen ermöglichen, ihre Aufgabe in der bisherigen Form fortzuführen. Sind Sie mit mir der Auffassung, daß diese Möglichkeiten bestehen sollten?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Vom Grundsatz her kann ich dagegen nichts einwenden. Nur, Frau Kollegin, ich darf vielleicht den § 140 Abs. 1 des SGB V vorlesen. Dort steht geschrieben: Krankenkassen dürfen der Versorgung der Versicherten dienende Eigeneinrichtungen, die am 1. Januar 1989 bestehen, weiterbetreiben. Das Wort „müssen" ist nicht enthalten. Insofern müssen die Krankenkassen auf Grund des Wirtschaftlichkeitsgebots schon überprüfen, ob die Leistung einer Einrichtung den entsprechenden Kriterien entspricht, die ich vorher schon ausgeführt habe.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage des Kollegen Schmidbauer.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, folgende Frage stellt sich: Wie würde sich die Bundesregierung entscheiden, wenn unter dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und des Anpassungszwangs eine Einrichtung die Indikation ändert, aber den Aufgabenbereich, also das Sachgebiet, nicht verändert? Wie würde die Bundesregierung das beurteilen? Würde sie eine solche Maßnahme unter dem Gesichtspunkt des Besitzstandes beanstanden oder nicht?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, eine mögliche Antwort von mir wäre spekulativ, weil ich nicht den konkreten Bezug kenne. Ich habe vorhin gesagt, daß nicht allein die Wirtschaftlichkeit eine Rolle spielt, sondern auch die Tatsache, ob die Indikationsänderung bedarfsgerecht ist. Das heißt - auch dieser Punkt ist im Gesetz enthalten -, es geht um die Frage, ob nicht andere adäquate Einrichtungen vorhanden sind, in denen die Versicherten in entsprechender Qualität mitversorgt werden können. Ich denke, daß man beide Punkte im Zusammenhang sehen muß.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage von Dr. Skarpelis-Sperk.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, daß auf Grund des Bestandsschutzes die Krankenkassen die bestehenden Einrichtungen weiterführen durften, aber nicht mußten. Das Problem tritt nun auf, daß sich eine Krankenkasse darauf beruft, daß sie angeblich nicht weiterführen darf. Meine Kollegin Adler hat nun nachgefragt - ich verstehe, daß Sie nicht spekulieren wollen -, auf welche Äußerungen des Gesetzgebers - sprich: Bundestags-, Verhandlungs- und Anhörungsprotokolle - sich eine derartige Interpretation stützt. Daß Sie sich nicht dazu äußern wollen, ist eine andere Sache. Aber die Fachabteilung sollte doch in der Lage sein, zu sagen, was die entsprechenden Protokolle beinhalten und ob eine derartige enge Interpretation durch Anhörungs-, Ausschußprotokolle oder Beschlußprotokolle des Bundestages gedeckt ist.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie müssen eine Frage stellen.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich weise Sie auf diesen Punkt hin und bitte Sie, die Frage zu beantworten, ob es solche Äußerungen gibt. Die Frau Staatssekretärin sagt, sie sehe sich dazu nicht in der Lage. Ich sage: Es muß doch jemand in der Lage gewesen sein, derartige Protokolle zu überprüfen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, vielleicht darf ich noch einmal klarstellen: Ihre Fragen beziehen sich auf einen ganz konkreten Fall, in dem das Bundesversicherungsamt eine Entscheidung getroffen hat, die nach Ihrer Ansicht nicht vom Gesetz abgedeckt ist. Da ich nicht den konkreten Fall kenne und nur darüber spekulieren kann, um welchen Fall es sich handelt, muß ich zunächst einmal die Möglichkeit haben, beim Bundesversicherungsamt Recherchen anzustellen. Das läßt die kurze Frist zur Beantwortung der Fragen im Rahmen einer Fragestunde nicht zu. Aus diesem Grunde - ich will mich nicht dagegen wehren, Ihnen zu helfen - hatte ich vorhin schon gebeten, mir den Zusammenhang und den Hintergrund darzustellen. Dann bin ich gerne bereit, beim Bundesversicherungsamt Recherchen anzustellen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 28 auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, den Weiterbetrieb von Eigeneinrichtungen von Krankenkassen zu beanstanden, falls Krankenkassen als Träger einer Einrichtung mit einer definierten Indikation innerhalb des Indikationsspektrums Rehabilitation diese Indikation voll oder teilweise abändern?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, das Bundesministerium für Gesundheit ist nicht für die Aufsicht über die Krankenkassen zuständig. Eine derartige Beanstandung käme daher schon wegen der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung nicht in Betracht. Die Aufsicht über Krankenversicherungsträger, deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, führt das Bundesversicherungsamt. Die Aufsicht über die Krankenkassen, deren Zuständigkeitsbereich auf das Gebiet eines Landes begrenzt ist, führen die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder oder die von den Landesregierungen durch Rechtsverordnung bestimmten Behörden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte, Ihre Zusatzfrage.

Brigitte Adler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000010, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, die Antwort ist etwas lapidar. Aber Sie haben die gesetzlichen Vorgaben auch für das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen zu machen. Insofern haben Sie gewissermaßen die Vorgaben für dieses Amt zu leisten. Ich schlage vor - um die Sache jetzt etwas abzukürzen -, daß wir uns zusammentun und Ihnen den Fall darlegen mit der Bitte, das sehr sorgfältig zu recherchieren und die Auskünfte sowie das, was das Bundesversicherungsamt ausgesagt und getan hat, zu bewerten. Denn Sie haben in der Antwort auf meine vorherige Frage, die im Zusammenhang mit dieser Frage steht, gesagt, Krankenkassen dürften, müßten aber nicht. Die Frage ist nur: Wie wäre die Handhabung, wenn die Krankenkassen die Übernahme nicht mehr wollen? Das ist im Grunde genommen der kritische Punkt. Deshalb werden wir Ihnen das schriftlich darlegen, so daß Sie Gelegenheit haben, darauf auch schriftlich zu antworten.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Das werde ich gerne tun.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann können wir diesen Geschäftsbereich verlassen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Eymer auf: Welche zusätzlichen Kosten werden dem Bund durch die aktuelle Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, den Planfeststellungsbeschluß für die A 20 im Raum Lübeck bis zur Hauptverhandlung vorläufig auszusetzen, entstehen, und welche Kosten fallen nach der derzeitigen Planung der A 20 von der Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommern bis zum Anschluß an die A 1 bei Lübeck an?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Kollegin Eymer, durch die vorläufige Aussetzung des sofortigen Vollzuges für den Neubau der Autobahn A 20 im Abschnitt der A 1 bei der Abfahrt Moisling-Kronsforder Landstraße entstehen dem Bund keine zusätzlichen Kosten. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Für die zwei Abschnitte von der Autobahn A 1 bei Moisling bis zur Landesgrenze Schleswig-Holstein/MecklenburgVorpommern, also den gesamten Teil der A 20 im Bereich Schleswig-Holstein, betragen die gesamten Investitionskosten 355,4 Millionen DM.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen, Frau Kollegin.

Anke Eymer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000509, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe keine.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich Ihre Frage 30 auf: Welche Kosten entstünden, wenn die Verbindung von der Landesgrenze Mecklenburg-Vorpommerns nicht als Autobahn, sondern als Bundesstraße ausgestaltet würde, und welche Kosten und Zeitplanveränderungen entstünden, wenn für die Bundesautobahn die Nordanbindung mit gleichzeitiger Einbeziehung des Tunnels unter der Trave gewählt würde?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Kollegin Eymer, der Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen schreibt für das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 10 bei Lübeck eine vierstreifige Autobahn vor. Deswegen und auch, weil die prognostizierte Verkehrsbelastung keine zweistreifige Straße zuläßt, sind Kosten für eine solche Lösung bisher nicht ermittelt worden. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Für eine Bundesautobahn mit Nordanbindung würden die Kosten bei rund 1,4 Milliarden DM liegen. Über die Zeitplanver19626 änderungen, die sich bei einer eventuellen Realisierung einer Nordvariante ergeben würden, können im Moment keine Aussagen gemacht werden, da ein solches Projekt die Aufstellung völlig neuer Planunterlagen für die Bestimmung der Linie nach § 16 Bundesfernstraßengesetz sowie für ein neues Planfeststellungsverfahren nach § 17 Bundesfernstraßengesetz erfordern würde und der Zeitbedarf für diese Verfahren nicht vorausgesagt werden kann, insbesondere nicht in den alten Bundesländern.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Ganseforth, bitte schön.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ich möchte fragen, ob Ihnen Fälle bekannt sind, wie hier in dieser Frage intendiert, daß die Ausgestaltung als Bundesstraße höhere Kosten hervorruft als die Ausgestaltung als Autobahn. Gibt es solche Fälle? Ist das überhaupt denkbar?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Mir sind keine Fälle bekannt. Ich kann mir dies auch nicht vorstellen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Fragen 31 und 32 des Kollegen Kubatschka werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dann können wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau übergehen. Die Fragen 33, 34 und 35 werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Staatsminister Dr. Hoyer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 36 der Abgeordneten Dr. SchwallDüren auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, verbleibende Kosten zur Unterstützung hochwassergeschädigter polnischer Gemeinden - konkret Bystrica Klodzka und Glucholazy zu übernehmen, damit vorhandenes sächliches und personelles Potential, das heißt Behelfsbrücken und die Bereitschaft von Mitarbeitern des Technischen Hilfswerks ({0}), den Transport und Aufbau ehrenamtlich zu begleiten, nicht ungenutzt bleibt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, das Bundesministerium für Verkehr wäre zwar grundsätzlich bereit, die Behelfsbrücken aus seinen Vorsorgebeständen abzugeben, und das THW wäre ebenso grundsätzlich bereit, den Transport und den Aufbau der Brücken vor Ort zu übernehmen. Haushaltsmittel für diesen Zweck stehen nach den dem Auswärtigen Amt gegebenen Informationen der beiden betroffenen Häuser aber weder dem Bundesministerium für Verkehr noch dem THW zur Verfügung. Ich nehme insofern Bezug auf die Schreiben des Kollegen Johannes Nitsch vom 28. Oktober 1997 und des Ministerialdirektors Siegele aus dem BMI vom 21. November 1997 an den Herrn Kollegen Meckel. Unabhängig davon wird die Bundesregierung, soweit entsprechende polnische Anträge vorliegen, prüfen, inwiefern europäische Mittel zum Beispiel im Rahmen des Phare-Programms eingesetzt werden können bzw. inwiefern Einzelaspekte einer Hilfe über Nichtregierungsorganisationen in Frage kommen. Im übrigen kommt humanitäre Hilfe nicht in Betracht. Die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes ist nach ihrer haushaltsrechtlichen Bestimmung Hilfe, die in akuten Notsituationen das Überleben sichern und menschliches Leid vermindern soll. Dies trifft auch für die Polen im letzten Jahr gewährte Hochwasserhilfe zu. Inzwischen aber sind an die Stelle der Sofort- und Katastrophenhilfe Maßnahmen des Wiederaufbaus getreten. Die unmittelbare Katastrophensituation ist ja vorbei, so daß der Bau von Behelfsbrücken in vom Hochwasser geschädigten polnischen Gemeinden aus Mitteln des Auswärtigen Amtes im Rahmen der „Humanitären Hilfe der Bundesregierung außerhalb der Entwicklungshilfe", wie es heißt, nicht mehr finanziert werden kann.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie verweisen darauf, daß es sich auf Grund der verstrichenen Zeit bei dem Vorhaben, den polnischen Gemeinden Behelfsbrücken im Hochwassergebiet zur Verfügung zu stellen, nicht mehr um aktuelle humanitäre Hilfe handle, sondern um Strukturhilfe. Wie erklären Sie sich aber, daß seit den ersten Versuchen, nämlich seit September vergangenen Jahres, eine Unterstützung von seiten verschiedener Ministerien dieser Regierung zu bekommen, so viele Monate vergangen sind, bis Sie nun argumentieren können, daß es sich nicht mehr um aktuelle humanitäre Hilfe oder Katastrophenhilfe handle, wie wir auch von seiten des Bundesverteidigungsministeriums vernehmen mußten?

Not found (Gast)

Frau Kollegin, die Frage, die Sie jetzt zusätzlich gestellt haben und die im engen Zusammenhang mit dem steht, was auch Kollege Meckel die Bundesregierung wiederholt gefragt hat, beschreibt einen Zusammenhang, der in der Tat mit dem Hinweis auf das klassische Mittel der humanitären Soforthilfe nicht beantwortet werden kann, und zwar von vornherein, seitdem wir über das Thema sprechen, Aufbauhilfe zu betreiben. Ich wäre der letzte, der sagen würde, er sei glücklich darüber, daß für die Bereitstellung von Mitteln sehr schwer Fonds zu finden seien. Die in Frage kommenden Mittel der entsprechenden Häuser sind schlicht und ergreifend nicht vorhanden. Man müßte gegebenenfalls die Berichterstatter der entsprechenden Ausschüsse bzw. den Haushaltsausschuß bitten, zu überprüfen, wo denn konkrete Vorhaben gestrichen werden könnten - sei es im Bereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche ZusamStaatsminister Dr. Werner Hoyer menarbeit, sei es im Verkehrsministerium oder im Verteidigungsministerium -, um Mittel freizusetzen, damit diese Maßnahmen, die ich in der Tat für sinnvoll halte, finanziert werden können. Allerdings geht dies mit Sicherheit nicht, und zwar von vornherein nicht, über die Mittel im Bereich der humanitären Hilfe des Auswärtigen Amtes. Das läßt die Zweckbestimmung nicht zu.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, halten Sie es angesichts der geringen Summen, um die es sich hierbei handelt, tatsächlich für vertretbar, daß ein verhältnismäßig großer bürokratischer Aufwand betrieben wird, um dieses Ansinnen in Ihrem Haus wie auch in anderen Häusern immer wieder abzulehnen und jetzt auch noch zu sagen, nun könne sich der Haushaltsausschuß damit beschäftigen?

Not found (Gast)

Nein, Frau Kollegin. Sie beharren ja so sehr darauf, daß wir hier die staatlichen Möglichkeiten der Finanzierung prüfen. Ich finde, das ist ein klassischer Fall, wo sich, wenn nicht noch die EU-Hilfe in Frage kommt - da sehe ich einen Haushaltsansatz -, die Frage stellt, ob nicht über Nichtregierungsorganisationen eine in Relation zu dem, was bereits geleistet worden ist, überschaubare Hilfe finanziert werden könnte.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 37 von Frau Dr. Schwall-Düren auf: Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, daß die Überlassung von drei Lkw an Manfred Roeder für das umstrittene „Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk" als Projekt mit humanitärem Interesse interpretiert wurde, die Überlassung und der Aufbau von Behelfsbrücken jedoch nicht als humanitäre Aktion klassifizierbar sein soll, insbesondere die außenpolitische Signalwirkung und im Hinblick auf die Glaubwürdigkeit deutscher Administration?

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Ich komme auf das Thema „Zweckbestimmung der Mittel für humanitäre Hilfe" zurück. Nach der Zweckbestimmung von Kapitel 0502, Titel 686 12 des Bundeshaushaltsplanes können die Mittel des Auswärtigen Amtes für humanitäre Hilfe im Ausland grundsätzlich nur in besonders schweren Notlagen wie Naturkatastrophen oder Kriegen und kriegsähnlichen Konflikten und als Flüchtlingshilfe eingesetzt werden - dies in der Regel auch nur, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die zur kurzfristigen Hilfe in der Katastrophe erforderlich sind. Hilfen in allgemeinen Notlagen können mit diesen Mitteln nicht finanziert werden. Für Maßnahmen des Verteidigungsministeriums, das in der Lage ist, Projekte privater humanitärer Hilfe im Ausland durch die unentgeltliche Abgabe von Bundeswehrmaterial zu unterstützen, gelten eigene, andere Voraussetzungen. Bei der Überlassung von drei Kraftfahrzeugen an das Deutsch-Russische Gemeinschaftswerk im Jahre 1994 handelte es sich um eine Abgabe von Material geringen Wertes, wie es so schön heißt. Hier genügte es, daß solches Material zur Abgabe zur Verfügung stand, daß mit ihm in einer akuten Notlage geholfen werden sollte und daß das Auswärtige Amt für die beabsichtigte Maßnahme die auf der Grundlage von § 63 der Bundeshaushaltsordnung benötigte Bestätigung des dringenden Bundesinteresses abgab. An ein Projekt der Bundeswehr zum Aufbau von Behelfsbrücken in Polen müßten die besonderen Kriterien für einen Einsatz der Bundeswehr im Frieden im Ausland angelegt werden. Hierfür fehlt es schon an einem entsprechenden polnischen Antrag.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben davon gesprochen, daß das BMVg unter dem Gesichtspunkt, daß es sich möglicherweise um Material geringeren Wertes handele, anders entscheiden könnte und daß entsprechende Kriterien berücksichtigt werden müßten, um einen Einsatz der Bundeswehr im Rahmen einer Gemeinschaftsaktion durchführen zu können. In unserem Fall handelt es sich nach Auskünften, die uns vorliegen, in der Tat um Material geringeren Wertes, weil diese Behelfsbrücken auf die Dauer nicht mehr gebraucht werden. Es bestünde hier nur die Notwendigkeit, eventuell Transportkosten zu übernehmen. Weshalb ist das dann nicht möglich?

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Ich habe dargestellt, daß es dafür nach Angaben der zuständigen Häuser entsprechende Restposten im Haushalt nicht gibt. Wenn innerhalb der Häuser die Bereitschaft besteht, dies umzuschichten, dann soll mir das außerordentlich recht sein; denn unter außenpolitischen Gesichtspunkten erscheint diese Form der Hilfestellung natürlich ausgesprochen sinnvoll.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Zusatzfrage? - Nein. Dann rufe ich die Frage 38 des Kollegen Markus Meckel auf: Hält die Bundesregierung in Anbetracht der Tatsache, daß beispielsweise in der polnischen Gemeinde Bystrica Klodzka 35 Brücken und der Gemeinde Glucholazy 2 Brücken im Zuge der Hochwasserkatastrophe zerstört wurden, es für möglich, daß ein Teil des ungenutzten und vor der Ausmusterung stehenden bundesdeutschen Vorsorgebestandes an Behelfsbrükken und Festbrückengerät in diesen Gemeinden als Hilfsleistung zum Einsatz kommt, um die Infrastruktur notdürftig herzurichten?

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Herr Kollege Meckel, wir setzen die Diskussion um dieses Thema natürlich so fort, wie wir es heute morgen bereits angesprochen haben und wie die Kollegin dies eben dargestellt hat. Auch hier kann ich nur wieder sagen: Das BMV wäre durchaus bereit, die Behelfsbrücken abzugeben. Das THW würde den Transport und den Aufbau vor Ort übernehmen. Aber die Haushaltsmittel fehlen. Ich kann nur auf die Schreiben des Herrn Kollegen Nitsch an Sie und ebenso auf das Schreiben des Herrn Siegele aus dem BMI vom 21. November an Sie verweisen. Voraussetzung einer Kostenübernahme für die genannte Maßnahme durch die Bundesregierung, sollten Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, wäre aber in jedem Fall eine verbindliche Erklärung der polnischen Seite, die Kosten der notwendigen Vorarbeiten für den Aufbau der Behelfsbrücken selbst zu übernehmen. Das betrifft zum Beispiel die Zufahrten und die Fundamente. Die betreffenden polnischen Gemeinden sind bisher nicht bereit, diese Kosten zu übernehmen. Ein Einsatz von Behelfsbrücken und Festbrückengerät in den Gemeinden Bystrica Klodzka und Glucholazy scheitert also auch an fehlenden finanziellen Mitteln, wie eben bereits dargestellt. Wie ebenfalls bereits dargestellt, ist die Möglichkeit einer Finanzierung durch den Titel „Humanitäre Hilfe" des Auswärtigen Amtes auf Grund der mangelnden Kompatibilität mit der Zweckbestimmung dieses Haushaltstitels nicht möglich.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage.

Markus Meckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001451, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Verehrter Herr Staatsminister, wir sind uns - so habe ich den Eindruck - einig, daß es grundsätzlich sinnvoll ist, in solchen Fällen zu helfen. Es gibt hinsichtlich grundsätzlicher und ideologischer Fragen überhaupt keinen Streit. Meine Frage bezieht sich darauf, inwieweit die Bundesregierung operativ fähig ist, auf solche Anfragen angemessen zu reagieren. Aus dem, was Sie gesagt haben, habe ich herausgehört, daß dies unter dem Titel „Humanitäre Aufgaben" offensichtlich nicht - jedenfalls nicht mehr - möglich ist. Deshalb möchte ich den letzten Teil meiner Frage wiederholen: Sehen Sie die Chance struktureller Veränderungen, möglicherweise auch im Bereich der Haushaltstitel, um künftig koordiniert für die gesamte Bundesregierung handeln zu können? Denn daß wir - so die Erfahrung, die wir gemacht haben - vier verschiedene Stellen der Bundesministerien anschreiben mußten und zu keinem Ergebnis gekommen sind sowie die Tatsache, daß eine Koordinierung auf seiten der Bundesregierung nicht möglich war, halten wir für nicht akzeptabel. Ich glaube, das ist auch leicht verständlich.

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Ich möchte noch einmal betonen, daß ich nicht nur ex post, sondern von vornherein der Auffassung war, daß es sozusagen der falsche Haushaltsansatz ist, dies im Rahmen der Möglichkeiten der humanitären Hilfe zu regeln. Aber ich will nicht technokratisch antworten bei einem Projekt, das ich in der Sache in der Tat für wünschenswert halte. Es fehlt sicherlich nicht an einer entsprechenden Koordinierungskompetenz im Bereich der Bundesregierung, das über die Ressorts hinweg zustande zu bringen. Da - abgesehen von den formalen Voraussetzungen eines polnischen Antrages - die Lücke nur noch in einer überschaubaren finanziellen Summe besteht, frage ich mich allerdings, ob es nicht möglich ist, eine entsprechende NGO-Initiative zu entwickeln, um diese Lücke zu schließen. Ich denke, wir fragen hier zu schnell nach dem Staat.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Meckel, Ihre Zusatzfrage hat sich eigentlich auf die von Ihnen gestellte Frage 39 bezogen. Darum frage ich Sie: Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Markus Meckel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001451, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Sie haben eben in Beantwortung einer früheren Frage gesagt, Sie könnten es sich eher vorstellen, daß im Rahmen der Europäischen Union geholfen wird. Vielleicht könnten Sie das noch einmal konkreter darstellen und deutlich machen, inwiefern sich die Bundesregierung bemühen wird, eine unkomplizierte, einfache und schnelle Hilfe - auch von seiten der Europäischen Union - zu verwirklichen.

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Immer vorausgesetzt, der polnische Antrag liegt vor - vielleicht können Sie dazu beitragen, daß dieses formale Erfordernis erfüllt wird -, sind wir gerne bereit, zu versuchen, über PHARE und/oder TRANSFORM entsprechende Mittel zu mobilisieren. Das war teilweise schon eine Antwort auf die Frage 39. Das überschneidet sich sehr.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ja. - Dann rufe ich die Frage 39 auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Tatsache, daß die Bundesministerien für Verkehr, des Innern, für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung und das Auswärtige Amt zwar nacheinander grundsätzliche Hilfsbereitschaft bekunden, sich jedoch offenbar kein Bundesministerium für die Finanzierung eines solchen Vorhabens oder die Koordination zwischen den Ressorts zuständig fühlt, so daß der dringende Hilferuf seit September 1997 im Raum steht, und wie beabsichtigt die Bundesregierung, bei ähnlich gelagerten Fällen zukünftig mehr Handlungsfähigkeit zu gewährleisten?

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Ich verkürze die eigentlich vorgesehene Antwort etwas. Ich möchte darauf hinweisen, daß sich die Zusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit Polen im Rahmen des TRANSFORM-Programmes vollzieht, bei dem das Bundesministerium für Wirtschaft die Federführung hat, sowie im Rahmen der Finanzierung von Maßnahmen der politischen Stiftungen der Kirchen, der Sozialstrukturhilfe sowie der privaten Träger aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Eine Finanzierung der Installation der Behelfsbrücken aus Mitteln des BMZ ist wegen der dadurch notwendigen KürStaatsminister Dr. Werner Hoyer zung laufender Vorhaben aus dem genannten Bereich nicht möglich, ohne das Erreichen der Projektziele akut zu gefährden oder einen vorzeitigen Abbruch der mit den Partnern vereinbarten Programme in Kauf zu nehmen. Die Bereitstellung von Haushaltsmitteln aus dem Etat des Auswärtigen Amtes entfällt aus den bereits diskutierten Gründen. Ein Einsatz des Bundesministeriums für Verteidigung bei Erkundung, Transport und Aufbau von Brücken in Polen würde einen Einsatz der Bundeswehr im Ausland im Frieden bedeuten, der an bestimmte Kriterien gebunden ist, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind. Unter anderem - das muß ich auch hier wieder betonen - liegen weder ein offizielles Hilfeersuchen staatlicher Stellen in Polen noch die Feststellung des dringenden Bundesinteresses vor. Im übrigen muß ich leider auf die Beantwortung der vorangegangenen Fragen verweisen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Die Fragen 40 und 41 des Kollegen Erler werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Wir sind am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich rufe jetzt die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht uns der Parlamentarische Staatssekretär Hansgeorg Hauser zur Verfügung. Ich rufe die Frage 42 der Kollegin Ganseforth auf: Welche Schritte hat die Bundesregierung bisher unternommen, und was hat sie erreicht, um den Beschluß des Deutschen Bundestages vom 20. März 1997 ({0}) zur Aufhebung der Steuerbefreiung von Flugkraftstoffen auf EU-Ebene umzusetzen?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Kollegin Ganseforth, die Aufhebung der Steuerbefreiung für Luftfahrtbetriebsstoffe kann nur durch ein abgestimmtes Vorgehen auf EU-Ebene erreicht werden. Hier hat der Ecofin-Rat im Juni 1997 eine Entschließung angenommen, in der die Empfehlung der Kommission zu einer schrittweisen Besteuerung zur Kenntnis genommen und die Kommission darüber hinaus ersucht wird, dem Rat vor Ende 1997 nähere Informationen über alle Aspekte der Besteuerung vorzulegen. Im Hinblick auf die reservierte bis ablehnende Haltung einiger Mitgliedstaaten ist die vom niederländischen Vorsitz ausgearbeitete Erklärung, die von Deutschland ausdrücklich unterstützt wurde, als erster Erfolg zu werten. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf die Antwort zu Ihrer schriftlichen Frage Nr. 19 für den Monat Juli 1997 auf Drucksache 13/8310. Zu ergänzen ist, daß der Bericht über die Aspekte einer Besteuerung von Flugkraftstoffen, zu dem die Kommission vom Ecofin-Rat im Juni 1997 aufgefordert worden ist, nicht fristgerecht bis Ende 1997 vorgelegen hat und nach Auskunft der Kommission erst im Juli 1998 zu erwarten ist. Erst nach Vorlage des Berichts ist mit einer weiteren Behandlung im Rat zu rechnen. Neben der Behandlung im Rahmen der Überprüfung von Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 92/81/EWG ist die Frage der Flugkraftstoffbesteuerung auch Gegenstand der laufenden Beratungen über den Richtlinienvorschlag der Kommission zur Besteuerung von Energieerzeugnissen. In diesem Zusammenhang wird eine Option für die Mitgliedstaaten diskutiert, den Kraftstoff für Luftfahrzeuge national sowie im Rahmen bilateraler Abkommen mit anderen Mitgliedstaaten zu besteuern.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen, Frau Kollegin.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sie haben teilweise das vorgelesen, was Sie schon vor einem halben Jahr gesagt haben. Der Beschluß des Bundestages zielte ja darauf ab, die Bundesregierung aufzufordern, alles dafür zu tun, daß ab 1. Januar 1998 - das wäre möglich gewesen - die Flugbenzinbesteuerung eingeführt wird. Ich möchte jetzt wissen, was die Bundesregierung getan hat. Italien hat 1995 vor der Konferenz von Berlin eine entsprechende Initiative ergriffen. Ihre Auskünfte in bezug auf den Ecofin-Rat haben Sie mir ja auch schon einmal gegeben. Jetzt sagen Sie: Das wird verzögert. Die Frage ist: Was hat die Bundesregierung getan, um eine Einführung zu dem Termin 1. Januar 1998 zu ermöglichen? Es gibt viele Aussagen der Bundesregierung und auch den erwähnten Beschluß des Parlaments dahin gehend, das rechtzeitig auf den Weg zu bringen. Man kann ja sagen, daß das gescheitert ist. Vielleicht besteht die Hoffnung, daß es irgendwann einmal kommt. Ich möchte wissen: Was hat die Bundesregierung dazu beigetragen, um einen eventuellen Erfolg - der nicht eingetreten ist - sicherzustellen?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Kollegin, wie ich bereits eingangs sagte, halten wir nur ein abgestimmtes Vorgehen im EU-Rahmen für sinnvoll, auch aus Wettbewerbsgründen. Deswegen haben wir uns in bezug auf die Behandlung dieser Frage zunächst einmal auf die Kommission gestützt. Wie gesagt, der Bericht mit den Maßnahmen wird von der Kommission erst im Juli 1998 vorgelegt werden. Wir halten einen nationalen Alleingang nicht für sinnvoll.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die nächste Zusatzfrage.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht nicht um einen nationalen Alleingang, sondern darum, was die Bundesregierung macht. Welche Länder sind es denn, die das verzögern?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Ich kann Ihnen im Augenblick nicht sagen, wer die Verzögerung zu verantParl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser worten hat. Sie wissen, daß wir eine einstimmige Entscheidung brauchen. Bevor der Bericht nicht vorliegt, kann so etwas überhaupt nicht diskutiert werden.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Bemühungen scheinen nicht sehr ernst zu sein, wenn Sie noch nicht einmal wissen, wer Widerstand leistet. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe jetzt die Frage 43 der Kollegin Ganseforth auf: Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, und was hat sie bisher erreicht, um entsprechend der Forderung des Deutschen Bundestages die Flugkraftstoffbesteuerung im internationalen Rahmen der Internationalen Luftfahrtorganisation ({0}) durchzusetzen?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Kollegin Ganseforth, Voraussetzung für eine Initiative bei der Internationalen Luftfahrtorganisation - ICAO - ist eine Abstimmung ebenfalls auf EU-Ebene. Die Besteuerung setzt eine Änderung der Mineralölsteuerstrukturrichtlinie voraus, die entsprechend der bei ihrer Verabschiedung bestehenden internationalen Rechtslage für die gewerbliche Luftfahrt eine obligatorische Steuerbefreiung vorsieht. Auf internationaler Ebene müßte das sogenannte Chicagoer Abkommen geändert werden. Zur Änderung dieses Abkommens bedarf es einer Zweidrittelmehrheit der zur Zeit 168 Vertragsstaaten. Angesichts wiederholter Erklärungen des Rates der ICAO zur Beibehaltung der Abgabenfreiheit wäre eine auf EU-Ebene nicht abgestimmte, isolierte Initiative Deutschlands ohne Aussicht auf Erfolg und hat demzufolge zu unterbleiben. Auch hier darf ich zur Ergänzung auf meine Antwort auf Ihre schriftliche Frage Nr. 20 vom Juli letzten Jahres verweisen. Insofern hat sich nichts geändert.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich kann nur wiederholen: Sie schildern einen Tatbestand. Der Bundestag hat beschlossen, daß die Bundesregierung aktiv werden soll. Ich möchte fragen: Was hat die Bundesregierung gemacht? Ich möchte nicht wissen, wie der Tatbestand ist. Wir beschließen in fast jeder Sitzung des Verkehrsausschusses ein bilaterales Abkommen, bei dem man dieses als Vorbehalt berücksichtigen könnte. Was hat die Bundesregierung gemacht, damit die Steuerbefreiung von Flugkraftstoffen ab 1. Januar 1998 aufgehoben wird?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Kollegin, ich kann Sie nur auf das hinweisen, was ich vorhin gesagt habe. Wir können diese Aufhebung nur im Rahmen einer EU-Initiative erreichen. Wenn es aber auf EU- Ebene nicht zu weiteren Fortschritten kommt, dann sind auch alle Bemühungen der Bundesregierung vergeblich. Bevor wir diese Abstimmung auf EU- Ebene nicht erreicht haben, hat es keinen Sinn, hier weitere Maßnahmen zu treffen. Da können Sie noch zehn Fragen stellen; deswegen wird sich an dieser Tatsache doch nichts ändern.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Jetzt Ihre zweite Zusatzfrage.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte die abschließende Frage stellen: Wie will die Bundesregierung den Verdacht entkräften, den viele geäußert haben, als wir das damals im Bundestag beschlossen haben, die Bundesregierung sei gar nicht ernsthaft daran interessiert und werde von sich aus keine Schritte unternehmen, um die Kerosinbesteuerung aufzuheben? Wie wollen Sie diesen Verdacht entkräften?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Frau Kollegin, diesen Verdacht weise ich zurück. Wir arbeiten auf EU-Ebene an diesem Vorhaben mit. Aber, wie gesagt, es gibt andere Länder, die diese Regelung ablehnen. Wir brauchen aber ein einstimmiges Ergebnis. Insofern ist Ihr Verdacht unbegründet.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 44 des Kollegen Schily auf: In welchen Größenordnungen sind deutsche Kreditinstitute nach Kenntnis der Bundesregierung mit Krediten im asiatischen Raum engagiert?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Kollege Schily, nach Angaben der Deutschen Bundesbank im Statistischen Beiheft Nr. 3 zum Monatsbericht vom Januar 1998 bestanden Ende September 1997 Forderungen deutscher Kreditinstitute einschließlich ihrer Zweigstellen und Auslandstöchter gegenüber Ländern im asiatischen Raum ohne den Nahen Osten in Höhe von knapp 400 Milliarden DM. Davon entfielen auf die von der asiatischen Finanzkrise betroffenen Länder Indonesien, Malaysia, Philippinen, Südkorea und Thailand 57,7 Milliarden DM.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung eine Prognose, in welchem Ausmaß solche Kredite notleidend werden?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Kollege Schily, die Frage nach den notleidenden Krediten kann im Augenblick natürlich noch nicht beantwortet werden. Soweit Sie darauf abstellen, daß es vielleicht entsprechende Risiken für unseren Haushalt gibt, beispielsweise durch steuerrechtliche Maßnahmen bei diesen Instituten, weise ich darauf hin, daß die Meldungen, die uns im Augenblick über Vorsorgemaßnahmen bei privaten Banken vorliegen, aus steuerrechtlicher Sicht noch nicht berücksichtigt werden können. Sie wissen: Es gilt das Stichtagsprinzip. Die tatsächlichen Wertberichtigungen, die vorzunehmen sind, lassen sich noch nicht abschätzen. Wir haben aber auf dem Gebiet der Länderrisiken mittlerweile ein Verfahren gefunden, in dem festgelegt ist, nach welchen Kriterien diese Länderrisiken von der steuerrechtlichen Seite her zu beurteilen sind und in welcher Größenordnung Wertberichtigungen vorgenommen werden dürfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, liegen der Bundesregierung Erkenntnisse vor, in welchem Ausmaß Rückstellungen von Großbanken vorgenommen und inwieweit diese zu steuerlichen Konsequenzen führen werden?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Herr Kollege Schily, bisher kennen wir Meldungen aus den Zeitungen, wonach beispielsweise die Deutsche Bank eine Vorsorge von 1,4 Milliarden DM getroffen hat. ({0}) - Richtig, darüber gibt es auch Meldungen. Dieses Vorsorge-Treffen ist zunächst einmal ein handelsrechtlicher Vorgang. Wie er steuerrechtlich zu beurteilen ist, wird sich im Zeitpunkt der Bilanzerstellung bzw. bei der Überprüfung der Steuererklärungen im Rahmen der Betriebsprüfung zeigen. Wie ich vorhin bereits ausgeführt habe, ist gemeinsam mit Bund, Ländern und den Vertretern der Banken, beispielsweise dem Zentralen Kreditausschuß des Bankgewerbes, eine Grundlage dazu ausgearbeitet worden - das war bei der Schuldenkrise der osteuropäischen Länder oder der südamerikanischen Länder noch nicht der Fall -, in welcher Form eine Wertberichtigung vorgenommen wird, um zu vermeiden, daß ähnliche Fälle steuerlich unterschiedlich behandelt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, Kollege Büttner.

Hans Büttner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000302, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie uns mitteilen, wie hoch die zu erwartenden Steuermindereinnahmen des Bundes und der Länder wären, wenn zum Beispiel die von der Deutschen Bank angekündigte Rückstellung von 1,4 Milliarden DM voll zum Tragen kommen würde?

Hansgeorg Hauser (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000832

Verehrter Herr Kollege Büttner, auch diese Frage läßt sich nicht beantworten, weil nicht geklärt ist, ob es in Höhe des genannten Betrages, der handelsrechtlich anders zu beurteilen ist als steuerrechtlich, tatsächlich zu einem Ausfall kommen würde. Im übrigen ist zu fragen, ob und in welcher Größenordnung dieser Betrag den Gewinn tatsächlich beeinflußt. Die Frage, die Sie hier stellen, läßt sich isoliert überhaupt nicht beantworten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Frage 45 des Kollegen Augustinowitz wird schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Wir haben verabredet, die Aktuelle Stunde um 15 Uhr zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P. Haltung der Bundesregierung zur Übernahme von 51 % des Aktienkapitals der Preussag Stahl AG durch das Land Niedersachsen Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort dem Abgeordneten Walter Hirche.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein kurzer Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeigt, wie man Arbeitsplätze schaffen kann: Steuern senken, Lohnzusatzkosten senken. Genau diese Beschlüsse hat die Koalition hier im Bundestag gefaßt. Die SPD hat im Bundesrat diese Beschlüsse blockiert und damit eine mögliche Erholung des Arbeitsmarktes verhindert. ({0}) Jetzt, meine Damen und Herren, wird das Tempo beim Marsch in die falsche Richtung noch beschleunigt. Ministerpräsident Schröder will Steuergelder einsetzen, um Preussag Stahl rückzuverstaatlichen. Statt weniger Staat - wie bei unseren Nachbarn im Interesse von mehr Arbeitsplätzen - neuer Staatsinterventionismus, garniert mit falschen Argumenten. Es lag kein Notfall vor, und Arbeitsplätze waren nie in Gefahr. Das räumt inzwischen sogar der Sprecher der niedersächsischen Landesregierung ein. Es wird aber behauptet, nur durch Rückverstaatlichung könne Standortsicherung betrieben werden. Ausländische Unternehmen in Deutschland - das sei der Ausverkauf der Region. Herr Schröder treibt mit der verständlichen Angst von Arbeitnehmern vor einer unsicheren Zukunft Schindluder. Ein Verkauf, genauer gesagt: eine strategische Allianz des Preussag-Konzerns auf dem Stahlsektor mit British Steel oder Voest Alpine wäre auf jeden Fall eine bessere Sicherung der Arbeitsplätze als das, was jetzt in Niedersachsen betrieben wird. Meine Damen und Herren, deutsche Produkte brauchen die Weltmärkte. Unser Wohlstand liegt im Exporterfolg, gegründet auf Fleiß und Intelligenz unserer Arbeitnehmer. Es ist ein gefährliches Spiel mit dem langfristigen Wohlstand unserer Gesellschaft, ausländischen Unternehmen, die sich in Deutschland engagieren wollen, zuzurufen: Weg hier! Das klingt fast so wie das „Abschieben - ruck, zuck!" des niedersächsischen Ministerpräsidenten bei einer anderen Gelegenheit. Was sollen eigentlich die Stahlinvestoren aus Italien, Belgien, der Slowakei in den neuen Bundesländern empfinden, die wir alle gerufen haben? ({1}) Standortsicherung und Arbeitsplatzerhalt - das war das Konzept bei dem vorgesehenen Verkauf an Voest Alpine. Der SPD-Kollege Schultze als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Niedersächsischen Landtag hat gesagt: „Wo liegt denn die Logik, wenn da die Voest Alpine einen Kaufpreis von etwa 1,3 Milliarden hinlegt und sich dann eine Betriebsschließung an den Hals holt ... Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht wurde, nicht für angemessen. Aber nun haben wir Wahlkampf, und das paßt da rein." - Meine Damen und Herren, es paßt da auch hinein, daß jetzt öffentliches Mobbing seitens der SPD gegen den Kollegen Schultze betrieben wird. ({2}) Rückverstaatlichung als Wirtschaftspolitik, wie man sie sich von einem „Modernisierer" vorstellt: Hier wird Steuergeld eingesetzt, um einen gesunden Betrieb zu erwerben, Geld, das Niedersachsen gar nicht hat - die Schuldenquote des Landes läßt grüßen -, ({3}) Geld, mit dem die Situation in den Schulen verbessert werden könnte - die Rekorde an Unterrichtsausfällen lassen grüßen -, Geld, mit dem öffentliche Investitionen angeschoben werden könnten - die extrem niedrige Investitionsquote in Niedersachsen läßt grüßen. Schröder kauft Preussag Stahl, und der Mittelstand guckt in die Röhre. ({4}) Um das Bild des Machers strahlen zu lassen, wird auch noch eine Verschwörungstheorie erfunden. Herr Bissinger hat das veröffentlicht. Er versteigt sich zu der These, daß die Lichtgestalt Gerhard Schröder mit seinem Stahlwerkkauf die finsteren Machenschaften von Oskar Lafontaine und Johannes Rau zerschlagen habe. ({5}) - Lesen Sie einmal, was dort erstaunlicherweise steht. Sie hätten Druck auf den Preussag-Aufsichtsratschef Neuber und den Vorstandschef Frenzel ausgeübt, um durch einen Übernachtverkauf Schröder vor der Wahl als hilflos darzustellen. - Vier Genossen gegen einen - welche Gemeinheit! - Aber Schröder habe die Falle kraft seiner Genialität rechtzeitig erkannt und entschlossen gehandelt. - Was Genossen sich gegenseitig so alles zutrauen! Was wir vor uns haben, ist kein Modernisierer, sondern - wie aus dem Märchen von Hans Christian Andersen - der Kaiser in seinen neuen Kleidern. Dieser „Modernisierer", meine Damen und Herren, ist nackt. Schröders Entscheidung ist grundfalsch. Sie schürt die Ängste in der Belegschaft, anstatt eine Stahlallianz zur langfristigen Sicherung von Arbeitsplätzen zu suchen. Schröders Kraftmeierei - da ist der „Zeit" zuzustimmen - ist industriepolitisch genau das Falsche. ({6}) Es geht um das Gewinnen ausländischer Investoren und nicht um das Madigmachen des eigenen Standorts im Ausland. Wo bleibt denn die Mehrheit der Aktien? Neue Unsicherheiten tauchen auf.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Ihre Redezeit ist beendet.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mit seiner Entscheidung hat Gerhard Schröder viel Geld zerstört. Das Fazit lautet: Da versagt ein Mann beim Gesellenstück, der andere damit blendet, er sei in der Lage, die Meisterprüfung zu bestehen. - Wirklich: Dieser Kaiser ist nackt. ({0})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Wilhelm Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Daß sich die F.D.P.-Fraktion in dieser Aktuellen Stunde betätigt, liegt unter anderem wohl daran, daß sie keine Plattform im niedersächsischen Landtag besitzt. Und das wird am 1. März auch so bleiben. ({0}) Wenn Sie, Herr Hirche, von dem Marsch in die wirtschaftspolitisch falsche Richtung sprechen, dann kann ich Ihnen nur entgegenhalten: Welche Regierung in Deutschland hat denn zu vertreten, daß wir 5 Millionen Arbeitslose haben? Welche Regierung hat es denn zu vertreten, daß wir in diesem Lande einen Pleitenrekord und eine Rekordstaatsverschuldung haben? ({1}) Kehren Sie erst einmal vor Ihrer eigenen Haustür, ehe Sie versuchen, mit solchen Platitüden Politik zu machen! ({2}) Wilhelm Schmidt ({3}) Ich will mich in meinem Beitrag darauf konzentrieren, klarzumachen, was die struktur- und wirtschaftspolitischen Folgen für die drei niedersächsischen Standorte und für Sachsen-Anhalt wären, wenn diese Unternehmensübernahme nicht erfolgen würde. Ich finde, so rechtfertigt sich das Handeln der Landesregierung allemal. Deswegen werden wir vor Ort mit Nachdruck darauf hinweisen, wie wir das auch in den vergangenen Wochen und Tagen schon getan haben. ({4}) Salzgitter, Peine und Ilsenburg haben ihre Stahlkonzerne als Herzstücke in der Region. Wer versucht, diese Herzstücke zu beschädigen oder sie sogar in andere Verfügungsgewalt zu geben, handelt fahrlässig und zutiefst gegen die Interessen der Region, gegen die Arbeitsplätze. ({5}) Dieses - und das auch in Ihr Stammbuch, Herr Hirche - hat eigentlich 1989 mit dieser Bundesregierung begonnen. Die damalige Bundesregierung - Finanzminister Waigel und Staatssekretär Tietmeyer - und übrigens Sie als damaliger amtierender Wirtschaftsminister in Niedersachsen haben den Deal gemacht, ({6}) mit dem der Preussag AG 8 Milliarden DM - soviel war die Salzgitter AG, ein Bundesunternehmen, damals wert - in die Kassen gespült worden sind. Damit wurde das Unternehmen Preussag gerettet, was sonst wahrscheinlich nicht passiert wäre. ({7}) Der unternehmerischen Verantwortung, die sich die Preussag damit eingekauft hat, ist sie in diesen Tagen nicht im entferntesten gerecht geworden. Wir kritisieren das sehr entschieden; wir sind nachdrücklich dafür, daß die Preussag jetzt wenigstens in den nun laufenden Verkaufsverhandlungen Farbe bekennt und sich ihrer Verantwortung für die Standorte, aber auch für die Menschen, die dahinterstehen, stellt. ({8}) Wir waren in der Region - nicht nur wegen europäischer und sonstiger internationaler Konkurrenz, sondern auch wegen der Situation auf dem deutschen Stahlmarkt - immer der Auffassung, daß die Stahl AG in Salzgitter, Peine und Ilsenburg mit einem Alleingangskonzept gut fahren kann. Sie hat das in den vergangenen Jahren bewiesen: Sie hat jedes Jahr 100 Millionen DM an den Mutterkonzern abgeführt. Trotzdem hat sie es in den vergangenen Jahren geschafft, sich zu einem der modernsten Stahlkonzerne in Europa zu entwickeln - aus eigener Kraft und vor allen Dingen mit der seiner Menschen. ({9}) Ich stelle fest, daß es für meine Begriffe unverantwortlich ist und nicht hingenommen werden kann, daß der Oppositionsführer im niedersächsischen Landtag heute noch Informationen, Aufklärung und sonstige Hinweise braucht, ({10}) um sich zu entscheiden, ob er denn nun für oder gegen die Übernahme der Preussag Stahl AG durch das Land Niedersachsen und die Norddeutsche Landesbank sein will. Wenn in Niedersachsen künftig eine so zögerliche Politik betrieben würde, wie Herr Wulff ({11}) und seine Mannen sie an den Tag legen, kann ich nur sagen: Gute Nacht für dieses Land. Wir sind sehr froh darüber und sehr dankbar dafür, daß der Ministerpräsident und seine Landesregierung genau das Gegenteil gemacht haben, nämlich zügig gehandelt und entschlossen entschieden. ({12}) Ich will Ihnen - damit das klar ist - auch sagen: Dieses konsequente Handeln der Landesregierung ist keine Eintagsfliege. Dies ist in den vergangenen Jahren immer wieder dann geschehen, wenn Not am Mann war, wenn es Schwierigkeiten gab - nicht weil man sich profilieren wollte, ({13}) sondern weil man struktur- und wirtschaftspolitisch und für den Arbeitsmarkt handeln wollte. Das wissen übrigens in meinem Wahlkreis auch einige Unternehmen, die von der Preussag in den vergangenen neun Jahren abgestoßen worden sind. Auf dem Wege zur jetzigen Preussag AG ist ja schon das eine oder andere Unternehmen auf der Strecke geblieben, das man versilbert hat. Immer wieder mußte die Landesregierung auch bei diesen Unternehmen stützend und helfend eingreifen. Wir sind an dieser Stelle deswegen nicht nur zufrieden, sondern wir finden, daß dies die richtige Politik an der richtigen Stelle und am richtigen Ort ist. Ich weise auch darauf hin, daß dieser Faktor in der Region bei den weiteren Entscheidungen in der nächsten Zeit eine große Rolle spielen wird.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wilhelm Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Von daher halte ich das für eine sehr konsequente Sache. ({0}) Wir sind allerdings - das will ich zum Schluß auch sagen - in der Begleitung dieses ganzen Vorganges sehr wachsam. Wir wollen, daß die Preussag AG und natürlich auch alle anderen Handelnden in künftiger Zeit immer wieder an die Standorte und immer wieder an die Arbeitnehmer und ihre Interessen denken. Nur so ist das Ganze gerechtfertigt. Vielen Dank. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster der Abgeordnete Friedbert Pflüger.

Dr. Friedbert Pflüger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001710, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmidt, ich würde sagen, ({0}) die Landesregierung hat in diesem Fall überhastet entschieden und falsch gehandelt. ({1}) Zunächst aber zu dem, worin wir uns einig sind: Wir sind uns einig, wahrscheinlich sogar mit den Kollegen der F.D.P., ({2}) daß der Staat in Notlagen, wenn in einer Region Massenarbeitslosigkeit droht, in letzter Konsequenz gezwungen sein kann, sich für eine gewisse Zeit direkt in den Wirtschaftsprozeß einzuschalten. Die ordnungspolitische „reine Lehre" hat niemand von uns in der CDU/CSU-Fraktion gefordert - ganz bestimmt nicht Christian Wulff. ({3}) Wir haben deshalb vor vier Jahren die Rettung Lemwerders durch das Land unterstützt. Aber zwischen Lemwerder damals und Salzgitter/Peine heute gibt es einen entscheidenden Unterschied: Für die Preussag Stahl AG gab es gar keine Notlage! Arbeitsplätze waren nicht gefährdet. Die Landesregierung feiert sich als Retter eines Standortes, der überhaupt nicht bedroht ist. Das ist die Lage, meine Damen und Herren. ({4}) Der niedersächsische Ministerpräsident hat in seiner Regierungserklärung vom 21. Januar von drohender Standortstillegung gesprochen; Salzgitteraner und Peiner dürften nicht „Opfer" von MonopolyMachenschaften ausländischer Käufer werden. ({5}) Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des niedersächsischen Landtages, Ihr Kollege Schultze von der SPD, tief verwurzelt in der Gewerkschaftsbewegung, Arbeitsdirektor bei Preussag, sieht das völlig anders. In einem Interview mit der „Deister WeserZeitung" vom 27. Januar 1998 erklärt er, daß Arbeitsplätze in Peine/Salzgitter im Falle eines Verkaufs gar nicht gefährdet worden seien. Herr Schultze wörtlich: Wo liegt denn die Logik, wenn da die Voest-Alpine einen Kaufpreis von etwa 1,3 Milliarden hinlegt und sich dann eine Betriebsschließung an den Hals holt, die noch einmal Hunderte von Millionen Mark kosten würde? Jetzt hören Sie bitte zu, meine Damen und Herren, ich zitiere weiter Herrn Schultze: Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht wurde, nicht für angemessen. Aber nun haben wir Wahlkampf, und das paßt da rein. ({6}) Das ist nicht Sorge um Arbeitsplätze, ist nicht mitfühlendes soziales Engagement - das ist Wahlkampf durch das Schüren von Ängsten der Arbeitnehmer, und das ist verwerflich! ({7}) Das hat ein Sozialdemokrat und Gewerkschafter gesagt. Gegenüber dem, was Herr Schultze sagt, ist Christian Wulff bisher sehr vornehm und zurückhaltend mit der Landesregierung umgegangen. ({8}) Der Herr Ministerpräsident erklärt im Landtag, daß es strukturpolitisch geboten sei, dem Stahl in Salzgitter und Peine auf eigene Beine zu helfen. - Aber dem Standort muß niemand auf eigene Beine helfen; er ist kerngesund. Der Sprecher von Voest hat in der „Nordwest-Zeitung" vom 23. Januar erklärt: Personalentlassungen sind nie ein Thema gewesen. Der technologische Standort ist sehr gut. Die Kundenstämme der beiden Unternehmen ergänzen sich gut. Nun wird durch diese Maßnahme der Landesregierung aus einem florierenden Standort ein Mühlstein am Halse des Landes Niedersachsen, ({9}) ein Mühlstein mit unkalkulierbaren Risiken für den Steuerzahler, der die Zinsen für das Pumpgeschäft aufbringen muß. Was ist, wenn die Stahlkurse fallen? ({10}) Das ist eine gefährliche Politik auf Kosten des Steuerzahlers des Landes Niedersachsen. ({11}) Der Ministerpräsident hat im Landtag ausländische Käufer und deutsche Anleger gegeneinander ausgespielt. ({12}) Voest-Alpine erklärte, man fühle sich von der Landesregierung als „böser Ausländer" hingestellt. Was soll diese Haltung in einer Zeit von Globalisierung und europäischer Einigung? Wir werben doch überall auf der Welt dafür, daß sich ausländische Unternehmen bei uns in Deutschland engagieren. Was ist das für ein Signal? Es ist ein verheerendes Signal, das von dieser Entscheidung für ausländische Direktinvestoren ausgeht. ({13}) Auch hier hat Herr Schultze Herrn Schröder unangenehme Wahrheiten aufgetischt: Durch die deutsche Lösung sei es möglich, daß man am Ende viel schlechter dastehe, weil dadurch zentrale Aufgaben viel stärker gefährdet würden, als es durch VoestAlpine der Fall gewesen wäre. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Egal, wie man es dreht und wendet: Der PreussagDeal der Landesregierung ist im ganzen eine wahltaktische Show, ein unakzeptables Risiko für die Steuerzahler und ein Pyrrhus-Sieg für die Arbeitnehmer. Was das Ziel angeht, nämlich Sicherung der Arbeitsplätze, sind wir uns einig. Aber der Weg, den Sie beschreiten, ist ein Irrweg. Die daraus resultierenden Lasten müssen getragen werden - leider aber erst nach dem Wahltag. ({14})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Es spricht jetzt die Kollegin Schönberger. ({0})

Ursula Schönberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002786, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich bin auch aus Niedersachsen. Ich bin allerdings auch im Wirtschaftsausschuß. Daß dieses Thema hier zum Wahlkampfthema wird, geht zum einen auf die Initiative der F.D.P. zurück, die diese Aktuelle Stunde beantragt hat. Zum anderen geht dies auf Herrn Ministerpräsidenten Schröder zurück; denn etwas anderes als Wahlkampf kann ich hinter dieser Aktion nicht sehen. ({0}) In Salzgitter, Sitz der Preussag Stahl, um die es hier geht, herrscht eine Arbeitslosigkeit von 16,5 Prozent - Tendenz steigend, wie dies in diesem Land mit dieser Bundesregierung überall so ist. Die gesamte Umgebung der Region zwischen Harz und Heide ist nach wie vor ganz einseitig von der industriellen Automobil- und Stahlproduktion geprägt. Bei Krisen in diesen Bereichen gibt es kaum Alternativen in anderen Branchen oder Sektoren, zumindest nicht solche, die einer größeren Anzahl industriell ausgebildeter Menschen neue Perspektiven bieten können. Daß die Betroffenen dort bei allen Umstrukturierungsmaßnahmen sehr hellhörig sind und nach helfenden und sie absichernden öffentlichen Händen fragen, ist nur verständlich. Es ist auch berechtigt. Es wäre kaltschnäuzig, sich rauszuhalten und den Menschen in Salzgitter anzuraten, doch einmal abzuwarten, was in den Vorstandsetagen irgendwelcher Konzerne ausgeklüngelt wird. Wir kritisieren nicht, daß sich der Staat in die Wirtschaftsentwicklung einmischt, wenn es um strukturelle Perspektiven geht, zum Beispiel um neue Perspektiven bezüglich einer Abwendung von der Monostruktur in dieser Region. Erst recht üben wir keine Kritik, wenn es um die Absicherung der Existenz von sinnvollen oder zumindest vertretbaren Arbeitsplätzen geht. Dennoch muß das Engagement des Staates mit Sinn und Verstand geschehen. ({1}) Deshalb frage ich Sie, Herr Schröder: Wo ist denn Ihr Konzept? Wo sind die langfristigen Perspektiven, die Ihre Wirtschaftspolitik verfolgt? Wo war im Fall der Preussag Stahl der aktuelle Handlungsbedarf? Wollen Sie künftig alle Betriebe in Niedersachsen kaufen, die von Schließung oder Verkauf bedroht sind? Oder machen Sie das nur alle fünf Jahre vor der Landtagswahl? ({2}) Oder wollen Sie verhindern, daß sich ausländische Investoren in Niedersachsen niederlassen? Das wäre interessant, denn bei der Diskussion über das Thema „Investieren in Deutschland" heute morgen im Wirtschaftsausschuß haben die Kollegen und Kolleginnen der SPD den Standpunkt vertreten, Deutschland brauche Investoren aus dem Ausland, ({3}) und haben sich große Gedanken darüber gemacht, wie Deutschland für ausländische Investoren attraktiv werden kann. ({4}) Eine weitere, nicht weniger wichtige Frage ist: Wo ist der aktuelle Handlungsbedarf? Voest-Alpine widerspricht Äußerungen von Ministerpräsident Schröder, daß die Arbeitsplätze an diesem Stahlstandort gefährdet seien. Zitat: Der technologische Standard der deutschen Standorte ist sehr gut. Es gab überhaupt keinen Grund, über die Schließung von Anlagen nachzudenken. Das sagt der Voest-Konzernsprecher der Oldenburger „Nordwest-Zeitung". Personalentlassungen seiUrsula Schönberger en für Voest nie ein Thema gewesen, zumal sich die Kundenstämme der beiden Unternehmen gut ergänzen würden. ({5}) Wenn Herr Schröder als Retter in der Not auftritt, darin kann man daran interessanterweise erkennen, welche Not eigentlich vorhanden ist. Was als Rettung in letzter Sekunde für die Arbeitsplätze in der Region verkauft wurde, wird jetzt - laut Ihrer eigenen Aussage - dahin gehend verändert, daß die Arbeitsplätze bei Preussag Stahl vielleicht gefährdet gewesen seien. Ihr Regierungssprecher hat eingestanden, daß die Arbeitsplätze bei Preussag Stahl nicht akut in Gefahr gewesen seien. Herr Wolfgang Schultze, SPD- Landtagsabgeordneter, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses des niedersächsischen Landtages und Vorstandsmitglied bei Preussag, betont, mit Voest sei die Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze verabredet gewesen. - Herr Schultze ist übrigens eine schillernde Figur in diesem Deal, in dem auf seiten der Käufer und Verkäufer nur SPD-Genossen zu finden sind. ({6}) Wenn Sie, Herr Schröder, glauben, Ihre Wahlchancen durch den Kauf von Preussag Stahl und die Erhöhung der Beteiligung bei VW zu verbessern - die Wahl am 1. März ist schließlich Ihre persönliche Schicksalswahl -, dann hört das spätestens bei den Menschen auf, die rechnen können. Das sind ziemlich viele. 70 Millionen DM sind die absolute Untergrenze der Belastung des Landeshaushaltes durch diesen Deal, eines Haushaltes, der bereits bis zur Oberkante belastet ist. Die Regierung in Hannover spricht seit Jahren davon, daß auf Grund der Finanzsituation Arbeitsplätze beim Land massiv abgebaut werden müßten. Daß die Ursachen dafür wenig in Niedersachsen liegen, sondern hauptsächlich in Bonn zu finden sind, wissen wir - Stichwort: Finanzierung der deutschen Einheit. Trotzdem, die Tatsache bleibt. Es ist doch jedem klar: Der Betrag von mindestens 70 Millionen DM, den Sie hier einsetzen, wird woanders eingespart. Letztlich erkaufen Sie das angestrebte Image des Wirtschaftsmannes mit Arbeitsplätzen beim Land. Fazit: Staatliche Eingriffe in die Wirtschaft - ja. Da ist der sprachliche Purismus der F.D.P. völlig absurd und entlarvt sich, wenn man Ihre eigene Praxis ansieht. ({7}) Wenn der Staat aber eingreift, muß es entweder klare, langfristige Konzepte für notwendige, zukunftsweisende Veränderung geben - die hat weder die F.D.P. noch Herr Schröder in Niedersachsen -, oder es muß einen akuten Handlungsbedarf geben, um sinnvolle oder wenigstens vertretbare Arbeitsplätze zu retten. Wie es aussieht, liegt dieser akute Handlungsbedarf nicht vor. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Roll Kutzmutz.

Rolf Kutzmutz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002713, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will vorausschicken: Ich komme nicht aus Niedersachsen. ({0}) Angesichts der die Menschen bewegenden Sorgen und Nöte - ich verweise nur auf den neuen Arbeitslosigkeitsrekord - beweist die F.D.P. mit der Wahl des heutigen Themas einmal mehr, wie weit sie von der Lebenswirklichkeit mittlerweile entfernt ist. ({1}) Ich hoffe, Herr Hirche, Sie erhalten dafür am 1. März in Niedersachsen, am 26. April in SachsenAnhalt und am 27. September in der ganzen Republik Ihre Quittung. ({2}) Verdient hätten Sie es, Herr Kollege Hirche und meine Damen und Herren von der F.D.P., allein schon wegen Ihrer Wortwahl. Da will - um in Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben - das Land Niedersachsen eine Firma vom Land Nordrhein-Westfalen erwerben. Die selbsternannten Pächter wirtschaftlicher Kompetenz sprechen von „Rückverstaatlichung". Sollte Ihnen tatsächlich entgangen sein, daß die Preussag von der West LB kontrolliert wird und diese wiederum vom Land NRW? ({3}) Für Ihren Kreuzzug wider staatliche Wirtschaftslenkung haben Sie sich wirklich das denkbar ungünstigste Objekt ausgesucht. Im übrigen: Wo war beispielsweise Ihr empörter Aufschrei, Herr Bundesminister Rexrodt, als Ihr Landeskollege Otto Wiesheu ein bayerisches Konsortium unter Beteiligung des Freistaates für den einstigen Elektronikriesen Grundig zimmerte? Oder wo war Ihr Aufschrei, als er dem Keramikhersteller Hutschenreuther mit Rettungsringen beisprang? ({4}) Offenkundig ist auch für Sie aktive Industriepolitik nur Teufelszeug, wenn sie von den „falschen" Parteien betrieben wird. ({5}) Es ist einfach Unsinn, wenn gesagt wird, das widerspräche sämtlichen ordnungspolitischen Grundsätzen. ({6}) - Herr Hirche, ich habe Sie in Brandenburg auch begriffen. Sie sind hierhergelobt worden, und deswegen meine ich, Sie sollten sich zurückhalten. In Brandenburg kenne ich mich immer noch besser aus als Sie. ({7}) Sie sollten einfach ehrlich sein. Wahlkampf verwandelt offensichtlich die Sicht auf die Dinge. Deshalb sollten Sie es auch unterlassen, mit der heutigen Aktuellen Stunde eine Scheinheiligkeit zu demonstrieren und zu dokumentieren, die nicht am Platze ist. Ich weiß zwar, wer hinter den am Deal beteiligten Konzernen steht. ({8}) - Sie haben es doch erzählt. Tun Sie doch nicht so, als ob Sie vom Mond kämen. Das könnte man zwar vermuten, aber man muß das nicht ausbauen. ({9}) Ich weiß nicht, ob Voest Alpine tatsächlich die 13 000 Arbeitsplätze in Peine, Salzgitter und Ilsenburg bedroht hätte. Sie behaupten, das sei unrichtig. Ich will aber einmal unterstellen, daß hinter der Entscheidung nicht Gerhard Schröder als Aufsichtsrat von VW steht, der seinem Konzern vielleicht nur einen scheinselbständigen Blechlieferanten sichern will, sondern Gerhard Schröder als verantwortungsbewußter Wirtschaftspolitiker. ({10}) In diesem Falle - da können Sie rufen, wie Sie wollen - wäre auch die Zustimmung der PDS prinzipiell möglich. ({11}) Dann bliebe allerdings - erstens - zu bedauern, daß seine Parteifreunde in der vergangenen Wahlperiode in diesem Bundestag dem von der PDS geforderten Erhalt von industriellen Kernen als Hauptaufgabe von Industriepolitik in Ostdeutschland nicht zugestimmt haben. ({12}) Herr Ministerpräsident, Ihr Wirtschaftsstaatssekretär Alfred Tacke nannte als ein Hauptmotiv für das Preussag-Stahl-Engagement: „Wir wollen die Unternehmenszentralen im Land haben", weil es auf intelligente Wertschöpfung ankomme; nachzulesen in der „FAZ" vom 31. Januar. Nichts anderes haben wir mit unserer Initiative Anfang der 90er Jahre für die neuen Länder bezweckt. Zweitens hoffen wir, Herr Schröder, daß Ihr Verantwortungsbewußtsein nach dem Ende des Landtagswahlkampfes nicht nachläßt, sondern auch bundesweit anhält, falls Sie sich in diesem Jahr tatsächlich noch in höhere bundespolitische Verantwortung begeben sollten. ({13}) Aber ich habe nicht nur in dieser Beziehung meine Zweifel. Denn auch die SPD will öffentliche Gelder für zukunftssichere Arbeitsplätze nur herausrücken, wenn die Betroffenen den Gürtel enger schnallen. Ihr Parteichef, Herr Schröder, und der Landesvater meiner Heimat haben noch in der vergangenen Woche den ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Beteiligung am Produktivkapital versprochen, aber nur, wenn sie - ich zitiere - „produktivitätsorientierte Löhne akzeptieren" . Sie, Herr Ministerpräsident, setzten zur selben Zeit das Projekt einer 20 prozentigen Belegschaftsbeteiligung bei Preussag-Stahl auf die Schiene. Während die Herren Lafontaine und Stolpe im Osten sinkende Monatseinkommen verordnen, wollen Sie in Peine und Salzgitter die betriebliche Altersvorsorge verfrühstücken lassen. Beide Vorhaben, so unterschiedlich sie im Detail auch sind, eint eines: Die Beschäftigten gewinnen keinen Einfluß auf die Unternehmensgeschicke, sollen aber erworbene Ansprüche gegen ungewisse Schecks auf die Zukunft eintauschen. Warum bieten Sie - jetzt kommt der Aufschrei gleich von rechts - den Stahlkochern statt 20 Prozent Belegschaftsaktien nicht 51 Prozent Entscheidungsbefugnis im Unternehmen an? Das Land wäre der Mehrheitsbesitzer, dessen Kompetenzen aber von der Belegschaft wahrgenommen werden. Oder glauben Sie ernsthaft, Ministerialbeamte und Landesbanker hätten in dem Geschäft mehr Durchblick als jene, die tagtäglich Preussag-Stahl entwickeln, produzieren und vermarkten? Letztere würden gewiß nach besten Kräften ihre eigenen Monatseinkommen und auch ihren bestehenden Pensionsfonds sichern. Die Dividende dieses Tuns käme allen zugute, deren Steuermillionen diese Arbeitsplätze jetzt sichern helfen. Dieses Konzept einer stillen Beteiligung der öffentlichen Hand, eine Idee unserer Gruppe, wird derzeit in den Ausschüssen dieses Hauses beraten. Ich will, weil die Zeit drängt, ein letztes Wort sagen. Bei dem, was jetzt betrieben wird, Herr Schröder, wird, wie bei der Koalition, darauf gesetzt, daß eine Vergesellschaftung der Verluste bei Privatisierung der Profite stattfindet. Das ist Kouponschneiderei, und das wollen wir nicht. Das ist Kasinokapitalismus, der auch in den Farben der SPD nichts taugt. Herrn Thiele möchte ich raten, zur SPD bei Tucholsky nachzulesen: „Man kann immer etwas für Sozialismus tun, aber mit der Partei kommt er auf keinen Fall." Da brauchen Sie keine Angst zu haben. ({14})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht in der Aktuellen Stunde Bundesminister Rexrodt. ({0})

Dr. Günter Rexrodt (Minister:in)

Politiker ID: 11002759

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Reverstaatlichung der Preussag Stahl AG steht in totalem Kontrast zu dem, was in der europäischen und deutschen Stahlindustrie an der Tagesordnung ist. Sie steht nach Einschätzung der Bundesregierung in Kontrast zu dem, was wirtschaftspolitisch und betriebswirtschaftlich notwendig ist, um die Arbeitsplätze in diesem Unternehmen mittel- und langfristig zu sichern. ({0}) Sie steht in Kontrast zu dem, was der niedersächsische Ministerpräsident vollmundig in seinen Thesen zur modernen Wirtschaftspblitik verkündet. Diese Reverstaatlichung ist Ausdruck von Hilflosigkeit und kurzem Atem vor der Niedersachsenwahl. ({1}) In der europäischen Stahlindustrie - in Großbritannien, Italien, Belgien und auch in Frankreich - geht es seit 20 Jahren in Richtung Privatisierung. Unübersehbar und auch unvermeidlich ist ein Konzentrationsprozeß in diesem Wirtschaftszweig, vor allem beim Massenstahl. ({2}) - Das ist doch eine nüchterne Beschreibung. Darüber müssen Sie sich doch nicht so aufregen bzw. schreien. Machen Sie das an der richtigen Stelle, wenn Sie das überhaupt können. ({3}) Prominente Beispiele für diese Konzentration sind British Steel, Usinor-Sacilor, Krupp/Hoesch und jetzt Thyssen und Krupp/Hoesch. Überall hat man erkannt: Privatisierung und - ob man das nun mag oder nicht - auch Konzentration sind die Schlüssel zu moderner, kostengünstiger Produktion ({4}) und damit auch zu wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen. ({5}) In Deutschland hat die Bundesregierung im Jahre 1989 das letzte große staatliche Stahlwerk, die Salzgitter Stahl AG, durch Verkauf an die Preussag AG privatisiert. ({6}) Fünf Jahre später begann die Muttergesellschaft Preussag AG den Umbau zu einem technologie- und dienstleistungsorientierten Konzern. Sie trennt sich jetzt aus nachvollziehbaren und erkennbaren Gründen von der Stahlproduktion. Nun stand mit der österreichischen Voest-Alpine ein potenter Übernahmeinteressent zur Verfügung. Eine Übernahme durch Voest-Alpine bot den Vorteil, daß Preussag den schweren Weg nicht hätte allein gehen müssen. Nach allen Informationen wollte Voest-Alpine sämtliche Arbeitsplätze erhalten. Die Verträge wären unterschriftsreif. Entlassungen waren nach Aussagen des Unternehmens überhaupt kein Thema. Das ist der Sachverhalt. Die VoestAlpine und die Preusssag hätten sich in weiten Bereichen optimal ergänzt. ({7}) Daß ein Übernahmeinteressent aus dem Ausland kommt, ist auch für die deutsche Stahlbranche nicht ungewöhnlich. ({8}) EKO Stahl wurde von der belgischen CockerillSambre übernommen, Stahlwerke Bremen von einem luxemburgisch/belgischen Unternehmen. Das italienische Unternehmen Riva führt in Brandenburg sehr erfolgreich zwei Stahlwerke. ({9}) Für Niedersachsen will nun der niedersächsische Ministerpräsident eine solche Lösung nicht. ({10}) Warum eigentlich? Liegt es an der Unruhe der Belegschaften in Peine, Salzgitter und Ilsenburg? Aus meiner Sicht sind die Unruhe und die Verunsicherung der Stahlwerker nachvollziehbar. Sie sind verständlich. ({11}) - Das finde auch ich. - Diese Menschen haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Sie suchen Sicherheit und Anlehnung an öffentliche Institutionen, von denen sie wissen, daß dort ihr Einfluß direkt und indirekt sehr viel stärker ist. Sie suchen Schutz vor Wettbewerb. So verständlich diese Orientierung ist, so falsch ist sie. Unzählige Beispiele zeigen, daß der Staat der schlechtere Unternehmer ist. ({12}) Er ist nicht der schlechtere Unternehmer, weil die Menschen beim Staat weniger fähig sind oder weil sie weniger fleißig arbeiten, sondern deswegen, weil die notwendigen Anpassungen auf Grund der dort bestehenden Abstimmungs- und Machtprozesse weniger konsequent und weniger schnell vorangebracht werden können. Das sind die Ursachen. Am Ende stehen immer die Crash-Lösungen. Sie sind teuer und führen zu größerer Arbeitslosigkeit als marktwirtschaftliche Lösungen. ({13}) - Hören Sie doch auf die Fakten. - Dies ist im übrigen auch das traurige Ergebnis in den neuen Ländern immer dann, wenn Privatisierungen zu lange hinausgeschoben wurden oder hinausgeschoben werden mußten. ({14}) Herr Schröder muß sich auch fragen lassen, woher er eigentlich das Geld für diese wirtschaftlich unsinnige und teure Transaktion nimmt. Es geht um 1,3 Milliarden DM; das ist schon gesagt worden. Die äußerst prekäre Finanzlage Niedersachsens ist seit Jahren bekannt: Die Gesamtverschuldung des Landes beläuft sich auf 59 Milliarden DM. Das Land hat zwischen 1990 und 1996 neue Kredite in Höhe von 20 Milliarden DM aufgenommen, mehr als jedes andere Flächenland, bezogen auf den jeweiligen Haushalt. ({15}) Die Verschuldung liegt bei 7600 DM pro Einwohner. Sie wird mittlerweile nur noch vom Saarland und von Schleswig-Holstein übertroffen. ({16}) Da hilft es auch nicht, daß die Nord LB einen Teil des Kaufpreises aufbringen soll. Das schafft keine echte Entlastung; denn die Bank handelt im Auftrag und auf Rechnung des Landes. Am Ende geht dies zu Lasten des Steuerzahlers und des Mittelstandes. ({17}) Und da hilft auch nicht der Hinweis - ich weiß, daß er noch kommen wird -, daß das Land und die Nord LB die Anteile möglicherweise nur vorübergehend halten. Meine Damen und Herren, warum soll denn bei einem derart transparenten Markt wie dem Stahlmarkt in Zukunft ein attraktiveres Angebot vorliegen als heute, bei einem Stahlmarkt, der gerade jetzt in exzellenter Verfassung ist? Kein Mensch weiß doch, in welcher Verfassung er in absehbarer Zeit sein wird. ({18}) Wer ist denn bereit, bessere Konditionen zu bieten, wenn die öffentliche Hand als Verkäufer auftritt, zumal jeder die Zwänge und Abhängigkeiten der öffentlichen Hand kennt? Meine Damen und Herren, das ist ein ungedeckter Wechsel. Das Unternehmen bleibt beim Staat, oder es wird ein riesiges Verlustgeschäft für das Land Niedersachsen. Das sage ich Ihnen voraus. Leider muß man festhalten: Durch die Intervention des Ministerpräsidenten in laufende Verhandlungen zwischen den Unternehmen ist das Schicksal von Preussag Stahl heute unsicherer denn je. ({19}) Hinzu kommt: Unser Ruf als weltoffener Standort für Investitionen hat Schaden genommen. ({20}) Wir kämpfen um Investitionen im Interesse der Arbeitsplätze. Deutschland für Investoren attraktiv zu machen ist Ziel unserer gesamten Wirtschafts-, unserer gesamten Reformpolitik. ({21}) Ob der Interessent aus dem Inland oder dem Ausland kommt, spielt keine Rolle, wenn er wirtschaftlich potent ist. ({22}) Bei den Direktinvestitionen hatten wir 1996 einen Negativsaldo von 37 Milliarden DM.. ({23}) Im Jahr 1997 bewegte er sich in ähnlicher Größenordnung. Meine Damen und Herren, was würde Herr Schröder denn sagen, wenn der britische Premierminister ein Engagement von VW bei Bentley unterbinden würde unter Hinweis darauf, daß man bei Ausländern nicht weiß, woran man ist? Es gibt aber einen Unterschied. Dieser ist, daß in Großbritannien ein Tony Blair existiert, der moderne Wirtschaftspolitik verstanden hat und sie praktiziert, während es in Niedersachsen einen Gerhard Schröder gibt, der von moderner Wirtschaftspolitik redet und das Gegenteil tut. ({24})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat jetzt der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder. Ministerpräsident Gerhard Schröder ({0}): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß nicht, Herr Rexrodt, was ich für Ministerpräsident Gerhard Schröder ({1}) bemerkenswerter halten soll: Ihren absoluten Mangel an sozialer Sensibilität oder Ihre Dreistigkeit. ({2}) Ihre Dreistigkeit ist deshalb bemerkenswert, weil Sie als amtierender Wirtschaftsminister für fast 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich sind, sich aber trotzdem hier hinstellen und anderen Leuten Ratschläge geben wollen. Dieses Maß an Dreistigkeit ist tatsächlich verwunderlich. ({3}) Es gibt einen Abgeordneten namens Hirche, der einmal in Niedersachsen Wirtschaftsminister war, zu einem Zeitpunkt ({4}) - natürlich, ich sage Ihnen dazu gleich etwas -, als die Verschmelzung der Salzgitter AG mit Preussag auf der Tagesordnung stand. Sein damaliger Kabinettschef, mein Vorgänger, Herr Albrecht, hat am 17. Januar 1990 zu dem ganzen Vorgang folgendes gesagt - Herr Pflüger, hören Sie einmal zu; Herr Hirche, Sie waren damals Wirtschaftsminister -: Die Landesregierung wollte gern verhindern, daß wir eines Tages aufwachen und feststellen müssen, daß dieses für uns so ungeheuer wichtige Unternehmen hinfort fremdbestimmt ist ({5}) mit anderen Worten: daß eine andere industrielle Gruppe bei der Preussag-Salzgitter das Sagen haben würde. Dafür ist diese Unternehmensgruppe viel zu wichtig für unser Land, natürlich aber auch für die Zigtausenden von Arbeitnehmern und, wenn man die Zulieferbetriebe und Familien der Arbeitnehmer berücksichtigt, die Hunderttausenden von Menschen, die unmittelbar von Preussag-Salzgitter abhängig sein können. Herr Hirche, haben Sie gepennt, als Sie damals im Kabinett saßen, oder was haben Sie da gemacht? ({6}) Genau aus diesem Grunde ist damals versucht worden, eine für Niedersachsen außerordentlich teure Holding als Gegengewicht aufzubauen, der Sie einen Anteil von 15 Prozent verschafft haben - als wenn man aktienrechtlich damit etwas anfangen könnte! Das waren Ihre wirtschaftspolitischen Großtaten. Darunter leiden die Niedersachsen noch heute. Das ist das Problem, was wir haben. ({7}) Es wäre vernünftiger, Sie hätten dies nicht gemacht. Lesen Sie die alten Protokolle nach, gehen Sie in sich, und verfolgen Sie, was Sie damals gemacht haben! Sie haben die Schwierigkeiten verursacht, die heute von uns beseitigt werden müssen. Das ist das Problem. ({8}) Jetzt kommen wir einmal zur Sache. ({9}) - Über die Sache ist lange geredet worden. Bis jetzt mußte ich mich mit einer Sache befassen, die Sie verkorkst haben, weil Sie nicht gewußt haben, über was Sie entscheiden. Oder warum hat Herr Albrecht genau die Position bezogen, die ich heute einnehme? Was war denn der Grund dafür? Haben Sie sich denn gewehrt, als das im Raume stand? ({10}) - Wie denn? Mit Erfolg? Sie machen sich hier lächerlich. ({11}) Reden wir jetzt also einmal über das, was ansteht und aktuell gelöst werden muß. ({12}) - Nun seien Sie doch wenigstens jetzt einmal ein bißchen ruhig! ({13}) Es müßte doch möglich sein, ein wenig zuzuhören, wenn schon Kolleg gehalten wird über das, was Sie selbst verbockt haben. Es ist richtig: Der Preussag-Konzern hat entschieden, daß er sich und seine geschäftlichen Aktivitäten neu positioniert - eine Entscheidung, die nicht in der Macht der Landesregierung in Niedersachsen liegt und auf die sie auch keinen Einfluß hat. Also haben wir das zur Kenntnis zu nehmen gehabt, was die Konzernleitung entschieden hat. Aber mit den Folgen dieser Entscheidung - das ist unser Problem - haben wir uns auseinanderzusetzen. Die Folgen dieser Entscheidung, die Stahlaktivitäten abzukoppeln, müssen bedacht werden. Ich erinnere an das Wort von Herrn Albrecht: Diese industrielle Gruppe ist bestimmend für eine ganze Region und seine Menschen. - Er hat wenigstens noch gewußt, was Sie offenbar vergessen haben: Die Folgen für eine ganze Region und seine Menschen müssen bedacht werden. Dann kam das Angebot der Voest-Alpine. Mehr als ein Angebot war es nicht; Sie kennen ja die Verträge nicht, aber ich kenne sie. Das Angebot - unbeziffert und natürlich unter dem Vorbehalt der Bewertung durch Wirtschaftsprüfer - war, die Stahlaktivitäten der Preussag AG zu übernehmen. ({14}) Ministerpräsident Gerhard Schröder ({15}) - Ich sage: Ich kenne die Verträge, Sie nicht. Also reden Sie nicht schon wieder über etwas, was Sie nicht verstehen! ({16}) Natürlich stand das Angebot, wie es auch nur vernünftig ist, unter dem Vorbehalt von Bewertungen durch Unternehmensprüfer. Diese Bewertungen werden zur Zeit vorgenommen. Die Voest, die dieses Angebot gemacht hat - nur nebenbei für die Ordnungspolitiker -, ist ein Unternehmen, das zu 43 Prozent im Besitz des österreichischen Staates ist. ({17}) Das sage ich nur nebenbei für die Ordnungspolitiker. ({18}) - Wenn Sie es wissen, warum sagen Sie es denn nicht? Dieses Unternehmen hat das Angebot gemacht. Für die niedersächsische Landesregierung stellte sich die Frage: Wie gehen wir mit diesem Angebot um? Natürlich sagt die Voest nicht - ich muß mich schon wundern, wie sehr Sie Unternehmenssprechern glauben -: Selbstverständlich werden wir im Rahmen der Neupositionierung des neuen Unternehmens im Stahlmarkt das und das tun und diese oder jene Arbeitsplätze abbauen. Ich habe noch nie gehört, daß so etwas bei einer Übernahme oder bei einem Konzentrationsprozeß gesagt worden ist. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wissen aber, daß immer das Gegenteil von dem eingetreten ist, was vorher gesagt wurde. Das wissen sie ganz genau. ({19}) Es ist schon einigermaßen merkwürdig, wenn man sich hier hinstellt und als Begründung für die eigene Position Erklärungen eines Unternehmens vorträgt. Eine solche Erklärung wird doch immer von Menschen verfaßt, die bestimmte Interessen haben. Ich bestreite ja gar nicht, daß sie berechtigt sind. Aber man muß berücksichtigen, daß es die Interessen einer Seite sind. ({20}) Sie haben gesagt: Wir übernehmen dieses Unternehmen in Salzgitter. Das haben sie nun nicht deshalb gesagt, weil es ihnen einfach so einfällt. Vielmehr verfolgen sie doch wohl das klare ökonomische Ziel, durch die Übernahme Synergieeffekte zu erzielen. ({21}) Welchen Sinn sollte es denn sonst haben, ein Unternehmen zu übernehmen, wenn man keine Synergieeffekte erzielen will? ({22}) Synergieeffekte erzielen ist der etwas vornehme Ausdruck dafür, bestimmte Anpassungsprozesse an veränderte Marktbedingungen vorzunehmen, Anpassungsprozesse, die fast immer - solange Sie an der Regierung sind, sowieso immer - zu Lasten der Arbeitnehmer ausgehen. Das ist doch so. ({23}) Dann stellt sich die ganz einfache Frage, die übrigens den Kern der Äußerungen von Herrn Albrecht widerspiegelt - Herr Pflüger, Sie sollten sich wirklich einmal damit auseinandersetzen; ich persönlich habe es nämlich getan, auch jüngst wieder -: Wenn bei einem solchen Übernahmeprozeß Synergieeffekte erzielt werden sollen, wenn also Entlassungen jedenfalls nicht auszuschließen sind, wenn sie nach allen Erfahrungen sogar drohen, wo werden sie zuerst vorgenommen: am Sitz der Unternehmenszentrale oder bei einer Tochter? ({24}) - Jetzt will ich Ihnen einmal sagen, wo das in aller Regel geschieht. Das ist doch die klassische Erfahrung, die alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gemacht haben. ({25}) In jedem Fall passiert das nicht zuerst da, wo der Sitz des Unternehmens ist - schon gar nicht in diesem Fall, wo der österreichische Staat 43 Prozent des Unternehmens besitzt. Das werfe ich dem Kollegen Klima überhaupt nicht vor. Er handelt genauso rational wie ich und nicht so irrational wie Sie. So ist das. ({26}) Es geht doch nicht darum, ob ein Unternehmen ankündigt, daß es soundso viele Arbeitsplätze abbaut, sondern es geht um die Frage - ich schaue dabei voraus; das ist ja die Aufgabe von Politik, jedenfalls von einer Politik, wie ich sie verstehe -: ({27}) Haben wir zu befürchten, daß wir in dem Falle, daß bestimmte Synergieeffekte erzielt werden sollen, mit diesen Folgen konfrontiert werden? - Das ist das Problem. Alle Gutachten, die es darüber gibt - dieses Unternehmen ist sorgfältig untersucht worden -, besagen: In einem sich verändernden Stahlmarkt - er verändert sich; gar keine Frage - ist die Preussag Stahl AG so positioniert, daß sie sich alleine am Markt behaupten kann. ({28}) Sie sind unternehmerisch so gut, sie haben ein so glänzendes Know-how und verfügen in den drei Standorten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt über eine solch Klasse Mannschaft, ({29}) daß sie sich auch als ein kleineres Unternehmen am Markt behaupten können. Das ist gerade durch eine Untersuchung von McKinsey bestätigt worden, die im Auftrag des Konzernvorstandes angestellt wurde. Ministerpräsident Gerhard Schröder ({30}) Er wollte damit vermutlich etwas ganz anderes bezwecken, nämlich die Trennung der Preussag von der Stahlbranche zu rechtfertigen. Diese Untersuchung ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es in ganz Europa kein technologisch so interessantes Unternehmen gibt, das auch fähig ist, alleine am Markt zu bestehen, wie die PSAG in Peine und Salzgitter. Wir müßten doch sehr merkwürdige Leute sein, wenn wir jetzt nicht wenigstens versuchten, die notwendigen Anpassungsprozesse in einem sich dramatisch verändernden Stahlmarkt, die auch die PSAG vor sich hat, so vonstatten gehen zu lassen, daß sie aus dem jeweiligen Land heraus bestimmt werden und nicht fremdbestimmt sind. Siehe die Ausführungen von Herrn Albrecht aus dem Jahr 1990. ({31}) Das ist der Hintergrund, vor dem wir gesagt haben: Wir möchten Ruhe und Stabilität in das Unternehmen bringen. Deshalb möchten wir die Aktienmehrheit haben. Noch haben wir sie nicht. Da gibt es übrigens sehr harte Preisverhandlungen, weil wir nicht mehr zahlen werden, als der Markt es vorgibt. Wir denken gar nicht daran. Die andere Seite will das auch nicht.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Ministerpräsident, darf ich Sie darauf hinweisen: Bei Verlängerung Ihrer Redezeit - Ministerpräsident Gerhard Schröder ({0}): Das macht nichts, Frau Präsidentin. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Doch, das macht schon etwas! Ministerpräsident Gerhard Schröder ({0}): Ich denke, das ist ein ernstes Thema. ({1}) Ich glaube, es macht überhaupt nichts, wenn im Deutschen Bundestag auch wieder einmal über die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland geredet wird. Das haben Sie doch verlernt! ({2}) - Wann hatten Sie denn etwas mit den Interessen der Arbeitnehmer am Hut? Nie! In Ihrem ganzen Leben noch nicht! Das weiß man doch. ({3}) Ich sage es noch einmal: Wir mußten intervenieren, um das Unternehmen in den Stand zu setzen, sich aus eigener Kraft auf dem Hintergrund seiner wirklich guten Möglichkeiten in einem sich neu formierenden Stahlmarkt zu behaupten. Dies ist der Kern unserer Intervention. Das ist im übrigen der einzige Grund für unsere Intervention. Eines können Sie mir glauben: Ich habe mir das nicht bestellt. Mir wäre es lieber gewesen, wenn sich die Preussag in der Lage gesehen hätte, sich nicht von einem Unternehmensteil zu trennen, der in der Tat in den letzten zehn Jahren im Durchschnitt 100 Millionen DM Profit an die Mutter abgeführt hat. Das hätte ich lieber gehabt. Ich habe mir das doch nicht ausgesucht. Ich darf aber auch nicht warten, bis es zu spät ist. Das Unternehmen ist so bestellt, daß es sich behaupten kann und auch weiter behaupten wird. Wir schaffen ihm die Ruhe und die Möglichkeiten, damit es die Anpassungen, die notwendig sind und die auch schmerzlich sein werden, in eigener Regie durchführen kann. Wenn Sie noch Beispiele brauchen, wie das anders laufen kann: General Motors hat angekündigt, daß es Kostenprobleme hat, die es dadurch lösen wird, daß es in Deutschland 30 Prozent seiner Arbeitsplätze abbaut. Von Detroit habe ich in dem Zusammenhang nichts gehört. Meine Damen und Herren, wollen wir jetzt auch noch über Boehringer reden, wo die Leute seit Wochen - von Ihnen gar nicht wahrgenommen - auf der Straße sind, um Ihnen die negativen Folgen einer solchen Fusion klarzumachen? Sie hören doch gar nicht mehr hin, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Interessert formulieren. Das ist doch Ihr Problem! ({4}) Ich meine, damit ist mehr als hinreichend belegt, daß das Steuergeld, das wir dort treuhänderisch verwalten, vernünftig ausgegeben wird, vorausgesetzt, daß die Verhandlungen positiv abgeschlossen werden. Wir sind der Auffassung, Herr Hirche - was Sie natürlich nicht sind -, daß es besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu bezahlen. Das ist doch Ihr Problem! ({5}) Sie sind in den letzten 15 Jahren mit Ihrer Wirtschaftspolitik total gescheitert. Sie sind für 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich, haben aber die Frechheit, sich hier hinzustellen und anderen Leuten Ratschläge zu geben. Das ist wirklich die Spitze an Dreistigkeit! ({6}) - Jetzt sagt dieser Mann auch noch, wir marschieren in die falsche Richtung. Sollen wir denn in Ihre RichMinisterpräsident Gerhard Schröder ({7}) tung marschieren, zu noch mehr Arbeitslosigkeit? Oder was wollen Sie? ({8}) Meine Damen und Herren, dann reden wir einmal über das, was in und mit diesem Unternehmen passieren wird, wenn die Phase der Konsolidierung, der Neupositionierung im Markt abgeschlossen ist. Wir haben immer erklärt - wir haben das exerziert; ich komme gleich dazu -, daß wir gar nicht daran denken, diesen Industriebesitz auf Dauer zu behalten. Warum denn? Wenn die Neupositionierung abgeschlossen ist, macht es Sinn, zu reprivatisieren. Es macht Sinn, eines zu realisieren, worüber geredet, aber eben nur geredet wird, nämlich endlich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dem zu beteiligen, was sie erarbeiten. Das werden wir durchsetzen. ({9}) Hinsichtlich der Bewertung dieses Vorgangs bin ich ganz gelassen. Ich räume ein, meine Damen und Herren: Das paßt nicht so ganz zu den Lehrbuchweisheiten neoliberaler Angebotspolitiker. Das weiß ich sehr wohl. ({10}) Die Lehrbücher vor sich herzutragen und die Menschen allein zu lassen, was Sie tun, ist das eine. Etwas anderes ist es, für die Menschen einzustehen und Lehrbücher Lehrbücher sein zu lassen. ({11}) Machen Sie sich keine Gedanken darüber, wie das in der Region, im Land und darüber hinaus bewertet werden wird. ({12}) - Darüber müssen Sie gerade reden. Gerade diese Regierung, die für 5 Millionen Arbeitslose verantwortlich ist, muß anderen Vorwürfe machen. Wohin sind wir eigentlich gekommen, daß so etwas möglich ist, daß Sie sich nicht schämen, so etwas zu tun? ({13}) Wenn wir diese Operation zugunsten der Beschäftigten im Einklang mit den betrieblichen Vertretern, mit dem Management - wir denken gar nicht daran, uns in das operative Geschäft einzumischen - abgeschlossen haben werden, werden wir uns wiedersehen und darüber diskutieren. ({14}) Dann werden Sie eine andere Bewertung vornehmen, wie Sie später eine andere Bewertung vorgenommen haben, als Sie mir zunächst mit den gleichen Argumenten gesagt haben - ich höre sie doch noch -: Schröder, was du da in Lemwerder machst, ist Teufelszeug, das darfst du auf gar keinen Fall machen. ({15}) Heute haben wir 600 Beschäftigten ihren Arbeitsplatz erhalten und das Unternehmen wieder privatisiert. Was wollen Sie denn eigentlich mehr von Wirtschaftspolitik? ({16}) Was haben wir gemacht, als wir herausbekamen, wie es mit der Conti laufen sollte? Wir haben eine Niedersachsen-Holding gegründet, um eine Übernahme zu verhindern. Diese Holding haben wir im Interesse des Unternehmens und im Interesse der Beschäftigten wieder aufgelöst. Meine Damen und Herren, es mag sein, daß das nicht zu Ihrer Philosophie paßt. Aber glauben Sie mir: Weder mich noch die Beschäftigten in .der Region, ihre Familien und die Menschen, die mit davon betroffen sind, interessiert Ihre Philosophie. Die interessiert einzig und alleine: Wer steht für unsere materiellen Interessen, für unsere Lebensinteressen als abhängig Beschäftigte? Das sind wir. Daß Sie es nicht sind, haben die Leute längst begriffen. Verlassen Sie sich darauf! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({17})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Erich Maaß.

Erich Maaß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001402, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wo ist das Selbstbewußtsein eines Gerhard Schröder geblieben? ({0}) Darüber, wie Sie heute hier aufgetreten sind, Herr Schröder, kann man sich nur wundern. Er schreckt nicht einmal davor zurück, die Präsidentin des Hohen Hauses anzuflegeln und sich dann noch als Garant der Arbeitnehmer hinzustellen. Wer hat sich denn jahrelang in der Gunst der Großen der Industrie gesonnt? Das waren doch Sie, Herr Schröder. Sie sind doch beim Opernball und anderswo aufgefallen. ({1}) Lieber Herr Schröder, Sie sind der niedersächsische Ministerpräsident. Sie wollen hier versuchen, auszuweichen. Ich garantiere Ihnen: Die nächsten 24 Tage können Sie nicht überwintern. Die Antworten auf die Fragen, die an Sie gestellt werden, müssen Sie geben. ({2}) - Bleiben Sie doch ruhig. Regt euch doch nicht auf, liebe Genossen. Erich Maaß ({3}) Ich glaube nicht, was Konzernbosse - vielleicht zur Rechtfertigung - erzählen. Aber ich glaube Herrn Dr. Schultze. Das ist Ihr Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses; das ist der oberste Personalchef von 13 700 Mitarbeitern. ({4}) Dieser Mann, ein Neutraler, hat gesagt - ich zitiere -: Natürlich wurden Sicherungen für Arbeitsplätze und Standorte verabredet. Und weiter: Das eine dürfen Sie mir glauben, hätte in dem Voest-Papier gestanden: Wir werden den Standort X oder Y halbieren oder gar aufgeben, hätte ich dem unter keinen Umständen zugestimmt - und die anderen auch nicht. Meine Damen und Herren, das sind wahre Worte. Hier wollen Sie untertauchen, Herr Schröder. ({5}) Herr Schultze sagte weiter: Ich halte die Angst, die den Arbeitnehmern da gemacht wurde, nicht für angemessen, aber nun haben wir Wahlkampf, und es paßt da rein. ({6}) Herr Schröder, Sie spielen mit den Ängsten und Sorgen der Mitarbeiter. Sie treten sie mit Füßen. Warum diese hektischen Reaktionen Ihrerseits? ({7}) Ich darf einen weiteren Punkt ansprechen. Was senden Sie, Herr Schröder, für fatale Signale aus Niedersachsen? Wo waren Sie eigentlich, ({8}) als beispielsweise Iglo in Wunstorf mit den Holländern kooperierte? Wo waren Sie, als beispielsweise bei Linke-Hoffmann-Busch in Salzgitter ein französischer Investor auftrat? Von den 4000 Arbeitsplätzen wurde keiner abgebaut, sondern zusätzliche wurden geschaffen. Wo waren Sie da? Nur weil es Ihnen in den Kram paßte, waren Sie sechs Wochen vor dem Wahltermin plötzlich in Salzgitter. Herr Schröder, Sie senden falsche Signale. Was würden Sie sagen, wenn ein Jospin oder ein Tony Blair bemerken würde: Die Deutschen kommen; macht die Schotten dicht. Wie vereinbart sich das mit Europa? Herr Schröder, ich darf Ihnen noch eines sagen - jetzt zitiere ich den „Focus"; das kommt hier beklemmend rüber, und das macht uns Sorge -: ({9}) Die Jobs waren nie in Gefahr - die Krise mußte eigens erfunden werden, um den angeschlagenen Helden für die Schlacht um die SPD-Kanzlerkandidatur zu stärken. ({10}) Herr Schröder, Sie schrecken nicht einmal davor zurück. Und das ist schlimm! Jetzt darf ich Ihnen folgendes sagen: Hier wurde von dem Mühlstein für das Land Niedersachsen, der uns langsam erdrückt, gesprochen. ({11}) - Ich kann Ihre Nervosität verstehen. ({12}) Was haben Sie noch vor zwei Tagen in meiner Heimatstadt Wilhelmshaven gesagt? Ich zitiere: Er beschönigte nicht die derzeit schwierige finanzielle Lage des Landes und kündigte an, sobald wieder mehr Spielraum bestehe, würden zuerst Investitionen in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung getätigt. Herr Schröder, wo sind sie? Sie gehen Verpflichtungen bei leeren Kassen ein und verspielen Zukunftsoptionen für Niedersachsen. Das ist doch das Problem. ({13}) Herr Schröder, ich will hier eines noch kurz erwähnen: Wer zur persönlichen Profilierung mit der Angst der Menschen Politik macht, fügt der Demokratie in unserem Lande schweren Schaden zu. Sie tun das. Sie verletzen Ihren Amtseid. ({14})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Weiermann.

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ministerpräsident Schröder hat recht, wenn er feststellt, daß bei Zusammenschlüssen, bei Firmenübernahmen in allererster Linie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Zeche zu zahlen haben, nämlich dadurch, daß die Belegschaftszahlen erheblich heruntergefahren werden. Ich weiß, wovon ich spreche, wenn ich feststelle, daß wir in dem Unternehmen, in dem ich jahrelang tätig war, im Jahre 2001 nicht mehr von 10 000, nicht mehr von 8000, sondern nur noch von 1500 Menschen, die im Stahlgeschäft tätig sein werden, sprechen können. Das ist die Wahrheit. Darüber muß man an dieser Stelle sprechen. Hören Sie mit dem Vorwurf auf, Herr Schröder erinnere sich nicht an seinen Amtseid, den er geleistet hat. Ich wünschte mir Politiker, die so viel VerantworWolfgang Weiermann tung gegenüber der Gesellschaft haben, wie Schröder sie an dieser Stelle bekundet hat. ({0}) Dieser Schritt Niedersachsens beinhaltet, 14 000 Arbeitsplätze zu sichern, für die Zukunft zu stabilisieren, für die Region zu erhalten - und das unter dem Eindruck, daß seit 1990 bundesweit 3,4 Millionen Stellen gestrichen worden sind. Wir können keinen weiteren Arbeitsplatzabbau in diesem rasanten Maße über die 5 Millionen Menschen hinaus mehr verkraften. Das sind wir den Menschen draußen schuldig; oder unsere Politik, die wir hier machen, ist verkehrt. ({1}) Wir wissen, daß wir gegenwärtig eine Beschleunigung des Beschäftigungsabbaus in der Bundesrepublik von 1,3 Prozent haben. Was wird denn dagegen getan, meine Damen und Herren? Hunderttausend Langzeitarbeitslose - das ist Ihre Empfehlung, Ihre Erklärung - sollen über die Kommunen wieder in Arbeit gebracht werden, wobei Sie sich in der Verantwortung zurückhalten, die Maßnahmen entsprechend zu finanzieren; sie bleiben nichts als Ankündigung. ({2}) Tun Sie doch nicht so, als sei das ein Sündenfall und ein Verstoß gegen die Marktwirtschaft! Dann haben Sie im Grunde genommen das Einmaleins der Wirtschaftspolitik nicht begriffen. Wir brauchen genügend qualifizierte Beschäftigung, sonst geht uns der gesamte Markt zum Teufel. Das ist die Wahrheit. ({3}) Ich kann Ihnen, liebe Kollegen von der F.D.P., den Vorwurf der Realitätsblindheit nicht ersparen. ({4}) Sie haben wirklichkeitsfremde Ideologien. ({5}) Es ist doch mehr als eigentümlich, daß ausgerechnet Sie sich heute für die Belange der Stahlindustrie glaubhaft einsetzen wollen. Das nimmt Ihnen doch keiner ab. Sie waren es doch, die über eineinhalb Jahrzehnte durch ihre Wirtschaftsminister hier im Bund die deutsche Stahlindustrie an den Rand des Wettbewerbs und an den Rand ihrer Existenz gebracht haben. ({6}) Das waren Männer wie Bangemann, Haussmann, Möllemann und jetzt Rexroth, ({7}) die die deutschen Stahlinteressen vernachlässigt haben, die sich nicht gegen den Subventionswettlauf in anderen EG-Staaten gestemmt haben. Sie waren diejenigen, die die Existenz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesen Revieren aufs Spiel gesetzt und gefährdet haben. Lassen Sie mich das sagen, weil das ein Teil der Geschichte der Stahlbranche in den letzten anderthalb Jahrzehnten war: Sie haben nichts dagegen getan, daß 140 Milliarden DM in anderen Staaten der EG für die Stahlindustrie geflossen sind. Sie haben dabei in der Tat im Ministerrat hingenommen, daß die deutsche Stahlindustrie diesem Wettbewerb beinahe nicht mehr hätte standhalten können und aus dem Geschäft gedrängt worden wäre. Sie wissen genauso wie ich, wieviel Substanz in diesen eineinhalb Jahrzehnten hierbei in der deutschen Stahlindustrie verlorengegangen ist. Das ist die Wahrheit. Deswegen sage ich an dieser Stelle: Was das Land Niedersachsen hier an Prinzipien, an machbarer Praxis vorgibt, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wir alle von der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion werden diese Politik Niedersachsens hier im Parlament nachdrücklich unterstützen. Herzlichen Dank. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als nächster spricht der Abgeordnete Carl-Detlev von Hammerstein.

Carl Detlev Hammerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon eine ganz erstaunliche Geschichte in der Bundesrepublik, daß ein einzelner Mann ein ganzes Stahlwerk kauft, ohne auf die vielen Widerrufe seiner eigenen Partei - ich denke nicht nur an Herrn Schultze -, seiner eigenen Fraktion, seiner eigenen Regierungsmitglieder zu hören. Es gibt in einem hochinteressanten Blatt eine Zeichnung, über der steht: „Mit Karacho in die Knautschzone" - Herr Schröder, wie er leibt und lebt und er sich selber darstellt und seine Regierungsarbeit mit „befriedigend" benotet. Herr Schröder, nach dieser Verstaatlichung werden in Niedersachsen 99 Prozent der Bürger „mangelhaft" aussprechen. ({0}) Herr Schröder, bisher sind Sie eigentlich der Garant für die Globalisierung der Märkte gewesen. Ich denke an eine Aussage, die Sie vor wenigen Tagen einmal gemacht haben, nämlich daß Sie als Aufsichtsratsmitglied im VW-Konzern großes Interesse daran hätten, Rolls Royce zu übernehmen. Nun bot sich nach vielen Jahren das erste Mal die Chance, daß zwei Länder - nämlich Österreich und England - zwei Konzerne nannten, die Interesse hatten, in den sehr diffizilen Markt des Stahles einzusteigen. Sie verhindern das! Es ist interessant, ein Stahlwerk zu kaufen, ohne Geld zu haben. ({1}) Nun finanziert Herr Schröder das zum einen über die Hannoversche Beteiligungsgesellschaft. Herr Schröder, weil Ihre eigene Fraktion im Hinblick auf diese Hannoversche Beteiligungsgesellschaft von einem Schattenhaushalt mit einer maroden roten Zahl spricht, bitte ich Sie, dem Hohen Haus und jedem Bürger in Niedersachsen einmal zu sagen, wieviel Geld dort drin ist und wieviel Geld dort herausgenommen werden kann. Ihr Finanzminister hat gesagt, da sei Geld drin, und zwar das Aktienkapital von VW. Wollen Sie VW auch noch schwächen? Für mich ist aber viel wichtiger und interessanter, daß ein Teil der Finanzierung über die Nord-LB laufen soll. Da müßte meines Erachtens der Aufschrei der Sparkassen und aller niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger kommen. Die haben nämlich das Geld, das sie mühselig verdient haben, bei den Sparkassen angelegt; und nun soll die Nord-LB ein Stahlwerk kaufen. Herr Schröder, was tun Sie denn für die vielen tausend kleinen und mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen, ({2}) ohne daß der Staat kauft, weil das nichts mit moderner Wirtschaftspolitik zu tun hätte? Es wird ein Großunternehmen gekauft, ohne daß es wirtschaftliche Probleme hat. Das stößt bei vielen Menschen im Lande Niedersachsen auf Unverständnis und gibt das Gefühl - das ist schmerzlich - daß es zwei verschiedene Gruppen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gibt: die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den kleinen Betrieben und die anderen in den großen Betrieben. ({3}) Ich halte das angesichts der Beschäftigungsanstrengungen des Mittelstands gerade in Niedersachsen für ein verhängnisvolles Signal. Herr Schröder, Sie und die SPD-Fraktion haben die heutigen Reden auf die Arbeitnehmer abgestellt. Das ist auch richtig. Meines Erachtens ist es aber ebenso wichtig, Herr Schröder, auch den vielen tausend mittelständischen Unternehmen, die im Augenblick nicht in der Lage sind, finanziell zu überleben, Hilfe zu geben. Das wird leider vergessen. ({4}) - Nein, nicht Rexrodt. Herr Schröder ist hierfür verantwortlich, nicht Herr Rexrodt. Das muß man klar und deutlich sagen. ({5}) Jedenfalls, Herr Schröder, würde ich bei leeren Kassen nicht den Mut haben, ein Stahlwerk zu kaufen. ({6})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Der nächste Redner ist Dr. Otto Graf Lambsdorff.

Dr. Otto Lambsdorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001272, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Ministerpräsident, Ihr Land hat ein schönes Staatswappen - im Mittelpunkt das Niedersachsenroß. Wenn Ihre Landesregierung so weiterwirtschaftet, wie es die „Süddeutsche Zeitung" - Herr von Hammerstein hat mir das Exemplar freundlicherweise gleich hiergelassen - am Montag dieser Woche beschrieben hat, dann werden Sie Ihr Staatswappen ändern müssen. Dann ersetzen Sie das Roß durch ein Känguruh. Wappenspruch: Große Sprünge mit leerem Beutel. ({0}) Wenn Sie, Herr Schröder, ein Unternehmen so leiten würden, wie Sie mit der niedersächsischen Staatskasse umgehen, dann wäre entweder der Laden pleite oder Sie wären rechtzeitig herausgeworfen worden. ({1}) Das Sprichwort sagt: Nur ein Schelm gibt mehr, als er hat. Herr von Hammerstein hat recht: Der niedersächsische Ministerpräsident kauft ein Stahlwerk ohne Geld. Ist er ein Schelm, oder kann er nicht rechnen - oder beides? Sechs Wochen ist der Kaufentschluß her, aber bei der Finanzierung ist das Ende immer noch offen. Das nenne ich ein Höchstmaß finanzieller Unsolidität. 1,3 Milliarden DM hat Voest-Alpine für Preussag Stahl und den inländischen Teil von Preussag Handel geboten. Herr Schröder, Sie schütteln schon wieder den Kopf. Ihr Finanzminister Waike hat das der „Braunschweiger Zeitung" wörtlich so erklärt. ({2}) Nun rechnen Sie einmal nach, meine Damen und Herren, und auch Sie bitte, Herr Schröder. Sie müssen 1,3 Milliarden DM finanzieren, wenn Sie keinen Käufer für die restlichen Anteile finden. Das kostet das Land Niedersachsen bei einem Zinssatz von 5,2 Prozent für zehnjährige Anleihen 68 Millionen DM im Jahr an Zinsen, ohne daß eine Mark an Schulden getilgt wurde. Die Preussag Stahl AG hat in den letzten Jahren eine durchschnittliche Dividende in Höhe von 51 Millionen DM an ihren Aktionär ausgeschüttet. Also machen Sie jährlich für das Land Niedersachsen einen Verlust von 17 Millionen DM. ({3}) Das Land hat einen teuren Ministerpräsidenten, einen zu teuren. Aber Sie, Herr Schröder, haben das ja geübt: 20 Prozent hält das Land am Stammkapital der Volkswagen AG. Der Dividendenertrag für das Jahr 1996 betrug 50 Millionen DM. Der Marktwert des Aktienpaketes zum gestrigen Schlußkurs betrug 5,9 Milliarden DM. Wenn das Land Niedersachsen diesen Anteil verkaufen würde, betrüge die Zinsersparnis, ganz vorsichtig gerechnet, 250 Millionen DM pro Jahr. Es geschieht aber das genaue Gegenteil. Das Land Niedersachsen will sich an der geplanten Kapitalerhöhung der Volkswagen AG wieder mit gepumptem Geld und wieder mit einem Minusertrag beteiligen. Aktienkauf auf Kredit, das ist nun wirklich Spekulation. Ein SPD-Ministerpräsident in der Rolle des Spekulanten - Sie werden zum Serientäter, Herr Schröder. ({4}) Meine Damen und Herren, der Ministerpräsident Schröder begründet seinen „Hoppla, jetzt komm ich"-Entschluß mit dem drohenden Verlust von Arbeitsplätzen. ({5}) Herr Schröder, richtig ist: Diese Krise haben Sie erfunden. Diese Krise besteht nicht. Die Voest-Alpine erklärte, es habe zu keiner Zeit die Absicht bestanden, Arbeitsplätze abzubauen. Darauf entgegnen Sie, die Leute, die so reden, sagen sowieso nicht die Wahrheit. Das haben Sie uns hier gesagt. Der Vorstand der Preussag AG bestätigt aber doch genau das gleiche. Er bestätigt, daß bei einem Kauf kurzfristig keine Arbeitsplätze in Gefahr gewesen seien. ({6}) Diese Krise ist von Ihnen erfunden worden, damit Sie in Rambo-Manier Ihre Industriepolitik durchsetzen können. ({7}) - Ich kann leider keine Zwischenfragen beantworten, Herr Mosdorf, das tut mir leid. Ich finde es auch schon ziemlich unerhört, wieviel Redezeit der Ministerpräsident hier in Anspruch genommen hat. Man selber soll dann in fünf Minuten darauf antworten. ({8}) Meine Damen und Herren, die Stahlproduktion läuft dank der Automobilkonjunktur auf hohen Touren. Herr Weiermann, die deutsche Stahlindustrie ist - sicherlich auch gegen den Widerstand und gegen das Übel der Subventioniererei in Europa, wogegen wir uns in allen Regierungen, auch schon zur Zeit der sozialliberalen Koalition gewehrt haben - heute in einer ganz vorzüglichen Verfassung, zugegebenermaßen nach erheblichen Arbeitsplatzverlusten. Das ist nicht zu bestreiten. Aber wettbewerbsfähig ist sie. Ihnen, Herr Schröder, sage ich aber zu all dem, was Sie uns hier erzählt haben und was auch sonst berichtet wird: Langfristig wird die Preussag Stahl AG in einen größeren Verbund hineinmüssen. Diesen Weg erschwert die Rückverstaatlichung, die Sie jetzt vorgenommen haben; langfristig, Herr Schröder, gefährden Sie Arbeitsplätze. ({9}) Herr Schröder, Sie wollten keinen Verkauf an Voest-Alpine. Sie halten wirklich gewaltige und eindrucksvolle Reden. Das können Sie auch. Das wissen wir ja. Sie wollen den Eindruck erwecken, Sie hätten das Zeitalter der Globalisierung viel besser als Ihr Rivale Oskar Lafontaine verstanden. Warum agieren Sie denn hier mit dem Horizont eines Hühnerhofs? Wie kann man denn von „fremdbestimmt" reden, wenn sich ein Unternehmen aus einem Land der Europäischen Union -43 Prozent hält der Staat, das ist richtig - an einem niedersächsischen Unternehmen beteiligen will? Es ist doch richtig, daß man Sie gefragt hat, was Sie sagen würden, wenn dem Erwerbsinteresse von VW an Rolls Royce aus England mit dem Argument begegnet würde: Wir wollen keine niedersächsischen Ausländer. ({10}) Deutschland, Herr Schröder, das wissen Sie, braucht Investitionen. Die Lücke ist groß genug. Das ist schlimm. Es braucht sie gerade auch von ausländischen Unternehmen. Das ist mit Recht gesagt worden. Heute morgen hat die SPD im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages darauf gedrängt, daß das verbessert und verstärkt wird. Sie haben dem Standort Deutschland und erst recht dem Standort Niedersachsen mit dieser provinziellen Entscheidung einen Bärendienst erwiesen. ({11}) Sie sind offenbar auch noch ohne Landtag und Haushaltsausschuß - aber das mögen Sie zu Hause ausmachen - eine milliardenschwere Verpflichtung eingegangen. Sie belasten den niedersächsischen Steuerzahler für dieses industriepolitische Gehabe. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie nicht ein Känguruh auf dem Staatswappen haben, sondern einen Pleitegeier. ({12})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Thomas Rachel.

Thomas Rachel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002754, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Die nicht gerade CDU-lastige Wochenzeitung „Die Zeit" titelte am 15. Januar dieses Jahres: „Ministerpräsident Schröder stoppt den Verkauf von Preussag Stahl an Ausländer - und schadet dem Land." Unterzeile: „Plumper Populismus". Sehr geehrte Damen und Herren, es ist schon auffällig, wie kritisch, ja ablehnend die Presse die Aktion des niedersächsischen Ministerpräsidenten Schröder kommentiert. Drei Fragen interessieren uns in diesem Zusammenhang. Erstens. Was bedeutet der Vorgang für das betroffene Unternehmen und seine Zukunftsperspektive? Zweitens. Was bedeutet der Vorgang für die betroffenen Beschäftigten? Diese Frage interessiert mich als Christdemokrat genauso wie die erste Frage. Ich sage das hier in aller Deutlichkeit. Drittens. Welche Bedeutung hat der Vorgang für ausländische Investitionen? Um es klar zu sagen: Preussag Stahl ist ein bestandsfähiges Unternehmen; es ist nicht gefährdet gewesen. Es ist ein technisch gut ausgerüstetes Stahlunternehmen; es ist gut geführt und hat vernünftige Gewinne in der Vergangenheit gemacht. Es handelt sich also keineswegs um ein Unternehmen, das vor dem Konkurs gerettet werden mußte. Es läßt sich deshalb feststellen, daß es eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zum Kauf von Preussag Stahl durch das Land Niedersachsen nicht gegeben hat. ({0}) Ich kündige Ihnen an, daß Ihnen alle Ihre Aktionen gar nichts nützen; denn letztlich wird sich das Unternehmen am Markt bewähren müssen. Sie haben mit Ihrer Aktion den Eindruck erweckt, daß Preussag ohne Ihr Eingreifen nicht wettbewerbsfähig ist. Das wird Ihnen nicht nur bei den weiteren Verkaufsverhandlungen, sondern auch hinsichtlich der Perspektiven dieses Unternehmens erheblich schaden. ({1}) Sie haben angeführt, daß die Standorte in Niedersachsen gefährdet und die Arbeitsplätze bedroht seien. Wir haben es da mit einem sensiblen Thema zu tun. Betroffen sind Menschen, die für sich und ihre Familien eine Perspektive suchen. ({2}) Die eigentliche Unverschämtheit besteht darin, daß die Argumente der SPD-Landesregierung nicht stichhaltig sind. Voest-Alpine hat klargestellt, daß keiner der niedersächsischen Standorte gefährdet gewesen wäre, daß keine Arbeitsplätze hätten abgebaut werden sollen. ({3}) Herr Schröder, erklären Sie sich in aller Deutlichkeit! Wenn Sie bei Ihrem Kurs und Ihrer Argumentation bleiben wollen, dann bezichtigen Sie die Vertreter des österreichischen Unternehmens der Lüge. Das möchte ich hier gern von Ihnen erleben! ({4}) Sie haben mit den Gefühlen der betroffenen Menschen gespielt; das ist keine politische Führungsstärke, deren Sie sich gerne rühmen. Sie haben Gefahren in den Raum gestellt, die in Wirklichkeit nicht vorhanden sind; das ist Wahlkampf, wie Ihr Parteikollege Schultze diesen Vorgang zu Recht bezeichnet hat. Das ist ein abschreckendes Bild von SPD- Politik für dieses Land. ({5}) Zu meiner dritten Frage: Welche Wirkungen hat Ihre Politik auf ausländische Investoren? Glücklicherweise bieten viele ausländische Unternehmen Arbeitsplätze in Deutschland an. Es ist doch überhaupt keine Frage, daß das in diesem Land so bleiben muß. ({6}) Wenn Sie, Herr Schröder, von Wirtschaft und Globalisierung reden - Sie tun das besonders gern bei den Wirtschaftsbossen - und im gleichen Atemzug durch Ihr konkretes Tun Unternehmen brüskieren, diskriminieren und ausgrenzen, dann ist das unmoralisch und zutiefst unglaubwürdig. ({7}) Herr Schröder, Ihre Ohrfeige für das österreichische Unternehmen, für einen ausländischen Investor, tut auch anderen ausländischen Investoren weh. Sie müssen nicht glauben, daß das nicht von anderen beobachtet wird. Ich bin der Meinung, daß das Wort „Globalisierung" Ihnen künftig im Halse steckenbleiben sollte, wenn Sie an die Ausarbeitung Ihrer nächsten wirtschaftspolitischen Reden gehen. Danke schön. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als vorletzter Redner der Abgeordnete Gerd Andres.

Dr. h. c. Gerd Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000038, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seitdem im Jahre 1990 die Sozialdemokratische Partei in Niedersachsen die Regierung übernommen hat und Ministerpräsident Gerhard Schröder dort regiert, gibt es einen Grundsatz. Dieser Grundsatz lautet: Arbeitsplätze sichern und Arbeitsplätze schaffen ist eine Chefsache. Er kann für einen Zeitraum von vielen, vielen Jahren für ganz unterschiedliche Bereiche nachweisen - Lemwerder ist als Beispiel genannt worden; aber es gibt auch andere Beispiele aus dem mittelständischen Bereich -, daß das Land große Anstrengungen unternommen hat, um gefährdete Arbeitsplätze zu sichern, und daß das Land dabei immer auch ordnungspolitisch vernünftig gehandelt hat. Lemwerder ist genau ein solches Beispiel. Gerhard Schröder hat hier geschildert, welche Argumente es dafür gab. Heute haben wir die Situation, daß 600 Arbeitsplätze gesichert sind und ein wettbewerbsfähiger Standort vorhanden ist. Der Erhalt und die Privatisierung dieses Unternehmens waren in diesem Bereich ganz wichtig. ({0}) In einer solchen Linie wird auch ein anderes wirtschaftspolitisches Verständnis deutlich, das man wie folgt umschreiben kann: das Selbstverständnis einer aktiven, modernen Wirtschaftspolitik, die bereit ist, gerade unter den verschärften Markt- und Wettbewerbsbedingungen aktiv zu handeln und bewußt zu gestalten. ({1}) Sie tut damit exakt das Gegenteil von dem, was Sie hier während ihrer 15jährigen Regierungsverantwortung getan haben. ({2}) Ich würde mir wünschen, daß es ein Einverständnis darüber geben würde, daß die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Sicherung von Arbeitsplätzen auch hier Chefsache wäre. Aber der Bundeswirtschaftsminister mit seiner herausragenden Leistung beispielsweise im Rahmen der Liberalisierung des Ladenschlusses hat doch immer nur leere Worthülsen verbreitet und nichts dafür getan, daß die Arbeitslosigkeit in diesem Land bekämpft wird. ({3}) - Das hat doch mit Staatskapitalismus überhaupt nichts zu tun; das ist doch dummes Zeug. Herr Maaß, weil Sie sich hier so aufgeblasen haben, will ich auch auf Ihren Beitrag noch eingehen: Erwin Teufel war in der vorigen Woche in Peine und hat dort die Entscheidung der niedersächsischen Landesregierung als goldrichtige Sache bezeichnet. ({4}) Nehmen Sie sich an Erwin Teufel ein Beispiel! Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang auch ein strukturpolitisches Argument sagen. Es ist doch in der Tat so, daß das Flächenland Niedersachsen nicht stark mit Headquarters von großen, weltweit operierenden Unternehmen gesegnet ist. Es ist doch auch klar - dafür gibt es viele Belege und Beispiele -, daß bestimmte strategische Zusammenschlüsse natürlich auch mit dem Ziel gemacht werden, Synergieeffekte zu erzielen, insbesondere im Overhead-Bereich solche Synergieeffekte zu erzielen. Strategische Entscheidungen, Forschung, Planung und ähnliche Dinge tragen dort am besten und am meisten zur Sicherung von Arbeitsplätzen bei, wo jeweils die Zentrale sitzt. Wer sich Beispiele anschaut - Alcatel oder General Motors -, der weiß ganz genau, daß die strategische Entscheidung, einen Standort im Lande zu haben, auch dazu führt, daß entsprechende Standortentscheidungen für diese Region und für dieses Land gefällt werden. ({5})) Ich will einen dritten Punkt erwähnen, den ich ganz anders als Sie, die Redner der Koalition, einschätze. Ich bin mir sehr sicher, daß die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Peine, in Salzgitter und in Ilsenburg sehr genau registrieren, was diese Landesregierung tut. Sie merken, wer an ihrer Seite steht und wer nicht. ({6}) Dies halte ich für einen ganz zentralen Punkt; denn darüber, wie es weitergeht, entscheiden auch die Wählerinnen und Wähler an diesen Standorten in Niedersachsen. Ich bin mir sehr sicher, daß sie erkennen: Diese Landesregierung hat Wort gehalten, und wir kümmern uns im Rahmen unserer Regierungsverantwortung in Niedersachsen darum, daß Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden. Ich füge hinzu: Damit gehen wir stolz in den Wahlkampf. ({7}) Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern ist in Niedersachsen Chefsache. Das soll mit Gerhard Schröder auch nach dem 1. März so bleiben. ({8})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Als letzter Redner spricht der Abgeordnete Heinrich-Wilhelm Ronsöhr.

Heinrich Wilhelm Ronsöhr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002766, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schröder hat hier an Ernst Albrecht erinnert. Auch ich will das tun. In meinem Wahlkreis sitzt das Unternehmen BKB. Zu der Zeit, zu der Ernst Albrecht regiert hat, hat er bei uns die Arbeitsplätze gesichert und das Unternehmen BKB gerettet. Schröder war damals bereit - so wird es auch heute noch von Gewerkschaftern gesagt -, das Unternehmen plattzumachen. Wenn wir über niedersächsische Geschichte sprechen, Herr Schröder, dann gehört auch das dazu. ({0}) Damals war man bereit, ein Unternehmen plattzumachen. ({1}) Nicht irgend jemand, sondern die Politik wollte verhindern, daß das Unternehmen weiter existiert. Es sind hier einige Aussagen gemacht worden, daß es nicht um die Rettung der Arbeitsplätze ging. Ich hätte es verstanden und hätte es auch unterstützt - ich bekenne mich eindeutig dazu, wie sich auch Christian Wulff dazu bekannt hat -: Wenn es um die Rettung der Arbeitsplätze gegangen wäre, hätten wir das toleriert. Das ist doch wichtig. Ich kann doch die Sorgen und Nöte der Menschen verstehen. ({2}) Wir identifizieren uns mit den Sorgen und Nöten der Menschen in der Region, die dort als Stahlwerker arbeiten und die das Unternehmen nach vorne gebracht haben. Aber sie haben das Unternehmen als Privatunternehmen nach vorne gebracht. Es ist besonders in der Zeit existenzfähig geworden - das ist hier nicht bestritten worden -, als es ein Privatunternehmen war. Daß Herr Schultze - er ist ein neutraler Mann; er ist mitbestimmend in dem Unternehmen; das ist der Mann, der laut Mitbestimmungsgesetz für die Sorgen und Nöte der Arbeitnehmer in dem Unternehmen steht; wir haben gemeinsam gewollt, daß es solche Leute in den Unternehmen gibt - total an Zielsetzungen vorbeiargumentiert, die Voest-Alpine hatte, glaube ich einfach nicht. ({3}) Er hatte in die niedersächsische Politik das Argument eingeführt: Das war nur Wahlkampf. - Dieses Argument kommt doch nicht von uns, von der CDU. Nein, das kommt von Herrn Schultze. Mein lieber Wilhelm Schmidt, ich kann dir die Zitate geben. Erich Maaß und andere haben hier zitiert. ({4}) Herr Schröder ist mit keinem Wort auf diese Zitate eingegangen. Er ist mit keinem Wort auf Herrn Schultze eingegangen. Was ist denn mit Linke-Hofmann-Busch? Vor zwei Jahren wurde Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter mit 4000 Arbeitsplätzen von einem französischen Konzern übernommen. Da hat sich Herr Schröder nicht eingeschaltet. ({5}) Wieso hat er dort dem französischen, mithin dem ausländischen Konzern vertraut? Auch das ist ein in der Region dominierendes Unternehmen. Ich hätte unterschrieben, daß es ein in der Region dominierendes Unternehmen ist, aber es hat ihn nicht interessiert. ({6}) Es gibt Aussagen im Niedersächsischen Landtag, daß er der Auffassung ist, wenn sich etwas privat entwickle, solle das auch so sein. Hier gab es eindeutige Garantien für die Standorte und für die Arbeitsplätze. Hier gibt es nun einmal die Aussagen von Sozialdemokraten, die anders argumentieren, als hier argumentiert worden ist. Erich Maaß hat das deutlich gemacht: Herr Schröder sonnt sich in dem Glanz von Managern. Drei Jahre und acht Monate einer Legislaturperiode sonnt er sich in dem Glanz von Managern und zeigt der ganzen Nation, welchen Einfluß er auf sie hat. ({7}) In den letzten zwei Monaten sagt er: Ich habe keinen Einfluß auf Manager. - Da also entziehen sie sich angeblich seinem Einfluß. Ist denn alles, was er vorher gemacht hat, Gaukelei gewesen? Welche Manager sind das denn? Welche Sozialdemokraten haben eigentlich die sozialdemokratischen Manager bei der WestLB eingesetzt? Wer ist denn für Herrn Neuber verantwortlich? Doch nicht die F.D.P., doch nicht die CDU/CSU, sondern die SPD und die SPD-Landesregierung! ({8}) Wer hat da eigentlich mit wem was inszeniert? Herr Frenzel ist Sozialdemokrat. Er war Fraktionsvorsitzender in einer Kommune in Nordrhein-Westfalen. Das sind alles handelnde Sozialdemokraten gewesen! ({9}) Wenn der Regierungspräsident von Braunschweig, Herr Schneider, Ihr Parteifreund, sagt, Unternehmer müßten auch die entsprechenden Persönlichkeiten sein, dann habe ich den Eindruck, daß er damit seine eigenen Parteifreunde kritisiert hat. Dann werden nirgendwo die Risiken beschrieben. Die CDU-Landtagsfraktion unter Christian Wulff hat ständig Fragen gestellt. ({10}) Diese Fragen sind von Herrn Schröder auch heute noch nicht beantwortet worden. Er will sie auch gar nicht beantworten. ({11}) Schröder möchte Sandmännchen spielen. Wir sollen bis zur niedersächsischen Wahl alle in den Schlaf gewiegt werden. Dann werden wir aufwachen und sehen, welche Ergebnisse er wieder einmal gezeitigt hat. Im Grunde genommen ist es so: Gerhard Schröder will als niedersächsischer Ministerpräsident abgewählt werden. Es ist doch so. Das könnte er hier am Pult sogar bestätigen. Ich kann nur sagen: Wenn er schon abgewählt werden will, sollten das die niedersächsischen Wählerinnen und Wähler auch tun. Ich fordere jedenfalls nachdrücklich dazu auf. ({12})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Die Aktuelle Stunde ist beendet. Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 5. Februar 1998, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.